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Music
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(Slbf^r.
Musikpädagogische^Zeitschrift für alle Qebiete der Tonkunst.
Organ der Musiklehrer- und Tonkfinstler- Vereine
zu Köln, Dresden, Hamburg, Stuttgart, Leipzig,
der Musik-Sektion des A. D. L.-V.
und des Musikpädagogischen Verbandes.
Begründet 1878
von
Professor Emil Breslau r.
Redaktion: Anna Morsch.
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Siebenun d zwanzigster Jahrgang
1904.
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BERLIN.
Verlag „Der Klavier-Lehrer- (M. Woljff).
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Snhdts-Verzeichnis 190%.
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195
5
59
33
Arend, M. Pietro Eaimondi 49, 69
Pietro Guglielmi 361, 377
Böhnie-Köhler, A. Natur^eniässe Lautbildnog
beim Singen und Sprechen
in der Schule
Caland, E. Physiologisch-anatomische Betrach-
tung zur Ausnutzung d. Kraftquellen
beim Klavierspiel . 225, 241, 259,
Oassius, O. Der menschliche Stimmapparat
und seine Behandlung ....
Da MottH, J. V. Neue Ausgaben älterer Klavier-
werke 228, 243,
Die Königliche Musikschule Würzburg . . .
Ecc-^riiis - Sieber. A. Das 40. Tonktinstlerfest
des Allg. D. Musikvereins
zu Frankfurt a. M. . .
Genner, H. IViedrich Chopin in Leipzig . .
— Pädagogische Lesefrüchte . . .
Horwitz, B. Ce qu'on entend sur la montagne.
Symphonische Dichtung von Fr.
Liszt 1, 17.
H. V. T. Nachruf für P. J. .Fuergenson und
M. P. Belaieff 52
Knorr. Iwan. Die ,,graue" Theorie .... 298
Kromayer, F. Der Mechanismus des musika-
lischen Ausdi-ucks. Aus M. Jaell's
„La musii^ue et la psvchophy-
siologie" '. 3, 148, 276
Loewenthal, D. Wünsche für eine musikalisch
wertvollere Begleitung der
älteren Violin-Kon zerte . .
— Reformvorsc^hläge zur Violinpadagogik .
Mecklenburg. A. Hans von Bülow als Musik-
imd Klaviei-pädagoge 65, 81,
97. 113, 12^),
Morsch, A. Das Studium der Musikgeschichte
für den Lehrberuf 19
Musikpädagogischer Kongress 293, 318, 345
Musikpädagogischer Verband 134, 151.
167, 257
Kiemann, Dr. W. Unsere Musikbücherei 164, 179
Piol, E. Eugen Krantz als Klavierpädagoge 295, 322
Biemann, L. Akustik — Musikpraxis . . .197
^ckmitt, Prof. H. lieber die Register der
menschlichen Stimme 85, 51
218
366
145
Seite
S<'hmitz, E. Musikpädagogische Probleme 84
Schöne, H. Georg Fr. Bischoff .... 193, 211
Segnitz, E. Das IL Bachfest in Leipzig . . 325
Seidl, Prof. Dr. A. Von der Weimarer Cornelius-
Feier 212
Söchting, E. Die Handhaltung beim Klavierspiel 215
Stieglitz, O. Die Musik auf dem Int. Frauen-
kongress 199
— — Die Musikästhetik und ihre prak-
tische Einführung 397
St-orck, Dr. K. Die tsche<*hische Musik 177,
209, 349, 364, 379, 394
Tetzel, E. Ueber musikalisches Talent . . . 180
Treitel, Dr. Die Singstimme der Kinder . . 245
Weber -Bell, N. Beitrag zur Gresangsreform
101, 116, 132
Witting, C. Das Thema und der Rhythmus
in der Musik 161
Kritische R8clc$cbaii.
Seite 21, 38, 53, 70, 87, 103, 117, 327, 351, 367.
382, 400
Kinttler-Uerxeicl^iiii.
d' Albert, Eugen 40, 88, 103, 119
Alten, Bella 329
Ansorge, Konrad 2;3, 54. 104
Antonietti. Hr 39
Argiewicz, Eugen ie 23
Barth, Heinridi 383
Behm, Eduard 384
Behr, Therese 23
Benda, WiUy 72
Bergwein, Marie 105
Berliner Liedertafel 119
Berliner Singakademie 55, 118
Berliner Tonkünstler-Orchester 71
Böhmisches Streichquartett 39, 382
Borwich, Leonard 104
Bruno, Marie 104
Brüsseler Streichquartett 89
Buhlig, Richard 104
Busoni, Ferruccio 384
Caldarera, Frl 104
1 7Pß;T53!
Seite
Calvö, Emma,
Coreno, Teresa
Camsa, Enrico
Chambers, Paris
Chevillard, Camille
Christman, Gabriele ii. Emilie
Colonne, Mr
Gramer, Emilie v.
Culp^ Julia 23,
Da Motta, J. Vianna 104,
Dessan-Quari»tt
Dessan, Eemhard
Dessoir, Susanne
Destinn, Emmy
Diesterweg, Moritz
Dietrich, tri
Dolores, Antonia 40,
Drews, Martha
Duhn, J. P
Ensseri:, Margarete
Farrar, Geraldine
Förster, Anton
Friedberg. Karl
Gabrilowitsch, Ossip
Gamelin, Karl
Geloso, Albert
Gerhardt, Vita
Geselschap, Marie
Godowsky, Leopold 23, 103,
Goedecke, Lisa
Goetze, Marie
GruDicke, Franz
Grüning, Wilhelm
Gustav HoUaender-Quartett
Halir-Quartett
Hammer, Heinrich 71,
Hansen, E
Hartmann, Hedwig
Hartmann, Morilz
Hegedüs, Ferencz
Hegener, Otto
Heller, Amölie
Hennig'scher Gesangverein, Posen
Herzog, Emilie
Hess, Ludwig
Heyse, Carl
Hoffmann, Königl. Sänger
Horszowsfy, Micio
Joachim, Josef
Joachim-Quartett
Jonas, Ella
Irrgang, Bernhard
Juon, Paul
KauffmaDn, Hedwig
Kann, Hugo
King, Roxy
Kittel, Bruno
Klein, Erna
Klingler, Karl
Knüpfer, Paul
Kocian, Jaroslaw
Koenen, Tilly
Königliche ^Lapelle 53,
Königliche Oper, Berlin: „Manon" von Massenet
„Mignon" von Thomas ....
„Schauspieldirektor" von Mozart .
„Rienzi" von Wagner
„Carmen" von Bizet
„Lustige Weiber" von Nicolai
Kotzold*scher Gesangverein
Kraft, Ed. Arthur
Krauss, Dr. Felix
Kreissler, Fritz
Kwast-Hodapp, Frieda
400
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104
367
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Lamond, Fröderic 23
Lamoureux-Orchester 368
Lange-Aranyi, E 23
Lederer-Prina, Felix 105, 120
Lehmann, Lilli .......... 23
Lenk, Olga 23
Lichtenfels, Paula von 329
Lindholm, Karin 23
Luria, Hr 71
Lütschg, Waldemar 23
Malkin, Hr 104
Mantler, Ludwig 329
Marteau, Henri 54
Marx-Goldschmidt, Berthe 40
Mebns, Hans 329
Mengewein, Carl 118
Merkel, Dr. Johannes 120
Merö, Jolanda 23
Messchaert, Prof 118
Metzger, Ottilie 23
Meyer, Hedwig 23
Mödlinger, Königl. Sänger 401
Muck, Dr. Cari 352
Mtinchener Streichquartett 883
Mysz-Gmeiner. Lula 384
National-Theater, Beriin: „Troubadour" v. Verdi 328
„Wildschütz" von Lortzing . . . 329
Naval, Franz 39, 401
Neisser. Ferdinand 71
Neitzel Dr. 0 23
Oldenboom, Alida 23
Oliveira, Hr. .' 39
Pauer, Max 104
Petersburger Streichquartett 383
Petschnikoff, Alexander u. Lilli 120
Philharmonischer Chor 88
Philharmonische Konzerte . . 53, 54, 72, 119, 367
Philharmonisches Orchester 119
Philipp. Königl. Sänger 39
Pugno, Raoul 367
Reich, Wilhelm 328
Reinhard, JohannCvS 329
Refsenauer, Alfred 23
Richard Wagner- Verein, Berlin 72
Ripper, Alice 40
Risler, Edouard 104
Roda, Etelka 829
Rosa, Franz 329
Rössler, Richard 104
Rothhauser, Frl 401
Ruegger, Elsa 104
Russisches Streichquartett 39
Ruthström, Julias 120
Salomon, Siegfried 120
Sarasate, Pablo de 40
Scheinpflug, Paul 385
Schelling, Ernst 104
Schnabel, Arthur 40, 104
Schmidt, Elsa 120
Schnirlin, Ossip 104
Schrattenholz, Leo 104
Schulz, Erna 28
Sebald, Alexander 23
Seret, Marie 23, 105
Sommer, Hans 118
Stammer, Königl. Sänger 71
Stavenhagen, Bernhard 39
Steinbacb, Fritz 71
Stern'scher Gesangverein 118
Strauss, Edmund v 119, 3a5
Strauss, Richard 401
Sucher, Rosa 38
Szanto, Theodor 104
Tetzlaff, Karl 328
Seite
Theater d. Westens : „Ripp-Ripp- vouPlanquette 39
„Schöne Helena" von Offenbach . 39
„Templer und Jädin" v. Marechner 70
Trio- Vereinigung von A. Schnabel 383
Trzaaka, Wanda von 104
Udel-Quartett 88
Wagner, Sieg-fried 119
Waldemar Meyer-Quartett 39, 382
Witek, Anton 104. 32f3
Wüllner, Ludwig- 23, 40
Ysaye, Eugene 367
Zajic. Florian 104
Zeitschel, Grustav 329
Zilcher, Hermann 120
Zimmer, Albert 39
BocbscNlen tma Komervatorfeii.
Academie de Musiq^ue, Genf 279
Alig. Musikbildungsanstalt Karlsruiie .... 184
Battke, M., Ferienkurse 137
ßec!ker's Konservatorium, Wiesbaden . . . .137
IJerlin-Schöneberger Konservatorium . . . .137
Bielefelder Konservatorium 248
Brandenburger Konservatorium, Berlin . 89, 264
Breslaues Konservatorium, Berlin 72, 330, 353, 3a5
Bromberger Konservatorium 280
Bukarester Akademie 8
< 'orrens'sches Musikinstitut, Stargard . . : . 105
Darmstädter Akademie der Tonkunst .... 302
Dortmunder Konservatorium 302
Dresdener Königl. Konservatorium . 73, 137, 232
Dresdener Musikschule. R. L. Schneider 302, 353
Düsseldorfer Konservatorium 89
Eichelberg'sches Konservatorium, Berlin 105. 169
Elberfelder Konservatorium 8, 39
Clsmann'sches Konservatorium, Berlin 23, 40
Ferienkurse für Chordirigenten und Uesangs-
schuUehrer, Leipzig 168, 201, 302
Fischer'sche Musikschule, Stettin 168
Frankfurter Musikschule, S. Henkel .... 303
«fenfer Konservatorium 302
Hannoverisches Konservatorium 41
Hannoverische Klavierschule von Cl. Üegener 353
Heidelberger Konservatorium . . . 55, 247, 354
Heydrich'sches Konsei'vatorium, Halle ... 73
iloch'sches Konservatorium, Frankfurt a. M.
55, 184, 216, 232, 3a)
Inowrazlawer Musikinstitut 73
Kaiser'sche Musikschulen, Wien 8, 216
Kaiser Franz Josef-Musikschule zu Kremsier . 247
Karlsruher Grossh. Konservatorium .... 247
Kasseler Konservatorium, L. Beyer . . . .184
Klindworth-Scharwenka-Konservatorium,BerHii
200, 201, 279
Koblenzer Konservatorium 55
Kölner Konservatorium .... V), 89, 330, 354
Königl. Hochschule, Berlin 23, 353
Königsberger Konservatorium .... 41, 89
Krain'sches Konservatorium, Bi*esUu .... 90
Krause'sche Musikschule, Berlin 40, 153, 232
Krefelder Konservatorium 8, 137, 302
Leipziger Königl. Konservatorium 279
Liszt-Akademie, Bremen 153
Mannheimer Hochschule für Musik . . 353, 368
Menzel'sche Musikschule, Breslau 89
Jlünrhener Königl. Akademie der Tonkunst
73, 137, 280, 330, 353
Musikhochschule zu Pesaro 385
Musikwissenschaftliche Vorlesungen an Uni-
versitäten .... 136, 184, 279, 330, 402
Nvmphenburger Erziehungsinstitut .... 8
Olbrich'sches Konservatorium, Schöneberg . . 385
Fäda^gische Musikschule, Dresden .... 280
Seite
Pariser Konservatorium 12<)
Petersburger Konservatorium 53
Pieper 's Konservatorium, Breslau 121
Plaschke's Musikinstitut, Halle 121
Prager Konservatorium 184, 279
Eriemann-Konservatorium, Stettin . . . . ! 201
Rollfuss'sche Musik-Akademie. Dresden . . . 369
Rumänischer Volkschulgesango nterrioht . . . S
Stern'sches Konservatorium. Berlin 105, 201,
231, 264, 302
Stuttgarter Königl. Konservatorium 55. 89, 184,
265, 28<J
Teplitzer Musik- und Opernschule 72
Vogt'sches Koneervatorium, Hamburg . . . 279
Weimarer (Irossherz. Musikschule . 73, 248, 264
Wiener Konservatorium . . . 105. 152, 248, 402
Wiesbadener Konservatorium, A. Michaelis . 280
Wilk'sohe Musikschule, Sti-aisund 121
Wüi-zburger Königl. Musikschide 23, 55, 73, 89,
D38, 247, 330, 353, 369
Züricher Musikakadeniit» 23
Stiftuigcn imd Oloblfabrtibfitrebiiageii.
Langenba« h-Stiftung in Bonn .... 37, 183
Blcber und tnusikalfeK.
Akimeuko, Th., op. 16 und 21. Klavierstücke 187
Alkan, Ch. V., on. 54. Benedictus 282
Allg. Deutscher Musiker-Kalender, 1904 ... 42
Becker, Albert. Werke für Viol. u. Pianoforte 21 9
Beckmann, Gustav, op. 6. 12 Vor- u. Nach-
spiele f. Orgel 251
I Beringer, Oscar. Technische Studien . . . 283
Berlioz, Hector. Neuausgaben seiner Werke . 170
■ Blumenfeld, Felix, op. 33. Deux Fragments . 186
I - — op. 34. BaUade .... 186
: — — op. 35. Trois mazurkas . 186
I Brunner, C. F. Mus. Taschen-Fremdwörterbuch 155
, Buys, Jan Brandts Quintett 26
Capellen, G., op. 26. Japanische Volksmelodien 284
Coeme, L. Ad., op. 62. Drei kleine Trios . . 203
Dalcroze, E. Jaq., op. 45. Humoreske . . . 355
, Dessau, JBemh., op. 27. Vortragsstücke f. Viol. 306
, Deutscher Musiker- Kalender, 1904 43
1906 386
I Dohnänyi, E. v., op. 7. Quartett 123
. Dresel, Otto. Beethoven'« Sinfonien zu 4 Händen 332
' Droucker, S. Erinnerungen an A. Rubinstein . 282
I Eberhardt, Goby, op. 100. Violin-Kursus 59, 204
I Edition Andrö. Scarlatti, Heller pp 403
' Erb, M. J., op. 21. Sonate 155
I — — op. 45. Suite für Viol. u. Klav. . 155
1 Eschmann, Dumur, C. Nouvelle Edit. des
Pröludes et Exercises de Clementi . . . 334
I Eschmann's Weg weiser durch d. Klavierliteratur 334
Franz Liszfs Briefe an C. Gille 305
1 Friml. Rud., op. 4. Konzertetude 251
; Georgi, Edmund. Der Führer des Pianisten . 186
i Gretschaninow, A., op. 9. Regrets .... 335
Händel, G. F. 3 Stücke aus dem Messias . . '20S
! — _ _ Sonata da Camera f. Orgel gesetzt 251
— — — Der Messias. Klavierauszug . 404
1 Harmonie-Kalender 1904 . 43
I Hollaender, G., op. 62. Leichtes Violinkonzert 268
Hummel, Ferd., op. 74. No. 5 f. Cello u. Klav. 58
Humpert, Th. Der Musiker und seine Ideale 75
Josef fy, R. School of advanced piano playing 371
Kahn -Album. Ausgewälüte Klavierstücke . 123
Kann, Hugo, op. 34. 4 Klavierstücke . . . 385
op. 50. Konzert f Kl. u. Orch. 355
Kittel, Bruno. Technische Studien f. Viol. . 284
Seite I
Ivleiigel, Paul, op. 19. ZweiStäcke f. VI.u.Kl.
op. 35. Zehn Fantasiestücke .
_ . — Technische Studien f Cello . .
— — Kadenz zu "R. Volkmann's op. 33
Kleine Partituren
Klindworth, K. Erleichterte Klavierauszüßfe
Wagnerischer Dramen . .
Kögler, Hermann, op. B. Grosse Fantasie . .
König, Peter. Sonate B-dur
Koppen, Paul. Normal -Harmonium- Literatur
Kroeger, E R., op. 54 16 Variationen f. Kl.
Krön, L. Klassiker-Perlen f. Violine ....
Kryjanowsky, op. 2. Sonate f. Cello u. Kl. .
Tia Mara. 'Briefe hervorr. Zeitgenossen an
Fr. Liszt
Lazarus, G , op. 76. 3 Stücke f. Kl. .
Leclair, J. M. Sonata VII f. VI. u. Kl .
Liadow. A., op. 53 Trois Bagatelles
Lortzing. Alb. Ali Pascha
Martucci, Gius., op. 79. Tre piccoli pezzi
Moffat, Alfr. Trio-Sonaten alter Meister . .
Moszkowsky. M. Schule der Doppelgriffe .
Nesvera, Jos, op. 97. Ricordanza f. Vi u Kl.
Xiemann, Dr. W. Frob»Tgiana
Parlow, Bd , op. 69. Bunte Blätt<jhen .
Petri, E.. Mus.-Spruch-Schatzkästlein . . .
PhilippyJ. Etudestechniquesd'apresC'lementipp.
— — Bxercises technique pour la niain
gauche
Kath, Felix vom. op. 9. Drei Tanzidyllen . .
Reger, Max, op. 28. 11. Sonate f. Cello u. Kl.
_ — op. 49. Sonate f. Klarinetten. Kl.
op. 72. Sonate f. VI. u. Kl. . .
op. 73. Variationen u. Fuge
f. Orffei .
op. 74. Sti'eichquartett . . . .
Rehfeld, Fabian, op. 25. ^o. 3 Un songe. .
_ — op. 4'^. Vision
op. a5. 4 leichte Fantasie-
stücke f. VI. u. Kl
Richter, C H. Toccata • • • .
Riemann, H. System der musik. Rhythmik
u" Metrik
— — Musik- Lexikon .... 75,
_ _- Anleitung zum Generalbassspiel
_. — Grundlinien der Musik-
Aesthetik
Rohde, Wilhelm, op. 21. Trio
Ruthardt, Ad. Studienwerke op. 40—43 . .
Schjelderup. G. Li Baldurs Hain f. VI. u. Kl.
Schmidt, Dr. L. Sonate / ; /
Srlnvartz, Rud. Jahrbuch d. Musikbibliothek
Peters
Schytte, Ludwig, op. 107. Märchen . . . .
Seitz, Fr. Deux pieces faciles f. Viol. u. Kl. .
- - op. 24. Zwei Mazurken . . . .
— op. 26. Zwei leichte Stücke .
op. 27. Zwei Charakterstücke .
Singer, Otto. B. Strauss' Heldenleben . . ■
Skop. V. F.. op. 15. Suite f. Streichorchester
Stahl. W. Geschichtl. Entwicklung der ev.
Kirchenmusik
Steinhausen, Dr. F. A. Die Physiologie d.
Bngenföhrnng . .
203
155
26
26
386
219
307
140
154
91
283
355
11
251
186
306
307
2a3
371
251
10
27
43
204
2:i5
:387
11
267
267
'267
267
306
30(>
75
154
122
185
42
42
.334
57
2a3
74
91
75
75
335
335
335
387
404
42
107
Storck, Dr. K. Geschichte der Musik
Stradal, A. Bearbeitungen
Thiessen, K., op. 25. No. 2 Barcarole
Wille. Georg. Tonleiterstudien f. Cello .
! Wilm. N. V., op. 210. Le Carneval de Nice
' Withol. Jos., op. 30. 3 Praeludien . .
I Wolff, C. A. H. Die Elemente d. deut»c
Kunstgesanges . , .
I Zuschneid, K., op. 62. Zwei Impromptus
Seit*'
. 10
. 139
203
172
tl
186
219
UermUcbte nactoricbteii.
Seite 9, 23, 41, 55. 73. JK), 106. 121, 137. 153, 1(>9.
184. 2Ö1, 217. 233. 248. 265. 280, .303. :J31. 354.
369, 3a5. 402.
empfeMenswerte Itlufilcsticke.
Seite 12.
enpfeblettfwerte Bflcber fSr den VcibNacbtitlscIy.
Seite 404.
meinuttflsaustauscl).
A. B. Zur Beschaffung des Notenmaterials
A. K . . . r. Zur Konservatoriumsbibliothek
Bandmann, T. Entgegnung auf Herrn Söch-
ting's Artikel 2'
Süchting, E. Entgegnung an Frl. Bandmanii
Thouret. N. üeber dir Vorzeichen der Ton-
leiter : . 15<1
123
60
r,i>
Uereint.
Berliner Lehrer-Gesangverein
Br (inner Musiklehrerinnen- Verein . . .
Dresdener Musikpädago^ischer- Verein. . 75,
Dresdener Tonkünstler-Verein 157,
Essener Verein akademisch gebildeter Musik-
Lehrer u. -Lehrerinnen ....
' Leipziger Musik-Lehrern. -Lehrerinnen-Verein
' Musik-Sektion des Allg. D. Lehrerinnen-Vereins
I 12, 60. 76. 92, 124. 187, 236, :J56,
Musik-Gruppe Berlin 140.
I .. Breslau 12,
„ Bremen
Chemnitz
I .. Darm Stadt . . . .172.
Dresden
Eisenach
Frankfurt a. M
Halle 124,
I ,. Bostock • •
Siegen
I .. Stettin
i Musikpädagogisoher Verband
! ^ - 27, 61. 92, 108, 187, 356, 372.
j Richard Wagner -Verein zu Darmstadt . . .
Stuttgarter Tonkünstler- Verein
I Verein der Wiener konzessionierten Musikschul-
Leiter n. -Leiterinnen
2S
251
307
187
92
388
251
204
219
220
23(;
156
220
60
76
236
405
43
172
172
Briefkasten.
Seite 12. 28, 253.
r^
Diuck von .1. S. Praus», Berlin SW., KommandantenBtr. 14.
Der KlavieF-IiehPer.
Musik-pädagogische Zeitschrift für alle Qebiete der Tonkunst
Organ der Deutschen Musiklehrer-Vereine,
der Musik-Sektion des K D. L-V. und der Tonkunstler-Vereine
zu Köln, Dresden, Hamburg, Leipzig und Stuttgart.
Begründet 1878 von Professor Emil Breslaun
Redaktion: Anna Morsch
Berlin W.«
• • €nd)cliit monatKd) zweimal. • •
^cft flcncliSbrMtb bei allen Bud)* und
IDiufkalienbandliuigcn» Potl • JVnttalten
- ■ — I.$r -
rr Kreiixband pri
mcrand* 1.75 IDk. üufland 2 IDk.
(uter Do. 4170) 1.50 IDk.» bei direkter
iuimim% unter Kreuzband
Ansbacbentrasse 37.
Inserate »erden ton ilmmtlidieR
JInnoncen'&cpediHonca wie vom Uerltf
oDer Klavier »Cebrer** Berlin, 01.50,
JTntbad>erttr. 37, zum Preise «on 50 Pt.
für die zweigetpaltene Pelitzeik ent-
gegengenommen.
No. 1.
Berlin, 1. Januar 1904.
XXVII. Jahrgang.
lahnlt: Benno Horwitz: ,Ce qu*on entend nur la montagne'*. F. Kromayer: Der Mechanismus des musikalischen Ausdrucks.
Heinrich Germer: Friedrich Chopin in Leipzig. Mitteilungen von Hochschulen und Konservatorien. Vermischte Nachrichten.
BQcher und Musikalien, besprochen von Anna Morsch und Eugen Segnitz. Empfehlenswerte Musikstücke. Vereine.
Briefkasten. Anzeigen.
SympbOHiscbe DicMuBg von Tranx tlttu
Eine Aaslegnng
von
Benno Horwite.
Zwischen seinem neunzehnten und vier-
undzwanzigsten Lebensjahre (genau lässt sich
der Zeitpunkt nicht feststellen) hatte Liszt
in Paris die ersten Gedanken für die Kompo-
sition der Bergsymphonie, wie sie, abweichend
von der Bezeichnung ihres Autors, wohl der
Kürze halber genannt wird, festgelegt. Unzwei-
deutig geht aus dieser Festlegung Frühreife
und Auslugen nach einem, in seinen Umrissen
vielleicht noch nicht einmal erkannten, neuen
Kunstgebiete hervor. Zu einer fertigen Tat
Iconnte es damals noch nicht kommen. Bildeten
doch jene Jahre in Liszt's Entwicklung einen
Zeitabschnitt, in dem seine ganze Natur in
Gärung geraten war! In den Jahren von
1830—1836 fand Liszt die Grundlagen, auf
denen später seine menschliche und künstle-
rische Persönlichkeit ruhte, die Grundsätze, die
für sein Denken und Fühlen ausschlaggebend
wurden. Vergegenwärtigen wir uns die Einzel-
heiten des Gärungsprozesses, dem Liszt vom
Schicksal unterworfen wurde. Da waren die
zuerst in Paris aufgetauchten sozialen Ideen,
die Saint-Simon verbreitete. Mit Begier sog
der in den Häusern des Adels heimische Liszt
Saint-Simons* weitverzweigte Ideen von Men-
schenbeglückung ein, deren teilweise Brauch-
barkeit der gereifte Mann noch anerkannte.
Weit tiefer als von den Ideen Saint-Simons
wurde Liszt von den Lehren des Abbes
Lamenais erfasst. Durchgeistigste Auffassung
der Religion, sie als das Herz aller Lebens-
formen anzusehen, entsprach so sehr den an-
geborenen Seelen Verhältnissen Liszfs, dass
Lamenais* Lehren in Verbindung mit der
später gefundenen römisch-katholischen Kirch-
lichkeit zu einem unverrückbaren Haltepunkt
in seinem Leben und einem nährenden Quell
für seine Kunst wurden. — Dann die geistige
und künstlerische Seite. Die französische
Literatur der dreissiger Jahre des vergangenen
Jahrhunderts — Victor Hugo, George Sand,
Chateaubriand — gab seinem Geiste die end-
giltige Richtung an. Stets ist Liszt ein im
Grunde französisch denkender und em-
pfindender Künstler geblieben. Mit Berlioz
und Chopin ging er eine Wahlverwandtschaft
ein. Des ersteren grosszügige Phantastik, des
letzteren Meisterschaft, das tiefste Gefühl rest-
los in kleinen Formen austönen zu lassen,
wurden zu fruchtbringenden Bestandteilen
seines eigenen Schaffens; der den beiden
Meistern eigene musikalische Stil wurde die
Grundlage seines eigenen. Und nunPaganini — .
Die erdrückende Macht seines Virtuosentums
trieb Liszt zunächst an, einen riesenhaften
Fleiss auf das Klavierspiel zu verwenden.
Nach Richard Wagner's tiefgeschauter Beob-
achtung ersetzte Liszt die mit der Wieder-
gabe fremder Werke ausgefüllte Periode seines
Lebens, die Zeit seines Virtuosentums, die
Periode des Nachahmens und Suchens, die er
als Komponist nach natürlichem Verlaufe
durchzumachen gehabt hätte. Zwölf bis sieben-
zehn Jahre vergingen, ehe es zu einer Skiz-
zierung der Bergsymphonie kam. Die Skiz-
zierung muss Liszt auf der in das Jahr 1847
fallenden Konzertreise, seiner letzten, d.h. auf
der er zum letztenmale für seinen eigenen
Vorteil spielte, vorgenommen haben. Im
Februar dieses Jahres machte Liszt in Kiew
die Bekanntschaft der Fürstin Carolyne Sayn-
Wittgenstein, die im Laufe der folgenden Jahre
einen tiefgehenden Einfluss auf sein ton-
setzerisches Schaffen gewinnen sollte. Im
Jahre 1849 entstand die Instrumentation der
Bergsymphonie in Weimar oder während
Liszt's Abwesenheit von Weimar im Sommer.
In einem Weimarer Hofkonzerte wurde 1853
das Werk zum erstenmale gespielt, 1854 noch
einmal überarbeitet, 1856 erhielt es die letzte
Ausfeilung. Als Liszt das Werk vollendete,
war er fünfundvierzig Jahre alt; von der Fest-
legung der ersten Gedanken für das Werk
bis zu seinem Abschluss waren ungefähr
sechsundzwanzig Jahre vergangen. Trotzdem
Liszt sechs symphonische Dichtungen vor der
Bergsymphonie veröffentlichte, gab er ihr
später die Stellung an der Spitze, als erste
Nummer der Reihe seiner symphonischen
Dichtungen. Aus dem Folgenden wird ein
innerer Grund für die dem Werke gegebene
Stellung zu erkennen sein. Dem Werke liegt
nicht nur ein dichterisches Programm zu
Grunde, sondern es ist auch selbst ein Pro-
gramm.
„Was man auf dem Berge hört!** Was
hört der Dichter auf dem Berge, der sich
am Meeresufer befindet.^ An sein Ohr dringt
aus der Tiefe zuerst verworrener Lärm.
Von diesem Lärm heben sich Töne ab, die
sanft wie ein Abendlied oder stark wie Waffen-
klirren klingen. In den Lüften vernimmt der
Dichter dagegen eine Stimme, die sich allmäh-
lich in zwei Stimmen teilt. Die eine, vom
Meer herkommend, klingt wie ein Ruhmes-
Glückslied, sie ist die Stimme der Natur,
die andere, von der Erde sich abhebend, voll
Trauer, die der Menschheit An das Ge-
hörte knüpft der Dichter die Frage, warum
Gott den Sang der Natur und der Menschheit
Schreien zu einem beständigen Misstone ver-
eine. Die Antwort auf seine Frage unterlässt
der Dichter. Victor Hugo's Gedicht ist für die
Komposition in jeder Beziehung geeignet.
In ihm ist die Musik wie im Erze das Metall
eingeschlossen; es bedurfte nur einer hebungs-
fähigen Kraft, um sie zum Erklingen zu
bringen. Handelt es sich in der Dichtung doch
überhaupt um Stimmen, um Wahrnehmungen,
die für das Ohr bestimmt sind. Und das Ohr
hinwiederum ist das Organ, für das die Musik
schafft. Viel weniger würden sich die Ver-
fasser symphonischer Dichtungen in der Wahl
ihrer dichterischen Stoffe irren, wenn sie sie
anstatt nach dichterischer Anschauung,
nach dichterischer Anhörung träfen. Den
poetischen Inhalt der symphonischen Dich-
tungen von Liszt bilden ausschliesslich das
Menschenleben im allgemeinen oder die ein-
zelne Persönlichkeit im besonderen. Mit tiefer
Inbrunst vernahm er die eine Stimme vom
Berge, die da rief: Menschheit! Ihr lauschte
er die tiefen Geheimnisse der Menschenbrust,
des leidenden und erhöhten Menschen ab, die
er als Offenbarungen in selbstgeschaffenen
Formen in die Welt sandte.
In der eben ausgesprochenen Erkenntnis
findet man die Bestätigung der oben zum
Ausdruck gebrachten Meinung, dass die Berg-
symphonie an sich ein Programm sei. Sie
ist wie die poetische Ueberschrift für die ge-
samten symphonischen Dichtungen Liszt's,
die das Wesentliche ihrer dichterischen Seite
durch das Dichterwort zusammenfasst. Seltener
als auf die von der Menschheit kündenden
Stimme hat Liszt auf die von der Natur
wiederhallende gehört. Was er hörte, gibt er
als Tröstung wieder, eine Tröstung der Ruhe-
bringerin für den Ruheverlierer.
Liszt's Komposition besteht aus fünf
Hauptteilen.
L Hauptteil.
Er beginnt Pianissimo mit einem von ge-
wöhnlichen Paukenschlägeln auszuführenden
Wirbel der grossen Trommel, der zwei Takte
umfasst. Dann folgt:
— 3
la.
Poeo Allegro, Str. con sord, ^
t|A-'' J J J. J J J
*f ^ ^
^
^ ) i
— I — t
a=^
#-^
pp. mM<mo9o e tranquiiio.
^verworrener, unermess'ner Lärm, undeutlich, erklingt:
wie der Wind in dichten Bäumen" und
Ib« Jim. mf Ic :^Cl. dolce grazioso
I
FF^
— ö
tiP
»^ marcato 5"
„voll klarer Töne, süssen Lispeins."
Nach der Wiederholung von Motiv la in
folgender Gestaltung:
t7 ^ -»r^
marcato
^^^^^
iii.ü3ffl].jill
^Ä
i
^
Br. Vel.
=^
Cl.
^3
g>=
S
=^
:i?:
J"«.
^
^
a'L_C
■r-
„sanft wie ein Abendlied." Als letztes Motiv
des ersten Hauptteils ist zu verzeichnen:
IdL
CL un poco marcato
y [^umnui^i
Fgl
„und stark wie Waffenklirren, wenn dumpf gebaut; sein tonartlicher Ausgangspunkt
das Treffen die Schwadronen mischt, und ist Es - dur, auf Cis - Dominantseptakkord
wütend stösst in der Trompete Mündung." schliesst er.
Dem poetischen Inhalt entsprechend ist
der erste Hauptteil auf kurzen Motiven auf- (Fortsetzung folgt.)
@eF ^ecbat)istt)as des ii)usi1<al!scbei) ^usdruc1<s.
Jlns m. !l4eir$ ^Ca ntisidiie et la p$ycbopDysiolOflit'\
Debersetzt von
F. Kromayer.*)
Wälirend von Seiten der Wissenschaft vielfach von Fach Wissenschaft und Knnst für entgegen-
der Versuch gemacht wird, die MasikfürForschnngen gesetzte Gebiete, und es scheint ihnen lächerlich,
allgemeiner Art zu verwerten, halten die Musiker dass die {Schönheit des musikalischen Ausdrucks
*) Mit obigem Artikel beginnen wir die Beihe granmi des letzten Dezemberheftes, anknüpfend an
der musikpädagogischen Aufsätze, welche im Pro- die vom „Musikpädagogischen Verband" angeregten
4 —
von einer materiellen Tätigkeit abhängen soll. Nach
ihrer Meinung erhebt sich dieKnnst in höhere Be-
gionen, in welcher jede Beziehung von Ursache
und Wirkung aufhört, während doch ein klares
Verständnis des Mechanismus dem Spieler eine
kräftige Hilfe gewährt, um die Schönheit der Kunst
zum Ausdruck zu bringen. —
Es herrscht beim Klavierspiel eine völlige Un-
kenntnis über den ästhetischen Charakter des Mecha-
nismus, und gerade hier bietet die doppelte mecha-
nische Tätigkeit des Spielers und seines Instruments
eine breite Grundlage für die Analyse zwischen
Ursache und Wirkung. Der känstlerische Mecha-
nismus soll die äusseren Bewegungen für die musi-
kalische Sprache der Leidenschaft ausbilden, die
aber bei dem Spieler einen besonderen physiolo-
gischen Zustand erfordern, wie ihn z. B. Paganini
und Liszt in hervorragendem Masse besassen.
Deshalb darf man sich nicht mehr darauf be-
schränken, den Mechanismus des Spiels zu lehren,
sondern muss die organische Tätigkeit des Spielers
zur Grundlage des Unterrichts nehmen, und der
experimentalen Wissenschaft bleibt es vorbehalten!
die Zusammengehörigkeit der psychischen und phy-
sischen Tätigkeit klar zu legen und diesen physio-
logischen Zustand zu definieren. Jeder Spieler,
welcher in bewusster Weise die Bewegung seiner
Finger kontrolliert, wird unbewussterweise, aber
darum nicht minder bestimmt, auf seine Gehirn-
tätigkeit einwirken. Dadurch bildet sich eine enge,
logische Verbindung zwischen der Vervollkommnung
der Fingerbewegung und dem musikalischen Geiühl
des Spielers heraus. Früher hat man gesagt: „Der
Stil kann nicht gelehrt werden,^^ aber bezüglich des
Klavierspiels wenigstens darf man heute behaupten,
dass die Bewegungen, welche den Stil hervorbringen,
zu lehren sind. Wie die Physiologen bewiesen
haben, dass bei jedem normal konstituierten Wesen
das Organ sich durch die Tätigkeit bildet, kann
man durch den Klavierunterricht beweisen, dass
Heformfragen, veröffentlicht wurden. £s war auf
dem Kongress selbst, dem ersten dieser Art, nur
möglich, die allgemeinen Gesichtspunkte ins Auge
zu fassen; — für Spezialf ragen, resp. Methoden blieb
keine Zeit und sie musaten späteren Tagungen vor-
behalten bleiben. So konnten u. A. verschiedene
Anträge, die sich auf Lehrpläne, Lehrmethoden,
gründlichere, allgemein wissenschaftliche und musik-
wissenschaftliche Bildung bezogen, nur gestreift,
aber nicht zur Durchberatung kommen. Dazu gehören
u. A.: Einführung von Kursen über Aesthetik,
Akustik, Geschichte der Pädagogilc, Studien zur
Anatomie der Hand und des Armes, Reformen auf
dem Gebiete der Gesangspädagog^k, Geschichte der
Mnsikpädagogik und viele Andere.
Es wäre erwünscht, wenn unsere deutschen
Musikpädagogen zu allen den in den Aufsätzen be-
handelten offenen Fragen Stellung nähmen und
ihre Ansichten darüber äusserten. Bei der ein-
schneidenden Bedeutung, die die erstrebten Re-
formen für den ganzen Musiklehrerstand haben,
ist es notwendig, sie von möglichst vielen Seiten
zu beleuchten. A. M.
jeder einer Willenskraft fähige Schüler sein musi-
kalisches Gefühl durch die Bewegungen seiner
Finger auszubilden vermag, denn der ästhetische
Ausdruck wird durch gewisse Fiugerbewegungen
erzeugt, während andere es verhindern, sich zu
offenbaren.
Dass der augenblicklichen Stimmung, der In-
spiration eine so grosse Bedeutung zugewiesen wird,
kommt nur daher, dass die Einheitlichkeit von Be-
wegung und Ausdruck noch so Wenigen bekannt
ist. Wenn der musikalische Geist durch bestimmte,
materielle Handlungen, welche den Fingern über-
tragen werden, offenbart werden kann, so lassen
sich die Von-echte des Künstlers verallgemeinern.
Die Geheimlehre der musikalischen Sprache hört
auf, die Finger bringen Bewegungen auf dem
Klavier hervor, die den Ausdruck übertragen, wie
die Buchstaben einer Schrift den Gedanken aus-
sprechen. •—
Ist die Zusammenziehung alier Muskeln sehr
stark, so biingt die Bewegung jedes Fingers, durch
den ganzen Organismus des Spielers, gewisse mo-
mentane Erschütterungen hervor, welche auf die
G«hörsemp£ndungen einwirken und das musika-
lische GeftLhl erwecken, ohne irgend welche Anlage
des Spielers. Natürlich wird diese Erscheinung
bei solchen Spielern schneller hervortreten, welche
die Anlagen dazu besitzen.
Die Erregung vermittelst der Muskeltätigkeic
arbeitet innerlich und entwickelt in gewisser Art
das unvoUendete Werk der Natur, indem sie zum
Zweck der Vervollkommnung direkt auf den Orga-
nismus einwirkt. Man könnte behaupten, dass es
sich nicht allein um die Vervollkommnung des
Musikunterrichts handelt, sondern um dieVeibesse-
rung des menschlichen Organismus unter dem Ein-
fluss des Musikunterrichts. Der Physiologe erkennt
in einer grossen Anzahl von Lebenserscheinungen
die physischen Kiäfte wieder, welche sich alle auf
eine einzige Kraft zurückführen lassen: auf die
Kraft, welche die Bewegung hervorbringt. Die
Kunsterscheinungen stehen unter dem gleichen
Gesetz. Dieselben Ursachen, welche uns erlauben,
durch Experimente die Verwandlung der Elektri-
zität einer Säule in mechanische Arbeit, in Hitze,
in Licht, in chemische Tätigkeit festzustellen, lassen
uns auch beweisen, dass, wenn die Bewegungs-
schnelligkeit der Muskeln vervollkonminet ist, der
Spieler den ersten Grund zu aller Kunstvollkommen-
heit gelegt hat. Bei der Ausführung eines Musik-
werkes wird diese Schnelligkeit sich in Beweglich-
keit des Finge'rmechanlsmus verwandeln, in Zart-
heit des Anschlages, aus dem die Schönheit des Ton-
klanges entsteht, in Relativität der Note, welche den
musikalischen Ausdruck erzeugt, in hohe Aesthetik,
welche die Beziehung der Kunst zum Leben im
allgemeinen herstellt, indem sie Lebensbilder vor
unserem geistigen Auge aufsteigen lässt.
(Fortsetzung folgt.)
— 5 —
Der
fietroffen«
»Masikberieht^ war leider bis Schluss der Redaktion nicht ein-
D, R.
)^Flcdricb @bopit) !t) Leipzig.
Von
Heinrieh Germer.
Im Sommer 1835 weilten Chopin's Eltern
einige Zeit in Karlsbad, wohin die Warschauer
Aerzte den erkrankten Vater znm Kurgebrauch
geschickt. Als guter Sohn reiste Fr. Chopin Ende
Juli von Paris aus auch dahin, und es war gewiss
ein herzliches Wiedersehen, als die darüber er-
freuten Eltern nach fast fünfjähriger Trennungszeit
den inzwischen so berühmt gewordenen Friedrich
gerührt in ihre Arme schlössen. Er blieb hier bei
ihnen bis zu ihrer Kückrelse nach Warschau, die
im September erfolgte. Dann wandte er sich nach
Dresden zum Besuch der gräflichen Familie
Wodzinski, deren Söhne im Erziehungs-Institut
seines Vaters in Warschau neben ihm aufgewachsen
und ihm seit jener Zeit in herzlicher Freundschaft
verbunden waren.
Nach fröhlich verlebten Tagen im idyllisch
schönen Eibflorenz ging dann die Heise weiter
nach Leipzig zum Besuch seines edlen Kunst-
genossen Felix Mendelssohn, der seit Kurzem
hier seinen Wirkungskreis als Direktor der Ge-
wandhaus-Konzerte gefunden. Sie hatten einander
kennen und schätzen gelernt bei Mendelssohn's
Aufenthalt in Paris im Winter 1832 und noch
mehr bei einem Besuch, den Chopin in Begleitung
von F. Hiller während der Pflngstwoche des
vorigen Jahres dem niederrheinischen Musikfest in
Aachen abgestattet hatte. Denn hier trafen sie
auch Mendelssohn, der damals im benachbarten
Düsseldorf als städtischer Musikdirektor wirkte
and zum Fest herübergekommen war, um sich
HändeFs Oratorium Deborah in Hiller's Neu-
instrumentierung anzuhören, wie Mozart^s Jupiter-
Sinfonie imd Beethoven*s Neunte. Hier ver-
lebten sie vereint schöne Stunden. Mendelssohn
schreibt darüber in einem Briefe an seine Mutter
anterm 23. Mai 1834 von Düsseldorf: „Jetzt hatte
ich mein Vergnügen am Musikfest weg, denn wir
Drei blieben nun zusammen, bekamen für uns eine
Loge im Theater (wo die Aufführungen sind), und
natürlich ging es dann am folgenden Morgen an's
Klavier, wo ich grossen G^nuss hatte. Denn als
Klavierspieler ist Chopin jetzt einer der allerersten
— macht so neue Sachen, wie Paganini auf der
Violine und bringt Wunderdinge herbei, die man
sich nie möglich gedacht hätte." —
Man kann sich hiemach vorstellen, dass Chopin
von Mendelssohn mit offenen Armen empfangen
and bewillkommt wurde. Glücklicherweise ist ein
authentisches Schriftstück vorhanden, das uns
genaue Auskunft giebt über dies Zusammensein
Beider. Mendelssohn schreibt nämlich in einem
Briefe an seine Familie vom 6. Oktober 1835 Fol-
gendes: „Den Tag, nachdem ich Hen sei's*) nach
Deutsch begleitet hatte, war Chopin da, wollte
nur einen Tag bleiben, und so waren wir diesen
auch ganz zusammen und machten Musik. Ich
kann Dir nicht leugnen, liebe Fanny, dass ich
neuerdings gefunden habe, dass Du ihm in Deinem
Urteile nicht ganz Gerechtigkeit widerfahren
lassest; vieUeicht war er auch nicht recht bei
Spiellaune, als Du ihn hörtest, was ihm wohl oft
begegnen mag; aber mich hat sein Spiel wieder
von neuem entzückt, und ich bin überzeugt, wenn
Du, und auch Vater, einige seiner bessern Sachen
so gehört hättest, wie er sie mir vorspielte, Ihr
würdet dasselbe sagen. Es ist etwas Grundeigen-
tümliches in seinem Klavierspiel, und zugleich so
sehr Meisterliches, dass man ihn einen recht voll-
kommenen Virtuosen nennen kann; und da mir alle
Ali: von Vollkommenheit lieb und erfreulich ist, so
war mir dieser Tag ein höchst angenehmer, obwohl
so ganz verschieden von dem vorigen mit Each«
Es war mir lieb, mal wieder mit einem ordent-
lichen Musiker zusammen zu sein, nicht mit solchen
halben Virtuoseu und halben Klassikern, die gern
les honneurs de la vertu et les plaisirs du
vice in der Musik vereinigen möchten, sondern mit
einem, der seine vollkommen ausgeprägte Bichtung
hat. Und wenn sie auch noch so himmelweit von
der meinigen verschieden sein mag, so kann ich
mich prächtig damit vertragen; — nur mit jenen
halben Leuten nicht.
Der Abend des Sonntags war wirklich kurios,
wo ich ihm mein Oratorium vorspielen musste,
während neugierige Leipziger sich verstohlen her-
eindrückten, um Chopin gesehen zu haben, und
wie er zwischen dem ersten und zweiten Teile
seine neuen Etüden und ein neues Konzert den
erstaunten Leipzigern vorraste, und ich dann
wieder in meinem Paulus fortfuhr, als ob ein
Irokese und ein Kaffer zusammenkämen und con-
versierten. —
Auch ein gar niedliches neues Notturno hat
er, von dem ich manches auswendig beb alten habe,
um es Paul**) zu seinem Vergnügen vorzuspielen.
So lebten wir lustig miteinander, und er versprach
in allem Ernste, im Laufe des Winters wiederzu-
kommen, wenn ich eine neue Symphonie kom-
*) Hensel war der Gatte von Mendelssohn's
Schwester Fanny.
•*) Paul war Mendelssohn^s Bruder.
— 6 —
ponieren und ihm za Ehren anfiüliren wollte ; wir
beschworen es Beide vor drei Zengen nnd wollen
nun einmal sehen, ob wir Beide Wort halten
werden. — Nocli vor seiner Abreise kamen meine
Hand ersehen Werke an, über die Chopin eine
wahre kindische Prende hatte; aber sie sind anch.
wirklich so schön, dass ich mich nicht genug
darüber freuen kann."
Einige Stunden vor seiner Abreise äusserte
Chopin gegen Mendelssohn den Wunsch, Clara
Wieck kennen zu lernen. Hatte sie es doch zu-
erst gewagt, Kompositionen von ihm in Leipziger
Konzerten vorzutragen. So im Jahre 1833 im G-e-
wand hause das Bondo seines E-moU-Konzerts und
im Jahre 1834 in einem Extrakonzert das ganze
Werk nebst zwei Etüden aus Opus 10. Mendels-
sohn willfahrte gern dem Wunsche Chopin's und
begleitete ihn nach deren väterlicher Wohnung. —
Um das richtige Verständnis für den Empfang
daselbst zu gewinnen, ist es nötig, hier einige
Vorgänge zu erwähnen, die sich in der Vergangen-
heit abgespielt. Ich teile sie mit nach :
„Friedrich Chopin als Mensch und Musiker"
von h'v, Niecks (Leipzig, Leuckart's Verlag), dem
vorzüglichsten Quellenwerke dieser Materie. Die
ersten veröffentlichten Werke Chopin's fanden nur
langsam Verbreitung; erst vom Jahre 1833 ab, wo
Op. 9 erschien, folgten sie einander in rascherem
Tempo und wurden aach in den Musikzeitungen
mit lobender Anerkennung besprochen. Nur der
B«dakteur der Berliner Musik -Zeitschrift „Iris",
Bell st ab, konnte sich nicht mit ihnen befreunden!
In einer Kritik der Mazurken, Opus 7, äusserte
er: „In den vorliegenden Tänzen sättigt sich der
Autor in der Leidenschaft, gesucht und unnatüilich
zu schreiben, bis zum eklen üebermsuiss. In Auf-
suchung ohrzerrelssender Dissonanzen, gequälter
üebergänge, schneidender Modulationen, wider-
wärtiger Verrenkungen der Melodie und des Bhytb-
mus, ist er ganz unermüdlich, wir möchten sagen
unerschöpflich. Alles, worauf man nur fallen kann,
wird hervorgesucht, um den Effekt bizarrer Origi-
nalität zu erzeugen, zamal durch die fremdartigsten
Tonarten, die unnatürlichsten Lagen der Akkorde,
die widerhaarigsten Zusammenstellungen in Betreff
der Pingersetzung." Nach einigen weiteren Er-
örterungen ähnlicher Art schliesst er: ^HätteHerr
Chopin diese Komposition einem Meister vorgelegt,
so würde dieser sie ihm hoffentlicb zerrissen und
vor die Füsse geworfen haben, was wir hiermit
symbolisch tun wollen."
Ueber die Drei Notturnos, Opus 9, schrieb
er: „Wo Field lächelt, macht Herr Chopin eine
grinsende Grimasse, wo Field seufzt, stöhnt Herr
Chopin, Field zuckt die Achseln, Herr Chopin
macht einen Katzenbuckel, Field tut etwas Gewürz
an seine Speise, Herr Chopin eine Handvoll
Cayenne - Pfeffer . . . Kurz, wenn man Field's
reizende Romanzen vor einen verzerrenden Hohl-
spiegel hielte, sodass aus jedem feineren] Ausdruck
ein grob aufgetragener wird, so erhält man Chopin's
Arbeit .... Wir beschwören Herrn Chopin, zur
Natur zurückzukehren.^
üeber die Zwölf Etüden, Opus 10, salbadert
er gar Folgendes: „Eine Spezial-Bezension der 12
neuen Apostel, die Herr Chopin in obigen 12
Stücken in die Welt geschickt hat, erlasse man
uns und begnüge sieb mit der wohl nicht unnützen
Bemerkung, dass, wer verrenkte Finger hat, sie an
diesen Etüden wieder in's Grade bringt, wer nicht,
sich aber sebr davor hüten und sie nicht spielen
muss, ohne Herrn von Gräfe oder Dieffenbach
in der Nähe zu haben.'
In derselben Nummer der „Iris'^ druckt er so-
dann folgenden Brief, der ihm aus Leipzig zuge-
gangen, ab:
P.P.
„Sie sind doo2i ein recht schlechter Mensch
und nicht werth, dass Sie Gottes Erdboden kennen
(sie), noch trägt. Der König von Preussen hätte
Sie sollen auf der Festung sitzen lassen ; er hätte
dann der Welt einen Bebellen, einen Bubestörer
und einen schändlichen Menschenfeind entrückt,
der wahrscheinlich noch einmal in seinem eigenen
Blute ersticken wird. Eine Unzahl Feinde nicht
nur in Berlin, sondern in allen Städten, die ich
auf meiner Kunstreise im verflossenen Sommer
berührt habe, habe ich bemerkt, besonders recht
viel hier in Leipzig, wo ich Ihnen dies zur Nach-
richt schreibe, damit Sie künftig Ihre Gesinnung
ändern und nicht so lieblos gegen andere Menschen
handeln. Noch einmal ein schlechter, schlechter
Streich, und es ist um Sie geschehen! Verstehen
Sie mich, Sie kleiner Mensch, Sie liebloser und
parteiischer Kezensentenhund, Sie musikalischer
Schnurrbart, Sie Berliner Witzemacher etc.
Aller untertilnigster Chopin/^
Hellstab fügt diesem Geschreibsel hinzu: „Ob
Herr Chopin den Brief selbst geschrieben? Ich
weiss es nicht und werde es nicht behaupten,
drucke das Aktenstück aber hier ab, damit er es
anerkennen oder widerlegen kann ... So lange
er aber solche Missgeburten hervorbringt, wie die
obigen Etüden, die ich allen meinen Freunden,
und zumal den Klavierspielern, zur wahren Be-
lustigung gezeigt, so lange wollen wir über diese
eben lachen, wie über den Brief.**
Fr. Niecks bemerkt hierzu: „Der Brief wurde
nicht desavouiert ; doch glaube ich nicht,, dass
Chopin ihn geschrieben hat. Hätte er überhaupt
geschrieben, so würde er sich weniger kindisch
ausgedrückt haben, wenn auch vielleicht sein
Deutsch nicht besser ausgefallen wäre, als das
obige. Der Hauptgrund, weshalb ich an der Echt-
heit der Unterschrift des Briefes zweifle, ist der,
dass Chopin nach 1831 keine Kunstreise in Deutsch-
land gemacht hat und, soviel man weiss, weder
1833 noch 1834 in Leipzig gewesen ist. Durch
einen mit den damaligen Leipziger Verhältnissen
Vertrauten habe ich erfahren, dass man in dem
7 —
Schreiber des Briefes Friedrich Wieck ver-
mntete."
Fr. Niecks teilt in dem schon genannten
Buche auch einen Brief von Fr. Wieck mit, den
dieser im Herbfit 1835 an einen Bekannten in Halle
schrieb, worin es heisst: „Morgen oder übermorgen
trifft Chopin von Dresden ein, gibt aber wahr-
scheinlich kein Konzert hier, denn er ist sehr
faul; er könnte sich wohl länger hier aufhalten,
wenn er nicht durch falsche Freunde (namentlich
einen Hund von Polen) abgehalten würde, Leipzig
von der musikalischen Seite kennen zu lernen ;
doch Mendelssohn wird dagegen auftreten. —
Chopin glaubt nicht, nach einer Aeusserung, die
er in Dresden gegen einen Kollegen getan, dass
in Deutschland irgend eine Dame sei, welche seine
Kompositionen spielen könne — wir wollen doch
sehen, was Clara kann.*'
Nach Kenntnis dieser tatsächlichen Mitteilungen
wird der geneigte Leser jetzt imstande sein, das
Weitere richtig zu verstehen und zu beur-
teilen.
F. Wieck, sich bewusst, für Chopin*s An-
erkennung tatkräftig eingetreten zu sein, glaubte
sich berechtigt zu der Erwartung, dass dieser bei
seiner Ankunft in Leipzig sofort zu ihm eilen
werde, um ihm dankerfüllt den ersten Besuch ab-
zastatten. Als diese Ehrung aber ausblieb und
Mendelssohn zuteil wurde, fühlte er sich gekränkt
und beleidigt. Und als dann Chopin zwei Stunden
vor seiner Abreise zu ihm kam, traf er ihn nicht
zu Hause. Denn er war, wie seine Tochter Clara
Herrn Fr. Niecks nach Aufzeichnungen ihres
Tagebuchs mitgeteilt hat, in der Absicht, Chopin
za vermeiden, ausgegangen und hatte auch seine
Tochter mitgenommen. Als sie jedoch nach einer
Stande zurückkehrten, fanden sie wider Erwarten
Chopin noch vor. Clara musste sich nun vor
dem Gaste hören lassen. Sie spielte R. Schu-
mann's Fis-moll-Sonate, zwei Etüden aus
Chopin's Opus 10 und einen Konzertsatz
eigener Komposition. Auf wiederholtes Bitten
der Damen der Wieck'schen Familie setzte sich
Chopin an's Klavier und trug sein Es-dur-
Nocturne aus Opus 9 vor. Nach und nach legte
sich der Groll Wieck's, und schliesslich begleitete
er Chopin auf die Post und schied von ihm in
der freundlichsten Stimmung. —
Es ist merkwürdig, dass in diesen Berichten
Hobert Schumann's mit keiner Silbe gedacht
wird! War er zur Zeit nicht anwesend in Leipzig?
— In seiner „Neuen Zeitschrift für Musik^* findet
sich unterm 6. Oktober 1835 nur folgende lakonische
Bemerkung: „Chopin war hier, aber nur Wenige
Stunden, die er in engeren Cirkeln zubrachte. Er
spielt genau wie er komponiert, d. h einzig." Und
in der Nummer vom 20. Oktober heisst es in einem
von Eusebius an Chiara gerichteten Schwärm-
briefe: „Chopin war hier. Florestan stürzte zu
ihm. Ich sah sie Arm in Arm mehr schweben als
gehen. Sprach nicht mit ihm, fuhr ordentlich zu-
sammen bei dem Gedanken." —
Der Sommer 1836 führte Chopin abermals für
einige Zeit nach B ö h m e n , diesmal nach M a r i e n b a d
und auf der Bückreise auch nach Leipzig. Mendels-
sohn war nicht dort, wohl aber Robert Schumann.
In einem Briefe voml4. September 1836 anHeinrich
Dorn schreibt Schumann: „Eben, als ich vor-
gestern Ihren Brief erhalte und antworten will,
wer tritt herein? — Chopin! Das war grosse
Freude. Einen schönen Tag lebten wir, den ich
gestern noch nachfeierte . . .
Von Chopin habe ich eine neue Ballade. Sie
scheint mir sein genialischstes (nicht genialstes)
Werk; auch sagte ich es ihm, dass es mir das
liebste unter allen. Nach einer langen Pause
Nachdenken sagte er mit grossem Nachdruck —
„das ist mir lieb, auch mir ist es mein Liebstes.''
Ausserdem spielte er mir eine Menge Etüden,
Notturnos, Masureks — Alles unvergleichlich.
Wie er am Klavier sitzt, ist rührend anzusehen.
Sie würden ihn sehr lieben." Auch in der Nummer
vom 16. September in seiner „Neuen Zeitschrift
für Musik'' teilt Schumann mit, dass Chopin einen
Tag in Leipzig gewesen, neue „himmlische"
Etüden, Notturnos, Mazurkas und eine neue Ballade
mitgebracht und „unvergleichlich" gespielt habe.
In einem andern Bericht beschreibt Schumann
höchst interessant Chopin's Vortrag mehrerer Etüden
aus seinem op. 25: „Bei diesen Etüden kommt mir
noch zu statten, dass ich sie meist vom Komponisten
selbst gehört, und „sehr ä la Chopin spielt er
selbige" flüsterte mir Florestan dabei in's Ohr.
Denke man sich, eine Aeolsharfe hätte alle Ton-
leitern, und es würfe diese die Hand eines
Künstlers in allerhand phantastiLchen Verzierungen
durcheinander, doch so, dass immer ein tieferer
Grundton und eine weich fortsingende höhere
Stimme hörbar, — und man hat ungefähr ein Bild
seines Spieles. Kein Wunder aber, dass uns gerade
die Stücke die liebsten geworden, die wir von ihm
gehört, und so sei denn vor Allem die erste in
As-dur erwähnt, mehr ein Gedicht, als eine Etüde.
Man irrt aber, wenn man meint, er hätte da Jede
der kleinen Noten deutlich hören lassen; es war
mehr ein Wogen des As-dur- Akkordes, vom Pedal
hier und da von Neuem in die Höhe gehoben; aber
durch die Harmonieen hindurch vernahm man in
grossen Tönen Melodie, wundersame, und nur in der
Mitte trat einmal neben jenem Hauptgesang auch
eine Tenorstinmie aus den Akkorden deutlicher
hervor. Nach der Etüde wird*s Einem, wie
nach einem sePgen Bild, im Traum gesehen
das man, schon halb wach, noch einmal erhaschen
möchte; reden Hess sich wenig darüber und loben
gamicht. Er kam alsbald zur andern in F-moll,
die zweite im Buch, ebenfalls eine, in der sich
Einem seine Eigentümlichkeit unvergesslich ein-
prägt, so reizend, träumerisch und leise, etwa wie
das Singen eines Kindes im Schlafe. Wiederum
— 8 -
schön, aber weniger neu im Charakter als in der
Figar, folgte die in F- dar; hier galt es mehr, die
Bravour zn zeigen, die liebenswürdigste, und wir
mnssten den Meister sehr darum rühmen . . .
Doch woza der beschreibenden Worte!" — Schu-
mann führte später seinen Gast noch zu einer be-
freundeten Dame, der Gattin eines kunstsinnigen
Leipziger Kaufmanns, dessen Haus einheimischen
wie durchreisenden bedeutenden Musikern stets
gastfreundlich offen stand, mit Namen Henriette
Voigt. Diese, selbst gut musikalisch gebildet und
eine fertige Klavierspielerin, berichtet darüber in
ihren Tagebuch-Aufzeichnungen am 13. September
1886: „Gestern war Chopin hier und spielte etwa
eine halbe Stunde auf meinem Flügel —
Phantasie*) und neue Etüden von sich —
interessanter Mensch, noch interessanteres Spiel
*) Gemeint ist die Ballade G-moll, op. 23.
— es griff mich seltsam an. Die Ueberreizung
seiner phantastischen Art und Weise teilt sich dem
Scharfhörenden mit: ich hielt ordentlich den Athem
an mich. Bewundernswürdig ist die Leichtigkeit,
mit der diese sammtnen Finger über die Tasten
gleiten, fliehen möchte ich sagen. £r hat mich
entzückt, ich kann es nicht leugnen, auf eine Weise,
die mir bis jetzt noch fremd war. Was mich
freute, war seine kindliche, natürliche Art, die er
im Benehmen wie im Spiel zeigte." ^-
Nachdem Chopin noch pietätvoll das Grabmal
seines polnischen Landsmannes, des Fürsten
Joseph Poniatowski, der hier in der Völker-
schlacht 1813 seinen frühen Tod durch Ertrinken
im Elsterflusse gefunden, mit einem Kranze ge-
schmückt, setzte er seine Heimreise über Heidel-
berg nach Paris fort, wo er nach glücklich über-
standener Postkutschen -Fahrt wohlbehalten in
seinem Heim anlangte.
Mitteilungen
Ton Hoohsohulen u
Am Konservatorium der Musik in Elberfeld
wird Dr. Max Burkhard in diesem Winter „12
mnsikgeschichtliche Vorträge mit musikalischen Er-
läuterungen" halten. Der Inhalt ist: Die Musik
der vorchristlichen Zeit, die Anfänge der Mehr-
stimmigkeit und der Notenschrift, die Eunstmusik
der Niederländer und der Volksgesang, der fahrenden
Leute, Palestrina und die Blütezeit der katholischen
Kirchenmusik, die Entwicklung des Kunstliedes
von den ersten Anfängen bis auf Schubert, die
Entstehung und Entwicklung der Oper (L Teil),
die Formen der Sonate und Sinfonie. (I. Teil) Joseph
Haydn; Bach und Händel; die Blütezeit der prote-
stantischen Kirchenmusik, das Oratorium, die Formen
der Sonate und Sinfonie (II. Teil), Mozart und
Beethoven; die Entwicklung der Oper. (11. Teil.)
Gluck, Mozart, Weber; Beethoven, Bichard Wagner-
Dr. Otto Neitzel hält am Konservatorium zu
Krefeld zehn öffentliche „musikgeschichtliche
Vorträge", welche mit praktischen Vorführungen
verbunden sind. Die Themen der drei ersten,
welche bereits stattgefunden haben, lauteten:
„J. S. Bach,** „Die Entwicklung der Sonate von
Ph. Em. Bach bis Beethoven" und .Hector Berlioz
und sein Requiem". — Bei dem zweiten von dem
Konservatorium veranstalteten „Kammermusik-
konzert'' wurde das Experiment der Verdunke-
lung des Saales gemacht. Der Saal war während
der Vorträge durch tief abgetönte violette Glüh-
lampen nur bis zu einem schwachen Dämmerlicht
erhellt, die Spieler sassen auf einer hohen Empore
hinter einem lichtundurchlässigen Vorhang. Bei
der Ausführung der italienischen Chorlieder von
Cornelius war der Saal ^in rotes Dämmerlicht
gehüllt, während bei den solistischen Klaviervor-
nd KonserYatoriexL
trägen der Saal erhellt blieb. Der Eindruck auf
die Zuhörer war, wie das bei derartigen Neuerungen
nicht anders zu erwarten, ein sehr verschiedener
und die Meinungen ebenso geteilt.
Frl. Begina Fahrner feierte ihr 60 jähriges
Jubiläum als Angehörige und Musiklehrerln
des „Mädchenerziehungsinstitutes der englischen
Fräulein^* zu Nymphenburg bei München.
Herr Juarez Movilla in Bukarest
wurde vom rumänischen Kultusministerium zum
Oberinspektor des Schulgesangunter-
richts sämtlicher Volksschulen Ru-
mäniens ernannt. Der Schulgesangunterricht
wird nach einer von Movilla selbst erfundenen
Methode erteilt, welche sich — wie man uns
schreibt — als sehr praktisch erwiesen hat und die
Schüler nach vieijähriger Unterweisung befähigt,
fehlerlos a vista zu lesen und zu singen.
Die 1900 vonHerm Th. M. Stoenesen be-
gründete Akademie der Musik in Buka-
rest wurde im abgelaufenen Schuljahre 1902/03
von 180 Schülern und Schülerinnen besucht. Das
Institut veranstaltete im verflossenen Jahre 18 Öffent-
liche Aufführungen, von denen 8 auf die Opern -
und Geeangsklassen, 10 auf die Instrumentalklassen
entfielen.
Bei den kttrzlich in Wien und Prag abge-
haltenen Staatsprüfungen für das Lehr-
amt der Musik wurden sieben Kandidaten der
Musikschulen Kaiser in Wien approbiert.
— Das österreichische Staatszeugnis befähigt zum
Lehramt an staatlichen und privaten Lehrbildungs-
anstalten und Mittelschulen, sowie zur Leitung von
Privatmusikschulen und zum Unterricht an solchen.
— 9 —
Yermischte Nachrichten.
Der Müncheiier Hofkapellmeister Erdmanns-
doerfer and seine Gemahlin, Erau Erdmanns-
doerfer-Fichtner, stifteten, wie die Münchener
Neuesten Nachrichten melden, einen Betrag von
130 OCO Mk., dessen Zinsen nach dem Tode der
Stifter zu Gansten pensionierter Hofmosiker za
verwenden sind. Der Prinzregent verlieh anlässlich
dieser hochherzigen Stiftung dem Hofkapellmeister
Erdmannsdoerfer den Eronenorden, mit dem der
persönliche Adel verbunden ist.
Prof. Xaver Scharwenka hat kürzlich
auf einer Konzertreise in Holland glänzende
£rfolge erzielt; in L e y d e n wurde ihm, nachdem
er zuerst sein Cis-moll-£onzert unter lebhaftestem
Beifall gespielt, nach der Aufführung seines Vor-
spiele zu „Mataswintha^ unter Tusch des Or-
chesters das Diplom als Ehrenmitglied des
konzertgebenden Vereins „sempre crescendo^ über-
reicht. Der Künstler, der sich mehrere Jahre aus
Gesundheitsrücksichten vom öffentlichen Spiel
zorückgezogen hatte, wird sich in diesem Winter
wieder mehr am Musikleben beteiligen und dem-
nächst in Meiningen, Hamburg und
Warschau konzertieren.
Jos^Vianna daMotta, unser geschätzter
Mitarbeiter, hat kürzlich in der „Bechstein Hall''
in London zwei Klavierabende absolviert, die
von grossem Erfolge gekrönt waren. Auf seinen
Programmen standen u. A. Werke von Scarlatti,
Daquin, Bach, Haydn, Alkan, Dubois, G. Moore und
einige eigene Kompositionen. Die Kritik hob be-
sonders den ausgezeichneten stilvollen Vortrag der
graziösen alten Stücke hervor und betonte die Orgi-
nalität der Programme, die den Konzerten des
Künstlers das eigenartige Gepräge leihen und ihnen
einen hervorragenden Platz im Musikleben der
Gegenwart anweisen.
Die Altistin Frau Luise Geller-Wolter
wurde zur Fürstl. Ldppe'schen Kammersängerin
ernannt.
In Hamburg ist der rühmlichst bekannte
Musikschriftsteller Professor Joseph Sittard
gestorben. Sittard war 1846 zu Aachen geboren,
studierte auf dem Stuttgarter Konservatorium
und kam 1885, nachdem er längere Zeit als Lehrer
für Klavier und Gesang an derselben Anstalt ge-
wirkt, nach Hamburg als Mnsikreferent des
,JEamburger Korrespondent^. Unter seinen zahl-
reichen musikhistorischen Werken sind hervorzu-
heben: „Kompendium der Geschichte der Kirchen-
musik" 1881, „Zur Einführung in die Geschichte
und Aesthetik der Musik" 1885 und „Jongleursund
Menestrela", „G^chichte des Musik- und Konzert-
wesens in Hamburg" 1800, „Geschichte der Oper
am Hofe zu Stuttgart" 1891 (Band I), sowie schliess-
lich in der bei Breitkopf & Härtel verlegten Walder-
see'schen Vortragssammlung die Lebensbilder von
Mendelssohn und Bossini.
Der Pianist Pelix Odenwald zu Bremen
veranstaltete am 5. Dezember daselbst ein Solisten-
konzert, das, dem Beispiele Heidelberg's folgend«
bei verdunkeltem Saale und verdeckten
Ausführenden stattfand. Der Saal war nur bis zu
einem matten, in rosa gehaltenen Dämmerlicht er-
hellt, die Verdeckung geschah durch ein Pflanzen-
arrangement, Epheugitter und Lorbeergebüsch.
Während die Kritik sich in sehr anerkennender
Weise über die pianistischen Leistungen des Kon-
zertgebers — das Programm war in historischer
Form aufgestellt — und der mitwirkenden Sängerin,
Frl. Eva ühlmann aus Chemnitz, ausge-
sprochen hat, sind die Ansichten über die Neue-
rungen noch sehr geteilt, sie neigen im allgemeinen
dahin, dass Verdunkelung und Verdeckung nur
für besondere Stimmungsmusik, für ernste, intime
Stücke sich eigne, dass dagegen heitere, virtuose
an B«iz einbüssten«
Die von derGenossenschaf t Deutscher
Tonsetzer gegründete Anstalt für musi-
kalisches Aufführungsrecht hat durch
ein am 1. Dezember in Kraft getretenes Ueberein-
kommen die ausschliessliche Vertretung der
Oesterreichischen Gesellschaft der
Autoren, Komponisten und Musik-
verleger übernommen. Diese letztere Gesell-
schaft hat demzufolge ihre Tätigkeit in Deutsch-
land nunmehr vollständig eingestellt. Da die
deutsche Anstalt, der fast alle namhaften deutschen
Komponisten, sowie die bedeutendsten Musikver-
leger angehören, neben ihrem eigenen reichen Be-
stände auch Über das grosse österreichische B.e-
pertoir verfügt, ist den Venmstaltem von Auf-
führungen in Deutschland die Möglichkeit geboten,
für die Werke beider Anstalten die gesetzlich er-
forderlichen Aufführungsgenehmigungen von einer
einzigen Stelle zu erlangen.
Wegen Abschlusses eines ähnlichen Ver-
tretungsverhältnisses mit der Pariser S o c i ö t ^
des auteurs,compositeurs et^diteurs
de musique und derSociet a degli autori
italiani sind Verhandlungen im Gange.
Das 16. Heft der „Mitteilungen" für die
Mozart-Gemeinde in Berlin (herausge-
geben von Rudolph Genöe) enthält im An-
schluss an die im letzten Heft der „Mitteilungen"
gebrachte allgemeine Charakteristik vonMozart^s
handschriftlichem Verzeichnis seiner
Werke diesmal das vollständigeVerzeich-
nis mit aller Genauigkeit nach dem Original.
Es beginnt am 9. Februar des Jahres 1784 mit einem
„Klavier-Konzert" und schliesst am 20. November
1791, 20 Tage vor Mozart's Tod, mit dem Werk
„Eine kleine Freymaurer-Kantate^. Während dieses
kurzen Zeitraumes, V/^ Jahre, hat Mozart 145
Werke komponiert, darunter seine Opern Figaro,
Don Juan, Cosi fan tutte, Zauberflöte, Titus, femer
— 10 —
Sinfonien, Kammermusik n. s. w. Dae Heft
bringt ferner eine knrze Skizze über „Georg
Albrechtsberge r**, den Frennd Mozart^s
and Lehrer Beethoven's; „Mozart in Dresden und
Doris Stock'* und „Ein altes Spottlied gegen Musik-
kritiker". Das Lied stammt ans dem Jahre 1580
von JacobnmRegnard und ist einer in Nürn-
berg erschienenen Sammlung „Newe knrtzweilige
Tentsche Lieder*' entnommen.
Der „Frankf . Zeitung'' ging vor einigen Wochen
ans Salzburg der nachstehende beherzigenswerte
Mahnruf zu: „Da gerade in allerletzter 2jeit in der
„Frankf. Ztg/* mehrere interessante Mozart -Er-
innerungen wachgerufen wurden, möge hier auch
einer Sache gedacht werden, die verdient, die Auf-
merksamkeit der ganzen gebildeten Welt zu erregen.
Es betrifft das Geburtshaus Mozart's in Salz-
bürg. In der grossen Schar fremder Gäste, die
alljährlich nach Salzburg kommen, sind nur wenige,
die diese Stätte, an der Mozart's Wiege gestanden,
besuchen. Wohl gleitet der Blick der Vorüber-
gehenden über das alte schmale Häuschen in der
Getraidegasse No. 9, aber da für dasselbe gar keine
Reklame gemacht wird, so glauben die Touristen,
dass sich ein Besuch der einstigen Wohnung von
Mozart's Eltern nicht lohne, zumal die drei schlechten
Stiegen, die zu den Räumen führen, gerade keine
Lockvögel für eilige Touristen sind. Wer aber die
kleine Mühe nicht scheut, findet in den alten
engen Stübchen, die die kostbarsten Erinnerungen
an den Meister enthalten, reichen Lohn. Sein
Konzertflügel, das Spinett, auf dem er bis zu seinem
Tode komponierte, Bilder in Fülle, Partituren,
Briefe, Schmuck, Kleider, Möbel von ihm, ja sogar
sein Schädel — kurzum: Schätze bergen jene
Räume. Und alles das ist einer ständigen
Feuersgefahr ausgesetzt. Ln Parterregeschoss
des Mozart -Hauses befindet sich nämlich ein
Material warenladen; Spiritus, Benzin, Petroleum
u. s. w. bilden die Hauptverkau&artikel. Bricht
aber erst einmal Feuer in jenem alten Gewinkel
aus , so sind die Mozart - Reliquien verloren«
Der Custos besitzt noch nicht einmal feuersichere
Säcke im Museum zum Bergen der Sachen bei
Gefahr. Aufgabe der Mozart-Gesellschaft wäre es,
das Haus anzukaufen und seinen Inhalt zu
schützen, aber hierzu fehlt es an Geld. Vielleicht
bedarf es nur einer Anregung, um die reichen Mit-
glieder der grossen Mozart-Gemeinde zu Spenden
zu veranlassen, damit das Haus und die Reliquien
in ihm gesichert werden können.*'
Bücher und Musikalieii.
Karl Storck: „Geschichte der Musik^
1. Abteilung.
Math'fdie YerUgthsadls«;, StaM^rl.
Soeben vor Redaktionsschluss trifft der erste
Band von Dr. Karl Storck's „Musikgeschichte'*
ein, und ich freue mich, meine Leser noch auf dies
Werk aufmerksam machen zu können, welches
nach Anlage und Ausgestaltung berufen scheint,
in den Besitz jedes Musikfreundes zu kommen, und
eignet sein dürfte, die vielfach vorhandene Scheu
vor dem Studium der Musikgeschichte zu bannen.
Storck wendet sich nicht direkt an den Fach-
musiker, obgleich auch dieser reiche Anregung in
dem Werke findet; er beginnt seine Einleitung
mit Worten J. S. B a c h's aus seiner Klavier-
Übung „Denen Liebhabern zur Gemütsergötzung**
und kennzeichnet damit den Standpunkt seines
Werkes. Er sagt in seiner Vorrede: „An jene
echten „Dilettanten^, jene wahren Liebhaber der
Musik dachte ich bei meinem Buche ... Es kam
mir weniger auf scharfsichtige Kritik, auf ein-
dringliche Untersuchung theoretischer Probleme,
auf philologisch peinliche Darlegung der zahlreichen
Streicfragen an, als auf ,,Gemütsergötzung'*. Nicht
als ob ich j,vor Liebe blind^' in taumelnder Be-
geisterung von der Musik der verschiedenen Zeiten
und Völker schwärmen wollte. Ich hoffe, man
vrird mir zugeben, dass meine Darlegungen auf
-^"*«^hendstem Studium der einschlägigen Literatur
beruhen, so sehr ich mich bemüht habe, für den
Leser die Spuren der oft mühseligen Vorarbeit zu
verwischen" u. s. w. — Mir fehlt es heute an Zeit
und Raum, näher auf den Inhalt und die Anlage
des Werkes einzugehen, ich ' kann nur nach dem
Eindruck, den ich bei dem flüchtigen Durchblättern
gewonnen, urteilen, dass es die Arbeit eines ernsten
Forschers und scharfsinnigen Beobachters ist, der
alle Erscheinungen aus dem Geiste ihrer Zeit und
im Znsammenhang mit dem Kulturfortschritt er-
fasst, dabei aber nie den Zusammenhang mit der
G^egenwart verliert und der mit seiner Liebe zu dem
Gegenstand eine geistvolle, klare und lichte Dar-
stellung zu verbinden weiss. Ich komme noch
eingehend auf den Inhalt des Buches zurück, wollte
es meinen Lesern heute nur, da sich dem gediegenen
Innern ein ebenso würdiges wie feines Aeussere
anpasst, vorläufig aufs wäimste empfehlen.
Dr. W. Niemann: „Frobergiana". Eine Auswahl
von Klavierstücken aus J. J. Fro-
berger's Suiten.
BftTtkolf Senff, Leipilg.
Die wissenschaftlichen Publikationen der „Denk-
mäler der Tonkunst in Oesterreich" bieten in ihrem
IV. und VI. Band eine Gesamtausgabe der Werk-
Froberger's, jenes vorbachischen Orgel- und £[lavier-
meisters, dessen buntes, wechselndes Leben ihn zu
— 11 —
allen Stätten der Tonknnst führte und dessen Kunst
dadurch einen gewissen kosmopolitischen Zug trägt.
Froberger, ein Deutscher, 1600 zu Halle geboren,
verlebte seine Lehrjahre in Wien, ging dann nach
Italien und studierte bei dem grossen Orgelmeister
Frescobaldi, bereiste später die Miederlaude, Frank-
reich und England, war verschiedentlich in Wien
üs Hoforganist tätig und wusste für seine Kunst,
der aber immer ein spezifisch deutsches Gepräge
ZQ eigen bleibt, aus allen fremden Strömungen
Nutzen zu ziehen. In seinen Klavier werken, den
Saiten und Variationen, schliesst er sich den fran-
zösischen Komponisten seiner Zeit an; viele Sätze
aas deinen Werken verdienen es, der Vergessenheit
entrissen zu werden, und da die oben erwähnten
Gesamtausgaben doch immerhin nur wissenschaft-
lichen Zwecken dienen und für die Praxis wenig
nutzbar zu verwerten sind, so darf es mit Freuden
begrüsst werden, dass wir in dem vorliegenden
^Verk eine Auswahl für den praktiscben Gebrauch
erhalten. Die Suite „Auff die Mayerin", welche
die Sammlung eröffnet, ist in Variationenform über
einem reizendem Liedchen aufgebaut und zeigt
ans ein ungemein feines, an kunstreichen musi-
kaliBchen Einzelheiten reiches Werk, das auch heute
noch, ganz abgesehen von dem historischen Hinter-
grande, Jeden Spieler fesseln wird. Auch der in-
stmktive Wert ist gross genug, um das Werk dem
ünterrichtsplan einzureihen. Ausser diesem als
.,SaitA*^ bezeichneten Variationencyklus hat der
Aator noch 4 Einzelsätze aus anderen Suiten Fro-
berger's ausgewählt: 2 Giguen, eine Courante und
eine Sarabande, letztere ein äusserst stimmungs
volles Stück. — Die Bearbeitung ist ausgezeichnet,
sie ist nach allen iiistorif ch wie ästhetisch in Frage
kommenden Gesichtspunkten, mit Berücksichtigung
des früheren Verzierungswesens, der Freiheit im
Variieren u. s. w. vorgenommen, die Abweichungen
▼om Urtext sind durch Possnoten angemerkt.
Allen Musikern und Lehrern sei die Sammlang
aufs wärmste empfohlen.
(vnstav LaiamS) op. 76. „Drei Kompositionen
für das Pianoforte."
Arthar P. SehMidl» Leipilf.
Die 3 Stücke „Mit Grazie", „Schelmerei" und
ySlavischer Tanz'' gehören zur empfehlens-
werten Jugendlitteratur, wenn sie auch schon
etwas gewandtere Finger erfordern. Das erste
ist ein zierliches, anmutiges ^Menuett'* von
grossem Klangreiz und feiner Harmonik. Die
»Schelmerei" führt sich durch ein einschmeicheln-
des Thema ein, das von dem Verfasser in aller-
lei harmonischen und rhythmischen Varianten mit
grossem Geschick verwertet wird und dadurch
fesselnd wirkt. Der „slavisciie Tanz" ist ein über-
mütiges, etwas naturwüchsiges Stück von ausge-
sprochen nationalem Charakter. Ich empfehle be-
sonders die beiden ersten Hefte als treffliche Vor-
tragstücke für Spieler der Mittelstufen.
Kicolas de Wilm, op. 201. „LeCarnaval de
Nice'S 12 petits morceaux.
OMo Forberfy Lelpiif .
Formgewandte und melodiöse Stücke, in denen
der Komponist Bilder aus dem Kamavalsieben
schildert. Er ist dabei mehr Zuschauer, als selbst
bei dem bunten Treiben beteiligt; betrachtet die
bunten Szenen ans der Entfernung, so klingt die
Lust wie gedämpft an unser Ohr, gehaltener, als
man es sonst bei Schilderungen von Kamavals-
bildem gewöhnt ist. Einige Stücke, wie z. B. die
„Serenade des Plerrot^S ^^ n^^^^PP® ^^^ Gondoliere
von Venedig", die .Gruppe der russischen Bauern"
haben einen völlig elegischen Charakter. Sehr an-
mutig und melodisch anziehend sind die ,Fleurs
animöes", die Gruppen der „Winzer", der „Spanischen
Studenten", der „Neapolitanischen Fischer*. Mit
einem übermütigen Kehraus klingt die Serie in dem
,Mardi gras" aus. Die Stücke sind alle leicht ge-
setzt und werden der klaviei spielenden Jugend
Freude machen.
Anna Morsch.
Max Beger, op. 28. Zweite Sonate G-moll für
Violoncello und Pianoforte.
— — op. 49, No. 1. Erste Sonate As-dur
für Klarinette und Pianoforte.
Joi. Albl YerUf, Maaehea.
Auf die beiden vorstehend genannten Kammer-
musikwerke des trefflichen Max Beger sei auf's
Angelegentlichste hingewiesen. Die Sonate für
Violoncello und Pianoforte (G-moll, op. 28) ist ein
leidenschaftlich erregtes Werk von pathetischem
und energischem Zuge. Neben mancher Härte
findet sich auch oft ein inniger, gemütvoller Zug,
eine Wendung zu herzlicher Aussprache und der
Ausdruck einer gewissen Kachdenk lichkeit. Die
As-dur-Sonate für Klarinette und Pianoforte (op. 49
No. 1) ist ihrem Gesamtinhalt nach heller und
lichter, mehr sanften Charakters und klarer in der
musikaUschen Diktion. Beiden Werken gemeinsam
eigen sind besondere Frische der Erfindung, aus-
gezeichnete Behandlung der beiden ausführenden
Instrumente, welche jederzeit koordiniei*t erscheinen,
sowie anziehende Melodik und eine Unmenge von
harmonischen und rhythmischen Feinheiten, welche
ja Beger's Kompositionen überhaupt niemals zu
fehlen pfiegen. Dass die zwei Sonaten nach jeder
Seite hin ein sehr hochentwickeltes technisches
Können und bedeutend musikalischen Sinn ftir eine
wohlgelungene und erschöpfende Darstellung vor-
aussetzen, braucht kaum erst besonders gesagt zu
werden, aber man wird sich für alle aufgewandte
Mühe fieissigen und gewissenhaften Einstudierens
dann auch reichlich belohnt sehen. Auf alle Fälle
dürften weder Musiker noch ernste Freunde guter
Kammermusik an Beger^s hier empfohlenen Ton-
dichtungen vorübergehen.
Eugen Segnitz.
— 12
Empfeblenswerte Musikst&cke«
Sonaten und Vortragsstücke für Violine und Klavier für vorgeschrittenere Schüler.
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Violine nnd Klavier.
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mit Klavierbegleitung.
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mit Begleitung der Orgel, des
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des Allg. Deutschen Lehrerinnen-Yereins.
Die Breslauer Musikgruppe, Vorsitzende
Frl. E. Simon, hat nach längeren Verhandlungen
sich jetzt, in Gemeinschaft mit den Musiklehrem,
auch über gemeinsame Unterrichtsbedingungen im
musikalischen. Privatunterricht geeinigt und feste
Satzungen aufgestellt, die die geschäftliche Seite
des Unterricht« regeln. Sie fussen auf früher ver-
öffentlichten Hauptprinzipien: Monatspreise ohne
Bücksicht auf die von Seiten des Schülers abge-
sagten Stunden. Der Unterricht fällt an staatlich
festgesetzten Feiertagen aus, wird aber mit hono-
jiert. Kündigungsfrist einen halben Monat vor
Aufgeben des Unterrichts. — Die von der Vor-
sitzenden erstrebte Gründung eines Musikleh-
rerinnen.Altersheim für die Provinzen
Schlesien und Posen schreitet in erfreulicher
Weise fort, ein Gnmdstück ist bereits erworben,
die Baupläne liegen ausgearbeitet vor und es ist
Hoffnung vorhanden, dass mit dem Bau im nächsten
Frühjahr begonnen werden kann. Noch fehlt aller-
dings eine ziemlich hohe Summe, andererseits ist
aber wieder die Teilnahme für dies Werk der
Nächstenliebe sehr rege, eine grosse Beihe von
Herren und Damen haben Anteilscheine gezeichnet
und aus Künstlerkreisen fliessen Spenden durch
Veranstaltungen von Konzerten, Schülerauffüh-
rungen u. s. w. zu. Frl. Elisabeth Simon hat auch
für diesen Winter wieder einen C y k 1 u s von Vor-
trägen arrangiert, deren Ertrag dem Altersheim
zu Gute kommen wird. Die Vorträge umfassen
die wissenschaftlichen und künstlerischen Gebiete
und die ersten Professoren Breslaues haben sich in
uneigennütziger Weise in den Dienst der guten
Sache gestellt.
Briefkasten.
Abonnent F. B. in A. fragt nach dem Ver-
fasser und Verlajj einer vor Jahren erschienenen
„Harmonielehre in Tabellenform". Sollte sie einem
Leser des ,K1.-L." bekannt sein, so wird um
freundliche Angabe an die Redaktion gebeten.
Hr. B. F. in S. Ohne jede Vorstudien etwas
schwierig. Versuchen Sie es zunächst einmal mit
S. Jadassohn's „Elementartheorie^ (Breitkopf &
Härtel, Leipzig).
Frl. A. D. in F. und Frl. M. S. in D« Nehmen
Sie zu den genannten Werken noch: Dr. O. Kl au-
wei 1 „Die Formen der Instrumentalmusik^* (H. vom
Ende, Köln) zu Hilfe.
Hr. K. F. in H , Frl. M. H. in W. und ver-
schiedene Andere. Sie können Ihren beabsichtigten
Eintritt in den musikpädagogischen Verband bereits
letzt anmelden. Senden Sie kurze Notizen über
Ihre Ausbildung, Abschrift von Zeugnissen pp ,
Sie erhalten dann s. Z. weitere Benachrichtig^ung.
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Dr. Hoch's Conservatorium in Frankfurt a. M.
gestiftet dnrch Vermächtnis des Herrn Dr. Joseph Faal Hoch, eröffnet im Herbst 1878 unter der
Direktion von Joachim Raff, seit dessen Tod geleitet von Prof. Dr. Bernhard Scholl, beginnt am
1. März d. Js« den Sommer-Cnnas.
Der Unterricht wird erteilt von den HH. L. Uzielli, E. Engesser, K. Friedberg, Mnsikdir. A.
Glück, Frl. L. Mayer, Herrn Chr. Eckel, PrL M. 8cheepmaker, Frl. M. Ooedecke, Frl. E. Mann, Frl.
J. Flügge, Frl. U. Schnitze und Herrn H. Golden (Pianoforte), H« G^lhaar (Orgel), den H.H. Ed. Bell-
wldt, 8. Rigntlni, Frl. Cl. Sohn, Frl. Marie Scholz und Hr. A. Leimer (Gesang), den H.H. Prof.
H. Heermann, Prof. J. Naret-Koning, F. Bassenn ann, Konzertmeister, A. Hess, Konzertmeister, A. Rebner,
A. Leimer und F. Küchler (Violine bezw. Bratsche), Prof. B Cossmann, Prof. Hngo Becker, J. Hegar
und Hngo Schlemüllrr (Violoncello), W. Seitrecht (Kontrabass), A. K9nltz (Flöte), R. Müns (Oboe),
L. Mohler (Klarinette), F. Türk (Fagott), C. Prensse (Hörn), J. Wohllebe (Trompete), Direktor Prof.
Dr. B. Scholz, Prof. J. Knorr, C. Breidensteln, B. Seckles und R. Kern (Theorie und Geschichte der
Musik), Prof. C. Hermann (Deklamation und Mimik), Literatur: Herr Prof. Dr. R. Schwemer, Fräul.
del Lnngo (italienische Sprache).
Prospekte sind durch das Sekretariat des Dr. Hoch'schen Conserratorinms, Escher^helmer Land-
strasse 4, gratis und franco zu beziehen. Baldige Anmeldung ist zu empfehlen, da nur eine beschränkte
Anzahl von Schülern angenommen werden kann.
Die Administration: Heinrich Hanau. Der Direktor: Professor Dr. B. Scholz.
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Ihrer Maj. der Kaiserin von Deutschland und Königin von Preussen,
Ihrer Maj. der Kaiserin Friedrich,
Br. Maj. des Kaisers von Russland,
Ihrer Maj. der Königin von England,
Ihrer Maj. der Königin Regentin von Spanien,
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Br. Königl. Hoheit des Herzogs von Sachsen-Cobui-g-Gotha.
Direr Königl. Hoheit der Prinzessin Louise von England (Marchioness of Lome).
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Für die Redaktion Terantwortlich: Anna Morsch, Berlin W., Ansbacherstr. 87.
Expedition und Verlag „Der Klarier -Lehrer^, M. Wolff, Berlin W., Ansbacherstrasse 87.
Dmck: J. S. Preuss, Berlin S.W., Rommandanteustr. 14.
Der Klavier-Itehrer.
Musik-pädagogische Zeitschrift für alle Qebiete der Tonkunst
Organ der Deutschen Musiklehrer-Vereine,
der Musik-Sektion des J\. D. L-V. und der Tonkunstler- Vereine
zu Köln, Dresden, Hamburg, Leipzig und Stuttgart.
Begründet 1878 von Professor Emil Breslaur.
Redaktion: Anna Morsch
BerUn W.,
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Prcii vicrtclilhriid) bei Allen Bttd>- und
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(Ar die zwelgcspaltcne Petitzeile ent*
neacnaenemmen.
No. 2.
Berlin, 15. Januar 1904.
XXVII. Jaiirgang.
Inhalt: Benno Horwitz: .0« qu'on eotend aur la montagna*. (Portaetzung.) Anna Morach: Das Studium der Muaikgeachicht
für den LehrbenxL I>r. Karl Storck: Kritiache Rflckachau Ober Konzert und Oper. Mitteilungen von Hochaehulen und Koa-
aervatorien. Vermiachte Nachrichten. Bflcher und Muaikalien, besprochen von Benno Horwitz, Eugen Segnitz und Anna
Morach. Meinungaauatauach. Vereine. Briefkasten. Anzeigen.
„Se qu*ot) el)^eI)d suv 1a ii)oi)1'agi)e.''
Sympboniicbe Dlcbtang von f ranz Ciszt.
Eine Auslegung
von
Bemio HLorwita.
(Fortsetzung.)
II. H a u p 1 1 e i 1. „Doch unter diesen hehren Klängen schrillt
Die Stimme der Natur leitet ihn ein : die and're Stimme wie ein ängstlich Ross" — .
2. Tutti maestoso assai. p
J.
tpry0-y^ri^f^^
I
n-ff
An dieses „Ruhmes-Glückslied*' schliesst Die Fortsetzung des zweiten Hauptteiis enthält :
sich ein Bestandteil des dem folgenden Teils ^^^^ ^ ^^^^^ ^^ ^^^^
zu Grunde liegenden Thema's an. ^^
8*. / Ob. Cl. Fg. (Aüa hreve)
aus Ib gebildet und
(8b in der Gegenbewegung und Verkürzung.) ^^^ ^^^
CL Bassrl.
$^>IJ^ 'tJj^^
f aeeentuato.
ff ener0co
aus 1 d abgeleitet; ferner 3a, 2a in dieser Form :
— 18 —
2as.
i
Bläoer
^t^F=^
±
in Verbindung mit la.
An der Spitze des zweiten Hauptteils
steht eine aus zweimal zehn Takten bestehende
Periode in Fis-dur, der Schluss ruht auf B-dur,
der Dominante der Haupttonart Es-dur.
III. Hauptteil.
Zuerst vernimmt man die Stimme der
Menschheit; zwei Tamtamschläge, piano,
lugubre, kündigen sie an. 3 b.
Ol. Bd. Fg. ÄUegromaeMtoso^
Dieser Periode folgt eine aus den Motiven
la und 1 c (Violin-Solo) gestaltete Episode, die
sich sofort um einen halben Ton — von g
nach gis — höher gerückt wiederholt. Im
Verlaufe des folgenden Teils werden die bis-
her eingeführten Motive durchgeführt. In neuer
Gestaltung erscheint db.
3bb.
0 i r f ' y
ff
Ein längeres Verweilen in einer Tonart
hat die Anführung des Themas des zweiten
Hauptteils in H-dur und es-moll zur Folge.
Wie im vorigen Hauptteile steht auch in diesem
an der Spitze ein breit ausgeführtes Thema,
das hier aus einer 11 taktigen und einer
IStaktigen Periode besteht und deren Tonart
g-moll ist. Thematisch ist der Schluss dem
des vorigen Hauptteils gleich; harmonisch
weicht er ab — anstatt auf B-dur ruht er
auf G-dur.
IV. Hauptteil.
Es ist eine oft zu beobachtende Eigen-
tümlichkeit Liszt*s, dass er die Ideenkreise des
Dichters durch seine Musik vertieft oder er-
weitert. Die Frage, warum Gott den Sang
der Natur und der Menschen Schreien zu einem
Misston vereine, lässt der Dichter unbeant-
wortet, Liszt, der Musiker, hat eine Antwort
auf diese Frage. Er findet diese Antwort in
der Religion. Diesen von der Menschheit, der
sündigen, in die Natur gebrachten Misston löst
Gott nicht auf, weil er nur eine Auflösung,
die durch den Glauben an seine ewige und
barmherzige Liebe, den einzigen und wahren
Friedensbringer, anerkennt. Die Dissonanz
der beiden Stimmen, Natur und Menschheit,
löst der Musiker durch die Consonanz, Glaube
an Gott, auf. Den beiden bisherigen Haupt-
themen folgt daher als drittes ein Andante
religioso.
4 Fö8. Andante religioso.
U
j j j
— . — A — *■
Pill i Mr f I ^
m
m
iihLnif^i^J^t^^
^
^
m
m.
i ii?f. »5 , 4
1
Es folgt eine zweimalige Anführung des
Motivs la in dieser Form:
Er f. AlUgro moderato* ^^^fl
^
^mf molto tranquiÜo
2. VL pp con 8ord
■3- 8 83
U
tratiquÜlo
— 19 -
des Motivs 1 c und des Hauptthemas des 8. Anfang des vierten Hauptteils macht die G-dur-
Hauptteils. Eine Episode des ersten Hauptteils Tonart, den Schluss B-dur, die Dominante der
bildet die Ueberleitung zum folgenden. Den Haupttonart
(Schluss folgt.)
Bas jil'adiatt) der ^usiHgescbicbl'e
für det) IfehrbeFuf.
Von
A«iia Horsch.
Die HeformbestrebangeD des „Mnsikp&dago-
gischen Verbandes" ricbten sieb in der Hanptsacbe
auf eine Umgestaltang der Seminare an den Konser-
vatorien, um tücbtigere, facblich wie wlssenscbaft-
lich gründllcber ansgebildete Lehrkräfte heranza-
ziehen« Ich. möchte hent die Aufmerksamkeit auf
«inen bis jetzt bei der Ausbildung arg vernach-
lässigten Zweig: ^Das Stndiam derMosikgeschichte"
lenken, meine Meinung über deren Handhabung
aussprecben und zur Diskussion über das Thema
auffordern.
Die Musikgeschichte ist, obgleich Jeder ernst
denkende Lehrer im Stillen von ihrer Notwendig-
keit und Unentbehrlichkeit überzeugt ist, das Stief-
kind der Konservatorien. Seit langen Jahren ver-
folge ich mit besonderer Aufmerksamkeit aus den
mir zum Beferieren eingelieferten Jahresberichten
der grösseren und grossen Konservatorien die auf
ihnen geübte Pflege der wissenschaftlichen F&cher
und bin daher imstande, ein Urteil darüber abzu-
geben. Befremdete mich schon in vielen Fällen
der bei grosser Schülerzahl geringe Prozentsatz
der Teilnehmer an den Kursen für Theorie, Formen-
lehre and verwandten Disziplinen, so vielmehr noch
das Fehlen der Kurse für Musikgeschichte — ich
möchte behaupten, dass solche nur an wenigen
Konservatorien eingeführt sind. (Ich würde mich
frenen, wenn der Gregenbeweis erbracht wtlrde.)
Die Musikgeschichte wird, soweit ich es über-
sehe, nur in Form von Vorträgen behandelt,
der Besach dieser Vorträge ist weder obliga-
torisch, noch verpflichtet er den Schüler zu
irgend einer Arbeitsleistung. In der Zu-
sammenfassung der Semester- resp. Jahresprüfungen
vor dem Lehrerpersonal der Anstalten habe ich in
den mir zugesandten Jahresberichten noch kein
einziges Mal die Musikgeschichte als
Prüfnngsobjekt verzeichnet gefunden.
Die Schlussfolgemng liegt nahe: Die Musik-
geschichte wird als ein unwesentlicher Zweig in
der Ansbüdung des angehenden Musikers angesehen.
^ es ein Wunder, wenn, hierdurch beeinflusst,
^er Zögling eine Disziplin, die ihn zu nichts ver-
pflichtet, als nebensächlich behandelt, ist es nicht
«^Qfto begreiflich, dass der Sinn für das geschicht-
Hche Moment der Kunst so brach geblieben ist,
weil er an den dazu berufenen Stätten so wenig
geweckt wird? Freilich besucht der gewissen-
haft Studierende die ihm im Konservatorium
dargebotenen „musikgeechichtUchen Vorträge'', sie
interessieren ihn vielleicht auch aufs lebhafteste,
aber — sie werden nicht sein geistiges Eigentum;
es ist gleich dam Anhören eines schönen Musik-
stückes, — mit dem Verklingen des letzten Tones
ist sein Zauber vorüber und der positive Wert für
den Hörer verloren, wenn er nicht nachträglich an
das eigene Studium des Werkes geht.
Mögen nun aucli die musikgeschichtlichen Vor^
lesungen für die grosse Schar derjenigen Konser-
vatoriumsbesucher ausreichen, die die Musik nicht
als Lehrberuf erwählen wollen, sondern nur von
der Absicht beseelt sind, sich eine allgemeinere
musikalische Bildung anzueignen, die ihnen der
Privatunterricht nicht gewähren kann, so genügen
sie schon für den angehenden Virtuosen nicht, noch
viel weniger für den Seminaristen, der seine Studien
mit vollem Bewusstsein unter dem Gesichtspunkt
betreibt, einmal selbst lehrend wirken zu wollen.
Hier tritt an die Konservatorien die Aufgabe heran,
die Zöglinge, die sich ihnen anvertraut, nach allen
Richtungen mit den Anforderungen ihr^ künftigen
Berufs auszurüsten.
Der Beruf des Lehrers ist der eines Vermittlers
seiner Kunst an diejenigen, die sie zu lernen
beabsichtigen, gleichviel ob die Schüler sich
ihr mit vollem Ernst als Studierende oder weniger
tief als Kunstliebhaber hingeben wollen. Zur Aus-
übung dieses Berufe ist es nötig, dass wir unsere
Kunst nach allen Richtungen uns zu eigen
gemacht, dass wir sie lebendig im Geist tragen und
die Verpflichtung in uns fühlen, ftlr ihre Pflege, ihren
Fortbestand verantwortlich zu sein. Nur
wenn dem Kunstjünger die Einsicht des hohen
Berufes, dem er entgegengeht, klar ins Bewusstsein
gedrungen ist, wird er zielbewusst lernen und sich
alle die umfassenden Kenntnisse anzueignen bestrebt
sein, welche unsere Kunst erfordert. Wie kann
jemand ein guter Lehrer sein, der sein Fach nicht
nach allen Richtungen hin, den technischen wie
den wissenschaftlichen, beherrscht, der nicht Kennt-
nisse der Werke seiner Kunst besitzt, der nicht
nur das in sich aufgenommen hat, was er lehren
— 20
will, sondern ein Wissen weit über seinen
Lelirkreis hinaus besitzt, der nicht nur die für ihn
in Betracht kommende Literatur kennt, sondern
sich anch über ihr inneres Wesen, über ihren Ban,
ihre £ntstehnng nnd Entwicklang klar bewnsst ist,
der, kurz gesagt, über seinem 8toff steht nnd sich
durch das Stadium der verwandten Zweige, Poesie
nnd bildende Künste, nebst der Weltgeschichte,
ein ürteÜ über die allgemeine Kulturentwicklung
angeeignet hat und aus ihr seine spezielle Kunst,
als einzelnes Glied, in dieselbe einzureihen weiss,
und damit komme ich auf die Wichtigkeit
der Musikgeschichte. Ich halte das Studium der-
selben als einzige reale Grundlage ftLr das
positive Verständnis der Ton werke nach ihrem
Inhalt für unerlässlich. Sie allein giebt uns
die Möglichkeit zur richtigen Wertschätzung der
Werke gegenüber dem Zeitgeschmack und der
eigenen subjektiven Empfindung, die . oft zu
Täuschungen ftihrt. Haben wir uns einen Qe^
samtblick über die geschichtliche Entwicklung der
einzelnen Stilarten, der verschiedenen Kunst-
gattungen und ihrer Formen — und hier tritt die
Formenlehre als ebenso unerlässlich helfend
hinzu ', ihr allmäliges Fortschreiten und stete
Vervollkommnung angeeignet, so werden wir den
Werken nicht kritiklos gegenüberstehen; wir
können die älteren aus dem Geist ihrer Zeit be-
urteilen, wir wissen in den neueren das fortschritt-
liche Element zu erkennen, und endlich als wich-
tigsten Faktor verstehen wir es, sie unseren
Schülern in echtem Sinne zu übermitteln.
Fasst man die Wichtigkeit der Musikgeschichte
von diesem Gesichtspunkte aas, so leuchtet es
sofort ein, dass sie in den Seminaren der Kon-
servatorien dem Studierenden in anderer Form
gelehrt werden muss, als es bisher geschah. Die
lebendige aktive Betätigung muss an Stelle des
passiven Hörens treten. Der Vortrag ver-
wandle sich in die Lehrform, wie sie für den
geschichtlichen Unterricht an den Schulen geübt
wird. Durch Frage und Antwort, kurze Diktate
aus dem vom Lehrer Vorgetragenen, mündliche
Beferate zur Aneignung freien Voitrags und ge-
schickter Ausdrncksweise behufs späterer eigener
Wiedergabe an die Schüler, schriftliche häusliche
Ausarbeitungen, ist der Stoff zu vermitteln. Prak-
tische Erläuterungen, Anschauungsmittel, Abbil-
dungen, alte Notendrucke und was sonst noch in
dem weiten Gebiete zur Verfügung steht, können
herangezogen werden — der Stoff ist so reich, so
schön, so unbegrenzt — , dass es nur einer ge-
schickten Handhabung bedarf, das Interesse nicht
nur zu wecken, sondern auch dauernd lebendig zu
erhalten.
Nun wird die Frage entstehen: Was soll dem
Studierenden (ich beziehe mich hier immer auf die
seminaristische Ausbild aug) aus der Musik-
geschichte gelehrt werden? unter weichen Ge-
sichtspuakfem ist der Stoff einzuteilen? Ist die
alte und mittelalterliche Geschichte notwendig?
Soll die neuere unter der Betonung des Biographi-
schen gelehrt werden? Wie ist der Stoff auf die
ünterrichtsjahre zu verteilen? u. s. w.
Ich glaube, dass verschiedene Wege zu
gleichem Ziele führen und versuche in Nach-
stehendem in kurzem Ümriss zu fixieren, was mir
in der Kenntnis der Musikgeschichte als dringend
notwendig erscheint. «
Die Musik der vorchristlichen Völker ist zu-
nächst nur, ohne auf Spezielles einzugehen, im
Sinne ihrer Kultur und ihres Kultus durchzu-
nehmen; die fortschreitende Entwicklung unserer
frühchristlichen Musik wird wiederholt Gelegenheit
geben auf die wenigen in Betracht kommenden
Faktoren der vorchristlichen Musik zurückzu-
greifen, wie z« B bei Entwicklung der Noten-
schrift auf die Zahlenschrift der Araber, die
Buchstabenschrift der Grirchen, bei Erläuterung
der Kirchentöne ihren Ursprung, die griechischen
Klanggeschlechter einer näheren Begründung zu
unterziehen; bei der Entwicklung der Mehrstimmig-
keit auf den einstimmigen Gesang der alten Völker
einzugehen u. s. w. — Unsere frühchristliche
Musik ist in grossen Zügen an das melodische
und rhythmische Element, an die Entwicklung der
Kirchentonarten, die Gestaltung der Notenschrift,.
Nexmien, Lateinische Buchstabenschrift, anzo-
knüpfen, Namen wie Ambrosius, Gregor, Boethius,.
Hucbald, Guido v. Arezzo und ihre Bedeutung für
den Fortschritt der Kunst, müssen dem Schüler
bekannt und vertraut werden. Vom Beginn der
Mehrstimmigkeit an, den Zeiten der Mensuralmosik
ist schon etwas ausführlicher zu verfahren und
neben der kirchlichen Knnstmusik die Weisen der
Minne- und Meistersinger und des Volksliedes zu
behandeln. Die Geschichte der Niederländer, ihre
die ganze Kalturwelt beherrschende Kunst, ihre
Meister, ihre Ausläufer in den italienischen Pflege-
stätten, Rom, Venedig, ist eingehend durchzunehmen
— wie soll der Schüler sonst die grosse Renaissance -
Bewegung am Ausgang des 16. Jahrhunderts, den
heissen Kampf gegen den Kontrapunkt verstehen,
wenn er nicht die Bedeutung erkannt hat, welche
die niederländischen kanonischen Künste im ge-
samten Musikschaffen der Zeit einnahmen?
Von 1600 an ist die Entwicklung in ge-
sonderten Zweigen zu behandeln: Kirchliche
vokale Kunst: Oratorium, Kantate, Passion; welt-
licher G^ang: Drama, Oper, Lied; die Instrumental-
musik mit ihren mannigfachen Varianten; Fuge,.
Suite, Sonate, Sinfonie u. s. w. Es dürfte ratsam
sein, die einzelnen Stilarten und die Meister, die
sie ausgebaut, in kleinen übersichtlichen Zeit-
abschnitten durchzunehmen und bei Abschluss
eines solchen vom Schüler einen schriftlichen Auf •
satz und mündlichen Vortrag zu verlangen, um
sich zu überzeugen, ob ihm der Stoff geläufig ge-
worden, ob er ihn geistig erfasst hat nnd wieder-
geben kann. Hierzu müssen dem Schüler Nach-
— 21 —
«chla^^ewerke in der Bibliothek des Eonser-
Tatoriams, besondere Lexiken, zor Verfügung
stehen. Bei dem eich immer mehr häufenden
Material der Neuzeit, den vielen Xflnsterpersönlich-
keiten, kann das Biographische in den Hintergrund
treten und nur soweit mit herangezogen, als es
zum Erkennen des grossen Qesamtorganismus not-
wendig ist Dagegen ist die Bedeutung der
Werke der Künstler bezüglich des Fortschritts in
der Entwicklungsgeschichte, seine Eeformen, ihr
Kinflns« auf die Kunst in den Vordergrund zu
Tücken. Hinsichtlich des Biographischen ist der
Schüler auf Selbststudium zu verweiBen; wir be-
sitzen nach dieser- Bichtung genügendes Material.
Aach hierzu müsste die Bibliothek des Konser-
vatoriums dem lerneifrigen Schüler offen stehen.
Der Schwerpunkt des Unterrichts mnss immer
darauf gelegt werden, dem Studierenden ein klares
Bild des Werdeprozesses der einzelnen Stil-
gattungen und der Formen unserer Tonkunst,
Lied« Oratorium, Oper, Suite, Sonate, Sinfonie
IL a w. zu zeichnen, und demgemäss die Pfad-
finder und Vollender in diesen Ent-
wicklungsgang einzureihen und ihre Bedeutung in
der Geschichte festzustellen. Die Erwähnung und
Besprechung ihrer Hauptwerke erg&be sich
dadurch von selbst. Ich würde z. B. keinen so
grossen Wert darauf legen, wie das Beferat auf
Seite 9 der „Verhandlungen** beanspruchte, dass
mir der Prüfling die Tonarten der Sinfonien
Beethovens hersagte, aber fordern würde ich, dass
er den geistigen Geha]t derselben kennt, dass er
angeben kann, wo Beethoven über seine Vor-
gänger hinausgeschritten, w i e er es getan und
welche Steigerungen und neu eröffnete
Bahnen wir in seinen Sinfonien verfolgen können.
Dass bei dem Unterricht auf das Fachstudium
^es Schülers Bücksicht zu nehmen ist, versteht
«ch von selbst; ein Klavierspieler wird sich ein-
gehender mit der Geschichte seines Instrumentes
und dessen Literatur, wie der Meister, die sie
•chofen, zu beschäftigen haben, während dem Sftnger
mehr das Studixmti der Geschichte des Liedes, des
Oratoriums und der Oper obliegt. Hier muss wieder,
da die Seminaristen eines Konservatoriums sich stets
ans den verschiedensten Fächern : Klavier, Violine,
Gesang n. A. zusammensetzen, auf Privatlektttre
▼erwiesen werden; es ist Pflicht des Lehrers, sich
liber das Fachstuditmi seiner Zöglinge zu unter-
richten und ihnen an geeigneten Wendepunkten die
ihnen zum Spezialstudlum nötigen Werke anzu-
geben.
In Vorstehendem habe ich nur in grossen Zügen
auf die Ziele des musikgeschichtlichen Studiums
hingewiesen, — den ganzen Lehrgang hier klar zu
legen verbietet mir der Baum, ~ es wäre aber
sehr erwünscht, wenn auch von anderer Seite
Meinungen zu diesem mir so sehr am Herzen lie-
genden Thema geäussert würden. Es ist dringende
Erfordernis, dass wenigstens die grossen Konser-
vatorien der Musikgeschichte den ihr gebührenden
Platz im ünterrichtsplan einräumen und das Studium
derselben für die Seminare auf Jeden Fall obli-
gatorisch machen. Einzig die Geschichte weitet
den Blick 1 Sie führt den in kleinlicher Enge eines
begrenzten Könnens Beharrenden heraus aus sich
selbst, dass er von hoher Warte erschaut, was vor
ihm war und an den vielen hehren Künstlergestalten,
ihren Kämpfen und Schaffen sich selbst erkennen
lernt. Sie wird den Selbstzufriedenen demütig und
klein machen, sie wird den Zsgenden erheben wenn
sie ihm die Sorgen und Schmerzen lehrt, die Grössere
vor ihm um ihr Heiligtum erlitten! —
Was aber sollen die kleinen Institute beginnen,
die auch Lehrkräfte ausbilden wollen und denen
es doch wegen geringer Schülerzahl nicht möglich
ist, für jede Disziplin eine besondere Lehrkraft a^
zustellen? — Es lässt sich, redliches Wollen und
tüchtiges Wissen vorausgesetzt, da recht gut kom-
binieren. Die Methodik bietet schon verschiedent-
lich Qelegenheit, das geschichtliche Moment einzu-
flechten. Gleich bei Beginn: „Einführung in die
Notenschrift*" ist eine Eiläuterung über die Ent-
vTicklungsgeschichte der Notenschrift, der Linien-
systeme, der Schlüssel einzufügen; das alla breve
Zeichen weist uns auf die Mensuralnote, der Finger-
satz auf die alten Meister des Klavierspieis hin
und ähnlich vieles Andere. Noch mehr giebt die
Formenl' hre Anlass zu geschichtlichem Rückblicken.
Die Liedform führt zur Geschichte des Liedes und
seiner Meister, ähnlich die Formen des Tanzes,
der Suite, der Sonate u. s. w. Formenlehre und
Musikgeschichte gehen vorzüglich Hand in Hand,
nur muss hier viel privates Studium hinzutreten,
weil der Studieng^g sonst ein zu langsamer würde.
Aber erreichen lässt sich das 2iiel auch an kleineren
Instituten, ich spreche hier aus eigener Erfahrung,
und ebenso ist ein vielseitig gebildeter Privatlehrer
imstande, seinen Schülern durch umsichtige Leitung
eine umfassende Bildung zu Teil werden zu lassen.
Kritische Bfickschau
übe;r Konsert und Oper.
Von
Dr. Karl Storck.
Die erste Hälfte der Musiksaison ist zu Ende, eifrigem Streben, gutem Willen; wie unendlich
^ bedeutet an dreihundert Konzerte. Was steckt sind die oft nüt grossen Opfern aufgebrachten
^^ für eine Fülle von Arbeit, schönem Können, Kosten — und wie gering ist schliesslich doch der
— 22 —
persönliche nnd der geistige und künstlerische Ge*
winn. Worauf soll denn schliesslich dieserganzeMosik-
betrieb hinans? Ichschreibe unter demEindrack eines
Briefes, den ich von einer durch und durch musi-
kalischen und menschlich gleich tüchtigen Dame
erhalten habe. Auch sie vermochte dem Moloch
der Oeffentlichkeit nicht zu widerstehen. Sie
hfilt es für notwendig, aus ihrem kleinen Land-
städtchen zu fliehen, um — ja nicht um in der Gross-
stadt wieder einmal grosse Musikwerke oder einige
ganz hervorragende Meister zu hören, sondern um
ein Konzert zu geben. Aufgeregt durch das un-
gewohnte Treiben, sogar kr&nkelnd, gibt sie ihr
Konzert, findet beim Publikum freundliche Auf-
nahme, während die Kritik ihr am nächsten Tag
nur wehe tut. Zu Unrecht zumeist; aber auch
ich, der ich mit besonderer Sympathie zuhörte und
dabei für echt musikalische Leistungen dankbar
war, hatte das Gefühl: das ist nicht für den
Konzertsaal; gern möchte ich ihr im Freundes-
kreise stundenlang zuhören; gern würde ich ihir
mein Kind zum Unterricht anvertrauen, denn ich
wüsste, dass es zu innerlicher Kunstauffassung
erzogen würde.
Ist eine solche Meinung nun wirklich eine
Ursache, traurig zu werden, darf durch ein solches
Wort gerade jener sich getroffen fühlen, dem die
Kunst innig mit dem Leben verwachsen ist, der
nur durch sie mit dem Leben zusammenhängt?
Nein, und tausendmal nein! £s ist der verhäng-
nisvollste Irrtum unseres heutigen Musiklei>ens,
dass es so nach öffentlicher Mitteilung strebt. Wir
alle wissen, dass vor fünfzig bis hundert Jahren
die wahre Musikkultur viel höher stand als heute.
Wie wenige haben damals das Bedürfnis gefühlt,
Konzerte zu geben? Es genügte ihnen vollauf,
wenn sie im Kreise der Freunde — es lebte da*
mala noch die deutsche „Geselligkeit" und die
y,Gtesellschaft** wirkte als Schreckgespenst — , im
Hause und für sich musikalisch wirkten. Dadurch
hängt man aufs innigste mit der Kunst zusammen,
dadurch lebt man in ihr, nicht durch das Vor-
spielen. Alles Konzertspiel, auch das beste, ent-
sjpricht dem Schauspielertum der Bühne. Es ist
gewiss eine schöne Aufgabe, dem Volke, der
Oeffentlichkeit eine der gewaltigen Gestaltungen
der Phantasie unserer grössten Dichter zu ver-
körpern. Aber wie selten sind die Matkowski's,
die selber geniale, d. i. schöpferische, Naturen
selber schaffen und nicht bloss — nachschaffen ist
ein schlechtes Wort, da es dem innersten Schöpfer-
wesen widerspricht — nachbilden. Und auch dann
noch. Welcher Literaturfreund hat seine stärksten
und tiefsten Eindrücke im Theater empfangen?
Und wenn ja, wer dankte sie dem vermittelnden
Schauspieler und nicht dem Dichter? Zumeist er-
weist doch die Darstellung nur das Unzalängliche
alles Nachbildens gegenüber der Urschöpfung der
Phantasie. Was hier urgewaltig und riesenhaft ist,
wird zum Durchschnittsmenschentum herabgezogen.
Ich gebe zu, dass die Stellung des Kach-
bildners bei der Musik eine höhere ist, weil die
Musik erst im Erklingen lebendig wird, dieses Er-
klingen aber durch den Spieler bewerkstelligt -wird.
Aber wie viel wird im Konzertsaal zum Klingen
gebracht, wo sich der Komponist die Stube ala
Besonanzboden dachte? Alle Intimität gelit im
Konzertsaal fast immer verloren. Dem entsprechend
wirken auch die intimen Spieler hier fast nie,
sondern die nach aussen Spielenden. Die Wirkung
im Konzertsaal ist darum keineswegs ein sicherer
Gradmesser für das musikalische Können oder
Empfinden, sondern nur für die Vortragskunst des-
Spielenden. Nehmen wir nochmals ein Beispiel
aus der Literatur. Es wird wohl niemand der
Selbstverständlichkeit widersprechen, dass keiner
eine Dichtung besser versteht, als ihr Dichter.
Ich kann auch versichern, nie stärkere dramatische
Eindrücke empfangen zu haben, als wenn ein
Dichter sein vollendetes Werk auf stiller Stube im
engen Kreise verstehender Freunde vorlas. Wie
ganz anders in der Oeffentlichkeit. Die wenigen
Dichter, die die Wirkung ihrer Werke durch den
eigenen Vortrag nicht beeinträchtigen, sind an den
Fingern aufzuzählen. Man ersieht daraus, dass die
Wirkung in der Oeffentlichkeit oft auf ganit
anderen Ursachen beruht, als auf den im höchsten
Sinn künstlerischen.
Das Alles führe ich hier nur aus, um etwaa
zu belegen, was sich jeder selber sagen müsste,
was sich heute leider fast nie ein Musiker sagt,,
nämlich, dass es nur Wenige sind, und dass diese
Wenigen durchaus nicht die Beeten zu sein
brauchen, deren Wirkungsfeld gerade der Konzert-
saal ist. In der Musik treten die Unterschiede
nicht so schroff hervor, wie auf anderen Gebieten,
aber vorhanden sind sie in gleichem Masse. Ich
leugne dabei nicht, dass eine durchaus intime Natur
schliesslich auch äusseren Erfolg haben kann. Ich
bin z. B. darauf gefasst, dass Konrad Ansorge noch-
mals in Mode kommt. Aber was beweist das, ausser
dass die Mode eben auch hier allmächtig ist
Zur UeberfOllung der Konzerte — gleichzeitig'
zur Entleerung der Konzertsäle — tragen dann
auch viele jener Konsertgeber bei, die selber fühlen,
dass ihr eigentliches Gebiet das Unterrichten ist.
Sie wollen dann durch ihr Konzert eigentlich nur
ein Urteil der Oeffentlichkeit, genauer kritische
Stimmen haben. Ich meine, es läge dann nicht
nur im eigenen Interesse, sondern auch um der
Kritik den richtigen Massstab zu geben, wenn
diese Konzertgeber das auf irgend eine Weise mit-
teilten. Mancher Künstler gefällt uns trotz oder
vielleicht Infolge einer temperamentvollen Eigen-
willigkeit. Ich würde einen solchen niemals als
Pädagogen empfehlen, oder doch höchstens für
starke Naturen. Der Fall liegt ebenso oft um-
gekehrt. Wenn man es freilich erst als Schande
auffasst, dass einem gesagt wird: „Du bist ein
ausgezeichneter Erzieher, aber kein packender Vor-
— 23 —
Spieler/ — dann ist es Übel um unsere Entwicklang
bestellt. In diesem Tempel herrscht Rnhmgier,
Geldsncht oder Aensserlichkeit, aber nicht die
Kanst. Der echte Priester verlangt nicht nach
dem prunkenden Ornat des Öffentlichen Ktüt-
tifigers, sondern fühlt sich am wohlsten im un-
scheinbaren Gewand des Seelsorgers.
So nun wenigstens einige Namen, natürlich
mehr solche, deren Tri&ger eben Konzertoaturen
sind. Bei den Geigern scheinen sie mir am
häufigsten, verhältnismfissig selten bei den Klavier-
spielern. Und das ist nur die natürliche Polge der
Tatsache, dass das Klavier durchaus Instrument
der Intimität ist
Ich spreche nur von den jüngeren Erschei-
nungen. Die Charakteristik der Beisenauer,
Godowsky, Lütschg, Ansorge, La-
m o n d hier immer wieder zu erneuem, hat keinen
Zweck. Da ist vor allen Jolanda Merö zu
nennen. Das ist echtes Virtuosenblut im echten
Sinne des Wortes. Schäumendes Temperament,
bei dem man selbst eine gelegentliche Masslosig-
keit nicht bloss verzeiht, ;3ondem liebt, — über-
haupt eine YoUnatur, die nach aussen drängt.
Hedwig Meyer aus Köln hat den wuchtigen
Zug des Stils der Garenno, desgleichen Marie
Gesellschap. Mehr weiblich Virtuosenhaft
wirkten £rna Klein und Margarete
Enssert. Dr. Otto Neitzel war geistreich
and interessant wie immer. In ihm mischt sich
etwas vom französischen Causeur und vom. deut-
schen Professor. John Petrie Duhn ist
durchaus lebhaft, aber überzeugend. — Bei den
Qeigem scheint mir die fast unbeachtet gebliebene
Amölie Heller, die in einem Konzert von
Emmy Lange -Aranyi mitwirkte, die Palme
zu verdienen. Sie braucht bloss einen so ge-
schickten Impresario, wie der kleine Vecsey, um
dieselben Erfolge zu gewinnen. Vielversprechend
ist Joachim's Schülerin Erna Schulz, die jetzt
noch zu sehr Schülerin ist. Doch man muss Ja
erst G^eseUe sein, bevor man Meister wird.
Eugenie Argiewicz ist eine ausgesprochene
Virtuosennatur, wie der vorzügliche Moriz
Hartmann. Ein bedeutender Musiker ist
Alexander Sebald, der das riesige unter-
nehmen, sämtliche Solosonaten für Violine von
J. S. Bach und die Solocapricen Paganini's vorzu-
führen, in einer Weise erledigte, die die volle Be-
wunderung verdient.
Unter den jüngeren Sängerinnen gehören
Marie Seret und Julia Gulp zu den grossen
Hoffnungen. Hedwig Hartmann hat eine
beneidenswert schöne Stimme. Bei Olga Lenk,
Aiida Oldenboom, Karin Lindholm
dachte ich immer: wie schön wäre das Bild, wenn
es in kleinerem Kahmen stände. — Therese
Behr sollte sich für längere Zeit schonen.
LudwigWüllner singt jetzt vor ausverkaufter
Philhannonie. Lilli Lehmann tut es noch.
Das sind zwei denkbar grosse Gegensätze; beide
bedürfen aber der Oeffentlichkeit zur stärksten
Wirkung. WüUner war erst Dozent, dann Schau-
spieler, die Lehmann Bühnensängerin. Hier offen-
bart sich etwas von dem, was ich oben gesagt
habe. Für Ottilie Metzger reicht die Oeffent-
liclikeit des Konzertsaales noch nicht einmal aus.
Sie schreit nach dem Theater.
Mitteilnngen
von HoohBohnlen u
Unter den Aufführungen, welche die K ö n i g -
liehe Musikschule zu Würzburg ver-
anstaltet, brachte die dritte Philipp Wolfrum's
«Weihnachtsmysterium* bei verdunkeltem Kon-
aEertsaal Den Chor bildeten 200 Gesangskräfte,
das Orchester 68 Instrumentalkräfte. Solisten waren
Hr. Robert Kaufmann und die Damen
Harie Henke, Paula Bauer und Ciaire
La Porte-Stolzenberg.
In die Musikakademie Zürich,
Direktor Gottfried Angerer, ist Herr Prof.
Michael Drucker aus Wien als Lehrer für
Violine und Klavier eingetreten. Drucker ist
^üler von Sevcik und hat bei Joachim
studiert, üeber seine solistische Leistungsfähig-
nd KonservatoriezL
kelt als Violinvirtuose liegen hervorragende Zeug-
nisse v<Nr; in Wien war er eine gesuchte pädago-
gische Kraft.
Das hiesige Elsmann*Bche Konser-
vatorium für Musik, welches von Professor
Ernst £lsm an n geleitet wird, feiert am 17. Januar
die Feier seines ^jährigen Bestehens durch ein
Konzert in der Sing- Akademie. Die Ausftlhrenden
sind Schüler der Anstalt, die Orchesterklasse des
Konservatoriums und der Elsmann'sche Chor.
Frl. Meta Lippold, die bisher als Hilfs-
lehrerin für G^esang an der Königl« Hoch-
tchule zu Berlin wirkte, ist zur voll-
beschäftigten ordentlichen Gesanglehrerin an diesem
Institut ernannt worden.
Vermischte Nachrichten.
^ bisher unbekanntes Bildnis von Joh.
Seb. Bach ist vor kurzem in Mainz auf-
gefunden worden,
in Mainz hat <
Hr. Prof. Dr. FritzVolbach
8 erworben und stellt Nach-
— 24 —
forechongen nach dem bisher noch nicht er-
mittelten Verfertiger des Original-Oelgem&ldee an.
Es stellt den Altmeister im Anfang der sechsziger
Jahre vor und gehört nnbeetreitbar zu den yor-
züglichsten aller bekannten Bach-Porträts. Ans
diesen Zügen leuchtet der gewaltige Geist onddie
kühne Energie des Schöpfers der Hathäns^Passion
nnd der Hohen Messe. Man vermutet, dass es das
verschollene .Erfurter** Bach-Bildnis ist.
Kornel Abranyi, der ungarische Komponist
und MusikschriftsteUer, ist am 20. Dezember in
Budapest gestorben. Abranyi, der 1822 ge-
boren wurde, hat sich als Komponist auf ver-
schiedenen Gebieten mit Erfolg betätigt, ohne in-
dessen über die Grenzen seines Vaterlandes hinaus
sonderlich bekannt geworden zu sein. Die Grün-
dung der Ungarischen Musikakademie
mit Franz Liszt'an der Spitze ist sein Werk,
ausserdem war er der Begründer der ersten
ungarischen Musikzeitung, für die er dann
selbst zahlreiche schriftstellerische Beiträge lieferte.
1875 wurde er zum Professor an der Landesmusik-
akademie in Pest ernannt.
Die Petri'scheKammermu8ik-Ver-
einigung in Dresden spielte in ihrem
letzten Konzerte Felix Dräseke*s neues
„Streichquintett** in F-dur sowohl als erste wie
auch als Schlussuummer des Programms.
Dazwischen stand nur Beethoven's Streichtrio in
G-dur. Die Kritik stellte fest, dass das Quintett
beim ersten Mal sehr gefiel, dass jedoch die von
den Künstlern mit unverminderter Frische und
Vollendung vorgetragene Wiederholung so stür-
mischen Beifall fand, dass der anwesende Kom-
ponist wiederholt danken musste.
Herr Professor Bertrand Roth zu
Dresden hat mit dem 80. Vortrage in seinem
Mufiiksalon den 8. Teil seines Haydn-Mozart-
Beethove n-Zyklus beendet. Es kamen bisher
zur Aufführung: 82 Klaviersonaten von Beet-
hoven, 84 von Haydn, 18 von Mozart, dazu ein
Teil der Sonaten für Klavier und Violine, sowie
sämtliche vierhändige Originalkompositionen des-
selben Meisters, im Ganzen über 100 Werke in
grösserer Form. Die Vorführungen fanden vor
ausverkauftem Saale statt und reichster Beifall
wurde dem Konzertgeber und seinen Mitwirkenden,
Frls. Juanita Brockmann (Violine) und
Johanna Thamm (2. Klavier), gezollt.
Bertrand Both denkt im Herbst 1904 die
Vorträge in der Art weiterzuführen, dass die
Beethoven^schen Klaviersonaten wiederholt und
vonDuo's undTrio^s der drei Klassiker eingerahmt
werden. Eine so breit angelegte Wiedergabe
klassischer Meisterwerke ist wohl noch nicht da-
gewesen.
Das 93. und 94. .Historische Konzert** des
Bohn'schen Gesangvereins zu Breslau,
Leiter Professor E. B o h n , hatte wieder ungemein
fesselnde Programme. Das erste derselben lautete :
„Aus deutschen romantischen Opern*, es kamen
in dem Konzerte Bruchstttcke aus Opern von
E. T. A. Hoffmann, C. M. v. Weber, L. Spobr,
H. Marschner, P. J. v. Lindpaintner, K. Kreutzer
und C. G. Beissiger zur Auiführung. Das zweite
brachte „Weihnachtsgesänge** vom 16.— 19. Jahr-
hundert. Von älteren Meistern . waren danmter
vertreten: Palestrina, Job. Eccard, Michael Pra^
torius, J. W. Franck, C. H. Graun, von neueren:
Wilhelm Berger, Hector Berlioz, Peter Gomelius,
Emil Bohn, Hugo Wolf u. A.
In Braunschweig und Hannover haben Frl.
Minette We gm ann und Prof. Waldemar Meyer
in zwei Konzerten sämtliche Violin-Sonaten von
Beethoven mit ausserordentlich grossem kfinst-
lerischen Gelingen zur Aufführung gebracht.
In Graudenz soll am 2. und 8. Pfin^^
feieriage d. J. das erste Westpreussische
Musik fest abg^ehalten werden. Das Programm
ist bereits festgestellt worden und lautet: I. Aka-
demische Festouvertüre von Brahms, Festrede
des Oberbürgermeisters, die „Jahreszeiten" von
Haydn; II. Ouvertüre zu „Figaros Hochzeit**,
Solistenvorträge, „Siegfried-IdylP und 9. Sinfonie
mit Schlusschor. Die Leitung des Festee ist dem
Musikdirektor 0 bar in Thom übertragen worden.
Ueber einen wichtigen Fund alter Musikwerke
in der Lüneburger Stadtbibliothek berichtet
die Ostseezeitung: „In der Lüneburger Stadt-
bibliothek ist kürzlich ein für die Geschichte der
Musik sehr wertvoller Fund gemacht: mehrere
Sammlungen von handschriftlichen Orgel- und
Klavierstücken aus dem 17. Jahrhundert. Fast die
einzige Quelle für die Geschichte der älteren nord-
deutschen Orgel- und Ellaviermusik von Händel
und Bach war eine Sammlung von Musikalien,
die von Prof. Junghans vor 80 Jahren ebenfalls
auf der Lüneburger Stadtbibliothek gefunden ist
Weitzmann in seiner G^chichte des Klavierspiels
schreibt dieser Sammlxmg eine ähnliche Bedeutung
zu, wie dem Fitz-WÜliam-book der Engländer.
Indessen hat keiner der gelehrten Forscher auf
diesem Gebiete sich bisher die Mühe gegeben,
selbst in Lüneburg weiter zu suchen. Das hat
Jetzt Bich. Buchmayer inDresden getan.
Er hat in London Konzerte älterer deutscher
Musik gegeben, dadurch die Aufmerksamkeit des
jetzigen Premierministers Balfour auf sich ge-
lenkt und war von diesem hervorragenden Kenner
der Musik HändePs und Bach*s aufgefordert, ältere
deutsche Klavierwerke, besonders auch die von
Jakob Böhm, herauszugeben. Um über die
Lebensumstände dieses Komponisten (Organist zu
Lüneburg 1696— 1783)Nachforschungen anzustellen,
hat Buchmayer sich mehrere Tage in Lünebuig
aufgebalten und dort in der Stadtbiblicthek sechs
bisher vollständig unbekannte handschriftliche
Sammlungen von Orgel- und Klavierwerken in
Orgeltabulaturschrift entdeckt. Die Sammlungen
enthalten 550 verschiedene Kompositionen, etwa
— 26
von 16ä<0 an, und zwar nicht bloss geistliche Musik
— dttnmter viele PriUndien, die meistens auch die
dem Vorspiel folgenden Fugen enthalten — , sondern
auch etwa 60 weltliche Lieder (hoch- und nieder-
deutsche, französische, englische) und über 800
verschiedene T&nze, Paduanen, Galliarden, Volten,
Intraden (englische und türkische), Maskeraden,
Allemanden, Couranten (englische und französische),
Sarabanden, Judentanze, polnische Tänze, englische
Bauemtänze und in den jüngeren Sammlungen
Gavotten und Ballets. Alle diese Musikstücke
sind nnschfttzbar für die G^eschichte des Orgel-
und Klavierspiels, für unsere Kenntnis von der
Eatatehnng, Passung und Vorbereitung der Choral-
melodien, und besonders für die Geschichte des
Liedes, des Tanzes und der wechselseitigen inter-
nationalen Einflüsse. Von besonderem Werte sind
die in den Sammlungen enthaltenen Kompo-
sitionen von Mathias Weckmann, der in
Dresden, Kopenhagen und zuletzt in Hamburg
Organist und dort die treibende Kraft in dem
weitbertlhmten coUegium musicum bis an seinen
Tod 1674 war. Die Lüneburger Sammlungen ent-
halten eine grosse Zahl seiner "Werke, darunter im
Autograph die Partituren einer Anzahl lange ver-
geblich gesuchter Kantaten und eine vollständige
Matthäus-Passion. Andere Kompositionen für Ge-
sang stammen von Händel, Hieronymus
Prätorius, H. Grimm und von dem für die
Entwicklung der Musik bedeutenden Meister
Christian Eitter, königl. schwedischer
Kapellmeister im Anfang des 18. Jahrhunderts, der
auf Händel und Bach grossen Einfluss ausgeübt
hat. Buchmayer hat über diese Funde einen vor-
läufigen Bericht im Sonntagsblatt des Dresdener
Anzeigers gegeben und bereitet eingehendere
wissenschaftliche Aufeätze vor.
Bficber und Musikalien.
€. ▲. Hermann WollT: Die Elemente des
deutschen Kunstgesanges. Mit
einer Abhandlung: Anatomie und
Physiologie der Stimmorgane von Dr.
med. £. Pink.
Henuaa HMBftam lfMhft»lg«ry Leipilf.
Unter den mir bekannt gewordenen Schriften
ober Geeangspädagogik habe ich am häufigsten
zwei Gattungen vertreten gefunden. Schlechte
Stilistik ist das Hauptmerkmal der einen. Prima-
donnen und solche, die es gewesen, sind ge-
wöhnlich die Verfasserinnen der zu dieser Gattung
gehörigen Schriften. Zur zweiten Gattung zähle
ich die schwulstigen, wiBsensRshaftlich aufgeputzten
Schriften. In ihnen findet man die einfachsten
Gedanken möglichst umständlich, in eine FüUe von
Fachausdrucken, die den meisten Lesern unver-
standlich sind, eingepackt, ausgesprochen. Ausser
diesen am häufigsten vorkommenden Gattungen
habe ich noch eine dritte, selten vorkommende,
die die durch Klarheit des Stils ausgezeichneten
Schriften enthält, gefunden. Eine Gattung von
Schriften, in denen aUe Methoden, ausser der vom
Verfasser aufgestellten, nicht veiworfen oder gar
&ls gemeinschädlich bezeichnet sind, habe ich noch
nicht zusammenstellen können. Für diese Gattung
würde mir auch Wolff s, mit einem exdusorischen
Anstrich behaftete Schrift keinen Beitrag geben.
Abgesehen davon gehören Wolff 's „Elemente des
deutschen Kunstgesanges*^ in die Gattung der klar
stilisierten Schriften. In deutlicher, nicht misszu-
▼erstehender Weise präzisiert der Verfasser seine
liethode. Dass Wolffs Schrift ein in seiner Art
®"^ dastehendes Unterrichts werk der deutschen
^^ngskunst ist, wie der Verleger ankündigt,
^ann ich nicht finden, denn sie enthält in der
Hauptsache nur Bekanntes in neuer Form. Des
Verfassers Streben ist, intelligente, denkende Sänger
zu erziehen. Deshalb verlangt er, dass der Ge-
sangstudirende sich theoretische Kenntnisse an-
eigne, ein Verlangen, das nach meiner Erfahrung
zum Lehrberuf gezwungene, verunglückte Bühnen-
sänger und -Sängerinnen, weil sie selbst von
jeder Kultur ihres Ghehirns durch die Theorie der
Musik unberührt geblieben sind, nicht teilen. Her-
vorgehoben sei Wolffs richtige, grundlegende,
freilich nicht neue Forderung, dass der Deutsche
sich befleissigen müsse, die Art der italienischen
Tonbildung und Tongebung zu erlernen, und zwar
unter Anpassung an deutsche Laute, Silben und
Wörter. Li seiner Methode und ihrer von ihm
angepriesenen Verwendung für den Selbstunterricht
sieht der Verfasser eine Art Allhellmittel für solche,
deren Beruf rednerische oder gesangliche Lei-
stungen fordert. Für den Kirchenbesuch soll sie
sogar dafür von Vorteil sein, dass die durch sie
geschulten Pastoren sich eine Redekunst aneigneten,
die die Leute weit mehr, als bisher, anlocken
müsste. Für den mündlichen Unterricht des Lehrers
soll sie dem, der sich selbst nach ihr unterrichten
will, einen vollkommenen Ersatz bieten. Dem
mündlichen soll sogar der Selbstunterricht vorzu-
ziehen sein, weil der Schüler alle Erläuterungen
und Hegeln in ausführlicher Weise schriftlich
erhält und dieselben für alle Zelten aufbewahren,
nachschlagen und jederzeit nachlesen kann» wo-
gegen beim mündlichen Unterricht viele Erläute-
rungen, wenn (!) solche nur in knapper Form gegeben,
dem Schüler nicht verständlich erscheinen, auch oft
überhört oder vergessen werden. ** (Seite IX.) Flüchtig
gearbeitet ist der geschichtliche Rückblick auf die
Entwicklung der Gesangskunst in der Einleitung.
Kirchenkomposition, Kunstgesangsunterricht, Lied-
komposition sind durcheinandergeworfen. Kurz
26 —
nnd bündig fasst der Verfasser die Lebensarbeit
Johann Sebastian Bach's in die Worte: „Letzterer
(Bach) leistete im Kirchengesang Bedentendes*
zusammen. Diese Kürze nnd Bündigkeit erinnert
mich an eine von Ferdinand Pfohl ihrer Kuriosität
wegen mitgeteilte JNotiz in seinem Buche „Die
Nibelungen in Bayreuth/ „Morgen, Dienstag,
Vormittag halb neun Uhr, findet in der hiesigen
katholischen Pfarrkirche die gestiftete Jahresmesse
für den verlebten (!) Kanonikus und Komponisten
Herrn Abbö Dr. E. Liszt statt.' Für das weltum-
spannende Wirken des im Bayreuther Blatte immer-
hin noch vierfach betitelten Liszt und des grössten
Meisters auf dem Gebiete evangelischer Kirchen-
musik lässt sich kaum eine geringfügigere Be-
zeichnung, als die in den beiden Sätzen enthaltene,
finden! Glegen eine Unterlassung des Ver&ssers
muss ich Einspruch erheben. Seite 2 schreibt er:
„Man verfolge die grossen Besultate unserer
deutschen, teilweise weltberühmten Männergesang-
vereine in Köln, Wien, Dresden, Hannover, Ham-
burg, Bremen, Magdeburg u. s. w.' Warum
unterlässt eres, Berlin's nicht minder „weltberühmte**
Männer-Gesangvereine, als die genannten, „Lehrer-
bund** und „Liedertafel^ zu nennen. Beruht seine
Unterlassung auf Unkenntnis, Vergesslichkeit oder
absichtlichem Verschweigen? — Wolffs Werk „Die
Elemente des deutschen Knnstgesanges' besteht
aus einem theoretischen und erläuternden und
einem gesanglichen Teile. Beide Teile sind in
Lieferungen erschienen; vom ersten Teile liegen
mir fünf, vom zweiten zwei vor.
Benno Haruntz,
Jab Brandts Bays: (Quintett (D-dur) fürElöte,
zwei Violinen, Viola und
Violoncello.
Laiwiff D*bllBSw, Wlmi.
Das vorliegende Quintett für Flöte nnd Streich-
instrumente von Jan Brandts Buys ist Programm-
und Weihnachtsmusik zugleich, denn jedem seiner
vier Sätze liegen Teztstellen des Lukas-Evangeliums
zu Grunde. „Und es waren Hirten auf dem
Felde etc.** ist der erste Satz überschrieben, ein
Pastorale in zarter, durchsichtiger Tongebung
freundlich innigen Charakters und warmer melo-
discher Durchführung. Wesentlich gehobener und
freundlich erwartender Stimmung voll ist der
folgende Satz („Und siehe, diesen erschien ein
Engel des Herrn; ein göttlicher Lichtstrahl um-
leuchtete sie **), worin ein in leichten Achtelfiguren
zierlich auf- und ablaufendes Thema, von leisen
Rufen des Violoncellos in hoher Lage assistiert,
die poetische Situation schildert und die Primgeige
ein Motiv im Flageolett bringt und das Ganze in
eigentümlichen Tonschimmer taucht. Gleichfalls
charakteristisch ist die Stimmung des langsamen
Satzes („und es kamen die Weisen aus dem Morgen-
lande, um das Kindlein anzubeten'^) getroffen; hier
wird der Choral des Streichquartetts von den
Figuren und Verzierungen der Flöte arabeskenartig-
umschlungen und ausgeschmückt. Das über dem
Text .siehe, ich verkündige Euch grosse Freude" etc.
komponierte Finale ist voll von fröhlichem Hieben
und schöner, freudig erregter Steigerungen und
beutet die dichterische Vorlage auib (Geschickteste
und Nachgiebigste aus. Ich halte das Ganze für
einen ungemein glücklichen Gedanken und em-
pfehle Jan Brandts Bnys' Komposition als einen
in jeder Hinsicht, als in Erfindung, Stimmang,
(s^edankeninhalt und musikalischer Einkleidung
trefflichen Wurf sehr angelegentlich« Die Partitor
ist ausserordentlich sauber durchgearbeitet, die
Klangwirkungen vorzüglich und von kenntnis-
reicher Behandlung aller beteiligten Faktoren
zeugend und die Ausführung des Ganzen nach
tonpoetischer wie praktischer Seite bestens ge-
lungen. Auch die zugleich erschienene Bearbeitung
des vierhi&ndigen Klavierauszuges ist lobenswert^
hingegen ist die Vorführung des Quintetts in
seiner Originalgestalt bei Weitem vorzuziehen, da
gerade die Ausführung des Werkes durch Flöte
und Streichquartett erst den vollen und schönen
Klangzauber entfaltet, der einen nicht geringen
Reiz der fein empfundenen liebenswürdigen Kom-
position ausmacht.
Jnliis Klengel: Technische Studien für
Violoncello.
Brellkopf * Hirlel, Lei»Bl«.
An technischen Studien für Violoncello herrscht
kein Mangel; aber es ist von grossem Interesse, zu
sehen, wie ein so hervorragender Meister wie
Julius Klengel ihnen beikommt. Der Hauptwert
und die Originalität der hier angezeigten Studien
beruht auf dem Prinzip, sämtliches technisches
Material, also Tonleitern, Dreiklangsformen und
gebrochene Terzen, in allen Tonarten zu bringen
und zu verwenden. Vorzugsweise wendet sich der
berühmte Verfasser, dem eine beinahe dreissig-
Jährige Erfahrung" zur Seite steht, zu der künst-
lerischen Behandlung der Tonleiter, als einer der
wichtigsten imd zugleich schwierigsten Disziplinen
des gesamten Unterrichtsstoffes. Hinsichtlich der
Behandlung von Bogen- nnd Fingertechnik geht
Julius Klengel seine eigenen Wege, aber man muss
ihm hierin ohne weiteres die Berechtigung seiner
tieldurchdachten pädagogischen Anschauungsweise
zuerkennen. So erscheint die Veröffentlichung der
Klengel'schen „Technischen Studien'' als höchst
lobenswertes Unternehmen, welchem aUseitige Be-
achtung herzJlch zu wünschen ist.
Jillos Klengel: Kadenz undSchlusszum
Violoncell-Konzert op. 3B
von Robert Volkmann.
BrellkOf f * Birtel« Lelpilff«
Mit Obigem bietet der ausgezeichnete Meister
Julius Klengel eine höchst empfehlenswerte,
künstlerisch fein empfundene und technisch sehr
27 —
scliwierige, aber ungemein dankbare Kadenz nebst
SchlasB des bekannten und gern zum öffentlichen
Vortrag gebrachten Violoncell-Konzertes von Robert
Volkxnann. Die Komposition gibt wiederum voll-
giltiges Zeugnis von J. KlengePs umfassenden
Kenntnissen für die, seinem Instrumente inne-
wohnenden Klangwirkungen und schlieest sich
inhaltlich an Volkmanns Werk an. Die Kadenz
ist aach in der Aasgabe für Violoncello und
Fianoforte erschienen und wird sich ohne allen
Zweifel sehr bald in den Konzertsälen verdienter-
massen einbürgern.
Eugen Segnitz.
Edmvnd Parlow, op.69. „Bunte Blättchen*^
6 leichte Klavierstücke.
Badolf TasMery Lelptlf.
Beizende Vortragsstückcneu für die Jugend,
melodiös und klangvoll, voll fröhlichen Lebens und
in einem für diese Stufe vortrefflichen Klaviersatz
abgefasst. Das Heftchen enthält ein sinniges
„Abendlied", zwei muntere, launige Sätze „Neckerei^'
und „Kobold", ein durch seine anschmiegende
Melodie besonders niedliches „Schmeichelkätzchen**
und die beiden hübsch und charakteristisch er-
fundenen ,In der Schmiede" und „Im Kabn". An
den Stücken werden Lehrer und Schüler gleiche
Freude haben. Anna Morach.
Melnangs-Anstauscb.
Erst kürzlich kam mir Herrn Söchting's
gegen mich gerichteter Angriffs- Artikel, meine
Abhandlung über „Tonbildung und Technik auf
dem Klavier" betreffend, zu Gesicht, sonst hätte
ich schon früher einige Zeilen der Erwiderung
geschrieben.
Herr Söchting versucht mich lächerlich zu
machen und zeiht mich der Undankbarkeit gegen-
über meinem Lehrer Ludwig Deppe. Es
scheint mir nicht gerecht, auf sachliche Erörte-
rungen mit persönlichen Angriffen zu antworten
ond die sacnliche Diskutierbarkeit meiner Dar-
legungen einfach von der Hand zu weisen.
Das Problem der Klavier-Technik ist noch
nicht so klargelegt, dass ernste und auf Jahre-
langen Studien beruhende Mitarbeit an ihm einfach
mit Spott abgetan werden dürfte. Ich kann Herrn
Söchting versichern, dass ich mit meinen Anschau-
ungen über dieses Problem durchaus nicht allein
stehe. Aber gleichgiltig, ob das, was ich behaupte,
oder ein Teil davon auf richtigen Voraussetzungen
beruht oder nicht, — meine Arbeit war ein Ver-
such, der Wahrheit näher zu kommen, die sich im
üebrigen weder völlig in meinem noch meines
Herrn Angreifers Besitz befinden dürfte!
Eine Verständigung mit ihm scheint mir aus-
geschlossen, so lange er nicht viel mehr gegen
mich vorzubringen hat, als persönliche Angriffe
und ironische Fragen, Dinge, die nur hemmen,
niemals aber fördern, worauf es doch vor Allem
ankommt, und solange er von der Voraussetzung
ausgeht: Unsere Vorfahren haben bereits alle
Arbeit getan, lasst uns r^iig von dem Kapital, das
sie uns hinterliessen, weiterzehren.
Was nun meine vermeintliche Undankbarkeit
gegen meinen Lehrer Ludwig Deppe betrifft,
dessen Schülerin ich 12 Jahre lang gewesen bin,
so widerstrebte es mir — gerade, weil ich sein
Andenken hoch halte — , mich in dem Augenblick
auf ihn zu berufen, wo ich öffentlich den einzigen
Punkt besprechen und vertreten wollte, in dem ich
heute nicht mehr ganz mit ihm übereinstimmen
kann, nämlich dem technischen Wege zu seinen
Zielen.
Ich hoffe, binnen kurzem auch mein Scherflein
zu Ludwig Deppe's Andenken beizusteuern, viel-
leicht wird Herr Söchting dann mehr mit mir ein-
verstanden sein.
Tony Bandmann,
Vereine.
Mvsikpftdagogischer Terband.
Nach Versendung der gedruckten „Verhand-
lungen", welche über den Verlauf des ersten „liusik-
p&daeog^hen Kongresses" Bericht erstatteten, trat
der Vorstand wieder an die weiteren Arbeiten heran.
In der ersten Sitzung wurden zunächst die
Aemter im Vorstand verteilt. Das Resultat war:
1. Vorsitzender: Prof. Xaver Scharwenka,
2. Prof. Gustav Holländer.
1. Schrirtführer: Prl. Anna Morsch,
2. „ Direktor Carl Nürnberg,
1. Kassierer: Direktor Erit2 Masbach,
2. „ Direktor Gustav Lazarus.
Die übrigen Mitglieder des Vorstandes ver-
pflichteten sich zu reger Teilnahme sowohl an den
utofenden Geschäften des Verbandes, als auch an
den stets neu herantretenden Aufgaben.
Eine der wichti^ten, zugleich auch mühe-
vollsten wird die Sicmtung des reichhaltigen Ma-
terials sein, welches zu den auf dem Kongress offen
gebliebenen Fragen über die „Prüfungsord-
nangM^ die „Prüfungskommissionen** und
^CnVerbandsstatuten** eingesendet ist. Es
war mit bewusster Absicht und Ueberlegung ge-
schehen, diese drei Kernfragen noch nicht auf dem
ersten Kongress durch Abstimmung zu erledigen,
es galt die Wünsche und Meinungen der vielen
Ferngebliebenen zu hören, die ihre Sympathien zu
den Bestrebungen der Kommission ausgesprochen,
aber der ongünstigen Zeit wegen am Kommen ver-
hindert waren. —
In der letzten Sitzung wurden drei Kom-
missionen zur Durcharbeitung des Materials erwählt,
die sofort mit den Arbeiten der Sichtung beginnen
werden. Vom Vorstand wurden noch einmal Mahn-
worte an die gesandt, welche ihre Meinung noch
nicht geäussert haben, es ist dringend erwünscht,
dass es so rasch wie möglich geschieht, damit sie
nicht nach erfolgtem Abschluss eintreffen.
Bezüglich der Statuten ist bereits ein Ent-
schluss gefasst, um mannigfachen, dringend aus-
gesprochenen Wünschen um baldige feste Konsti-
tuierung Bechnung zu tragen. Auf Grundlage des
von Herrn Musikdirektor Mengewein ausge-
arbeiteten, provisorischen Statutes, der bereits ge-
druckten Zusätze und der für sie eingereichten
— 28 —
schriftlichen Vorschläge, sollen die Satzangen jetzt
ansRearbeitet und einer vom Vorstand einzabein-
fenden aasseror den tlichenGeneral- Versamm-
ln ng zar endgültigen Fe^tBetzang vorgelegt werden.
Da Meinnngsänsserangen zu der gedruckten Vorlage
erbeten nnd auch vielfach ausgesprochen wurden,
so darf der Vorstand hoffen^ der einzuberufenden
ausserordentlichen General- Versammlung ein aller-
seits befriedigendes Statut vorlegen zu können.
Immerhin ist es Jetzt noch Zeit, ehe an die Aus-
arbeitung herangetreten wird, schriftliche Wünsche
und Vorschläge einzureichen.
In der letzten Sitzung wurde auch lebhaft über
die Aufstellung von Lehrplänen diskutiert.
Die Meinungen über die Notwendigkeit von Lehr-
plänen waren geteilt^a aber besonders von ausser-
nalb wiederholt der Wunsch danach ausgesprochen
wurde, so einigte man sich darüber, dass eine Kom-
mission von Berliner und auswärtigen Pädagogen
mit der Ausarbeitung betraut werden solle. Es
wurden gewählt: Prof. Xaver Scharwenka,
Musikdirektor Mengewein und Frl. Maria
Leo, desgl. sollen auswärtige Mitglieder, welche
sich zur Mitarbeit schon frtlher zur Disposition
gesteUt, zum Beitritt in die Konmiission aufge-
foidert werden. Es sind zwei- Lehrpläne in Aus-
sicht genommen, einer für Elementar- und Mittel-
klassen, der besonders das praktische Material be-
rücksichtigt, um jungen, unerfahrenen Lehrkräften
als Ratgeber zu dienen, ein zweiter für die semi-
nariBtische Ausbildung, und dieser mit besonderer
Betonung der wissenschaftlichen Disziplinen und
Verteilung des Stoffes auf die drei Ausbildungs-
jahre. Selbstverständlich sind solche Lehrpläne
nur als Wegweiser gedacht, sollen aber nie
einen Zwang ausüben.
Wir können mit Genugtuung konstatieren, dass
die Teilnahme an den Beformbestrebongen des
Verbandes eine sehr rege ist; zahlreiche Meldan^^en
zum Eintritt in unsere Vereinigung sind seit dem
Konffress eingegangen, ebenso wurden dem Vor-
stand vielfache Wünsche unterbreitet^ Vorsd&lä^^
ZQ Verbesserungen gemacht, Anträge gestellt n. s iv.
Wir werden nach allen Bichtungen bemüht sein,
diesen Wünscben Rechnung zu tragen und wieder-
holen nur stets, dass Jede Meinunc^ussemng, Jeder
Vorschlag, auch wenn er im Widerspruch mit im-
serem Programm steht, mit gleicher SachlichlLeit
und Würdigung zur Beratung kommt, — nur durch
Klarlegung aller lokalen Verhältnisse, aller Män^^l
und Schäden ist es möglich, auf Abhilfe zu sinAen
und an Reformen heranzutreten.
Aus den alle Monat stattfindenden Vorstands-
Sitzungen errcheinen jetzt regelmässig fortlaufende
Berichte in unserem Vereinsorgan.
Der Vorstand.
L A.
Xaver Scharwenka.
Der Musiklehrerinnen -Verein von Mähren
und Schlesien zu Brunn sendet uns seinen zweiten
Jatiresbericlit, und es ist erfreulich, die Fortschritte
zu lesen, die diese mit grossen Schwierigkeiten
kämpfende Junge Vereinigung bereits emdcbt hat.
Die Mitgliederzahl ist in enreulicher Steigerung^
begriffen, der Verein besitzt eine Bibliothek und
einen Lesezirkel; ein Pensions- und ein Kranken-
nnterstützungsfonds sind begründet und werden
durch zahlreiche unterstützende Mitglieder weiter
gefördert. Ein Konzert zu Gunsten des Pensions-
londs, von den Mitgliedern veranstaltet, brachte
eine Einnahme von über 1800 Mk. Ausser dir
General- und den Monatsversammlungen fanden
musikwissenschaftliche Vorträge und ünterhaltungs-
abende statt. Dem jungen rührigen Verein siud
weitere segenspendende Fortschritte zu wünschen.
Briefkasten«
Hrn. F. B. in A. Ein Leser des „Kl.-L.'' teilt
mir auf Ihre Anfrage mit, dass eine^Generalbasslehre
in Tabellenform^* von C. A. Laaser im Verlage
von Carl Merseburger, Leipzig, erschienen ist.
Anzeigen.
Konservatorium der Musik
in Kassel.
Gegr. 1895. Direktion: L Beyer. Gegr. 189B.
EhreuTOrsliz: B<>gienmg:t-Präudant tob Trotl nm Smls,
Onf Köalftdorff; Sxcellans Oeneralin tob ColOMky
Oborbürgermeisier Miller vl A.
Cnratoriniu: Pfarrer Baa«, Sohnldirektor Prof. Dr. Kram-
■aeker, Bankier PUafe» Juatiarath Seheffec o. A.
Lehrer: Die Damen: L. Beyer, Blaail-PSraler, Königl. Opern-
säDgerin, Gleeae-FakroBi, A. Taadlea. Die Herren:
A. Hartdes««B. KammerrirtnoB. Prot: Dr. USbel,
«•. Kaleteck, Kgi. Kammermnaiker. K. KietaaiaBB«
Kffl. Opemsttniter, W. Hoahaapft, Kgl.Kammermaeiker,
Bd. Bebailrft, K«I Kammermusiker, fl. HebBirkeaeb,
EgL Kammermuaiker n. A.
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übricen Oroheaterinstiimiente. Gesang, Harmonie-
nnd Kompositionslehre. Maaikgesohiebte. Italieniisch.
OrchestertpieL Qebörabung. linsikdiktat.
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Mittel- und BlementarUassen.
StatBlem sind kostenfrei sn betiehen durch die Sohriftlaitong
des KonserTatorloms Kassel. Wilhelmshöher Allee 4B.
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BERLIN W., Neue Wlnterfeidt8tras8e48.
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uotMln-Dreiden) von Juni bis einschl. September
M> M> 0e$aitd$unterricl)t.
I Herren und Damen vom L.ehrfach, sowie ausübende Kanstler, die Unterricht
I niomeo wollen, sind rebeten, event vorher schriftliche Klarlegung ihrer stimmlichen
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Redaktion: Anna Morsch
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V. Hauptteil.
Er enthält die Zusammenfassung der bis-
her vorgekommenen Themen und Motive.
Eine Gliederung dieses Hauptteils in eine An-
zahl Unterabteilungen ergibt sich insofern, als
diese Unterabteilungen sämtlich in die Haupt-
tonart Es-dur münden. Folgende Motive er-
fahren Umwandlungen. Motiv 2a (in ver-
änderter Rhythmisierung) erscheint in Ver-
bindung mit Id und la.
EUbl. Fi- 8^* AUegro animafo e brio9o.
Eine Anslegang
von
Bean« Horw^its. (Schloss.)
Forte gesteigert), 2) eine rhythmische und in-
strumentale neue Ausdrucksschattierung er-
halten, die folgendermassen lautet:
06.
Bc*. P .
Ör. Tr. I X
Motiv Ic hat 1) eine dynamische (zum
— 34 —
In dieser rhythmischen Ausdrucksschattie- tischen Gestaltung, in der Id embryonal ent-
rung, zutn Fortissimo gesteigert, beherrscht halten ist:
Motiv Ic eine der folgenden Unterabteilungen. Hofe- und Messingbläser,
8b erhält die imitatorische Behandlung:
^
Tenorp. J , = , ^' **: n
Bassp,
p wt poco
i
marcaio
t=^
ff
f^
ö
^
fe
«:
///
g*« ■
^^
:g=
*i
///
S<r. Z'^.
(S.ii» - rfr
m
y-h^Vnr
r t r "
^;rr r^-
7. JJ. W.
Das Thema des zweiten Hauptteils erklingt zu erwähnen:
Holzhl. - ^ £ ^
Dann ist noch la in dieser Verbindung
m
b. g:
^
^
^ ^
^
1ä. 2/<r Vh ßr, Bässe
=i?=
^
♦-#
<'— #
//^
^
äü
tf
^
r
*^
rhythmisch verändert. (Viertel statt Achtel.) und die milde Färbung des wilden Ibb:
ibb. Pk. Hr. Jr^ w^^'^^^.s^::::^ ^-^^ ^*Ji
gfeE^Jk^gg
%
^^-^
ia
pT^-^r'r^ 'f
Vc. Ol
Motiv Ic erhält abermals eine neue rhythmische
und dynamische Ausdrucksschattierung — -:
Id. ff Br.
{
^s^
Ic.
ff hriüanie
r TT VI. ^ tj-*«^
Mit dem Andante religioso (in Es-dur)
den in der Tiefe verhallenden Motiven 2a,
Vcl, u. Ch,
^=^=i
^
^
ptzz, pp.
3 b (umgestaltet)
C'dur
F-moll As'dur Es-dur
m^
^
^--
^—^4
j,^"i, j n m rn j^
und noch eine in Verbindung mit einer thema-
Fg, Pos. Vcl. a, {Hlzbl.'fort.
(HlzbL, Messingbl. darüber) und wiederum 2a,
in Es-dur, schliesst das Werk ab.
Aus der Art der Erfassung der poetischen
Ideen Victor Hugo's durch das musikalische
Sinnvermögen Liszt's ist die formelle An-
— 35 -
Ordnung der Komposition hervorgegangen und
als eine der besonderen Auffassung des Hugo-
sehen Gedichts durch Liszt entsprechende
Erscheinung zu erkennen. Für den, der diese
formale Anordnung verstehen gelernt hat, ist
sie so übersichtlich, wie die irgend eines
klassischen Symphoniesatzes. Meines Wissens
ist es noch gar nicht ausgesprochen worden,
dass Liszt im Grunde seines musikalischen
Wesens ein formalistisches Talent war. Schon
sein Virtuosentum verlangte, dass er auf
repräsentable Formen hielt. Von den ihm vor-
angegangenen Formtalenten unterschied sich
Liszt dadurch, dass er neue Formen erfand,
während jene vorhandene Formen durch ihre
eigenartigen musikalischen Gedanken in stets
wechselnder Beleuchtung zeigten oder zum
Werkzeug einer glatten, an der Oberfläche
des Empfindens haftenden Tonsprache machten.
Wie alle Formalisten hat Liszt seine typischen
Eigentümlichkeiten. In seiner Art anzufangen,
sich musikalisch in Positur zu setzen, seiner
Art zu schliessen, mit einer Stretta, in der
Süssigkeit seiner Cantilene sind z. B. gemein-
same Grundgestaltungen seiner Kompositionen
enthalten. Wie in einem klassischen Werke
der Tonkunst ist die Harmonik der drei Haupt-
themen auf die Grundtonart und deren nächste
verwandte Tonarten beschränkt. Nur in dem
Thema des zweiten Hauptteiles ist ein auch
bei den Klassikern vorkommendes lieber-
springen der überlieferten Tonalität durch die
Verwendung des Dreiklangs der erniedrigten
Septime — E-dur in Fis-dur — zu finden.
Die thematische Behandlung in der Berg-
symphonie ist so streng wie in einer „Fuga
obligata*". Mit dieser strengen Thematik ist
ein ununterbrochen fliessendes Melos ver-
bunden. Ja — es ist verschiedenen Herr-
schaften nicht zu helfen — die Bergsymphonie
enthält nur Melodie. Man suche die Takte,
in denen thematische Stoffe oder der melo-
dische Faden nicht vorhanden wäre! Im
Thema des zweiten Hauptteils in Fis-dur
finde ich allerdings mehr die Haltung des Er-
habenen, als das Erhabene selbst, ausgedrückt.
Victor Hugo's prunkvolle Rhetorik spiegelt
sich in der Liszt*schen Tonsprache als natür-
liche Ausdrucksform wieder. Ihr eignet auch
das leidenschaftliche Pathos Schiller*s; schliess-
lich löst sie auch das Schiller'sche Sehnen
nach einem in der Phantasie lebenden Zu-
stande vollkommenster Durchgeistigung aus.
Das Gegenstück zur ersten symphonischen
Dichtung, zur Bergsymphonie, ist die letzte,
die «Ideale** nach Schiller.
@ebep die l^egistep der loeoscbllcbei) S^lnyny^.
Von
Prof. Hans Schmitt.
Die Btftrkere oder schwächere Spannung der
Stimmbinder warde bisher von allen Physiologen
als Haaptursache von Höhe und Tiefe beim Singen
hiogestellt.
Schwingungen der Saiten in ihrer ganzen
Länge worden als Gmndtöne, als Töne der Bmst-
stimme bezeichnet. Teilschwingnngen, an Ali-
<)aot8tellen entstehend, bezeichnete man als Ober-
töne, als Töne der Kopfstimme.
Nebstbei wurde bemerkt, dass der KehlJcopf
Qnd das Gaumensegel bei höheren Tönen steigt,
^ass sich der Ton bei gleichbleibender Weite der
Stimmritze erhöht, wenn man stärker singt, und
^B«8 verschiedene Stellung des Kehlkopfes, der
Zange, des Gaumensegels, Kinnes und der Lippen,
aoch wohl Verschiedenheit der Vokale, sowie,
individuelle Beschaffenheit sämtlicher Singorgane
und Schailräume, schliesslich auch Temperatur-
^tergchiede, Mocli£kationen des Klanges hervor-
nifen. Dabei erklärten die £inen, dass die Stimm-
bänder den Zungen der Zungenpfeifen der Orgel
gleichen, und dass die Stimme eigentlich nichts
anderes sei, als ein Zungenpfeifeninstrument.
Andere Theoretiker dagegen vergleichen die
Stimmbänder mit den Saiten der Saiteninstrumente
und erklärten, dass die Stimme unter die Saiten-
instrumente gehöre.
Auch dass die Stimme einfach ein Orgel-
pfeifen instrument sei, ündet man ausgesprochen,
und endlich gibt es Theoretiker, welche meinen:
Genaues werde man wohl nie erfahren, weil die
Stimmorgane während des Singens innerlich nicht
beobachtet werden können.
Auch auf dem Hygienischen Kongress, der im
vorigen Jahre in Kassel abgehalten wurde, er-
klärte einer derB,edner, dass die Bätsei der mensch-
lichen Stimme noch nicht vollständig gelöst seien.
Wo liegt bei solcher Sachlage die Klarheit?
Wo liegt die Wahrheit?
Dass die Stimme ein Zungenpfeifeninstrument
sei, ist stark zu bezweifeln.
TJm ein Zungenpfeifeninsti-ument sein zu können
36 —
mit 4^X1 Stiininbändem als Zungen, dazu fehlt den
Stimmbändern zunächst Jede, auch die allerent-
femteste Aehnlichkeit. — Das wesentlichste Merk-
mal einer Zunge ist doch das, dass sie an drei
Seiten und unter der Spitze frei ist. Da die Stimm-
bänder nur auf einer einzigen Seite frei sind, so
fällt von vornherein jede Aehnlichkeit mit Zungen
weg. Ebensowenig gleichen die Stimmbänder den
Saiten der Saiteninstrumente.
Grundbedingung einer Saite ist doch die, dass
sie dünut lang, an beiden Enden gespannt, sonst
aber nach allen Richtungen zu freischwebend ist.
Ausserdem gibt keine Saite von der Kürze, wie
sie die Stimmbänder zeigen, so sonore, tiefe Töne,
wie wir sie von kräftigen Bassstimmen zu hören
bekommen.
Einen tieferen Ton aber als den der leeren
Saite, gibt keine Saite. Tiefer als ihr Grandton
kann die Saite nur klingen, wenn man sie herab-
stimmt.
Stimmt man aber kurze Saiten zu sehr herab,
dann werden sie klanglos, musikalisch unbrauchbar.
Es spricht also auch die Kürze der Stimm-
bänder gegen die Annahme, dass die Tonhöhe
hauptsächlich von den Stimmbändern herrühre.
Auch kurze Zungen geben keinen sonoren,
tiefen Ton, sie schnarren, haben keine Kraft und
lassen, je tiefer sie gestimmt werden, desto störender
Obertöne hören, was ja auch der Grund ist, dass
bisher keine guten Metallzungenklaviere gebaut
werden konnten, und weshalb die Harmonium-
fabrikanten die Zungentöne nicht so tief herunter-
ftihren, wie die tiefsten Töne des Klaviers, wohl
auch nicht so hoch hinauf, weil kurze Metall-
zungen in der höchsten Höhe schwer ansprechen
und widerlich quieken.
Wenn also die Stimmbänder keine Saiten
und keine Zungen sind, was sind sie? Woher
kommt Höhe und Tiefe der Stimme?
East scheint es, als ob die Physiologen der
Sache jetzt auf der Spur seien. Man könnte das
wenigstens aus der Abänderung des Namens
schliessen, dessen man sich in allerjüngster Zeit
bei der Erkrankung des deutschen' Kaisers bediente.
Man nannte da die Stinunbänder nicht mehr
Stimmbänder, sondern Stimmlippen.
Das wäre der richtige Name, Stimm lippen
und nicht Stimmbänder sollten die beiden Werk-
zeuge genannt werden! Mit Lippen haben sie
äusserlich und innerlich die grösste Aehnlichkeit.
Die Stimm lippen sind für den Sänger dasselbe, was
die Mundlippen für den Posaunisten sind.
Mit der Höhe und mit der Tiefe des Tones
haben sie gerade soviel, aber auch nicht mehr zu
tun, als die Lippen der Posaunisten.
Dieser zieht sie bei hohen Tönen ganz straff
auseinander, dadurch dringt nur eine dünne Luft-
scheibe in das Mundstück und schneidet sich in
die innere Luftsäule der Posaune wie ein Schwert
hinein, durchdringt in dieser Form das Instrument
und kommt hierauf ebenso, dann aber durch die
Länge des L:i8trumentes tiefer gestimmt, wieder
in die offene Luft. Der Ton wird in gleichem
Masse tiefer, als er sich verlängert, ungeföhr so,
wie sich ein Knäuel Zwirn beim Abwickeln ver-
längert. (Vielleicht liesse sich der ganze Vorgang'
sichtbar machen, wenn ein Baucher in eine Glas-
röhre durch ein Mundstück hineinblasen würde.)
Ebenso wie beim Posaunisten die Haltung-
der Lippen auf die Gestalt der ins Instrument
dringenden Luft bestimmend wirkt, ebenso wirkt
die Haltung der Stimmbänder des Sängers auf die
Entwicklung der Töne.
Will man tiefe Töne leichter hervorbringen ,
dann muss man die Stimmbänder locker halten,
will man dagegen hohe singen, dann muss mau
sie straff spannen und ebenfalls nur eine Luft-
scheibe durchlassen.
Jeder Ton fordert also auch da, ganz wie beim
Posaunisten, eine eigene Stellung der Stimmlippen
— aber — der hohe oder der tiefe Ton, das, was
den Ton hoch oder tief macht, das sind auch die
Stimmbänder nicht, angeblasen, erzeugen sie nur
den Anfang des Tones, sie sind das Mittel zu seiner
Entstehung, sie bestimmen wesentiich seinen Klang-
charakter — die Höhe und Tiefe entsteht erst später.
Wo steckt also dieTonhöhe bei der Stimme?
Suchen wir zuerst die verschiedene Höhe der
Brusttöne auf. Leichter als beim Sänger werden
wir sie beim Posaunisten finden. Bei dem steckt
die verschiedene Höhe der Grundtöne in der Weite
und in der Länge des Instrumentes.
Breite Bohren und Mundstücke der Posanne
geben tiefere Töne als enge, daher ist die Bass-
posaune tiefer als die Tenor- und die Altposanne.
Ebenso geben grössere Luftröhren, Kehlköpfe,
Es ist die Ueberzeugung des Verfassers, dass
die Form des Körpers, von welchem die Ton-
schwingxmg ausgeht, bei der Schailfortpflanzung
in der Luft unsichtbar beibehalten wird und in
der ursprünglichen Eorm an unser Ohr gelangt,
sodass man also gleichsam die Formen des Klang-
werkzeuges, welche man sieht, von unserem Ohr
hört. Denmach unterscheidet sich z. B. eine
klingende runde Metallplatte bei gleicher Tonhöhe
von einer viereckigen, und unterscheidet über-
haupt das Ohr jede noch so geringe Abänderung
der äusseren Form des Schallkörpers durch das
Gehör ebenso fein, als sie durch das Auge
wahrgenommen wird. Nur so erklärt es sich, dass
das Ohr bekannte Stimmen aus tausend fremden
ebenso sicher heraushört, als das Auge bekannte
Gesichter aus tausend fremden herau£&idet. Das
erklärt auch die unendliche Mannigfaltigkeit der
Stinunen, denn ebenso wie sich die äusseren Ge-
sichtsformen nie vollständig gleichen, ebenso
wechseln auch die inneren Formen der Stimmwerk-
zeuge und damit auch die Gestalt der klingenden
Luft. — Mit der Beibehaltung der Form des er-
klingenden Schallkörpers ist es bei den Lnftwellen
ähnlich wie bei den WasserweUen. Auch wenn
ein Nebenfiuss in einen andersgefärbten Hauptflnss
mündet, erkennen wir noch weit in den Hanpt-
fluss hinein die ursprüngliche Farbe und Breite
des Nebenflusses.
— 37 —
Stixnmbftnder nnd Mondliöhlen der Sänger tiefere
Töne; daher ist die Stimme beim Bassisten tiefer
als beim Tenor, Alt oder Sopran.
Wenn aber der Posaunist auf seiner Posaunen-
gattun^ tiefere Töne nehmen will, so zieht er das
Instrument atueinander. Je mehr er es ausein-
anderzieht, desto tiefer, und je mehr er es zu-
sammensteckt, desto höher wird der Ton. Die
Haltung der Lippen kommt jetzt sehr in Betracht,
wenn sie nicht mit der Länge des Instrumentes
übereinstimmt, so ^gl^ct^ ^^ Ton.
Was nun das Zugstück der Posaunisten ist,
das ist bei den Grundtönen, beim Brustregister des
Sängers, der Kehlkopf. Vom Heben und Senken
des Kehlkopfes hängt beim Brustregister das
Steigen und Fallen der Stimme ab.
Die Sache erklärt sich höchst einfach.
Je tiefer der Kehlkopf steht, desto länger ist
der Weg zum Mund und zur Nase, desto länger ist
also dann die Luftsäule und auch desto tiefer der
Ton. Auch da muss die Haltung der Stimmlippen
mit der Länge des Luftweges übereinstinmien,
sonst gixt auch bei der Stinmie der Ton. Dass
tiefes Hinabdrücken des Kehlkopfes schliesslich
den Magen belästigen und sogar üebelkeiten
hervorrufen kann, erfthrt jeder sofort, wenn er
langsam eine Skala noch tiefer hinunterzusingen
Ten acht, als seine Stimme reicht. Auch wird man
bei vollem Magen weniger Tiefe haben, als bei
leerem.
Die Bezeichnung „Brusttöne" ist höchst ge-
rechtfertigt Sieht man doch sogar bei mächtigen
Männern, wie die Brust vibriert; doch könnte das
Brostregister mit gleicher Berechtigung das Kehl-
kopfregister heissen.
Will man das Fallen des Kehlkopfes bei der
Bmststimme mit voller Deutlichkeit herausfühlen,
dann singe man eine Skala langsam hinunter und
markiere dabei jeden neuen Ton fest. Bei solcher
Ausführung fühlt man untrüglich, dass der Kehl-
kopf bei jedem neuen Ton, ruckweise, immer tiefer
nnd tiefer fällt Würde die Erweiterung der
Stimmritze die Hauptursache des Tonfalles sein,
dann müsste die Empfindung an derselben Stelle
bleiben. So aber fühlt man, wie gesagt, ganz
deutlich, dass der Kehlkopf t&llt und der Ton
seinen Ort mit dem Kehlkopf wechselt.
Damit glaube ich zunächst die hohen und
tiefen Töne des Brustregisters erklärt zu haben.
Das Steigen des Kehlkopfes und damit die
H5he des Brustregisters hat seine natürliche Grenze.
Endlich kann der Kelükopf nicht mehr höher
steigen, es klingen ja da schon die letzten Töne
S^presst, gequält, und ist es für die Gesundheit der
Stimme höchst gefährlich, wenn man den Kehl-
kopf zu andauernd und zu stark hinaufpresst.
Dennoch vermag der Sänger noch eine ganze
Beihe höherer Töne hervorzubringen.
Für diese Töne tritt ein neues Organ und mit
ihm ein neues System der Tonerhöhung auf. Dieses
Organ ist:
Das Gaumensegel.
Beim Kehlkopf entstand die Erhöhung oder
Vertiefung der Töne durch Verkürzung oder durch
Verlängerung des LaftwQges. Beim Gaumensegel
entsteht Höhe und Tiefe durch Einengung oder
Erweiterung des Weges.
Bei den Tönen der Bruststimme hängt das
Gaumensegel lose im Mund nach vom herunter.
Dadurch bleibt der Baum hinter dem 2iäpfchen
frei und bildet beim Brustregister eine direkte
Fortsetzung der Luftröhre und des Rachens, mit-
hin verlängert sich bei schlapper Haltung des
Gaumensegels das Brustregister, wodurch sich der
Luftweg für tiefe Töne erweitert
Zieht man aber das Gaumensegel hinauf und
nach rückwärts, so engt es den Banm hinter dem
Zäpfchen ein; daher steigen die Töne der Kopf-
stimme, je höher man das Gaumensegel hinaufzieht.
Diesen Vorgang kann man an sonnigen Tagen
mit der wünschenswertesten Deutlichkeit durch
das freie Aug^ beobachten. Stellt man sich so,
dass die Sonne in den Mund hineinscheint, und
singt man in dieser Stellung von* der Mitte der
Stimme hinauf recht langsam eine Skala, so
kann jeder, der in den Mund hineinsieht, bemerken,
wie das Zäpfchen anfangs lose herunterhängt, nach
und nach aber immer höher und höher steigt.
Forciert man das Steigen der Töne, so zwängt sich
das Gaumensegel zuletzt mit aller Ghewalt an das
Ende der Gaumendecke, und steht dann das Zäpf-
chen in dem weichen Gaumen heraus wie ein
Stift, den man in einen Kuchenteig steckt. (Nicht
jeder kann das Experiment ausführen, gerne bin
ich bereit, es an mir zu zeigen.)
Singt man die Skala hinauf, mit scharfer Be-
tonung jedes einzelnen Tones, so fühlt man jetzt
deutlich, wie nun das Gaumensegel bei jedem
neuen Ton ruckweis in die Höhe gezogen wird,
etwa so, wie wenn man einen durch Kingelchen
an eine Stange gehefteten Vorhang mittels einer
Schnur ruckweise hinaufziehen würde.
Also wieder ist es nicht die Stimmritze,
wo man die Ortsveränderungen des Tones wahr-
nimmt.
Beim Kopfton ist es also das Gaamensegel,
das sich am meisten umgestaltet.
(Schluss folgt.)
Stittimgeii ima aioblfakm-Beitrebuiigeii.
Frau Musikdirektor Julius Langenbach, tung in Bonn a. Rh., versendet nachstehenden
^«Begründerin der Julius Langenbach-Stif- Aufruf:
— 38 —
Als ich vor 9 Jahren onter Zagnuidlegnng
«Ines eigenen Vermächtnisses den Anfmf zur
Gründung eines Heimathanses für wenig bemittelte
Mnsikerwitwen, die der deutschen ünterstütznngs-
kasse in Berlin zngehören, und Mnsiklehrerinnen
aller Konfessionen erliesci, welches denselben
einen sorgenlosen Lebensabend bereiten
sollte, hatte ich auf eine allgemeine Betei-
ligung aller musikalischen Kreise gehofft, eine
Annahme, die allerdings eine irrige gewesen. Wenn
es mir dennoch gelang, in dieser verhältnismässig
kurzen Erist eine nennenswerte Summe, circa
170 (.CO Mk., zu schaffen, bedurfte es dazu aller-
dings unsäglicher Mühe und Arbeit, wie zähester
Ausdauer, zugleich aber auch der Hilfe einiger
treuer Mitarbeiterinnen, denen ich hier zugleich
für ihr selbstloses Wirken meinen wärmsten Dank
ausspreche.
Das Ziel ist erreicht, die Anstalt ist unter
Dach und wird I.Juli dem Betrieb übergeben und
zwar wird dieselbe auf schuldenfreiem Gkimd und
Boden schuldenfrei errichtet Der Bau wird ein-
fach, aber von vortrefflichstem Material hergestellt,
zugleich mit allen Einrichtungen der Neuzeit, wie
Zentralheizung, elektrischer Beleachtong, Linoleum-
fussböden etc. versehen. Derselbe enthält Giica
40 Zimmer, meist mit Schlaf kabinet, Musikzimmer,
Lesezimmer, mehrere Badezimmer, Speisesaal, wie
alle nötigen Nebenräumlichkeiten, Veranda, TerFasse^
und ist rings vonG-arten umgeben, welch letzterer
noch eine bedeutende Vergrösserung der Anstalt
durch Anbau ermöglicht; Die Lage des Ghrund-
Stücks ist eine der schönsten des Rheinlandes. —
Es handelt sich jetzt hauptsächlich um Stärkung
des Betriebskapitals, da von dessen Höhe die
Zahl der Aufzunehmenden abhängt, und so wende
ich mich abermals an alle Musikbeflissene, wie
Musikfreunde und bitte inständigst um ihren Bei-
tritt als ausserordentliche Mitglieder, der
schon mit 1 Mark per Jahr zu erlangen ist, oder,
wie schon oben bemerkt, um gütige Veranstaltung
von Konzerten, Schüleraufführungen, Sammlungen,
kurz Anwendung jedweder Mittel, welche dem
wohltätigen Werke Gelder zuführen und mit
grosser Freude und Dank entgegengenommen
werden.
Eiitisclie Rückschau
über Konsert and Oper.
Von
Dr. Karl Storck.
Ich möchte so gern einmal die ganze üeber-
schrift wahr machen und meine Rückschau auf die
Oper ausdehnen. Aber eigentlich ist es Kritik ge-
nug, dass ich bislang über die Tätigkeit unserer
zwei Opern schwelgen konnte. Auch jetzt liegt
gerade kein dringlicher Anlass vor, es sei denn,
dass es Pflicht des Kritikers ist, auch über Ver-
säumnisse Beschwerde zu führen. Die „Königliche
Oper" plaidiert natürlich für „mildernde Umstände'*,
da sie ja wegen Eeuersgefahr geschlossen wurde.
Dabei wurde bemerkt, dass dadurch leider eine
ganze Beihe bedeutsamer E<nstudierungen und
Novitäten auf unbestimmte Zelt verschoben sei.
„Die Botschaft hör' ich wohl, allein mir fehlt der
Glaube." Das heisst, ich glaube schon, dass dieses
Neue auf unbestimmte Zeit verschoben ist, nicht
aber, dass es ohne die Schliessung des Opernhauses
so schnell gekommen wäre. Schliesslich waren
immerhin fast vier Monate der Spielzeit verstrichen,
ohne dass wir grosse Taten gesehen, die eine Neu-
einstudierung der „Meistersinger^ abgerechnet. Ich
will gleich das Rühmenswerte des Weiteren vor-
weg nehmen. In der gesamten Verwaltung scheint
wieder der gute preussische Geist zu herrschen.
Der gute — Ordnung und Gerechtigkeit ; dass man
den bösen Billethandel und die arge Willkür in
der Zumessung der Ereiplätze abschafft und be-
kämpft, ist eine soziale Wohltat. Auf's engere
> Gablet führt die Berufung der Brüder
Kautzky als Theatermaler. Die Herren haben
ein ausgezeichnetes Gefühl für die Wirkung der
Farbe. Die Inscenierung selber ist bedeutend
lebendiger geworden, wird allerdings zuweilen zu
unruhig. Verbessert sind auch die Kostüme. Eine
schöne Tat war es femer, dass man die unwürdige
Form der Entlassung der Frau Sucher dadurch
wett machte, dass man dieser grossen Künstlerin,
der wir so manchen unvei^gesslichen Genuss zu
danken haben, nachträglich Gelegenheit zum Ab-
schied vom Publikum gab. Diese Sache ist keine
Personenfrage, sondern eine Kulturfrage, indem
sich in ihr die Achtung vor künstlerischer Arbeit
ausspricht und eine Abkehr von jener undeutscboD
industriellen Auffassung des „Arbeitsverhältnisses*
der Künstler, wie sie unter der „Aera Pieison*
immer gewohnter wurde.
Damit wäre aber auch das Gute erschöpft:, was
ich zu sagen weiss. Noch immer geschehen die
unglaublichsten Besetzungsfehler, und wenn man
einmal an gewöhnlichen kritikfreien Tagen zu
einer Vorstellung kommt, kann mui Schlinuaes
erleben. An Neuaufführungen hatten wir bislang
erst eine: Massenet's „Manon". Diese Wahl ist
böse. Massenet ist nie mehr gewesen, als einsehr
geschickter Könner, der jede Mode mit gutem Ge-
lingen mitmachte. Solche Leute sind nur geniess-
bar, so lange sie neu sind. Die „Manon" ist schon
zwanzig Jahre alt; jung ist sie Überhaupt nie ge-
— 39 —
wesen. Wir Deutsche können übrigens mit dieser
i^Heldin* nicht mitfühlen, die ohne Zwang und
innerea Drang immer dem grösseren Geldbeutel
nachläuft. Das Textbnch ist eine sehr schlechte
Eearbeitang des alten Bomans vom Abb^ Prövost,
den es der feinen Psychologie beraubt. Eine solche
Ausgrabung könnte allenfalls gerechtfertigt werden,
wenn man ganz besonders geeignete Darsteller
dafür hätte. Wir hatten nur einen, Pranz
Naval, als Gast. Aber diesem feinen Künstler ist
leider xmser Opernhaus zu gross. £r muss sich
bald übernehmen, und die Stimme steigt gleich die
Folgen davon. Die Titelrolle wurde von Präulein
Geraldine Parrar g^g^ben, die damit hoffentlich
»uch ibre Anhänger überzeugt hat, dass sie die
Primadonna nicht ist, die unserer Oper für die
Werke romanischen Stils fehlt. —
Die sehr ausgiebige Arbeit einer völligen Neu-
einstudierung und kostspieligen Neuinscenierung
wurde sodann Thomas „Mignon** zuteil. Von
den sämtlichen Vergewaltigungen, die deutsche
Dichter durch französische Idbrettisten erfahren
haben, ist diese die schändlichste. Nichts, aber
auch gar nichts von dem unendlichen Zauber, der
diesen schönsten Boman der Weltliteratur erfüllt,
ist erhalten. Und auch der Musiker beweist, dass
er keinerlei Ahnung oder Verständnis für die
Dichtung Goethe*6 hat, die — ich schäme mich,
OS zu sagen, aber es ist Tatsache — Tausenden
von Deutschen aus dieser Oper bekannter ist, als
aus dem Meisterwerke ihres grössten Dichters.
Sehen wir von alledem ab, so kann man sich der
Oper freuen, wenn sie so gut aufgeführt wird wie
hier. Zwar das neuengagierte Präulein Hedwig
Kau ff mann reichte als ^Philine^ ebensowenig
ans, wie einige Wochen zuvor als Marie im
I, Waffenschmiedes Aber Emmy Destinn sang
die „Mignon* einzig schön. Hoffmann's herr-
liche Stinmie kam hinzu, Philipp ist ein guter
Wilhelm Meister, und die neue Ausstattung ist in
der Tat eine vorzügliche Leistung, die auch den
verwöhntesten Geschmack befriedigt. Da „Mignon^^
noch auf Jahre hinaus eine gute Kassenoper
bleiben wird, könnte man also die ganze Neu-
anfmachung gut heissen, wenn dadurch nicht
andere, dringlichere Pflichten so sehr in den
Hintergrund gedrückt würden. Ich nenne nur
eine. Gluck ist auf unserer Hof bühne nur durch
ganz vereinzelte Aufführungen des „Orpheus^ ver-
treten, der dabei in einer ganz unzulänglichen Aus-
Btattong erscheint, wo gerade hier dem dekorativen
Element eine so schöne und wichtige Aufgabe zu-
kommt. Seit vielen Jahren fehlen unserem Spiel-
plan die beiden „Iphigenien'', die ein fiichard Wagner
^d Bichard Strauss für so unentbehrlich im Spiel-
plan hielten, dass sie die Werke einer Neubearbeitung
unterzogen. Man spare also lieber die Kosten einer
völligen Neuinscenierung von Leoncavallo's
iBajazzi' und gebe statt dieser Komödiancenoper
tiii8 einmal wieder grosse Kunst. —
Noch viel schlimmer steht es mit der zweiten
Oper im „Theater des Westens". Was ich an
Aufführungen älterer Opern, die den Spielplan
bilden sollen, sah, stand tief unter Mittelmass. An
Neuheiten brachte man eine pseudoromantische
Oper „Rip-Bip'* von Planquette, deren Musik
völlig wertlos, deren Text aber von einer so
hanebüchenen Geschmackslosigkeit ist, dass es ein-
fach unverständlich ist, wie auch nur ein Mensch
auf die Annahme dieses Schundes verfallen konnte.
So gerät Direktor P rasch immer mehr in die
Operette. Die „grösste Tat** des Theaters bestebt
denn auch darin, dass man für ein sündhaftes
Geld sich in Paris die Neuausstattung zu Offen-
b ach 's .schöner Helena" gekauft hat. Hier ist
nun die zweite Oper zu jener Art Ausstattungs*
theater herabgewürdigt, wo das Publikum durch
das Ausziehen auf der Bühne angezogen wird. —
Wie hiessen doch die grossen schönen Worte, mit
denen festgestellt wurde, dass jenen weiteren
Kreisen, denen die Königliche Oper verschlossen
ist, die hehre Kunst der Musik zugänglich ge-
macht werden soUte? Nun macht die zweite Oper
dem Metropoltheater und dezgleichen Musentempeln
erfolgreiche Konkurrenz.
Doch nun zu Erfreulicherem. Man muss es
schon im Konzertsaal suchen: Zwar drängt sich
auch hier viel Unschönes, Unlauteres und Unreifes
vor; aber dazwischen kommen doch immer wieder
Abende, die einen für alles entschädigen. Unter
den Gesamterscheinungen drängt sich die Beob-
achtung einer neu erwachten Vorliebe für „Kammer-
musik" auf. Zu den bereits bekannten Vereini-
gungen konmien immer neue, die zumeist mit
überraschend schönen Gaben aufwarten. Allerersten
Hanges ist das „russischeStreioh quartett^,
da3 sich mit zwei Konzerten durch den Wohlklang
und das Temperament der Vorführungen dicht
neben die „Böhmen*" stellte. Leider entspricht die
Güte der neuen Kammermusikproduktion nicht der
der Beproduktion. Die beiden Neuheiten, die das
böhmische Quartett brachte, beeilte man
sich baldigst wieder zu vergessen. Auch Wolf-
Perrari's „Klavierquintett'', das das eifrige
WaldemarMeyer-Quartett im Verein mit
Beruhard Stavenhagen vorführte, hat
keinerlei Anspruch auf Beachtung. Es ist wohl
eine Jugendarbeit. Eine solche ist auch Paul
Scheinpflug's „Klavierquartett** E-dur, dessen
Bekanntschaft wir den Herren Dessau, Geh-
wald, Könnecke und Espenhahn danken.
Aber das ist Edelmost, schäumend, wild und un-
gebärdig, aber voll Gehalt und echtem Peuer. Das
gibt einmal einen guten Wein, man merke sich
den Namen.
Ueber die Solisten dieses Mal nur kurz. Die
Greige war wieder treffllich vertreten. Die objektive,
ernste, auf Grösse abzielende Kunst vertraten
Albert Geloso und Albert Zimmer;
Oliveira und Autonietti sind Sänger der
— 40 —
Schönheit auf ihrem Instrument ; das wilde Virtnosen-
tom vertrat das Zigennerblnt F e r e n c z Hege d üb,
w&hrend Fritz Kreissier zur virtuosen Kunst
gelangt ist. Beinahe hätte ich Sarasate ver-
gessen, der nichts Neues zu sagen wusste, das
Alte aber immer noch so schön sagte, wie ehedem.
Die yjKreutzer-Sonate'^ durfte er freilich nicht
spielen; Beethoven's QteiBt ist ihm verschlossen
geblieben, immerhin nicht in der so grausamen
Weise, wie seiner Partnerin Berthe Marz-
Goldschmidt. ~ Genügen haben in der Phil-
harmonie Wüllner und Tilly Koenen.
Letztere hätte besser daran getan, im Beethoven-
saal zu bleiben, der einen günstigeren Rahmen für
ihre Darbietungen geboten hätte, die eigentlicher
Grösse ermangeln. Eine sehr beachtenswerte Kunst
zeigte Antonia Dolores.
und nun Klavier. Artur Schnabel will
immer etwas Besonderes. Er will es leider zu
sehr. In diesem frühreifen Menschen überwiegt
der Kunstverstand leider zu stark das GtefühL
So bleibt er zumeist nur in|»re8sant, ohne einen
im Tiefsten zu packen. Hoffentlich entwickelt sich
dieser hochbegabte Künstler, der sich schon grosse
Verdienste um unser Musikleben erworben hat,
auch noch nach der seelischen Seite. In Alice
Kipper lernten wir eine technische Kraft aller-
ersten Hanges kennen. Dann gab es noch einen
musikalischen Festtag. Wir danken ihn E ugen
d'Albert, der wieder einmal zeigte, dass er der
Auserwählte ist unter denen, die berufen sind,
Beethoven zu verkünden« Der Künstler spielte nur
Werke, die Jeder kennt. Den Grundstock des Pro-
gramms bildeten drei Sonaten, die tagtäglich —
ich schäme mich fast, es zu sagen — als Unter-
richtsmaterial miftsbraucht weiden. Wie d* Albert
die innige Lyrik der ,yEs-dur-Sonate'' (op. 81), die
gleich mit der Bitte „liebe mich, liebe mich, denn
ich bin Dein'* einsetzt; wie er danach die schauer-
liche Grösse der „Appassionata^ enthüllte; wie er
zuletzt in der ^Waldstein-Sonate** aus dem kizid-
liehen Volkslied das vollendete Kunstwerk erstehen
liess — dafür kann man ihm nur innig danken.
Und man darf bitten. Ich verstehe es, wenn der
schaffende Künstler in d*Albert es i^ Störung
empfindet, wenn er als Konzertspieler vor die
Oeffentlichkeit treten muss. Aber auch die Oeff ent-
lichkeit hat Bechte. Ich habe so oft meiner hoben
Verehrung, meiner Ueberzeugung von dem Beruf
des Komponisten d' Albert Ausdruck gegeben, dass
ich umso eher es sagen darf, dass unser Musik-
leben auch den Konzertgeber d' Albert nicht ent-
behren kann. Ich sage absichtlich nicht den re-
produzierenden Künstler. Das ist nicht mehr Be-
produktion, das ist Neuschöpfung, das ist jene
Neuverkörperung der Seele, wie der Buddhismus
sie lehrt. Wann hören wir Beethoven oder Bach
kongenial spielen? Welcher Dirigent selbst ist so
wenig Virtuose, wie d' Albert, der so gar nichts
anderes sucht, als im Kunstwerk aufzugehen.
Warum spielt uns d' Albert nicht einmal in einer
grösseren Beihe von Konzerten Beethoven's sämt^
liehe Sonaten? Wir bitten darum im Interesse
unseres Musiklebens, dem eine solche Läuterung
not tut. —
Mitteilungeii
von Hoohsohulen und Konseryatorlen.
Bei der stets wachsenden Nachfrage nach
Lehrerinnen, welche den Elementaranterricht in
der neuen Anschauungsmethode, System
Frau Dr. Luise Krause, zu erteilen befähigt sind
ist es wünschenswert, dass Lehrkräfte sich in
dieser Methode ausbilden lassen.
Frau Dr. Luise Krause, Berlin W., Mar-
burger str. 151, erklärt sich daher bereit, Kurse
für Lehrerinnen einzurichten. Der Kursus umfasst
12 Lehrstunden, und verpflichten sich die
auszubildenden Lehrkräfte ausserdem zu regel-
mässigem Hospitieren in den Unterrichtsstunden der
Direktorin.
Frau Dr. Krause erhielt erst vor kurzem wieder
ein Zeugnis von dem König! . Musikdirektor
W. Wolff, Direktor des Konservatoriums zu
Tilsit, der die Anschanungsmethode in seinen
Elementarklassen eingeführt und die günstigsten
Erfolge damit erzielt hat. Die Kinder kommen
schneller und sicherer über die Anfangsgründe fort
und lernen besonders mit Lust und Freude.
Das Elsmann^sche Konservatorium der
Musik, Direktor Professor Ernst Eismann,
feierte das Jubiläum seines 25 jährigen Bestehens
am 17. Januar durch ein Konzert in der Sing-
akademie. Die Ausführenden waren der Chor,
die Orchester-Klassen und Schüler und Schülerinnen
aus den oberen Klassen des Konservatoriums. Aus
den durchweg gelungenen Darbietungen sprach ein
ernstes tüchtiges Streben und der künstlerische
Gteist, welcher die Leitung der Anstalt beseelt.
G-anz besonders zu rühmen waren die Chöre, vor-
nehmlich der von Prof. Eismann selbst geleitete
Eingangschor „Die Himmel rühmen des Ewigen
Ehre.^^ Ebenso lobenswertes leistete die Orchester-
Klasse, die sich durch ihr exaktes Spiel und den
Wohlklang .ihres Streicherchors ganz besonders
auszeichnete. Junge Damen und Herren aus der
Violinklasse des Direktors, der Gesangsklasse
von Fr Prof. Eismann, der Klavierklasse des
Herrn Fuhrmeister boten hocherfreuliches, sie
zeugten von gründlichem Fleiss und Studium und
— 41 —
-einer aorgBSlUgen Behandlung der Teclmik nnd des
Vortrags. Prof. Eismann kann mit grosser Genug-
tuun^ auf die auf seinem Konservatorium erzielten
Erfolge blicken.
Das Konservatorium fftr Musik in Han-
nover, Direktorium die Herren H. Brune,
£. Evers und K. Leimer, hat seinen 6. Jahres-
bericht versandt. Im Oktober 1897 mit 28 Schülern
eröffnet, z&hlt es heute eine Anzahl von 628, ein
Aufblühen, wie es wohl kaum. ein zweites Institut
tn Deutschland nachweisen kann, das aber fOr die
treffliche Leitung spricht, durch welche es sich so
rasch das Vertrauen des grossen Publikums erworben
hat. Neben den 8 Leitern der Anstalt unterrichten
31 Lehrer und Lehrerinnen an derselben, ausser-
dem sind 8 Hillslehrerinnen an der Vorschule be-
schäftigt. Das Konservatorium ist in eine Kftnstler-
und eine Dilettantenschule gegliedert, zur Auf-
nahme in die erstere ist eine Prüfung erforderlich.
Dank seiner Frequenz war die Anstalt imstande,
90 Schülern im 'Winter- und 75 im Sommersemester
Preisermässigungen und Freistellen zu gewähren.
Von der Stadt Hannover sind Stipendien für
2 Schüler gestiftet. Die Prüfungskonzerte, Auf-
führungen, Vortragsabende, von denen im Gknzen
10 stattfanden, waren zum Teil öffentlich und
fanden in der Presfe äusserst günstige Beurteilung.
An das Königsberger Konservatorium,
Direktor Emil Kühne, ist der Konzertsänger
Richard Grloyen als Gesauglehrer berufen
worden.
Vermischte Nachrichteo.
Dr. Eduard Lassen, grossherzoglich säch-
sischer Generalmusikdirektor, ist nach langen,
«chweien Leiden am 15. Januar in Weimar ge-
worben. Eduard Lassen wurde 1830 in Kopen-
hagen geboren, kam im 12. Jahre auf das
Brüsseler Konservatorium und errang schon nach
2wei Jahren den ersten Preis im Klavierspiel^
Wenige Jahre später erhielt er auch den ersten
Preis in der Komposition und durch seine Kantate
^Balthasar^ ein Stipendium, dss ihm ermöglichtei
alle grossen deutschen Städte und Italien zu
Studienzwecken zu bereisen. In Weimar machte
er Liszt's Bekanntschaft, der ihm die Aufführung
seiner Oper „Landgraf Ludvdg's Brautfahrt" 1857
«nnöglichte. Lassen wurde neben Liszt Hofmusik-
direktor, und als Liszt bald darauf Weimar Ver-
liese, erhielt er neben Hofkapellmeister Stör eine
selbständige Stellung und gleichfalls den Titel als
Hof kapellmeister. Ausser seinen Opern .Frauenlob*^
und „Der Gtefangene^' hat er sich besonders durch
«eine Musik zu Hebbel's ^Nibelungen', zu Sophokles'
.Oedipus", zu Gk)ethe's „Faust*, durch verschiedene
Symphonien, Kantaten und eine Anzahl reizvoller
Lieder einen weitberühmten Namen gemacht.
Ausser zahlreichen Ehrenbezeigungen deutscher
Ffirsten verlieh ihm die Universität von Jena den
Doktortitel honoris causa. Der Künstler hatte sich
seit Jahren von aller öffentlichen Tätigkeit zurück-
gezogen.
Br. phil. Friedrich Stade, einer der tüch-
tigsten nnd vielseitigsten Leipziger Künstler,
feierte am 8. Januar seinen 60. Geburtstag. 1844
zii Arnstadt geboren, spielte er bereite im
12. Lebensjahre die berühmte Bach-Orgel seiner
Vaterstadt, studierte in Leipzig Philologie und
promovierte 1871 mit einer Schrift, ^Vom Musi-
kalisch-Schönen*', worin er die Hanslick'sche For-
oialistik bekämpfte. Nachdem er unter Karl
Riedel nnd E. F. Bichter seine musikalische
YoUendet, erwies er sich als geistvoller
Aesthetiker durch zahlreiche Aufsätzen in musika-
lischen Fachzeitschriften und als einer der ent-
schlossensten Vorkämpfer für die Ideale der neuen
Kunst Wagner's, Liszt's undBerlioz'. Als Organist
und ausübender Künstler, als Klavierpädagoge hat
Dr. Stade eine reiche, segensvolle Tätigkeit geübt
und sich auch als Schrtftsteller auf klavierpäda-
gogischem Gebiet, u. a. durch die Partiturausgabe
des yWohltemperiertenKlavier's'', einen ehrenvollen
Namen errungen.
Der Riedel-Verein zu Leipzig führte am
18. Januar in der Thomaskirche wiederholt vier
von den neuen Chören Hugo Wolfs und die
£-moll-Messe von Brückner für 8 stimmigen Chor
und Blasorchester auf.
Die Nordd. AUg. Ztg. teilt bezüglich der Ver-
anstaltung einer Sammlung deutscher Volks-
lieder, welche von unserem Kaiser in seiner am
6. Juni V. J. bei dem Frankfurter Oesangs-
wettstreite der Männergesangvereine in Aussicht
gestellt wurde, mit, dass von Allerhöchster Stelle
die geeignete Organisation bereits geschaffen sei.
Sie besteht aus einer Arbeitskommission und
aus einer grösseren beratenden Kommission.
Neben deutschen und niederländischen Volksliedern
sollen auch steirische, tiroler und sonstige öster-
reichische, sowie deutsch-schweizerische Volkslieder
in die Sammlung Aufnahme finden. Beide Kom-
missionen stehen unter dem Vorsitze des Wirk-
lichen Geheimen Rats D. Dr. Freiherm Rochus
V. Liliencron zu Schleswig. In die Arbeits-
kommission sind ausser ihm Musikdirektor Ferdi-
nand Hummel, Berlin, Professor der Musik-
geschichte an der Berliner Universität Dr. Max
Friedländer, Oberlehrer Professor Dr. Johannes
Bolte, Berlin, und Direktor der Berliner Sing-
akademie Professor Georg Schumann berufen
worden. Der grossen beratenden Kommission ge-
hören zufolge Allerhöchster Ernennung ausser dem
Vorsitzenden an: Kapellmeister Dr. Franz Beier,
— 42
KaBsel, Hofmnsikdirektor M. Claras, Braun-
schweig, Professor Max Fleisch, Frankf ort a. M. ,
Professor Dr. Eoerstler, Stuttgart, Komponist
Dr. Friedrich Hegar, Flantern-Zürich, Chor-
meister des Männergesangvereins „Schubertbnnd"
Adolf Kirch], Wien, Komponist Thomas
Koschat, Wien, Mosikdirektor Felix Krakamp,
Bonn, Chormeister des Wiener Männergesang-
vereins Eduard Kremser, Wien, Universitäts-
professor Dr. Hermann Kretzschmar, Leipzig,
Professor Arnold Krug, Hamburg, General ä la
snite des Kaisers und Königs, Generalmajor Grraf
Kuno von Moltke, Professor Siegfried Ochs,
Berlin, Generalintendant der königlichen Hofmusik
in München, Freiherr von Perfall, vortragender
Bat im Ministerium der Geistlichen etc. Angelegen-
heiten Geheimer Oberregierungsrat Dr. Friedrich
Schmidt, Professor Dr. Bernhard Scholz,
Frankfurt a. M., Greneralmusikdirektor Geheimer
Hofrat Ernst von Schuch, Dresden, Professor
Josef Schwarz, Köln, Professor Hans Sitt,
Leipzig, Gymnasialdirektor Dr.Thouret, Friedenau,
und Professor Dr. Fritz Vollbach, Mainz.
Das Pfingsten d. Js. zu Begensburg statt-
findende „2. Bayerische Musikfes t^ wird Hof-
kapellmeister Dr. Bichard Strauss leiten.
Für die Programme der beiden Tage sind vorläufig
folgende Werke in Aussicht genommen: 1. Ta^:
Bruckner's 9. Symphonie und ,,Te deum", „Taj]-
lefer** vonB. Strauss und Beethoven's.Eroica*'.
2. Tag: «.Graner Festmesse* von Liszt, Vorspiel
und Liebestod aus „Tristan und Isolde" und «Tod
und Verklärung" von B. Strauss. Als Solisten
sind ins Auge gefasst: Frau Poppie-Possart^
New- York, Frl. Wie den -München und die Herren
Dr. Baoul Waltec und Klopfer aus München.
Der Chor für das Fest soll auf 450 Stimmen ge-
bracht werden.
Das von dem Vorstand des Dresdener
Mozartvereins geplante, von ihm zu erriditeDde
Mozart-Denkmal in Dresden ist dem Bildhauer
H. Hosaeus in Charlottenburg zur Ausführong
übertragen.
Gustav Mahler hat das Textbuch von
Weber's „Euryanthe^* einer gründlichen Um-
arbeitung unterzogen und das Werk soll in dieser
neuen Gestalt demnächst an der Wiener Hof-
oper zur Aufführung kommen. Vielleicht gelingt
es, durch diesen Versuch das köstliche Werk, das
infolge seines unzulänglichen Textes mehr und
mehr von dem Spielplan der Bühnen verschwindet,,
dauernd lebensfähig zu machen.
Bücher und Musikalien.
Illnstrierte Katechismen:
Haz HeiM*« TerUfy Lelpslf .
Wilhelm Stahl: „Geschichtliche Entwicklung
der evangelischen Kirchen-
musik.*
In der knappen Fassung der Katechismen ent-
wirft der Verfasser ein anschauliches Bild der
evangelischen Kirchenmusik vom 16. Jahrhundert
an. Mit kurzem Bückblick auf den gpregorianischen
Choral und den vor Luther's Zeit geübtrai musi-
kalischen Teil des Kultus, geht der Verfasser zu
Luther's Beformen über, bespricht die wichtigsten
Ghoralbücher, die dem lateinischen Kirchengesang
und dem deutschen Volkslied entnommenen Weisen,
die evangelischen Originalmelodien, wobei auch auf
den französischen Liedpsalter und auf den Kirchen-
gesang der böhmischen Brüder Bücksicht ge-
nommen wird. Ausführliche Begister der Choral-
bücher, der Choräle, deren Anfangsmelodien in
Buchstaben notiert sind, erhöhen die praktische
Brauchbarkeit des Werkes. Der Verfasser führt
uns in angedeuteter Weise durch die Jahrhunderte
bis zur Jetztzeit weiter, über die Höhen und den
Verfall, über die angestrebten Beformen des
19. Jahrhunderts und zu den neueren Choral-
büchem. Die knappe Fassung und übersichtliche
Darstellung alles dessen, was jeder kirchliche
Musiker wissen muss, werden dem Werke einen
grossen Leserkreis sichern.
Hngo Biemanu : ,.Anleitung zumGeneralbass'
Spielen.«
„Grundlinien der Musik-
Aesthetik.«'
Beide genannten Katechismen erscheinen in
2. Auflage, das erste bedeutend vermehrt und ver-
bessert, beide mit neuen Vorreden versehen, die
die Ergebnisse der seit der ersten Auflage ge-
machten Fortschritte, resp. der Kontroversen zu-
sammenfassen. Da die Werke bereits früher
besprochen, so genügt es, hier auf dieselben
hinzuweisen, besonders möchte ich aber noch
auf das zweite , die „Musik - Aesthetik^' behan-
delnde Werk aufmerksam machen; es ist zar
Einführung in dies Gebiet trefflich geeignet, knüpft
überall an die Grundelemente der Musik an und
ist klar und lichtvoll geschrieben. Ich füge zur
Erläuterung die Titel der drei Hauptabschnitte an :
1. ,,DiQ elementaren Faktoren des musikalischen
Ausdrucks. Tönhöhe, Tonstärke und Bewegnngs-
art** (Musik als Wille). 2. „Die Form gebenden
Prinzipien: Harmonie und Bhythmus'* (Musik als
Vorstellung). 3. „Assoziative Momente: Charak-
teristik, Tonaaalerei, Programmmusik" (Musik als
vorgestellter Wille).
Allgemeiner Dcntscher Mnsiker-Kalender für 19(H»
BMbe * Ploihow, Berit«.
Der Kalender ist mit dem Jahre 1904 in seinen
26. Jahrgang eingetreten und rechtfertigt aach
diesmal wieder den altbewährten Ruf, den er sich
darcli seine nnablftssigen Bestrebungen ein zuver-
lässiges l^achschlagebnch zu liefern, errnngen hat.
SowoU die Zahl der Städte, als auch das Adressen-
material in denselben ist erheblich vermehrt und
sorgfältig kontrolliert. An der inneren, seit Jahren
bewährten Einrichtung ist nichts geändert, die
Teilung in 2 Bände, einem leicht zn tragenden für
die Standenpläne, einem zweiten umfangreichen
für den häuslichen Gebrauch des Adressenmaterials,
ist beibehalten und kann auch nar fttr die
Zukunft anempföhlen werden. Wenn das Letztere
in verschiedenen Fällen noch versagt, so ist dafür
weniger die Redaktion des Kalenders verantwort-
lich zn machen, vielmehr die Schuld auf die In-
dolenz der Musiker selbst zu schieben. Sie ver-
«lumen es nicht nur, ihre Adresse einzusenden,
sondern lassen auch direkt an sie gelangende An-
fragen einfach unbeantwortet. Mit dein Wunsche,
dass alle Tonkünstler die Redaktion in ihren Be-
strebungen unterstützen möchten, sei der Kalender
allen alten Freunden warm empfohlen.
Dentseher Musiker-Kalender für 19(M.
Max HeiM» Leipilf •
Der in seinem 19. Jahrgange erscheinende
Kalender ist nach altgewohntem Brauch mit einem
Portrait geschmückt. Diesmal ist das Bild des am
10. April 1908 zu Potsdam verstorbenen Musik-
gelehrten Prof. Dr. Heinrich Bellermann ge-
wählt, dessen Leben und Wirken in einer kurzen
sachlichen Skizze geschildert wird. Ein Artikel
von Prof. Dr. H. Kiemann nimmt Stellung za
der Frage: ^Wer ist, was ist die Internationale
MosikgesellBchaft? — Im übrigen finden wir auch
in diesem Kalender Vertrautes nnd durch die Praxis
Erprobtes, die Redaktion war besonders bemüht,
fär die grösseren Städte die Postadressen derTon-
künstler za vermehren, was nur mit grossem Dank
begrüsst werden kann. Aach der Deutsche Musiker-
Kalender erscheint in zwei Bänden zur Erleichte-
nmg des täglichen Gebrauches, ebenso ist ein
alphabetisches Itlamens Verzeichnis der Musiker
Deutschlands dem Schlüsse angefügt. Eine warme
43 —
Empfehlung sei auch ihm mit auf seinen Jahres-
weg gegeben.
R. Peiri: „Musikalisches Spruch - Schatz-
kästlein."
B. P»trl, Hslle.
Das kleine Heft enthält eine Sammlung von
Sprüchen und Urteilen Über Mnsik, Kunst und
Musikalische Disziplinen nach bestimmten Prin-
zipien geordnet. Schumann's allgemein bekannte
„Musikalische Haus- und Lebens-Regeln^* eiröffnen
es, dann folgen: Musik, Poesie, Vortrag, Flelss,
Takt, Unterricht, Theorie, Ensemble u. s. w. Die
Auswahl ist mit Geschick und Geschmack getroffen.
Das Büchlein wird als gelegentliches Nachschlage-
werk willkommen sein.
Harmonie-Kalender 1901. lY. Jahrgang.
TerUftyeaellMkftn „H«nB0al«*9 B«Tlla.
Der als „Musikalischer Haus- und Familien-
Almanach" eingeführte Kalender erscheint in diesem
Jahre noch reicher mit Bildern und belletristischem
Inhalt ausgestattet, wie in den früheren Ausgaben.
Zahlreiche Musiker-Portraits, originelle Zeichnungen
von Franz Stassen schmücken die Seiten, ferner
haben verschiedene Zeichner der „Lustigen Blätter**
Beiträge für den humoristischen Teil geliefert. Die
schon in den früherei^ Jahrgängen begonnenen
Skizzen „Unser Opnsl" werden auch . diesmal fort-
gesetzt; vertreten sind u. A.: M. Massenet,
W. Berger, Th. Koschat, G. Kulenkampff,
Franz Wüllner u. s. w. Unter den belle-
tristischen Artikeln sind zu erwähnen „Oper und
Musikdrama" von Prof. Weitbrecht, ,^elodie
und Harmonie** von Prof. S. Jadassohn, „Minna
Wagner" von L. Hartmann und viele kleinere.
Eine Komposition von S.Jadassohn „ Aus fernen
Tagen", No. IV, ein Satz aus dem einzig nach-
gelassenen Werke des vor länger wie Jahi'esfrist
verstorbenen berühmten Tonsetzers erhöht den
Wert des diesmaligen Jahrganges. Für den geringen
Preis von 1 Mark bietet der Kalender erstaunlich
viel und kann zur Anschaffung bestens empfohlen
werden.
Anna Morsch.
Vereine.
Der Richard Wagner»Verein Darmstadt
luelt am 11. Januar seine ordentliche Hauptver-
sammlnng für das Jahr 1904 ab Nach dem von dem
ersten Vorsitzenden, Herrn Hauptmann H. v. Hahn,
erstatteten Jahresbericht hat die Aufwärtsbe-
wegang des Vereins auch im letzten Jahre an-
gehalten. Die Mitgliederzahl ist von 818 auf B72
gestiegen, sodass es dem Vorstande möglich war,
statt der statutenmässigen 4 Vereinsabende deren
B ZQ veranstalten (6 Konzerte, 1 melodramatische
Bezitation^ 1 Vortrag und 1 Gedächtnisfeier), ohne
dass der g^eringe Jahresbeitrag von 8 Mk. erhöht
zu werden brauchte. Zum erstenmale wurde die
seltene Auszeichnung der Ehrenmitgliedschaft des
Vereins verliehen, und zwar an Herrn Dr. Wüllner,
der am 18. Januar v. J. im Wagner- Verein zum
f ünftenmale aufgetreten war. Bei der Einweihung
des Bichard Wagner - Denkmals in Berlin am
1. Oktober war der Verein durch den ersten Schrift-
führer vertreten, der sich seitens des Komitees
einer besonders auszeichnenden Aufnahme zu er-
freuen hatte. Der Lesezirkel, der rege benutzt
wurde, umtasst jetzt 50 Zeitschriften. Mit einem
erfreulichen Ausblicke in die nächste Zukunft
schioss der anschauliche Jahresbericht, der mit
lebhaftem Beifall aufgenommen wurde. Zum An-
kauf von Freikarten für die Bayreuther Bühnen-
festspiele (zn 20 Mk.) können im laufenden Jahre
44 —
etwa 1200 Mk. verwendet, an die Richard Wagner-
Stipendienstiftung 800 Mk. abgeführt werden. Bei
der folgenden Neawahl des Vorstandes wurden
sämtliche seitherige Mitglieder einstimmig wieder-
gewählt. Ebenso fanden die gestellten Anträge
einmütige Beratung und Annahme.
Konservatorium der Musik
in Kassel
Gegr. 1896. Direktion: L. Beyer. Gegr. 1896.
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Op. 9 No. 1 netto 1.—
No. 29. Rubinstein, Melodie F-dnr. Op. 8 No. 1. Pur 2 Violinen, 2 Violen
und Violoncell netto 1. —
No. 30. Veit, Variationen über die russische Nationalhymne aus dem D-moll-
Qaartett Op. 3 netto 1.—
No. 31. Beethoven, Andante und Variationeu aas der D-dur> Serenade Op. 8.
Für Streichtrio netto 1.—
No. 32. Mozart, Lai'ghetto aus dem Klarlnetten-Qaintett A-dur (Klarinette [oder
Viola principale], 2 Violineu, Viola und Violoncell) . . . netto 1.—
No. 38. Tschaikowsky, Chnnt sans paroles. Op 2 No. 8. Für Streichquartett
netto 1. —
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Organ der Deutschen Musiklehrer-Vereine,
der Musik-Sektion des R. D. L-V. und der Tonkünstler-Vereine
zu Köln, Dresden, Hamburg, Leipzig und Stuttgart
Begründet 1878 von Professor Emil Breslaur.
Redaktion: Anna Morsch
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Frrfs ttcrtcliahrlld) bei allen Bud)« vnd
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(uaicr Do. 4170) 1,50 lOk.. bei direkter
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metando 1,75 IDk. üutland 2 IDIl
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..Der Klavier -Ccbrer" Berlin. 01.50.
JIntbacbcrtir. 37. zum Preite von 50 PI.
fflr die zweigespaltene Petttzeile eni>
gegenaenommen.
No. 4.
Berlin, 15. Februar 1904.
XXVII. Jahrgang.
lalult: Max Arend: Pietro Raimondi. der grÖBSte Kontrapunktiker des 19. Jahrhunderts. Prof. Hans Schmitt: Ueber die Register
der menschlichen Stimme. (Schluss.) P. J. Juergenson und M. P. Belaieff. (Nachruf.) Dr. Karl Storck: Kritische Rackschau
Qber Konzert und Oper. Mitteilungen von Hochschulen und Konservatorien. Vermischte Nachrichten. Bücher und Musikalien,
besprochen Eugen Segnitz und Dagobert Löwenthal. Pädagogische LesefrQchto. Meinungs-Austausch. Vereine. Anzeigen.
der gresste Hontraptitikiiker des 19« 3ähthnnAtm.
Von
nax Arend.
Es ist in der innersten Natur der Menschen
begründet, dass jeder epochemachende Ge-
danke, der in irgend einer geschichtlichen
Entwicklung auftritt, bis an die äusserste
Grenze des Möglichen verfolgt wird, bis dann
seine Einseitigkeiten in einer Art von Ver-
grösserungsspiegel erscheinen und man sich
übersättigt mit frischem Eifer und grosser
Lebhaftigkeit auf das Gegenteil eben dieses
Gedankens wirft. Wenn die Hegel' sehe
Philosophie nicht so anrüchig wäre, wie sie
es mit Recht seit einem Menschenalter ist,
würde man geneigt sein, von dem Gedanken
zu sprechen, der auf einer gewissen Ent-
wicklungsstufe „in sein Gegenteil umschlägt".
So feierte — um nur ein Beispiel heraus-
zugreifen — die Idee des Papsttums im 14.
und 15. Jahrhundert ihre höchsten Triumphe,
die Kirche war omnipotent und alleiniger Kultur-
träger. Und eben dieses 15. Jahrhundert er-
zeugte den Sohn des Bergmanns, der der
Idee des Papsttums jenen Schlag beibrachte,
der es, wenn auch nicht verrüchtete, so doch
seine Machtverhältnisse gänzlich verschob und
der vor allem die Kulturträgerschaft ausser-
halb der Kirche und in schroffer Opposition
zu ihr stellte.
Es dürfte wenig bekannt sein, dass zu
eben der Zeit, wo der grosse Flüchtling und
musü^alische Einsiedler Richard Wagner in
der , Schweiz sich zur Nibelungentrilogie
sammelte, seine Prosaschriften als Kämpfer
ihr vorausschickend, wo er an Theodor
Uhlig schrieb*): „Deine »Charakteristik* hat
mir gefallen, trotzdem es im Fugenstyle war:
dies wird Dich empören, denn darin legtest
Du eben den Witz! Aber ich verstehe
von der P^uge nichts mehr: sie ist mir
nicht mehr point d'honneur, sie ist mir
an sich abgeschmackt^ . . ., dass zu genau
dieser Zeit in Rom ein anderer Einsiedler —
denn das war, cum grano salis geredet, nach
seiner Lebensführung und seinem Charakter
Pietro Raimondi — den Kontrapunkt über
Bach, ja über die Niederländer der vorpales-
trinaschen Periode hinaus zu künstlichen
Kombinationen steigerte, an die weder vor
noch nach ihm ein MusUcer gedacht hat.
Es ist mir nicht möglich gewesen, eine
Note von Raimondi zu Gesicht zu bekommen,
selbst unsere Peters-Bibliothek in Leipzig
versagt vollständig. So bleibt als einzige
*) Wagner's Briefe an Uhlig, Leipzig 1888,
Brief vom 10. Nov. 1852.
— 50 —
Quelle Fetis, der aber glücklicherweise mit
grosser Wärme und Anschaulichkeit über
unsem Künstler schreibt. Ob nicht die einiger-
massen dem Kontrapunkt wieder zugewandte
modernste Richtung der Musik — vgl. De-
bussy für die„französische Oper", für „deutsche
Kammermusik" auch Reger — es als ein
vielleicht ausserordentlich lohnendes Verlags-
unternehmen erscheinen lässt, die hier ein-
schlagenden Hauptwerke Raimondi's neu auf-
zulegen, will ich dahingestellt sein lassen.
Jedenfalls sind die Gedanken dieses Künstlers
unerhört neu, haben ihr richtiges Publikum
überhaupt noch nicht gefunden — denn Italien
ist nicht das Land der Polyphonie, sondern
der Homophonie — und enthalten die aller-
letzten Möglichkeiten des Kontra-
punktes.
Werfen wir zunächst einen Blick auf die
äusseren Lebensdaten Raimondi's. Er wurde
am 20. Dezember 1786 in Rom geboren, und
zwar als Sohn armer Eltern. Im Alter von
10 Jahren verlor er seinen Vater. Im fol-
genden Jahre verheiratete sich seine Mutter
zum zweiten Male und übergab den kleinen
Pietro einer Schwester ihres verstorbenen
Mannes, während sie selbst ihrem zweiten
Manne nach Genua folgte.
Diese Tante Raimondi's erfreute sich eines
gewissen Wohlstandes und Hess Pietro von
einem Geistlichen in den Anfangsgründen
des Lateinischen unterrichten, um ihn selbst
später Priester werden zu lassen. Aber Pietro
studierte zwar zunächst mit Fleiss 2 Jahre
lang bei jenem Geistlichen, trat aber dann
plötzlich mit der Erklärung vor seine Tante,
er fühle zum Geistlichen keinen Beruf, das
einzige, was er werden wolle, sei Musiker.
Sie ging auf diesen neuen Gedanken ein,
obwohl er ihre Pläne durchkreuzte, und brachte
ihn auf das Konservatorium der Pietä
dei Turchini in Neapel. Auf diesem genoss
er 6 Jahre lang, gleichzeitig, entsprechend der
damaligen Einrichtung der Konservatorien,
dort in Pension, den Unterricht von La Bar-
bara in Gesang und von Tritto in Kontra-
punkt und trieb seine Studien mit Eifer. Diese
erlitten jedoch plötzlich dadurch eine Unter-
brechung, dass seine Verwandte ihm ihre
Uebersiedelung nach Florenz und gleichzeitig
mitteilte, dass sie ausser stände sei, weiter
seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Der
junge Mann musste darum das Konservatorium
verlassen und tat das nächstliegende: er ging
(Schluss
in seine Heimatstadt Rom zurück in der un-
bestimmten Erwartung, dort irgendwelche
Hilfe zu finden, und zwar ging er im buch-
stäblichen Sinne des Wortes. In Rom wurde
er von dem Bruder seines verstorbenen Vaters
aufgenommen; aber dieser war selbst arm
und konnte nur dadurch für seinen Neffen
sorgen, dass er ihn nach Florenz zu seiner
Schwester schickte. Dort kam Pietro gänzlich
erschöpft und krank an. Die Tante wollte
ihn jedoch nicht weiter unterstützen und
schickte ihn ins Hospital. Als er genesen
war, fasste er den Entschluss, nach Genua
zu seiner Mutter zu gehen, wennschon diese
ihm bisher wenig Liebe bezeigt hatte. Die
Fussreise durch die Riviera kräftigte und ent-
zückte ihn und hob sein Selbstvertrauen: er
überlegte sich, dass er doch genug gelernt
hätte, um als Musiker seinen Mann zu stellen,
und beschloss, in Genua alles daran zu setzen,
um sich als Musiker eine Existenz zu gründen.
So sehen wir denn den jungen Künstler
nach dieser schlimmen Zeit kurz darauf in
Genua an der Arbeit; 1807 wurde dort sein
erstes Werk „Le Bizzarrie d*amore** aufgeführt,
welchem 1808 an demselben Theater „La
forza deir imaginazione ossia il Battuto con-
tento" und das Melodrama „Ero e Leandro"
folgte. Jetzt machte Raimondi die Carriere
eines italienischen Opernkomponisten: er erhielt
und erledigte Aufträge bestimmter Theater,
Opern zu schreiben. 1811 trieb ihn die Sehn-
sucht nach der Stadt, in der er sorglos als
Knabe und Jüngling sich seinen Studien hatte
hingeben können, wieder nach Neapel. Sein
Kompositionsfeld war die komische Oper, und
hier erzielte er 1831 mit „II Ventaglio" (zuerst
in Neapel, später auf allen italienischen
Theatern aufgeführt) einen starken Erfolg.
Fetis erzählt von diesem Werk, dass es
„charmant" sei und dass sich mehrere ausser-
ordentlich feingearbeitete Nummern darin be-
fänden; so rühmt er besonders ein Trio.
1824 wurde Raimondi Musikdirektor an
den Königl. Theatern in Neapel, 1832 infolge
des starken Erfolges des „Ventaglio" Kom-
positionsprofessor am Konservatorium in
Palermo. 18 Jahre lang war er der Ruhm
dieser Anstalt und bildete eine Anzahl von
Schülern heran, unter denen P'etis Pittari
und Barbieri nennt. Als endlich im März
1850 durch den Tod Basily*s die Stelle eines
Kapellmeisters der Peterskirche in Rom
vakant wurde, erhielt Raimondi sie.
folgt.)
— 51 —
3cber die l^egisfcF dep ti)ei)scbHcbei) J^Hti)ii)e.
Von
Prof. Hans Schmitt.
(Schlass.)
So wäre denn in dem Gaomensegel auch das
Organ für das Kopf regist er gefanden.
Scharf abgegrenzt ist das Gebiet des Brust-
und des Kopfregisters nicht.
Fresst man den Kehlkopf hoch hinauf und
senkt man das Gaumensegel tief hinab, so erscheint
eine Reihe von Tönen doppelt, das eine Mal als
Bruststimme, das andere Mal als Kopfstimme.
Forte gesungen zeigen die Töne einen anderen
Klang. Die hohen Töne der Bruststimme klingen
bei begabten, geschulten Sängern glanzvoll, mächtig,
bei ungeschulten roh, ungeschlacht, gequält. Da-
gegen klingen die Töne der Kopfstimme matt,
farblos. Aufsteigend aber werden die Kopftöne
kräftiger, wie ja auch der Pfiff stärker wird, wenn
man das Loch einer Pfeife einengt.
Aufgabe der Schule ist es, die Unterschiede
derBegister auszugleichen. Das besorgt eigentlich
am allerbesten das Ohr, dieser älteste und ge-
diegenste Gesangsmeister nach des lieben Gottes
Methode.
Lab lache gibt übrigens eine sehr einfache
natürliche Eegel für den Ausgleich der Begister
an; er sagt nämlich, dass die Stimme ausgeglichen
wird, wenn man das Brustregister abschwächt und
das Kopfregister entsprechend forciei-t. Uebung
bringt es dahin, dass der geschulte Sänger jeden
Ton der mittleren Oktave seiner Stimme unmittel-
bar nach einander mit der Brust- und mit der
Kopfstimme zu singen imstande ist.
Singt der Sänger so, dass der Kehlkopf und
das Gaumensegel einander gleich gegenüberstehen,
80 gibt das die Lage der Stimme, welche man mit
Mittelstimme oder mit „voix mixte^ bezeichnet.
Die Mittelstimme hat kein eigenes Begister,
sondern besteht aus der MiBchimg des Kehlkopf-
und des Gaumenregisters, daher der zutreffende
französische Ausdruck voix mixte.
Dass man die drei Lagen — Brust-, Kopf- imd
Mittellage, auseinanderhalten kann, zeigen uns
deutlich die Haucher, welche das Kunststück aus-
führen, den Bauch einmal nur durch den Mund,
das andere Mal nur durch die Nase und das dritte
Mal zum Mund und der Nase gleichzeitig heraus-
znblasen. Die Luftwege werden da nach dem Ge-
brauch der drei Begister eingerichtet (Mund — - Kehl-
kopf-, Nase ^^ Ghkumensegel-, Mund und Nase ^ ge-
mischtes Begister).
Nun wären die drei Hauptarten der Stimm-
bildung in ihren Grundzügen ohne Hexerei erklärt.
Die Klarstellung bietet eine wesentliche Erleichte-
nmg beim Unterricht, weil man dem Schüler deut-
lich erklären kann, was er zu machen habe.
Jetzt wird auch jedermann einsehen, dass man
beim üeben die Stimme am besten schont, wenn
man das Kehlkopfregister beständig mit dem
Gaumenregister abwechseln lässt, es ist das so, als
wenn der Klavierspieler abwechselnd mit der rechten
und linken Hand übt. Geht man aber, wie es
fast in allen Gesangschulen üblich ist, chromatisch
von c aufwärts, so ist die Stimme müde, wenn sie
zu der hohen Lage, welche am meisten anstrengt,
kommt. Ermüdet, kann man sie da freilich nicht
mehr ungefährdet weiterführen. Am besten ist es
immer, wenn man die Stimme concentrisch übt,
mit dem mittelsten Fall beginnt und dann in be-
ständiger Abwechslung zwischen tief und hoch,
strahlenförmig auseinandergehend, bis zu der Grenze
übt, welche man bei der augenblicklichen
Disposition gut zu bewältigen imstande ist.
Nimmt man z. B. die anstrengendste Uebung
vor: das Aushalten von langen Tönen, so soll eine
Sopranstimme, deren mittlerer Ton das 7 ist, zu-
erst den Ton 7 lang aushalten, dann ebenso die
Töne: as b | g, h | fis, c | f, des | e, d | es, es | etc.
Uebt die „A-Stimme** Skalen im Umfang einer
Oktave, dann beginne sie mit der Skala in £s-dur,
hierauf folge: D-dur, E-dur | Cis-dur, F-dur |
C-dur, G^s-dur | H-dur, G-dur | B-dur, As-dur j
A-dur, A dur | etc.
Bei solcher Anordnung rastet die Stimme stets
in der Tiefe von der Höbie und in der Höhe von
der Tiefe aus.
Eine Schule, nach diesem System geordnet,
bereitet der Verfasser vor und wird sich jedermann
von der Zweckmässigkeit der Einrichtung bald
selbst überzeugen können. Man wird sehen, dass
man da viel herzhafter üben kann, weil die Vor-
sicht schon in der Anlage derUebungen enthalten
ist. Gerne würde ich das diesmal gewählte Thema
meiner Studie bis in die zahlreichen Details,
welche ich ausgearbeitet habe, mitteilen, doch
würde dies hier zu weit führen. Mögen die Leser,
welche sich dafür interessieren, mein gleichfalls
in Vorbereitung stehendes „Buch für Sänger**
seinerzeit nachlesen.
Die Registerfrage habe ich übrigens schon
früher einmal besprochen. (Im Eebruarheft 1902 der
musikalischen Zeitschrift „Deutsche Gesangskunsf.)
Damals vermochte ich mich noch nicht genug
loszuschrauben von der landläufigen Begisterlehre,
ich haftete noch zu sehr an der Annahme,
dass die Stimmbänder allein die Höhe und Tiefe
der Töne bewirken. Dennoch wies ich mit allem
Nachdruck auf die grosse Bedeutung des Gaumen-
segels hin.
Heute gestehe ich es aufrichtig ein, dass ich
damals meine Ansichten mit Zittern und Zagen
62 —
znm Drucke übergab, weil sie so vielfach von den
traditionellen abwichen. Ich fühlte schon die
Steine anf mich niederprasseln, welche so manche
Gesangslehrer in ihrer Gottähnlichkeit nach mir
schleudern werden.
Um so frQa.dJi|^er war ich überrascht, als ich
in dem später erschienenen Werke „Meine Gesangs-
kunst^^ der von mir hochverehrten, genialen Gesangs-
künstlerin Lilli Lehmann Öfter ähnliche An-
schauungen über die Register ausgesprochen fand.
(Seite 10.) Ebenso angenehm war mir die Ueber-
einstimmung meiner Angabe, dass bei steigender
Höhe der Kopfstimme die Empfindung entsteht,
a]s ob sich die itichtung der Töne von den Zähnen
hinauf zum Kopfwirbel erhebe, durch welche
Wahrnehmung sich die Bildung des Tones „nach
vorne^^ auf das richtige Maass einschränkt. (Siehe
Lilli Lehmann, .Meine Gesangskunst", Tafel zu
12, 13 u. 16.)
Ebenso hat es mich gefreut, als ich die von
mir zuerst aufgestellte Eeihenfolge der Vokale
(ieaouüöä statt a e i o u) beim Gesangs-
unterricht in den später erschienenen Werken von
Guttmann und S m o 1 i a n wiederfand.
Gekräftigt durch solcbe Uebereinstimmungen,
übergebe ich diesmal meine Arbeit ruhiger der
Oeffenüichkeit.
Erwähnen muss ich nur noch, dass das (Gebiet der
Tonhöhe mit den Tönen des Brust- und Kopf registers
noch nicht erschöpft ist. Noch höher als die gewöhn-
lichen Kopftöne sind die Jodeltöne der Männer oder
das sogenannte Vogelregister der weiblichen Stimme.
Die Jodeltöne sind unzweifelhaft Aliquottone, die
in die höchsten Kopfhöhlen hineinklingen, sie haben
auch ganz denselben Glasklaug wie die Flageolet-
töne der Streichinstrumente. Ermöglicht werden
gewiss auch diese Töne durch tiefere Stellung der
Organe, welche durch leise Berührung an Aliqaot-
stellen nur zur teilweisen Schwingung der Liaft
Veranlassung geben.
Ganz tiefe Bassstinunen bringen auf dem Wege
erstaunliche Höhe hervor. Der Stemwirt in Igls
bei Innsbruck, Herr Hölzel, der eine der tiefsten
und mächtigsten, bis zur contra octav reichende
Bassstimme besitzt. Jodelt in schnellen Sechzehntel-
passagen in der 2 gestrichenen Oktav wie ein
virtuoser Klarinettist.
Worin der technische Vorteil bei solchem
Jodeln, das mir über den gewöhnlichen Kopftönen
zu liegen scheint, besteht, habe ich bis heote noch
nicht zu entdecken vermocht. Vielleicht gehört
besondere körperliche Anlage dazu. (Diese ent-
legenen Jodeltöne dürften auf der Duodecimaliqaot-
stelle liegen.)
üeber diesen Punkt spreche ich mich nicht
weiter aus, weil ich immer nur das vertrete, was
ich selbst erprobt habe.
Möge die Jodeifrage, wenn sie nicht etwa
schon gelöst wurde, eine PreiBau%abe für eine
musikalische Fachzeitung werden. Die Besprechung
der Frage wird dankenswert sein, weil ja alles
interessiert, was das Wesen der Stimme erklärt^
dieses Wunderinstrumentes der Schöpfung.
P* X Jutrgermon und ]M. p. ßelaVeff.
Nacbnif.
Ende Dezember des vergangenen Jahres 1908
verschied P. J. Juergenson, Verleger und In-
haber der grossen Musikalienhandlung in Mos-
kau. Am 28. Dezember folgte ihm M. P Be-
lai'eff, Begründer des Verlags „Belai'eff in
Leipzig.
Die zweite Hälfte des neanzehnten Jahrhun-
derts ibt in Bussland durch eine gehobene geistige
Bewegung gekennzeichnet, die sich auch in der
Musik äussert. In diese Zeit fällt die Gründung
der kais. russ. Mus. Gesellschaft, des Kon-
servatoriums in Petersburg und in Moskau.
P. J. Juergenson wurde der bahnbrechende
Meister auf dem Gebiete des Verlags. Er ging
den Forderungen seiner Zeit entgegen, hat sich,
von Nicolai Rubinstein unterstützt, aus kleinen
Anfängen herausgearbeitet und sein Geschäft zum
Aufblühen gebracht, so dass es jetzt unter den
grössten der Welt zu nennen ist.
Peter Iwanowitsch Juergenson ist im
Jahre 1836 in Beval geboren und kam 1854 nach Mos-
kau in eine Musikalienhandlung. Nicolai Hubüi-
stein erkannte die grossen Fähigkeiten des jungen
Mannes und verhalf ihm, sein eigenes Geschäft za
gründen, indem er ihn zum Kommissionär der
kais. russ. Mus. Gesellschaft ernannte. Die Bäume
der Musikhandlung P. J. Juergenson hatte Nicolai
Bubinstein für Sitzungen und Konferenzen der
Musik Gesellschaft gewählt, auch seine Empfangs-
tage in der ersten Zeit dort angemeldet.
Als Neuheit erschienen bald im Verlag Lieder
von Schubert, von Schumann mit russischem Texte,
billige Ausgaben der Werke Mendelssohn's, Schu-
mann's (Balakireff), Chopin 's (Klindworth). — Wie
hätte sich das Talent von P. J. Tschaikowsky ent-
wickeln können, wenn er nicht in Juergenson den
Verleger für seine Werke gefunden hätte?
Noch eines Unternehmens Juergenson's ist zu
gedenken, die geistige Anregung in die Musikwelt
Moskau's bringt. In einem Saale seiner Musikalien-
handlung hat Juergenson eine Lesehalle einge-
richtet, in der alle Zeitschriften und Zeitungen ans
dem Gebiete der Musik dem Publikum unentgelt-
lich zur Verfügung gestellt sind.
— Ö3 —
Mitrophon Pietrowitsch Bela'ieff wurde
im Jahre 18S6 in Petersburg geboren. Er war der
Sohn eines mssischen Eanfmanns, besuchte die
Schule der deutsch reformierten Kirche. Von Ju-
gend auf liebte Bela'ieff die Musik leidenschaftlich.
Als er selbständig wurde, schloss er sich einem
deutschen Kreise von Kammermusikern an. Erst
in den 80 er Jahren lernte er die Werke von
Kimsky-Korsakoff, Monssorgsky, Borodin
Glazounow kennen, und wurde deren musikalischer
Anhänger. Die Tondichtungen der jung-russischen
Schule waren noch nicht in Umlauf gekommen.
Belaieff kam ihnen zu Hilfe, indem er im Jahre
1S85 einen Verlag seines Namens in Leipzig
gründete. Seine Grundidee war, nur Werke von
musikalischem Werte anzunehmen, er unterwarf
die Manuscripte einer strengen Kritik und Kontrole.
Den Vorrang gab er den Werken der Instrumental-
musik, weniger dem Liede.
Im Katalog des Verlags Belaieff finden sich
die Namen von B;imsky-Korsakoff, Borodine,
Liadoff, Tan^ieff, Scriäbine, Gretchani-
noff, Sokolow und Gliere. Aus Anlass des
50. Todestages von Glinka erschienen seine Werke
unter der Redaktion von Rimsky-Korsakoff und
Glazounoff im Verlag Belaieff in Leipzig.
In Petersburg gründete Belaieff „Die russi-
schen Symphonie-Konzerte^*, wo nur russische
Tondichtungen aufgeführt werden durften. Im
Jahre 1891 organisierte er russische Quartettabende,
1898 wurde er zum Präsidenten der Kammer-
Musik- Gesellschaft erwählt, wo er Konkurrenz-
Ausführungen für neue Werke dieser Branche
einleitete.
Belaieff erfreute sich durch sein Eintreten für
die rassischen Künstler des höchsten Ansehens
der grössten Musiker.
JET. t*. T., Moskau.
Kritische Rückschau
über Konsert und Oper.
Von
Dr. Karl Storek.
Unser Musikleben steht in diesem Winter nicht
auf der Höhe der letzten Jahre. Die Zahl der
nichtigen Solistenkonzerte ist noch grösser ge-
worden, dagegen haben wir weit weniger grosse
Veranstaltungen, als zam Beispiel im letzten Winter.
Das liegt zum. Teil an äusseren Verhältnissen,
unter die man sich beugen muss. Die Schliessung
der Königlichen Oper hatte zur Folge, dass wir
zur Zeit überhaupt keine beachtenswerten musik-
dramatischen Vorstellungen haben. Denn der Be-
trieb bei Kroll trägt in allem die Kennzeichen des
Arbeitens vom Tag für den Tag, ist eben Notbehelf
Ueber die Oper im .Theater des Westens" war
auch in frtlheren Jahren nichts Besonderes zu
rühmen. Aber so schlimm^ wie jetzt, — in den
Aufführungen so tiefer Durchschnitt, im G^samt-
betrieb so ganz nur kurzsichtige Geldwirtschaft,
ist es doch unter Hofpaaer nicht gewesen, der
obendrein nicht so grossspurig von Volksbildungs-
stätte redete und nicht in den Entkleidungs-
manövem der Possentheater den Kern der Aus-
st&ttungsfrage sah. — Eigentlioh noch schlimmer
steht es mit den Orchesterkonzerten. Der Musik-
freund empfindet hier als schwersten Verlust das
Eingehen der „modernen" Konzerte unter Eichard
Strauss. Es ist eigentlich doch ein etwas beschä-
mendes Zeugnis, dass die Musikmetropole Berlin
nur ein leistungsföhiges Privat -Orchester hat.
Denn wenn das Berliner Tonkünstlerorchester
tüchtiger gewesen wäre, hätte sich die nötige
Teilnahme für die gesamten Konzerte sicher ein-
gestellt. Jetzt fehlt uns jede planmässige Pflege
des zeitgenössischen Schaffens. Auf dieses Plan-
mässige aber kommt es an, nicht dass hie und da
eine Neuheit mit durchgeschmuggelt wird. Es ist
einfach ungehörig, dass zum Beispiel Bruckner*s
Symphonien nur ganz vereinzelt und dann nur in
einer einmaligen Aufführung auf den Programmen
stehen. Wie soll sich das Publikum auf diese
Weise mit so tiefgreifenden Werken zurechtfinden
können. Wenn aber in einem Winter einmal
sämtliche Symphonien Bruckner's der B.eihenach
aufgeführt würden, fände sich bald eine grössere
Gemeinde zum Verständnis dieser herrlichen Per-
sönlichkeit zurecht. Man bedenke doch, welch'
riesiger Arbeit, welch' zahlloser Aufführungen es
bedurft hat, bis Beethoven weiteren Kreisen auch
geistig zugänglich wurde.
Eine derartige Aufgabe hätte in erster Linie
die „königliche Kapelle'^ an ihren Symphonieabenden
zu erfüllen. Aber gerade hier fährt sich am besten,
wenn man im ausgefahrenen Geleise bleibt. Die
Zuhörerschaft will nichts Neues. Das ist freilich
immer so gewesen, und die Persönlichkeit des
Dirigenten erweist sich gerade dadurch als schöpfe-
risch, dass sie die widerstrebende Zuhörerschaft
zur Annahme der neuen Werke zwingt. Aber
unsere Gastdirigenten — solche sind sowohl Wein-
gar tue r wie Nikisch — kommen ja garnicht
dazu, Erzieher zu werden. Sie begnügen sich mit
der Bolle des Virtuosen.
Die Königliche Kapelle hat übrigens wegen
der Schliessung des Opernhauses ihre Konzerte
abbrechen und auf den Sommer verschieben müssen.
So bleiben also einzig die philharmonischen Kon-
zerte, die schon aus Bücksicht auf ihren „gesell-
— 54 —
schaftliclieii^' Charakter in den Programmen sehr
beschränkt sind, ^enn aber hier die Vortrags-
folge des 6. Konzert>es in letzter Stunde völlig um-
gestaltet wurde, wenn man das 8. Konzert zu
einem Beethovenabend gestalt-ete, so hatte das
einen anderen Grund. Zwar wird der Beethoven-
abend mit der zehnten Wiederkehr des Todestages
Hans von Bülow's begründet. Das ist so wenig
im Geiste Bülow's, der seine Stellung stets als
Apostelamt, als Vorkämpferposten auffasste, dass
ich lieber an eine Notlüge, als an ein so äusser-
liches Miss verstehen glauben will. Zur Notlüge
aber greift man, weil man dem Publikum nichr
oder noch nicht eingestehen will, dass der Krieg
zwischen den KoDzertinstituten und der „Genossen-
schaft deutscher Tonsetzer^* ausgebrochen ist
Letztere verlangt, kurz gefasst, die TJebertragung
des Tantiemensystems auf öffentliche Konzertauf-
führungen. Für mein Gefühl ist diese Eorderung
durchaus billig und gerecht. Ich vermag nämlich
nicht einzusehen, weshalb dem Komponisten von
Symphonien, Oratorien u. s. w. nicht ebenso recht-
mässig Tantiemen zustehen sollen, wie den Opern-
komponisten. Ich verstehe nicht, wieso diese Ver-
pflichtung der Konzertveranstalter zur Tantiemen-
zahlung eine Gefahr für eine gesunde Musikent-
wicklung sein soll. Wohl verstanden, ich will
durchaus nicht behaupten, dass die „Genossenschaft
der deutschen Tonsetzer** die Erage in allem richtig
gelöst hat. Ich meine nur, der Grundsatz, dass
dem Komponisten aus der öffentlichen Auffülirung
seiner Werke ein dem Erfolg dieser Aufführungen
entsprechender Gewinn zufliessen soll, sei natürlich
und gerecht. Man ruft den deutschen Idealismus
dagegen auf. Warum sollen gerade nur die Kom-
ponisten die Kosten dieses Idealismus tragen?
Warum sollen nicht die Konzertinstitute einen ganz
bescheidenen Anteil daran haben? Da klagt man,
den deutschen Kapellmeistern werde die Be-
wegungsfreiheit unterbunden, der ideale Unter-
nehmungsgeist geraubt. Schlimm genug, wenn
eine grosse Aufführung deshalb unterbleiben sollte,
weil die Veranstalter sich sagen: Von der Ein-
nahme musst Du 2—8 vom Hundert an den Kom-
ponisten abführen. In Frankreich ist man seit
Jahrzehnten so „ideal**, dass man dem schöpferischen
Musiker auch die materielle Möglichkeit, von seinen
Kompositionen zu leben, gibt. Ich meine, dieses
Verhältnis sei idealer, als das deutsche, wo gerade
der Komx>onist ernster und grosser Werke (von
Opern abgesehen) sich damit abünden musste, dass
er mit seinen Kompositionen auch den bescheidensten
Lebensunterhalt nicht erwerben konnte. —
Ich meine, unsere ersten Konzertinstitute, wie
gerade die Berliner Philharmonie, für deren Kon-
zerte jedes Bisiko von vornherein ausgeschlossen
ist, auch wenn 2— 3^/o der Einnahme abgegeben
würden, sollte einmal so ideal sein, dem Kom-
ponisten zu geben, was ihm gehört. Statt dessen
i^ber werden Tt utzbündnisse geschlossen, in denen
man sich zur Verpflichtung macht, nur tantiemen-
freie Werke aufzuführen. Als dürften Verleger,
Agenten, Konzertinstitute, Dirigenten und reprodu-
zierende Musiker zwar von der Musik leben, aber
ja nicht der Komponist Der ganze Streit wird
dadurch nicht würdiger, dass man durch Ver-
legenheitsprogramme sein Vornandensein zu ver-
decken sucht.
Auch das Programm des 6. philharmoni-
BchenKonzerts verriet die Verlegenheit. W^urde
es doch noch in letzter Stunde völlig abgeändert.
Es war denn auch nicht besonders glücklich.
Tschai kowsky gibt es doch etwas zu vieU
Konrad An sorge 's 'Klavierspiel verliert in dem
zu grossen Baum sein bestes; erst recht, wenn die
Arbeit dem etwas allzu bravourmässig äusserlichen
A-dur-Konzert Liszt's gehört Blieb so als über-
ragende Gabe Schubert's unvollendete H-moU-
Symphonie, einer jener gewaltigen Torsos, an denen
gerade die deutsche Kunst so reich ist. Glück-
licherweise haben hier noch keine schwächlichen
Finger es versucht, dort anzusetzen, wo der Tod
die Biesenhand des Genies erstarren liess. Es gibt
Dinge, die nicht vollendet werden dürfen, weil sie
sonst von neuem den Frevel des Prometheus be-
gingen und hinauflangten in Höhen, die den
Menschen versagt sind. — Einen weit besseren Ge-
samteindruck hinterliess das 7. philharmonische
Konzert. Das war das Verdienst des Solisten
Henri Marteau. Mir ist dieser Künstler der
liebste Geiger der Gregenwart. Er hat den Stil der
Grösse, und diese Grösse ist Schönheit. Es gibt
bei ihm keinen unlauteren Ton, alles erscheint in
wundervoller Klarheit; aber nie wirkt er süsslich,
so bezaubernd süss sein Spiel ist, nie wirkt er
weichlich, so wonnig die breiten Wellen seiner
grossen Töne uns umfluten. Er ist als reprodu-
zierender Künstler, was Mozart unter den
Schöpfern ist. Marteau spielte das C-moll-Konzert
von E. Jaques-Dalcroze. Als er uns vor zwei
Jahren dieses Werk als Neuheit brachte, habe ich
es an dieser Stelle als herrliche Bereicherung der
Violinliteratur willkommen geheissen. Ich freue
mich, heute sagen zu können, dass ich wieder
dasselbe Empfinden hatte, einer wirklich dauernd
wertvollen Schöpfung gegenüber zu stehen. Schade
aber, dass man wieder unterlassen hatte, der Zu-
hörerschaft wenigstens einigermassen durch ein
Programm zu Hilfe zu kommen. Ich verstehe
vollkommen, dass der Komponist seine Musik für
ausdrucksvoll genug hält; auch bewegt sich das
Programm in so elementaren Gefühlsschichten, dass
die Phantasie von selbst in die richtige Bahn ge-
langen müsste. Aber, aber, die Zuhörerschaft
unserer Konzerte kommt zumeist von der Arbeit
oder sonstiger 2^rstreuung schnell ins Konzert.
Da findet selbst die willige Phantasie im über-
hellen Saal, wo so viel Ablenkendes sich aufdrängt,
nicht leicht die Kraft zum Fluge. Wenigstens
kann man ihr den Weg weisen. Hier ist^s ja mit
— 55 —
wenigen Worten getan. Wie dem Künstler die
Liebe znr Führerin wird ans der Arbeit zum
Schaffen, ans dem Wissen znm göttlichen Erkennen,
ans dem Wollen znm Werden — das ist in drei
Worten der Inhalt der drei Sätze, die man mit
Arbeit — Liebe — Schaffen überschreiben könnte.
Eine symphonische Dichtung, deren Programm so
glücklich ist, dass es in die überkommene Form
sich fügt. Denn nm Wagnerische Begriffe zn
branchen; hier bedeutet der Wechsel der Stim-
mung gleichzeitig die Entwicklung einer Idee. —
Gegenüber dieser bedeutenden Schöpfung Ter-
blasstA-Glazounow's Suite für grosses Orchester
^Moyen-äge" vollkommen. Suite heisst „Folge''
nnd war im Grunde der beste Name für die erste
Art, wie man mehrere für sich stehende StÜc&e
aneinander reihte. Ans dieser rein äusserlichen
Art der Verbindung haben sich dann alle grossen
orchestralen Formen entwickelt und vertieft. Nur
die Suite ist eigentlich dasselbe geblieben. Sie ist
darum auch hente noch dort ganz angebracht, wo
die Musik mehr ein Spielen mit Formen ist. Da-
gegen ist es ein gar schlimmes Ding, wenn man
für Programnunusik die Form der Suite wählt, so-
fern man dann auch noch vom Hecht der Unlogik
Gebrauch macht, wie hier Glazounow. Diese
vier Bildchen aus dem Mittelalter haben mit ein-
ander gamichts zu tun. Leider sind sie auch in
sich belanglos. Des Russen grosse Satzknnst zeigt
sich freilich auch hier.
An grösseren Aufführungen, auf die sich der
diesmalige Bericht bescüränken soll, hatten wir
dann noch die Darbietung von Beethoven's „Missa
Solemnis'' durch die Singakademie. Ec war in
den Chören eine sehr gute Aufführung, die warmen
Dank verdient. Auf das auf einem Gipfel für sich
stehende Werk will ich heute nicht zu sprechen
kommen. Zwei Bemerkungen nur hinsichtlich
der Aufführung. Der Saal der Singakademie ist
für diese gewaltigen Tonmassen zu klein. Bei den
Biesen werken Beethoven*s darf einem das Gefühl
der Beengung nicht aufsteigen. Das widerspricht
dieser titanischen Gewalt, deren innerer Gkhalt im
Gegensatz zur oft beliebten Grosstuerei mit der
Grösse der äusseren Verhältnisse wächst. Sodann
fühlt man gerade bei diesem Werke ganz besonders
schmerzlich die Unzulänglichkeit der Soloquartette.
Ich sage nicht der Solisten. Denn das Unzu-
längliche braucht gamicht in den einzelnen Lei-
stungen zu liegen. Sie beruht vielmehr auf der
Unausgeglichenheit der Gesamtleistung. Wann
endlich wird man einsehen, dass es durchaus un-
künstlerisch ist, zu jeder Aufführung beliebige
Solisten zusammenzustellen, dass das Sollsten-
quartett ebenso gut eine höhere Einheit darstellen
muss, wie etwa ein Streichquartett?
Mittellungen
von Hoohsohulen u
Die Eonzertsängetin Frl. Wally Schauseil-
Düsseldorf ist vom April an als Gesanglehrerin
an das Kölner Konservatorium engagiert
worden.
Der Pianist Otto Hegner ist zum 1. Sep-
tember d. J. als Klavierlehrer an das Dr. Hoch-
sche Konservatorium zu Frankfurt a. M.
berofen worden.
Das Königl. Konservatorium ftlr Musik
in Stuttgart besuchen gegenwärtig 429 Schüler
and Schüler innen. Hiervon sijid 858 aus Deutschland,
1 Dänemark, 4 Frankreich, 1 Griechenland, 11
Groesbritannien und Irrland, 1 Italien, 1 Nieder-
lande, 8 Oesterreich-Ungarn, 15 Schweiz, 17 Nord-
amerika, 7 Südamerika, 1 Nordafrika, 2 Südafrika,
I Türkei und 1 aus Ost-Indien.
Das Konservatorium für Musik in Kob-
lenz, Direktor C. Heubner, brachte in seinem
4. Abonnementskonzerte eine neue Komposition
nd KonBervatorien.
^Das Geheimnis der Sehnsucht** für Solo, Chor
und Orchester von Conrad Heubner, mit grossem
Erfolge zur erstmaligen Aufführung. Der Tenorist
Ludwig Hess und der Violinvirtuose Alexander
Petschnikoff wirkten in der AufftLhrung als
Solisten mit.
Von Heinrich Neal, dem Direktor des
Heidelberger Konservatoriums, kam bei der
Kaiserfeier in der höheren Mädchenschule sein
neuestes Werk „Admetus** zur ersten Aufführung.
Zu sechs der schönsten Szenen aus Herder's . Admetus**
ist die Musik für dreistimmigen Frauenchor, eine
Solostimme und Klavierbegleitung geschrieben!
sie erzielte bei der Aufführung eine tiefe und er-
greifende Wirkung.
Herr Robert Stark, Lehrer an der kgl.
Mutiikschule in Würz bürg, erhielt vom Prinz-
regenten von Bayern den Titel eines kgl. Professors
verliehen.
Yermischte Nachrichten.
Bei dem diesjährigen Ordensfeste erhielten
Prol Xaver Scharwenka den Roten Adlerorden
IV. Kl., Königl. Kapellmeister Dr. Muck den
Kronenorden TTT. Kl., Prof. W. Freudenberg
und Kammermusiker Löffler den Kronenorden
IV. Kl. Der Hofcellist Heinrich Grünfeld ist
zum Königl. Professor ernannt worden.
Jean Louis Nicod^ in Dresden hat eine
— 56 —
secbssätzige Sinfonie „Gloria! Ein Stnrm- und
Sonnenlied* mit Schlnsschor beendet, deren ür-
aofführnng gelegentlich der diesjährigen Ton-
künstler-Versammlnng des Allg. Dentechen Mnsik-
Vereins in Frankfurt a. M. stattfinden soll.
In Aachen stiftete Amtsgerichtsrat Paul
Waldthansen. der Stadt die Summe von 186000
Mark znc Veranstaltung von Kammermusik-
abenden: zu billigen Preisen, und in Düren
spendete der Pabrikant Eberhard Hoesch eine
halbe Million zur Erbauung eines Stadttheaters
und Konzerthauses.
In dem Musik -Salon Bertrand Hoth,
Dresden wurde das Andenken Eduard Lassen's
durch Aufführung einer Heihe seiner Werke in
vornehmer Weise gefeiert. Drei Sätze aus seinen
„Biblischen Bildern", op. 49, das „Konzert für
Violine", op. 87, und eine Eeihe von „Liedern"
kamen zu Gehör. Neben dem Konzertgeber,
Herrn Beitrand Both, hatten sich eine Beihe aus-
gezeichneter Künstler und Künstlerinnen der
schönen Feier gewidmet.
Professor Hermann Kretzschmar wird, wie
No. 76 der „Mitteilungen* der Firma Breitkopf
& Härtel berichten, die Bedaktion einer Beihe
von geschichtlichen Darstellungen ein-
zelner Kompositionsgattungen übernehmen.
Es erscheinen zunächst: Dr. H. Kretzschmar
„Geschichte des neueren deutschen Liedes* und
Dr. Arnold Schering „Geschichte des Konzerts".
Es werden folgen: Geschichte der „Solokantate**,
des „Chorlieds", der „Motette", „Messe", „Passion*,
des „Oratoriums", der „Oper", der „Klaviermusik"
u. s. w. — Aus den „Mitteilungen" ist ferner zu
entnehmen, dass die praktische Nenausgabe der
Orchesterwerke G. Fr. Händeis durch Max
Seiffert im Sinne Chrysander's mit dem Concerto
grosso No. J2 beginnt. F. Th. Cursch-Bühren
berichtet über die 1908 im Verlage von Breitkopf
& Härtel erschienenen Kammermusik-, Orchester-,
Gesang- und Chorwerke. Gesanglehrer seien auf
die deutsche Singfibel für die ersten Schul-
jahre aufmerksam gemacht. Der Musikgeschichte
dienen die Ausgaben der Werke von Melchior
Frank, Valentin Hausmann, Joh. Pachelbel
und Martin Zeuner in den „Denkmälern deutscher
TonkxmBt" und inEitner's „Publikationen'^ Das
Ausland ist mit der Early Bodleian Music,
Twelve Elizabethan Songs und mit dem vierten
Band der Denkmäler italienischer Tonkunst
(L'Arte musicale in Italia) vertreten.
Im nächsten Sommer finden im Prinzre-
genten-Theater zu München in der Z^eit vom
12. August bis 11. September 20 Festauffüh-
rungen folgender Richard Wagnerischer
Werke statt: „Der Bing des Nibelungen"!
„Tristan und Isolde", „Der fliegende Hol-
länder*, „Die Meistersinger von Nürn-
berg*. Zu den Dirigenten gehört in diesem
-l«^hre auch Felix Weingartner. Er wird
zwei Aufführungen von „Tristan und Isolde" leiten,
Arthur Nikis ch dirigiert die „Meistersinger"
und Felix Mottl den „Fliegenden Holländer*.
Ausserdem werden im KönigL Besidenz-
Theater und Königl. Hof- und National-
theater in der Zeit vom 1. bis 11. Augast 10
Festaufführungen Mozart'scher Opern statt-
finden, und zwar : „Die Za aberflöte", „Figaros
Hochzeit", „Entführung aus dem Serail",
„Don Giovanni" und „Cosi fan tutte". Bei
den Festaufführungen wird das gesamte Künstler*
personal des Münchener Hof- und Nationaltheaters
in Verein mit hervorragenden auswärtigen Gästen
mitwirken. Die Oberleitung der Begie ruht in den
Händen des Kgl. Intendanten Prof. Ernst von
Possart. Die musikalische Leitung ist den Herren
Generalmusikdirektor Felix Mottl, Prof. Arthur
Nikis ch (Leipzig) und Hofkapellmeister Franz
Fischer übertragen. Ausführliche Prospekte!
welche alle wissenswerten Angaben enthalten, sind
durch die Generalagentur: Beisebureau Schenker
& Co., München, Promenadeplatz 16, kostenfrei zu
beziehen.
Zu einem kürzlich von Papst Pius X. er-
lassenen Motu proprio über die Beform des
Kirchengesanges wird der „Wiener Neuen freien
Presse" von berufener Seite mitgeteilt:
„In Born wird f ör Ostern 1904 eine sehr glän-
zende dreizehnte Jahrhundertfeier des heiligen
Gregor des Grossen, des Schöpfers des Gre-
gorianischen Kirchengesanges, vorbereitet.
Festlichkelten aller Art sind geplant; ein Kongress
aller Männer der Wissenschaft, deren Forschungen
sich mit Gregor dem Grossen beschäftigen, soll in
der ersten Woche nach Ostern iuBom zusammen-
treten. Ein Aufruf an katholische Gelehrte aller
Länder ist ergangen, Vorträge Über Liturgie und
Kirchengesang, die durch Gregor eine so mächtige
Förderung erfahren, zu halten, und Schriften über
christliche Archäologie des sechsten und siebenten
Jahrhunderts wie über den liturgischen Gesang
sind in Vorbereitung. Die Jubelfeier Gregorys des
Grossen gibt nun Anlass zur Beratung und Be-
gelung des von den Künstlern verherrlichten
Gottesdienstes. Die bedeutendsten Kirchenmusiker
und Komponisten kirchlicher Musik sind eingeladen.
In Gegenwart des Heiligen Vaters soll in der
Peterskirche von tausend Sängern, zum Teil
Mönchen und Seminaristen, eine grosse feierliche
Messe zur Aufführung gebracht werden, wo der
reine Gregorianische Chorgesang zur Geltung
kommen soll. Der Erlass des Papstes bereitet auf
diese Dinge vor, er richtet sich an die Bischöfe
der Welt und durch die Oberhirten an alle Gläu-
bigen. Eine Beform des Chorals und der
Kirchenmusik ist das Ziel des Papstes, der die
alten traditionellen Melodien des Gregorianischen
Chorals beim Gottesdienste wieder einführen will.
Es ist in Hinblick auf die mächtige Wir-
kung des Chorals in der protestantischen
— 57 —
Kirche schon lange das Bestreben, die
grossen instrnmentalen Messen za besei-
tigen. Mozart, die beiden Haydn, Chernbini
sind schon seit einiger Zeit verpönt. Aber der
Papst hat zumeist die opemhaften, virtuosen-
massigen Aoffühmngen in Italien im Ange. Die
Franzosen haben seit zwanzig Jahren die Beform
des Kirchengesanges im Auge. Insbesondere die
französischen Benediktiner (von Solesmes)
sind unablässig in der Bückkehr zum alten Gre-
gorianischen Kirchengesange tätig, und der Papst
steht ganz auf ihrer Seite. Neue Ausgaben des
alten Kirchengesanges sind in Cambrai, Beims
und Digne veranstaltet worden. Ebenso hat
Pustet in Begensburg seit 1876 an einer neuen
Bedaktion arbeiten und drucken lassen. Die Kon-
gregation der Biten hatte Pustet in Begensburg
für dreissig Jahre ein Privilegium gegeben. Nun
ist dasselbe erloschen und seit 1900 veranstalten
französische und belgische Musikverl^er Ausgaben
von Choralgesängen, in welche der Papst, ein mu-
sikalisch gebildeter Mann, der sich schon als
Bischof für diese Angelegenheit interessierte, Ein-
blick genommen hat. Sie werden in Bom zu
Ostern geprüft und besprochen werden und danach
ist die vollständige Begelong des liturgischen
Bituals zu erwarten.^
Bücher und Musikalien.
Adolf Rnthardt: Studien werke für Pianof orte,
op. 40 „Triller-Studien",
op. 41 „Oktaven-Studien",
op. 42 „Tonleiter-Studien",
op. 43 „Präludien".
Otto Forberg-Lelpilff.
Es ist mit ebensoviel Freude als Interesse zu
begrüssen, dass der hochangesehene Klavierpädagog
Adolf Buthardt mit vier neuen, trefflich ausge-
arbeiteten Studienwerken das Gebiet der instruk-
tiven Klavierliteratur pflegt. Alle vier oben an-
gezeigten Werke Buthardt^s empfehlen wir um so
angelegentlicher, als sie weit über der bekannten,
herkömmlichen und von manchen Lehrern und
Lehrerinnen nach wie vor benutzten ünterrichts-
literatur stehen und weil sie nicht allein Produkte
eines tief erfahrenen Klavierpädagogen, sondern
auch eines warm empflndenden, ideenreichen und
mit allem Büstzeag seiner Kunst ausgestatteten
Musikers sind.
Obwohl die Triller-Studien (op. 40) zu-
nächst einen rein technischen Zweck verfolgen, so
sind sie doch auch andererseits ungemein geeignet,
das musikalische Gefühl zu beleben, und dienen
darum als sehr förderliches Material zur Vervoll-
kommnung eines fein ausgearbeiteten Vortrags.
Ich halte es ftir einen besonderen Vorzug, dass
sich in den vorliegenden Studien werken unausgesetzt
technische Zwecke mit echt musikalischen Mo-
menten eng verbinden. Die beiden Hefte geben
reichen Stoff: Triller ohne Nachschlag in jeder
Hand allein, Ketten-Triller, Triller über Akkorden
kurzer Triller mit Nachschlag imd gleichzeitiger
Triller in beiden Händen. Des Weiteren folgen
Stadien für die Ausführung des Trillers ober- und
unterhalb der Melodie, melodische Ausnutzung
des Trillers, Doppeltriller und Oktaven-Melodien
mit unterbrochenem Triller und Terzen -Triller.
Als allerliebste Vortragsstücke empfehlen sich
durch Zierlichkeit, Eleganz und schöne Melodie-
führung insonderheit die Nummern 5, 6, 7, 8
und 10.
Wesentlich unterscheiden sich von den eben
besprochenen Studien die dem Oktavenspiele
gewidmeten des op. 41. Sie sind Eerruccio Busoni
zngeeignet und wenden sich an fertigere Spieler,
da sie die vollendete Bravour und das grossartige,
faszinierende Spiel zum Zwecke haben. £s sind
ohne Ausnahme ausgezeichnet erfundene, klang-
und wirkungsreiche Charakterstudien, worin das
tondichterische Element bedeutend und den musi-
kalischen Sinn erfrischend in den Vordergrund
tritt. Ein „Präludium*^ grossen Stils leitet das
Ganze ein und ist neben eminenter Klangfülle
auch dnrch den ihm innewohnenden rhythmischen
Wechsel sehr interessant. Eine ausgeprägte, schöne
Melodie Hegt in der Mittelstimme und wird un-
aufhörlich von den Oktavengängen der rechten
Hand umspielt — so recht eine Vorstudie für den
Liszt'schen Klaviersatz! Pur das gebundene
Oktavenspiel bietet eine melodisch reizvolle
„Kavatine^ schönes Material, während eine
hübsche „Toccatina" und eine energisch sich
entwickelnde zweistimmige ,Fuge*^ Anlass geben,
das Spiel der Staccato-Oktaven zu kultivieren.
Eine „Caprice-* führt zum gebundenen Vortrage
von gebiochenen Oktavengängen, eine höchst
melodisch gehaltene „Idylle" bringt die Ver-
wendung des Hanptthemas in Oktavengängen
und veranlasst auch zugleich den Spieler, nach-
setzende Oktaven und kurze Oktaven-Triller zu
üben. Feine Stücke sind auch die zierlich dahin-
schreitende „Gavotte" und der „Trauermarsch" mit
seiner si'.hönen, gewichtigen Melodie nebst dem
scharf kontrastierenden Trio. In gleich packendem
Gegensatze befinden sich die beiden letzten Stücke
des Werkes: ein leicht flatterndes ,Allegretto
scherzando" und eine durch mnsikalisches Gewicht
hervorragende „Passacaglia", welche die Sammlung
prächtig abschliessen. Die Passacaglia ist übrigens,
bedeutend überarbeitet und musikalisch vertieft in
einer Sonderausgabe erschienen und stellt sich
in ihrer virtuosen Ausstattung als exquisites
Konzertstück dar.
— 58 —
In den Tonleiter-Studien (op. 42) schreitet
Hnthaxdt mit Bedacht von Leichtem zn Schwerem,
von Einfachem zu Kompliziertem vorwärts xmd
bietet mit diesen Etfiden höchst schätzenswerte
Unterrichtsmaterialien. In durchaus ungezwungener
Weise erwächst hier alles aus der Grundform der
Tonleiter und es ist erstaunlich zu sehen, wie der
Komponist den an sich ziemlich spröden Stoff mit
voller Ueberlegenheit und Leichtigkeit beherrscht
und dem leitenden Gedanken des Ganzen unter-
tänig macht In allen diesen, Professor Emil
Sauer zugeeigneten Etüden ist in konsequenter
Weise auf die absolut gleichförmige Ausbildung
beider Hände Bedacht genommen. Während die
ersten beiden Stadien sich als ausgesprochene
Uebungsstücke darstellen, die gewissermassen die
Einleitung des Werkes bilden, lassen sich alle
folgenden viel mehr unter dem Gesichtspunkte
von Charakterstudien betrachten. So die dritte
Nummer als zierlich auftretende „Caprice^S ^^^ vierte
als „Saltarello" und die fünfte als liebenswürdiger
„Ländler*^ Ein lebendig empfundenes und in der
Darstellung sehr energisches Stück ist die sechste
Studie mit ihrer scharf ausgeprägten Physiognomie
und ihren starken Accenten, während sich die
folgende, mehr chromatischer Natur, durch düsteres
Kolorit und aufgeregte, einheitlich festgehaltene
Stimmung von ihren Vorgängerinnen unterscheidet.
Für ein Kabinetstück hält Referent die achte
Studie, welche durch Vornehmheit des musika-
lischen Ausdrucks, zarte Melodiebildnng und
-Führung, sowie feinste Miniaturmalerei und liebe-
volle Behandlung des Arabesken werks hervorragt
und — peinlich ausgearbeiteten und durchgeistigten
Vortrag vorausgesetzt — als ungemein anziehendes
und pikantes Vortragsstück gelten darf. Aehnliches
gilt auch von den zwei letzten Nummern der
Sammlung: die neunte Nummer ist wieder ein
geistreiches „Capriccietto^*, das zunächst die Aus-
führung der Staccato-Tonleiter im Auge hat und
durch famose Thematisier ung und feine Imitation
prächtig wirkt; die Schlussnummer ist ein „Perpe-
tuum mobile** leidenschaftlich erregter Natur, wo-
rin der rechten Hand die Hauptaufgabe zufällt
und ein musikalisches Charakterbild geschaffen
ist, das in seiner Unmittelbarkeit den Hörer
packt und alle eigentlich instruktiven Absichten
augenblicklich vergessen macht. Allen Studien
des Buthardt'schen op. 42 aber ist eindringliche
originale und vornehme Melodik, ausserordentlich
interessante Bhythmik und ungemein geistreiche
Harmonisierung gemeinsam.
Nicht eindringlich genug kann allen musika-
lischen Erziehern, wie Klavierspielern überhaupt,
die Bedeutung der im gleichen Verlage erschienenen
Fünfzehn Präludien (op. 43) nahegelegt werden.
Es sind Studien zur Förderung des polyphonen
Stils, Kompositionen, welche mau sogleich wegen
der Bestimmtheit des Ausdrucks und urgesunden
Inhaltes liebgewinnt. Die beiden, Professor Dr.
HugoBiemann zugeeigneten Hefte bergen treff-
liche Musik und sind den wertvollsten Beiträgen
auf dem Gebiete der modernen ELlavierllteratur
zuzurechnen. Auch hier ist die künstlerisch voll-
endete Polyphonie immer nur lediglich Mittel
des Ausdrucks und Trägerin eines tieferen ton-
poetischen Gedankens und stets ist die musika-
lische Sprache des Komponisten eine vornehme,
alles Herkömmliche und schon Gesagte mit Sicher-
heit vermeidende. Buthardt^s Präludien sind Stu-
dien höherer Gattung, deren man in gleicher
Güte und Vollendung nicht genug haben kann,
ümsomehr, als unsere Zeit wiederum das polyphone
Moment mit Fug und Becht so sehr begünstigt
und unsere gesamte moderne Kunst sich gerade
in ihren hervorragendsten Produktionen hierauf
stützt und auf diesem Fundamente das Bedeu-
tendste geleistet hat. Buthardt's durch und durch
musikalische, nach Seite der Erfindung wie auch
des Satzes hochstehende Präludien betrachtet
Beferent nicht allein als treffliche, kaum zu um-
gehende Studienmittel für die Durchbildung des
polyphonen Klavierspiels, sondern vielmehr auch
als ein im höchsten Grade preisenswertes Hilfs-
mittel, das Verständnis für polyphone Musik über-
haupt zu heben und zu beleben. Denn noch
immer existiert eine unendlich grosse Anzahl von
Lieuten, die immer nur horizontal und nicht ver-
tikal zu lesen und zu hören verstehen. Alle hier
besprochenen Studienwerke von Adolf Buthardt
sind übrigens in den Konservatorien von Wien
und Leipzig bereits als Studienmaterial eingeführt
worden.
Ferd. Uiunmel) op. 74, No. 5. „Adagio cantabile"
für Violoncello mit Pianofortebe-
gleitung.
Irait Ealeabarf, Leipilf.
Die Verlagshandlung Ernst Eulenburg in Leipzig
bietet mit Ferdinand HummePs Adagio cantabüe
(H-moll) ein ausgezeichnet schönes Vortragsstück
für Violoncello mit Begleitung des Pianofortes.
Die sehr sympathische Komposition ist im Original
für Violine, Viola, Violoncello, Harfe, Orgel (oder
Harmonium), zwei B-Ellarinetten und F-Hom ge-
schrieben, hinterlässt aber in der bestens gelun-
genen Bearbeitimg durchaus den Eindruck eines
Originalwetkes für gedachtes Soloinstrument. Die
von Hummel erfundene Melodie i^t edel und aus-
drucksvoll, von ernstem und vornehmem Charakter,
dabei von bedeutender Eindringlichkeit und dau-
erndem Beize. Die Originalbesetznng des trefflichen
Stücks wird unter Umständen nicht immer ohne
Weiteres zu ermöglichen sein, und da kommt dann
genanntes Arrangement in erfreulichster Weise zu
Hilfe. Ferdinand Hummel's Adagio empfehlen
wir dringend als Produkt eines gesunden und fein-
gebildeten Musiksinnes; es verdient die Beachtung
ümsomehr, als es zu den besten Originalsachen
der einschlägigen Literatur gehört und sich zum
— Ö9
Vortrage in Konzert and Hans als vorzüglich ge-
eignet answeisen wird.
Eugen Segnitz,
öoby Eberhardt, op. 100. „Violin-Carsus", Heft I
(erste Lage). Für Anfänger.
HeiarlekAkoflem'f Terlavy Hifdebarf.
Das Werkchen zeichnet sich dadurch ans, dass
der Schüler nicht viele neue Noten za lesen bekommt,
es ist immer nar ein kleiner Tonamfang, der znm
Bau dieser Stodien verwertet worden ist. Anch
mit schwierigen Tonarten hat der Verfasser Lehrende
und Lernende verschont. Der Schüler ist dadurch
im Stande, mehr anf seine Bogenführang und auf
einen korrekten Fiugeranfsatz zu achten. Damm
verdient das Opas in Wahrheit den Namen „Studie^.
£s ist aber dringend notwendig, daneben mnsi-
kaiisch anregende Stückchen mit guter Be-
gleitung zu gebrauchen, die den Lehrern ja jetzt
in grosser Menge zur Verfügung stehen.
Dagobert LötoenthcU.
Pädagogiscbe Lesefrüchte.
Mitgeteilt von
Helnrleh Crermer.
Dem erziehenden Unterricht liegtallesan
der geistigen Tätigkeit, die er veranlasst.
Diese soll er vermehren und veredeln. Die Köpfe
müssen geweckt werden! Der Schüler muss bald
seine Fortschritte wahrnehmen, dadurch wird am
besten sein Interesse geweckt und seine
Selbsttätigkeit angeregt. Sie regt sich,
wenn er fühlt, dass er etwas kann.
Unmittelbare Wirkung auf das Gemüt der
Jugend, in der Absicht zu bilden, ist Zucht. Die
Zucht schaut in die Zukunft des Zöglings. Sie
beruht auf der Hoffnung und zeigt sich zu-
nächst in der Geduld. Ursprünglich ist die
Zucht ein persönliches Benehmen, wo-
möglich nichts anderes als eine freundliche
Behandlung; aber sie tritt wirksam hervor
gegen Schwächen und Fehler des Zöglings, die
die auf ihn gerichtete Hoffnung vereiteln könnten.
Schickliches Betragen verlangt die Zucht; natür-
lichen Frohsinn begünstigt sie, soweit es sich mit
dem Unterricht vereinigen lässt. Immer aber soll
der Zögling den Unterrichts-Gegenstand fest im
Auge behalten; es wäre schlimm, wenn ein Be-
streben, sich zu produzieren oder sich zu belustigen,
das Uebergewicht bekäme und die Arbelt ver-
gessen machte.
Der gute Erzieher wird sich gern dem
Zöglinge persönlich angenehm machen,
wenn dieser nicht das Gegenteil verschuldet. Sanfte
Worte verhüten, wo es irgend sein kann, jede
härtere Massregel.
Nicht gleichgiltig sieht der Erzieher den
Portschritten zu, die dem Unterricht entsprechen;
seine persönliche Teilnahme oder Besorgnis wirkt
sehr stark mit dem Interesse zusammen,
welches beim Lernen mehr oder minder erwacht
ist, falls es aber fehlt oder gar in Widerwillen
überzugehen droht, so kann es durch keine Zucht
ersetzt werden. Herbart.
Suche den Unterricht interessant
zu machen.
Was unsere Teilnahme und Aufmerksamkeit
in vorzüglichem Grade in Anspruch nimmt, was
unser inneres Lebensspiel auf eine naturgemässe
Welse erregt und erhöht, nennen wir interessant.
Will man sich daher der ungeteilten Aufmerk-
samkeit einer versammelten Menge bemächtigen,
sie fesseln, so muss man danach trachten, ihr
durch unsere Persönlichkeit oder durch die Art
und Weise, wie wir einen Gegenstand behandeln,
reines Interesse einzuüössen oder interessant zu
werden.
Für den Lehrer hat die Fähigkeit, den Unter-
richt interessant zu machen, noch ein höheres
Interesse, weil sie den Erfolg hat, dass der Schüler
ein freies Wohlgefallen an dem Wahren, Schönen
und Guten bekommt und sich mit diesen grossen
Dingen gern beschäftigt. Wir fragen daher: wo-
durch wird der Unterricht interessant? und ant-
worten: 1. durch den Wechsel, 2. durch die
Lebendigkeit des Lehrers, 8. durch
seine ganze Persönlichkeit.
„Der Wechsel ist die Würze des Lebens" sagt
ein bekanntes Sprichwort. Wie sollte es nicht ein
Bedürfnis für die Jugend sein, denselben Lehrstoff
in mannigfaltigen Formen und Gestalten erscheinen
zu sehen ? Denn in der Mannigfaltigkeit der Stoffe
kann der Lehrer die Abwechslung in der Begel
nicht sehen, sondern in der Form und Manier der
Behandlung. Darum denket auf deren Veränderung
und Wechsel! —
Aber der Wechsel tut nicht alles, nicht einmal
das meiste; mehr schon die Lebendigkeit, die Er-
regtheit, die Frische des Lehrers, seine natürliche
Lust zu lehren, seine Freude an dem Gelingen
schwacher Versuche u. s. w. Ist doch die Unter-
richtskunst nicht bloss eine Kunst, mitzuteilen,
sondern zu erregen, zu wecken und zu beleben.
Nur das Leben erzeugt Leben; darum eigne dir
möglichst frische Lebendigkeit an, und zwar durch
Umgang und Anschauung erregter Menschen und
Lehrer; durch nüchterne naturgemässe Lebens-
weise (denn vieles hängt dabei vom Körper ab),
der es nicht an belebendem Wechsel fehlt; durch
— 60 —
die Vorstellnng von dem Werte und der Bedentnng
des Lebens, in Tätigkeit zugebracht (indem wir
doch nur soviel gelebt haben, als wir tätig ge-
wesen sind); durch die Anschannng der unend-
lichen Tätigkeit im Natorleben besonders im Früh-
linge nnd durch höhere, religiöse Verständigung
über den Zweck des Daseins und den Gedanken
an eine Vorsehung, die den Menschen berufen hat,
daas er wirke, so lange es Tag ist. Kurz durch
deine ganze Persönlichkeit suche den Unterricht
Interessant zu machen.
Diesterweg.
MeiDDDgs-Austausch.
Es lag weniger in meiner Absicht, mit Frl.
Bandmann über ihre „Theorie der Tonbildung
und Technik'' zu diskutieren, obgleich sich da-
gegen manches sagen Hesse, als dieselbe zu nötigen,
sich über den Ursprung ihrer Darlegung auszu-
sprechen.
Mein Zweck ist erreicht; ich erfahre aus ihrer
Entgegnung (Klavier-Lehrer 16. Jan. 04), dass Frl.
Bandmann 12 Jahre Schülerin von Deppe war«
Von meinem Standpunkte aus war es geboten,
dieselbe zu diesem Bekenntnis zu drängen, nicht
allein, weil sie in ihrem Aufsatze im „Klavier-
Lehrer'' sich durch Nichterwähnen Deppe*6 den
Anschein gibt, als wäre sie selbst gewissermassen
Pfadünderin, aber umsomehr, als sie in der Zeit-
schrift der Internationalen Musikgesellschaft
(1902, Heft 8) veröffentlichte: „dass sie ihre An-
regungen und auch die Möglichkeit, diese in die
Praxis zu übertragen, Herrn Clarck verdankt^,
und Deppe als ihren Lehrer nur ganz nebenbei
erwähnt. Diese Aeusserung musste ein sehr be-
greifliches Gefühl der Entrüstung hervorrufen, und
ich lese deshalb mit Grenugtuung, dass Frl. Band-
mann sich nun entschlossen hat, diesen Fehler
wieder gut zu machen, indem sie nächstens über
ihren Lehrer Ludwig Deppe zu schreiben beab-
sichtigt. Ich werde mich freuen, wem ich mich,
wenigstens in Beziehung zu ihrer Grundlage, dann
mit ihr einverstanden erklären kann.
Emil SöcJiting.
Mit besonderem Interesse habe ich in No. 22
des „Ellavier-Lehrer* aus den Verhandlungen des
Musikpädagogischen Kongresses über die von Herrn
Dir. Vogt, Hamburg, erwähnte nnd mit Nach-
druck empfohlene Konservatoriumsbibliothek ge-
lesen.
Vielleicht ist es mir gestattet, an dieser Stelle
über eine Einrichtung zu sprechen, die ich in
meinem Schülerkreise seit Jahren mit Erfolg ein-
geführt.
Man lernt die von Herrn Dir. Vogt erwähnten
Schwierigkeiten betreffs des für die Schüler not-
wendigen Notenmaterials vielleicht als Privat-
lehrerin in einer kleinen Stadt noch mehr kennen,
wie als Leiter eines Konservatoriums, da man hier
vielfach mit kleinen und kleinlichen Verhältnissen
und Ansichten zu rechnen hat.
Meistenteils ist es den Eltern nicht aufenehm,
wenn alle zum Unterricht notwendigen Noten ge-
kauft werden sollen. So sind mir schon zuweilen
alte, unbrauchbare Noten, die sich «irgendwo" ge-
funden oder von irgendwem* geschenkt wurden,
mit der Bitte, sie zum Unterricht zu verwenden,
überbracht! Eine Musikalienhandlung oder gar
Musikalienleihinstitut gibt es ja überhaupt in
kleinen Städten nicht — so kam ich zu der Idee,
ein grösseres Abonnement in der nächsten grossen
Stadt zu nehmen und meine Schüler daran teil-
nehmen zu lassen.
Es kommt ja allerdings auch hierbei oftmals
vor, dass beim Notenwechseln die erbetenen Noten
„leider nicht vorrätig sind", und bringt auch sonst
noch mancherlei Mühe für mich mit sich, aber der
Vorzug, dsLk erforderliche Notenmaterial zur Ver-
fügung zu haben, wiegt manche kleine Mühen auf.
Ich kann darch den Ankauf von Noten in ^uten
Ausgabjen, die ich meinem Abonnement einverleibe,
meinen Schülern Werke geben, die sie „leihweise^
iu keiner Musikalienhandlung bekommen würden.
Da ich flnde, dass die Schüler auch am Besitze
eigener Noten Freude haben und Freude haben
müssen, habe ich das ,, Abonnement mit Prämie^
eingerichtet. Sowie die Schüler soweit vorge-
schritten sind, dass die Sachen, die sie spielen,
dauernden Wert haben, treten sie in das Abon-
nement mit Prämie ein. Ich bin bei den Eltern
noch nie auf Schwierigkeiten bei dieser Einrichtung
gestossen, im Gegenteil, ich höre dieselbe oft
loben.
Ich abonniere also im grösseren Stil, je nach
der Zahl der teilnehmenden Schüler, und diese
zahlen an mich für das Jahr 6 M. bei 3 M. Prämie.
Das Porto trage ich und habe trotzdem bei ge-
nügender Beteiligung doch die Mittel zur jähr-
lichen Anschaffung irgend eines guten instruktiven
Werkes.
Von Zeit zu Zelt lasse ich mir eine Auswahl-
sendung von Neu- Ausgaben zur Ansicht schicken,
wozu ich ja im „Klavier-Lehrer** Anregung genug
finde. Auf dieee Weise bereichere ich meine
Notenkenntnisse und kann meinen Schülern neben
den alten Meistern auch das Gute unserer neuen
Mnsikliteratur bieten — ohne ihnen grosse Kosten
zu verursachen.
ii. j: . . . r.
Vereine.
Mnsik-Sektlon
des AUg. Deutschen Lelireriiinen-Yereins.
Im Verband Frankfurter Musiklehrer und
-Lehrerinnen, welcher sich zusanmiensetzt aus
der Frankfurter Musikgruppe und dem Frankfurter
Musiklehrerverein, hielt am 6. Januar Herr
D. Rahter aus Leipzig einen Vortrag, in
welchem er die Geschichte der Klavierschule in
fressen Zügen besprach, die allmähliche Ver-
achung des Geschmackes klarlegte, wodurch die
Salonmufiik sich eine herrschende Stellung erringen
konnte. Die neuere gute Klavierliteratur bietet
ein wirksames Mittel zur Abhilfe. Herr Prof.
Kwast und Frau Frieda Kwast-Hodapp
hatten es Übernommen eine Auswahl modemer,
für den Unterricht geeigneter Tonstücke praktisch
vorzuführen. Zum Vortrag kamen aus der Jugend-
literatur: A. Krug qp. 107 No. 1 und 2, A.Nölck
op. 70 Jdylle", L Norden op. 28No.2, G. Kar-
ganoff „Scherzino" und „Am Bache^^ F. Hen-
ri ques „Der Puppe Wiegenlied", „Der kleine
Jockey" und „Brummkreisel", Edm. Parlow op.
— 61 —
69 lyKobold**, femer einige 4händige Stückchen,
schlieBsllch noch schwierigere neuere Klavierstücke
von B. Scholz, B. Zilcher, H. Kann, E. Na-
prawnik und andere. Die zahlreich erschienenen
rachgenossen und Masikfrennde spendeten den
Vortragenden reichen Beifall.
Husikirildigogischer Yerband.
In der letzten Vorstandssitznng konnte der
Vorsitzende, Prof. Xaver Scharwenka, wieder eine
größere Zahl von Neomeldongen zum Verbände
zor Kenntnis bringen. unter ihnen mehrere
grosse Konservatorien, wie das Heidelberger und
das Hannoversche und ein Masikinstitat in Cassel.
Die in der vorigen Sitzung erwählten Kommissionen,
denen die mit Meinungsäusserungen versehenen
.Verhandlungen^ zur Sichtung und Durcharbeitung
anvertraut waren, hatten ihre Aufgaben vollendet
und auf Grund der sich ergebenden Stimmen-
mehrheiten kommen die Arbeiten jetzt zum Ab-
schluss. Prof. Scharwenka und Hr. Musik-
direktor Mengewein übernahmen die Ausarbeitung
der Prüfungsordnung, Hr. Prof. Holländer und
Frl. Morsch die Aufstellung der Satzungen. Be-
züglich der Zusammensetzung der Prüfungs-
kommissionen in den verschiedenen Provinzen sind
dem Vorstande zwar schon Vorschläge gemacht,
sie genügen aber noch nicht, und Proi^ Schar^
wenka erbietet sich, an hervorragende Musiker und
Pädagogen zu schreiben, um sie als Kommissions-
mitglieder zu gewinnen.
Zu der in der vorigen Sitzxmg ernannten
Kommission zur Ausarl^itung der Lehrpläne
haben ihre Mitwirkung von ausserhalb zuge-
sagt die Herren Direktoren Schütze-Leipzig,
Ogurkowski- Bromberg, Vogt -Hamburg,
Knetsch-Stettin. Aufgefordert war noch Herr
Pieper-Krefeld, von ihm war noch keine Ant-
wort eingelaufen. Einige der Herren lieferten
bereits Material ein; das grosse Interesse, welches
gerade diesem Zweige der Verbands-Arbeiten zu-
gewendet ist, zeigt sich in einer Beihe freiwillig
eingesandter, zum Teil sehr wertvoller Beiträge.
Der Vorstand.
I. A.
Xaver Scharwenka.
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Oberbürgermeister Mllller n. A.
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puoktiker des 19. Jahrhunderts. (Schluss.) Dr. Karl Storck: Kritische Rflclcschau über Konzert und Oper. Mitteilungen von
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Anna Morsch und Eugen Segnitz. Vereine. Briefkasten. Anzeigen.
41$ musik- und Klaolerpadjigode.
Von
A. necklenbarn;.
Hans von Bülow*s hervorragende Ver-
dienste, die ihm als Pianisten ersten Ranges
zukommen, sind von berufenen Paedem oft
und genugsam eingehender Darstellung ge-
würdigt worden; indem man mit Recht
Bulow's Spiel in den Gegensatz zu dem Anton
Rubinstein's stellte, gewann man die einzig
richtige Charakteristik seines Klavierspiels.
Bei Rubinstein war es der ausgeprägteste
Subjektivismus, der bei seiner Darstellung
klassischer und moderner Klavierstücke zu
Tage trat, ein Subjektivismus, der, ohne sich
von den Schematen einer traditionellen Vor-
tragsweise binden zu lassen, als souveräner
Herrscher auftrat. In jedem Augenblick seiner
Kunstdarstellung den Impressionen seiner
wahrhaft dämonischen Natur ganz hingegeben,
konnte er manchmal die Form zerbrechen,
blos um den unerbittlichen Forderungen seiner
musikalischen, schöpferischen Seele zu ge-
nügen, selbst wenn hinterher seine Klavier-
interpretation sich vor dem Forum einer
nüchternen reflektorischen Kritik nicht eigent-
lich rechtfertigen konnte. H. v. Bülow da-
gegen, der objektive Interpret ohne Gleichen,
der seine Künstleraufgabe als erfüllt ansah,
wenn er den dem jedesmaligen Gegenstand
seiner Darstellung ingenuinen Gefühls- oder
besser Gedanken Inhalt zum Ausdiuck bringen
durfte. Nur dem logischen Element der Töne
Rechnung tragend, legte er das innerste
Nervengeflecht der Komposition bloss, um das
jedesmalige Kunstwerk als eigensten musi-
kalischen Niederschlag des Autorgeistes vor
den Augen der Zuhörer entstehen zu lassen.
Seine Intention war es, die künstlerische
Physiognomie der verschiedenen Klaviermeister
soweit mit den Mitteln der modernen Technik
darzustellen, als es in dem Bereich ihrer
eigenen Anschauungsweise lag, die ja durch
ihre eigene musikalische Entwicklung und die
ihrer Zeit bedingt war. Jedem Meister blieb
im Klaviervortrag Bülow's die Sphäre ge-
wahrt, in der er lebte und schuf. Das ist
Bülow's unübertroffenes Stilgefühl, das ihn
u. a. auch bewog, den ganzen Beethoven
historisch in allen seinen Perioden in vier
Klavierabenden vor den staunenden Zuhörern
zu entfalten. —
Doch wir wollen uns hier nicht weiter in
eine eingehende Charakteristik Bülow*s als
Pianisten xai' s^oy/iv verlieren, wir haben uns
66 —
im Folgenden die Aufgabe gestellt, eine
besondere Seite des Bülow'schen Wesens
und Wirkens darzustellen, deren Würdigung
bedeutend hinter der seiner pianistischen und
Dirigententätigkeit zurückgetreten ist, ich meine
die pädagogische. Zwar war H. v. Bülow
immer Musikpädagog. Dies gilt zunächst im
Bereiche seiner Direktionstätigkeit. Schon in
Zürich zeigte sich seine Orchesterleitung in
herrlichem Licht; und wahre Wunder wirkte
dieselbe an der durch ihn berühmten
Meininger Hofkapelle. Nichts anderes hat
letztere auf diese glanzvolle Stufe der Kunst-
vollendung erhoben, als eben der erziehe-
rische Geist Bülow's, der sich das gesamte
Orchester bis zum Pauker herab zum ge-
fügigen Werkzeug seiner universellen musi-
kalischen Auffassung machte. Doch dieses
Direktionsgenie Bülow's lobend hervorzuheben,
hiesse Eulen nach Athen tragen. Wenn alle
erfolgreiche Pädagogik ihre treibende Kraft
darin hat, dass sie nach einer besonderen
Richtung hin bestimmend auf den Willen
wirkt, Bülow*s, des Dirigenten, Erziehungs-
kunst, kulminierte in der kategorischen Forde-
rung 1. einer möglichst klaren und präzisen
Darbietung des motivischen Gewebes der
Kompositionen und sodann 2. einer möglichst
charakteristischen Ton- oder Klangerzeugung.
Was Punkt 1 anbetrifft, so blieb die vom
Meister nach sorgsamstem Studium der Partitur
einmal festgestellte, auch die verschlungensten
Fäden der musikalischen Gedanken ent-
wirrende und wieder in ihrer Einheit zu-
sammenfassende Phraseologie das unerbittliche
Gesetz für die Ausführenden. Wie strikt war
stets* die Beobachtung auch der geringsten
Phrasenbogen, wie hatte auch stets die unbe-
deutendste 32tel Note oder Pause ein wohl-
bedachtes Plätzchen in dem vielgliedrigen Ge-
füge des Tongebäudes angewiesen erhalten!
Welche wohlmotivierte Accentuation, wie war
jede Steigerung vorbereitet, welche feinfühlige
Kalkulation, dass die dem jedesmaligen
Charakter des Stückes angepasste Klang-
strömung den eigentlichen Motivfaden
nicht überflutet, sondern immer auf der Ober-
fläche erscheinen lässt! Und nun die Klang-
erzeugung I Violinen und Bratschen bringen
Bogen zur Anwendung, um das Piano hervor-
zubringen, anstatt dass Piano mit kurzem
Striche gespielt wird; langatmige, melodische
Piano-phrasen werden nun statt der sonst
üblichen dürftigen Markierung klangvoll ge-
sungen. Durch auf solche Weise erzeugte Canti-
lenen werden dann oft die berauschendsten
Wirkungen hervorgebracht. Auch die Kontra-
bässewerden aus- und nicht bloss angestrichen.
Die Wirkung ist daher oft grossartig. Die
Tempis werden dem Charakter des betreffen-
den Stückes gemäss gewählt.
Musikpädagoge ist Bülow aber auch als
ausübender Künstler. Auf dem Podium des
Konzertsaales erschien er, — und wie oft! —
um als rastloser Didakt das Publikum in die
tiefsten Geheimnisse der Meisterwerke, z. B.
der letzten Beethoven'schen Sonaten, einzu-
weihen. Er selbst fasste auch seine Virtuosen-
tätigkeit sehr oft unter dem pädagogischen
Gesichtspunkt auf. Mit Vorliebe nannte Bülow
seine Klavierabende bezeichnenderweise ,»Kla-
vierliteratur-Vorlesungen", wie er in einem
Brief an Paul Fischer in Zittau von Berlin
aus am 24. September 1864 schreibt. Auch
redet er vielfach von seinen Konzertveranstal-
tungen als von „Klaviervorträgen'*. Wohl
war und fühlte sich Hans von Bülow berufen,
vor allem als Prophet, als Berufener und Aus-
erwählter, als Hohepriester der reinsten Kunst
im Konzertsaal zu erscheinen und als ein von
jedem eitlen, flitterhaften Virtuosentum freies
Werkzeug des göttlichen musikalischen Genius
die Welt mit den höchsten Offenbarungen der
Meister aller Zeiten zu erfreuen, ähnlich wie
auch der Virtuose Franz Liszt seinen
hohen Beruf als den eines Priesters der Kunst
auffasste. Aber mit diesem hohen Beruf ver-
band Bülow jederzeit den didaktischen
Nebenzweck, ein immer tieferes Verständnis
für die alten Meister im musikliebenden
Publikum anzubahnen und dasselbe auf ein
Niveau zu erheben, von dem sich ihm eine
lohnende, weite Perspektive auf die sonnbe-
glänzten Gefilde der durch Liszt, Raff, Wag-
ner etc. vertretenen neu-weimaranischen Zu-
kunftsmusik eröffnen könnte.
War der Virtuose Bülow als musikalischer
Lehrer und Erzieher des Publikums und —
der Kritik mit Einsetzung aller Kräfte be-
müht, durch seine eigenen Klavierkonzerte
der modernen weimaranischen Richtung zum
Siege zu verhelfen — er trat als erster mit
grosser Begeisterung für Raff 's Klaviersachen,
z.B. für die „Frühlingsboten**, op. 55, sowie
für Liszt' s Werke ein, und führte sie im
Konzertsaal auf — , so blieben ihm bei dieser
Arbeit nicht die schwersten Kämpfe erspart.
Auch hier bewahrheitete sich das alte Wort:
„Ohne Fleiss kein Preis", ,.ohne Kampf kein
Sieg".
— 67 —
Ich sage nichts Neues, wenn ich hier an
dieser Stelle hervorhebe, dass Bülow seiner
Ueberzeugung von der bleibenden Be-
deutung der neuen Kunstrichtung, welche sein
künstlerisches Gewissen in ihm stets wach
hielt, auch mit der Feder in der Hand Nach-
druck zu verschaffen wusste. Seine reiche
schriftstellerische Tätigkeit ist als das
3. Medium anzusehen, durch welches er als
musikalischer Pädagoge und Didakt auf das
Publikum mit grossem Erfolge zu wirken
verstand. Wie als Virtuose, so war Bülow
auch als Schriftsteller selbstredend einer Ent-
wicklung unterworfen. Wenn wir die gesam-
melten Schriften Bülow's einer kurzen Durch-
sicht imterwerfen, können wir in ihnen drei
Perioden unterscheiden, die sich deutlich von
einander abheben. Auch Bülow hatte eine
Sturm- und Drangperiode; es gärte und stürmte
in dem jugendlichen Studenten, der im Oktober
1849 sich in Berlin immatrikulieren Hess, um
bald mitten in die heftig tobenden politischen
Parleikämpfe hineingezogen zu werden. Wie
es aber in dem Politiker Bülow — er ward
ein leidenschaftlicher Anhänger der äussersten
Demokratie — wogte und stürmte, bis sich in
ihm eine ganz neue Weltanschauung unter
schweren Kämpfen durchrang, so auch in dem
Musiker Bülow. Er wurde Mitarbeiter der
„Demokratischen Zeitung'', die vom Januar
1850 an unter dem Titel „Abend-Post" er-
schien, und für dieses „anarchistische Organ",
wie Bülow es später von gereifterem Stand-
punkt aus, für unsere heutige Anschauung
nicht ohne Outrierung, nannte, lieferte er mu-
sikalische Essays, Kritiken, die ein sprechen-
des Zeugnis für seine neuen musikalischen
Kunstanschauungen gaben, die in ihm nach
lebensvoller Gestaltung und nach ihrem adä-
quaten Ausdruck rangen. Hier schwärmt er
für das philosophisch begründete Werk
Richard Wagner*s, „das Kunstwerk der
Zukunft", das sich ja nur als eine spezielle
Deklaration der in der „Kunst und Revolution"
von Wagner kühn und scharf aufgestellten
revolutionären Kunstansichten darstellt. Hier
schwärmt er für den Beethoven „mit dem
zerzausten wilden Haar" und dem dämonische
Funken sprühenden Blicke, der zum Glück
kein königlich preussischer Hofkapellmeister
sei. Hier wirft er in ironischem Uebermut
dem königlich preussischen Hofkapellmeister
Herrn Taubert vor, dass er so starr an seinem
Grundsatze festhalte, dass man alle Musik
hauptsächlich mit kaltem, ceremoniellem An-
stand und einer gewissen zahmen Manier
aufzufassen habe, „die jedes leidenschaftliche
Feuer, als den Gesetzen des Anstandes zu-
wider, fernhalte." So warf Bülow in der ra-
dikalen „Abendpost" den Verehrern des alten
Standpunkts keck den Fehdehandschuh hin
und entfaltete mit kraftvoller Hand in ihrem
Feuilleton das Banner der um Richard Wagner
sich scharenden jüngsten romantischen Schule.
Die 2. Periode des schriftstellerischen
Wirkens Bülow's, die sich etwa von 1852, von
seinem Debüt in der neuen von Franz
Brendel redigierten „Leipziger Zeitschrift für
Musik", dem Organ für die fortschrittlichen
musikalischen Tendenzen, bis 18^7 datieren
lässt, ist die der Vertiefung in die Prinzipien der
neuen Kunstrichtung, des völligen Ausbaues
und der tiefen und sicheren Begründung der
mit der neuen Aera zusammenhängenden
Kunsttheorieen. Da aber die klare und präg-
nante Herausstellung der neuen, als wahr er-
kannten Kunstanschauungen nur auf dem
Wege der gründlichen Auseinandersetzung mit
den zahlreichen Gegnern erzielt werden konnte,
so darf man diese Periode im allgemeinen
als die polemische bezeichnen — und als
Endresultat dieses kampfreichen Prozesses, in
dem Bülow mit seltener Unerschrockenheit
und Sachkenntnis, oft auch mit leidenschaft-
licher, rücksichtsloser Verfechtung seiner Ueber-
zeugung für die heilige Sache der neuen
Musik-Aera eintrat, ist die definitive Fest-
legung der Kunstansicht, die zum Schiboleth
der neuen Schule wird, dass Wagner, Liszt,
Berlioz den Höhepunkt der modernen Ent-
wicklung der Musik repräsentieren. Es ist
hier nicht möglich, die einzelnen Phasen dieses
heissen Kampfes Bülow's n:it den Vertretern
dergegnerischenPresse,R. Wuerst, G. Engel,
O. Gumprecht etc., während der Jahre seiner
„Knechtschaft in der Berliner Sandmetropole"
die lange Kette der literarischen Waffengänge
Glied für Glied zu verfolgen. Wir erinnern
nur an einen markanten Fall, an dem zu er-
kennen ist, wie über die aufschäumende po-
lemische Leidenschalt Bülow*s, der sich in
seinen heiligsten Kunstüberzeugungen verletzt
glaubt, schliesslich derDidaktiker Bülow
den Sieg davonträgt.
Bülow hatte im Januar 1857 in Berlin in
einem von ihm selbst veranstalteten Konzert
u. a. die grandiose und von glühender Leiden-
schaft durchhauchte, jetzt allgemein anerkannte
„Sonate" F^ranz Liszt's H-moll vorgetra-
gen. Gustav Engel, der musikaBsche
68
Referent der „Spener'schen Zeitung**,. hatte in
No. 20 eine im ganzen über das Opus sich
abfällig äussernde Kritik erscheinen lassen.
Das Hauptthema wird als unkünstlerisch ge-
tadelt Das ganze Tongebäude beruhe auf
„harmonischen und rhythmischen lieber-
schwenglichkeiten**, die das Gesetz der Schön-
heit aufs äusserste verletzten u. s. w.
In der Antwort findet Bülow das Vor-
gehen des Kritikers, ein solches einer durch-
aus edlen und reinen Richtung angehörendes
Werk wie die H moll-Sonate in einem „alles
Mass und Ziel der erlaubten Polemik über-
schreitenden Tone" anzugreifen und den
ästhetischen Geschmack des Publikums zu
verwirren, nur dadurch zu entschuldigen, dass
er nin der Hitze der ParteUeidenschaft*" ge-
schrieben habe, und er erbietet sich zum Schluss,
behufs Anbahnung eines besseren Verständ-
nisses, dem Kritiker die Sonate vorzuspielen
und eingehend musikalisch zu analysieren.
Hier wird der leidenschaftliche Polemiker zum
ruhigen Didaktiker und Pädagogen, der durch
das Medium verstandesmässiger, objektiver,
analysierender Reflexion den Gegner zu be-
kehren und in sein Lager herüberzuziehen sucht.
Wenn Liszt ausgesprochen haben soll,
„Bülow ist ein Schulmeister, aber ein vor-
nehmer** — der Gegenbeweis, dass er die
Aeusserung nicht getan habe, ist noch nicht
angetreten worden — , so lässt sich dieses
Wort, das den innersten Kern der Bülow'schen
Künstlernatur mit treffender Wahrheit charakte-
risiert, besonders auf die in der dritten Periode
seines schriftstellerischen Schaffens (von 1857
an) entstandenen Schriften anwenden, in
denen sich neben den früheren ein ganz neues
Element: das speziell klavier-pädagogische
wiederspiegelt.
Und umsomehr mussten die Schriften der
dritten Periode zum grossen Teil als ein
Spiegelbüd der einzigartigen klavier-pädago-
gischen Erfahrungen und Errungenschaften
des Meisters erscheinen, als in seinem äusseren
Leben zu den noch weiter geübten Tätigkeiten
des Virtuosen, Dirigenten und Schriftstellers
noch die äusserst fruchttragende praktische
Tätigkeit des Klavier - Erziehers hinzutrat. —
Auf die Auffoiderung von A. B. Marx hin
übernahm Bülow 1855 den Posten eines ersten
Klavierlehrers am Stern-Marx'schen Kon-
servatorium in Berlin an Stelle Theodor
Kullaks und war von 18ö5 bis 1864 die be-
lebende Sonne dieses Instituts. Im Sommer
der Jahre 1884, 85 und 86 hielt Bülow ferner
am Raff-Konservatorium zu Frankfurt
am Main Unterrichtskurse für höheres
Klavierspiel ab, an welchen nicht bloss die
bereits aul hoher Stufe künstlerischer Aus-
bildung stehenden Schüler des Konservatoriums
selbst, sondern auch ein grosser Kreis dem
Konservatorium selbst fernstehende Pianisten,
Pianistinnen, Musikschriftsteiler, Kapellmeister
aus aller Herren Länder teilnahmen, die mit
grossem Eifer seinen geistreichen Vorträgen
lauschten und den segnenden Einfluss seines
pädagogischen Genies erhielten. So tief war
der Trieb zum Lehren in der künstlerischen
Natur Bülow's begründet, so sehr strebte
dieser nach fruchtreifer Betätigung und Ent-
faltung in den weitesten Kreisen, dass Bülow
eine Zeit lang zur Befriedigung desselben
gleichzeitig am Raffschen Konservatorium in
Frankfurt und bei Klindworth in Berlin
unterrichtete. Als reifste Frucht ernstester
Tätigkeit und Erfahrung als Lehrer haben wir
die Artikel Bülow's über „Alkan**, über
„Haberbier**, über „Louis Ehlert**, über
„Ferdinand Hiller*, „Adolf Jensen**, die
in der „Neuen Zeitschrift für Musik**, Bd. 59,
Heft 15 erschienenen „Ausgrabungen eines
Klavierlehrers** anzusehen, denen etwa noch
aus späterer Zeit der für die „Signale** ge-
schriebene Artikel, vielmehr Nekrolog über
Karl Tausig vom 22. August 1871 anzu-
reihen wäre. Vieles in diesen Artikeln hie
und da Gesagte hat für die Klavierpädagogik
im allgemeinen grundlegende Bedeutung
und findet seine Vervollständigung an den in
einzelnen Briefen Bülow 's, besonders an
V. Bronsart und Louis Köhler nieder-
gelegten klavierpädagogischen Prinzipien, so-
wie in seinen instruktiven, in den weitesten
Kreisen bekannten Ausgaben von Klavier-
werken, die mit dem darin enthaltenen enormen
Material an technischen Ratschlägen und ein-
gehenden Analysen uns ein wesentliches Bild
seiner klavierpädagogischen Grundsätze und
erfahrungsreichen Lehrmethode liefern. Zu
letzteren instruktiven Werken, die ältere und
andere gleichzeitige Bearbeitungen und Aus-
gaben siegreich verdrängt und seit geraumem
Gemeingut der gesamten gebildeten Klavier-
welt geworden sind, gehören vor allem die
Herausgabe von „18 Stücken** des Domeniko
Scarlatti, die Philipp Emanuel Bach-
sche „Sonaten-Bearbeitung**, die Editionen
der Beethoven'schen „Sonaten und Varia-
tionen etc.
(Fortsetzimg folgt.)
der gr$$$te Kontrapunkilker des 19« JabrbHiulem.
Von
Max jLrend.
(Schlass.)
In den Jahren von 1807—1848 hat Rai-
mondi im Ganzen 62 Opern für die Haupt-
theater Italiens, sowie eine ganze Reihe von
Balletten und ähnlichen Werken geschrieben.
Diese Werke sind es jedoch, wie wir sogleich
sehen werden, nicht, die uns heute veran-
lassen können, seiner zu gedenken. Auch ist
er durch sie ausserhalb Italiens kaum bekannt
geworden. Hierzu wirkten mehrere Um-
stände mit: einmal sein zurückgezogenes,
beinahe einsiedlerisches Wesen, sodann die
spröde Natur seiner Kompositionsmanier —
sein Vorzug war lediglich eine ausserordent-
lich feine Arbeit, nicht aber starke und in die
Augen fallende Effekte — , endlich aber das
Auftreten von Rossini, dessen Laufbahn
ebenfalls im ersten Jahrzehnt des 19. Jahr-
hunderts begann und der die ganze Aufmerk-
samkeit des Publikums durch den Glanz seiner
Kunst auf sich zog. Nur einmal, kurz vor
seinem Tode, trat er in Rom durch die wieder-
holte Aufführung seines Hauptwerkes, des
Tripel-Oratoriums „Josef**, in den Mittelpunkt
des musikalischen Interesses. Vorher aber
müssen wir noch einen Blick auf seine
künstlich-kontrapunktischen Werke werfen.
Die Idee des Kontrapunktes besteht darin,
dass die kontrapunktischen Stimmen sich
zwar dem Ganzen der Komposition einordnen,
aber doch eine starke Selbständigkeit haben.
Wir sehen den Lehnsstaat des Mittelalters
vor uns im Gegensatz zum Imperium Ro-
manum, der Einheit, der sich Alles unter-
ordnet, und den in der Musik die begleitete
Melodie im homophonen Stile wiedergibt.
Wäre es nun möglich, diese individualistischen,
ja anarchistischen Tendenzen des Kontra-
punktes auszudehnen und auf ganze Stimm-
gruppen, ja schliesslich auf ganze Werke zu
übertragen? Mit der Bejahung dieser Frage
setzt Raimondi ein. So hat er geschrieben:
„4 vierstimmige Fugen" in verschiedenen Ton-
arten, welche, gleichzeitig ausgeführt, eine
„16stimmige Fuge" ergeben, ferner „6 vier-
stimmige Fugen" in verschiedenen Tonarten,
welche, gleichzeitig ausgeführt, eine „24s tim-
migc Fuge" ergeben (beide Werke gedruckt
bei Tiberina in Rom erschienen), eine „Fuge
zu 64 Stimmen" in „16 Chören", sowie
eine ganze Reihe ähnlicher Werke.
lieber diese Kontrapunkt-Künste hat sich
Raimondi auch literarisch in mehreren Schriften
geäussert.
Das Interessanteste aber ist, dass zu der-
selben Zeit, als Wagner über seine Nibe-
lungentrilogie nachzusinnen begann, Rai-
mondi eine Trilogie ganz anderer Art in Rom
zur Aufführung brachte und damit einen Erfolg
erzielte, dessen Aufregungen dem sich sonst
geflissentlich stets im Hintergrunde haltenden
Greise beinahe das Leben gekostet hätten,
nämlich „drei Oratorien", welche gleich-
zeitig aufführbar sind. An diesem Werk
hatte Raimondi von Oktober 1844 bis Ende
1848 gearbeitet. Im Jahre 1852 wurde es
mehrere Male in der Zeit vom 7. August bis
29. September als Festauflführung — wem fiele
nicht der Hügel in Bayreuth mit dem roten
Wagnertheater ein? — in Rom in der Weise
aufgeführt, dass die 8 Einzeloratorien an drei
aufeinanderfolgenden Tagen unter Leitung
von anderen Dirigenten — Salesi, ßattaglia
und Terziani — , am vierten Tage aber die
drei Werke gleichzeitig unter Raimondi
persönlich gegeben wurden. Das Publikum,
das an den vorhergehenden Tagen die Einzel-
werke hatte kennen lernen und nun dem un-
geheuren Apparat des Tripel-Oratoriums mit
einer Zahl von etwa 400 Ausführenden gegen-
überstand und sah, dass die Meisterschaft des
Komponisten das klare Verfolgen der Einzel-
werke zuliess, wurde von Staunen und Be-
wunderung ohne Gleichen ergriffen. Fetis
berichtet uns, dass die Zuhörer sich spontan
erhoben und Schreie der Bewunderung aus-
stiessen, dass im Saale eine Aufregung
herrschte, die man nicht beschreiben kann,
und dass der Enthusiasmus, den das Werk
erregte, bei allen Wiederholungen anhielt. Der
Komponist aber, der so am Lebensabend ans
Ziel gekommen war und einen vollen Sieg
errungen hatte, musste, vor Aufregung ohn-
mächtig, hinausgetragen werden. Er überlebte
auch seinen Triumph nicht lange: am 30. Ok-
tober 1853 starb er in Rom — und seitdem
kümmert sich Niemand mehr um seine Kunst.
— 70 —
Riemann vermutet in seinem „Musik-
lexikon** (sub voce Raimondi), dass die kontra-
punktischen Kombinationen unseres Kompo-
nisten zwar originell seien, aber wohl einen
eigentlichen Kunstwert nicht hätten, weil sie
der Erfindung zu viele Fessehi anlegten. Das-
selbe liesse sich mit Bezug auf allen Kontra-
punkt sagen, und ich habe oben gezeigt, dass
Raimondi*s Gedanke eine zwar sehr kühne,
aber durchaus folgerichtige Endentwicklung
der Idee ist, die im Kontrapunkt überhaupt
liegt: der Idee der nur relativen Unterordnung
bei relativer Selbständigkeit. Dieser Gedanke
von Raimondi musste einmal von einem
Musiker gedacht und betätigt werden, und
dass er es gerade zu einer Zeit wurde, wo
Wagner jede Form, die nicht aus dem Inhalte
selbst heraus geboren wird, als „an sich ab-
geschmackt*' verwirft, nimmt uns aus allge-
meinen Erfahrungen nicht wunder. Nach-
dem aber der Kontrapunkt durch Raimondi
„zu Ende gedacht" worden ist, besteht für
die musikalische Welt ein sehr erhebliches
Interesse daran, diesen Gedanken zu erhalten.
Und darum verlohnt es sich schon, des
kühnen Musikers zu gedenken, der ihn gedacht
= Kritische Bückschau :
über Konsert and Oper.
Von
Dr. Karl Storek.
Endlich ist auch wieder einmal etwas ans
unserem mnslkdramatiachen Leben zn berichten. Das
„Theater desWestens^brachte Marschner's j,T em pl e r
und Jüdin" wieder einmal zor Anfführnng. Die
Musikgeschichte zeigt eine tragische Erscheinung,
die die anderen Künste nicht oder doch in weit
geringerem Masse erleiden. In der Musik bringt
der grössere Nachfolger seine Vorgänger um die
beste Wirkung; man möchte das Fremdwort ge-
brauchen: er absorbiert sie. Die Prärafaeliten
— ich meine jetzt die alten — haben ihren Beiz
behalten trotz des ihre Ziele erfüllenden Bafael*
Q-abriel Turne r's Auffassung der Landschaft
fesselt uns nachhaltig, trotzdem bei ihm der Im-
pressionismus noch in den Einderschuhen steckt.
Signorelli bleibt neben Michelangelo be-
stehen ; Schongauer und Grünewald neben
Dürer. Ebenso in der Poesie. Es st&nde um
unsere Lyrik schlimm, wenn alles das der Ver-
gangenheit anheimfiele, was bei Goethe in
höherer Vollkommenheit sich findet. Immerhin
ist hier vor allem auf dramatischem Gebiet das
Verhältnis für die Vorläufer weit ungünstiger, als
in der Malerei. Am schlimmsten aber ist es in der
Musik. Job. Seb. Bach hat alle seine Vor-
gänger so umschlossen, dass die Musikgeschichte
sie sogar für wissenschaftliche Zwecke erst wieder
ausgraben musste. Für den Musikgenuss kommen
sie nicht mehr in Betracht Vor Schubert 's
Glanz sind alle älteren Sterne am deutschen Lieder-
himmel erblasst. unter Bichard Wagner' s
üebergewicht leidet Niemand schwerer, als jene,
auf deren Schultern er steht: Weber und
Marschner. Der letztere weit mehr als der
erstere, weÜ er dem Musikdrama Wagner's näher
steht, Weber 's „Freischütz^ grünt heute noch so
frisch, wie am ersten Tag, weil Wagner das eigent-
liche Gebiet dieser Oper, das romantische Volksleben
kaum streifte. Die „Euiyanthe'' ist dagegen nicht zu
retten; nicht bloss des unglücklichen Textes wegen,
sondern weil sie durch „Lohengrin'* in musikalischer
Hinsicht aufgesogen wird Viel ungünstiger liegt
das Verhältnis noch bei Marschner, weil bei ihm
das Yolksttlmliche Element nicht in jener idealen
Weise wie im „Freischütz^ mit dem dramatischen
verbunden ist, sondern mehr als Episode oder
geradezu als Hemmnis für die dramatische Ent-
wickelung wirkt. Alles Hochdramatische aber ist
im Keim, was bei Wagner zu voller Pracht aus-
gewachsen ist. Wenn wir im Frühling an jedem
kleinen Strauch die zarten Blätterknösplein her-
vorgucken sehen, sind wir voll dankbaren Ent-
zückens über jeden grünen Schimmer. Geniessen
wir in der vollen Blätter- und Blumenpracht des
Sommers die viel reichere Erfüllung, so vergessen
wir jener bescheidenen Versprechungen.
Nun dürfen wir freilich nicht vergessen, dass
Marschner durchaus nur Musikantennatnr, dass er
eigentlich kein Dramatiker ist, trotz des ausge-
prägten Sinnes für theatralische Wirkung, die ihm
eigen ist. Es geht darum ein innerer Zwiespalt
durch seine Werke. Ich glaube, ohne das Vorbild
Weber's wäre Marschner ganz in den Geleisen der
alten Nummemoper geblieben, ihm wäre die
Dichtung nur als das — zufällig dramatisch zu-
rechtgezimmerte — Gerüst erschienen, an dem sich
die musikalischen Guirlanden und Bouqoets an-
heften Hessen. Im „Hans Heilfng'* ist dieses
Gerüst so knapp gehalten, dass die Wucherungen,
die Marschner über alles liebte, die Grundlinien
nicht verdecken können.' In „Templer und Jüdin''
besteht das Textbuch eigentlich schon bloss aus
Episodenwerk. Ohne die Kenntnis des Scott'schen
Bomans „Ivanhoe^' bleibt das Ganze in seinen
— 71 —
tieferen Beweggründen nnverständlich und ist im
Grund nicht mehr, als eine Anekdote. So ist man
▼on ▼omherein geneigt, Jede Szene abgeschlossen
fftr sich und nicht als Teil eines höheren Ganzen
za betrachten. In diesen einzelnen Szenen ist viel
Schönes, ja ^nnderbares, nnd der musikalische
Reichtum ist so gross, dass man bei einer g^ten
Aufführung immer auf seine Kosten kommt. Aber
die Aufführung muss so gut sein, dass sie die
musikalischen Schönheiten so herausbringt, dass
jede einzelne Nummer für sich imstande ist zu
wirken. Das «Theater des Westens" ist zu einer
solchen Aufführung nimmermehr imstande. Das
Orchester reicht nicht aus, völlig versagt der Chor,
der hier Prachtaufgaben zu lösen hat. Von den
Solisten sind Luria als „Templer*, Stammer als
„Tack" gut. Fr&ulein Roxy Eiug ist sicher ein
grosses Talent; ihre ,, Jüdin** wird immer Aner-
kennung finden, wenn man auch zugeben muss,
dass die Anf&ngerin für diese Aufgabe noch nicht
zoreichtv Der Rest ist ungenügend, zum Teil schlecht
Dem .Theater des Westens* ist suzngestehn, dass
es getan hat, was in seinen Kräften steht. Aber
diese Kräfte sind eben unzulänglich. —
Im übrigen stand unser Musikleben in der
letzten Zeit im Zeichen grosser orchestraler
Veranstaltnilgen, wobei man sich der Wahr*
nehmung nicht entziehen konnte, dass das Diri-
genten-Virtuosen tum beinahe schon als etwas
Selbstverständlicbee hingenommen wird. Innerhalb
einer Woche wurde Beethoven's „Eroica** drei-
mal vom gleichen Orchester unter verschiedenen
Dirigenten aufgeführt. Man rühmt inuner die
Elastizität unserer Philharmoniker, die fähig sind,
jedem Dirigenten gerecht zu werden. Das ist auch
gewiss eine bedeutende Leistung, ich kann aber
nicht sagen, dass ich mich ihrer besonders zu
freuen vermag, wenn sie nun dazu ausgenutzt
wird, dass der einzelne Dirigent ihm gegenübertritt,
wie der Klavierspieler einem beliebigen Flügel.
£r sorgt höchstens dafür, dass die Firma gut ist.
Der Qeiger, der Bläser steht seinem Instrument
viel persönlicher gegenüber, als diese Dirigenten
dem Orchester. Auch ein Orchester ist eine Persön-
lichkeit. Es ist eine der höchsten Aufgaben des
Dirigenten, dieses Persönliche zu stärken, sein
Orchester charakteristisch zu erziehen. Es ist na-
tfirlich, dass die Individualität des Dirigenten im
Orchester ihren höchsten Ausdruck finden muss.
Das ist aber nur möglich, wenn Dirigent und
Orchester zu einer höheren Einheit verschmelzen.
Ich habe in den letzten Jahren nur dreimal die
Empfindung gehabt, diesem schönsten, aber eigent-
lich auch nur natürlichen Verhältnis gegenüber-
ZQBtehen. Am stärksten bei Fritz Steinbach
mit seinen „Meiningem*, danach bei Colonncy
and endlich sah man dieses Verhältnis heranreifen
bei Strauss und dem „Berliner Tonkünstler-
Orchester. " Nur dass dieses nicht dazu fähig war,
seinen guten Willen in die Tat umzusetzen. Es
wäre sicher ein Glück, wenn diese Einheit zwischen
Orchester und Dirigent wieder zur allgemein
angestrebten Kegel würde. Es schadete auch
gamichts, wenn die berühmten Dirigenten, wie
Nikisch und Weingartner, ihre gewiss be-
wundernswerte Fähigkeit in einer enger um-
schriebenen Tätigkeit zur Geltung brächten. Ich
glaube, die ihrer gast weisen Leitung beraubten
Orchester würden dadurch nicht geschädigt werden«
Denn wie heute bei den Komponisten eine hohe
Beherrschung der Orchestertechnik fast die ge-
wohnte Erscheinung ist, so sind auch g^te Diri-
genten keine Seltenheit.
In der letzten Woche stellten sich zwei
Orchesterleiter aus Städten vor, die sicher ganz
kleine Musikverhältnisse haben. Bei beiden hatte
ich das Gefühl, dass sie als ständige Leiter der
Philharmoniker sicher Hervorragendes leisten
würden. Den stärkeren Erfolg hatte Ferdinand
Neisser ans dem kleihen Wasa in Finnland, als
die stärkere Natur erschien mir gleichwohl
Heinrich Hammer aus Lausanne. Dieser ist
durchaus Rhythmiker; ich meine damit nicht
Taktschläger, obwohl es dem oberflächlichen Blick
so erscheinen mag. Das liegt aber daran, dass
gerade diese Direktionsweise, wenn sie einen ver-
tieften Eindruck machen soll, ausführlichen Zu-
sammenwirkens bedarf. Jedenfalls hat Hanmier in
seinem ständigen Wirkungskreis grosse Erfolge
erzielt. Uebrigens befand sich der Dirigent hier
in ersichtlicher Aufregung. Daran war unser liebesj
ach so kunstverständiges Publikum schuld. Auf
dem Programm war ausdrücklich geschrieben, dass
die „Eroica*^ ohne Unterbrechung gespielt werden
sollte. Ist es nun für mein Gefühl schon immer
eine Barbarei, wenn man zwischen den einzelnen
Teilen eines geschlossenen Kunstwerks allemal
hineinklatscht, so ist es das doppelt, wenn aus-
drücklich dagegen Einspruch erhoben wird.
Allgemeinen Beifall fand dagegen Ferdinand
Neisser aus Wasa. Eine ruhige, etwas elegische
Natur mit ausgesprochenem Sinn für Wohlklang
und eine gewisse Feierlichkeit. Die ,Eroica** wurde
hier für mein Gefühl aus dem tatfrohen in ein
mehr duldendes Heldentum, vielleicht könnte man
sagen ins Finnische übersetzt. Das zeigte sich
nachher im finnischen Teil des Programms, dessen
Glanzstück die „Finlandia" von Jean Sibelius
war, in dem aber auch der Dirigent selber sich in
zwei kleinen Stücken als sehr geschmackvoUer
Tonsetzer bewährte. Diese finnische Musik ist
durchaus Heimatkunst, schöpft motivisch aus der
Fülle der nationalen Volksmusik und giebt im
Inhalt weniger das Persönliche des Komponisten,
als das Volksgefühl. Die „Finlandia" ist ein grosses
Stück. Auf dunklem Untergrunde erheben 8i<^
farbenleuchtende Bilder von Leid und Sehnen.
Wohl ist alles in Wehmut getaucht, aber niemals
wird das Leid zur Sentimentalität. Auch hier
hatte ich den EHndmck von einem Heldentum im
— 72
Eitragen und Auiüiarreii. Vielleicht dürfen wir
daraus Hoffnung schöpfen anf den Ausgang des
Kampfes, den dieses wackere Volk und seine
Nationalität nicht darch Taten, sondern durch
Dulden kämpft. —
Aus der Philharmonie ist über drei grosse
Konzerte zu belichten. Der Wag nerverein
brachte ausser dem fast regelmässig wieder-
kehrenden Bruchstück aus „Parsifal'' und dem
Vorspiel zu „Tristan und Isolde" zwei Stücke aus
Peter Cornelius unvollendeter Oper „Gunlöd".
Ich habe das Werk in d'er nachträglich vollendeten
Fassung vor beiläufig zwölf Jahren in Strassburg
gehört Gäben unsere Opernhäuser etwas auf
Ehrenpflichten, könnte man die Aufführung der
„Gunlöd^^ wohl eine solche nennen. Aber es ist
wichtiger, dass unsere Theater erst ihren Pflichten
nachkommen. Und eine solche wäre gegenüber
Cornelius die so häufige Wiederholuug des
„Barbiers von Bagdad'', dass dieses köstliche Werk
endlich zu der verdienten vornehmen Volks-
tümliciikeit käme. Im Konzertsaal überwiegt den
Bruchstücken gegenüber das Gefühl, dass .Gunlöd'
durchaus im Bannkreis von „Tristan und Isolde**
steht. — Dem 9. philharmonischen Konzert fehlte
der Solist. Aber es ging auch so. Dass der Saal
ausverkauft war, war wohl der Vorführung von
Bichard Strauss' ,A1so sprach Zarathustra" zu
danken. Ein nach Absicht, geistigem Vermögen
und künstlerischem Können gewaltiges Werk, in
einzelnen Teilen von berückender Schönheit. Aber
die Bechnnng zwischen dem programmatischen
Gedankengehalt und der musikalischen Aussprache
geht nicht auf. Vielleicht hat Strauss diese Ein-
heit, der er in „Tod und Verklärung" am nächsten
kam, in seinem neuen Weik erreicht. Leider führt
er es zuerst den Amerikanern vor. Die Kunst geht,
wie man sieht, nicht mehr bloss nach Brot.
Es war das Verdienst eines sonst wenig ge-
lungenen Konzertes des philharmonischen Orchesters
unter Willy Benda, dass es uns ein Werk vor-
führte, in dem der Begriff „symphonische Dichtung*
auf der höchsten Stufe steht: Hugo Wolfes
«Penthesilea**. Wer die Biiefe des begnadeten,
aber vom Geschick so schwer heimgesuchten
Liedersängers gelesen hat, kennt seine geradezu
loidenschaitliche Liebe zu Heinrich von Kleist's
genialem Drama. Und wie Wolf sich sonst in die
Lyrik eines Dichters versenkte, so wird er hier
völlig eins mit einer Gestalt. Denn darin liegt ja
das Charakteristische für die gimiale Umwandlung
eines von aussen empfangenen Eindrucks ins
Musikalische, dass sie von jenem fremden Werke
nur das in sich aufnimmt, was musikalisch ist,
alles Fremde aber ausschaltet Hugo Wolf nimmt
aus Kletst^s Dichtung nur die Penthesüea. Alles
andere, selbst ihr wichtigster Geigenspieler Achill,
ist für ihn nicht da. Er will einzig die Seelen-
studie dieser JTrau geben. Es ist ihm in einer so
hinreissenden Weise gelungen, dass ich unbedenklich
dieses Werk in die erste Reihe aller symphonischen
Dichtungen stelle. Eine Kürzung in der Schilderung
der Verzweiflung und des Wahnsinns des liebe-
rasenden Weibes wüide freilich gut tun. Sonst
aber trägt diese Jugendschöpfung von Anfang bis
ans Ende das Gepräge der Genialität. Und. wie hat
man diesem Weike mitgespielt. Ich halte es für
gut, dass man sich so beschämende Vorgänge ge-
legentlich ins Gedächtnis zuiückruft, auf dass man
jene Bescheidenheit lerne, die Schopenhauer für
den Verkehr mit der Kunst zum obersten Gesetz
macht. So sei hier aus Decseys Biographie die
Stelle aus dem Briefe hergesetzt, in dem Wolf
seinen Verwandten über die am 15. Oktober 1886 von
den Wiener Philharmonikern veranstaltete Probe
schreibt: „^aa ich in den letzten Tagen durch-
gemacht, davon könnt Ihr Euch auch nicht etwas
träumen lassen . . . Am vergangenen Freitag war
meine Penthesilea in der Novitätenprobe aufgeftihrt.
Meine Penthesilea? Nein, die Penthesilea eines
Wahnsinnigen, Trottelhaften, eines Spassmachers
und was Ihr sonst wollt, aber meine Penthesilea
war das nicht. Ich kann es Euch nicht beschreiben,
wie dieses Stück gespielt wurde. Es war der reine
Narrenturm. Hierauf schallendes Gelächter des
Orchesters". Ob den neunmal weisen Herren heute
nicht das Lachen verginge?! Ich wage es nicht zu
hoffen. Wenn die Menschen in der Hinsicht etwas
zulernen wollten, sie hätten ja schon so oft Ge-
legenheit dazu gehabt
Mitteilungen
von HoohBohnlen und KonBervatorien.
Prof. E. Breslaur*s Konservatorium,
Direktor Gustav Lazarus, bot in seiner 14.
und 15. Schüler- Aufführung, von denen
letztere zum ersten Male seit der Begründung der
Filial-Anstalt im Westen in der Aula des Falk-
realgy mnasinms stattfand, durchgehends vortreffliche
Leistungen und neue Beweise richtigen und auf
durchaus künstlerischen Grundsätzen fnssenden
Strebens. Hervorzuheben sind die ausgezeichneten
Leistungen des jugendlichen Geigers Erwin
Friedewald, der Pianistin Marg. Boeltze,
welche Schumann's ^Faschingschwank** und ein
^Appassionato*' vom Saint-Saens spielte, so wie
.die Gesang- Vorträge von Frl. Vera Goldberg,
die als Gesangslehrerin an der Anstalt wirkt.
Die Konzession zur Errichtung einer Privat-
Musik-Gesangs- und Opemschule in Teplitz ist
der Frau Marg. Weiner*Kraus bewilligt worden.
— 73 —
Der VioHiiTirtTiose Felix Berber ist an die
Königliclie Akademie der Tonknnst in München
berafen worden und hat dieae Stellang Anfang
Februar angetreten.
In einer der letzten öffentlichen Anffühningen
der Grosaherzogl. Maaikschnle zn Weimar
kam Herm. Grädeners Klavier-Quintett op. 19
Cmoll zur Aufführung.
Die Königl. Musikschule in Würzburg,
welche anter der Leitung des Hofrats Dr.
Eliebert steht, feiert im Mai das Fest ihres
lOOjährigen Bestehens. Der Tag soll durch ein
groeses Festkonzert begangen werden, Herr Di-
rektor Kliebert bereitet für diese Gelegenheit
eine .G^eschichte des Instituts'' vor.
Professor C. B. Hennig, Posen, wird auf
Veranlassung des preussischen Kultusministeriums
an der dortigen Königl. Akademie „musikwissen-
schaftliche Vorlesungen" halten.
Das Konservatorium für Musik und
Theater zu Halle a. S., Direktor Bruno
Heydrich, versandte den Bericht über sein
2. Studienjahr. Es hatte eine Frequenz von
137 Schülern zu verzeichnen und konnte in 10
musikah'schen Aufführungen Zeugnis von dem
Fl6i^s und dem an der Anstalt herrschenden künst-
lerischen Geist ablegen. An den in der Anstalt
selbst stattfindenden Jahresprüfungen beteiligten
sich 60 Schüler, von denen eine Eeihe für ihren
musterhaften Fleiss und ihre vorzügliche Leistun-
gen Preise erhielten, ebenso erhielten 2 Schüler
Reifezeugnisse.
Das Musikinstitut von 0. Anderlik
zu Inowrazlav gab am 28. Januar mit seinen
Schülern und Schülerinnen ein öffentliches Konzert,
welches einen sehr hübschen Erfolg erzielte. Vom
Leichten zum Schweren fortschreitend zeugten
die Klavier-, Gesangs- und Violinvorträge von
einer äusserst gewissenhaften Leitung und einer
auf künstlerische Ziele gerichteten Ausbildung.
Das Königl. Konservatorium für
Musik und Theater zu Dresden beginnt am
1. April sein neues Schuljahr.
Vermischte Nachrichten.
Die überall stattgefundenen Centenarfeiem für
Hektor Beriioz haben auch in Bussland ihr
Echo gefunden, und zwar in Moskau in Kück-
erinnerung an die Tage des 27. und 80. Dez. 1867,
an welchen Beriioz dort eine Reihe von Konzerten
dirigierte. Sie gehörten zu den letzten sonnigen
Tagen des Meisters, der, obgleich lebensmüde und
krank, seelisch niedergebeugt durch den Tod seines
einzigen Sohnes, dennoch, auf Veranlassung der
Brüder Anton und Nikolaus Bubinstein, einer
Einladung der Kaiserlich Bussischen Mnsikgesell-
schaft folgte, um in einer Zahl von Konzerten
seine Werke aufzuführen. Beriioz war 20 Jahre
früher schon einmal in Bussland gewesen, aber
wenn seine Schöpfungen auch damals, unterstützt
dorch das Interesse der Kaiserin, grosses Aufsehen
and Begeisterung erregten, so war die russische
Musik doch noch viel zu wenig entwickelt, nm
eine nachhaltige Wirkung zu üben, — wurde doch
nicht einmal Glinka von seinen Landsleuten ver-
standen und gewüidigt. Die 20 Jahre hatten
jedoch durch die Gründung der Bussischen Musik-
geselltichaft, durch die beiden Bubinsteine und die
Vertreter der jungrussischen Schule Balakireff,
Cni, Borodine, Bimsky-Korsakoff u. A.
einen gewaltigen Umschwung hervorgerufen, —
Beriioz war das Vorbild ihres Schaffens geworden
und so wurde dem alternden Meister ein glänzen-
der Empfang zu Teil.
Beriioz leitete 6 Konzerte in Petersburg, in
welchen er viele von seinen Werken aufführte,
die grossen Beifall beim Publikum fanden. Die
grossartigste Wirkung erzielte jedoch sein Konzert
in Moskau am 27. Dezember. Bei diesem Konzert
wirkten 500 Teilnehmer mit, es hatte ein Publikum
von 11000 Zuhörern. Das . Of fertorium*' aus dem
Bequiem machte einen erschütternden Eindruck;
die Begeisterung brach ungehemmt hervor, —
Beriioz schreibt in einem seiner Briefe, dass es
der grösste Triumph seines liobens war. — Drei
Tage darauf, 30. Dezember, leitete Beriioz ein
Konzert im grossen Saale der Adels- Versammlung
mit demselben Erfolge. Im Konservatorium fand
ein grossartiges Bankett statt, Tschaikowsky
feierte den Meister durch eine begeisterte An-
sprache. Diese Tage waren der letzte Glückstraum,
der letzte Sonnenschein im Leben des grossen
Tondichters. — Eine Beihe von Konzerten fanden
in der Erinnerung an diese Tage und zur hundert-
jährigen Geburtstagsfeier Beriioz' in Moskau statt.
Die Philharmonie, die Kaiserlich Bussische Musik-
gesellschaft bemühten sich, die Werke des Meisters
musteri;iltig aufzuführen, u. a. kam zum ersten
Mal „Faust's Verdammnis' als Ganzes zur Auf-
führung, Dank der Energie des Kapellmeisters
Wilhelm Kes. Das Werk eirang bei dem zahlreich
versammelten Publikum, unter dem sich auch die
Grossfürstin Elisabeth mit Gefolge befand, einen
tiefgreifenden Erfolg.
Eugen d'Albert hat vom Grossherzog von
Sachsen- Weimar die grosse goldene Medaille
für Kunst erster Klasse erhalten. Es liegt in der
Erteilung dieser Medaille eine besondere Aus-
zeichnung, da sie stets nur einem aus jedem
Kunstgewerbe erteilt wird. Wildenbruch be-
sitzt sie zur Zeit für Literatur, Hildebrand
für bildende Kunst, Lassen hatte sie für Musik —,
sein Nachfolger ist d' Albert geworden.
74 —
Der Berliner Lehrergesangverein unter
Leitung seines Dirigenten, Prof. Felix Schmidt,
folgte am 8. Febrnar einer Einladung des Kaisers
in das Scliloss, um den Majestäten eine Reihe
Chorlieder, darunter auch den in Frankfurt ge-
sungenen KienzTschen Preischor vorzutragen.
Eugen d* Albert und Prof. Wilhelm
Berg er, Hofkapellmeister zu Meiningen, sind zu
ordentlichen Mitgliedern der Köntgl. Akademie
der Künste zu Berlin gewählt worden.
Am 6. Februar hielt das vom Kaiser ernannte
Komitee, dem die Beschaffung einer Volkslieder-
sammlung aufgegeben woiden ist, im Kultus-
ministeriom in Berlin eine Sitzung ab, in der be-
schlossen wurde, dass die Sammlung nicht nur
Volkslieder, sondern auch volkstümliche Lieder
alter und neuester Zeit, und nicht nur deutsche,
sondern auch österreichische und schweizerische
enthalten solle. Aus Oesterreich waren die Herren
Koschat, Kremser und Kirchel, aus der
Schweiz Dr. Hegar anwesend.
Am 8. Februar verstarb zu Karlsruhe die
einst als j^Isolde-Sängerin" hochberühmte Malwine
Schnorr von Carolsfeld im 78. Lebensjahre.
Sie war die Tochter des portugiesischen General-
konsuls Garrigue.e, 1826 zu Kopenhagen geboren,
ihre leidenschaftliche Liebe zur Musik Hess fie
alle Vorurteile ihrer Familie überwinden, sie ging
ganz jung zum Studium des Gesangs nach Dresden,
später nach Paris zu Garcia und trat bereits 1846
in der Breslauer Oper als „Alice" mit durch-
schlagendem Erfolge auf. Nach längerem Wirken
in Breslau, Koburg, Hambnrg und Karlsruhe ver-
mählte sie sich mit dem ebenso unvergesslichen
Tenoristen Ludwig Schnorr von Carolsfeld.
Im Jahre 1862 trafen sie in Biebrich mit Hieb.
Wagner zusammen und studierten mit ihm den
ersten Akt des „Tristan". Als 1865 in München
die ersten Aufführungen des „Tristan" stattfanden,
sang das Ehepaar die Titelpartien in unvergleichlich
vollendeter Weise. Bülow schrieb darüber an
Joachim Baff: „Es ist der grösste Erfolg, den
je irgendwo die erste Aufführung eines Wagner-
sehen Werkes erstritten! Schnorr's unglaublich,
alle üebrigen recht erträglich, Orchester famos!"
Und Wagner äusserte zu der Künstlerin: „Unver-
gleichlich, und nie wieder zu erreichen," — er
sagte ihr, dass er alles, was er je schüfe, getrost
in ihre Hände lege, da sie ihn nicht allein ver-
stände, sondern auch idealisiere, und seine
Gestalten solcher Idealisierung bedürften. —
Wenige Monate nach dieser denkwürdigen Auf-
führung starb Ludwig Schnorr ganz plötzlich,
Malwine verliess München, lebte erst in Brann-
Bchweig, dann in Karlsruhe und folgte später einem
Rufe Joachim Raff 's nach Frankfurt a. M., die
G^angsprofessur an seinem Konservatorium ein-
zunehmen. Dort verblieb sie bis zu Raffs Tode,
1882, und kehrte nun nach Karlsruhe zurück,
lehrend und komponierend, bis der Tod sie jetzt
aus ihrem ruhmeifüllten Leben abgerufen hat.
Das von Frau Hedwig von Holstein*, der
Witwe des „Heideschacht'' -Komponisten Franz
von Holstein, in Leipzig errichtete »Hol-
steinstift", in dem Feit 1878 bereits 83 junge
unbemittelte Künstler Aufnahme und Unterstützung
fanden, konnte am 16. Februar sein 25 jähriges
Jubiläum feiern.
Die einaktige Oper „Corsische Hochzeit" von
Heinrich Spangen berg errang bei ihrer ersten
Aufführung im Kgl. Theater zu Wiesbaden
unter Schiars Leitung einen durchschlagenden
Erfolg. Der Komponist und die Darsteller wurden
stürmisch gerufen. General-Intendant v Hülsen
wohnte der Vorstellung bei.
Die Barth'sche Madrigal - Vereinigung
zu Berlin, wird am 9. März im Mozart- Verein
zu Dresden, altitalienische, altfranzösische, alt-
englische und altdeutsche Madrigale vortragen.
Bücher und Musikalien.
Leopold Schmidt: „Sonate F-moU'' für Violine
und Klavier.
■itoldft ä Bokkraaer, Berllm.
Die Sonate ist im wahren Sinne des Wortes
ein J^ammermusik-Werk. Der Komponist hat
viel und Gutes auszusprechen; die Gedanken sind
nicht trivial, aber auch nicht gesucht. Die
thematische Arbeit ist fliessend und ungezwungen,
daher hat das Mnsikstücic auch nicht einen so
grossen umfang wie die meisten unserer neuen
Kammermusikwerke, in welchen die Autoren am
Schlüsse eines jeden Satzes noch ein Ende ge-
lehrten Krams anzuhängen wünschen. Besonders
charakteristisch scheint uns der dritte Satz:
„molto vivace". Das Trio zeigt die, besonders aus
Brahms'schen Studien hervorgegangene Fähigkeit,
aus einem sprechenden kleineren Motive einen
längeren hübschen Gedanken zu machen. Im
rV. Satz begegnen wir, wie öfters in anderer Zeit,
einem Marschthema im Volksliedsstile. Seit
Brahms und Herzogenberg ist uns dies nicht mehr
etwas Neues. Die ernste Stimmung neuerer Zeit
lässt einen Tanz-Bhythmus, wie wir ihm bei Haydn
und Beethoven in den letzten Sätzen begegnen,
nicht mehr recht aufkommen. Aus dem Motiv
des ersten Taktes ist nachher eine recht wirksame
Coda im 8/4 Takt, „Presto" überschrieben, ent-
standen. Auch dieses ist eine Neuerung unserer
2^it, die wir Meister Brahms verdanken. Die
Sonate ist technisch nicht schwer ausführbar.
— 76 —
Klavierschüler and Greiger, welche die leichteren
Sonaten y. Beethoven behemchen, werden an der-
selben grosse Fl ende haben.
FriediicliSelti: , Deux Pieces f aciles" poarViolon
avec accompagnement de Piano.
No. 1 „Chanson^.
Das Lded hat etwas Süssliches. Möge diese
Eigenschaft sich nicht auch in die Schülerliteratnr
für Gelger einschleichen. Wir haben in der Klavier-
Mosik für Dilettanten gerade genng davon; ein
solches Opus ist ja oft recht dankbar, aach mit
diesem Chanson wird der kleine Vortragende sicher
Erfolg haben. Diverses in dieser Weise zum
Stadium verdirbt aber den Geschmack des Spielers
nnd verhindert das Verständnis für gute Musik.
Es kommt vor, dass Studierende, die viel süssliche
und triviale Stücke gespielt haben, die herrlichen,
leicht fasslichen GManken eines Mozart nicht zu
goutieren vermögen.
Dagobert Löwenihal
Emg% Bienanii: „Musik-Lexikon^^ 6. Auflage.
Max HetMy Leipsigr»
Von dem ausgezeichneten Werke erscheint so-
eben die erste Lieferung der 6. Auflage, welche
die Buchstaben A - A u I e t einschliesst. Auch diese
Neuauflage ist wieder, wie alle vorhergehenden,
aufs gründlichste überarbeitet, verbessert und
durch hinzugekommene Artikel vermehrt. Das
ganze Werk wird in 20—24 Lieferungen erscheinen
and wir werden mit dem Fortschritt der Lieferungen
Gelegenheit nehmen, noch eingehender auf dieses
für jeden Musiker durchaus unentbehrliche Werk
zurückzukommen .
Ludwig Sehjtte^ op. 107. .Märchen". Kleine
Klavierstücke. 2 Hefte.
WilhelB HtBMB, KopeabAffeB«
Leider liegt mir von diesen kleinen, über
Motto*s geschriebenen Stücken nur das 2. Heft 7or,
de enthalten in ihiem knappen Bahmen soviel
Poesie und Grazie, dass ich das Fehlen des ersten
Heftes bedaure. Die üeberschriften sind jedenfalls
nordischen M&rchen entnommen; die Naivetät und
Schelmerei, die aus den kleinen Sätzen spricht,
hat sich auch der Musik mitgeteilt, und da sie
auch leicht gesetzt ist, so bilden diese Märchen-
bilder eine prächtige Bereidberung unserer Jugend-
literatur.
Anna Morsch.
Tli.Hiunpert: „Der Musiker und seine Ideale"
BtTMker k SehrMer» «taMvart.
Oben genannte Schrift ist ohne Zweifel recht
gut und aufrichtig gemeint, enthält aber zu wenig
Eigenes und Selbstempfundenes und läast auch
hinsichtlich der Anordnung und Ueberslchtlichkeit
des Stoffes gar manchen Wunsch offen. Mancher
an sich nicht üble Gedanke wird durch phrasen-
hafte und gezierte Fassung erdrückt und vieles für
den echten Musiker und Künstler ganz Selbstver-
ständliche wird mit dem Glorienscheine besonderer
Wichtigkeit und Neuheit umgeben. Der Verfasser
schildert vieles als eigenes Erlebnis. Das ist an
sich ganz gut und gewiss lobenswert, indessen ist
damit noch lange nicht die Notwendigkeit geboten,
alles das aufzuschreiben, oder, was noch weit
schlimmer ist, sogar drucken zu lassen. Wie gesagt,
die Absicht ist anerkennenswert, und trotzdem habe
ich diese, dem Generalmusikdirektor Zumpe „in
Ehrfurcht zugeeignete" Broschüre mit einigem Be-
dauern aus der Hand gelegt.
FabUn Behfeld, op. 85. Vier leichte Fanta-
siestücke für Violine und
Pianoforte.
N. StMToek, BerllB.
Fabian Rehfeld*s vorliegende vier Fantasie-
stücke für Violine und Pianoforte sind als gute
Vortragsmusik angehenden Spielern sehr zu em-
pfehlen. Sie sind melodisch ansprechend und
musikalisch gut gearbeitet. Die Violine dominiert
als Hauptinstrument, aber dem Pianoforte bleibt
doch immerhin auch einmal ein Wort mitzusprechen.
Die Violinstimme enthält nach allen Seiten hin
genügende und erschöpfende dynamische und
agogische Bezeichnungen, sodass nach instruktiver
Seite hin alle Bedingungen erfüllt sind. Gerade
der Umstand aber, dass der instruktive Zweck
dieser angenehmen und wohlklingenden Stückchen
meist auffallend in den Vordergrund tritt, verleiht
ihnen einen gewissen Beiz mehr. Die Fantasie-
stücke sind zum Zwecke der Ausbildung des mu-
sikalischen Vortrags ganz trefflich zu verwenden
und setzen für gutes Gelingen nicht allzuviel
Technisches voraus, sodass sie bald zahlreiche
Freunde finden werden.
Eugen Segnitz.
Vereine.
Mmsikpftdagogischer Terein sn Dresden.
Die Hauptversammlung des „Musikpädagogi-
schen Vereins* fand am SO. Januar im Saale des
Hotels »Stadt Gotha" statt. Der Vorsitzende, der
Königliche Musikdirektor Seifhardt, ehrte das
Andenken des im verflossenen Verelnsjalire ver-
schiedenen verdienstvollen Ehrenmitgliedes Hofrat
Professor Friedrich Grützmacher, erinnerte an
des Verklärten wohlwollende und menschenfreund-
liche Gesinnung für die Bestrebungen des „Musik-
pädayogischen Vereins'' und forderte die Ver-
sammlung auf, der pietätvollen Stimmung durch
Erheben von den Sitzen sichtlichen Ausdruck zu
geben. Herr Direktor Zillmann erstattete als
Schriftführer den Jahresbericht, der ein erfreuliches
Bild über die wichtigsten Ereignisse des Vereins-
— 70
lebeBS gab. Hierauf machte der Schatzmeistei',
Herr Frofeseor Schmole, Mitteilangen über deu
Kaeeen- und Vermögensbestand des Vereins, Herr
Tfircke, Lehrer am Königlichen Konservatorium,
erstattete als Bibliothekar Bericht über die Ver-
mehrung und Benutzung der Bibliothek im letzten
Vereinsjahre und Herr Professor Bolifuss stattete
dem Vorstande den Dank des Vereins ab. Die
^^ahlen ergaben für das neue Vereinslahr keine
Aenderung in der Zusammensetzung des Vorstandes.
Musik- Sektion
des Allg. Dentscheii Lelirerinnen-Yereins.
Die Musikgruppe Bostock stellt folgende
Themen zur Bearbeitung:
1. „Welchen Nutzen und welche Vorteile ge-
währt die staatliche Prüfung den Musiklehrerinnen
für ihre Stellung und für ihre Berufstäügkeit?-'
oder
2. „Welche Vorteile und Annehmlichkeiten
bietet die Mosik-Sektion den Mnsiklehrerinnen?''
Der Termin für die am 1. Februar ffillig ge-
wesenen Arbeiten ist bis zum 15 M&rz ver-
schoben, die Aufsätze sind an Eri Helene 8treb,
Darmstadt, Martinstr. 11 Vt za senden.
Der Vorstand
I. A.
Sophie Henkel.
Briefkasten.
ibonn^nffii in T« Sie schreiben mir, dass die
Firma E. Hang, Pforzheim, den Betrieb der
„Pedal-Schemel^ eingestellt habe, und bitten mich
um eine neue Adresse. Da mir eine solche un-
beknnnt ist, ich aber den Pedal-Schemel, resp- die
Pedal FuKsbank für sehr nützlich halte, so frage
ich hiermit b<^i mein«*n Lesern an, ob ihnen andere
Fabrikate bekannt sind, die mit der Fussbank die
Möglichkeit des Pedalgebrauchs verbinden.
S. S. 1^0. Ich glaube kaum, dass eine solche
Anstalt besteht, werde mich aber danach e> kundigen.
Dagegen möchte ich Ihnen die Ferienkuise \on
Herrn Gustav Borchers, Leipzig empfehlen, die
ganz besonders für die Ausbildung von ^^chul-
gesanglehrem eingerichtet sind. Der vorjährige
Kursus hat in der 2. Hälfte des Juli stattgefunden.
(Vergl. „Kl.-L." No. 20 v. J.)
19^ Der heutigen Nummer liegen Prospekte der Huih* sehen ¥erlag$handlung, Stuttgart:
^Dr. Karl Storch^ Geschichte der Musik*^y Kax Hbss^'m ¥er/ag, Leipzig: ^^Hugo RiemautCs
Musik-Lexikon^^ Sechste Auflage^ und Carl Marseiurger, Leipzig: „£7. R. Hennigj Einführung
in den Beruf des Klavierlehrers^^ bei^ auf welche wir unsere Leser besonders aufmerksam
machen. D, E.
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Konservatorium der Musilc
in Kassel.
Gegr. 189B. Direktion: L Beyer, c^egr. 189B.
EhreilTOraltx: B»frleniiife«-Prildd«nt tob TtoH la 8«1s,
enf KSalfftdorfl; Bzcellena (^eneraUn tob Colonb,
Oberbttrgermeister Miller u. A.
CmratoriDm: Pfarrer Heae, Sobnldirektor Prof. Dr. Km«-
• Bankier Plaat, Jostiarath Scheffer o. A.
I^hrer : Die Damen: L. Beyer, RIaBit-rSnter, Königl. Opem-
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Junghofstrasse, Saalbau.
StenenpermUflung der mustksekfion
ae$ JUlgeMeftten Deiitscfteii EeDrerliiiietivereiiii.
Centralleitung Berlin W., PasBauerstr. 8.
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nebst Vorsehule
gegründet 1878
Elisabeth Simon
Breslau.
Institut
f. human. -erzieht. Musik-
unterricht
mit Lehrerinnenausbiidung
nach Ramann- Volckmann
von Ina LShner,
N ü rn her g, mittl. Pirkheimerstr.94in.
Erlangen, Luitpoldstr. 18.
]M[ug(ikselii].le
und
Anna Hesse.
Gegründet 1882.
Erfurt, Sohilloretraeee 27.
Helene Nörlog,
Gesanglehrerin. Tonbildung (Luise Ress),
Gehörbildung (Methode Chev6).
Königsberg i. Pr., Schönstr. 18.
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I I Schul- und Kirchen-Instrumente.
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JoluuiaM Kewltsch,
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Fernsprecher Amt 9 No. 12943.
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BEBIilir W., littteow-Cfer 1 iv-
Blncaag GenthlBcratr.
Klav ieruntemcht, Theorie. Ensemblespiel,
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Der I(lavieF-ItehFer.
Musik-pädagogische Zeitschrift für alle Qebiete der Tonkunst.
Organ der Deutschen Musiklehrer-Vereine,
der Musik-Sektion des J\. D. L-V. und der Tonkünstler-Vereine
zu Köln, Dresden, Hamburg, Leipzig und Stuttgart.
Begründet 1878 von Professor Emil Breslaun
Redaktion: Anna Morsch
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No. 6.
Berlin, 15. März 1904.
XXVII. Jahrgang.
Inkalt: A, Mecklenburg: Hans von Bülow als Musik- und Klavierpädagoge. (Fortsetzung.) Eugen Schmitz: Muaikp&dagogische
Probleme. Pr. Karl Storck: Kritische RQckschau über Konzert und Oper. Mitteilungen von Hochschulen und Kon-
servatorien. Vermischte Nachrichten. Bacher und Musikalien, besprochen von Anna Morsch und Dagobert Löwenthal
Vereine. Anzeigen.
aU musik- und Kl^ivlerviaagege.
Von
A« Heoklenbnri:.
(Fortsetznng.)
Es ist bezeichnend, dass der grosse
Meister der Klavier-Pädagogik keine Klavier-
schule, kein zusammenfassendes theoretisches
Werk über die Klaviertechnik, der Welt hinter-
lassen hat. Ebensowenig wie seinem grossen
Lehrer Franz Liszt war Bülow dieses ver-
gönnt. Ueberdies ist es zweifelhaft, ob beide
überhaupt die Absicht gehabt haben, die ganze
Stufenleiter der Klaviertechnik von ihrem ein-
fachsten Prinzip aus bis zu den verwickeltsten
Kombinationen der modernsten technischen Er-
rungenschaften in pragmatischem Zusammen-
hange darzustellen. Die unmittelbar nach
dem Tode Liszt's durch die Presse gehenden
Notizen, welche eine baldige Edition einer
Liszt 'sehen „Klavierschule" aus dem Nach-
lass in Aussicht stellten, erwiesen sich als
falsch. Wenn Liszt irgend ein technisches
Problem aufwarf und daran ging, die am
schnellsten zum Ziele führende Lösung des-
selben zu lehren, so s c h u f er eine „Konzert-
etude"; auf diesem Wege wurde er Herr aller
technischen Schwierigkeiten, mochten sie selbst
bis ins Transcendente sich versteigen. Das
rein theoretisch - didaktische Element ward
immer von der Produktivität seiner
Natur überbrückt; und dass Bülow nicht ein
Klavier-Methodiker strengsten Stiles wurde
von jener Sorte, der die technischen Aufgaben
und ihre Lösung um ihrer selbst
willen zum Sport werden, hatte eben im
Gegensatz zu seinem Lehrer Liszt sein Gegen-
gewicht an seiner vorwiegend reproduk-
tiven Natur. Ihm war die Technik nicht
Selbstzweck, sondern einzig und allein das
Mittel zur reinen Darstellung der musikalischen
Kunstwerke, weshalb er mit Vorliebe den ge-
samten Stoff der technischen Darstellungs-
mittel an der Hand der Meisterwerke selbst
in instruktiven Vorreden und Anmer-
kungen, also immer erst in zweiter Linie,
zur Entfaltung brachte. Wir dürfen uns dem-
nach eigentlich nicht wundern, wenn bei die-
sem Ueberwiegen des Rein-Künstlerischen in
dem Wesen Bülow's über dem Bloss-Didakti-
schen nur sporadisch und nicht in geschlosse-
ner Einheit klavier-pädagogische Winke und
Ratschläge von Bülow gegeben werden. Eine
uns höchst willkommene Ergänzung für das
Verständnis der Bülow'schen Klavier-Päda-
— 82
gogik im speziellen bieten uns die „Studien
bei Hans von Bülow" von Theodor
Pfeiffer, Berlin 1894, mit der Widmung:
„Dem jungen Schulmeister der alte" und der
„Nachtrag" zu den PfeiflFer'schen Studien bei
Hans von Bülow, die von Vi an na da
Motta 1896 herausgegeben wurden. Beide
Schriften führen Bülow's Auffassung grosser
Klavierkomponisten von Bach bis Liszt vor
und enthalten eine Menge geistreicher Aper9us
aus dem Munde des genialen, allumfassenden
Interpreten in Bezug auf Technik, Rhythmik,
Dynamik etc., musikalisches Verständnis der
Klavierwerke und ihre künstlerische Wieder-
gabe, treffende Bonmots, mit welchen er seine
Klavier-Lehrkurse am Raff'schen Konservato-
rium aus den Jahren 1884—87 durchgeistigte.
Mit genauester Sorgfalt sind hier besonders
Bülow's Bemerkungen über Nüancierung, Auf-
fassung, Phrasierung Bach'scher Werke, haupt-
sächlich des wohltemperierten Klaviers Theil I
und II wiedergegeben worden, die sowohl für
Lehrer als für ausübende Virtuosen von
grösstem Werte sind.
Wenn wir nun daran gehen, an der Hand
dieses genannten, reichhaltigen Materials einen
Katechismus der Bülow'schen Klavierpäda-
gogik im folgenden zu geben — und wir
treten damit an den eigentlichen Kern der uns
gestellten Aufgabe heran, so können selbst-
verständlich nur die leitenden Grundgedanken
hier hervorgehoben werden, die einen befruch-
tenden Einfluss auf die Klaviererziehung be-
reits ausgeübt haben und noch ausüben wer-
den, so lange es überhaupt ein Klavierspiel
geben wird, das auf künstlerischen Gesetzen
beruht. Einzelne Analysen werden nur inso-
weit herangezogen werden, als sie den Prin-
zipien der Bülow'schen Pädagogik als Illustra-
tion dienen.
Bei allem künstlerischen Handeln kommen
3 geistige Kräfte in Betracht: 1) Wille.
2) Verstand. 3) Gemüt, und von ihrem
Verhältnis zu einander, davon, ob 1 oder 2
oder 3 in ihrer gegenseitigen Mischung
dominiert, hängt das eigenste Wesen der
künstlerischen Individualität ab. Bis zu einem
gewissen Masse muss jedes der 3 Elemente
vertreten sein. Entbehrt eine Persönlichkeit
eines oder 2 dieser seelischen Kräfte absolut,
so hat sie kein Recht, als eine künstlerische
angesehen zu werden. In Bülow sind nun
alle 3 die künstlerische Individualität be-
gründenden Faktoren in reichster und um-
fassendster Weise vorhanden. Aber die beiden
ersten Faktoren, Wille und Verstand, über-
wiegen in dem Masse, dass der letzte Faktor,
das Gemüt, von den beiden ersten in straffe
Zügel genommen wird. Und wie Bülow als
ausübender Künstler den beiden ersten
Faktoren den Vorrang einräumte, was seiner
philosophischen Grundanschauung entsprach
— war er doch wie CarlTausig „Schopen-
hauerianer" —, so kamen diese bei seiner
Lehrtätigkeit auch in erster Reihe zur Geltung.
Als ideales Erfordernis des künstlerischen
Vortrags stellte Bülow seinen Schülern dar:
I. Das objektiv schöne Spiel, bei
welchem einmal die akustischen Gesetze des
Instruments wie die Gesetze des allgemeinen
Wohlklangs zu beobachten seien. Letzterer
sei häufig nur durch die kombiniertesten
dynamischen Schattierungen der einzelnen
Stimmen selbst bei den einfachsten Konso-
nanzen bedingt »gewissermassen stets organisch
polyphon und polychrom" analog den Fort-
schritten der modernen Pianofortebaukunst.
U. Die objektive Korrektheit des
Spiels, die sich auf Grundlage minutiösester
Analyse und Dekomposition erbaue, „zu der
ein durch Analogie geleitetes Zwischen den
Zeilen-Lesen der scheinbar unwesentlicheren,
deshalb vom Autor nicht stets ausdrücklich
in den Text eingetragenen, feineren Vor-
tragsvorschriften unbedingt gehöre."
IIL Die subjektive Freiheit des
Spiels, welche die Reproduktion als augen-
blickliche Inspiration resp. Improvisation er-
scheinen lasse und ihr gleichsam den Zauber
eines Ergusses der freien Phantasie verleihe.
Einem Klavierspiel, in dem Bülow diese
3 Erfordernisse fand, konnte er das Zeugnis
eines hoch künstlerischen nicht vorenthalten.
Wenn nun also für Bülow die Hauptauf-
gabe aller Klavierpädagogik in jenen oben-
erwähnten 3 Hauptmomenten vorgezeichnet
lag, so muss die Erziehung zum Virtuosen
ad I die Willenskraft, ad II die in-
tellektuellen Geisteskräfte, ad III die
Kraft des Gemüts oder der Phantasie in
ihren Dienst nehmen. Bei der Dekomposition
des Tonwerks (ad II), die als unerlässliche
Vorarbeit des Schülers anzusehen ist, ist das
Verfahren des in Tätigkeit gesetzten Ver-
standes ein mehr wissenschaftliches; man zer-
gliedert das Ganze in seine Hauptteile, diese
wieder in ihre Perioden, Sätze und Motive.
Die Struktur der Harmonie und Modulation
muss klargelegt, und das Verhältnis der mit
einander korrespondierenden Teile begriffen
— 83
werden. Die Erkenntnis ist zu vermitteln,
wie der künstlerische Organismus des Werkes
in allen seinen Gliedern der Einheit des
Gedankens durch die Mannigfaltigkeit seiner
Ausdrucksphasen hindurch zum Träger dient.
Da man vom Ganzen zum Einzelnen fort-
schreitet, wirdhier vorzugsweise die analytische
\'erstandestätigkeit angespannt
Dem „objektiven korrekten" Spiel, das
nur durch Inanspruchnahme der letzteren er-
zielt werden kann, geht (ad I) „das objektiv-
schöne Spiel" zur Seite, zu dessen Hervor-
bringung die Gesetze der gesamten Technik
zweckmässig angewandt werden müssen.
Hier wird, wie erwähnt, die erste Geistestätig-
keit der künstlerischen Individualität, der
Wille, in Zucht genommen, und zwar so, dass
die Hand in ihrer künstlerischen Tätigkeit
ihm bedingungslos gehorchen lernen muss,
um im Dienste der schönen Idee den Gesetzen
der Klangschönheit gerecht zu werden. Es
kann nun aber keine der Idee des Autors
entsprechende Klangschönheit mit ihren
charakteristischen dy namischen Schattie-
rungen geben ohne den dieselbe hervor-
zaubernden Anschlag, und dieser kann nicht
hervorgebracht werden ohne jahrelanges tech-
nisches, mechanisches Studium.
Erst unter HL beginnt die eigentliche
künstlerische, synthetische Tätigkeit.
Es handelt sich hier um die nachschaffende
Rekonstruktion des vorhin dekomponierten
Tonwerks, wobei die Funktion des Gemüts
und der Phantasie, der bewussten, aus der
Unklarheit der Gefühle herausgehobenen
individuellen Empfindung in ihre Rechte
eintritt
Wir beginnen mit der Stellung Bülow's
zum Mechanischen und Technischen
(ad I). Auch ihm war die Technik die uner-
lässlichste Bedingung des Klavierspiels, die
conditio sine qua non. Ihrer Pflege wandte
er daher beim Unterrichte zunächst seine
Aufmerksamkeit zu. Zwar erhielt Bülow
meistens Schüler, die im Technischen sehr
weit vorgeschritten waren, doch auch bei
solchen hatte er immer noch nachzubessern
und nachzuhelfen. Bülow stand nicht auf
dem beschränkten, laienhaften Standpunkt
derer, die das Technische vom Geistigen
trennen; er hielt voll und ganz an dem
Prinzip der Untrennbarkeit des Technischen
und Geistigen fest und vertrat die Anschauung,
dass die technische Ausbildung Hand in Hand
und gleichschreitend mit der geistigen ge-
fördert werden könne und müsse. Zu dem
Geist des Klavierspiels verhält sich ja die
Technik wie die Form zum Inhalt, d. h. sie
ist, wie Adolf Kullak in der „Aesthetik des
Klavierspiels ^' S. 122 sagt, selbst das Ganze
ebenso sehr wie der Inhalt und „scheidet sich
von demselben nur vom Gesichtspunkt einer
anderen Betrachtungsweise, welche der be-
obachtende Verstand dem Kunstwerke gegen-
über einnimmt. Daher widerstrebte es Bülow,
beim Unterricht die Mechanik als solche, ab-
gelöst von allem kompositorischen Stoff, in's
Auge zu fassen. Er lehrte die Gesetze der
Technik im Dienste des kompositorischen Zu-
sammenhangs. Nicht die blosse Technik,
sondern die angewandte war der Gegen-
stand seiner Unterweisung. Nicht verlor er
sich in tote, abstrakte Theoreme über die
relativ beste Handstellung, aber die Technik
in ihrer Gestaltung zu lebensvoller, charakte-
ristischer Blüte „in ihrer Erhebung zum
Kunstwerke" hat sein volles Interesse, und
für sie wusste er seine Schüler zu interessieren.
Dem aus der Liszt'schen Schule über-
lieferten technischen Stoff gegenüber verhielt
Bülow sich nicht eklektisch, dass er einem
besonderen Gebiet, z. B. dem Oktavenspiel etc.,
im Unterricht den Vorrang eingeräumt hätte.
Er war in technischer Beziehung durchaus
universalistischer Pädagoge. Bülow setzte
seinen Ehrgeiz nicht darin, „Oktavenjupiter,
Scalenpäpste oder Terzenritter, Trillerkönige
oder „Präsidenten der Republiken Staccato
und Legato" heranzubilden; er wollte nicht
Repräsentanten höchstvollendeter Ausbildung
in diesem oder jenem Detailgebiet der Mechanik
erziehen. Die Erfahrung belehrte ihn darüber,
dass solche, die infolge von Anlage der Arm-,
Hand- oder Fingergelenke und eiserner Aus-
dauer der Uebung es zu einer alles über-
trumpfenden, fabelhaften Fertigkeit in einer
technischen Spezialität gebracht haben, in
eben, dieser technisch auf- und künstlerisch
untergingen. Bülow's klavierpädagogische
Kunst nach der technischen Seite hin gipfelte
in demStreben nach zunächst gleichmässiger
und — natürlich möglichst entwickelter
Ausbildung seiner Schüler in allen tech-
nischen Spezialitäten. Die Herrschaft über
das gesamte technische Material stellte er
als zunächstliegendes, erstrebenswertes Ziel,
als Grundlage des wahren Virtuosentums hin.
Hier ist, so sagt er in einem Aufsatz „über
wahre und falsche Virtuosen**, der berühmte
Feuerbach'sche Moralsatz : „Folge allen
deinen Neigungen, so wirst du keiner
einzelnen zum Opfer fallen" mit vollem Rechte
anzuwenden.
Den Schwerpunkt der Fingergymnastik
legte Bülow in solche Skalenübungen, welche
die Egalisierung der Finger zum Ziel
hatten. Er Hess sie langsam, stark, legato, non
legato, staccato, in gerader und Gegenbewegung
üben. Hierin berührte er sich mit Chopin,
der auf ein abwechselungsreiches und rhyth-
misches Skalenstudium das Schwergewicht
legte. Ebenso musste die feine und wohl-
überlegte Art, wie Bülow das Skalenspiel ge-
handhabt wissen wollte, durchaus belebend
auf die Bildung des rhythmischen Gefühls
wirken. „Am Anfang war — der Rhythmus",
war ja Bülow's bekanntes, geistreiches
Wort. — Die Prinzipien, welche z. B. den
Klavierstudien von Louis Köhler op. 70
(Breitkopf & Härtel) zu Grunde liegen, waren
auch die seinigen. Obiges Werk empfahl
Bülow daher ganz besonders. (Brief vom
20. Dezember 1859 an Louis Köhler.) Nur
wollte er das dort niedergelegte reiche Skalen-
material dahin vervollständigt wissen, dass
noch 1)
84 —
scalenartigen Exercitien hinzukämen, denen er
höchsten Einfluss auf die gleichmässige Aus-
bildung der Finger zugestand und 2)
^
^d
n
letcz
^=^
und alle damit im Zusammenhang stehenden
ein Exercitium, das durch alle Skalen mit
abwechselnden Accenten geführt, ihm als
eines der vorzüglichsten Finger-Stärkungs-
und Egalisierungsmittel erschien.
Was femer als ein eminent praktisches
Moment in seiner technischen Unterweisung
hervorsticht, ist die Vereinfachung des
Fingersatzes, der ausserdem dem jedesmaligen
individuellen Bau der Hand naturgemäss an-
gepasst wurde.
Für die Applikatur der Terzenskalen
glaubte Bülow ein einfacheres Schema als
Köhler gefunden zu haben, in dem „auf
möglichst geringen Widerspruch der beiden
Hände Rücksicht genommen ist.** Und wer
sich dieMühe nimmt, diezahlreichenBülow'schen
Ausgaben der Meisterwerke in Bezug auf die
Applikatur zu studieren, wird finden, dass
überall bis in's Kleinste das Prinzip der Ver-
einfachung und des Naturgemässen ge-
wahrt ist. „Derjenige Fingersatz ist der beste,
bei dem es am besten gelingt (natürlich nicht
in Bezug auf Bequemlichkeit, sondern auf
das musikalische Gelingen)."
(Fortsetzong folgt.)
^usfl^pädagogfscbe Ppob1eit)c.
Von
Enipen Sehmitx.
Das Problem des Jugendunterricbts in der
Mnsjk hat bereits eine umfangreiche Literatur her-
▼orgertifen, ein Beweis, wie aktuell diese Frage
ist. Die Bedeutung derselben nimmt aber noch
fortwährend zu mit der stets grösser werdenden
Rolle, die die Musik im modernen Kulturleben
spielt. Sie nimmt auch zu mit der stets wachsen-
den Kompliziertheit der musikalischen Formen, die
auch an den, der ihnen bloss a^s Hörer, nicht als
selbsttätig schaffender oder ausäbenber Künstler
gegen Übertritt, nicht geringe Anforderungen
stellen. Und auf Bildung des rezeptiven Musik-
vermögens, d. h des Vermögens, mit Verständnis
und Grenuss Musik zu hören, kommt es doch vor
allem bei den jungen Musikeleven an, soweit es
sich wenigstens nicht um künftige Fachmusiker
handelt. Es soll daher im Folgenden versucht
werden, einige neue Anregungen bezüglich der
Grestaltung der musikalischen Gkschmacksbildung
der Jagend zu geben.
Sehr wichtig für die Bildung des Musiksinns
ist der „musikalische Stoff", der beim Jugend-
unterricht Verwendung findet. Da es sich f»)st
stets um Klavierunterricht handelt, wollen wir
von diesem bei unseren Betrachtungen ausgehen.
Nach Absolvierung der Elementarschule beginnt
das Etüdenspiel; daneben pflegt man dann gerne,
um dem Kinde mehr „Lust^^ zum Spielen zu
machen, leichtere Unterhaltungsmusik, und dabei
finden namentlich zwei Gattungen von Tonstücken
Verwendung: Sogenannte ,Saloustücke" einerseits
und „Arrangements" 7on Opern melodien anderer-
— 85
seits. £8 fällt schwer, zn entscheiden, welches von
diesen beiden Elementen einer rationellen musika-
lischen GeschmacksbÜdnng feindlicher und schäd-
licher ist; sie beide zu bekämpfen, soll unsere
nächste Aufgabe sein.
Allerdings muss da zunächst zugegeben
werden, dass der pädagogische Gedanke, durch
gefällige, leichtverständliche Musik die Ereude und
das Interesse des Kindes an seinein Musiktreiben
zu beben und zu mehren, unbestreitbar viel für
sich hat; schlecht ist aber die musikalische Aus-
führung desselben in der oben bezeichneten Art.
Wenden wir uns zunächst den Opernarrangements
zu, deren Benützung zwar in den letzten 10 Jahren
wesentlich abgenommen hat, die aber immer noch
geuQg Verwendung finden, um eine Warnung vor
ihren Schäden zu rechtfertigen. — Unsere Musik-
verleger haben dem Bedürfnisse nach solchen
unterhaltenden Opemarrangements abhelfen zu
müssen geglaubt und u. a. z. B. jeine Anzahl
„Melodien- Albums^, „Anthologien", Sammlungen
beliebter Opernmelodien' u. s. w. herausgegeben.
In diesen Bändchen wird nun alle mögliche Musik
bant zusammengewürfelt gebracht. So enthält z. B.
das von Köhler in der £dition Peters heraus-
gegebene „Melodienalbnm** (Bd. 2/ Opemmelodien
von Mozart, Beethoven, 'Weber, Spohr,
Auber, Bossini, Donizetti, Hellini u. s. w.
—Diese Stücke werden dann kritiklos herunterge-
spielt, wie sie sich folgen, jetzt eine Mozart Arie,
dann eine Bachearie von Donizetti, jetzt „durch
die Wälder, durch die Auen* und unmittelbar
darauf „Di tanti palpiti" oder „Casta diva^S italie-
nisch und deutsch, klassisch und romantisch, ohne
Wahl, ohne Ziel, wie sich die Stücke im „Album"
eben folgen. Schon mit dieser Zusammensetzung
der Opernalbums, Hand in Hand gehend mit der
gedankenlosesten Benützung derselben, ist für den
verständigen Musikpädagogen das Urteil darüber
gesprochen. Denn dass mit dieser Methode eine
geflissentliche Abstumpfung alles musikalischen
Stilgefühls von Anfang an notwendigerweise ver-
bunden ist, tritt bei einiger üeberlegung doch klar
zu Tage, und es ist wirklich nicht zu verwundern,
wenn Leute, die in ihrer Jugend so musiziert
haben, dann später zwischen dem „Trompeter von
Säkkingen" und dem „Tristan^^ höchstens den
ÜQterschied entdecken können, dass der erstere
weit unterhaltender ist, als der letztere, und wenn
ihnen die Kunst Beethoven's oder Bach*s ein
Buch mit sieben Siegeln bleibt.
Freilich wenden sich unsere bisherigen Vor-
würfe beinahe mehr geg^n die Art und Weise
der Verwendung der Opernarrangements als gegen
diese selbst; doch fehlt es uns auch hier nicht an
Stoff zu berechtigten Angriffen.
Einen Vorteil freilich wird man den Opern-
arrangements nicht absprechen dürfen, nämlich
dass durch sie der musilcalische Gesichtskreis des
Schülers gegenüber einem sich nur auf Original-
Klavierliteratur beschränkenden Unterricht erheb-
lich erweitert wird. Allein dieser Vorteil geht
meist durch die jämmerliche Beschaffenheit der
Arrangements wieder verloren. Machen schon an
und für sich Opemmelodien, aus dem Zusammen-
hang des Ganzen herausgerissen, meist einen ganz
verkehrten und entstellten Kindruck (dies lässt
sich auch wo es sich um „Nunmiemopem^^ im
vollsten Sinne des Wortes handelt nicht leugnen),
so wird dieser entstellte Eindruck noch verschärft
durch die Art und Weise, wie diese „Melodien''
reproduziert werden. Vor allem werden sie sehr
oft, um sie leichter spielbar zu machen, auf die
unsinnigste Weise transponiert und daduich ihr
Charakter von Grund aus verändert und verzerrt,
aber auch wo dies nicht der Fall ist, sondern die
Stücke in der Originaltonart geboten werden, ist
der Klaviersatz, natürlich wieder in dem Be-
streben, möglichst leicht spielbar zu sein, durch-
weg von erschreckender Trockenheit, ohne eine
Spur von polyphoner Stimmführung, mil
grundsätzlicher Missachtung der Mittelstimmen
und meist sehr öder und steifer Bassführung. So
ist schliesslich auch rein technisch die Benutzung
von Opern arrangements für den Klavierunterricht
nicht erspriesslich; dar Hauptgrund aber, der auf
ihr völliges Verschwinden dringen lässt, ist die
oben bereits gekennzeichnete Geschmacksverderb-
nis, welche durch dieselben droht.
Aus dem gleichen Grunde muss man sich
mit aller Entschiedenheit gegen die ,,Salonmusik^*
und ihre Verwendung beim musikalischen Jugend-
unterricht wenden. — „Mit Stlssigkeiten, Back* und
Zuckerwerk zieht man keine Kinder zn gesunden
Menschen. Wie die leibliche, so muss die geistige
Kost einfach und kräftig sein. Die Meister haben
hinlänglich für die letztere gesorgt; haltet euch an
diese.^^ Diese Worte aus den „musikalischen
Haus- und Lebensregeln" von Bob. Schumann
haben auch für die musikalische ünterhaltung«-
literatur Geltung, die zwar dem strengen Etüdeu-
spiel gegenüber eine „Erholung" bilden soll, aber
eine edle und geistbildende Erholung. Dass
diese aber aus den „Salonstücken^ der Egghard,
Spindier, Ketterer und Konsorten nicht zu
gewinnen ist, darüber sollte eigentlich doch auch
kein Zweifel herrschen. Die Jugend selbst hat
noch nicht die Fähigkeit, die innere Hohlheit,
Trivialität und Abgeschmacktheit dieser süssen
Sächelchen zu erkennen, und lässt sich durch
Aeusserlichkeiten bestechen, nicht zum letzten
z. B. durch ein recht schönes Titelbild, das nicht
selten beigegeben ist, oder durch den Titel, mit
dem die Salookompontsten ihrem Schund den
Stempel der Charakteristik aufzudrücken versuchen,
wenn sie ihre Stücke mit Ueberschriften wie
„Kotkäppchen"*, ,der kleine Postillon", „Dorf-
schmiede^, „Gebet einer Jungfrau'' u. dergl. ver-
sehen. Hat sich dann aber einmal, durch solche
Aeusserlichkeiten verführt, das jugendliche Gemüt
— 86 —
mit diesem musikalischen Gift vollgesogen, dann
ist es schwer, wenn nicht unmöglich, den Weg
zum musikalischen Heile wieder zu Enden, and
jeder Sinn für ernste Masik wird dahin sein.
Damm hinaus mit der Salonmusik aus dem Jugend-
Unterricht, ebensogut nnd noch mehr als mit den
Opemarrangements. Wir besitzen durch Kullak,
LöBchhorn, Scharwenka, Th. Kirchner,
Bossi, Eienzl u. v. A. eine so reiche für das
Klavier geschriebene Originalliteratur, die den
Namen Unterhaltungsmusik im besten Sinne
führen kann, dass sowohl Arrangements als auch
Salonstticke vollkommen überflüssig sind.
Im Zusammenhang unserer Erörterungen sei
hier noch auf einen Punkt hingewiesen, der eben-
falls die Wahl des zu spielenden Stoffes betrifft»
jedoch auf einer bereits fortgeschritteneren Stufe
des Musikunterrichts. Manche Klaviereleven
kommen in jungen Jahren schon soweit, dass sie
z. B. Chopin's Klaviermusik in Angriff nehmen
können. Der Kultus derartiger Musik ist ebenfalls
nur mit starker Reserve gut zu heissen. Von einem
Schüler, der es in jungen Jahren bereits zum
Chopiospieler gebracht hat, darf man wohl an-
nehmen, dass er auch für den geistigen Gehalt
dieser Musik empfänglich ist, d. h. dass er auch
die Chopin'schen Stimmungen in sich aufnimmt^
und das ist eben für die Jugend nichts. So wenig
man Kindern Tolstoi oder d'Annunzio zu lesen
gibt, sowenig sollte man einen übermässigen
Chopinkultus gestatten, denn durch das Element
des Trübsinnigen, Weltschmerzlichen nnd Hyste-
rischen, welches sich durch einen grossen Teil
Chopin'fexher Kunst hindurchzieht, kann leicht die
empfängliche, jugendliche Seele angekränkelt
werden. Chopin'ö Kunst ist ähnlich wie Wagner 's
„Tristan*, auch manches von Schumann, eine
Kunst für geistig Erwachsene und Vollausgereifte;
der Jugend sollte sie nur mit Vorsicht und stets
sehr massvoll zugänglich gemacht werden.
Wir haben bisher fast nur .negative Probleme"
besprochen; damit wir dem Leser nicht am Ende
als ,,Gei6t, der stets verneint*^ erscheinen, möge
nun noch ein sehr wichtiges positives musikpäda-
gogisches Problem kurz zur Besprechung gelangen.
Schon lange hat man es als Erfordernis eines
jeden rationellen Musikunterrichts bezeichnet, dass
neben den praktischen Uebungen von Anfang an
Unterweisungen in den wichtigsten Grundsätzen
der Theorie erfolgen, und darin den wirksamsten
Gegenpol füi ein rein automatisches, ver-
ständnisloses Musizieren erkannt. Berühmt in
dieser Hinsicht war bekanntlich lange Zeit die
Methode von J. B. Logier (1777-1846), und in
den bedeutendsten modernen Klavierschulen, z. B.
in denen von Breslaur, Riemann u. a., wird
ebenfalls diese Grundlegung der musikalischen
Theorie systematisch neben den technischen
Uebungen durchgeführt. Seltsam ist dabei, dass
man sters nur die Theorie der musikalischen Tech-
nik (Harmonie, Phrasierung etc.) berücksichti^n
zu müssen glaubte, und nicht an ästhetische
und historische Belehrung dachte. Freilich
wird hier vielleicht ein Einwand, der schon beim
theoretisch- technischen Unterricht häufig erhoben
wird, noch gewichtiger auftreten, der Einwand
nämlich, ob auch der Musikeleve, der doch sehr
oft noch in recht jungen Jahren steht, für diese
Disziplinen das nötige Verständnis bereits besitzt.
Man kann wohl sagen, dass dieser Einwand zum
guten Teil von der Bequemlichkeit diktiert wird.
Weil man es zu mühsam findet, sich ernsthaft mit
der Lösung des Problems zu befassen, proklamiert
man es sich und Anderen zur Beruhigung gleich
von vornherein als unmöglich. Mit 7- und 8 jährigen
Kindern Musikästhetik treiben zu"wollen, erscheint
allerdings auf den ersten Blick etwas utopistisch;
man muss sich aber eben dem Begriffsvermögen
und dem Individuell des Kindes anschliessen ; erteilt
man doch den Kindern auch von frühester Jugend
an Beligionsunterricht. Ganz leicht möglich ist
es aber sicher, durch historische Be-
merkungen und Erläuterungen den tech-
nischen Unterricht zu beleben. Dafür haben ge-
wiss auch die jüngsten Musikeleven bereits die
nötige Auffassungsgabe und dafür vor allem sei
hier plädiert! Natürlich darf man auch hier
den Kindern nicht etwa mit gelehrtem musika-
lischen Küstzeug kommen, sondern muss sich auf
alle Weise dem kindlichen Begriffsvermögen an-
schliessen. Das Ziel, das dabei verfolgt wird, ist
ein doppeltes: einmal die Kinder von Anfang an
zur Pietät und Verehrung gegen die grossen
Meister zu erziehen. Das ist die Hauptfache; zu
einer Zeit, wo der Schüler noch nicht fähig ist^
selbständig das Grosse und Gute zu erkennen, soll
er sich den Meistern mit fragloser Verehrung
nähern; das wird der späteren Selbständigkeit
seines Urteils keinen Schaden tun und ihm viel-
leicht manche künstlerische Kämpfe und Irrungen
ersparen. — Sodann aber soll durch diese histo-
rischen Belehrungen das allgemeine Interesse des
Schülers an seiner Kunst geweckt und gemehrt
werden; zur Erreichung dieses Zieles ist ein Mittel
zu empfehlen, vor dem sich die wissenschaftliche
Musikgeschichtsforschung aufs strengste zu hüten
hat, nämlich die erzählende Behandlung des
Stoffs. Schilderungen aus dem Leben des jungen
Mozart, des jungen Haydn oder Bach werden
den Geist des Schülers in erfreulicher Welse an-
regen und seinen musikalischen Eifer beleben.
Dabei ist nochmals zu betonen, dass mit diesen
historischen Erläuterungen keineswegs die Grund-
legung einer musikgeschichtlichen Bildung gegeben
werden soll. Wenn auch sehr zu wünschen ist,
dass die glänzende musikgeschichtliche Unwissen-
heit, durch die auch heutzutage noch viele musika-
lische Eachroutiniers strahlen, künftighin in allen
musizierenden Kreisen einem wenigstens be-
scheidenen Fundus von Bildung auch auf diesem
— 87
Gebiete weichen möge, 8o ist die Grundlage dazn
doch erst in sp&teren Jahren ' des mnsikalischen
Unterrichts zu legen ; im Anf angsstadinm desselben
möge die Masikgeschichte die von nns ihr oben
zugewiesene Stellung einnehmen.
Mögen die vorstehenden Erörtemngen als das
aufgenommen werden, als was sie gemeint sind:
als bescheidene Anregungen zum weiteren Nach-
denken über wichtige mnsikpädagogische
Probleme. —
Kritische Bfickschau
über Konsert und Oper.
Von
Dr. Karl Storek.
Johann Sebastian Bach's ^H-moU-Messe"
ist ein ungeheures Werk, unvergleichbar mit
anderen, für sich ragend, ein Siesenbau, der nur
durch Vorarbeit unzähliger möglich war und doch
darchaus persönliches Bekenntnis ist. So oft ich
vor dem Kölner Dom stand, so oft ich in ihn ein-
trat, hatte ich immer dasselbe Gefühl Das ist
ungeheuer gross, das ist voll einziger Kunst; aber
das erdrückt mich, es wirft sich eine fremde Welt
anf mich, und ich finde keinen, der mir die Hand
reicht und mir sagt: Steh* auf und fühle mit mir;
auch hier waltet Menschentum. So ist es im
ersten Augenblick. Aber dann, verweile ich lange
im Dom, schreite den Wunden entlang, seh', wie
die Sonne die farbigen Heiligen oben in den
Fenstern mit fast himmlischem Glänze durch-
lenchtet. Hun wird mir wohliger. An solch' einer
Säule fülilt man sich geborgen. Wie da die
einzelnen Säulen auf sicherer breiter Basis sich
zum Bündel zusanumenschliessen. So vereint
streben sie sicher zu schwindelnder Höh'; hoch
droben beim Kapital fühlen sie sich so frei, dass
sie an buntesten Zierart sich garnicht Genüge tun
können. Und immer offener wird das Auge für
Einzelheiten. Hier eine Bosette, dort ein Schluss-
stein, da ist das Vierpassmasswerk im Kreis, dort
im Viereck, hier rund-, dort spitzbogig; welch' ein
Spiel in den Fensterbogen. Nun auf einmal sieht
man hundert Menschen bei der Arbeit, sieht man
den Einzelnen, der liebevoll ein einzelnes Stückchen
schafft. Und non auf einmal ist uns auch das
grosse Ganze vertraut. Das ist Ja nur so ungeheuer
und gewaltig, weil es so viele, so vielerlei um-
scUiesst. Aber dieses Grosse ist doch die Heimat
eines jeden von uns, und wir sind darin geborgen,
weU wir eben für unser ganzes Sein darin Platz
haben. Dass wir es nicht ganz zu füllen vermögen,
das fühlen wir jetzt garnicht mehr. Und wie im
Innern, so ergeht es uns nun auch draussen. Die
Turbogenfelder werden jetzt zur Heimstätte von
hundert Gestalten, deren jede das mit Liebe ge-
schaffene Werk eines Menschenkindes ist; die
Wimperge ragen als kostbarste £rkerzier der
Wohnung Gottes. In Wasserspeiern lacht ein
kraftiger Humor; in niedlichen Krabben offenbart
sich eine sinnige Freude am Intimen; nun schau
gar hier, an dem riesigen Strebepfeiler des Riesen-
baues hat einer einer kleinen Statue ein trauliches,
eigenes Häuschen hingebaut, dass sie unter dem
Baldachin träumt, wie in einer Garteulaube. —
So wird einem der gewaltige Riesenbau zu eigen,
gleichwie der Einzelne sich die Welt zu eigen
macht, von der er auch nur ein ganz kleines
Teilchen zu erfüllen mag. Und wir spüren hier
das Verwandte der Schöpferkraft der Künstler mit
der der Gottheit. Denn auch jener schafft seine
eigene Welt, und doch bietet sie Unzählbaren die
Heimat des Geistes und des Herzens.
Solch ein Kölner Dom ist Johann Sebastian
Bach's „Hohe Messe^'. Und wie dort, starrt
uns auch hier erst eine Welt entgegen, die wir
gleich als gross und erhaben empfinden, zu der
wir uns aber auch erst das persönliche Verhältnis
gewinnen müssen. Dann aber, o Gott! welch' ein
Reichtum in allen Einzelnen, wieviel Innigkeit,
wieviel Liebe, wieviel Ernst, welche Freudigkeit,
welch' mystischer Tiefsinn, wieviel kindlich treu-
herziger Jubel. Man müsste Note für Note durch-
gehen, um so Alles im Einzelnen zu zeigen. Ich
will nur auf ein Einziges aufmerksam machen,
darin ersichtlich der Protestant Johann Sebastian
sich in dieser Messe erweist zum Unterschied vom
Katholiken. Es sind die Credo- Worte — remissionem
peccatorum, ich glaube an eine Vergebung der
Sünden. Bei Johann. Sebastian ist diese Stelle
eine der geheimnisvollsten des ganzen Werkes.
Hier, wo Christus seines Mittleramtes waltet, wo
die Rettung der Seele beginnt während der
Körper modert — steht der Mensch einem unlös-
baren Geheimnis gegenüber. In Tonfolgen von
unerhörter Kühnheit und doch voll erwartungs-
voller Bangnis sagt der Künstler von diesem Ge-
heimnis. — Nie würde ein katholischer Komponist
diese Stelle ähnlich komponieren. Durch die
Beichte ist der Nachlass der Sünden f^ewisser-
massen vom Himmel auf die Erde verpfian7.t, und
es sind ganz andere Stimmungen, die ihr gegen-
über wach werden.
Noch eins. Ich habe oben den Kölner Dom
und nicht ein anderes gewaltiges gotisches Münster
genannt. Mit Bedacht, weil der Kölner Dom von
einer vollendeten Stilreinheit ist, die über allen
— 90
die stimmangsvoUe Wiedergabe der Schubert'sclien
Sinfonie die wohlverdiente Anerkennung.
Das 12. Konzert des Konservatorium s
für Musik zu Breslau, Direktor Oscar
Krain, fand zum Besten des Stipendienfonds der
Anstalt statt und hatte sich einer lebhaften Teil-
nahme zu erfreuen. Zur Auffdhrung kamen:
Mozart, „Violinsonate** B dur, Beethoven
desgl. Amol!, „Adagio und Fuge", GmoU für
Violinsolo von J. B. Bach, „II re pastorö** von
Mozart, Lieder von Schubert und B r a h m b
und eine Beihe der 4 stimmigen Zigeunerlieder
von B r a h m s. Die Violinwerke wurden von Horm
E a m p e 1 , die Gesänge von denDamen H e r tt i ng
und K r a i n , den Herren Schubert und
Volke ausgeführt. Den Klavierpart in den
Sonaten, sowie alle übrigen Klavierbegleitungen
hatte der Direktor Herr K r a i n übernommen und
erledigte sich seiner Aufgabe in ausgezeichneter
Weise.
YermlBchte Nachrichten.
Josef Kebicek, der Leiter der populären
Konzerte des Berliner Philharmonischen
Orchesters, dessen künstlerisches Streben in
Berlin in hohem Ansehen steht, musste leider
Kraukheits halber seinen Dirigentenposten nieder-
legen. Jos. B-ebicek feierte vor kurzem seinen
60. Geburtstag, er stand seit 1897 an der Spitze
des Philharmonischen Orchesters und ist in der
ganzen Zeit mit vollem Erfolge bestrebt gewesen,
das Niveau der volkstümlichen Konzerte der
Philharmoniker durch gediegene Programme und
tadellose Ausführung zu heben. Wie sehr ihm
dies gelungen, beweist das grosse Bedauern seines
Bücktritts und die Teilnahme, die dem erkrankten
Leiter entgegengebracht wird.
„Mandanika*", romantische Oper in einem
Akt von Gustav Lazarus, die bereits mit
grossem Beifall von einer Beihe deutscher Bühnen
aufgeführt wurde, errang nun auch bei ihrer Erst-
aufführung am Stadttheater in Lübeck einen un-
bestrittenen Erfolg. Kapellmeister Trümmer mit
den Hauptdarstellern, sowie Direktor Gottscheid,
der die Oper inszeniert hatte, wurden oftmals
gerufen.
Prof. Dr. A. Thierfelder's neues Konzert-
drama „Kaiser Max und seine Jäger*^, Text von
Rud. Baumbach, wird am 25. März durch den
Leo ScheeTschen Gesangverein, hier, und mit
denSollsteuFrl. H e d w ig K a u fm a o n und den Herren
Rothenbücher und Harzen-Müller zur Auf-
führung gelangen.
Die Berliner Trio- Vereinigung der Herren
Georg Schumann, Karl Halir und Hugo
Dechert hat eine Reihe Kammermnsikkonzerte
in Spanien absolviert und glänzende Erfolge er-
rungen. In Madrid spielte die Vereinigung vier-
mal im „Theatro Espagnole** vor einem auser-
lesenen Publikum, unter dem sich Mitglieder der
Königl. Familie, sowie der deutsche Botschafter
befanden.
Die 45. und 46. Auffühiung des Musik-Salons
Bertrand Roth zu Dresden war „Zeit-
genössischen Tonwerken^^ gewidmet. Es kamen
Werke von Richard Strauss, Hans Tittmann,
Theodor Streicher, Max Schillings u. a zur
AufführuDg, dann aber auch Lieder und Klavier-
stücke von Bertrand Roth selbst. Die
Dresdener Kritik berichtet darüber, dass Prof. Roth
mit unrecht Bescheidenheit bezüglich seiner
eigenen Werke geübt, denn sowohl Lieder wie
Klavierstücke bezeugten eine schöne Begabung
hinsichtlich der Erfindung und dem künstlerischen
Ernst der Ausarbeitung.
Die von Otto Seelig, dem Direktor des
Heidelberger Konservatoriums, veran-
stalteten Kammermusikabende fanden mit einem
Beethoven-Abend ihren Abschluss. Zur Aus-
führung kam das D-dur-Trio op. 70, das G-moll-
und das grosse F-dur-Quartett op. 135. Die Aus-
führenden waren das „Frankfurter Streichquartett",
die Herren Heermann, Rebner, Bassermann
und Becker. Vier vorangegangene Abende
waren Schubert, Mozart, Brahms und
Schumann gewidmet gewesen.
Die Firma Julius Blüthner erhielt vor
kurzem den ehrenvollen Auftrag für die Dienst-
wohnung des Präsidenten im neuen Reichstags-
Präsidialgebäude einen künstlerisch ausgestatteten
Salonflügel zu liefen^. Das Instrument ist aus
Cedernholz im Stil Ludwig XVI. hergestellt und
macht mit seinem feinen ornamentalen Schmuck
einen hochvornehmen Eindruck. Ebenso erhielt
die Firma vom Reichskommissar den Auftrag
für das Deutsche Haus auf der Weltausstellung
in St. Louis einen besonders schönen Flügel zu
liefern. Der Begründer und Chef der weitbe-
rühmten Firma, Kommerzienrat JuliusBlüthner,
feierte in diesen Tagen in Leipzig seinen
80. Geburtstag.
Das „95 historische Konzert des B oh n 'sehen
Gesangvereins zu Breslau brachte ein äusserst
interessantes Programm „Die Zigeuner in der
Musik^^ Nach einem einleitendem Vortrage von
Prof. Dr. Bohn kamen eine Reihe vokaler und
instrumentaler Sätze zur Ausführung: „VillanelJen'*
für Chor, „Das weinende Lied", von Herrn
Konzertsänger Mühlenbach in der Original-
sprache ausgeführt, ferner Beethoven's „Wahr-
sagerin", eine Arie aus Scarlatti's Oper „II Tin-
grane''. An Instrumental vortragen bot das Konzert
„Gipseis Round" von Birds, Liszt's „Rakoczy-
Marsch-Bearbeitung, Weber 's Variationen über
— 91 —
ein „Zigeanerljed^*, drei Tonsätze von Bihari
Janos, ein Streichquartett von Czinka Pannas
„Magyar nota" und Haydn's „Allegretto alla
Zingarese^.
Unser Volks- und Vaterlandslied „Die Wacht
am Khein^ feiert in diesem Jahr sein 50 Jähriges
Jnbilaam. Karl Wilhelm, in dem thüringischen
Städtchen Schmalkalden 1815 geboren, hatte es
1^4 zur silbernen Hochzeit des Prinzen von
Preassen, unseres späteren Kaiser Wilhelms,
komponiert, and von der Krefelder Liedertafel,
dessen Direktor Wilhelm damals war, wurde es
am 11. Juni 1854 gesungen, aber bald vergessen.
In den Julitagen 1870 feierte die „Wacht am
Rhein^' ihre Aoferstehung, um bald vom ganzen
Volke gesungen zu werden. Karl Wilhelm, der
damals schon in stiller Zurückgezogenheit in
Schmalkalden lebte, erhielt nach glücklich be-
endetem Feldzuge eine Ehrenpension von bOOO Mk.
jährlich vom Iteichskanzleramt, ist aber schon
1873 gestorben. Seine Vaterstadt ehrte ihn durch
ein Denkmal. — Die Krcfelder Liedertafel will den
Gedenktag durch ein grosses Fest würdig begehen.
Die Uraufführung der neuesten Composition
von Willem de Haan „Das Lied vom Werden
und Vergehen* für gemischten Chor u. Orchester
ündet den 15. März d. J. in C Ö 1 n unter Stein-
b a c h , die zweite Aufführung in Amsterdam
unter T i e r i e statt.
Die Bibliothek des verstorbenen Musikschrift-
stellers KobertMusiol-Frausiadt, welche
zum Verkauf steht, enthält unter einer Reihe von
fachwissenschaftlichen Werken, Klavierauszügeu,
Orchesterwerken, Chören u s. w. auch zwei
interessante Sammlungen. Die eine besteht aus
Kompositionen des Hein ersehen Liedes „Du
bist wie eine Blume", etwa 110 verschiedene. Die
zweite, eine „Faustsammlun g^^ war im
Jahre 1903 auf der Faustausteilung in Frank-
furt a. M.; damals berichtete der „Sammler'-
(No.13, 1903) darüber; „Die Herren Dr. K. Koll-
mann zu Leipzig und Roh. M u s i o l zu
Fraustadt haben durch ihre SpezialSammlungen
der Puppenspiele und Ton werke zwei von anderer
Seite gar nicht zu ergänzende Lücken gefüllt.'^
Bücher und Musikalien.
Undoir Schwarte: „Jahrbuch der Musikbiblio-
thek Peters für 1903."
G. F. Peteri, Leipalff.
Das Jahrbuch erscheint in seinem 10. Jahr-
gange und bringt wieder eine Fülle interessanten
i>toffes. Das abgelaufene Dezennium gibt dem
Bibl iothekar, Dr. Schwartz,G elegenhei t z u einem
Rückblick, der ein klares Bild von der segens-
) eichen Stiftung entwirft, die dem hochherzigen
Gründer, Dr. Max Abraham, ihre Entstehung
verdankt. So wurde, um nur ein Faktum anzu-
fahren« die Bibliothek im vergangenen Jahr von
4125 Studierenden und ca. 600 Besuchern des
Lesezimmers benutzt, während sich die Zahl der
benutzten Werke auf 10575 beläuft. Im Weiteren
bringt der Inhalt des Jahrbuches folgende Artikel:
Karl Nef „Clavicymbel und Clavichord", Arnold
Schering »Zur Geschichte des italienischen
Oratoriums im 17. Jahrhundert", Adolf Sand-
berger „Zur Entstehungsgescliichte von Haydn's
„Sieben Worten des Erlösers am Kreuze", Her-
mann Kretzschmar n^^^ Correspondance
litt^raire als musikgeschichtliche Quelle", und
„Zum Verständnis Glucks^. Den Beschluss macht
das von Kndolf Schwartz zusammengestellte
Verzeichnis der in allen Kulturländern im
Janre 190 ( erschienenen Bücher und Schriften
über Musik, die den stattlichen Baum von
42 Seiten füllen.
Anna Morsch.
L. Krön. Classiker-Perlen f. Viol. leicht
bearbeitet mit Stricharten und Fins;er-
sätzen, sowie mit leichter Pianoforte-
Begleitung versehen.
Eml Enl0Kbarf> Lelpitr.
Ein Puritaner in der Musik wird leichte Be-
arbeitungen unserer grossen klassischen Meistor
überhaupt nicht gut heissen. Wir sind im Gegen-
teil der Ansicht, dass es ein grosses Verdienst der
Neuzeit ist, unserer Jugend die schönen Gedanken
unserer Musik- Heroen zugänglich gemacht zu
haben. Ein Teil unserer veralteten Opern-
Potpourris, genannt Fantasien, ist dadurch mit
Recht entbehrlich geworden. Aber selten findet
sich eine Sammlung klassischer Sachen, in welcher
alle Nummern für leichto Schüler-Bearbeitung
resp. Verkürzung geeignet sind. Sätze aus
Symphonien, in denen die Instrumentation, be-
sonders die Bläser eine Hauptrolle spielen, sollten
fast immer fortgelassen werden, dagegen können
wir in diesem Werkchen die Aufnahme von Ge-
sangsstücken: Mozart's „Veilchen", Beethoven 's
„Adelaide", Schuberts „Ave Maria" lobend er-
wähnen. Mendelssohn^s „Canzonetta" aus dem
Streich Quartett und die Gavotte aus Bach's
grossartiger H-moll-Sonate für eine Geige gehören
nicht hierher, man könnte sonst womöglich auch
ein Bruchstück aus der Chaconne v. Bach in
solcher Sammlung aufnehmen.
Dagobert Löwenthal.
— 92 —
Vereine.
Muslkpädago^dclier Terbaud.
Die nach, der Geschäftsordnung des Vorstandes
Jeden ersten Sonntag im Monat stattfindende
Sitzung wurde diesmal wegenKonzertverpflichtungen
des I. Vorsitzenden, Prof. Xaver Scharwenka,
auf Sonntag, den 13. März verschoben. Der
Bericht kann daher erst in der nächsten Nummer
erfolgen.
Yerein der Mnslklehrer und Maslklehrerlnoen
zu Leipzig.
Die statutenmässige Neuwahl von Vorstand
und Kuratorium, welche in der am 14. d. Mts.
stattgehabten ordentlichen Generalversammlung
vorgenommen wurde, ergab folgendes: Der lang-
jährige Vorsitzende und Begrtlnder des Vereins, Herr
Musikdirektor Heinrich Rlesse, wurde, nach-
dem er eine Wiederwahl ans Gesundheitsrücksichten
abgelehnt hatte, in Anerkennung seiner grossen
Verdienste um den Verein zum Ehrenvor-
sitzenden ernannt An seiner Stelle wurde
Herr Karl Boesger zum Vorsitzenden, Herr
Alfred von Sponer zu dessen Stellvertreter
erwählt, während Fräulein Thekla Fried-
1 ä n d e r an Stelle des Herrn von Sponer in's
Kuratorium tritt. Die übrigen Aemter oleiben in
den bisherigen Händen, sodass sich Vorstand und
Kuratorium wie folgt zusammensetzen. Vorstand:
die Herren Karl Roesger,A. vonSponer,
Theodor Baillard, AloisBeckendorf,
Paul Schäfer, Beinhold Jockisch,
Otto Zeichart; Kuratorium: die Herren
Baimund Fritzsche, Arthur Beyer,
Heinrich Wahls, Gustav Borchers,
Hans Hiller, Bobert Leideritz, Fräu-
lein Thekla Friedländer.
Der ETangelUche KlrchengfsmigTereiD für
Hessen begeht am 15. und 16. Mai die Feier seines
25jährigen Bestehens. Für das Jubiläum
ist vorläufig folgendes Programm aufgestellt. Am
Abend des 15. Mai wird in der Stadtkirche ein
„liturgischer Festgottesdienst** unter Mitwirkung
sämtlicher vier Darmstädter Kirchengesangvereine
veranstaltet werden, dem sich eine gesellige Ver-
einigung im Saalbau anschliesst. Am Montag,
16. Mai, vormittags 8 Uhr, soll unter dem Vorsitze
des Herrn Geh. Kirchenrats D. K ö s 1 1 i n die
Sitzung des 2jentralausschusses des Deutschen
Vereins stattfinden, dessen Verhandlungen eventuell
am Nachmittage fortgesetzt werden. Um lOVs
Uhr wird dann die diesjährige Generalversammlung
des Evangelischen Kirchen^sang Vereins für
Hessen abgehalten, in der Herr Ministerialrat
Ewald von Darinstadt den Vorsitz führen wird.
Für 1 Uhr mittags ist ein gemeinsames Festessen
vorgesehen, und am Abend soll eine Aufführung
dreier Bach 'scher Kantaten (^Gott fährt auf
mit Jauchzen**, „Wie schön leucht^ uns der Morgen-
stern** und „0 ewiges Feuer**), die durch den
Evangelischen Kirchengesangverein der Stadtge-
meinde unter Herrn Professor ArnoldMendels-
sohn's Leitung in der Stadt kirche stattfinden
wird, die Jubiläumsfeier beschliessen.
Musik- Sektton
des Allg* Deutschen Lehrerinnen-Vereins.
Wir teilen unseren Mitgliedern hierdurch mitf
dass sich in Plauen eine neue Gruppe gegründet
hat. Vorsitzende Frl. Marie Hunger, Marien-
Strasse 18 I.
I. A.
Sophie Henkel.
Anzeigen.
Konservatorium der Musik
in Kassel.
Gegr. 1895. Direktion: L Beyer. Gegr. 1895.
EhronTOrsiti: Befrienufcv-Präaident tob Trott in Sals,
flnf KSaliridorir, BzoelleDi G^eneralin tob Coloak,
Oberbürgermeister Miller o. A.
Cvratoriom: Pfarrer Beae, Soboldirektor Prof. Dr. Ki«m-
, Bankier Plaafey Justisrath Scheffer n. A.
Lehrer : Die Damen : L. Beyer, Btaiil-FSnter, Königl. Opem-
BäDfferin, MeMe-Fabronl« A. Taadlea. Die Herren:
A. Hartder««« Kammereirtnoe. Pro€ Dr. HSbel,
<i. Kaletoeh, Kgt. Kammermnaiker, K. KietaBaaB«
Kffl. OpemiJbiirer, W.HoBbaBpt, Kgl. Kammermnaiker,
Bd. Sebaldt, Kgl Kammermneiker, B. SetaBirbaMh,
KgL Kammermnaiker n. A.
Unterricht facher: Klavier, Violine. Cello, Harfe nnd alle
übrigen OrcheaterinBit-nmente. Gesang, Harmonie-
nnd Kompcaitionslehre. Mntikgescblohte. Italieniach.
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Von
Anna Morsch.
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Königliches Conseryatorium zu Dresden.
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93 —
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Erste Lehrkräfte, volletindlge musikalische and pädagogische Ausblidung. Elementarklassen.
Prof. Siegfried Oclis.
Dirigsnt des »Philharm. Ohores*.
Berlin W., Bendlar-Strasse 8.
Sprachst, nur ▼. 11—18 Uhr Yorm.
&Use Sekschen
(ans St. Petersborg)
Hofpianistin, Rammervirtuosin
„HOFBURG"
Hamburg-Vlilenhorst.
JESmma i£oc2i,
PianisUn.
BeFlIn Vl.^ BfilowBtr. 28.
Koniert-Vertr.: H. Wollf, Berlin.
Gtosangunterridit erteilen:
Frau Felix Schmldt-KOhne
Conoertsäiigerin - Sopran.
Sprechstande: 3—4.
Prof. Felix Schmidt.
BerliB W^ Taneniienstrasse 21.
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Berlin W., Steinmetzstr. \%^
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Kantatr. 160a.
Prof. Jul. Hey'S Cesangschule.
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Unter dem Protektorat Ihrer König!. Hoheit der Grossherzogin von Baden.
Beginn des Sommerkursus am 18. April 1904.
Der ünterriclit erstreckt sich über alle Zweige der Tonkunst und wird in deutscher, englibcher,
französischer und italienischer Sprache erteilt.
Das Schulgeld beträgt für das Unterrichtsjahr: In den Vorbereitungsklassen 100 Mk., in den
Mittelklassen 200 Mk., in den Ober- und Gesangsklassen 260—350 Mk., in den Dilettantenklassen 150 Mk.,
in der Opemschule 500 Mk., in der Schauspielschule 850 Mk., für die Methodik des Klavierunterrichts
(in Verbindung mit praktischen ünterrichtsübungen) 40 Mk. Die ausführlichen Satzungen des Grossh.
Konservatoriums sind kostenfrei durch das Sekretariat desselben zu beziehen.
Alle auf die Anstalt bezüglichen Anfragen und Anmeldungen zum Eintritt in dieselbe sind zu
richten an den Direktor
Professor Heinrich Ordenstein, Sophienstr. 85.
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Za beliehen durch jede Buch- und Musikalienhandlnng
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Verlag „Der Klavler-Lebrer" (M. Wolff), Beriia W.50.
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Ihrer Maj. der Kaiserin von Deutschland und Königin von Preussen,
Ihrer Maj. der Kaiserin Friedrieh,
8r. Maj. des Kaisers von Russland,
Ihrer Maj. der Königin von England,
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Sr. Königl. Hoheit des Prinzen Friedrich Carl von Preussen,
8r. Königl. Hoheit des Herzogs von Sachsen-Coburg-Qotha,
Ihrer Königl. Hoheit der Prinzessin Louise von England (Marchioness of Lome)
I. Fabrik: 5-7 Jobannis-Str. n. 27 ZIegel-Str.
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in. Fabrik: 124 Relchenberger-Str.
LONDON W.
40 Wicmore Street.
BERLIN N.
5—7 Johamnls-Str.
Fflr die Redaktion Terantwortlich: Anna Morsch, Berlin W., Ansbacherstr. 87.
Expedition imd Verlag ^Der KlaTler- Lehrer^, M. Wolff, Berlin W., Ansbachentrasse 87.
Druck: J. S. Preuss, Berlin S.W., Kommandantenstr. 14.
Der Klavier-Iiebrep.
Musik-pädagogische Zeitschrift für alle Qebiete der Tonkunst.
Organ der Deutschen Musiklehrer-Vereine,
der Musik-Sektion des R. D. L-V. und der Tonkünstler-Vereine
zu Köln, Dresden, Hamburg, Leipzig und Stuttgart
Begründet 1878 von Professor Emil Breslaur.
Redaktion: Anna Morscli
Berlin W..
• • Cndicint monatlid) zweimal. • •
Prrlt ticrtcliSbrlfcb bei allen Bu4»« und
musikalienbandliinacn, Post • Jfnslaltcn
(unicr Do. 4170) 1,50 IDk., bei direkter
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Segcngeiiommen.
No. 7.
Berlin, 1. April 1904.
XXVII. Jahrgang.
hiliftit: A. Mecklenburg: Hans von BQlow als Musik- und Klavierp&dagoge. (Fortsetzung.) Nana Weber-Beil: Beitrag zur
Gesangsreform. Dr. Karl Storck: Kritische RQckachau Ober Konzert und Oper. Mitteilungen von Hochschulen und
Kooservatoriefi. Vermischte Nachrichten. Bücher und Musikalien, besprochen von Dagobert Löwenthal. Vereine. Anzeigen.
als muslk- una Hiaoi^rpSaagoge.
Von
A. Heeklenbnrg.
(ForfcsetaBnng.)
Was aber besonders dem Bülow'schen
Fingersatz eignet, ist seine dem jedes-
maligen Charakter des Tonstückes ent-
sprechende Anwendung. Die Terzen im
Andante Fdur von Beethoven verbot Bülow
mit dem Liszfschen Fingersatz J J J zu
spielen. Anstatt dieses „ungarischen Rhapsodie-
Schwindel-Fingersatzes" wollte er hier „den
klassischen Fingersatz." Und zwar mit Recht.
Denn unter Anwendung des modernen
Liszt'schen Fingersatzes klingt jene Stelle
(die einzige Terzenskala im ganzen Stück)
viel zu glatt und virtuos, was durchaus hier
nicht im Sinne Beethoven's lag; vielmehr ver-
langt diese Stelle trotz des staccatos einen
singenden, ge Wissermassen lyrischen Anschlag,
den hervorzubringen nur bei dem klassischen
Fingersatz möglich ist. Dagegen ist der
Liszt'sche Fingersatz z. B. im Finale der
ersten „ungarischen Rhapsodie" wohl am
Platze, wie auch z. B. in der „Mazeppa-
Etüde", wo die grollenden Terzenpassagen,
in die sich linke und rechte Hand, blitzschnell
abwechselnd, teilen:
^
^^
2 2 i i
m. s. tn, d.
1
^
nur auf die oben angegebene Weise gespielt
werden können, um den von Liszt gewollten
Charakter der Stelle recht herauszustellen.
Wie wunderbar geistvoll und wahrheitsgetreu
sind hier doch die wilden, die ganze Skala
der Leidenschaften durchlaufenden, stürmischen
Empfindungen Mazeppa*s geschildert, das
Grollen, die ohnmächtige Wut des Wehrlosen
bis zur entsetzlichen Todesangst des Opfers,
das, auf den Rücken des pfeUschnellen Renners
geschnallt, durch die Heide, über Höhen,
durch Wald, Flüsse ohne Aufenthalt sausend
dahinfliegt! Es versuche jemand, diese Stellen
unter Anwendung des konventionellen Finger-
satzes, der so leicht zum Legato verführt, zu
spielen, und er wird nicht im entferntesten
dieser Well orkanartiger Gefühlsausbrüche
Mazeppa's gerecht werden. Hier gilt es unter
geschickter Zuhilfenahme der gesamten Arm-
- 98 -
technik mit Hü etc. die die ganze Situation
so meisterhaft zeichnenden Terzengänge auf
die Tastatur zu schleudern, zu ,,schütteln"
mit Wucht und nie erlahmender Energie, und
dann erst ist man der wahre Darsteller dieses
grausigen und tieferschütternden Seelenge-
mäldes! Wie Liszt, so spielte Bülow diese
dämonische Etüde mit dem Fingersatz, der
allein der ganzen Stimmung des Tonstückes
naturgemäss homogen ist, und wollte sie dem-
nach ebenso von seinen Schülern gespielt
wissen.
Noch ein zweites Beispiel für die sinn-
und charaktergemässe Verwendung des
Fingersatzes!
In Beethoven's „Esdur Konzert" Satz I
liess Bülow
')■■ n ^ f^fj»
die grandiose Stelle für die linke Hand, wie
oben angegeben, ausführen. Hierdurch werden
die Staccatoachtel mehr „gehämmert" und ein
etwaiges, den Charakter entstellendes Legato
absolut vermieden. Bülow's Beispiel folgend,
spielen heute einige der konzertierenden
Virtuosen diese Triolen der linken Hand so-
gar mit dem dritten Finger allein und mit ge-
hobenem, lockerem Gelenk, wobei die
Wirkung grossartig ist. Wir sehen selbst aus
diesem kleinen Beispiel, wie das Bülow'sche
Prinzip der Auswahl derjenigen technischen
Mittel, wolche ihrer Natur nach zur sinn-
gemässen Illustrierung der kompositorischen
Gedanken am geeignetsten sind, befruchtend
auf die heutige ausübende Musikwelt nach-
wirkt. —
War es Bülow's Prinzip, bei seiner Unter-
weisung in der Technik zunächst auf die
möglichste Egalisierung der Finger hinzu-
wirken, so legte er bei dem viel später in
Angriff zu nehmenden polyphonen Spiel
das Schwergewicht auf das entgegenge-
setzte Verfahren. Hier gilt es, sobald eine
Hand verschieden starke Stimmen zu spielen
hat, „unegal spielen zu lernen", d. h. einer
durch den Geist der Komposition bedingten
Freiheit in der dynamischen Schattierung sich
hinzugeben. Um dieses zu erreichen, gibt
Bülow den paradox klingenden Rat, polyphone
Stücke garnicht zu üben, damit die Aus-
drucksfähigkeit für die einzelnen Stimmen
nicht verloren gehe. Als eines der vortreff-
lichsten Hilfsmittel für die richtige, dynamische
Nüancenverteilung in den einzelnen Haupt-
stimmen sah Bülow bei dem polyphonen
Spiel die systematische Verwendung der ver-
schiedenen Anschlagsgattungen des Staccato,
Legato und des in der Mitte zwischen beiden
stehenden Non-Legato an. Wie aus Bülow's
Bemerkungen zu Variation V von Beet-
hoven's „Sonate op. 109" hervorgeht, will
Bülow öfter für die Begleitungsfiguren den
Staccato-Vortrag angewendet wissen, damit
die Durchsichtigkeit der getragenen Stimmen
nicht Schaden leide. Auch hat die Anwendung
des Staccato's in der Begleitung den Vorteil,
dass der Spieler für die Hauptstimmen eine
Ersparnis an grösserer Kraftanstrengung
macht. Sie treten eben schon durch den
Gegensatz des Staccato (in der Nebenstimme)
und des Legato (in der Hauptstimme) genug-
sam hervor.
Wenn Klang das Endziel aller Mechanik
ist, so legte Bülow das Hauptgewicht auf
eine gesunde, dem Geist des Autors ent-
sprechende, charakteristische Tonbildung.
Alles verschwimmende Säuseln war ihm im
höchsten Grade zuwider. Oft erinnerte Bülow
an den Liszt'schen Ausspruch: „Man muss
die Pianos in die äusserste Ecke des Saales
hineinspielen." Besonders für Bach verlangte
Bülow eine gesunde, oft lapidare Tonfärbung
und wollte für die richtige Wiedergabe dieses
Meisters „den Chopinanschlag" vermieden
sehen. Das heroische, majestätische „Präludium
in As" aus dem II. Teil des Wohltempe-
rierten Klaviers liess Bülow sehr breit
spielen. „Das muss klingen, als würde es zu
gleicher Zeit auf 4 Klavieren gespielt, und
lediglich aus Klangrücksichten empfahl er für
die linke Hand die Fassung der punktierten
Achtel in der Oktave.
Und wiederum mit welcher fein abge-
tönten Nuancierung gab Bülow die „Irrlichter"
oder den „Gnomenreigen" von Liszt wieder,
oder wie liess er die „Cmoll-Fuge" in Teil I
des wohltemperierten Klaviers von Bach so
elfenhaft und kapriziös spielen, mit leichtem
Staccatoanschlag, ohne Markieren der guten
Taktteile, was dem Ganzen ein Bleigewicht
anhängen würde. „Warum sollte der alte
Herr (Bach) nicht auch einmal von Elfen ge-
träumt haben?" das war die launige Recht-
fertigung für die leichtbeschwingte Auffassung
90 -
dieser Cmoll-Fuge. Wir sehen, Bülow
wünschte eine Tonfärbung, die aus dem
innersten Wesen des Klavierwerks selber
floss;eswareinewesentlichcharakteristische
Tonbildung, zu der Bülow seine Klavierschüler
erzog.
Bülow gehörte nicht zu jenen Klavier-
pädagogen, welche ihren Ruhm in einem
möglichst schnellen Hinaufschrauben der
Technik ihrer Schüler suchen, um ihre
pädagogische Kunst bei den oft künstlich
herbeigeführten Konzerterfolgen der letzteren
von der Kritik mitbewundern zu lassen.
Er richtete sein Augenmerk darauf, dass die
technische Ausbildung auf solider Basis sich
ruhig und organisch entfaltete. Er war eben
kein Freund von Virtuosenzüchterei in dem
Treibhaus einer überstürzten, einseitigen
Fingergymnastik. Es sind uns ein Bericht
über den von Bülow im Konservatorium von
Stern erteilten Klavierunterricht vom 11. April
bis 24. Juni 1855, sowie eine Reihe von Zeug-
nistabellen des Stern*schen Konservatoriums
und besonderer Gutachten aufbewahrt, aus
denen wir ersehen können, mit welcher liebe-
vollen Teilnahme er sich in die Individualität
jedes Einzelnen vertiefte, um in der Bahn,
welche jedesmal die besondere Natur- und
Charakteranlage vorschrieb, die technische
und auch musikalische Erziehung des Schülers
in organischem Werdegang ver-
laufen zu lassen. „Wie der homöo-
pathische Arzt an dem Kranken,
nicht an der Krankheit" das Objekt
seiner Tätigkeit findet, so muss
nach Ansicht Bülow's die Gewissen-
haftigkeit und moralische Kraft des
Klavierlehrers sich darin beweisen,
dass er das Klavierspiel nicht als
abstrakten Begriff, sondern die
konkrete Erscheinung des klavier-
studierenden Individuums zum Ob-
jekt seiner Beobachtung und Be-
handlung mache. Und wenn Bülow
in seiner Abhandlung über „Alkan"
einen Studienplan aufstellt, nach
welchem die technischen Arbeiten
verlaufen sollen, so hat das nicht
den Sinn, als ob nun derselbe
strikte bei jedem Schüler zur An-
wendung kommen solle; die Er-
ziehung im Technischen steht eben
immer unter dem Gesichtspunkt
der eingehendsten individuellen
Behandlung.
Was nun den technischen Stu-
diengang anbetrifft, so ist derselbe
nach Bülow in grossen Umrissen
folgender:
Sind die grundlegenden Ma-
terialien von Gz er ny absolviert,
so kommt Gramer an die Reihe,
dessen Etüden „recht eigentlich
Findispensable du pianiste genannt
werden mögen." Gleichzeitig oder vielleicht
noch früher „sind Stephen Heller' s dankens-
werte Uebungsstücke op. 46 durchzunehmen,
daneben Aloys Schmitts technische Finger-
studien, die z. B. bei Felix Mendelssohn
die Grundlage seiner technischen Fertigkeit
gelegt haben. Giemen ti*s „Gradus ad
Parnassum" darf unter keinen Umständen
übergangen werden, da die Etüden der Ein-
führung in das polyphone Genre dienen und
die Brücke zu Sebastian Bach's „Wohl-
temperiertem Klavier" bilden. In seiner Aus-
— 100 —
gäbe der Gramer' sehen Ktüden rät ßülovv, die
Auswahl und Bearbeitung des ,,Parnassus''
von Carl Tausig zu benutzen. In der
grossen Wertschätzung des „Parnassus" als
eines bedeutenden Mittels zur Ausbildung in
den durch die Polyphonie erforderlichen
technischen Spezialitäten, sowie zur Erziehung
in der polyphonen Denkarbeit berührt Bülow
sich mit Tausig, der den „Parnassus" in allen
möglichen Schlüsseln und Modiflkationen
studierte und studieren liess. In Moscheies
op. 70 „24 Etüden**, dem Bülow das Prädikat
„klassisch" zuerteilt, sieht er das beste Rüst-
zeug, das die Bekanntschaft mit den tech-
nischen Errungenschaften der durch Hummel
charakterisierten Periode des Klavierspiels
vermittelt. Zugleich bildet Moscheies ihm die
Brücke zur modernen Epoche. Kessler
bildet nach Bülow den Uebergang zu der
eigenartigen Technik C h o p i n ' s. Kessler's
Etüden seien zwar nicht so harmonisch und
melodisch wie die von Moscheies, aber inter-
essant genug, um den musikalischen Geist
„an den lebhaft beschäftigten Mechanismus"
zu binden. Sie sind nach Bülow das ge-
eignetste Mittel, die Schnellkräftigkeit des
Anschlags, die Ausdauer und die Energie des
Willens dermassen zu steigern und zu ver-
vollkommnen, dass man vor den an-
strengendsten Etüden Chopins, z. B. vor der
Amoll-Etüde, nicht mehr zurückzuschrecken
braucht. Durch die continuierliche Durch-
führung einer und derselben Figur, wobei
durch die eigenartige, teilweise überraschende
harmonische Struktur, jede Langweiligkeit
ausgeschlossen ist, wird die Willenskraft Aus-
dauer und Geschmeidigkeit der Hand aufs
höchste gesteigert. Es ist ein nicht zu unter-
schätzendes Verdienst Bülow's, die Aufmerk-
samkeit der klavierpädagogischen Welt auf
die Etüden (4 Hefte) des interessanten Polen
hingelenkt und ihn als ein in hervorragendem
Masse technisch bildendes Element in die-
selbe eingeführt zu haben. Schon Liszt
schätzte Kessler und spielte selbst par coeur
bis in die letzte Zeit seines Lebens hinein
Kessler's Etüden, die aus seiner Jugendzeit
in seinem Gedächtnis haften geblieben waren
und für die er eine besondere Vorliebe hatte;
aber die eigentliche Lanze für den genialen
Lemberger brach Bülow, der ohne Ansehn
der Person das fremde Verdienst anerkannte,
wo er es eben entdeckte.
Dass Chopin in der Wertschätzung des
technischen Bildungsmaterials bei Bülow
einen hochbedeutsamen Platz einnahm, braucht
nicht noch besonders betont zu werden. Was
die Etüden Chopin's op. 10 und 25 besonders
auszeichnet, ist zwar zunächst dasjenige
Moment, das wir sonst meistens bei Etüden-
Werken vermissen, nämlich die Poesie, der
dichterische Geist, der in mannigfachsten Ge-
stalten uns in ihnen entgegentritt. Wie mutet
uns der verborgene Schmerz der CismoU-
Etüde an, die uns wie ein kleines Seitenstück
zu Tristan und Isolde erscheint, und im
Gegensatz dazu die „Revolutions-Etüde"
• C moll, die das sich Aufbäumen revolutionärer
Gewalten — und mit welcher Naturtreue! —
darstellt — oder die ,Amoll**-Etüde, die
mit Titanengewalt daherbraust, und wieder
im Gegensatz dazu die klagende, still weinende
Melancholie der Esmoll-Etüde! Selbst-
redend waren Chopin's-Etüden Hans von
Bülow wegen des ihnen innewohnenden
hohen poetischen Gehalts willkommen, wie
er auch Haberbier's „Etudes-Poesies**
empfahl, deren Gesamttitel ihm durchaus
nicht als ein anmassungsvoller erschien,
konnte er ihnen doch ebensowenig poetischen
Duft als charakteristischen Ausdruck ab-
sprechen, wenn ihm auch „die Wohlgefalligkeit"
der frischen, melodiösen Erfindung nicht
überall willkommen war — ein Beweis dafür,
dass Bülow selbst auf der rein technischen
Stufe, wo es galt, die Willenskraft der
Lernenden aufs höchste zu dressieren, nicht
ganz das gemütvolle poetische Element ent-
behren wollte, das manche Kritiker ihm über-
haupt ganz abzusprechen den Mut hatten.
Was aber vor allem Bülow veranlasste,
Chopin*s Etüden als ständiges Bildungs-
material in den Unterricht einzuführen, ist
der ungeheure, in rein technischer Be-
ziehung bildende Wert, der ihnen zukommt.
Der mechanische Wert und der Gewinn an
Sicherheit in der Weitgriffigkeit „op. 10
No.ll" an Polyrhythmik, an feiner Ausarbei-
tung der Doppeltriller „op. 25 No. ö" am Schluss,
an Leichtigkeit des Handgelenks „op. 25
No. 4", an Schnelligkeit des PMnger-
wechsels, den man durch das Studium
Chopin'scher Etüden erzielt, sind nicht hoch
genug zu veranschlagen. Bei „Etüde 4 op, 25",
der Bülow eine bevorzugte Stellung im Unter-
richt einräumte, verlangte der Meister die
Trennung des mechanischen Studiums, wo-
runter er hier „das Treffen" der Noten im
verlangten Zeitmass verstand, von dem „so-
genannten** Vortragsstudium, nämlich der
- 101 -
Wiedergabe der vorgeschriebenen dynamischen
Schattierungen, hier speziell der Crescendos
und Dimmuendos. Die Verbindung des letzteren
mit mechanischen vermochte Bülow nur in
den seltensten Fällen zu gestatten
Als Uebergangsstufe zu Henselt*schen
und zu Liszt*s „Etudes transcendentales''
galt Bülow Alkan's op. 85. Hier finden sich
schon die Postulate jenes orchestralen, gross-
zügigen Konzertstiles vorbereitet, als dessen
Hauptrepräsentant Franz Liszt dasteht.
Bülow findet mit Recht in Alkan op. 35 einen
gewissen Zug zum Grossartigen, Grotesken
ausgeprägt, der sogar die Grenze des Kolossalen
überschreitet, obwohl sonst Alkan der fran-
zösischen Romantik angehört. „Der Polyphem,"
so urteilt Bülow in seiner geistreichen Art,
„kann aber auch tüchtig polyhphon sein, wie
das scharfsinnig durchgeführte »Trio canonico"
der neunten Etüde (Cis dur) zeigt. Die letzte
„Oktaven-Etüde" im *%6-Takt, deren rhyth-
mischer Fluss bei aller Neuheit der rhyth-
mischen Gestaltung nicht zu verkennen ist,
war Bülow ein recht wUlkommenes Mittel, ein
etwa schwach entwickeltes rh3^hmisches Ge-
fühl bei seinen Schülern auszubUden. Es ist
Bülow's unleugbares Verdienst, Alkan als
Pädagogen auch in Deutschland die Bahn ge-
ebnet und auch sonst dem Musiker Alkan,
seiner oft zwar langathmigen, aber immer
distinguierten Melodik, seiner pikanten Rh3^h-
mik, die an überraschender Neuheit in Figura-
tionen und in Klangeffekten ihres Gleichen
sucht, auch hei uns Freunde verschafft zu
haben, sodass hin und wieder Alkan in den
heutigen Konzertprogrammen grosser Klavier-
meister, z. B. Eugen d'Albert's, ver-
treten ist.
(Fortsetzong folgt.)
Beitrag zur (Siesaogspefoftt).
Von
Nana Weber- Bell.
Der erste muBikpädagogische Kongrees ist an
die Lösnng einer Aufgabe herangetreten, die um-
so schwieriger ist. je mehr deren £inzelpunkte
untersucht werden. Diese stellen in ihrer (Gesamt-
heit das Material jener grossen Aufgabe dar,
welche auf dem Gebiete der Musiklehre Reformen
anstrebt, die bereits durch den Musikp&da-
g^ogischen Verband festen Boden gefasst
haben.
Dieses Fundament erfordert nun zum weiteren
Aufbaa ein ebenso gesundes Material, granitfeste
Bausteine, die jedem Anprall des grossen Heeres
von Pfuschern und Kunstsch&ndem widerstehen,
ein Aufbau, der durch keinerlei Elemente auch nur
geschädigt, geschweige zerstört werden kann.
Auf dem Felde einer exakten gesangs-
wissenschaftlichen Forschung seit Jahren un-
ermüdlich tfttig, bot sich mir Gelegenheit, ein
Material zu sammeln, welches den untrüglichsten
Beweis erbringen wird, dass eine Reform in der
Gesangslehre, die mit der Gesangskunst das tiefste
Niveau erreicht hat, im weitesten Sinne des
Wortes nur an der Hand absoluter Gesetze, die
aus exakten Disziplinen hervorgehen und den
Formwissenschaften angehören, siegreich hervor-
gehen kann und mit der Zeit auf eine staatliche
Unterstützung rechnen darf.*)
♦) Vgl. Naturwissenschaft und Stimmerziehung,
Materialprinzipien für P&dagrgen und Sänger.
(Verlag Max Schmitz- Leipzig.)
«Wenn die Kunst sam Leben fahren soll,
moM sie ein Leben in Form faieen."
(L, f. Ktmo»$kiJ
Der Studiengang zur Vorbildung für
den Beruf als Gesanglehrer muss in erster
Linie jenes Methodentum ausschliessen,
das allem näher steht, nur nicht einem
Lehrsystem, welches für die gesamte Ge-
sang studierende Welt ein und dieselben
Gesetze aufstellt. Diese sind naturwissenschaft-
liche Tatsachen, unanfechtbar, und sind ihre prak-
tischen Konsequenzen ebenso sicher und unzweifel-
haft wie jene.
Es ist heutzutage keine verzeihliche Verirrung
mehr, wohl aber eine verhängnisvolle, wenn man
glaubt, ein „berühmter Name" oder eine längst
bekannte „Methode" seien ausschlaggebend für die
Gediegenheit des Unterrichts. Hieran reihen sich
besonders jene Anpreisungen: .Ausbildung der
Stimme nach bewährter „alt-italienischer Methode."
Dabei scheint man zu vergessen, dass die Kunst
jener Zeit in einer geradezu phänomenalen Technik
gipfelte, während der Text als Nebensache galt.
Mit dem Erscheinen Rieh. Wagner 'e ist diese Vir-
tuosität in den Hintergrund gestellt und die Kunst
des Gesangs einer Reform entgegengeführt worden,
welche eine positive Stellung zu nehmen begann.
Die hohe Bedeutung des rein sprachlichen Ele-
mentes trat in den Vordergrund, zahllose Studien-
werke sind seither erschienen, wozu Friedrich
Schmidt als Bahnbrecher entschieden den Impuls
gegeben hat. Ob sich alle diese verschiedenen
Theorien in der Praxis bewährt haben, soll
— 102 -
dahiDgestellt sein. Erwähnt sei nur, dass trotz
der vielen berühmten Methoden zur Lösnng grosser
Aufgaben, im Verhältnis zum Reichtam an Stimm-
materlaly das Deutschland besitzt, nur eine kleine
Zahl grosser Künstler zu Gebote steht, und diese
sind nicht massgebend für den Wert jener
Methoden. Was sie Gutes enthalten, muss an-
erkannt werden, wie man auch berechtigt ist, das
Minderwertige auszuscheiden. Die grosse Masse
aber, die zum Teil die Mittelmässigkeit nicht über-
schreitet, zum Teil dem Proletariat angehört und
zum weitaus grössten Teil durch früh-
zeitigen Stimmruin ezistenzlos geworden
ist und noch werden wird, diese Masse fällt das
Urteil, und aus ihr rekrutiert sich das grosse Heer
von Pfuschern und Eunstschändern.
Was nun anatomisch - physiologische
Kenntnisse des Kehlkopfes anbelangen, so
sind das Dinge, die wohl wissenswert, aber durch-
aus nicht als absolut notwendiges Wissen
verlangt werden können. Ebenso sind die Kennt-
nisse der Sprach- oder Laut-Physiologie keine un-
bedingte Notwendigkeit. Dire Gesetze sind Natur-
gesetze, welche sich im Gesangstudium, d. h. bei der
Stimmerziehung, den Gesetzen der Kunst unter-
zuordnen haben.
Bedeutend wichtiger ist die Analyse
und künstliche Bildung der Vokale, ein
Studium, das gleichzeitig die Physiologie
des Gehörorganes miteinschliesst.
Die Sinnesorgane sind die vermittelnden
Werkzeuge der sinnlichen Wahrnehmungen. Zu
den Erfordernissen für das Zustandekommen der-
selben muss u. a. ausser einem spezifischen Reiz,
der in normaler Welse das Endorgan erregend
trifft, auch die psychische Tätigkeit, die
Aufmerksamkeit auf den Erregungsvorgang
geriöhtet sein. So entsteht zunächst die Empfin-
dung des Schalles durch das Sinnesorgan. (Landols.)
Demgemäss entsteht ein „Nebeneinander von Reiz
und Empfindung, Gefühl und Gefühlsausdruck,
subjektiver Auffassung und objektiver Beschaffen-
heit der räumlichen und zeitlichen Formen^, das
daher zutreffend als psycho - physischer
Parallelismus bezeichnet werden kann. Die
Ei-forsohung des psycho-physischen Parallellsmus
ist sonach Aufgabe der Psychophysik und be-
friedigt die Erledigung dieser Aufgabe ebenso die
naturwissenschaftlichen wie psycho-
logischen Bedürfnisse. (Siehe „Grundriss
der Psychophysik von Dr. F. G. Lipps, Göschen-
Sammlung.)
Dieser Wissenszweig gehört zu den Funda-
mentalgesetzen für die Erziehung der Naturstimme
zur Kunst. Professor Dr. Carl Stumpf an der
Maximilians-Üniversi tat in Berlin
sagt u. a. über die Aufmerksamkeit: „Sie
ist bei keinem Sinne praktisch so be-
deutungsvoll und theoretlsc h so inter-
essant wie beim Tousinn. Durch Gehörs-
eindrücke wecken wir den Schläfer und den
wachen Träumer. Das allezeit offene Organ, das
Eindringen der Schallwellen von allen Seiten her
(durch die Wand kann man nicht sehen, aber
hören) und manche umstände sind Ursachen dieser
praktischen Bedeutung. Nach Schopenhauer wäre
die Empfindlichkeit gegen Störungen durch das
Gehörorgan geradezu ein Massstab für die Fein-
heit der geistigen Organisation. So ist es denn
natürlich, dass die Aufmerksamkeit, von welcher
alle Geistestätigkeit abhängt, gerade in Gehör-
urteilen ihr Wesen und Wirken vorzüglich reich
entfaltet und dass die Theorie der Aufmerksam-
keit sich hier am besten entwickeln lässt. Femer,
die Aufmerksamkeit ist, ihrem Wesen nach, iden-
tisch mit Interesse, und Interesse ist ein Gefühl.
Damit ist alles gesagt. Die besondere Qualität
dieses Gefühls zu definieren, ist unmöglich, so
wenig wie die eines andern, des 2iOmes, des Mit-
leides. Man kann es durch konstant begleitende
Merkmale, besonders Ursachen und Wirkungen,
beschreiben; man kann u. a. sagen, es sei ein
theoretisches Gefühl, indem es in vorzugsweise
enger Kausalbeziehung zur Wahrnehmung,
zum Denken überhaupt steht u. s. w."
Denken, Wollen und Fühlen sind
somit Hauptfaktoren beim Tonstudinm,
wobei die Aufmerksamkeit obenan steht
und Denken und Wollen sich mit ihr verschmelzen.
Es muss im Unterricht alles vermieden werden,
was die Aufmerksamkeit ablenkt oder
ermüdet, dagegen muss alles auf-
geboten werden, diese zu erhöhen,
was immer dann der Fall sein wird, wenn
der Lehrgegenstand praktisch-theo-
retisch, sowie experimentell erklärt
und verständlich gemacht wird. Ana-
tomische Kenntnisse des Kehlkopfe« sind schon
deshalb zu entbehren, weil erstens in der Stlnun-
endehung damit doch nichts erreicht werden kann,
und zweitens, weil infolge dessen eine erhöhte
Willensanstrengung erforderlich ist, die immer
zur Ermüdung führt. Die Willkür liehe Auf-
merksamkeit, wie sie zu wissen-
schaftlichen Zwecken vorausgesetzt
wird, ermüdet umso rascher und voll-
ständiger, je grössere Willens-
anstrengung nötig war, und Ist die
Erholung der Nerven (ob motorische oder
sensible) bedingt durch die Weise und
den Grad der Ermüdung, wie denn auch
Erholungsprozesse des ganzen Orga-
nismus ähnlich verlaufen.
Es liegen Beispiele von Sängerinnen vor,
welche bei Lehrern studiert und ihre Stimme ver-
loren haben, die über den Bau des Kehlkopfes gut
orientiert waren, dafür weniger über dessen Nerven,
wie auch Beispiele vorliegen, dass berühmte Sänge-
rinnen nach jahrelangem Singen infolge U e b e r -
anstrengung •- wie man die Ursache zu
— 108 —
nennen pflegt — die Stimme verloren haben.
Nach zehn Jahren liest man plötzlich in der
Zeitong eine Reklame, PrL Y. und Frl. Z. hätten
dnrch die Knust des Gesangspädagogen W. ihre
Stimmen wieder erlangt nnd seien der Kunst
znröckg^eben worden?! Hierauf antworte ich:
^Wer je richtig singen gelernt, wird
sich nie überanstrengen, d. h. eine
grossere Arbeitsleistung, als sie der tätige Muskel
för gewöhnlich zu vollführen vermag, kann nur
stattfinden dnrch stärkere Reizung des oder der
betreffenden Muskeln, welche zur Ermüdung und
schieaslich znr Erschöpfung führt, wenn jene
trotz der schon vorhandenen ge-
ringeren Leistungsfähigkeit einer
anhaltenden Tätigkeit ausgesetzt
werden. Der natürlich ermüdete Muskel kann
sich erholen in der Ruhe, und nimmt seine
Elastizität ebenso rasch wieder zu. Da nun die
Muskeln die vollkommensten Kraft-
maschinen sind und bei richtigem
(rebraucb durch häufige Arbeits-
leistung stärker und für fernere
Leistungen ausdauernder werden
(Da Bois-Reymond), so liegt doch klar auf
der Hand , dass nur eine Einwirkung
von aussen dieSumme der Kraft ver-
mindert, was bei den Kehlkopf-
maskeln der Fall, die durch Druck
beständig überlastet sind, und dieser
Druck rührt von den Kaumuskeln
und de m Kiefergelenk her, weil man
deren Arbeit, die in der Bewegung
entsteht, nicht kennt, und hierin be-
stätigt sich immer wieder das Gesetz
der G-leichheit von Wirkung und
Gegenwirkung. Dass die beiden Sängerinnen
ihre Stimmen wiedergewonnen, ist nichts Ab-
sonderliches, ob diese Stimmen aber der Kunst ge-
nügen, ist trotz der Reklame zu bezweifeln. Qui
vivra, verra!
Ein weiteres Fundamentalgesetz ist somit
Mechanik, welche neben der Statik in die Dynamik
oder in die Lehre von der Bewegung
der Körper zerfällt.
Wie sich im Vokaltonstudium die Bewegungen
der Sprechwerkzeuge regulieren, demnach formt
sich der Binnenraum des Ansatzrohrers, und zwar
nach einem absoluten Gesetz. Die wissen-
schaftliche Aesthetik stellt Form-
bildungen fest, welche sich an die strengen
mathematischen anreihen; somit ergibt sich als
Schlussfolgerung die logische Notwendigkeit, dass
di'eMuskelmechanikderSprachwerk-
zeuge bis in die kleinsten Einzel-
heiten studiert werden muss. Von
ihren Bewegungen hängt die Vokal- und Wellen-
Form ab, von dieser aber die Tonschönheit.
Der Vokal in seiner Entwicklung und mit ihm
das abschliessende Wortgefüge muss somit in
seiner Grundbedeutung, physikalisch sowohl als
ästhetisch, jene gesetzmässige Form, jene plastische
Bestimmtheit erhalten, deren Inhalt reelle Kraft
mit der Idealität des Tones vereinigt.
Diese Fundamentalgesetze beschäftigen sich in
keiner Weise mit dem Bau des Kehlkopfes, wie
sie auch die sog. Atemtechnik vom rein wissen-
schaftlichen Gesichtspunkt behandelt. Dieses
Studium beschränkt sich:
1. auf den Mechanismus des Atemholens, so-
mit auf die Lungen- oder vitale Kapazität,
2. auf die Wirkung der einzelnen Atmungs-
muskeln bei der In- und Eil .iration, sowie die
Muskelwirkung bei normaler, d. h. richtiger Ein-
und Ausatmung, wobei ganz besonders die sechs
oberen Rippen, die Streckung der Brustwirbel-
säule und das Zwerchfell in Betracht kommen,
womit eine methodische Lungengymnastik
in Verbindung gebracht wird Diese verbessert
die respiratorische Ventilation der Lunge und be-
günstigt damit die Ernährung derselben. Und
8. auf die angestrengte, unrichtige
Atmung und die dabei tätigen Muskeln,
bei denen auch Muskeln des Kehlkopfes,
Gaumens und Rachens beteiligt sind.
(Schluss folgt.)
Kritische Bfickschau
über Konsert und Oper.
Von
Dr. Karl Storek.
Hatten in der ersten Saisonhälfte die Geiger
das üebergewicht, so in der zweiten die Klavier-
spieler. Das liegt nicht nur daran, dass d'Albert
zwei Konzerte gab, obwohl er heute ohnegleichen
dasteht und ein Abend von ihm den gehetzten
Konz^rtkritiker zehn verlorene vergessen lässt.
Die Titanennatur dieses Mannes lässt einem Musik
erleben. Es verschlägt dabei gar nichts, dass sein
Spiel in technischer Hinsicht nicht immer einwand-
frei ist. Die Schuld daran trägt sicher zum Teil
der Steinwayfltlgel, den er auschliesslich benutzt.
Die Bässe sind verwischt, der Diskant klingt
gläsern. — Auch Teresa Carreno bleibt auf der
Höhe. Ihr rasendes Temperament — aber es ist
Edelrasse — reisst dort am meisten hin, wo der
Schöpfer mehr empfindend als gestaltend wirkt.
Chopin spielte sie unvergleichlich. Hätte doch
Leopold Godowsky etwas von dem Temperaments-
— 104 —
überschuss der beiden. Er spielt fast schemenhaft
kühl; aber fast unheimlich ist sein tectmisches
Können. Das ist klar and fest wie Demantschliff
und mit der Feinkunst des Goldschmieds ist alles
Miniaturen werk ausgeführt. Vielen erscheint Eduard
Bisler als eine im Grunde kühle Natur. Er ist
es nicht; aber er ist durchaus Plastiker, nie Maler.
Er ist von sonniger Klarheit und kann sogar eine
Mozart*sche Sonate stilecht spielen. Wer tut ihm
das nach. Sein Widerspiel ist Konrad Ansorgf,
der geradezu impressionistischer Farbenkünstler ist.
Freilich auch impressionistischer Empfindungs-
virtuose. Ich meine das Virtuose nicht im bösen
Sinne. Aber sein Empfinden ist so differenziert,
dass man mit Normalnerven kaum mehr mitkommt.
Erlebt man bei d' Albert prometheisches Gestalten,
so führt einen Ansorge die Stufe weiter zurück,
wo alles noch im Chaos liegt, aber die schöpferische
Krait bereits am Werke ist. Eß ist unendlich
reizvoll, ihm zuzuhören, wenn man das Werk ganz
genau kennt. Man glaubt dann ordentlich dem
Urquell nahe zu sein, aus dem es geflossen. —
In die Reihe der Allerersten hat sich mit
seinen zwei diesjährigen Konzerten Josä Vianna
da Motta gestellt. Intelligenz und sichere Be-
herrschung alles Technischen hat er schon immer
gezeigt; dieses Mal aber fiel die Vertiefung in den
Gehalt der abwechslungsreichen Programme und
eine warme Anteilnahme so kräftig auf, dass man
für die beiden Ab. ide nur das Urteil „meisterhaft"
findet. Der Künstler erscheint mir immer als ein
80 grossartiges Lehrtalent — ich weiss allerdings
nicht, ob er auch als Lehrer tätig ist — , dass ich
gern zwei bekannte Pädagogen anschüesse. Dass
Pädagoge noch lange nicht Schulmeister zu heissen
braucht, sondern liebevoller Erzieher zur Musik,
bewahrheiteten aufs Neue Max Pauer aus Stutt-
gart und der Frankfurter Karl Fried berg. Der
erstere, der den zweiten Abend leider absagen
musste, glänzte vor allem in der wundervoll stil-
echten Wiedergabe von älteren Werken Scarlatti's,
Hä8sler*s und Haydn's. Friedberg wirkt immer
eigenartig und fesselt durch eine starke persönliche
Note. Viel akademischer wirkt Leonard Borwick,
sicher ein bedeutender Könner und zielsicherer
Mann, aber doch gar zu akademisch kühl und ob-
jektiv. Eine durchaus subjektive Natur ist da-
gegen Itichard Buhl ig. Leider ganz und gar
nicht „Frohnatur **, sondern vergrübelt, manchmal
geradezu verquält. Der Kunstverstand überwiegt
auch bei Frieda Kwast-Hodapp, die ihr Empfin-
dungsvermögen oft geradezu künstlich einzudämmen
scheint. Aber ihre Technik wie ihre eindringliche
Auffassung verdienen Bewunderung. Einen starken
Erfolg hatte Artur Schnabel, sicher eine der
besten musikalischen Intelligenzen, die wir in
Berlin haben. Dieser Jüngliug hat sich ja auch
schon grosse Verdienste um unser Musikleben er-
worben. Ob man sein Spiel lieben kann? Ich
kann es nicht. Ich werde das Gefühl des „Preziösen"
nie ganz los. Es ist bei ihm so garnichts von
gärendem Most; das gibt auch keine Feuer weine.
Ein sehr feiner Mosel, an dem man sich niemals
berauschen kann. Ossip Gahrilo witsch ist ein
Temperament, aber mehr ein äusseres. Das tiefere
Erleben fehlt. (Unter „Erleben'' verstehe ich nicht
Liebschaften haben; sonst wären manche jungen
Künstler Lebensphilosophen, die in psychischer
Hinsicht Wickelkinder sind.) Bleiben zu nennen
die vielversprechende Ella Jonas, der neun-
jährige Wunderjunge — wirklich Junge, so frisch
und kindlich ist er— Miecio Horszowsky,
die etwas kühle Kunst Ernst Schelling's,
Theodor Szanto, der technisch beachtens-
wert, aber ohne Geschmack ist und eine echt
musikalische Natur: Wanda von Trzaska,
die dem vertrackt schwierigen Klavierkonzert
Stavenhagen's zu einem schönen Erfolg verhalf. —
Von Geigern ist fast nichts zu sagen. Ossip
Schnirlin verdient warme Anerkennung, da er
seinen unermüdlichen Fleiss nicht nur zur eigenen
technischen VervoUkonunnung aufwendet, sondern
auch ständig für neue Werke eintritt. Die lieb-
reizende Elsa Ru egg er spielt ihr Cello fast noch
schöner, als sie aussieht. Reichlicher ist die Aus-
beute auf dem Gebiet der Kammermusik, auch
wenn ich mich auf die Neuerscheinungen be-
schränke. Ein .italienisches Trio'' wollte nicht viel
bedeuten; vorzüglich spielte dagegen das „Moskauer
Trio". Auch der Konzertmeister des philharmoni-
schen Orchesters, Anton Witek, der Cellist
M a 1 k i n und Vita Gerhardt haben sich zu
einem Trio vereinigt, das gleich beim ersten Auf-
treten starken Erfolg hatte. Ausgezeichnetes boten
an ihren Duettabenden Marie Bruno-Leo
Schrattenholz und Anton Förster-
Florian Zajic. Von Schrattenholz kam eine
sehr tüchtige Violoncello - Sonate zu Gehör.
Richard Rössler (Klavier) und Karl
K 1 i n g 1 e r (Violine) boten gleich drei neue Sonaten
für ihre beiden Instrumente. Weitaus die beste war
op. 7 von Paul Juon; die Werke der beiden
Konzertgeber waren achtungswerte, aber noch
reichlich akademisch : unpersönliche Arbeiten. Sehr
schönes enthält das Klavierquintett op. 89 F-moU
von Hugo Kann, das vom holländischen
Quartett in Verbindung mit Godowsky zu
Gehör gebracht wurde. Es zeugte von voll-
konmiener Stilbeherrschung, ist in den Ecksätzen
voll Kraft und zeigt im dritten Satz echt melo-
dische Erfindung. —
Etwas Abwechslung in instrumentaler Hinsicht
brachte das Konzert der Harfenistin Caldarera.
Sie ist eine Meisterin ihres Instruments, kann aber
die dafür geschriebene Sololiter^tur nicht wert-
voller machen, als sie ist. In noch schlimmerem
Masse erfuhr das der meisterhafte Pistonbläser
Paris Chambers. — Aber für die Holzblasin-
strumente, für Hörn haben wir eine sehr wertvolle
Literatur Ich will nicht sagen, dass es angebracht
— lOö —
wäre, ganze Konzertabende damit zu füllen; aber
onsere S&nger sollten Bioh lieber solche Künstler
zw Mitwirkung^ ansersehen, als immer wieder
Klavierspieler and Violinisten, die ja in zahllosen
Konzerten zu Gehör kommen. —
Nnn noch von den Sängern. J n 1 i a C a 1 p ,
Maria Seret, Helene Staegemann,
Antonia Dolores sind die stärksten Ver-
sprechnngen unter dem weiblichen Nachwuchs.
Erstere im Besitz eines prächtigen Altes be-
meistert das moderne Lied mit G^eschick, Maria
Seret sollte eigentlich zur Bühne; Helene Staege-
mann ist prächtig in allem Kleinen; Antonia Dolores
eine echte Koloratnrkünstlerin. Von den jungen
Sängern nenne ich FelixLederer-Frina und
Leo Gollanin. Ersterer eine loin musikalische
Nator mit schöner Stimme und guter Schule; der
letztere bietet das seltene Beispiel eines stinmibe-
gabten Tenors, der auch fangen kann.
Herr Bernhard Irrgang hatte in seinem
Orgelkonzert am Donnerstag, den 10. März, in der
Heilig-Kreoz-Kirche die Ausführung der Orgelsoli
Herrn Carl Heyse aus Dresden übertragen.
HerrHeyse spielte die „A-moll-Sonate'' von Rhein-
berger, „Passacaglia'* von Max Reger und den
ersten Satz der „2. Orgelsonate'' von Jos. Renner
Jon. und bewies durch den Vortrag dieser 8 Kom-
positionen, dass er sich einen hohen Grad von
Technik angeeignet hat. Aber nicht nur in tech-
nischer Beziehung gebührt ihm die vollste Aner-
kennung, auch auf dem Gebiete der Registrier-
kunst konnte Herr Heyse den weitgehendsten An-
sprüchen genügen; sein Spiel war von äusserster
Klarheit, sein Vortrag ein Beweis für das feine
Verständnis, für die Schönheiten der Reger'schen
und Renner 'sehen Kompositionen. Fräulein Lisa
Goe decke (Alt) trug u. A. durch den Vortrag
einer Bach-Kantaten- Arie, JTrl. Martha Drews
durch den Vortrag des herrlichen „Adagio^* a. d.
£-dur-Konzert von Bach wesentlich zum Gelingen
des Konzertes bei.
Fräulein Emilie v. Gramer, die geschätzte
Gesangspädagogin , veranstaltete vor kurzem im
Saal Beckstein eine musikalische Matinee mit
ihren Schülerinnen, die vom besten Erfolge be-
gleitet war. Wir hatten schon wiederholt Gelegen-
heit, auf ihre vorzügliche Lehrmethode hinzuweisen,
die sich auch diesmal wieder in der feinen, ver-
ständnisvollen und dabei doch ungezwungenen und
natürlichen Wiedergabe der dargebotenen Leistun-
gen aussprach. Frl. v. Gramer hatte ein sehr
reichhaltiges Programm zusammengestellt, Solo-
Arien und Lieder, 2- bis 48timmige Gesänge
wechselten miteinander, vertreten waren Bach,
Haydn, Gluck, Mozart, Weber, Schubert,
Schumann, Brahms, Gornelius, Weingartner
u. a. Komponisten. Die Klavierbegleitung wurde
durch Frl. Marie Bergwein mit feinsinnigem
Verständnis ausgeführt. A. M.
Mitteilungen
von HoohBohulen und Konservatorien.
Die 7. öffentUche Schüler -Aufführung des
Stern'achen Konservatoriums zu Berlin,
Direktor Prof. Gustav Hollaender, fand am
6. März statt und erregte darum noch besonderes
Interesse, weil ein neues leichtes Violinkonzert, für
Schüler berechnet, von Prof. Hollaender kom-
poniert, darin zur ersten Aufführung kam. Eine
junge 11jährige Schülerin aus der Klasse des
Direktors, trug dasselbe vor und erntete den leb-
liaftesten Beifall. Das Werk verbindet, bei an-
sprechendem Klangreiz, das Künstlerische mit
dem Instruktiven und dürfte geeignet sein, auf
diesem noch wenig bebauten Gebiete eine wesent-
liche Lücke suszufüUen. Wir kommen später an
anderer Stelle noch auf das Werk zurück. An
dem übrigen sehr reichhaltigen Programm waren
Schüler und Schülerinnen aus den Klassen der
Frau Nicklass-Kempner, Frl. Emma
Koch und der Herren Heinemann, Förster,
Schönberger und Freudenberg mit wohl-
vorbereiteten Leistungen beteiligt.
Der bekannte Gesanglehrer und Konzertsänger
Herr Gustav Friedrich tritt am 1 Oktober d.J.
in den Lehrerverband des Eichelberg'schen Konser-
vatoriums, Direktor Fritz Masbach, ein.
Das Musikinstitut von Frau Marie Gorrens
zu Stargard, ehemalige Schülerin Professor
Th. Kullak's, veranstaltete am 24. Februar ein
Prüfungskonzert für Mittel- und Oberstufen und am
9. März eines für die Unter- und Unteren Mittel-
stufen. In den mit G^eschmack und Verständnis
zusammengestellten Programmen wechselten
Klavier-, Violin-, G^esangs- und Ghorgesangsvor-
träge ab, die Ausführungen waren durchweg er-
freulich und wohlgelungen.
An den Mittelschulen der Pfalz finden
gegenwärtig Visitationen des Gesang- und
Musikunterrichtes statt, die der Lehrer der k.
Musikschule in Würzburg, Simon Breu, im Auf-
trag des kgl. Kultusministeriums vornimmt. Simon
Breu erhielt bei dem kürzlich veranstalteten Wett-
streit uro die drei von der Majorität des Publikums
als die volkstümlichst bezeichneten Lieder den
ersten Preis.
Das Konservatorium für Musik und dar-
stellende Kunst in Wien (gegründet 1817),
106 —
dessen ünterrichtsleittmg den Händen des Herrn
Richard v. Perger anvertraut ist, wies am
Söhlnss des Schuljahres 1902/B eine Frequenz von
949 Zlöglingen auf. Innerhalb dieser Zeit haben
stattgefunden an nicht öffentlichen Vortragstibungen
10 der Qesang- und Instrumentalschulen und der
Schauspielschule, 15 Klaviervorspielabende (Zög-
linge der 3 Vorbildungs- und der 1. und 2. Aus-
bildungsklasse), 1 Vortragsabend der Klavier- und
Meisterschule (Prof. Emil Sauer), 6 dramatische
Vorstellungen der Opemschule und 4 solche der
Schauspielschule. An öffentlichen Vortragsübnngen
haben stattgefunden 2 Konzerte des Konservatoriums
unter Mitwirkung des Schülerorchesters, 5 Vortrags-
abende der Klavier- Meisterschule unter Mitwirkung
des Schülerorchesters, 6 dramatische VorsteUungen
der Opernschule und 4 solche der Schauspielschule.
Hierzu kommen noch die 8 Schlussprüfungen der
Abiturienten. Tätig waren am Konservatorium
59 ordentliche und 2 ausserordentliche Lehrkräfte.
Yermischte Nachrichten.
Die Aufführung der Matthäuspassion, die
unsere Berliner Singakademie für die Char-
woche angekündigt hat, ist insofern von besonderer
Bedeutung, als sie die 76. sein wird, die der Verein
veranstaltet. Zugleich kann sie als Gedenkfeier
für die allererste Aufführung des Werkes in Berlin
gelten, die unter Felix Mendelssohn 's Leitung
vor 75 Jahren, im April 1829, stattgefunden hat.
Nr. 77 der Mitteilungen der Musikalien-
handlung Breitkopf & H&rtel, die soeben er-
schienen sind, enthalten als Mittelpunkt den Auf-
ruf zur Gründung einer Reichs-Musik-Biblio-
thek, welchen die Firma vor kurzem, angeregt
durch den Artikel Dr. Wihelm Altmanu's „Ein
frommer Wunsch" (Vergl. „Kl. L.« Nr. 24, 1903) er-
lassen hatte. Die Grundgedanken sind folgende : Eine
bestehende grosse Sammlung wird als Grundstock
genommen; in Betracht kommen Berlin, Dresden,
Leipzig, München. Derjenige Staat, welcher seine
Sammlung als Grundstock zur Verfügung stellt,
hat das Vorrecht, die Reichs-Musik-Bibliothek unter
seine Obhut zu nehmen. Der gesamte deutsche
Musikalienverlag wird zu freiwilligen Lieferungen
ihrer Verlagswerke aufgerufen. Die Eigentums-
und die noch schwierigere Geldfrage bedürfte zu-
nächst einer sorgfältigen Erwägung, ehe offizielle
Anträge an die Behörden gemacht würden.
Die „Mitteilungen" berichten femer über die
„grossen G^amtausgaben" der Firma von Pale-
strina bis zu Berlioz, ein handlicher Katalog ist
kürzlich darüber erschienen, benannt „Die grossen
Meister''. Die Titelseite der Mitteilungen trägt
das Bild Ferruccio Busoni's. Ein Aufsatz über
Busoni aus der Feder Otto Taubmann's wird
seiner Bedeutung als Komponist und Bearbeiter
gerecht. Louis Röe schildert die Tätigkeit und
die Erfolge Hermann Grädener's vor allem als
Schöpfer von Kammermusikwerken. Weitere Haupt-
abschnitte sind den Werken R. Barth's (Hamburg),
Karl von Perfall's (München) und X. Schar-
wenka's (Berlin) gewidmet. An musikgeschicht-
lichen Werken werden besonders angezeigt: das
thematische Verzeichnis der Werke Gluck's
von Wotquenue, Joh. Bosenmüller's Sonate
da cameia (Deutsche Denkmäler), Trienter
Kodices 11. und G. Muffat, Concerti grossi
(Oesterreichische Denkmäler) und einige aoalftndische
Veröffentlichungen. Zur Frage des „Motu proprio'
Fius X. über den „Gregorianischen Kirchengesang''
wird auf die Arbeit Gevaert's hingewiesen, der
„Ursprung des römisch euKirchengesanges",
deutsch von Hugo Riemann. Die 22 Seiten um-
fassenden Nachrichten über erschienene und
demnächst erscheinende Musikalien geben
den Ueberblick über die Verlagstätigkeit des Hauses
Breitkopf & Härtel und seiner Verlagsvertretungen
in den letzten beiden Monaten.
Am Todestage von Hektor Berlioz ist in
Baden-Baden die vom Stadtrat aus Anlass der
Centenarfeier im vorigen Jahr gewidmete GMenk-
tafel für Berlioz am Theater enthüllt worden. Die
Tafel trägt folgende Inschrift: ,Dem Komponisten
Hektor Berlioz, geb. 11. Dezember 1803, gest.
8. März 1869, welcher oft und gern in Baden-Baden
weilte und zur Eröffnung dieses Theaters im Jahre
1862 die Oper „Beatrice und Benedict^* komponierte
und dirigierte, an seinem 100. Geburtstage zum
Gedächtnis errichtet von der Stadt Baden-Baden. **
Mit der Enthüllung der Gedenktafel war eine kleine,
würdige Feier verbunden.
Der Lehmann-Osten-Ohor zu Dresden
ernannte den Hamburger Komponisten, Herrn
Ferdinand Thieriot, zu seinem Ehrenmitgliede.
Das Diplom wurde ihm nach dem Konzerte am
15. März in der Wandelhalle des Vereinshauses
überreicht, wobei der greise Meister G^enstand
lebhafter Ovationen war und durch Chorgesang
und Ansprachen in Poesie und Prosa gefeiert
wurde.
Der Ijeiter der päpstlichen Kapelle zu
Bom, Abb6 Perosi, ist gegenwärtig mit der Ein-
richtung der vom Papste gewünschten neuen Qe-
sangsschule für Knabenstimmen beschäftigt. Die
Schule wird im Vatikan selbst nach dem Muster
der einst von Gregor dem Grossen gegründeten
Knabenschule eingerichtet. Später traten an Stelle
der Knaben erwachsene Sopransänger, die soge-
nannten „voci bianche*S bis Leo XIII. im Jahre
1901 diesem Missbrauch, nachdem er zwei Jahr-
hunderte bestanden, ein Ende zu machen beschloss.
Der verstorbene Papst wollte jedoch nur schritt-
weise vorgehen: die erwachsenen Sänger sollten,
— 107 —
wenn sie ihren Abschied nahmen oder starben,
Dicht mehr durch andere „voci bianche*' ersetzt
werden. Pins X. aber beschloss, die erwachsenen
Sanger sofort zu entlassen und nicht erst zn warten,
bis sie freiwillig gehen oder sterben würden. In
Zukunft wird man also in der Sixtinischen Kapelle
nur noch wirkliche Kinderstimmen zu hören be-
kommen. #
Manne] Garcia, der berühmte Gesangspro-
fessor und Erfinder des Kehlkopfspiegels, vollendete
am 17. März d. J. sein 99. Lebensjahr. Der in
London lebende Känstler gibt noch immer Unterricht
Garcia ist am 17. M&rz 1805 in Madrid geboren.
In Prag konzertierte Fran Teresa Carreno
gemeinschaftlich mit ihrer Tochter Teresita
Tagliapietra im Badolphiam mit aussergewöhn-
lichem Erfolge. Die Erstere spielte Beethoven's
„Es-dur-Konzert**, ihre Tochter das „E-moll-Konzert"
von Chopin, beide znsammen die Sinding'schen
„Variationen für 2 Klaviere'*. Jede Nummer wurde
mit lebhaftem Beifall begleitet, der sich besonders
nach dem prachtvollen Vortrag der Sinding'schen
Variationen zn einer sttLrmischen Ovation für
Mutter und Tochter steigerte.
Der Vorstand des Vereins ßeethoven-
haus zn Bonn hat gelegentlich des 15jährigen
Bestehens des Vereins (1889—1904) einen .Bericht**
herausgegeben, der ein übersichtliches Bild über
Gründung des Vereins, die Wiederherstellung des
Geburtshauses Beethoven's, die Veranstaltungen in
der abgelaufenen Zeit u. s. w. liefert. In einem
besonderen Abschnitt werden die Sammlungen
des Beethovenhauses besprochen, zu denen vor
kurzem eines jener Konversationshefte,
deren sich der taube Meister gegen Ende seines
Lebens im Verkehr zu bedienen pflegte, hinzu-
gekommen ist. Es ist das erste Heft dieser Art
und stcmamt aus der Sammlung des Braunschweiger
Kapellmeisters Riedel. Interessant ist gleichfalls
die Erwerbung einer Anzeige über eine „Akademie^*
im k. k. Nationaltheater nächst der B u r g h
zu Wien, in der Beethoven seine „1. Sinfonie*
und sein „Sextett** zu Gtehör brachte. In einem
weiteren Abschnitt wird über die finanzielle Lage
des Vereins berichtet, wir ersehen daraus, dass sich
die Einnahmen in den 15 Jahren auf 200000 Mk.
beliefen, denen Ausgaben von ca. 185000 Mk.
gegenüberstehen. Den Bericht schmücken einige
vorzügliche Abbildungen: „Beethoven's Geburts-
haus**, „Die Geburt Beethoven's** von Yr. Gesel-
schap, das „Schimon'sche Bild von 1814" u. A.
Bücher und Musikalien.
Dr« F. A« Steinbaiisen: „Die Physiologie der
Bogenführungauf den
Streichinstrumenten.^'
Breitkopt M HSrtel, Lelpal«.
Denkende und vorwärts strebende Lehrer und
aufmerksam studierende Schüler werden dem Autor
für dieses Werkchen sicher dankbar sein. Die Ge-
schichte vom Ei des Columbus wiederholt sich
noch täglich. Das alleruatürlichste wird nicht
beobachtet; Gewohnheitssachen, selbst wenn sie
etv^aB Widernatürliches an sich haben, werden zur
Regel. Als vor mehr als 30 Jahren Grossmeister
Joachim seine Schüler dazu anhielt, die Frosch-
öffnnng ihres Bogens ganz bedeutend aushöhlen
zu lassen, kam uns Geigern das zuerst sehr wunder-
lich vor, und Jetzt tritt man bereits für das voll-
ständige Abschneiden des einspringenden Frosch-
endes ein.
So wie den Alten die eben erwähnten Neue-
nmgen wunderbar vorkamen, so werden auch uns
die auf anatomisch wissenschaftlicher Untersuchung
beruhenden Lehren des Herrn Dr. Steinhausen zneret
entschieden befremdlich erscheinen ; wie selten wird
wohl ein Geiger davon Notiz nehmen, dass der
Unterarm aus 2 für das Geigen so wichtigen
Knochen, der Elle und der Speiche, besteht, und
dass die EinwärtsroUung (Pronation) und die Aus-
wärtsroUung (Supination) das wichtigste der ganzen
Bogenführung ist. Wir Aeiteren sind in der Schule
mangelhaft oder gamicht über den Bau des mensch-
lichen Körpers belehrt worden; heutzutage wird
glücklicherweise etwas mehr Wert darauf gelegt;
man zeigt den Kindern gute Abbildongen, auch
ist gewiss in vielen Schulen ein Skelett des mensch-
lichen Körpers vorhanden. Trotzdem operierte man
beim Unterricht bis jetzt mit Vorliebe mit den
alten Schlagwörtern: „Spiele mit losem Hand-
gelenk", „Du spielst wieder mit schwerem Arm",
„Nach vorn streichen" etc. Diese Kommandorufe,
welche strebende Schüler, wenn sie sie fortwährend
hören müssen, ermüden und sogar unlustig machen
können, werden als Hauptmittel angesehen, um
die Bogenführung, die das schwierigste beim
Geigen ist, zu erlernen. Es sei gern zugegeben,
dass der Lehrer hierbei besonders ein Probestück
seiner Geduld, Freundlichkeit und Liebe zum Unter-
richten an den Tag legen kann; es sollte aber lieber
dem Lernenden wiederholentlich die Bogenhaltung
und Führung vorgezeigt werden. — Wer ernst-
haft gesonnen ist, erneute Studien nach physiolo-
gischen Auf aben vorliegenden Werkes zu machen,
dem kann man nur freundlichst anempfehlen, diese
Uebungen vor dem Spiegel vorzunehmen, sich aber
nicht nur mit dem Gesicht vor denselben zu
stellen, sondern auch die rechte Seite seines
Körpers der Spiegelscheibe zuzuwenden; die Roll-
bewegungen des Armes prägen sich so dem Spielen-
den leichter und sicherer ein, als wenn man erst
über den Steg hinweg seinen rechten Arm beob-
achten muss. Es ist auch empfehlenswert, jedem
— 108 —
Anfänger direkt die anatomischen Abbildungen zu
zeigen und ihm die Bewegungen der verschiedenen
Gelenke dadurch anschaulich zu machen. Wird
der Lehrer diesem Zwecke 2 3 Stunden opfern,
so wird ihm sicher später sein Lehramt bedeutend
erleichtert werden. Die Vorzüge dieses Baches
sprechen beim Grebraache für sich allein; wir lassen
^ber dahingestellt sein, ob die Notwendigkeit vor-
lag, besonders für irgend einen grösseren Geigen-
künstler resp Pädagogen eine Lanze zu brechen.
Unserer Ansicht nach ist die für die Finger. Hand-
und Armgelenk natürlichste Bogenfühmng haupt-
sächlich durch den dicken Vorsprung des Frosches
jahrelang behindert worden.
Dagobert LöwenthaL
Vereine.
Mnsifcpädagogisclier Yerband.
In der letzten, am 13. März stattgefundenen
Vorstandssitzung legten die eingesetzten Kom-
missionen ihre ausgearbeiteten Entwürfe: „Prü-
fungsordnung" und „Satzungen" dem Vor-
stand zur Darchberatung vor. Die Ausarbeitungen
hatten eine nicht geringe Summe von Zeit, Mühe
und Ueberlegang gekostet; hunderte von Wünschen
und Meinungsäusserungen waren dazu eingelaufen,
es galt sie zu sondieren, sie zusammenzustellen
und eenau abzuwägen, einmal nach der Stimmen-
mehrheit, andererseits aber auch die künstlerischen
Grundprinzipien mitsprechen zu lassen, welche den
Verband von vornherein bei Aufstellung seines
Programms geleitet hatten. — Die Beratung der
beiden vorgelegten Entwürfe geschah mit grosser
Sorgfalt und Gründlichkeit, und obgleich wesent-
liche Meinungsverschiedenheiten nicht mehr zu
Tage traten, so entschied sich der Vorstand dahin,
bei der ausserordentlichen Wichtigkeit noch keinen
endgültigen Beschluss zu fassen, sondern in ganz
nächster Zeit eine Sondersitzung einzuberufen und
die beiden Entwürfe erst nach erfolgter zweiter
Lesung zum Abschluss zu bringen. — Prüfungs-
ordnung und Satzungen, beide mit Leitworten
versehen, kommen dann im Wortlaut in der zweiten
Aprilnummer des ,K1.-L.** zum Abdruck und werden
allen Teilnehmern des Kongresses, sowie allen
übrigen Interessenten zugesandt. Der Vorstand
tritt nach Erledigung dieser Arbeit an die Wahl
und die Zusammensetzung der Prüfungs- Kom-
missionen heran, es liefen für diese Aufgabe
bereits zahlreiche Vorschläge ein.
I. A.
Xaver Scharwenka.
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Deutschen Frauencomit^'s für die Welt-
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die biographischen Skizzen von ca. 125 Tonkünst-
lerinnen: Komponistinnen, Musikschriftstellerinnen,
Sängerinnen, Virtuosinnen des Klaviers, der Violine
u. s. w.
- — Preis brosoh. 1,50 Mk. ===
Verlag „Der Klavier-Lehrer** (M. Wolff), Berlin W. 50.
~ 112 —
28. MMagBl KARL URBACH'S 28. Muflag»!
Prels-Klavler-Schule.
Von 40 yorliegenden KlaTienchnlen mit dem Preise gekrönti Nach dieier Sokvl» wM
in den MnsikJnBtituten DeataohlaxidB, Oesterreiohs und der SchwelB Mkr tIaL vnterriohttt
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KsiserL and KönigL Hoflieferant
Julius Bluthner
^^^ Flügel und Pianinos --"^
Filiale Berlin, Potsdamer-Strasse 27b.
^rosstierzogL Konservatorium für ^usik in Karlsruhe,
zugleich Theaterschule (Opern- und Schauspielschule) und Orchesterschule.
Unter dem Protektorat Ihrer König!. Hoheit der Grossherzogin von Baden.
== Beginn des Sommerkursus am 18. April 1904. ^=^
Der Unterricht erstreckt sich über alle Zweige der Tonkunst nnd wird in deutscher, englischer,
französischer und italienischer Sprache erteilt.
Das Schulgeld betr> ftlr das Unterrichtsjahr: In den Vorbereitungsklassen 100 Mk., in den
Mittelklassen 200 Mk., in den Ober- und Gesangsklassen 260—860 Mk., in den Dilettantenklassen 160 Mk.,
in der Opemschule 600 Mk., in der Schauspielschule 860 Mk., für die Methodik des Klavierunterrichts
(in Verbindung mit praktischen ünterrichtsübungen) 40 Mk. Die ausführlichen Satzungen des Grossh.
Konservatoriums sind kostenfrei durch das Sekretariat desselben zu beziehen.
Alle auf die Anstalt bezüglichen Anfragen und Anmeldungen zum Eintritt in dieselbe sind zu
richten an den Direktor
Professor Heinrich Ordenstein, Sophienstr. 85.
C. BECHSTEIN,
Flttg^el- und Pianino-Fabrlkant.
Hoflieferant
Sr. Maj. des Kaisers von Deutschland und Königs von Preussen,
Ihrer Maj. der Kaiserin von Deutschland und Königin von Preussen,
ihrer Maj. der Kaiserin Friedrich,
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Ihrer Maj. der Königin von England,
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Sr. Königl. Hoheit des Prinzen Friedrich Carl von Preussen,
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Ihrer Königl. Hoheit der Prinzessin Louise von England (Marchioness of Lome).
T n'Kf'nri'Kr \KF I ^- ^&l>i^l^: 5— 7 Johannis-Str. u. 27 Ziegel-Str.
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Für die Redaktion Terantwortlicli: Anna Morsch, Berlin W^ Ansbacherstr. 87.
Expedition und Verlag „Der ElaTler* Lehrer^, M Wolff, Berlin W., Ansbacherstrasse 37.
Dmck: J. S. Preuss, Berlin S.W., Kommandanteustr. 14.
Der Klatfler-ItebreF.
Musik-pädagogische Zeitschrift für alle Qebiete der Tonkunst
Organ der Deutschen Musiklehrer-Vereine,
der Musik-Sektion des J\. D. L-V. und der Tonkunstler- Vereine
zu Kölni Dresden, Hamburg; Leipzig und Stuttgart.
Begründet 1878 von Professor Emil Breslaur.
Redaktion: Anna Morsch
Berlin W.,
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Pttlt vicncli/ibrlid) bei illcn Bud)* und
EDusiluliciibandluiiacn» Pott • JlntUltcn
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«nrraad« 1.75 iPk. ütttland 2 Hlk.
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ünnoncen'Expeditionen «fe vom Ucriafl
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Iflr die zwelgespaltene Petltzelle cnt-
acaenqenommen.
No. 8.
Berlin, 15. April 1904.
XXVII. Jahrgang.
Ishfttt: A. Mecklenburg: Hans von Bülow als Musik- und Klavierpädagoge. (Fortsetzung.) Nana Weber-Beil: Beitrag lur
Gesangareform. (Fortsetzung.) Dr. Karl Storck: Kritische ROckschau Über Konzert und Oper. Mitteilungen von Hochschulen
und Konservatorien. Vermischte Nachrichten. Bücher und Musikalien, besprochen von Ludwig Riemann, Eugen Segnitz und
Anna Morseh. Meinungsaustausch. Vereine. Anzeigen.
als IDusik- und Klapierpldagoge.
Von .
A. HeckleBbarn:«
(Portsetzimg.)
Nachdem wir so die Büiow'schen Voraus-
setzungen des „objektiv schönen Spieles"
bespr(x:hen und vorstehend ein kleines Bild
der rein technischen Lehrmethode Bülow*s
gegeben haben, gehen wir dazu über, nun die
Postulate des „objektiv-korrekten" Spieles
ins Auge zu fassen, welche sich aus der sinn-
gemässen Phraseologie der Klavierwerke durch
reflektorische Arbeit ergeben.
Der Dressur der Willenskraft tritt die
intellektuelle Erziehung zur Seite. Wie aber
bei der technischen Unterweisung höchst
wichtige Fingerzeige für die zweckmässigste
Unterstellung des technischen Materials unter
die jedesmalige Idee gegeben wurden, so
nimmt hier wiederum die phraseologisch-
rhythmische Erziehung stets auf das technische
Element Bezug; sind Technik und geistiges
Element in der Tonkunst doch Korrelatbegrifife,
Ja, die Form (Technik) und das Geistige (der
Inhalt) fliessen in einer vollendeten Kunst-
darstellung, wie erwähnt, ineinander über, und
sie müssen und dürfen nur vor dem Forum
der menschlichen Fassungskraft, also auch
im Unterricht, der dieselbe in Anspruch
nimmt, getrennt werden, da die menschliche
Aufifassungsfähigkeit einmal nur auf ein
Nacheinander angelegt ist. Streng ge-
nommen begeht der docierende Verstand
etwas der Wahrheit, dem Ding an sich,
schlechthin Widersprechendes, wenn er das,
was zugleich in- und miteinander besteht,
nacheinander konstruiert. Dessen war Bülow
sich im Unterricht wohl bewusst, und daher
die ständige Verweisung des Mechanisch-
Technischen auf das geistige Element und
umgekehrt. Es ist keine Frage, dass Bülow
im Klavier-Unterricht selbst die phraseologische
Unterweisung in den Vordergrund treten Hess.
Ihr widmete er den grössten Teil der Zeit.
„Der Verstand muss das Gefühl regulieren.
Es ist ein Unterschied zwischen Gefühls -
Verständnis und Gefühlsdusel."
„Man will heute bei aller technischen
Feinheit, Korrektheit und, wenn es am Platze
ist, Bravour, vernünftige Musik hören."
„Wir müssen in der Musik interpunktieren,
phrasieren, trennen; wir müssen Klavier
„sprechen", nicht plappern; gegen die lang-
weilige Korrektheit (von einigen „klassischer
Vortrag" genannt) zu Felde zu ziehen, fühle
ich mich berufen, und ein nun nicht mehr
— 114 —
Lebender (Liszt) und ich sind die Sieger."
(Bemerkung zu „Rhapsodie** op. 79 No. 1
H-moU von Brahms.)
„Der Taktstrich ist nur das Geländer für*s
Auge; der Takt hat sich, wie das Skandieren
beim Vortrag eines Gedichts, der Dekla-
mation unterzuordnen."
„Wir müssen in das Atelier des Meisters
eindringen, um zu sehen, wie alles entstanden
ist; wir wollen zuerst dekomponieren und
dann rekomponieren."
„Ohne einen scharfen Einblick in die
thematisehe Arbeit des Meisters, ohne eine
gründliche Erkenntnis des Prozesses des Ent-
stehens und Vergehens der einzelnen Motive
ist ein verständnisvoller und verständlicher
Vortrag seiner Werke nicht möglich." (Be-
merkung zu Beethoven 's „Sonate" op 57.)
Solchen und ähnlichen Auseinander-
setzungen begegnen wir bei Bülow immer
wieder. Wie sehr in der Unterweisung
Bülow's die Einführung in den thematischen
Aufbau der Tonwerke die in die Mechanik
überwog -— und dies konnte auch der Fall
sein, da er meistens, wie schon gesagt, in
mechanischer Beziehung relativ reife Schüler
vor sich sah — , zeigt auch u. a. sein präg-
nanter und dabei humoristischer Ausspruch:
„Beim Klavierspiel ist der Kopf der Kutscher
und die Finger sind die Beine der Pferde." Un-
ermüdlich trug Bülow in die Hefte der Schüler
die rechte Phrasierung klassischer Stellen ein,
und wer sich nicht an einer bloss mecha-
nischen Befolgung Bülow'scher Phrasierungs-
angaben genügen lässt, sondern nach dem
„Warum" jeder Phrasierung, jeder Nuance
sucht und so die Prinzipien zu deduzieren
versucht, aus denen sie stammen, der erst
versteht recht Bülow's Wort: „Wir müssen
beim Studieren eines Stückes musikalisch das
Gras wachsen hören; ich gebe Ihnen die
Anleitung dazu." — „Ich gebe Ihnen einen
Baedeker, um in das Land des Dichters zu
reisen."
Als Rhythmiker war Bülow nicht bloss
originell, sondern sogar ein Original;
letzteres insofern, als er den Versuch an-
stellte, einzelne Tongruppen — mit griechischen
Metren zu vergleichen. Von dem Wagnerischen
Kunstprinzip, dass Musik und Dichtkunst im
innigsten Zusammenhang mit einander ständen
und die Tonwelt denselben geheimnisvollen
Gesetzen unterliege wie die Welt der redenden
Poesie, war Bülow ebenso tief durchdrungen,
dass er sich nicht scheute, die letzten Kon-
sequenzen aus dieser Grundanschauung zu
ziehen. Wir haben nicht die Absicht, auf
eine Untersuchung der Frage nach dem Zu-
sammenhang der griechischen Metrik mit der
neuen Tonkunst näher einzugehen, wir wollen
nur konstatieren, dass alle gelehrten Versuche,
die antike Metrik mittelbar oder unmittelbar
auf die heutige Musik anzuwenden, wie sie
z. B. in Rudolf Westphal's »Elemente des
musikalischen Rhythmus mit besonderer Rück-
sicht auf unsere Opernmusik** oder in Moritz
Hauptmannes „Harmonik und Metrik" oder
in Riemann's „Musikalische Dynamik und
Agogik" niedergelegt sind, wohl zu hervor-
ragenden musikwissenschaftlichen Resultaten
geführt haben, aber zu keinen solchen, von
welchen für die ausübende Kunst, geschweige
denn für die schaffende irgend welche
praktische Förderung zu erwarten wäre.
Bülow's in Rede stehender Versuch scheint
hier den realen Boden der Forschung ver-
lassen zu haben und in das Gebiet des Phan-
tastischen abgeschweift zu sein. Warum soll
ein so ausgeprägter Realist wie Bülow nicht
auch einmal Phantast sein? Les extremes se
touchent. Die antike Metrik ist auf Wägung
und Messung der Silben basiert. Sie wendet
oft, wie allgemein bekannt, Kontraktion
mehrerer Silben in verschiedenen Worten in
eine an; und hier kann nun ein Vergleich
mit dem Punkte vor einzelnen Noten oder
Synkopen nicht statthaben, weil doch nur ein
und dieselbe Note punktiert oder synkopiert
wird, nicht verschiedene, nicht zu einander
gehörige. Als Rhythmiker gehörte Bülow trotz
spiner bewussten Originalität keineswegs zu
denen, welche für die von ihnen aufgestellte
Phrasierung den Anspruch der Unfehlbarkeit
erhoben; wohl bekundete er in seinen Ana-
lysen die tiefste und gründlichste Kenntnis
der musikalischen vielgestaltigen Formenlehre;
wohl zeigte er den denkbar feinsten Sinn für
den richtigen Vortrag nach den Gesetzen des
Zusammenhangs der einzelnen Teile, der
thematischen Entwicklung und Durchführung;
wohl standen ihm die Resultate der musik-
wissenschaftlichen Erforschungen auf dem
Gebiete der Phraseologie und die Schätze theo-
retischer Anweisungen für die richtige Auf-
fassung der Satzbildungen und Ton-
gruppierungen in den Werken der Klassiker
wie selten einem Musikgelehrten zu Gebote; -
doch war er weit von der Forderung entfernt,
dass die eigenen oder fremden Anweisungen
für den rhythmischen und dynamischen Vor-
— 115 —
trag im Einzelnen als ein absolut zu be-
folgendes Gesetz zu gelten hätten. Er hatte
keine Sympathie mit jenen diktatorischen
Phrasierangslehrem, die im Gefühl ihrer ein-
gebildeten Unfehlbarkeit jede Betonung der
musikalischen Rede, jede Abgrenzung der
Phrasenstücke, die von der ihrerseits vor-
geschriebenen abweicht, als „dumm", „eckig"
oder „langweilig** verdammen. Dem Geiste
des Vortragenden, den Forderungen der
empfindenden Pt^antasie Hess Bülow bei der
phraseologischen Arbeit genug Raum zu freier
Betätigung. Und mit Recht Denn hören wir
je, dass auch nur zwei dramatische Künstler
genau mit derselben Betonung, Rhythmik z. B.
die Rede des Marquis Posa vor dem spanischen
Tyrannen vortragen? Ist die Auffassung z. B.
des Franz Moor bei den hervorragenden In-
triguanten stets die gleiche? Spielt ihn Josef
Lewinski nicht anders, als ihn Dawison
wiedergegeben hat? Oder welchen unend-
lichen Abstufungen und Nuancen in der Auf-
fassung des Mephistopheles begegnen wir doch
bei unseren dramatischen Künstlern! Dieser
kehrt den ironisch -sarkastischen Zug im
Wesen des Mephistopheles besonders hervor,
jener mehr das grausige Element der mephisto-
phelischen Natur, ein anderer wieder stattet
den verneinenden Geist mit Zügen der Schalk-
haftigkeit aus, die seinen bösartigen, teuf-
lischen Charakter etwas verhüllen!
Und nun soll ein Dramaturg kommen und
apodiktisch den Vortrag dieses oder jenes
Monologes nach einer Norm festsetzen, die
in jedem Fall absolute Gellung und bindende
Kraft haben soll? Wird da nicht die leiseste
Regung der Individualität, auf der doch im
Grunde jede Kunstäusserung beruht, erstickt?
Wird da nicht jede künstlerische Freiheit der
Auffassung geradezu aufgehoben? Und ver-
hält es sich mit der musikalischen Rede, der
freien Tonsprache der Fantasie anders? Solche
absolute Geltung von Phrasierungsregeln für
Bach, Beethoven etc., wie sie einzelne wütende
Phrasler verlangt haben, brächte der freien,
göttlichen Tonkunst den Tod; ja, sie würde
auf das Niveau einer blossen Schablonenkunst
herabgedrückt werden, die mechanisch mit
Lesezeichen und etwa nach den Regeln des
goldenen Schnitts arbeitete, anstatt dass die
Tonkunst aus selbständigem Studium und aus
der unversiegbaren Quelle angeborener Empfin-
dung hervorströmte, müsste sie in einem
starren Schematismus — untergehen.
Bei Bülow war nun die phraseologische
Lehre ganz und gar in dem Wesen der
rhythmisch und dynamisch denkenden und
empfindenden musikalischen Natur begründet,
und die vorerst nach rein logischen Gesetzen
sich aufbauende musikalische Dialektik und
Analyse erhielt oft ihr heilsames Gegen-
gewicht in den Modifikationen, die von der
im Momente höherer Anregung unbewusst
frei schaffenden, musikalischen Phantasie
ausgingen. Bülow stand die Kunst als solche
eben höher als ein überlieferter Lehrbegrifif.
Zu VII der 24 Variationen „Vieni amore" von
Beethoven expliziert Bülow:
„So notwendig es auch ist, alle Imitationen
(durch rhetorische Accente) deutlich zu ver-
anschaulichen, so darf der Spieler doch nicht
in die Manier eines wichtig tuenden Docierens
dabei geraten/^
Freilich, so lange seine Schüler auf der
Stufe der zerlegenden Analyse sich befanden,
verlangte Bülow, dass sie die sich ihnen auf-
drängenden Empfindungen und Gefühle ihrer
Phantasie möglichst zurückhielten, damit
der Gang der theoretischen Betrachtung nicht
gestört und die völlige reflektorische Erfassung
der Formen besonders bei kontrapunktischen
Sätzen ermöglicht werde. Sobald aber das
Kunstwerk in seine Teile zergliedert und die
Arbeit der eingehendsten Analyse vollendet
war, durften die Lernenden sich ungestört dem
Flug der freien Phantasie überlassen, selbst
auf die Gefahr hin, dass im Einzelnen die
vorhin festgelegten phraseologischen Vor-
schriften durchbrochen wurden, wenn nur
der Spielende im allgemeinen dem Charakter
der Tondichtung treu blieb.
Die von Bülow gegebenen rhythmischen
und phraseologischen Anweisungen waren
nun nicht derart, dass sie jedes einzelnen
Taktes Wiedergabe vorschrieben. Bülow war
als Anleiter zur „Dekomposition" weit entfernt,
zu einem mechanischen Nachplappern zu ver-
leiten oder den Schülern eine musikalische
Eselsbrücke zu verschaffen. Seine Analysen
erstickten nicht, wie so manche anderer Päda-
gogen, den eigenen individuellen Geist der
Lernenden oder zwangen diesem eine seinem
innersten Wesen fremde Schablone auf; sie
knüpften vielmehr an das vorhandene Mass
der musikalischen Intelligenz an, sie erzogen
im Gegenteil zur individuellen Freiheit, wirkten
ihrer Natur nach befruchtend und belebend
auf den musikalischen Geist und stärkten be-
deutend die reproduktive Kraft wie die musi-
kalische Anlage. (Fortsetzung folgt.)
— 116 —
ftcli'pag zuF Q^SQt)§^sr^^ofn}.
Von
Ifana Weber -Bell.
(Fortsetzung.)
.Wenn die Kunst sam Leben fahren soll,
man sie ein Leben in Form laieen/
(L, t. XuHOwtki.)
Das Studinm der Vokal formenbildung be-
schränkt sich keineswegs nur auf die Vokale.
Diese sind stets von Konsonanten begrenzt, welch'
letztere von ihrer gesetzmässigen Bildung nur in-
sofern abweichen, als sie dem Vokalklang nie
hemmend entgegentreten dürfen, wie dies im ge-
wöhnlichen Sprechen der Fall ist, d. h. alle
Zungenbewegungen müssen kurz und
elastisch sein. Sie sind mit dem Stakkato-
Anschlag im Klavierspiel zu vergleichen, der durch
die Schnelligkeit der Berührung Glanz und
Leichtigkeit erzielt. Und Glan^ verleiht der auf
diese Weise gebildete Konsonant dem Vokalklang,
gleichviel welcher Artikulationsstelle jener an-
gehört, was eine vollkommen entwickelte
Geschicklichkeit in den Zungen-,
Lippen- und Unterkiefer-Bewegungen
voraussetzt. Der für dieses Studium von
Konsonanten umgrenzte Vokalklang beginnt seine
Formenbildung auf den verschiedenen Tonstufen,
Je nach dem Stimmchaiakter, mit dem Wörtchen
i^hold**. Der Vokal „o^ besitzt als Naturharmonie
die vollkommenste Konsonanz. Der Hauchlaut „h"
der 4. ArtikulatioDssteile ist ein Stimmritzen-Kon-
sonant. Er bezweckt ein normales Ausströmen
der Luft, ohne diese auf den Vokal zu übertragen,
d. h. ein Vokalton muss luftfrei und somit klang-
gesättigt sein. Diesem Vokal folgt der tönende
Konsonant „P* der zweiten Artikulationsstelie,
dessen akustische Eigenschaften denjenigen des
Vokals gleichkommen. Durch diesen klingenden
Konsonanten bleibt die Zusammensetzung
des Klanges erhalten und das weiche „d** am
Schluss bringt das Wort „hold^* in seiner Selbst-
ständigkeit, wobei die Zunge im Stakkato-An-
schlag auch nicht im mindesten den Klang
seines Wertes beraubt. Es würde zu
weit führen, eine eingehende Erklärung darüber
zu bringen, wie der Vokal „o^* die Konsonanz auf
allen Tonstufen — nicht nur auf b — b' —
beibehält, ebenso wie die übrigen Vokale, Misch-
laute und Diphtonge in ihren Klängen, das heisst
in ihren Obertönen die vollkommenste Konsonanz
erreichen können. Betont sei nur, dass das Gesetz
unumstösslich ist, rasche und sichere Erfolge er-
zielt und damit auch alle Resonanzstörungen vulgo
genannt „Register^ in kürzester Zeit ausgleicht.
Dadurch wird eine Klangfülle erzielt, die von der
Tiefe bis in die Höhe auf allen Tonstufen den
schlagendsten Beweis liefert, was bei normaler
Muskelarbeit und natürlicher Entwicklang erreicht
werden kann. Dass im Gesangsunterricht von
rvRegistem^* die Rede, ist insofern begreiflich, als
ja diese Register nach dem Status quo der
„Methoden" direkt ausgebildet werden, weil man
die Ursache der hier in Frage kommenden dünnen
klangarmen Mittellagen — die Achillesferse im
Tonstudium — nicht kennt. Gtenau so verhält es
sich mit den gepressten tiefen und schrillen,
gellenden hohen Tönen, die man im Konzertsaal
tagtäglich zu hören bekommt. So will man z. B.
in der Tiefe kräftige Töne mit „Brustresonanz ^ er-
zielen, schraubt die Stimme in die Höhe, was nur
durch Muskeldruck geschehen kann, und plötzlich
versagt der nächstfolgende Ton e^-f* oder f*-g*.
Dieser ist klanglos, wie es die nächstfolgenden Töne
bleiben und bleiben müssen, so wie gesungen
wird, und erst mit der beginnenden Höhe kräftigt
sich der Ton durch die bedeutend erhöhte
Spannung der Muskeln. Durch diese
intensivere und anhaltendere Tätig-
keit — der gepressten Tiefe und unfreien schrillen
Höhe — finden in der Muskelsubstanz
Veränderungen statt, die auf eine
Ermüdung schliessen. Wenn auch durch
hinaufgeschraubte Brustresonanz ein schein-
barer Nutzeffekt vorübergehend gesteigert
werden kann, so geschieht dies immer nur auf
Kosten der Stimme, ja selbst der
Gesundheit. Dieses ist geradezu unmög-
lich, wenn die mechanische Arbeit der Muskeln
der Sprechwerkzeuge eine normale, d. h. dem Ge-
setz entsprechende ist, und wenn der Binnenraum
des Ansatzrohres dasjenige Raum Verhältnis auf-
weist, das der Wellenform einer absoluten Kon-
sonanz entspricht, eine mathematische Gewissheit,
die jeden Zweifel ausschliesst.
So lange aber unsere Gesangslehrkräfte nicht
einmal mit dem einfachsten aller Naturgesetze,
mit dem Gesetz der Gleichheit von Wirkung und
Gegenwirkung, vertraut sind, so lange sie nicht
für ein exakt wissenschaftliches Lehrsystem er-
zogen werden, so lange werden auch diese gegen-
wärtigen Zustände beklagenswerte bleiben.
Von ganz besonderem Wert bei der Heran-
bildung von Lehrkräften ist die Uebung im
Unterrichterteilen. Den vorgerückteren
Studierenden sollte daher wöchentlich zweimal,
wenigstens ein Jahr lang, Gelegenheit geboten
werden, an Anfänger, die bekanntlich ohne Aus-
nahme mit allen erdenklichen Fehlem bezw.
schlechten Gewohnheiten behaftet sind, Unterricht
zu geben unter Aufsicht der Oberleitung. Der
Tonsinn wird dadurch bedeutend geschärft und
mit ihm die Aufmerksamkeit. Der Iiehramts-
kandidat muss die Gesetze in Anwendung bringen,
welche auch ihn von allen gesanglichen Ver-
irrungen befreit haben. Er ist genau orientiert
— 117 —
über die mechanischen Vorgänge am Sprechapparat,
bei der Lxmgentätigkeit n. s. w., sodass es ihm an
der Hand dieser festen Gesetze nicht schwer f&llt,
allen jenen Ursachen hemmend entgegenzutreten,
welche eine freie Tonentwicklnng unmöglich
machen. Hanptbedingnng ist, dass
alles fehlerhaft Gesungene auf das
genaueste nachgesungen werden
kann und Ursachen und Wirkungen
begründet werden können, wie dies
auch Tom. Gegenteil, d. h. vom klang-
reichen Vokalton in seiner Begrenzung
verlangt werden muss. Durch dieses
praktisch-theoretische Studium erlangt man Uebung
in der Tonanalyse. Nicht nur, dass der
Lehrende seine eigenen Studien wieder miterlebt,
sondern es werden weitere Anforderungen an ihn als
Erzieher gestellt: „die leibliche und geistige Er-
ziehung des ihm anveitrautenSchülera.*^ Der Gesang
ist unter den Künsten die geeignetste zur Förderung
der ästhetischen Erziehung des Menschen. Dieser
Zweck kann aber nur dann erreicht werden, wenn im
Unterricht das Ideal der Kunst damit verbunden ist.
Dieser Forderung schliesst sich
noch eine ebenso wichtige an, welche
eigentlich mit obigen Kursen parallel gehen sollte:
„es ist d ie Kritik als Fach des musi-
kalischen Unterrichts''. Einen ungemein
wertvollen Aufsatz hierüber von Dr. Wilh. Alt-
mann enthält die neue Zeitschrift für Musik No. ü
Tom 3. Febr. 1904. (Leipzig, Kahnt.)
Es ist eine nicht zu leugnende Tatsache, dass
gesangliche Kunstleistungen oder auch „nicht
künstlerische Gesangsleistungen^ selten von Fach-
leuten beurteilt werden. Ohne irgend Jemandem
nahe treten zu wollen, muss doch zugegeben wer-
den, dass die gesamte Kritik, mit rühm-
lichen Ausnahmen, aus Klavierspielern,
Komponisten, Kunsthistorikern, Mu-
sikhistorikern und auch Studenten
besteht, welche, sobald sie das tonbildnerische
Gebiet, wie man zu sagen pflogt, betreten, vor
einer chinesischen Mauer stehen. Jeder feinfühlige
Kritiker wird wohl erkennen, ob ein Ton schrill,
gellend, forziert, .geknödelt'', ob die Aussprache
gut oder schlecht ist u. s. w., aber wie das Uebel
beseitigt werden kann, das ist ein Arbeitsfeld,
welches sie noch nicht beackert haben. Solche
Kritiken aber, welche, nebenbei gesagt, ebenso
wertlos sind wie der blöde Dilettantismus im
Konzertsaal, schaden dem Sänger mehr,
als sie ihm nützen. Der Grössen-
wahn, besonders bei Anfängern,
macht dadurch immer bedenklichere
Fortschritte, während Gesangskunst
und Pädagogik mit Riesenschritten
abwärts gehen. Kein Wunder! Z. B. es
wird heute bei der Frau Kammersängerin Y. eine
Schülerin als „fertig'' entlassen. Diese sang schon
voriges Jahr in einem von ihrer Lehrerin ver-
anstalteten Wohltätigkeitskonzert und entzückte
mit ihrer Kunst ein ihr gut befreundetes Publikum.
Heute nun gibt sie ein „eigenes Konzert", und mor-
gen anonciert sie sich auch schon als „G e s a n g s -
lehrerin", wenngleich ihre Darbietungen den
gewöhnlichstenDilettantismus nicht
übertroffen haben. Hauptsache bei der-
artigen Reklamekonzerten ist der „Ring",
mit welchem die Konzertgeberin, eine Schülerin
von Y., auf dem „Schauplatz" ihrer beginnenden
Tätigkeit erscheint. Jener bildet das weihrauch-
und blumenspendende Publikum, wobei nicht selten
die Kritik mittel alterUche Ritterlichkeit übt.
(Schluss folgt.)
Kritische Rückschau
über Konsert und Oper.
Von
Dr. Karl Storck.
Gegen Schluss der Konzertsaison häufen sich
noch die Veranstaltungen grösseren Stils, denen
sich der Kritiker umso eher widmen kann, als die
noch auftretenden, bislang unbekannten Solisten
in der Regel keinen Grund für ihr verfrühtes Auf-
treten haben, als ihr unbezwingbares Herz. Das
aber ist im Frühling in Deutschland ein so ge-
wöhnlicher Artikel, dass man davon kein Auf-
hebens zu machen braucht. Auch in des Kritikers
Brost schlägt das Herze frühlingshoft. Er erlaubt
8ich etliche Variationen und summt auf seiner
Kilometerhetze zwischen Bechstein-, Beethovensaal
nnd Singakademie: „Nun muss sich alles, alles
wenden" — „das Singen muss nun enden." Es
iBt eigentlich eine Schande, dass man als Musiker
mit solchen Gefühlen das Ende der Konzertsaison
kommen sieht. Aber man tut es auch nur, weil
man Musiker ist. Dass es einmal Allegro con
fuoco geht, da bin ich immer dabei, und auch das
Vivace ist mir lieb. Dazwischen aber gehört sich ein
sinniges Andante, ein versonnenes Adagio, ein be-
hagliches Scherzo. Und alles zusammen verlangt
als selbstverständliche Zugabe — was verwunder-
licherweise auch grosse Komponisten noch be-
sonders bemerken zu müssen glaubten — viel Em-
pfindung. Was uns aber im Winter zugemutet
wird, das ist Konzertsport, Musikfezerei. Dieses
Zuviel stört die Harmonie, ~ und das sollte Musik
sein? Nein, und abermals nein!
Doch ich gerate schon wieder ins Schelten
— 118 —
und dabei bin ich der friedfertigste und glück-
lichste Mensch, wenn ich etwas Gates zu hören
bekomme. Und in den letzten Ta^en habe ich
viel G-ntes gehört. In der Singakademie sangen
sie HändeTs „Jadas Makkabäos**. Es gibt Leute,
die immer davon reden, wieviel bei Händel ver-
altet sei. Die Leute sind sicher selber alt, sonst
müssten sie spüren, welch' quellende Jugend in
der Heldennatur dieses Mannes steckt. Grewiss
hie und da lugt ein altmodisch Zöpflein heraus ,
ich muss immer daran denken, dass auch der junge
Goethe einen Zopf trug. Aber der hing nach
aussen; heu*e wachsen sie verflixt früh nach innen;
oder der Haarwuchs ist so kindlich karg, dass es
zu keinem Zöpflein reicht. Was beim glänzenden
Weltmann Händel und seiner wunderbaren rein-
deutschen Ergänzung Bach veraltet ist, sind
äussere Formen Schnörkel, so wie die Orthographie
bei Gt>ethe oder Lessing veraltet ist. Tretet den
beiden jung entgegen, singt sie jung — und Ihr
findet in ihnen noch heute Führer zu frohen
Taten. Die Singakademie tat nach diesem G^heiss.
Die Chöre klangen herrlich. Von den Solisten
war Messchaert über alles Lob vortrefflich. Herrn
Sommer*s Judas Makkabäus aber war ein weh-
leidiger Held. Händel war kein Historiker. Er
hat diesen Judas aus dem Semitischen ins Germa-
nische, also ins Siegfriedhafte übersetzt. Wenig
Freude bereiteten auch die Damen. Mit den
Solistenquartetten in den Oratorien hat es über-
haupt seine Not. Es müssten sich etliche tüchtige
Sänger zu einem Soloquartett zusammenschliessen.
Das wäre künstlerisch ein Gewinn, und der prak-
tische würde für die Unternehmer nicht aus-
bleiben. In allen Oratofienaufführungen dieses
Winters standen die Solistenleistungen hinter denen
der Chöre zurück, also die Darbietungen von Be-
rufsküDstlem hinter denen der Dilettanten. Das
ist doch ein unwürdiger Zustand.
Es traf auch für die Aufführung der „Missa
solemnis* durch den Ster naschen Gesang-
verein zu, obwohl hier auch die Chorleistung nicht
auf der Höhe jener der Singakademie oder des
philharmonischen Chores stand. Das liegt nicht am
Stimmmaterial, sondern am Dirigenten. Ich weiss,
dass Professor G er ns he im vielfach als bedeutender
Musiker geschätzt wird. Dass er als Komponist
ein sicherer Könner ist, anerkenne ich gern, ob-
wohl ich nichts von ihm kenne, was über Epi-
gonentum hinausreicht. Als Chorleiter ist er aber
kein hervorragender Könner, sonst würde er mit
dem ihm zur Verfügung stehenden Material mehr
erreichen. Ich möchte, der philharmonische
Chor nähme sich der Beethoven'schen „Fest-
messe"* an. Auf das tiefste Religiöse in ihrmüsste
man auch dann verzichten, aber man bekäme
wenigstens das Musikalische ganz. — Die
Matthäus - Passion habe ich mir in diesem
Jahre nicht in der Singakademie, deren regelmässige
Darbiotnng sie ist, angehört, sondern in einer
.Volksauffühiung**, die in der Philharmonie bei
einem Eintrittspreis von 40 Pfennigen stattfand.
Ich habe diesen Tausch nicht bedauert. Nicht
dass ich die beiden Aufführungen mit einander
vergleichen wollte; das wäre bei der jeden Ver-
gleich ausschliessenden Verschiedenheit der beider-
seitigen Mittel lächerlich. Aber es bestätigte sich
mir hier von neuem, dass Johann Sebastian Bach
ein viel zu erfahrener Praktiker war, um die Auf-
führungsmöglichkeit seiner Werke so schwer zu
machen, wie häuflg behauptet wird. Es wird von
allen Ausführenden völlige Hingabe und eiserner
Fleiss, aber nicht ein an sich sehr grosses Mass
von Können verlangt. J. S. Bach's Chorwerke
wären, wenn sich der nötige Idealismus in Lieb-
haberkreisen fände, auch heute noch in kleineren
Verhältnissen aufführbar. Ich verstehe nicht, dass
der evangelische Klerus nicht alle Kräfte aufbietet,
um zu erreicl^en, dass Bach wieder in der Kirche
heimisch wird. Hier gehört er hin, weniger in
den Konzertsaal. Die Matthäuspassion würde auch
in einer Kirche noch viel heiliger und ergreifender
wirken. Die Kirche bietet in geistiger Hinsicht
die Wohltat des unsichtbaren Orchesters, „des ver-
dunkelten Konzertsa'als" , und wie die Wünsche
alle heissen, insofern alles Persönliche hinter dem
Werke verschwindet.
Nun, auch so wirkt das erhabene Weik bis
ins Tiefste. Richard Wagner hat sehr bittere
Worte über das Oratorium als Kunstgattung gesagt.
Zu Unrecht, wie ich glaube. Jedenfalls für die
Passionsgeschichte ist es die einzige vollwertige
Form: Drama im epischen Rahmen; dabei Gottes-
dienst und religiöse Willensübung. Die erhabensten
Geschehnisse wirken gewaltiger, wenn man sie
mit dem geistigen Auge schaut, als wenn die
leiblichen Augen sie in einer notwendigerweise
unzulänglichen Nachgestaltung sehen müssen.
Für die Aufführung in der Philharmonie fühle
ich tiefen Dank, umsomehr, als hier die Opfer-
willig)ceit zahlreicher Kräfte Tausenden einen
feiertäglichen Genuss vermittelte, deren Leben sonst
fast eitel Werktag ist. Der Dank gebührt in erster
Reihe dem Dirigenten C. Mengewein, in dem
jenes heilige Feuer echter Kunstbegeisterung glüht,
das die Priesterweihe im Tempel der Kunst ver-
leiht. Was er mit immerhin beschränkten Kräften
erreichte, war herrlich. Aber alle Mitwirkenden
gaben ihr bestes. Der Chor war mit Feuereifer
bei der Sache, ausgezeichnet hielt sich das
Orchester, das verstärkte Schülerorchester des
Brandenburg'schen Konservatoriums unter
Leitung seines Direktors Bruno Kittel, ebenso
erfüllten auch die Solisten alle billigen Ansprüche.
Und nun die Aufnahme des Werkes? Ich will
gern gestehen, dass bei mir, als ich mich für diese
„Volksaufführung^^ entschied, die Absicht mit-
wirkte, einmal zu sehen, wie das „Volk" sich
ge^^enüber einem solchen Werke verhalte. Ich bin
nicht zu dieser Beobachtung gekommen. Dieses
— 119
Wunderwerk ffihrt einen in's Tiefste des eigenen
Seins, so dass man nichts mehr um sich sieht.
Aber es geschah nichts, was einem dieses Sich-
yersenken erschwerte. Sicherlich war also Alles
voll hehrer Andacht. —
Welch' andere, j&mmerlich kleine Massstäbe
man dagegen an Männerchorliteratar legen mnss,
das wurde mir wieder so recht in einem Konzert
der Berliner Liedertafel bewnsst. Franz
Schnbert'B Chor „Der Entfernten'* ist prächtig,
dafür ist er aber anch von genialer Einfachheit.
Aber danach kam Josef Brambach's „Es mnss
doch Frühling werden". Ja, ich kann mir nicht
helfen, ich moss bei solchen Chören immer an den
Frosch denken, der sich so mächtig aufblies, ^ass
er platzte. Da soll nnn so etwas wie eine grosse
Form herauskommen, und es wird Grosstuerei. Die
Deklamation des Gedichtes ist eigentlich strafbar
schlecht, der musikalische Gehalt gleich Null. Das
wird nicht besser, wenn mau eine solche Kom-
position zweimal hören muss. Friedrich Hegar's
„Weihe des Liedes*' steht Ja viel höher. Aber wie
muss anch hier der Komponist dehnen, strecken,
wiederholen, um scheinbar einen „grossen Stil'*
za erreichen. Scheinbar, denn die Anwendung
grosser Stilformen auf kleine Dinge ist Stillosig-
keit, wie man bei Architekturwerken alle Tage
sehen kann. Ich hatte danach genug und floh.
Und zwar aus Aerger, dass so viel Fleiss und so
Tiele gute Kräfte an einen minderwertigen Zweck
Yerschwendet werden, während es um die unend-
lich reichere und künstlerische Pflege des ge-
mischten Chorgesanges recht schwach bestellt ist.
Die wundervollen kirchlichen und weltlichen
a capella-Chorsätze des 16. und 17. Jahrhunderts
bekommt man gamicht zu hören. Volkslieder
wirken unvergleichlich kfinstlerischer im ge-
mischten Chor, sintemalen ja auch die Frauen zum
Volk gehören.
Sodana fand das letzte der philharmoni-
schen Konzerte unter ^ikisch statt. Ich muss
mich immer wieder wundern, dass unsere so effekt-
vollen Dirigenten sich so oft Effekte entgehen
lassen, wenn diese dem Kunstwerk nicht aufge-
pfropft, sondern eingewachsen sind. Die feinste
Wirkung von HändeTs „Concerto grosso" beruht
darin, dass der grosse Orchesterkörper mit
„Grosso" -Wirkung dem intimen Verband der So-
listen gegenübersteht. Geht man, wie es hier der
Fall war, auf diese Teilung des Instrumentalkörpers
nicht ein, so beraubt man das Werk seines Cha-
rakters. Solistisch stand das Konzert im Zeichen
Engen d'Albert's. Was das heissen will, zeigte
die Aufführung des Liszt 'sehen „Es-dur- Kon-
zertes", die alle anderen solistischen Darbietungen
in diesen Konzerten in den Schatten stellte. Liszt
ist eine Improvisator ische Natur, der einer nur
gerecht werden kann, der im Augenblick der
Nachschöpfung selber Schöpferwonnen geniesst.
Der TJrschÖpfer d' Albert kam mit vier „Orchester-
liedem" zu Gehör, die seine Gattin mit Hingabe
sang. Da sie bedeutende Kräfte einzusetzen hat,
heisst das eine schöne Leistung. Ich bin kein
Freund von Orchesterliedem; aber von d' Albert's
schöpferischer Veranlagnng haben mich auch diese
Lieder wieder völlig überzeugt. D' Albert ist ein
so hervorragender Könner, dass er hie und da dem
Künstler fast gefährlich wird. Da er alles kann,
versucht er alles, auch das, was den Versuch nicht
lohnt. Bei den zwei Dichtungen Fritz Rassow's,
„Wie wir die Natur erleben" und „Lebensschlitten"
trifft das zu. Dass es d' Albert gelang, aus der
reichlich verstandesnüchtemen ersten Idylle etwas
zu machen, das fast wie ein Märchen klang, will
viel heissen. Dass er der Verlockung zur Detail-
schilderung zu Gunsten einer breiten Stimmnngs-
malerei widerstand, bezeugt aufs neue seine gross-
zügige Natur. Am überzeugendsten offenbarte
sich diese in der „mittelalterlichen Venushymne",
die, voll eines gewaltigen Rhythmus, der eben da-
durch, dass seine Wildheit noch gerade gebändigt
ist, etwas Berauschendes hat. Ein „Wiegenlied"
mit Orchester wirkt auf mein Gefühl umsomehr
als innerer Widerspruch, je echter die Intimität
dieses Wiegenliedes ist. Und was Liliencron
seinem Wölflein gesungen, ist ein Prachtstück.
Hier sehnte ich mich nach dem schlichten Klang
des Klaviers. Zwei Tage darauf gestaltete das
philharmonische Orchester sein volkstümliches
Symphoniekonzert zu einem d'Albertabend.
Josö Vianna da Motta, der sich in diesem
Winter tmbedingt in die allererste Keihe der
Klavierspieler gestellt hat, trug dabei d* Albert's
wuchtiges und echt leidenschaftliches „Klavier-
konzert" vor. Instrumentalsätze aus d 'Albert's
Opern und Liedern ergänzten das Programm, das
unter d'Albert's feuriger Leitung eine treffliche
Ausführung fand.
Die Philharmoniker machten überhaupt aus
der Not ihres Kapellmeister -Interregnums eine
Tugend und luden zu ihren volkstümlichen Kon-
zerten bedeutende Dirigenten ein. Der Saal war
allemal in beängstigender Weise besetzt. Unser
Hofkapellmeister £d. v. Strauss bewährte sich
das eine Mal als sicherer Dirigent. Goldmarck's
„ländliche Symphonie", die er zur Aufführung
brachte, ist eine recht bescheidene Suite. Wenn
Beethoven für seine Pastoral-Symphonie die An-
weisung gab, „mehr Ausdruck als Malerei", so
muss man für Goldmarck den Satz umkehren.
Alles bleibt äusserlich. Zuletzt dirigierte Siegfried
Wagner eines der Konzerte. Als Neuheit brachte
er die Ouvertüre zu „Kobold"; ich möchte erst das
tatsächliche Erscheinen dieses Geistes erwarten,
bevor ich ein Uiteil abgebe. Als Dirigent zeigt
Siegfried Wagner zweifellos den tüchtigen
Musiker, ohne in die Beihe der ersten Orchester-
leiter aufzurücken. Dass man Jedes Auftreten
Siegfiied'e zu einem Fest gestaltet, ist ja ein
hübsches Zeugnis für die Anhänglichkeit der
120 —
Wagnergemeinde ; für den Komponisten aber
geradezu ein Unglück. Ich habe schon wiederholt
ausgeführt, dass ich in Siegfried Wagner als Kom-
ponist ein bedeutendes Talent für die komische
Oper schätze. Ihm tnt am meisten Selbstkritik
not ; das zeigt das üppige ins Kraatschiessen seiner
Texte, die alle einen guten Kern haben. Wie soll
er aber den Weg zu dieser Selbstkritik findeni
wenn er auf der einen Seite eine kindische Ver-
himmelnng, auf der anderen eine bei ihrer Billig-
keit doppelt flegelhafte Verspottung erfährt!
£inen Kompositionsabend veranstaltete auch
Hermann Zilcher. Der erst 22 Jahre alte
Musiker hat sich als feinsinniger Ellavierbegleiter
bereits einen angesehenen Namen gemacht; man
muss sich diesen auch für die Komposition merken.
Denn hier spricht unverkennbar ein starkes
Talent. Die „Symphonie** A-dur lässt wohl noch
die grosse logische Entwicklung vermissen,
aber sie ist voller Musik. Dass das Orchester
noch mehr als kompakte Masse, denn als eine Ver-
einigung von Individuen behandelt wird, liegt wohl
an der Grösse der Form. Denn in kleinerem Rahmen
zeigt der Komponist eine beachtenswerte Fähigkeit
polyphoner Stimmführung. Rhythmisches Gefühl
und echte Leidenschaft sind ihm eigen. So darf
man also hoffen. Bereits Erfüllung sind etliche
kleinere Sätze in. der „Suite für zwei Violinen*^ mit
Orchester, ebenso das ernst angelegte „H-moli-
KoDzert^' für Violine. Der beiden Kompositionen
hatte sich das tre! fliehe Künstlerpaar Alexander
und Lilli Petschnikoff mit bestem Gelingen
angenommen. Die ausgezeichnete Altistin Julia Culp
— unter den jüngeren die beste — sang fünf
Lieder mit Klavier und einen grösseren Gesang
mit Orchester, die den günstigen Gesamteindruck
nur verstärkten. AIpo der Kritiker schweige, der
Kunstfreund hoffe, und es ist der letztere, der
dem Komponisten den Rat gibt, nicht zu schnell
zu arbeiten.
Ueber den Kompositionsabend des Herrn
Dr. Johannes Merkel spreche ich nicht, weil es
mir peinlich ist, wo ich so guten Willen und auch
ehrliches Können sehe, von einem künstlerischen
Misslingen zu berichten. Auch Siegfried Salomon
hat als Komponist nichts zu bedeuten. Einige
Liederchen gelingen ihm, aber infolge eines ge-
schickten Anpassungsvermögens, nicht etwa weil
er Eigenes zu geben hätte. Wertvoller waren dar
gegen drei Lieder des Sängers Felix Lederer-
Pr in a. Die feine, ernste und warmherzige Künstler-
natur, die ihn als Sänger auszeichnet, liegt auch
in den Kompositionen, denen nur etwas mehr
rhythmisches Feuer zu wünschen wära Es brancht
nicht zu lodern, es kann auch unter der A8che
glimmen; aber brennen muss es, Wärme allein tot
es nie.
Edwin Arthur Kraft, ein junger Amerikaner,
Schüler des bekannten Orgelmeisters Franz
Grunicke, gab in der Lutherkirche ein Konzert
zum Besten der Gemeinde. Er spielte u. A.
HändePs „d-moll-Konzert" und die Phantasie über
„Ein* feste Burg ist unser Gott** von Max Regler.
Der geniale Münchener Komponist wandelt in
dieser Phantasie auf Bach'schen Pfaden, es ist, als
hörte man den Altmeister J. S. Bach, dem es ver-
gönnt war, noch weitere kontrapunktische Probleme
zu lösen und sie im modernen harmonischen Sinne
auszugestalten. So stellt sich Reger's Phantasie
dar; er würde seine Freude an der Interpretation
seines Werkes durch den jungen Orgelkünstler
gehabt haben.
Eine ebenso beachtenswerte Nummer des
Programms war eine zweite Komposition Max
Reger's, auch im modernen' Bach'schen Stile
gehalten: „Adagio" aus einer Sonate für Violine
allein. Der Satz fand eine ausgezeichnete Wieder-
gabe durch Herrn Julius Ruth ström, einem
talentvollen Schüler Joachim's.
Frau Elsa Schmidt sang in ansprechender
Weise das „Jesuslied" von E. Hildach und
„Abendlied" von H. Reimann; Herr Carl
Gamelin (Posaune) steuerte zum Gelingen des
Konzerts zwei mit schönem weichem Tone vor-
getragene Sätze von Mozart und Lassen bei.
E. Smimann-Kdley.
In der „Deutschen Gesellschaft für Kunst and
Wissenschaft*^ zu Posen wurde durch die „Ab-
teilxmg für Musik", Hennig'scher Gesang-
verein, die Saison am 29. März durch ein aas-
erlesenes Konzert beschlossen. Auf dem Pro-
gramm stand: „Schicksalslied" für Chor and
Orchester von Brahms, Einleitung zu „Tristan
und Isolde" von Wagner, „Neunte Sinfonie" von
Beethoven. Die Leitung des Ganzen führte Prof .
C. R. Hennig, Solisten waren die Damen Collin
und Weinbaum, die Herren Weiss und Brieger,
das Orchester in einer Stärke von 60 Mann setzte
sich aus doitigen Militärkapellen und Kunst-
freunden zusammen. Die Ausftlhrung der Werke
gelang vorzüglich und Prof. Hennig erntete den
lebhaftesten Beifall seitens des zahlreich er-
schienenen Publikums. H. S.
Mitteilungen
von Hoohsohulen und Konseryatorien*
Ein Erlass des französiscben Unterrichts- des Konservatoriums hat ziemliche Aufregung und Be-
ministers bezüglich der Aufnahme weiblicher stürzung unter den Kunstjüngerinnen hervorgerufen.
Studierender in die Klassen der Streichinstrumente Es wird berichtet: „Die Verfügung bestimmt, dass
121 —
forUn in Jeder Klasse für Streichinstnuuente nur vier
Scbülerixmen zuzulassen seien. Pie Gründe ffir
diese Aendenmg des Beglements, das bisher im
freien Wettbewerb allen, die ihre Tüchtigkeit nach-
weisen konnten, einen Platz im Konservatoriom
gewährte, sind mannigfaltiger Art. Man gibt zwar
zo, dass die weiblichen Mnsikbeflissenen oft Besseres
leisten, als ihre m&nnlichen Mitbewerber, weil sie
fleissiger sind, aber im Interesse der KnDSt sei es
dennoch geboten, ihre Zahl einzuschränken, da das
Eonservatorinm in der Hauptsache den Ersatz für
die grossen Orchester heranbildet, in die mit sehr
geringen Ausnahmen bis jetzt nur Männer ein-
gestellt werden. Tür die Trauen sei dagegen die
mosikalische Ausbildung nie Lebenszweck, weil sie
sich gewöhnlich verheiraten und dann der Kunst
verloren gehen, während die Männer, die das
Konservatorium besuchen, Beruf und Erwerb aus
der Musik machen. Einstweilen wird nun freilich
niemand durch die Neuerung geschädigt; denn sie
bedeutet einen Zuwachs von fünf zu der Zahl der
Schülerinnen, die gegenwärtig in den verschiedenen
Klassen für Streichinstrumente ihre Studien
machen. Die vier Instrumente: Bratsche, Violine
Cello und Kontrabass, sind auf sieben Klassen ver-
teilt, die mithin 28 Kandidatinnen aufnehmen
könnten, heute deren aber nur 23 zählen. Den
Eintritt in die Klasse des Kontrabasses hat bis
jetzt noch keine Frau verlangt.
Das Breslauer Konservatorium für
Musik, Direktor Willy Pieper, hat zum
1. April Hm. Musikdirektor FerdinandSchaub
als Lehrer für Klavier- und Orgelspiel, Theorie und
Komposition verpflichtet. Eine kürzlich von dem
Konservatorium veranstaltete Schul eraufführung
gab Gelegenheit, den Ernst und die Gründlichkeit
kennen zu lernen, mit der an der Anstalt unter-
richtet wird, das sehr geschmackvolle und reich-
haltige Programm wurde fast durchweg technisch
und masikalisch lobenswert ausgeführt und brachte
dem Direktor wohlverdiente Ehrungen.
Das diesjährige (24.) Konzert des Paul
Plaschke*schen M usik Institutes zu
Halle erzielte einen sehr erfreulichen Erfolg.
Im Gegensatz zu den Konzerten früherer Jahre
führte der Direktor diesmal auch einige jüngere
Schüler vor, deren Vorträge Zeugnis von vielem
Fleiss und zielbewusster Leitung ablegten. Unter
den Vorträgen der reiferen Schüler sind M o z a r t *s
„Andante für 2 Klaviere^S „Bondo G-dur" von
Beethoven, Chopin's Cis-moU-Polonaise^
und „Nocturne" Fis-dur, mehrere Violinsätze und
Duette von Rubinstein und Schumann als
besonders gelungen hervorzuheben. Die sämtlichen
Klavierbegleitungen wurden von Frau Direktor
Plaschke in feinsinniger Weise ausgeführt.
Die Wilk'sche Musikschule zu
Stralsund, Direktor Organist Wilk, veran-
staltete mit ihren vorgeschrittenen Eleven am
23. März eine musikalische Aufführung. Das reich-
haltige, ans 18 Nummern bestehende Programm
zeigt eine geschmackvolle Zusammensetzung aus
unserer besten klassischen und modernen Literatur,
die Tagespresse rühmt die solide Technik und die
verständnisvolle Wiedergabe aller vorgetragenen
Stücke, die einen erfreulichen Einblick in das
ernste Streben des leitenden Direktors gewährten.
Die Oster - Prüfungen der Frankfurter
Musikschule, Leiterin Frl Sophie Henkel,
fanden in 6 Aufführungen in der Zeit vom 23.
bis 29. März statt.. Ein näherer Bericht folgt später.
Vermischte Nachrichten.
Der Nachricht von der Erkrankung Kapell-
meisters Josef Rebicek folgte sehr schnell die
Traaerkunde seines Ablebens und rief allgemeine
Teilnahme und Bestürzung hervor. Eine Lungen-
entzündung war zu dem rheumatischen Leiden
hinzugetreten, und ihr konnte der geschwächte
Körper nicht stand halten. Josef Rebicek hatte
am 7. Februar erst sein 60. Jahr vollendet, er war
jung in die Künstlerlaufbahn hineingekommen und
verdankte dem Prag er Konservatorium seine
musikalische Ausbildung. Durch Franz Liszt
erhielt er mit 18 Jahren die erste Geigerstelle in
der Weimarer Hof kapelle. Nachdem er in gleicher
Eigenschaft in Prag und Wiesbaden gewirkt, in
Warschau und Budapest als Dirigent tätig
gewesen, übernahm er 1897 die Leitung unseres
Philharmonischen Orchesters und wurde rasch eine
der beliebtesten und populärsten Künstlergestalten
Berlin's. Sein Tod reisst eine schwer auszufüllende
Lücke. Wie gross die allgemeine Trauer, bewies
die Beisetzung seiner Leiche von der Kapelle des
Dorotheenstädtischen Kirchhofes. Alle hiesigen
grossen musikalischen Körperschaften hatten Ab-
ordnungen mit kostbaren Kranzspenden gesandt;
Pfarrer Vogel hielt die (Gedächtnisrede.
Professor Karl Udel, der Schöpfer des be-
kannten Udel-Quartetts, war vor kurzem auf einer
Konzertreise von einer so schweren Augenerkrankung
befallen, dass er seine Heise unterbrechen und
nach Wien zurückkehren musste. Die Erkrankung
Professor Uders hat nunmehr leider zu völliger
Erblindung geführt — eine Tatsache, die gewiss
bei allen Freunden üdePs die schmerzlichste Teil-
nahme hervorrufen wird.
Prof. Hermann Kretzschmar, der Leipziger
Musikgelehrte, ist für die neugeschaffene Professur
der Musikwissenschaft an der Berliner
Universität ausersehen. Das preussische Kultus-
ministerium hat ihm den neuen Lehrstuhl an-
geboten und es ist der lebhafte Wunsch vorhanden,
— 122 —
dass Kretzschmar dem Kufe Folge leistet. Eine
ausführliche Biographie mit Bild des verdienst-
vollen Gelehrten brachte der ,K1.-L." in den
Nmnmem 20 und 21 des vorigen Jahrganges.
Der preossische Hofkapellmeister Felix
Wein gart ner, Edler von Mtinzberg, ist laut amt-
licher Bekanntmachung der bayerischen Regierung
in erblicher Weise in die bayerische Adels-
matrikel eingetragen.
Die aus dem Jahre 1821 stammende Oper von
Ferdinand Paer „Der Herr Kapellmeister" er-
zielte im Frankfurter Opernhaus einen vor-
züglichen Erfolg. Die .Frankfurter N. N."
schreiben: Mit der Ausgrabung dieser Oper hat
Dr. Wilhelm Kleefeld einen wirklich glück-
lichen Griff getan. Damit ist gesagt, dass wir in
diesem Werk eine Bereicherung unserer recht
dürftigen Opernliteratur im komischen Genre
kennen lernten, und wir zweifeln nicht daran, dass
der „Kapellmeister" von hier aus seinen Weg
über alle ersten deutschen Opernbühnen
nehmen wird.
Nach einer Meldung wird Leoneaval lo im
Mai dem Kaiser seine Oper „Der Boland von
Berlin" überreichen, die er bekanntlich auf die
Anregung Kaiser Wilhelm's II. geschrieben hat.
Oberregisseur Dröscher hat das Werk übersetzt
und für die Bühne beaibeitet. Die Oper soll Ende
Oktober im königlichen Opernhaus zum ersten Mal
aufgeführt werden.
In Wien hat sich unter der Präsidentschaft
der Prinzessin Bosa Croy-Sternbergein „Johann
Strauss-Denkmal-Komitee" gebildet, das sich die
Aufgabe gestellt hat, Johann Strauss Sohn in
seiner Vaterstadt Wien ein seiner Bedeutung
würdiges Denkmal zu setzen. Dem Exekutiv-
Komitee gehören u. a. an: Alfred Grünfeld,
Brchard Heuberger, Max Kalbeck, Bichard
V. Perger, in dem Komitee sind unter vielen
Namen vertreten: Prof. Guido Adler, Ignaz
Brüll, Anton Door, Karl Goldmarck,
Hermann Gradener und viele andere aus Wien;
Berlin ist u. A. durch Prof. Siegfried Oche und
Prof. Dr. H. Beimann vertreten; die weitere Liste
bringt aus einigen 30 Städten des In- und Aus-
landes hervorragende musikalische Namen. Alle
Korrespondenzen und Geldsendungen sind an das
1, Johann Strauss- Denkmal -Komitee", Wien I,
Giselastr. 12, erbeten.
Der Biedel-Verein zu Leipzig feiert im
Mai dieses Jahres sein 50 jähriges Jubiläum.
Für die Feier ist folgendes Proi^ramm festgesetzt:
Sonntag, den 8. Mai, vormittags 11 Uhr, Fest-
Aktus im grossen Festsaal des Centraltheaters.
Abends T'/a Dhr: a capella- Konzert in der
Thomaskirche, u. a. Werke von Hassler, Schulz,
Bach, Brahms, Draeseke. Montag, den
9. Mai, abends 6 Uhr: Christus von Franz
Liszt. Orchester: das Theater- und Gewandhaus-
orchester. Nach der Aufführung Beisammensein
im Festsaale des Centraltheaters.
Heft 17 der „Mitteilungen" für die Mozart-
Gemeinde in Berlin enthält den Hauptartikel
„Aus Mozart's Liebesleben", nach seinen Briefen
zusammengestellt von Budolph Genöe. Dem
Verfasser lagen 4 Origin albriefe Mozart's an seine
Cousine in Aagsburg, das „Bäsle", vor, die von
Jahn und Nohl bisher nur in Auszügen, und zwar
nach Abschriften, mitgeteilt waren. Die Briefe
werden hier allerdings auch wieder nur im Auszug
mitgeteilt, weil manche Derbheiten und kindische
Albernheiten die völlige Wiedergabe nicht zulassen.
In Fernerem wird das bekannte Verhältnis Mozart's
zu Aloysia Weber geschildert, schliesslich noch
einige Briefe an seine Gattin Constanze mitge-
teilt. — Den Beschluss bildet ein kurzer Artikel
„Constanze Weber in Berlin", 1796, dem das Pro-
gramm des Konzertes beigefügt ist, welches Con-
stanze hier mit Erlaubnis des Königs zur Ver-
besserung ihrer pekuniären Lage veranstaltete.
Friedrich Wilhelm IL hatte ihr zu dem Zweck
das Opernhaus überlassen und die hervorragendsten
Sänger und Musiker zu ihrer Verfügung gestellt.
Es wurden vorzugsweise Bruchstücke aus Mozart's
letzter Oper „La Clemenza di Tito" aufgeführt.
Constanze Mozart trat selbst als Sängerin darin auf.
Bücher und Musikalien.
Hogo Rleiiiauu rSystem dermusikalischen
Rhythmik und Metri k".
Breithopf k Uirtel, Leiptif.
Des Verfassers Schrift weicht insofern von
ähnlichen Bearbeitungen: Westphal,Haupt-
mann/Saran, Carpe und des Verf. eigene
frühere Arbeiten ab, als er die bisher geübten
Beziehungen des musikalischen Rhythmus zur
poetischen Metrik gänzlich verwirft, dagegen
„eine der Aufnahme eines mannigfaltigen Inhalts
fähigen normalen Zählzeit'', also das Motiv
als Ausgangspunkt annimmt. Dieses Novum ist
ebenso unternehmend wie gefährlich, da die
Motiverkenntnis und Phrasierungslehre noch ver-
hältnismässig junge Errungenschaften der Musik-
entwickelung und Musikwissenschaft bilden, deren
Grenzen und Anschauungen zur Aufstellung von
Gesetzen nicht genug gefestigt erscheinen.
Riemann geht aber dabei so gründlich, ernst und
überzeugend zu Werke, dass selbst bei der ab-
fälligsten Kritik das Gute: Klarheit in das wirre
Dickicht der Rhythmusanschauungen gebracht zu
haben, nicht abgeleugnet werden kann. Es ist
nur schade, dass der Verf. seine alten Fehler —
in jedem neuen Werke neue Nomenklaturen und
eine das Verständnis erschwerende akademische
— 123 —
Aosdnicks weise — sich nicht abgewöhnen kann.
Der Masikfreimd geht deshalb stets zagend an
das Stadium Riemann'scher Schriften zum Schaden
für die Lernenden und die Verlier. Der mosik-
wissenschaftlich Gebildete Jedoch wird auch bei
dieser Neoschöpfnng mit Stannen und Bewunderung
den geistvollen Analysen und Schlüssen folgen,
mag er auch an einzelnen Neuregeln Anstoss
nehmen. In diesem Sinne studiere man das Werk,
denn wir haben alle die Pflicht, die musikalischen
Bahnbrecher zum mindesten verstehen zu lernen,
selbst wenn wir ihnen nicht folgen wollen.
Lvdwig Riemann.
Ernst TOB Dohnänyi. Op. 7. „Quartett* (Ä-dur)
für 2 Violinen. Viola und Violon-
cello. Für Pianoforte bearbeitet
von J. Brandts Buys.
Ladwly Dobllmger, Wien.
In dem vorliegenden A-dur - Streichquartette,
op. 7, ist ein unbedingter Portschritt gegen Ernst
Ton Bohnänyi's früher erschienenen Kompositionen
ZQ erkennen. Die Erfindung der Themen ist
interesssmt, die musikalische Arbeit anziehend und
von reichen Kenntnissen zeugend, der Satz klar
und den Streichinstrumenten nach jeder Seite hin
trefflich angepasst. Gleich der erste Satz, Allegro
^4, ist von schöner gemütvoller Stimmung erfüllt
nnd von jener Einfachheit und üngesuchtheit des
mnslkalischen Ausdrucks, die stets angenehm be-
rahren und vom Vorhandensein eines gesunden
prodaktiven Talents Zeugnis geben. Allerliebst
finde ich den folgenden Satz, AUegretto grazioso,
welcher mit seinem verschleierten Cis-moll in
lebendigem GregODsatze zu den übrigen Teilen des
Werkes steht und dessen häufig wiederkehrender
Nebengedanke im klangvollen Des-dur sehr originell
wirkt Vielleicht hat dem Tondichter die Dichtungs-
form der Ghasele vorgeschwebt. Durch ausser-
ordentlich feine und wohlabgewogene Klangeffekte
zeichnet sich das Adagio, As-dur ^j^, Molto adagio
con espressione, aus, wenngleich es nach Seite der
originellen Erfindung seiner Umgebung nicht
TöUig gleichkommt. Dafür mag man ihm rhyth-
mische Vorzüge und eine interessante Verkettung
der vier Stimmen untereinander zu besonderem
Lobe anrechnen. Das Pinale, Vivace, A-moll '/i,
schliesst das Ganze in höchst erfreulicher Weise
ab; auch hier klingen leise nationale Motive musi-
kalisch hinein und ein zweites Thema, Cis-moU,
kontrastiert mit seinen weicheren melodischen
Linien lebhaft gegen die Unruhe und Hast des
ersten. Die Beherrschung des kammermusikalischen
Stils scheint Dohnänyi durchaus eigen zu sein,
alle Instrumente sind in gleicher Weise tätig und
auch im Pinale rundet sich Alles schön ab und
interessiert in allen Teilen. Das in Rede stehende
Streichquartett hat in J. Brandts Buys einen ge-
schickten Bearbeiter gefunden. Der Klavierauszug
für Pianoforte zu vier Händen ist gut und spiel-
bar gearbeitet und lässt besonders auch die mannig-
fach verschlungenen Stimmführungen der Partitur
überall zu vollem Rechte kommen.
Eu^tn Segnitz.
Kahn - Album. Ausgewählte Klavierstücke von
Robert Kahn.
P. E. C. Leuekart, Letptlff.
Aus den zahlreichen Klavierwerken der Kahn'-
schen Schöpfungen ist in dem vorliegenden Bande
eine Blütenlese der beliebtesten zusammengestellt,
die den Freunden seiner Muse ebenso willkommen
sein wird, wie die früher erschienenen beiden
Lieder-Album. Im vorliegenden Klavieraibum sind
vereinigt aus op. 11 No. 1 „Elegie", No. 2 „Idylle",
No. 5 „Capriccio", aus op. 18 No. 3 „Notturno",
No. 5 „Legende", aus op. 29 No. 1 „AUegretto",
No. 4 „Capiiccio", No. 7 , Abendlied". Die Kahn -
sehen Klavierstücke gehören zu den Schöpfungen
unserer Literatur, denen überall ein Zug von Vor-
nehmheit innewohnt; sie zeichnen sich durch ihren
künstlerischen Klaviersatz aus und fesseln durch
sinnige Melodik, interessante Rhythmik und feinen
modulatorischen Reiz. Sie gehören zu den Werken,
welche zur Bildung des Geschmacks bei der heran-
wachsenden musikalischen Generation ein gut Teil
beitragen und trefflich geeignet sind, die noch
immer grassierende seichte Salonliteratur zu ver-
drängen. Es ist feine gediegene Hausmusik für
schon etwas vorgeschrittene Spieler, die musikalisch
zu empfinden gelernt haben. Der hübsche Band
kann warm empfohlen werden.
Anna Morsch.
Melnungs-AustauBcb.
Aus der Praxis«
Lebhaftes Interesse erweckte in mir der Artikel
onter der Rubrik: Meinungsaustausch im Klavier-
Lehrer No. 4, der die Schwierigkeit in der Be-
schaffang des Notenmaterial;) in der Kleinstadt
behandelt. Welche Lehrerin leidet nicht darunter!
Solange ich meinen Wohnort nur eine Stunde
Eisenbahnfahrt von der nächsten grossen Stadt
Hatte, abonnierte ich in der angegebenen Weise,
und da ich die grösseren musikalischen Aufführun-
gen daselbst besuchte, so konnte ich das Wechseln
der Noten oft selbst übernehmen. Seit einigen Jahren
lebe ich jedoch weitab von der grossen Stadt und
habe nachgerade das , Leider nicht vorrätig^ satt.
Ich habe mir daher einen Ausweg gesucht, den
manche Kollegin vielleicht ebenfalls praktisch findet,
leb kaufe mir die Noten, Albums von verschiedenen
oder von einem Komponisten, löse die Heftung
und verteile die einzelnen Blätter unter die
Schülerinnen, welche dieselben vom Buchbinder
ä 10 Pf. in blaues Deckelpapier heften lassen und
auf diese Weise zu einer einheitlichen und billigen
— 124 —
Bibliothek gelangeo. Ans Haberbier^s Poetische
Stadien a 1.50 U, habe ich mir z. £. 8 Hefte ge-
bildet, von denen Jede Seite 2 Ff. kostet. Teilt sich
ein Werk schlecht, Po gebe ich ein Stück, für
welches ich nicht so bald Verwendung finde, preis,
oder wenn ein wertvolles Stück 1—8 B^ihen auf
der vorhergehende Seite beginnt, so schreibe ich
die Reihen ab und lasse den Streifen zuheften.
Die ^oten für Anfänger behalte ich, und die
erste Schülerin mnss die Blätter heften, die zweite
und die nachfolgenden müssen i/^. Vs ^^^^ ^U ^^
Preises geben, je nach der Dicke des Heftes, und
ist es bezahlt, so erhalten die Schülerinnen die
Noten umsonst. Auf diese Weise erziele ich bei
geringen Unkosten einen reichhaltigen üebungs-
stoff. Eine kleine Eapitalsanlage meinerseits er-
heischt dies Verfahren, denn natürlich vergeht
längere Zeit bis alles verteilt ist; aber die Annehm-
lichkeit, stets Noten vorrätig zu haben, schätze ich
höher ein.
Die Etüden lasse ich von der Schülerin an-
schaffen, Jedoch zum Beginn, um dieselbe an meine
Methode zu gewöhnen, und besonders um Lücken
in der Technik zu beseitigen, benutze ich Czemy
op. 821. Die achttaktigen Uebungen, die sich von
der Mittelstufe bis zur Oberstufe erstrecken, können
bequem geteilt werden, bieten eine reiche Auswahl
and den grossen Vorteil, dass sie ihrer Kürze
wegen schneller zu fehlerfreiem Spiele führen, als
die anderen Etüdenwerke.
Was die Fingerübungen betrifft, befindet sich
das ganze Material in meinen Händen, und lasse
ich mir alle neuen Schulen und die techniscUen
Werke zur Ansicht kommen, um eventl. Brauch-
bares sofort zu verwenden. Die Schülerinnen
müssen alle Uebungen auswendig spielen und zu
jeder Stunde in einer andern Tonart üben. Den
Neueingetretenen erleichtere ich die Aufgabe
dadurch, dass ich ihnen die Uebungen in Rubriken
teile, wie: Handgelenk-, ilngergelenkstudien n. s. w.,
und iede Uebung benenne und aufschreibe. Mit
Zuhilfenahme einer allwöchentlichen schriftlichen
Theoriestunde ist in kurzer Zeit das Gedächtnis so
geübt, dass es dieser Nachhilfe nicht mehr bedarf.
Um das rhythmische Empfinden zu stärken, gibt es
bei mir sog. '/i und */i Tage, d. h. alle Uebungen
müssen zu diesem Tage in der betreffenden Takt-
art geübt werden. Um noch grössere Abwechslung
zu schaffen, nehme ich häufig Aenderungen in
der Dynamik und der Anschlagsart vor. Die
Technik ist dadurch gleichsam geistig belebt and
erweckt bei allen Lust und Liebe; einige spielen
sos^ar mit Begeisterung die Fingerübungen, denen
ich stets eine Modulation in kadenzmässiger Form
vorangehen lasse, und neulich hat sich eine 16 jährige
Schülerin so allerliebste Treffübungen erdacht und
für mich aufgeschrieben, dass ich mich recht
gefreut habe.
Zu Weihnachten und zu Geburtstagen lasse ich
Novitäten anschaffen, die mir der .,Klavier-Lehrer"
in reicher Auswahl bringt.. Ja, was würden wir
Lehrerinnen der Kleinstadt ohne unseren „Klavier-
Lehrer^' anfangen! Versauern, — verbauern, zum
mindesten viel Freudigkeit für unsern Beruf ein-
büssen. A. B.
Vereine.
Mnsik-Sektton
des Allg« Deutschen Lehrerinnen-Yereins.
Die Musikgruppe zu Halle veranstaltete am
22. März zum Besten ihrer Unterstützungskasse
einen historischen Musikabend, der Beethoven
gewidmet war. Zum Vortrag kamen: B-dur-Trio
op. 11, Sonate op. 17 für Klavier und Hom. Sonate
op. B3 letzter Satz, Arie aus „Fidelio**, Schottische
und andere Lieder und das „Abendlied*^ welches
die Vorsitzende der Gruppe, Fi*au Prof. Bernstein,
für vierstimmigen Frauenchor gesetzt hatte. Ausser
Mitgliedern der Gruppe wirkten die Herren Hoff-
mann, Kupffer, Bichter und Schwendler
sowie der Lehrerinnengesangverein unter Leitung
von Frau S. Bernstein in dem Konzert mit.
Anzeigen.
Konservatorium der Musik
in Kassel.
Gegr.i89B. Direktion: L Beyer. Gegr. 1895.
EhreilTOrsitx : Beeiemngs-Präsident toh Trott Ba 8«]b,
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Oberbürgermeister Müller n. A.
Cnratorinm: Pfarrer Hmas, Sobuldirektor Prof. Dr. Kram-
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Lehrer : Die Damen : L. Beyer» BlauI-FSfster, KÖnigl. Opem-
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Auszug aus dem
Stellenvermittiungs-Register.
Offene Stellen:
Eine Gntobesitser-FamUie in Pommern sucht eine
nicht mehr jnnge evangelische Klavierlehrerin. Sehr leichte
Stelloiig. Nnr 2 Standen t&gUcb. Spraohkenntnisse er-
wünscht. Vollkommener Familienanschlius.
In einer lebhaften und reichen Stadt Pommerns wäre
die Kiederlassong einer Violinlehrerin sehr erwünscht.
Gesuchte Stellen*.
Eine vorzägliche Ghesangspttdagogin, die sich durch
Bchriftstelleriflohe Arbeiten aaf diesem Qebiete einen Namen
gemsoht hat, sacht Eogagement an einem Konservatoriom.
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lerin von Sutermann, sacht geeigneten Wirkungskreis.
Meldungen sind zu richten an die Centralleitung der
SteUenvermittlong der Musiksektion.
Adresse: Fcaa H. Barghensesy Berlin W., Luitpoldstr. 48.
neutscWanJs Tonkunstlerinnen.
125 biographische SIcizzen aus der Gegenwart.
Von
Anna Morsch.
Da« obige Werk wurde im Auftrage des
Deutschen Frauencom itö's für die Welt-
ausstellung in Chicago verfasst und enthält
die biographischen Skizzen von ca. 126 Tonkünst-
lerinnen: ^omponistinnen, Musikschriftstellerinnen,
Sängerinnen, Virtuosinnen des Klaviers, der Violine
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einer
An einem grossen IConservatoriom ist die Stelle
Gesanglehrerln
demnflcbst unter sehr gflnstigen Bedingungen nen zu
besetzen. Es kommen fflr dieselbe nnr ausgezeichnete
Bfibnensängerinnen in Betracht, welche bereits mit
nachweisbarem Erfolge unterrichtet haben. Gell.
Bewerbungen sind unter H. 1145 an Haasen-
stein & Vogler, A.-G», Frankfart a. M.
einzusenden.
Vertag „Der Klavier-Lehrer'' (&£. Wolff), Berlin W. 50.
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Anna Morsch.
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Berlin W. 50.
Verlag von Preuss & Jflnger (A. Jünger) Breslau.
Der erzieherische Wert der Musil(
von Blisabeth Simon.
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tung eines Useiklelirerlnnenhelais in Bresls« bestimmt.
Namhafte Musiker wie Belaeekey Bhelaberger, Klsuwell u. a.
äussern sich sehr anerkennend über das Werkchen.
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oder durch obigen Verlag.
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(InatmmentationBlehre) — Klariersplel — Coniposttionslehre» 2 Bände — Harmonie-
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sonderen Ausbildung der linken Hand. No. 1. Gavotte (Tonleitern). — No. 2. Barcarole
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No. 5. Jagdlied (Terzengänge. Doppelgriffe). — No. 6. Caprloeio (gebrochene Oktaven) a Mk 1 —
m^g^ Diese Stücke soUen einem TJebelstaDde im Klavier-Unterrioht, der öfteren Vemaohlässigong der linke o Hand,
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No. 10. Walier-Etnde. - No. 11. NoveUette. -- No. 12. Ungarischer Tanz . . . a Mk. 1.-
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Op. UJU Jugendfreund. 6 leichte und melodiöse Charakterstücke (IteLage).
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No. 4. Gavotte. — No. 5. Blne Fabel. — No. 6. Ein Spftsschen ä Mk. 1.—
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Berlin, 1. Mai 1904.
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lahalt: A. Mecklenburg: Hans von Bülow als Musik- und Klavierpädagoge. (Fortsetzung.) Nana Weber-Beil: Beitrag zur
Gesangtreform. (Schluss.) MuaikpAdagogiscber Verband. Mitteilungen von Hochschulen und Konservatorien. Vermischte
Nachrichten. Bücher und Musikalien, besprochen von J. Vianna da Motta und Eugen Segnitz. Vereine. Anzeigen.
als iniisilc- HNa KiavierySaagege.
Von
A. HeeklenbariB:.
(Fortsetzung.)
Das „Wohltemperierte Klavier" von Bach
Teil I u. II war Bülow das willkommenste
Material, mittels dessen er die Kunst des
Phraseologierens veranschaulichte. Bach nahm
neben Beethoven in seiner Wertschätzung der
Klassiker überhaupt den ersten Platz ein;
Bach war ihm das Fundament der Musik,
der „Tripel-Extrakt der Musik". Er ver-
glich Bach resp. das „Wohltemperierte
Klavier** mit dem alten Testament, während
er die „Beethoven*schen Sonaten** dem neuen
Testamente gleichstellte. Das „Wohltempe-
rierte Klavier** enthielt für Bülow den Keim
der gesamten Musikrichtungen, ähnlich wie
er auch die „33 Variationen" Beethoven's über
den Walzer von Diabelli „den Auszug der
gesamten Musik** nannte. „Wenn alle Meister-
werke verloren gingen und das „Wohltempe-
rierte Klavier** bliebe uns erhalten, so könnte
man daraus die ganze Literatur wieder neu
konstruieren ** Kein Wunder, dass für Bülow
das „Wohltemperierte Klavier** Bach's auch
das Vehikel im Unterricht abgab, um mittels
desselben die grundlegenden Formen der
musikalischen Architektonik den Schülern klar
zu machen.
Nicht allein, dass Bülow im Allgemeinen
die für den Aufbau der Fuge in Geltung
stehenden theoretischen Normen an den Fugen
des wohltemperierten Klaviers repetierte; er
lehrte an dem einzelnen Beispiel, wie aus dem
einheitlichen Thema die mannigfachsten
Gestaltungen herauswuchsen, und ebenso, wie
in der Vielheit wieder die Einheit sich zu-
sammenfasse. Wie in der Architektur der
einheitliche Grundgedanke aus der Vielheit der
Arabesken, mochten diese so verschlungen
sein, wie sie wollen, dem geschulten Auge
des Künstlers entgegenblickt, wie in ihr die
Symmetrie, die Analogie der Formen erfreut,
so könne man auch in der flüssig gewordenen
Architektur, der Musik, der gewissenhaften
Hervorhebung alles Analogen nicht entraten.
Einen für das streng phraseologische Denken
erzieherischen Wert schrieb Bülow auch der
Variationenform zu. Beethoven's „C-moll-
Variationen'* insbesondere waren es, die er
häufig im Unterricht zergliedern Hess und an
denen er zeigte, wie aus Keimen, die im
Thema schlummern, sich neue Gebilde ent-
wickeln, die wohl die geistige Verwandtschaft
mit der Urform des Themas nicht verleugnen
130 —
können, aber trotzdem von eigenem, selbst-
ständigem Leben zeugen. Wie die Formenfülle
der Erscheinungswelt aus der einfachsten
Urform resultiert, nichts anders als eine
Variation auf das unerschöpfliche Thema:
„Leben" ist, so liegt auch den verschlungen-
sten Gebilden, deren die Variationenform in
der Musik fähig ist, ein einheitlicher, oft ver-
borgener Urgedanke — nämlich das lebens-
kräftige Thema — zu Grunde. Mit Recht
erblickte Bülow daher in der Variation das
geeignetste Mittel, die Kunstmittel zu lehren,
mit deren Hilfe man aus dem einfachsten
Motiv eine ganze Welt musikalischer neuer
Gedanken aufsteigen lassen kann, die sich
gegenseitig befruchten und in dem Verlauf
der logischen musikalischen Aussprache immer
neue Ideen aus ihrem Schosse gebären. Durch
die Analyse der Variationenform lehrte Bülow
die Unterscheidung des Wesentlichen vom
Unwesentlichen, wie man das im Thema
gegebene Wesentliche in den Umgestaltungen
der Variationen selbst zu wahren hat, — so
war ihm neben der Fuge auch die Va-
riationenform höchst willkommen, das
musikalische Denkvermögen zu schärfen,
und die Phantasie dadurch, dass sie zum
völligen Erschöpfen eines Gedankens an-
gehalten wird, zu vertiefen.
Doch wir kehren wieder zur Stellung
Bülow's zur Bach'schen Fuge zurück. Ist
einmal die Phrasierung des Themas festgelegt,
muss sie während des Verlaufs der ganzen
Fuge streng festgehalten werden, welche
Veränderungen selbst mit dem Thema oder
seiner Umgebung vorgenommen werden,
mag es in der Umkehrung erscheinen oder
ob und wie viel andere Stimmen sich später
noch dazu gesellen. Es muss eben immer
das musikalische Protoplasma, wenn ich so
sagen darf, in seiner Eigenheit durch die ab-
geleiteten Formen hindurchleuchten. Auch
sonst begegnen wir bei Bülow höchst wichtigen
und wertvollen Fingerzeigen für den richtigen
phraseologischen Vortrag der Fugen:
a. ,Der Dux muss immer von einer an-
deren Hand als der comes ausgeführt werden."
b. „Der Eintritt des Themas in einem
polyphonen Satze wird durch diminuendo
in der endenden Stimme kenntlich gemacht."
c. „Die Zwischenspiele (Divertimenti) sind
ohne Aufwand von Pathos efifeklfrei. con-
versationell vorzutragen. Hierfür ist nicht
bloss der äussere Grund massgebend, dass
man die im Affekt erschöpfte Kraft wieder-
herstellt, sondern auch der innere, der aus der
Natur des Kunstwerks selber fliesst: „Ohne
Gegensatz gibt es kein Leben, das gilt wie
für das wirkliche Leben, so auch für die
Kunst; im Zwischenspiel wird die Ruhe und
Besonnenheit dem Affekt gegenübergestellt.**
d. „Fügt es sich, dass eine Note Schluss-
note der vorhergehenden und zugleich An-
fangsnote der folgenden Phrase ist, so erhält sie
als Anfangsnote den Vorzug, wird accentuiert
und vom Vorigen getrennt."
e. „Die Verwendung des rhetorischen
Accentes", den Bülow als den Accent am
Anfang oder im Höhepunkt der Phrase vom
grammatischen als „dem Accent des Metrums"
unterscheidet, „ist eine sehr ausgedehnte, und
der Modus des Gebrauchs derselben gibt zu-
gleich den Massstab für den Stand des Ge-
schmacks und der musikalischen Bildung über-
haupt ab."
f. „Das Fugenthema muss in seiner
innersten Wesenheit und tiefsten Charakter-
eigenschaft aufgefasst und demnach phrasiert
und temporisiert werden. Von der richtigen,
charaktervollen Auffassung des Themas hängt
eben die der ganzen Fuge ab.**
g. „Innerhalb des Fugenthemas, mag es
kurz oder sehr ausgedehnt sein, ist Licht und
Schatten oder Ruhe und Bewegung richtig zu
verteilen. Das Charakteristische erhält in
dynamischer und rhythmischer Beziehung den
Vorzug vor dem Unwesentlichen; z. B.: In
dem Fugenthema E-dur, Teil I, sind die
Noten e und fis charakteristisch; sie erhalten
demnach einen pathetischen Ausdruck, während
die folgenden Sechzehntel mehr „konver-
sationell" zu spielen sind."
i
=i=
i
^33;
^:^-:
/ ^ P
h. „Bei Häufung der Harmonien ist etwas
zu retardieren und sind durch fast unmerklich
angebrachte „Atmung" innerhalb der Phrase
oder auch verständnisvolle Accentuation die
harmonischen und melodischen Schönheiten
zur Geltung zu bringen." —
Nachdem wir so einige der für die Phra-
sierung geltenden, hervorragendsten Bülow-
schen Grundsätze vorgeführt haben, ohne An-
spruch auf Vollständigkeit erheben zu können,
wollen wir noch am Schluss dieses Abschnitts
zwei Beispiele hersetzen, die uns ein an-
schauliches Bild für das Bülow'sche Phra-
sierungsverfahren im Unterricht liefern.
131 —
Wir wählen hierzu zunächst das »Prae-
ludium* F-dur nebst Fuge aus dem zweiten
Teil des wohltemperierten Klavieres.
Da das Praeludium den Charakter eines
Orgelpräludiums trage, verlange seine Wieder-
gabe möglichst viel Tonentfaltung und ein
sehr gebundenes Legato. Die charakteristischen
\'iertel im Tenor in Takt 4 und 5 müssen,
damit sie gegen die übrigen, getragenen Stimmen
hervortreten, staccato wiedergegeben werden.
Hier finden wir die praktische Anwendung
eines der von Bülow für den geschmackvollen
Vortrag von Präludien und Fugen aufgestellten
Theoreme. Der Sopran in Takt 13 und 14
wird in folgender Phrasierung wiedergegeben:
^
N#^
während im Alt die Bindung des f zum
folgenden Takt unterbleibt. Dementsprechend
kann die Phrasierung des Tenors in Takt 17
und 18 nur so ausfallen:
^
^^
letc.^:.
Hier sehen wir das Gesetz der Symmetrie,
dem die korrespondierenden Stimmen unter-
worfen sind, aufs deutlichste gewahrt. Dieses
symmetrische Gesetz gebietet auch den Sopran
des <)9. und 70. Taktes wie folgt zu phrasieren:
^a
^
^
Die Repetitio in Takt 57 nehme man piano,
damit sie gegen das Pathos der vorigen Takte
sich abhebe. Von Takt 70 an spiele man bis
zum Schluss ein anhaltendes Crescendo, um
dann in den flF Schlussakkorden dem Prae-
ludium ein breites und glänzendes Ende zu
schaffen.
Das Thema der „lustigen" Fuge phrasiere
man folgendermassen:
ö
iffi
mf
m
^
Accent auf f recht zum Ausdruck kommt.
Hält man nun in den Wiederholungen des
Dux und des Comes diese Phrasierung fest,
wird unstreitig bei technisch tadelloser Aus-
führung der übermütige, von Fröhlichkeit
überschäumende Charakter der Fuge zur
lebensvollen Darstellung gebracht.
Ein geistreicher Bülow'scher Zug ist auch
der, dass er vor Eintritt des Fugenthemas
„athmen, d. h. etwas absetzen Hess, selbst in
dem Falle, dass das Thema in verkürzter oder
in modifizierter resp. variierter Gestalt zur
Erscheinung kommt. Demgemäss kommt im
Bass Takt 21:
s^^
^
£
nach dem 16tel g ein Athemzeichen.
Das Thema, d. h. die erste Wiederholung
des Comes, liegt hier in nicht ganz reiner
Gestalt vor; der letzte Ausläufer lautet nicht:
i
^
sondern:
0 MV I
und zwar mit Rücksicht auf die folgenden
Figuren.
Ein recht interessantes Vortragsmoment
wird in Takt 9—14 durch starke Accentuation
des 1. Taktteiles — Takt 9, des 2. — Takt 10,
des 1. — Takt 12, und des 2. — Takt 13
hineingebracht, indem auf diese Weise die
Täuschung eines dreiteiligen Taktes hervor-
gerufen wird. Dieses hier zur Anwendung
gebrachte dynamische Mittel ist durchaus nicht
gesucht, an den Haaren herbeigezogen, son-
dern in der Natur der Tonfiguren selbst be-
gründet; die accentuierte Note ist jedesmal
der abschliessende Höhepunkt einer auf-
steigenden Tonfigur und an Wert jedesmal
der vorangehenden flüchtigen überlegen.
Als zweites Beispiel erlauben wir uns
hier die Bülow'sche Phrasierung der Bässe im
„Nocturno", op. 37 No. 2, G-dur von Chopin
wiederzugeben:
Man übergehe nicht das geistreiche, echt
Bülow' sehe Athemzeichen vom 3. zum 4. Takt,
wodurch die Ausgelassenheit des kecken
Themas im Zusammenhang mit dem folgenden
^^^^
— 132 —
Takt 25:
Dementsprechend ist Takt '20 und 27 zu be-
handeln.
In den Mittelsatz, den Bülovv etwas trivial
findet, während ihm die übrigen Teile als
echter Erguss des Chopin'schen Genius er-
scheinen, kann nur durch dynamischen Wechsel
von forte und pianissimo, sowie durch ein
leidenschaftliches stringendo Takt 45 bis 51
Abwechselung hineingebracht werden.
Takt 72:
ebenso Takt 73 und 74.
Eine geistreiche Variante schafft Bülow
dadurch, dass er Takt 108:
-#-#
^^
w
als Achtel nach dem ersten Viertel a, und
erst Takt 112 an der korrespondierenden
Stelle h spielen lässt. (Aehnlich Takt 134
und 135.)
^jif ftif.
£
eic.
Takt 130 und 131 sind die chromatisch
absteigenden Achtel im Bass durch Phrasen-
bogen zusammenzufassen.
Bülow war weit davon entfernt, für diese
seine Phrasierung des Nocturnos die absolute
AUeingiltigkeit zu beanspruchen, aber wir
müssen doch zugeben, dass bei Beobachtung
derselben der sehnsuchtsvolle Ausdruck, den
Chopin in dieser Komposition beabsichtigte,
restlos erreicht wird. —
(Schlußs folgt)
Kcif*rag zur ©esanS^f^forii).
Von
Nana Weber- Bell.
(Schluss.)
„Wenn die Kanal vom Leben fahren soll,
muBs sie ein Leben in Form fassen.*
(U V. KuttowskQ
Was nun die Komponisten als Gesangskritiker
anbelangt, so dürfte dieses Amt auch ein Kunst-
maler versehen, denn welche unserer Kom-
ponisten von Kuf sind bedeutende
Hänger oder Gesangslehrer?
Freilich, zur Zeit der venetianischen oder
römischen Tonschulen waren deren Gründer Adrian
W 11 1 a e r t und Claude Goudimel ebenso
berühmte Gesanglehrer, wie sie hervorragende
Komponisten waren, gingen doch' aus der Schule
des letzteren u. a. Palestrina und N a n i n i
hervor, und aus der Schule Scarlatti's, eines
Schülers Giacomo Carissimi's, welcher
langjähriges Oberhaupt der römischen Tonschule
war, der weltberühmte Porpora. Von ebenso
hoher Bedeutung für den Kunstgesang ist der
Name des Komponisten Giulio Caccini,
dessen Kunstgesangschule Überhaupt die älteste ist,
von der wir Kenntnis haben und die sich Bahn
gebrochen durch die Wiederbelebung des antiken
Drama's. Dem ist nun heute nicht so, das beweisen
die modernen Komponisten in den meisten Fällen
selbst, sonst würden sie nicht zuhören können, wie
oft ganz unfertige Säftgerinuen ihre Lieder her-
unterleiern und noch unverständlicher gestalten,
als sie häufig schon sind. Solche Sängerinnen wissen
im Voraus, dass schon dem Namen des Komponisten
gegenüber „ihre nachschaffende Kunst' gelobt
werden mnss Liest man nun obendrein noch die
Tagespresse, die in den meisten Fällen der Torheit
noch die Krone aufsetzt, so muss der Fachmann
und Sachverständige im Interesse und zur Wahrung
der Kunst dagegen Protest erheben.
Aus allen jenen Elementen rekru-
tiert sich das Heer der Lehrpfuscher
und Marktschreier, und dieses zu ver-
nichten, sollte eine heilige Pflicht
des musikpädagogischen Verbandes
sein.
Ein ebenso wichtiger Beitrag zur Gesangs-
reform dürfte sich auf das Gesangstudium im
jugendlichen Alter beziehen.
Man ist der irrigen Meinung, dass ein Studium
ohne Schädigung der Stimme im Alter von
15 Jahren nicht betrieben werden könne. So wie
überhaupt heutzutage Gesangunter ticht erteilt
wird, muss die Stimme Schaden leiden, gleich-
viel welchen Alters der Schüler ist.
Will man jedoch ein Gesang^tudium mit dem
15. Lebensjahre beginnen, so muss die Forderung
— 133 —
an den Lehrer gestellt werden, dass er mit den
.Fundamentalgesetzen für die Erziehung der
Xatorstimme zur Kunst" vollständig vertraut sei.
Ein Studium nach diesen streng wissen-
schaftlichen Prinzipien hat in erster
Linie mit j euer Atemtechnik nichts
zu tun, welche, anstatt die vitale
Kapazität zu fördern, diesedadurch
hemmt, dass bei jener angestrengten
Atmung — und angestrengt ist sie sozusagen
immer — ganz besonders die Bauch-
muskeln in Verwendung kommen, an-
statt in erster Linie nur die Thoraxbewegungen
in'8 Auge zu fassen. Man erinnere sich nur der
militärischen Parole: „Unterleib einziehen^ etc.
Wer das nicht fertig bringt, kauft sich den „Ideal-
(Bauch-) Gürtel'' und schnürt ihn zu. Diesem
Mannöver folgt die tiefe Einatmung und das
Zurückhalten der Luft in den Lungen behufs Er-
weiterung derselben in der Meinung, mit dem
Atem weiter zu reichen. Nicht nur, dass der Vokal-
ton seine plastische Bestimmtheit niemals erreichen
kann, sondern es wird damit gerade das Gegenteil
auf Lunge und Brust ausgeübt, wodurch noch
ganz andere Störungen infolge der übermässigen
Muskelkontraktionen hervorgerufen werden. Diese
beeinträchtigen die zirkulatorische Tätigkeit, führen
Stauungen herbei, was nicht ohne schädlichen
Einfluss auf die Emährungsverhältnisse der Al-
veolen ist. Mit der Zeit wird auch der Gesamt-
organismus darunter zu leiden haben.
Hieraus ist leicht zu ersehen, dass der
Zweck obigerAtmung bezw. „Atemtechnik*
ein verfehlter ist.
DerZweck einer normalen Atmung
ist: „Dem Körper den zu Oxydationsprozessen
notwendigen Sauerstoff zuzuführen, sowie die durch
die Verbrennungsvorgänge gebildete Kohlensäure
zu entfernen. In wirksamster Weise aber wird
die hierzu erforderliche Tätigkeit von den „Lungen^
geleistet« Der elastische Zug der Lunge,
wie auch der durch Muskelaktion
willkürlich im Innern des Thorax
verstärkte oder verminderte Druck
haben auf die Herzbewegungen einen
aoffälligen Einfluss, und dient die
normale Atmung in ihrem normalen
Wechselverhältnis (In- u. Expiration) als
Unterstützungsmittel des Kreislaufes.
Hieraus lässt sich der Schlusssatz aufstellen,
dass beim Gesangstudien in den Entwick-
lungsjahren als Hanptbediugang folgendes
gelten soll: ««Die Lungenkapazität,
welche der Vergrö sser ung des Tho-
f&x entsprechend in dieser Ent-
wicklungszeit erheblich zunimmt,
zu unterstützen, d. h. durch eine me-
thodischeLungengymnastik, wie sie
bei der mechanischen Behandlung
des Thorax (z. B. bei pathologischen Ver-
änderungen desselben) von medizinischen
Autoritäten in An wendu ng gebracht
wird, den Organismus wider s'tauds-
fähiger zu gestalten. Ganz besonders
sind es die am häufigsten wen ig ent-
wickelten und wenig widerstands-
fähigen Lungenspitzen, welche in
günstigere Ernährungs- und Funktions-
verhältnisse gebracht werden. Dei
normale Sp ann ungsgrad der Lungen
und der Brust wand ist die erste Be-
dingung für die Gesundheit und
Weiterentwicklung des Körper s u n d
damit auch des Geistes.
Die Veränderungen, welchen der Kehl-
kopf in der Pubertätszeit unterworfen ist, haben
auf das Studium keinen weiteren Einfluss.
Dieses bezieht sich im wesentlichen:
1. Auf oben erwähnte normale Atmung.
2. Auf die Vokalformenbildung, somit auf die Aus-
sprache, und umfasst den umfang einer Oktave
bis Dezime, was keinerlei Anforderungen an das
Organ stellt, noch dieses anstrengt.
3. Auf die Kenntnis der Musikgeschichte, Gesangs-
literatur und des Klavierspiels.
Wie sich auf diese Weise der Bruch der
Stimme bei den Knaben ohne besondere
Störungen vollzieht, so ist auch zu erwarten, dass
bei einem jungen Mädchen von 15 Jahren die
Stimme sich entwickelt und kräftigt, da in diesem
Alter die immer weiter um sich greifende K e r -
vosität hoffentlich noch keine W ur-
zeln treibt. Gesunde N erven benötig t
a uch das Studium des Gesanges, soll
von den Muskeln eine normale Ar-
beitsleistung verlangt werden können.
Ein auf exakt wissenschaftlicher
Basis gegründetes Tonstudium, das
mit der körperlichen und geistigen
Entwicklung des Kindes Schritt hält,
müsste in Anbetracht der Elastizität
derOrgane, bei Beginn des zehnten
mit dem sechszehn ten Jahre Resultate
erzielen, die nicht nur für die Ge-
sangskunst, sondern auch für das
körperliche Gedeihen von nicht za
berechnender Tragweite sein würden.
Gerade in der Jugend ist das noch nicht mit
Eindrücken überlastete Gedächtnis am willigsten,
diese aufzunehmen, worauf ja auch die Lern-
fähigkeit der Jugend beruht, und können dem
zehnj ährigen K inde ebenso gut eine
gesetzmässige, d. h. normale Atmung,
gute Vokalformen, eine fehlerfreie
Aussprache, wie auch das Gefühl für
den guten und schlechten Ton bei-
gebracht werden, wodurch der Ton-
sinn sich entwickelt, vorausgesetzt,
dass auch der Lehrer als Erzieher
hierfür erzogen worden ist. In den
— 134
Schalen dürfte in dieser Richtang noch ein grosses
Arbeitsfeld zu beackern sein!
„Die Zeit liegt noch fernab, wo ein erlösender
Messias dieses Evangelinm verkünden und Jünger
um sich scharen wird, die es weiter verbreiten
zam Wohle nnd zur Eördernng der ästhetischen
Erziehung des Menschen und damit auch zur
Förderung der hehren Sangeskunst."
nicbste HufgaDett*
Aus dem Protokoll Basammengestellt
von
Anna llorseh.
Die vorige Nummer des „Kl.-L." hat den
Lesern und den Interessenten der Bestrebungen
des Musikpäg. Verbandes in einer Sonderbeilage
die endgiltig festgestellten „Satzungen^ und die
„Prüfungsordnung" gebracht, — das Resultat
langer, eingehender und ernster Beratungen. Beide
sind die Grundlagen der Beformideen des Ver-
bandes, es war geboten, sie mit der grössten Sorg-
falt auszuarbeiten, um das Vertrauen zu recht-
fertigen, welches die Teilnehmer des ersten
Kongresses hegten, als sie die Fertigstellung dieser
wichtigen Aufgaben dem derzeitigen Vorstande
übertrugen. Die Arbeit war doppelt schwierig,
weil hunderte von Stimmen ihre Meinungen ge-
äussert, ihre W^ünsche ausgesprochen, — letzteres
allerdings ein überzeugender Beweis, dass die
Beformideen des Verbandes auf fruchtbaren Boden
gefallen sind. — Die „Leitgedanken" der Satzungen
und der Prüfungsordnung haben ausgesprochen,
dass es gilt, beide auf ihre Praxis hin zu erproben;
sie treten nicht mit der Zuversicht auf, etwas
Fertiges, Vollkommenes zu bieten. Das ist trotz
ernstester Arbeit, bei einer absolut neuen Schöpfung
eine Unmöglichkeit; sie sind aber aus bester
üeberzengung entworfen, und eine grosse Beihe
hervorragender Kräfte hat ihre Mithilfe dazu ge-
liehen. Der Vorstand konnte nun an seine nächste
Aufgabe, die Wahl und Zusammensetzung der
Prüfungskommissionen, herantreten, zu der die
Vorbereitungen seit langer Zeit fertiggestellt waren.
"Ejb galt jetzt nur noch über den Modus der Aus-
führung zu beraten; er Hess sich auf Grund der
geäusserten Vorschläge und der eigenen Forschungen
leicht finden, sodass in nächster Zeit auch diese
Arbeit gefördert und hoffentlich zu allseitiger Zu-
friedenheit gelöst sein wird.
Ein sehr wichtiger Antrag von Frl. Stieg-
litz, der sich um die Hegelung der Honorar-
frage im Privatunterricht und zwischen
Konservatoriumsleitern und ihren ange-
stellten Lehrkräften handelt, kam in der
letzten Sitzung zur Beratung. Der Antrag lautet:
„Als Vorsitzende der von der Musik- Sektion
des Allg. Deutschen Lehrerinneu- Vereins gewählten
Kommission zur Regelung der Honorarfrage im
musikalischen Privatunterricht beantrage ich hiermit :
1. „Der Musikpädagogische Verband wolle sich
den von der Musik-Sektion des A. D. L. V. für
den Privatunterricht aufgestellten Geschäftsgrand-
sätzen anschliesuen.
2. Der Musikpädagogische Verband wolle For-
mulare entwerfen, welche als Kontrakte zwischen
Leitern und Leiterinnen der Konservatorien und
Musikschulen und den von ihnen angestellten
Lehrkräften zu benutzen sind.^
Frl. Stieglitz konnte bezüglich Punkt 1 ihres
Antrages über die Erfolge berichten, welche die
von der Musik-Sektion eingesetzte Kommission zur
Begelung der Honorarfrage darch ihre Propaganda
erzielte. Es haben sich bereits in 36 deutschen
Städten (auch in Wien und Brunn) die Musiklehre-
rinnen zu festen ünterrichtsbedingungen
geeinigt, denen sich in den meisten Fällen auch
die männlichen Kollegen anschlössen. Da von
allen Seiten nur günstige Berichte über die ein-
geführten Reformen eingelaufen sind, die Musik-
lehrerinnen vielfach mit dankenden Worten Ober
ihre jetzt soviel gesichertere Existenz schreiben,
so läge es im Interesse des Gesamtmusiklehrer-
standes, wenn die beiden grossen Körperschaften,
die Musik -Sektion und der Musikpäda-
gogische Verband, geschlossen vorgingen, um
die pekuniäre Lage der Kollegen an allen Orten
in gleicher Weise zu sichern. — Zu Punkt 2 be-
merkt Frl. Stieglitz, dass sie im vorigen Jahre
auf der Ghen.-Vers. der Musik-Sektion zu Dresden
den Antrag gestellt, die bisher ntu: für die Privat-
lehrerinnen angestrebten Ee formen auch auf die an
den Konservatorien angestellten Lehrerinnen aus-
zudehnen, damit sie an den Segnungen fester Honorar-
bedingungen Teil hätten. Sie sei mit der Leitung
dieser erweiterten Aufgabe betraut worden und er-
achte es daher für wünschenswert, dass der Musik-
pädagogische Verband auch bezüglich dieser Aus-
dehnung Hand in Hand m|t der Musik-Sektion ginge.
Da der Antrag von Frl. Stieglitz im Prinzip
allgemeine Zustimmung fand, so konnte sie die
provisorisch für beide Fragen entworfenen For-
mulare vorlesen, die mit kleinen Ergänzungen,
welche von den anwesenden Vorstandsmitgliedern
vorgeschlagen und eingefügt wurden, folgender-
massen lauten:
135
Formular zu Punkt 1.
Mniikpädagof ischer Yerband.
Das unterzeichnete Mitglied des Musikpäda-
gogischen Verbandes erteilt Unterricht in Klavier
etc. zu nachstehenden Bedingungen.
1. Das Honorar betragt:
bei 1 Stunde in der Woche
Mk,
bei 2Stunden in der Woche Mk.
zahlbar ^ _^numeraudo.
post
2. Der Unterricht fällt aus und ist im
monatlich
vierteljährlich
monatlich
vierteljährlich
Monats-
Vierteljahrs-
honorar einbegriffen:
a) an allen gesetzlichen Eeiertagen,
b) in der Oster-, Ffingst- und Weihnachts-
woche.
Die vom Schüler versäumten und abgesagten
Stunden sind zu honorieren ohne Ersatzpflicht
de . Lehrer
NB. Für die grossen Sommerferien
gelten persönliche Vereinbarungen.
3. Die auf Veranlassung de Lehrer aus-
fallenden Stunden werden nachgegeben oder
vom Monatshonorar abgezogen.
i. Bei gelegentlicher Unterbrechung des Unter-
richts wird der Monat halb oder ganz berechnet,
je nachdem die Unterbrechung in der ersten
oder zweiten Hälfte des Monats erfolgt.
Kündigungsfrist bei gänzlicher Aufgabe des
Unterrichts: 1 Monat.
5. Als Beitrag zur Beichs-Invalidenversicherung,
welchen die Eltern der Schüler nach gesetz-
licher Bestimmung (Gesetz vom 18. Juli 1899)
zur Hälfte zu entrichten haben, wird von
jedem Schüler der Jährliche Beitrag von 1 Mark
erhoben. Ein etwaiger Ueberschuss wird einer
Hül&kasse für Musiklehrer und- Lehrerinnen
überwiesen.
Formular zu Punkt 2.
Mvsikpftdagogiselier Yerband.
Vertrag.
des Konservatoriums Herr
der Musikschule Frau
Herrn
Frau
Dauer Jahres als Lehrer für den £üavier-
__ , , Elementar
etc. Unterricht der ...^^ . stufen unter nach-
Mittel
itehenden Bedingungen an:
1. Es werden „ Stunden
wöchentlich gewährleistet, für welche der
V Pf 1 • lif«P'®*® *^^ ^^ festgesetzt ist.
Jede weitere Stunde wöchentlich wird mit
Mk. monatlich honoriert. Gemäss dem
Herrn
De Leiter
steUt
für die
die Hälfte des Beti-ages der Vers icherungs-
marken zur Alters- und Invaliditätsrente vergütet.
2. Alle ausfallenden Stunden, die der Schüler be-
zahlt (an Feiertagen, in den Ferien), werden
Herrn
Frau
Herr
ebenfalls honoriert.
8.
Frau
verpflichtet sich, falls triftige
Gründe ihn (sie) am Unterricht verhindern, für
Stellvertretung zu sorgen, andernfalls werden
{Vim
die von ., versäumten Stunden vom Monats-
ihr
Honorar abgezogen.
NB, Lehrer und Lehrerinnen verpflichten
sich zu pünktlicher Innehaltung der Unter-
richtszeit.
Herrn
4. Es ist
Frau
nicht erlaubt Schülern,
die die Anstalt verlassen, vor Ablauf eines
Jahres nach erfolgtem Austritt Privatunterricht
zu erteilen.
5. Kündigung dieses Vertrages kann von beiden
Seiten bei vierteljährlichem Abkonmien nur
6 Wochen vor Ablauf desselben schriftlich er-
folgen; geschieht dies von keiner Seite, so läuft
der Vertrag für die gleiche Dauer stillschweigend
fort und behält in allen Punkten seine Giltigkeit.
, den 19
Unterschrift des Direktors
Unterschrift de Lehrer
Gesetz vom 18. Juli 1899 werden
Frau
Der Vorstand beschloss, die beiden For-
mulare, welche zunächst nur als Entwürfe zu
betrachten sind, zu allgemeiner Kenntnis zu bringen
und Meinungsäusserungen dazu zu erbitten, die an
die Schriftführerin des Verbandes, Frl. Anna
Morsch, Ansbacherstr. 87, zu richten sind.
Dringend erwünscht wäre es, wenn die Kollegen
und Kolleginnen sich zunächst in den Haupt-
punkten zu einheitlichen Bedingungen einigten.
Die lokalen Verhältnisse erfordern im Einzelnen
kleine divergierende Aufstellungen, wie es auch in
den Formularen der verschiedenen Musikgruppen der
Fall ist. Haaptsache ist nur das Prinzip, dass
die Lehrenden nicht mehr, wie bisher, der Willkür
des Publikums preisgegeben sind, sondern die
Honorarzahlung an feste, vorher vereinbarte
Bedingungen geknüpft ist und weder durch
Zufall ausgefallene Stunden abgezogen, noch
der Unterricht plötzlich ohne vorherige Kündigung
autgegeben werden darf. Aehnlich im Verkehr
mit den Anstaltsleitern — es ist hier vornehmlich
an die Lehrer und Lehrerinnen der Elementar-
und Mittelklassen gedacht — , auch sie müssen
durch Kontrakte eine gesichertere Stellung ge-
winnen.
Für die nächste Arbeitsperiode, resp. für die
Verhandlungen des zweiten Kongresses liegen
136
bereits eine ganze JEleihe von Aufgaben vor, über
deren Inangriffnahme der Vorstand sich schlüssig
machte. Sie behandeln Stoffe, die rege Mitarbeit
erfordern; der Vorstand bringt sie deshalb jetzt
schon zar Kenntnis mit der dringenden Bitte nm
lebhafte Beteiligung durch Einreichung von Vor-
schlägen, Ausarbeitungen und Anträgen.
Unter den Aufgaben ist die Beform auf
dem Cxebiete des Schulgesanges die nächste.
Die Präge stand schon auf dem Programm des
vorigen Kongresses, sie wurde einerseits der vor-
gerückten Zeit wegen vertagt, andererseits waren
aber die Vorarbeiten noch nicht zur Genüge ge-
fördert. Sie soll aber Jetzt mit voller Energie in
die Wege geleitet werden und einen Hauptfaktor
des nächsten Kongresses bilden.
An die Schulgesangsreform schliesst sich der
nachstehende Antrag, der für die Pörderung und
Lösung der Schulgesangsfrage von weittragender
Bedeutung ist, unmittelbar an.
Die Erfahrung hat gelehrt, dass die bereits
vielfach vorhandenen Lehrpläne für den Schul-
gesang in der Ausführung an dem Mangel
fachlich gebildeter Lehrkräfte scheiterten; der
Antrag lautet daher:
„Bei der jetzt in Aussicht genommenen Um-
gestaltung der Seminare an den Konservatorien
und Musikschulen sind Klassen einzurichten, die
speziell Pach-Lehrer und -Lehrerinnen für
den Schulgesang ausbilden. Es wird sich in ihnen
um die Behandlung der Kinderstimme, Gehör-
bildung, Treffübungen, Leitung des Kinderchors,
Musikdiktat u. s. w. handeln. Vorschläge über
den Lehrplan dieser Spezialklassen werden sehr will-
kommen sein."
Den Konservatorien erwüchse aus der Ein-
richtung dieser neuen Disziplin eine grosse und
schöne Aufgabe; ihre Lösung würde eine erfreu-
liche Wechselwirkung zwischen den Kunstinstituten
und den wissenschaftlichen Anstalten einleiten.
Das Vorbild der wissenschaftlichen Semi-
nare legt den Konservatorien eine weitere Pflicht
auf, der näher zu treten, zu ihren unabweisbaren
Aufgaben gehört, es ist die Einrichtung von
„Uebnngsschulen". Sie sind unentbehrlich für
die Pachausbildung in den instrumentalen Zweigen
und geben den Seminaristen ausgiebige Gelegenheit
zur Einführung in den praktischen Teil ihres
künftigen Berufs, nämlich der Unterrichts-
erteilung. Die Schüler der Uebungsschule
rekrutieren sich aus musikalisch begabten Kindern
der Kommunalschulen, sie werden unentgeltlich,
in die Anstalt aufgenommen Die Uebungsschule
schlösse sich wiederum vorzüglich an den vor-
genannten Antrag an, sie lieferte das natürlichste
Material für den Kinderchor und würde sich als
ein wichtiger Paktor zur Hebung der Musik im
Volke erweisen. Soweit bekannt, ist das
Kölner Konservatorium das einzige, welches eine
Uebungsschule an das Klavierlehrerseminar an-
gegliedert hat.
Um den vielfach ausgesprochenen Klagen und
Bitten der Kollegen und Kolleginnen in kleineren
Provinzialstädten gerecht zu werden, plant der Vor-
stand die Ausarbeitung einer Petition, welche
bei der Regierung vorstellig wird, den musi-
kalisch nicht genügend ausgebildeten Volks-
schullehrem das Erteilen von Musikunterricht zu
untersagen. Es ist hierzu, obgleich schon ver«
schiedene Einsendungen vorliegen, positives
Material, Schilderungen örtlicher Verhältnisse, die
aber den Tatsachen strikte entsprechen müssen,
noch dringend notwendig und Zusendungen er-
wünscht.
Ein Antrag idealer Tendenz richtet sich auf
die Einführung älterer Klavier-, Violin-
und Gesangsmusik in die Lehrpläne durch
Nutzbarmachung des uns in den „Denkmalern
Deutscher und Oesterreichischer Tonkunst* ge-
botenen Stoffes. Es handelt sich darum, aus den
grossen Sammelbänden einzelne charakteristische
und instruktive Werke auszuwählen und in kleinen
Heften herauszugeben. Erzielt würde dadurch
ein Zusanmiengehen mit der Musikgeschichte, eine
Einführung in ihre verschiedenen Stilepoclien und
im Verein damit ein vertieftes Wissen, eine Er-
weiterung des geistigen Horizonts der Musik-
pädagogen. Es dürfte wohl nicht schwer halten,
geeignete Persönlichkeiten zu finden, die sich der
obigen Aufgabe unterziehen, besonders wenn der
Musikpädagogische Verband mit Nachdruck für die
Einführung der Werke eintritt.
Es lagen noch verschiedene Anträge für die
demnächstigen Aufgaben des Verbandes vor, sie
wurden aber wegen der vorgeschrittenen Zeit auf
die nächste Sitzung verschoben. Ein besonders
bedeutungsvoller ist von Hm. Musikdirektor
Mengewein eingereicht worden, er soll zunächst
zur Besprechung kommen.
Zum Schluss die dringende Bitte um lebhafte
Beteiligung an allen angeregten Prägen und Ein-
reichung eigener Anträge an den Vorstand.
Mittelliingeii
von Hochschulen und Konseryatorien.
Im Sommersemester 1904 finden folgende
Vorlesungen über Musik an deutschen Hoch-
schulen statt: Berlin, Prof. Dr. Priedl ander
„Allgemeine Musikgeschichte**, „Beethoven"; Prof.
Dr. Pleischer „Musikgeschichte des Mittelalters
und des 18. und 19. Jahrhunderts"; Dr. J. Wolf
— 137 —
„Musikgeschichte Italiens im 16. Jahrhandert/^
„Repetitorinm der Mnsikgeschichte'S „Uebangen
zur eyangelischen Choralknnde**. Bonn, Prof.
Wolff „G^escbicbte der Oper, 19. Jahrh/. Bres-
lau, Prof. Dr. Bohn „Beethoven's Sinfonien,
II Teil«. Darmstadt, Dr. W. Nagel .Die Ent-
wicklung der Oper', «Beethoven's Sinfonien«.
Giessen, CJniversit&tsmnBikdir. Trantmann .Das
deutsche Lied und seine Entwicklung«. Greifs-
wald, Musikdir. Reinbrecht „Geschichte der
Musik des 19. Jahrhunderts«. Halle, Dr. Abert
«Geschichte der Musik des 19. Jahrhunderts".
Heidelberg, Prof. Dr. Wolfrum „Die klassische
Sinfonie und ihre Fortsetzung«. Königsberg,
Mufiikdir. Brode „Allgemeine Musikgeschichte«.
Leipzig, Prof. Dr. Kretzschmar „Geschichte
des Oratorinms; Prof. Dr. Riemann „Musik
geschichte im Umriss"; Prof. Dr. Prüfer „Vor-
bereitung auf die Festspiele in Bayreuth«. Mar-
burg, Muaikdir. Jenner „Ueber deutsche In-
stmmentalmusik nach Beethoven«. Posen, Prof.
Kenn ig „Einführung in das Wesen der Musik«.
Rostock, Prof. Dr. Thierfelder „Geschichte
der Sonate und Analyse der Beethoven 'sehen So-
naten". Strassburg, Prof. Dr. Jakobsthal
„Oddo's Dialogns de musica". Tübingen, Prof.
Dr. Kaufmann ,J. S. Bach's Leben und Werke«.
Albert Fuchs, Hochschullehrer für Gesang
and Theorie (Kompositionslehre) am kgl. Konser-
vatorium zu Dresden und Dirigent der „Robert
Schumann'schen Singakademie«, errichtet von jetzt
ab „Kurse für Vortragsstudium^ für vorgeschrittenere
Säuger und Sängerinnen zur Einführung in die
ältere und neuere Gesangliteratur (bei jener mit
besonderer Berücksichtigung des Verzierungswesens)
und zur Förderung stilgerechten Vorti-ags. Es
sind Kurse von je 12 Stunden (Einzelstudium)
resp. je 20 Stunden (in Klassen von je 2 Schülern)
vorgesehen. Der Lehrplan umfasst die Literatur
vom 17. Jahrhundert bis herauf zur Gr^enwart.
Heinrich Kiefer, der treffliche Violoncellist
in München, wurde als Lehrer für sein Instrument
an die dortige kgl. Akademie der Tonkunst berufen.
Der erste Musikabend, welchen da? vor etwas
langer wie Jahresfrist gegründete K o n 8 e r V a t o r i u m
von Max Pohl, Berlin -Schöneberg, veran-
staltete, nahm einen äusserst befriedigenden Verlauf.
Die gesamten Darbietungen der kleinen und er-
wachseneren Klavier- und Violinschüler zeichneten
sich durch rhythmische Präzision, Klarheit der
Passagen und stimmgemSsse Phrasienufg aus. Bei
den Vorgeschritteneren aus den Klassen des Direktors
zeigte sich ein erfreuliches Eindringen in den
geistigen Gehalt der Vortragsstücke, ein beredtes
Zeugnis von der künstlerischen Leitung. Konzert-
Sänger Emil Severin, Gesanglehrer der Anstalt,
spendete mehrere Liedervorträge. Man darf nach
diesem ersten Heraustreten an die Oeffentlichkeit
dem jungen Institut ein glückliches Prognostikon
für die Zukunft stellen.
Die Prüfungsaufführung des Becker' sehen
Konservatoriums für Musik in Wiesbaden
wies ein sehr reichhaltiges Programm auf, dessen
Ausführung durchweg von bestem Erfolge gekrönt
war. Es kamen Klavier-, Violin-, Cello-, Har-
monium- und Gesangsvorträge zu G^ör. Mit den
kleinsten Stücken der Elementarschüler beginnend,
zeigten die Vorgeschrittenen ein bereits gereiftes
Können in Werken von Bach, Händel, Schu-
mann, Chopin und Liszt. Eine Glanznummer
war ein Streichquartett von Bach, „Loure« aus
der dritten Suite, die mit grosser Exaktheit vor-
getragen wurde.
Das Krefelder Konservatorium für Musik
veranstaltete zum Abschluss der diesjährigen
Prüfungskonzerte eine Schulfeier mit Preisver-
teilungen. Die beiden Direktoren, Musikdirektor
Th. Müller -Reuter und Direktor Pieper haben
zur Anregung und Belohnung 4 Preise gestiftet,
von denen 2 Schülern der Klavierklassen und 2
Schülern der Klassen für Streichinstrumente ver-
liehen wurden. Sie bestanden aus folgenden
Werken : „ Akademische Ausgabe von Beethoven' s
Klavierwerken« in 5 Prachtbänden, „Akademische
Ausgabe Bach'scher Klavierwerke ** in 7 Pracht-
bänden, „Vieuxtemps* Violinwerke* und „Samm-
lung berühmter Cello-Konzerte*.
Ferienkurse zur Erziehung des Tonsinnes
(Primavista, Diktat: melodisch, rhythmisch, dyna-
misch; Gehörsübungen, musikalischer Satzbau),
veranstaltet Max Battke, der Leiter des Seminars
für Musik zu Berlin, in den Sommerferien in
Kampen auf Sylt und in Seidorf im Eiesen-
gebirge.
Vermischte Nachrichten.
Ludoviko Sacerdoti, der Gründer und
Leiter der hiesigen Philharmonie, ist am 7. April
einem Herzleiden erlegen. Seine Verdienste um
Berlins öffentliches tonkünstlerisches Leben sind
bei Gelegenheit des 25jährigen Jubiläums der Phil-
hannonie — Februar 1902 — zur Genüge ge-
würdigt worden. Berlin verdankt ihm den Bau
des grossen Saales der Philharmonie, des Beethoven-
und des Oberlichtsaales, ihm ist es aber auch zu
verdanken, dass das ehemalige Bilse'sche Or-
chester, das vor der Auflösung stand, als Phil-
harmonisches Orchester, heut einer der wichtigsten
Faktoren im Berliner Konzertleben, erhalten blieb.
Neben seiuem Wirken für die Oeffentlichkeit war
Sacerdoti als liebenswürdiger, hochsinniger Mensch
von Allen, die ihm näher standen, aufs höchste
— 138 —
geschätzt und geliebt, und die Wertscli&tzung des
KiinsilerB und Menschen fand in der am 14. April im
grossen Philharmoniesaal abgehaltenen Gkdä^^htnis-
feier, dem die Elite des Berliner künstlerischen
Lebens beiwohnte, einen ebenso erhebenden wie
würdigen Ausdruck.
Die Genossenschaft Deutscher Ton-
setzer hielt dieser Tage in Berlin ihre ordentb'che
Hauptversammlung ab, an der sich auch an-
gesehene auswärtige Mitglieder aus Braunschweig,
Dresden, Krefeld, Leipzig, Magdeburg, München,
Weimar und Zürich beteiligten. Der bisher nur
provisorisch gewählte Vorstand wurde auf drei
Jahre bestätigt: Hofkapellmeister Dr. Richard
Strauss, Professor Fh. Büfer, Professor Enge Ib.
Humperdinck. Kapellmeister Er. Bosch, Pro-
fessor Georg Schumann. In den Beirat wurden
gewählt: Eugen d' Albert, Hofrat Fei. Dräseke,
Dr. Fr. Hegar, Professor Dr. Jos. Joachim,
Hofopemdirektor Gust. Mahier, Generalmusik-
direktor Fei. Mottl, Musikdirektor Th. Müller-
Reuter, J. L. Nicodö, Professor Bob. Bad ecke,
Prof. M. Schillings, Prof. L. Thuille, Prof.
Dr. Ph. Wo 1fr um und Universitätsmusikdirektor
H. Zöllner.
Das Kuratorium der Felix Mendels-
sohn-Bartholdy- Stiftung fordert zur Be-
werbung um die am 1. Oktober zur Verleihung
kommenden Stipendien für strebsame Musiker auf.
Jedes derselben beträgt 1500 Mark. Das eine ist
für Komposition, das andere für ausübende
Tonkünstler bestimmt. Zur gleichen Zeit erfolgt
die Verteilung der Zinsen einer von den Ver-
wandten des Generalmusikdirektors Dr. Felix
Mendelssohn-Bartholdy, den Herren Geheimen
Kommerzienrat Ernst von Mendelssohn-Bartholdy
und den Bankiers Bobert und Franz von Mendels-
sohn, zum Andenken an die 60. Wiederkehr des
Todestages des Dr. Felix Mendelssohn-Bartholdy
geschenkten Kapitals von 30000 Mk. und die Be-
willigung von Unterstützungen aus den Zins-
erträgen eingetretener Ersparnisse der Stiftung.
Die Verleihung der Stipendien und Unterstützungen
geschieht an Schüler der in Deutschland vom
Staat subventionierten Ausbildungsinstitute ohne
Unterschied des Alters, des Geschlechts, der
Religion und der Nationalität.
Herr von Vignau, Generalintendant des Hof-
theaters zu Weimar, beabsichtigt in nächster
Zeit ein Cornelius- Fest zu veranstalten. Zur Auf-
führung kommen die beiden Opern des Dichter-
komponisten „Der Barbier von Bagdad^' und „Der
Cid". Diesen Aufführungen werden die Ori-
ginalstimmen und die Originalpartituren
zu Grunde gelegt, welche Franz Liszt und Karl
Stör zu den Erstaufführungen der Werke, 15. De-
zember 1858 und 21. Mai 1865 in Weimar be-
nutzten. Beide Partituren waren seit dieser Zeit
für die Oeffentlichkeit unzugänglich. Inzwischen
sind auf deutschen Bühnen Ueberarbeitungen der
beiden Werke aufgeführt worden, welche nach
dem Tode des Komponisten entstanden. Das
Hoftheater Weimar wird die erste Bühne sein,
welche im vollen Umfange auf die Original-
form dieser bedeutenden Werke zurückgreift.
Theodor Steingräber, der Chef der
bekannten Leipziger Firma, ist am 5. April, 75 Jahre
alt, gestorben. Er hat sich durch die von ihm
begründete „Edition Steingräber" in der ganzen
musikalischen Welt bekannt gemacht Am
1. Januar 1878 übernahm er seinen bis dahin von
der Firma J. G. Mittler in Leipzig debitierten
Musikalien - Verlag in eigene Verwaltung and
Leitung unter der Firma Steingräber Verlag. Am
12. November 1880 verlegte er sein Geschäft nach
Hannover, von wo er Herbst 1888 nach Leipzig
zurückkehrte. Er war selbst der Herausgeber und
Bearbeiter einer Anzahl der gangbarsten Werke
seines Verlags.
Die diesjährige Tonkünstlerversammlnng
des Allgemeinen Deutschen Musikvereins,
die im Juni in Frankfurt a. M. stattfinden sollte,
ist, wie gemeldet wird, auf einen früheren Termin
verlegt worden. Es sind jetzt definitiv die Tage
vom 27. Mai bis 1. Juni festgesetzt worden.
Das Progranmi ist nach dem Bericht der Allg.
M. Z. folgendermassen zusammengestellt (die in
Sperrschrift aufgeführten Werke erleben ihre Ur-
aufführung, beziehungsweise ihre Erstaufführung
in Deutschland):
Am 27. im Frankfurter Opernhause: „1^^^ Bant-
schuh". Dichtung von 0. Erler, Musik von
W. V. Baussnem.
1. Frederik Delius: „Paris", ein Nachtstück
(Orchester).
E. N. V. Reznicek: „Ruhm und E-^vigkeit"
(Fr. Nietzsche), 4 Tenorgesänge mit Orchester.
Herm. Zilcher: Konzert für 2 Violinen und Cr-
ehester, d moll, op. 9 (Hugo und Emil Heer-
mann).
Bruno Walter: Sinfonische Dichtung.
Alf r. Schattmann: „An Schwager Kronos"
für Bariton und Orchester.
Hans Ffitzner: Heinzelmännchen für
Bassstimme und Orchester.
Volkmar Andreae: „Schwermut- Ent-
rüstung-Vision", sinf. Fantasie für Or-
chester, Tenorsolo und Männerchor.
2. J. L. Nicodö: „Gloria", ein Sturm- und Sonnen-
lied für Orchester mit Schlusschor.
W. Berger: Totentanz (Chor und Orchester).
G. Schumann : Totenklage (Chor und Orchester).
Heinr. Zöllner: Hymnus der Liebe (Chor, Bariton,
Solo und Orchester),
8. August Keuss: „Johannisnacht*^, sinfonische
Dichtung.
S. V. Hausegger: „Lieder der Liebe" (Nie.
Lenau), 7 Tenorgesänge mit Orchester.
„Wieland der Schmied", sinfonische
Dichtung.
— 139
Richard Stranss: Sinfonia domestica.
Kammermnsik:
1. Ludw. Thuille: Sonate (EmoU) für Violine
nnd Klavier.
Th. Müller-Keuter: Herbst, Liederz jklas.
Paul Scheinpflug: „Worpswede^*, Stimmungen
aus Niedersachsen (Singstimme, Violine,
engl. Hörn und Klavier).
H. Kann, K. Heubner „Klavierstücke" (Frl.
Maurina). Max Beger: Streichquartett
(Dmoll).
2. Walther Lampe: Serenade für 15 Blas-
instrumente.
W. Rhode, Ludw. Hess, H. Sommer, Ph. Wolf-
rum: Lieder.
Dirk Schäfer: Quintett (Es dur) für Klavier
und Streichinstrumente.
Eingeschlossen in das Musikfest ist ein Ausflug nach
Heidelberg und Mannheim. In Heidelberg wird am
29. in einer Matin^ bei verdecktem Orchester eine
Sinfonie von Klose und die sinfonische Dichtung
„La vie du poete" von Charpentier zur Auf-
führung gelangen, in Mannheim am 31. Abends
Pfitzner's „Böse vom Liebesgarten" im
dortigen Opemhause.
Der KOnigl. Kammermusiker Eugen Sandow
hatam 16. April sein 25J ähriges Jubiläum alsMltglied
der Königl. Kapelle zu Berlin gefeiert. Der treff-
liche Künstler ist ausserdem Mitglied des „Hol-
laender'schen Streichquartetts^* und Lehrer für
Cello am Stern'schen Konservatorium.
Das 81. Niederrheinische Musikfest
flndet zu Pflngsten in Köln unter Leitung von
Generalmusikdirektor Fritz Steinbaoh statt
Zur Aufführung kommen : ^Die Apostel**, Oratorium
von E. Ei gar, „A-dur-Sinfonie" von Beethoven,
„Brandenburgisches Konzert No. 8** und „Der
zufriedengestellte Aeoius** von Bach, ^Es-dur-
Klavierkonzerf* von Beethoven, ,,4. Sinfonie**
und „Triumphlied** von Brahms. „Sanctus** von
Max Bruch, „Hexenlied** von Schillings,
„Taillefer" von Richard Strauss, „Schlussszene
der Meistersinger*' von Richard Wagner.
Ueber die Versteigerung zweier alter berühmter
schottischer Harfen wird aus London berichtet.
Die eine „Harfe der Königin Maria** soll der
Königin Maria Stuart angehört haben. Sie wurde
von dem Altertumsmusenm zu Edinbnrg für 16 050
Mark erworben. Die zweite, als „Lamont-Harfe**
bekannt, erwarb ein Antiquitäten-Händler in Edin-
burg für 10700 Mark. Die Harfen waren bisher
in Privatbesitz.
Bficher und Musikalien.
Angust Stradal: Bearbeitungen für Klavier zu
2 Händen.
Lieder von Liszt.
Stücke aus Berlioz' „Faust**.
Stücke aus Liszt's „Heiliger Elisabeth**.
C F. KfthBty LMpilff.
„Sinfonische Dichtungen'* von Liszt.
BreiUopf ft HIrtel, LeIpiU.
Instrumentalsätze aus Berlioz' „Romeo
und Julia**
J. Sehvkorth, Lelpil«.
Stradal bearbeitet viel, er bearbeitet alles»
Orchester-, Orgel-, Violin-, Gesangstücke. Man
könnte glauben, dass er eine besondere Begabung
dafür habe, dass er wenigstens durch das fort-
gesetzte Bearbeiten sich eine grosse Gewandtheit
darin erworben habe. Aber wie erstaunt man bei
Darchsicht dieser Arbeiten! Man staunt — nicht
etwa vor Bewunderung, sondern Über den gänz-
lichen Mangel an Geschick, au Spielbarkeit, an
Geschmack. Ein paar Beispiele werden das besser
beweisen aU alle Beschreibungen. Folgendes ist
aas der Liebesszene in Berlioz' Komeo und
Jolia:
LH.
Ä
T"^*
-^A»
^-
c^8
c8
^^
ttc.
Oft stutzt man und glaubt einen Schreibfehler
zu sehen, z. B. in der Fee Mab (Prestissimo):
^^^-
Aus dem Fest bei Capulet (Allegro):
Ugaio
m
ctS
solche Passagen „üben**? Die
Künstler können ihre 2telt besser verwenden, denn
diese Transkriptionen bieten nicht im geringsten
das pianistische Interesse, wie etwa Liszt's üeber-
tragungen von Orchesterwerken, — für Dilettanten,
die solche Werke zu Hause studieren möchten,
sind sie absolut unspielbar. Sie sind sowohl künst-
lerisch wie praktisch wertlos. Kein Orchester-
klang ist so schwer auf dem Klavier — ich sage
nicht wiederzugeben, sondern annähernd zu er-
setzen, wie derjenige Berlioz^ aber Stradal über-
windet durchaus nicht diese Schwierigkeit. Solche
140 —
Stellen wie oben das zweite Beispiel klingen aaf
dem Klavier plump. Und plump ist die ganze
Art dieser Uebertragungen, ohne Sinn weder für
den Orcbesterklang noch für den Elavierklang.
Wo die Themen im Fest bei Capulet zusammen
auftreten, verlegt er das lebhaftere, den Violinen
zugeteilte Thema zwei Oktaven tiefer in die dicke
Lage der linken Hand, während die rechte das
breite, von Holzbläsern, Trompeten und Posaunen
geblasene Thema in der tonärmeren höheren Lage
bringt. Hier verstand sich doch die Transposition
des mächtigen, in langen Noten dröhnenden
Themas nach der tieferen Lage ganz von selbst.
Es lohnt sich demnach kaum, auf die anderen
Bearbeitungen Stradal*s einzugehen. Nur erwähnen
will ich, welch trauriges Missverständnis darin
liegt, Liszt's Lieder für Klavier zu übertragen.
Stradal wollte offenbar für Liszt tun, was dieser
für Schubert getan. Aber Stradal ist — kein
Liszt, er hat nicht einmal von ihm gelernt, — und
Ldszt braucht eine solche Uebertragung nicht.
— Bei Schubert war manches zu ergänzen, konnte
manches mit Fantasie und Geschmack vertieft
werden. Liszt hat aber alles, was nötig, und
wenn er auch einzelnes selbst übertrug (GPoösies«
Die Ldebesträume, Die Sonnette von Petrarca), so
hat er bedeutende Klavierstücke daraus gemacht,
es sind Neuschöpfungen. Er zeigte, dass eine
gute Liedübertragung aus dem Geist der Dichtung
entspringen muss, das Wort ersetzen durch die
Mittel des Klaviers, aber auch aus dem Geist des
Klavieres geboren werden muss, wie ein Original
für Klavier wirken. Beides fehlt Stradal. Er gibt
nur „Transkriptionen**. Zwar bearbeitet er sie
auch frei, aber welche Zutaten fügt er hinzu!
Man sehe die seichten Tonleitern in „Oh quand je
dors" oder die billigen Doppelgriffe in „Du bist
wie eine Blume", die „piangendo** wirken sollen!
Und was hat er aus dem feinen Klangzauber der
„Drei Zigeuner** gemacht, welche üeberlastung,
welche überflüssigen Kunststücke! Er wollte offen-
bar aus dem „Lied** eine „Rhapsodie** machen. Sollen
solche Uebertragungen beitragen zum Bekanntwerden
der Lieder Liszt's? Sie wirken eher abschreckend.
J. Vianna da Motta.
Panl Kdppen's . Normal - Harmonium-
Literatur.'*
Paal KoeppeHy Berit«.
Von der Sammlung „Paul Koeppen's Normal-
Harmonium - Literatur** liegen wieder mehrere
neue Nummern vor. PaulKämpf 'bearb oitete drei
Klavierstücke von Robert Schumann, nämlich
Finale aus den .Papillons** op. 2, Davidsbündlertänze
No. 14 aus op. 6 und das Phantasiestück „Warum?"
aus op. 12 in geschmackvoller und klanglich
wirkungsvoller Weise für Harmonium und Piano-
forte, eine recht empfehlenswerte Arbeit. I>ie
berühmte Arie Sarastro^s „In diesen heiligen Hallen*
aus Mozart's- Zauberflöte** wurde in ihrem be-
gleitenden (orchestralen) Teile vod Bich. Franke
für Harmonium in angemessener Weise über-
tragen, sodass die wundervolle Musik auch in
dieser neuen Einkleidung zahlreiche Freunde finden
wird. Gottfried KinkePs schönes Gedicht „Es ist
so still ge w orden ** fand durch ßich J. Eichber^
(op. 20) sinngemässe und gutempfundene, wenn
auch stark Mendelssohnisch gefärbte Vertonung,
eine hübsche Komposition, deren Verwendung für
Kirchen- und Hauskonzert der Empfehlung wert
sein dürfte. Theodor Gerlach's „gesprochene
Lieder' sind in letzter 2ieit auf ihren inneren Wert
hin geprüft und besprochen worden. Die vor-
liegenden, des Komponisten op. 25 entnommenen
beiden Gedichte .An die Musik** und .Warum?"
sind infolge ihrer schwächlichen Erfindung kaum
dazu geeignet, für diese Frage mit künstlerischem
Nachdruck einzustehen.
In gleichem Verlage erschien auch eine Ro-
manze für Violoncello mit Begleitung des Piano-
fortes von A. Kellermann (op. 39), ein sehr
melodisches, unschwer ausführbares und in der
musikalischen Erfindung und Ausgestaltung sehr
annehmbares, sympathisches Stück, welches für
Unterricht und Vortrag treffliche Verwendung
finden kann. - Die Pianofortebegleitung ist rein
akkordischer Natur und enthält keinerlei Schwierig-
keiten.
Eugen SegniU.
Vereine.
Musik-Sektion
des Allg« Deutschen Lehrerinnen-Yereins.
ünslki^nippe Berlin.
GeneralTenammlniig mm Dienstag, den S. Mai.
Tagesordnung.
1. Jahresbericht des Vorstandes.
2. Kassenbericht.
3. Bericht über die Stunden Vermittlung.
4. Bericht über die Bibliothek.
5. Beratung über ev. Eintritt der Musikgruppe in
den Musikpädagogischen Verband.
6. Vorstandswahl.
Der Vorstand.
I. A.
Olga Stieglitz.
Der heutigen Nummer liegen Prospekte über Ferienkurse von Direktor
K, Batike, Berlin, und Ferienkurse der ¥irgil Technik - Schute bei, auf welche wir unsere
Leser besonders aufmerksam machen, D. E*
141 -
Konseryatorium der Musik
in Kassel.
Gegr. 1895. Direktion: L Beyer. Gegr. 1895.
EhreATOniU: Bcffienmes-Prisidant tob Trott m 8«1b,
Gnf KSalsidorff; Bzoelleoi Oeneralin tob Colomb,
Oberbürgermeister MUler n. A.
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Lehrer : Dm Damen : L. Beirery Blaial-rSntery Königl. Opem-
sänrerin, Gleeie-FateOBl» A. Taadlea. Die Herren:
Am HarftdeMiB, Kammervirtuos. Pro£ Dr. HSbely
». Kaletflciy Kgl. Kammermnsiker. K. KietBrnaBB.
al. Opernsänger, W. MoBheapt, Kgl.Kammermnsiker,
. SehaiMt, Kgl. Kammermusiker, H. Sehaarbaseh,
KgL Kammermusiker n. A.
Unterrichtncher: KUvier, Violine, Cello, Harfe und alle
übrigen Orcheeterinatmmente. Gesang, Harmonie-
nnd Kompositionslehre. Muaikgeschiohte. Italienisch.
OrchesterspieL Oehördbung. Musikdiktat.
Ober-,
Organisation: OonoertklasBen. Seminarklassen.
Mittel- und Elementarklassen.
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La Cloche. Meditation. Chanson Arabe.
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Bomance. Valae. Joyense.
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Frau Felix Schmidt-KOhne
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Sprechstande: 8—4.
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Hofpianistin, Eammervirtaosin.
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Berlia W., Puuaentrasse 26.
Käte Freudenfeld,
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Berlin W., Pasaaneratrasse 22 u.
€li$abetb €4lana»
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Prof. Franz K^pUak.
Klassen fflr höherea Kla4<enpl^>-
Berlin W., Habsburger^
ätr. 4.
Frau Dr. Luise Krause
Vorsteherin der
Schweriner iMusiIcschuie
Schule für höheres Klavierspiel und flusbiidung von Lehrkräften nach
dem preisgel(rönten Anschauungsunterricht der Vorsteherin.
ist
Berlin W.,
Merbarffeniratee IS.
Gmnewald,
KSalfMlIee Is, Gerteaheat.
Prof. Ph. SchmItt'Jl
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gegründet 1861 -
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Direktion: Prof. Ph. Schmf*^
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Für die Redaktion Terantworüich: Anna Morsch, Berlin W., Ansbacherstr. 87.
Expedition und Terlag ^Der KlaTler-Lehrer^^, M. Wolff , Berlin W., Ansbacherstrasse 37.
Druck: J. S. Preuss, Berlin S.W., Kommandanteustr. 14.
Der I^lavieF-IiehM.
Musik-pädagogische Zeitschrift für alle Qebiete der Tonkunst.
Organ der Deutschen Musiklehrer-Vereine,
der Musik-Sektion des K D. L-V. und der Tonkünstler- Vereine
zu Köln, Dresden, Hamburg, Leipzig und Stuttgart.
Begründet 1878 von Professor Emil Breslaur.
Redaktion: Anna Morscli
Berlin W.,
• • Cnibcini monallifb zweimal. • •
freit vlntcqSbrlid) bei allen Bttd>- und
IDttsikalienbandlunacn, Post • JVnttalten
(unter no. 4170) I.SO IDk., bei direkter
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ünsba<berstr. 37, zum Freite von 30 PI.
iflr die zweigetpaliene Petitzeile eni'
fleflenacnommen.
No. 10.
Berlin, 15. Mai 1904.
XXVII. Jahrgang.
labalt: A. Mecklenburg: Hans von Bülow als Musik- und Klavierpädagoge. (Schluss.) F. Kromayer: Der Mechanismus des
musikalischen Ausdrucks. Musikp&dagogischer Verband. Mitteilungen von Hochschulen und Konservatorien. Vermischte
Nachrichten. Bficher und Musikalien, besprochen von Eugen Segnitz und Anna Morsch. Meinungsaustausch. Vereine. Anzeigen.
«1$ IDNSik- una Hlaoierpaaagoge*
Von
A« IHeeklenbarii^.
(Schluss.)
Man hat Bülow den Vorwurf gemacht,
dass er das Ge-fühl zu sehr hinter der ver-
standesmässigen und technischen Auffassung
habe zurücktreten lassen; aber aus der An-
ordnung, der die Pädagogik zu folgen hat,
ersehen wir, wie unberechtigt dieser Vor-
wurf ist und wie er der nachschaffenden
Phantasie, als der Krone des Ganzen, ihre
Domäne unangetastet lässt. Die subjektive
Freiheit des Vortrages, bei der man per-
sönlich, individuell, der angeborenen
Phantasie Rechnung tragend erscheint, sie
ist es, worauf alle Klavier-Pädagogik abzu-
zielen hat. Das objektiv korrekte und das
schöne Spiel sind nur Vorstufen zu
jenem höheren Spiel, bei welchem man die
durch die Erfordernisse von I und II be-
dingten Fesseln nicht etwa abschüttelt, aber
mit solcher Leichtigkeit tragen lernt, dass man
sie garnicht mehr merkt.
Muss der Klavierschüler zuerst sklavischer
Geisteseigener des Tondichters werden, dringt
er durch heisse, ringende Arbeit auf Stufe 111
zu jener wahren „Beredtsamkeit" in der
Sprache des Gefühls hindurch, die, weit ent-
fernt von Effekthascherei, nun imstande ist
zu überzeugen, d. h. starke, innerlich tief ein-
greifende Eindrücke in der Seele des Hörers
zu wecken.
„Zunächst Knecht des Tondichters,
des Schöpfers des Was, steigt der
Schüler durch seine Schöpfung des Wie
dieses Was zum Range eines Frei-
gelassenen, zuweilen gar zu dem eines Mit-
bürgers des Komponisten empor. (Aus
„Wörter und Begriffe" Niederrheinische Musik-
zeitung, XII. Jahrgang, No. 28, den 9. Juli
1864.)
Wenn wir Sätze lesen wie die folgenden:
(Bemerkung zu „Aria con variazioni" von
Händel).
„Das Geheimnis des Reizes und der Wir-
kung des Vortrages auch der klassischen
Musikwerke älterer Zeit beruht schliesslich
immer auf dem nachschöpferischen „Eigenen",
welches die Individualität des Ausführenden
allein zu geben vermag";
oder (Bemerkung zur „Chromatischen Phan-
tasie" von Bach):
„Wer nicht zwischen den Zeilen zu lesen
vermag, wer nicht über ein gewisses Quantum
rezeptiver Genialität verfügt, wer selbst
146 —
keine Phantasie hinzubringt, bleibe in respekt-
voller Entfernung von der chromatischen
Phantasie Baches abseits stehen " —
Wenn wir uns solche Sätze Bülow's ver-
gegenwärtigen, können wir daraus deutlich er-
sehen — es sind dies klare Belege für die
obige Behauptung — , wie Bülow der nach-
schaffenden Phantasie, als der höchsten Potenz
einer Kunstleistung, dem inneren Fonds an-
geborener musikalischer Rezeptivität das un-
geschmälerte Recht lässt. Es ist das Recht
der unveräusserlichen Persönlichkeit, der aus-
geprägten Individualität, das wie das Recht
einer geheiligten Majestät von Gottes Gnaden
nicht verletzt werden darf. In dieses Reich
des intimsten, subjektiven Empfindens rück-
sichtslos eingreifen und eine ausgesprochene
Individualität zu einer anderen, vielleicht der
ersten entgegengesetzten, durch pädagogische
Kunstgriffe umstempeln, in eine andere Rich-
tung hineinzwängen zu wollen, wäre ein er-
zieherischer Frevel, der nicht wieder gut ge-
macht werden könnte. Das Recht der musi-
kalischen Individualität muss dem „Talent'^
unverkürzt verbleiben, weil es von oben her,
von Gott, der künstlerischen Seele geschenkt
ist und daher auf Unantastbarkeit Anspruch
hat. Es ist das geheimnisvolle, undefinierbare
,je ne sais quoi", die „Beredtsamkeit" in der
Sprache des Gefühls, welche die Grundlage
des wahrhaft künstlerischen Vortrages bildet.
Es ist das Talent, das angeboren und dem
Keime wenigstens nach vorhanden sein muss,
„das Wort, die Tat", welches die unent-
behrliche Voraussetzung einer musikalischen
Vortragsleistung ist. Ohne eine intensive
Anschauungskraft, ohne lebhafte Phantasie,
ohne ästhetische Erregbarkeit der Sinne, ohne
angeborenes „Temperament" bleibt jede
Leistung auf musikalischem Gebiet nur im
Rahmen des Handwerksmässigen. Falls die
technischen Bedingungen erfüllt sind, bringt
man es allenfalls zu einer glatt-formalen
Leisiung, der das Zeugnis der äusserlichen
Korrektheit nicht vorenthalten werden darf,
aber niemals zu einer wahrhaft künstlerischen,
dass sie von erwärmend nachhaltiger Wir-
kung wäre, dass sie Leben schaffte, weil sie
selbst das Leben in sich trägt. Omne vivum
ex vivo. Bülow verwahrt sich nun aber ent-
schieden dagegen, die aus dieser conditio sine
qua non, aus dieser „Gabe der empfindenden
Phantasie", sich entwickelnde „Auffassung"
mit Inspiration schlechtweg zu identifizieren.
ÜMStis ist ja so allgemein verbreitet als der
Wahn — und er wird besonders von ästheti-
sierenden Damen und schöngeistigen, kaum
über die Fundamentalerkenntnisse der Musik
hinausgedrurtgenen Musikschriftstellern ge-
pflegt — , dass die Auffassung eine unbewusste,
pure Gottesgabe, eine einfache Sache der
instinktiven Begeisterung sei. Nicht von In-
spiration redet Bülow in diesem Gedanken-
zusammenhange — das sei ein irreführender
Ausdruck, den der „gedankenlose Pöbel" er-
funden habe — er redet eben bezeichnender-
weise von „Beredtsamkeit". Und wie die an-
geborene Beredtsamkeit sich nur an dem
Buchstabenmaterial, der äusseren Manifestation
des Geistes heranbilden und entwickeln kann,
um das Niveau der höchsten Entfaltung zu
erreichen, so gilt auch für die musikalische
Beredtsamkeit: ,.Erst Buchstabentreue, dann
Geistes-Reproduktion". Nach Bülow ist ein
bloss „reinlicher" (korrekter) Vortrag nur so-
viel wie ein tötendes Buchstabieren; „deut-
liche Aussprache ist noch kein verständiges
Deklamieren, sinnvolle Deklamation ist noch
nicht empfindungs- und somit eindruckssichere
Beredtsamkeit". „Eine „Kunst des Vortrags"
wird aber, zumal in der Tonsprache, erst
durch das Zusammenwirken dieser drei
Faktoren begründet, von denen jeder höhere
den niederen bedingt."
Dass »nun bei Bülow der Geist der musi-
kalischen nachschafTenden Phantasie nicht
mit dem analysierenden, in das Chaos der
Tonempfindungen logische Ordnung hinein-
bringenden Geist zusammenfiel, sondern in
freier Selbständigkeit und Ursprünglichkeit
über den durch Analyse rhythmisierten Ton-
wellen schwebte, mit anderen Worten, dass
Bülow, wie schon unter II angedeutet, den
kategorischen Forderungen des durch musi-
kalischen Geschmack und Analyse geläuterten
musikalischen Gefühls hin und wieder Zu-
geständnisse machen musste, weil er eben
eine impulsive Künstlernatur war, zeigt u. a.
ein frappantes Beispiel, das uns Ehrlich in
seiner vortrefflichen j,Musikstudium und
Klavierspiel" betitelten Schrift aufbehalten hat.
Er erzählt hier Folgendes:
„Hans von Bülow gab vor einigen Jahren
Beethoven-Abende; an einem trug er die
(op. 57) fälschlich Appassionata genannte
Sonate vor. Am selben Vormittage studierte
ich mit einem Schüler im Stem'schen Kon-
servatorium den ersten Satz der Sonate; als
er am Schlüsse plötzlich mit dem diminuendo
auch das Zeitmass langsam nahm, verwies
- 147 —
ich ihm das ernstlich und hob hervor, wie
sehr richtig Bülow bemerkt hätte, dass durch
die Veränderung der Zeitdauer der Bassnoten
in den letzten Takten Beethoven selbst eine
V^erlängerung bestimmte, die einem Ritardando
gleichkommt. Der Schüler erbat sich mein
Exemplar der Bülow-Ausgabe für den Abend,
ging damit ins Konzert; Bülow spielte den
ersten Satz ganz unübertrefflich, bei den
letzten Takten — — — wurde er lang-
samer; und dennoch klang die Stelle wunder-
voll: denn er hatte zuerst, als die linke Hand
über dem Tremolo der rechten den ge-
brochenen Akkord ausführte, scharf rhyth-
misierend geeilt, und durch das Ritardando
das Gleichgewicht wieder hergestellt."
Hier sehen wir, wie ein, so grosser, so
ganz gründlich zu Werke gehender Künstler
im Momente höherer Anregung seine eigene
Vorschrift ausser Acht lässt, der Phantasie
freien, ungehemmten Flug gewährt und den-
noch dem Charakter der Tondichtung treu
bleibt; hier sehen wir, wie die anfangs ent-
wickelten Prinzipien Bülow's im Vergleich zu
den jetzigen nur eine dienende Stellung ein-
nehmen; wie sie gleichsam insofern nur rela-
tiven Wert haben, als sie die zweck-
entsprechendsten Folien darbieten können,
auf welchen sich das zuletzt gekennzeichnete
absolute Ideal der nachschauenden Phantasie
lichtvoll erhebt. So erscheinen denn in Bülow's
philosophisch - pädagogischen Betrachtungen
über das Klavierspiel die ersteren Positionen
als das Geländer, an welchem sich die empfin-
dende Phantasie bei ihrem Gang über die
Tiefen und Abgründe des musikalischen
Genius für gewöhnlich der Regel nach zu
halten hat — Fühlt sie sich im Stadium
höchster Begeisterung einmal schwindelfrei,
d. h. frei von „Gefühlsdusel", also stabil ver-
möge dör ihr eingeborenen rhythmischen
Gesetze, so kann sie auch ausnahmsweise
einmal für einen Augenblick den Gang wagen,
ohne des Geländers sich zu bedienen. Das
sind dann gottbegnadete, heilige Augenblicke,
in welchen wir das Flügelrauschen des Genius
selbst im Herzen vernehmen, dieser zu seinen
erwählten Lieblingskindern spricht und über-
zeugend, ja begeisternd durch sie redet. Das
ist dann nicht mehr ein Gang, nein, ein be-
gnadeter Flug in ungeahnte, gcktliche Reviere
des Tonreiches. —
In der reinen Aussprache der Seele und
des Geistes, der Wärme und des Gefühls, in
der Entfaltung des inneren Lebens mit allen
seinen Gegensätzen liegt bei der Reproduktion
das Machtgeheimnis des rezeptiven Genies,
vielmehr des rezeptiven Talentes in höchster
Potenz über die Herzen der Zuhörer; aber
nicht bloss darin, auch in der Entfaltung
des Adels unverfälschter, treuer Gesinnung
(d. h. der Stiltreue) dem Autor gegenüber.
Das Subjekt kann nur an dem Objekt zum
Bewusstsein seiner selbst gelangen, und so
kann sich die Hochblüte idealer Individualität
nur aus der innigsten Vertiefung in das Kunst-
werk, aus dem liebevollen Aufgehen in dem-
selben ergeben. „Die verklärte Auferstehung
des Subjekts" ergibt sich nur „als Lohn für
seine Hingebung an das Objekt", setzen wir
hier hinzu, an die Stilreinheit des Kunst-
werks selbst. Die musikalische Sub-
jektivität hat ihr Geländer, oft auch ihre
Schranke an dem Stil der Meister, der beim
Vortrag unter allen Umständen zu wahren
ist. Nur bei dem bestimmten Festhalten
des Stils der klassischen und modernen
Meister kann einem Ueberwiegen subjektiver
Willkür, einem Ueberschäumen der Sub-
jektivität die Spitze geboten werden. Daher
liess Bülow die Meisterwerke mit scharfer
Unterscheidung ihres individuellen Charakters
von seinen Schülern interpretieren, wie er es
ja selbst tat, und drang darauf, dass jeder
Meister in der Sphäre seines eigenen Stiles
dargestellt wurde.
Es war Bülow's Grundsatz, dass die
eigene Individualität nur an dem Spalier des
Stiles der Meister sich zur reifen Frucht ent-
wickeln könne.
Schumann ist nach Bülow ein „Sen-
timentaler", Mendelssohn ein „Naiver"; die
Sphären des Stils, in denen beide vorzutragen
sind, haben mit einander keine Verwandtschaft.
Mendelssohn in dem Stil Schumann's wieder-
zugeben, erzeuge ein widerwärtiges Zerrbild,
bei dem der Hauptzug Mendelssohn*s, der
seiner Formenreinheit und -Schönheit, völlig
verloren gehe. Bülow war ja ein Feind jeder
überschwenglichen Sentimentalität; karrikierte
Sentimentalität war ihm die Nachtseite der
wirklichen Empfindung. In Bezug auf No. 1
der „Lieder ohne Worte" pflegte Bülow zu
sagen: „Das muss wohl rühren, aber nicht
zu Tränen." Frei von jeder „Empfindsam-
keit" und Empfindungssüchtelei, obwohl ge-
wisse Mendelssohn eigentümliche,häufig wieder-
kehrende Melismen dazu verführen könnten,
muss Mendelssohn wiedergegeben werden,
etwa in dem klassischen Stile Mozart's.
— 148 —
Strenge Taktobservanz, Vermeidung leiden-
schaftlich erregter Rubatos, zu häufiger Ritar-
dandos, jeder „prickelnden Unruhe" sind ein
Gegengewicht gegen die hypersentimentale
Auffassung, der man leider Mendelssohn so
oft unterwirft. Je sauberer die Reinerhaltung
der Zeichnung bei Mendelssohn geschieht, um
so fruchtbarer erweist sich das Studium der
Mendelssohn'schen Klaviermusik für äusserste
Abschleifung und Verfeinerung in Anschlags-
und Bewegungsschattierungen.
Bei Chopin unterschied Bülow den
aristokratischen und den demokratischen
oder den gesunden, männlichen vom
krankhaften, hysterischen. Die vier
„Scherzo's" und die vier „Impromptu's", die
„Mazurka's" sind ihm die Ergüsse des
männlichen Chopin. „Bei Chopin braucht
man keinen Verstandeswitz, aber Gef ühls-
witzl* Nicht in allen Stücken war „Chopin**
für Bülow „die Seele des Klavieres", wie
Rubinstein „Chopin" nennt. Jedoch vindi-
ziert er ihm das Verdienst, die Grenzen der
Klaviermusik und Orchestermusik festgelegt
zu haben, welche durch Schumann zum
Nachteil beider Gebiete verwischt worden seien.
Mozart war Bülow der „Rafael" in der Musik,
der selbst in den Klaviersonaten nicht eines
dramatischen Zuges entbehrte. Das „Rondo"
in A-moU war für ihn ein kleines Kabinett-
stück, das seinesgleichen suchte; seine gefühl-
volle Wiedergabe ein Probierstein für das
musikalische Talent überhaupt. In Bach und
Beethoven dagegen fand Bülow die ganze
Welt der Tonempfindungen in umfassendster
Weise auseinandergelegt; schon in Bach fand
er hin und wieder ein humoristisches Element
vertreten; in der „Gavotte" G-moll:
L. H.
ist die Stelle zu spielen „als wenn man auf
einem Beine, tanztef' Bach ist Bülow eigent-
lich der richtige Zukunftsmusiker, in dem sich
schon Ansätze zu Tristan und Isolde vor-
finden. „Sie müssen", rief Bülow seinen
Schülern zu, „Bach 's Cantaten studieren; er
war ein wunderbarer Deklamator, er ver-
schmolz Wort und Ton wie nach ihm, nur
noch Richard Wagner" — Und Beethoven
war für Bülow endlich die Inkarnation der
Musik überhaupt; der Repräsentant fast sämt-
licher möglicher Stilarten, das Evangelium in
der Musik, das nicht vergehen kann, sondern
ewiglich bleibt. Nur ein Beh'errscher sämt-
licher Stilarten kann daher Bach und Beethoven
allein richtig spielen.
Fassen wir endlich zusammen: Freieste
Entfaltung der Individualität an dem
Stil des objektiven Kunstwerks, der seinerseits
nur auf Grund der tiefsten Einsicht in
dasselbe erkannt und dargestellt werden kann:
freieste Rekomposition auf Grund der
eingehendsten Analyse (Dekomposition) und
auf Grund der Beherrschung aller erforderlichen
technischen Mittel — das ist also nach obigen
Auseinandersetzungen das Ziel aller Klavier-
pädagogik nach der Bülow'schen Kunst-
anschauung. —
ß^i* ^ecbat)isn)us des it)usll<a1lscbef) Ausdrucks.
Jlii$ m. 3aeir$ mCa Mnisique et la »sycbopDysioloflie^
Debersetzt von
F. Kromayer.*)
II.
Die Aufmerksamkeit und der Muskelsinn.
Ampere hat zuerst festgestellt, welche .Ver-
änderung auf unsere augenblicklichen Empfindungen
hervorgebracht wird durch die vorangegangenen
Empfindungen, die uns mehr sehen lassen, als wir ,
wirklich sehen, mehr hören lassen, als wir wirklich
hören.**
Gerade diese wachsende Rmpfänglichkeit unseres
Organismus ist die Grundlage jeder künstlerischen
*) Vergl. den Artikel in No. 1 d. J.
Erziehung und wird immer in Einklang stehen
mit der Aufmerksamkeit, die man dem Studium
zuwendet.
•Unsere Kräfte sind zwar begrenzt, aber wie
grosse Ersparnisse lassen sich bei dem Verbrauch
dieser Kräfte erzielen! Nicht um sie weniger,
sondern um sie auf bessere Art auszunützen. Diese
bessere Verwertung unserer ELräfte kann bei dem
Musikstudium durch eine gründliche Kenntnis
unseres Organismus erworben werden. Sie lehrt
uns, dass der Kunstsinn, welcher sich nicht direkt
- 149 —
mitteilen lässt, durch das Stadium zu erwerben
ist, da es denselben praktisch vermittelt. Eihaut
sagt*): .Wenn ein oder zwei unserer Sinne von
besonderer Feinheit sind, so kann sich dadurch der
ganze geistige und moralische Charakter verändern.^
Diese Verfeinerung kann das Studium der
Kunst für alle Organe durch eine vernünftige Be-
wegungstätigkeit erreichen. Jedes Kunststudium,
welches auf materieller Tätigkeit beruht, kann
den sich ihm hingebenden Willen in ein bewusstes
Verständnis umgestalten. Dieses Verständnis beruht
in einer fortschreitenden Bichtigstellung falscher
Bewegungen, es ist der Kampf des einsichtsvollen
Willens geg^n einen noch ungeeigneten Organismus.
Das Maximum des angewandten Verständnisses
stimmt bei der Bewegungstätigkeit mit dem
Minimum der verbrauchten Kräfte überein. Das
Maximum verlorener Kräfte ist gleichbedeutend
mit Verständnislosigkeit. Gelangt der Schüler
durch fleissige Arbeit dahin, dieses Maximum um
einen Grad zu verringern, so hat er einen Grad
bewussten Verständnisses erworben; sobald dieser
erste Schritt getan ist, dehnt sich der Weg vor
ihm ins Unendliche. Die Vorgänge bei den Fort-
schritten sind für alle die gleichen, diejenigen,
welche mehr Energie entwickeln, kommen schneller
vorwärts, die anderen langsamer.
Bei dem Klavierstudium liegt der Anfang des
Verständnisses in der Muskeltätigkeit der Finger,
deren £nt Wickelung den richtigen Massstab für
die Bestimmung der Gehimtätigkeit darbietet.
Die Aufmerksamkeit stimmt mit der Muskelspannung
überein, wie der Unterschied in der Temperatur
mit den Graden des Thermometers. Das Klavier-
spiel bietet uns also gewissermassen die Möglich-
keit, unsere Aufmerksamkeit und unsere Gehim-
tätigkeit in demselben Masse zu vermehren, wie
es die Mnskelspannung unserer Finger stärkt.
Dieser psycho-physiologische Prozess ist wenig
bekannt, denn es lässt sich auch bei schlaffer oder
schlecht verwendeter Muskeltätigkeit und durch
falsch geleitete Uebungen eine grosse Finger-
fertigkeit erzielen. Der Organismus dieser Spieler
trägt eine Negation der Kunst in sich selbst. £r
gleicht einer Harfe, deren Saiten verzerrt oder
schlecht gestinunt sind. Um künstlerisch zu
spielen, muss man selbst harmonisch vibrieren.
Die Mnskeltätigkeit kann durch das Klavierspiel
ins Unendliche vervollkommnet werden, nichts-
destoweniger begnügt man sich gewöhnlich mit
einer sehr oberflächlichen und sogar schädlichen
Entwicklung, welche die Dauer des Stadiums ver-
längert, ohne Nutzen zu bringen. Um einen
einzigen Ton hervorzubringen, lehrt man dem
Finger zwei Bewegungen, die einander entgegen-
gesetzt sind. Statt diese beiden Bewegungen mit
Geschicklichkeit handhaben zu lernen, kann man
sein Muskelsystem unendlich verbessern, wenn
Physiologie de l'attention.
jede Fingerbewegung so dirigiert wird, dass sie
die Kraft verstärkt, welche sie hervorbringt.
Es muss deshalb das gewöhnliche Hin und Her
der Anschlagsbewegungen durch Rundbewegung
der Fingerspitzen ersetzt werden, die beim
Herunterdrücken der Taste herabgleiten. Forkel
sagt in seiner Biographie von J. S. Bach
bei der Analyse seines Anschlags: Der Druck der
Taste muss gleichmässig bleiben, deshalb darf der
Finger sich nicht senkrecht von der Taste erheben,
sondern muss langsam auf der Taste hingleiten,
indem er sich allmählich nach der Handwurzel um-
biegt. Je kleiner eine Biegung ist, desto mehr
Aufmerksamkeit ist ihr zu schenken, und um
einen Begriff von ihrer Vielseitigkeit zu bekommen,
muss man ihren Mechanismus zergliedern. Wenn
wir eine Taste künstlerisch herunterdrücken wollen,
kann die angeborene Schwäche unserer Muskeln
sich auf vierfache Weise bemerklich machen:
1. Durch die mangelhafte Unbeweglichkeit
vor der Anschlagsbewegung.
2 Durch die Langsamkeit der Anschlagsbe-
wegung selbst.
3. Durch die mangelhafte Reaktion des Fingers
nach der Anschlagsbewegung.
4. Darch die Unmöglichkeit, die Unbeweglich-
keit einiger Finger mit der Bewegungstätigkeit
der andern in Einklang zu bringen.
I. Die Unbeweglichkeit der Muskeln.
„Man darf behaupten, dass die Uebung der
Unbeweglichkeit die vorteilhafteste Uebung für
die Entwicklung des Verstandes ist; eine Erziehung,
welche diese Uebung vernachlässigt, schädigt die
Aufmerksamkeit und ist eine rückschrittliche Er-
ziehung."*) Es gibt Physiologen, welche die ab-
sichtliche Unbeweglichkeit der Muskeln mit der
Buhe der Muskeln verwechselt haben. Dieselbe
Verwirrung herrscht beim Klavierunterricht, wo
die Unbeweglichkeit der Finger mit Unrecht nicht
in dieser Weise gepflegt wird, wie ihre Tätigkeit.
Vielleicht wollte man früher das Prinzip der Un-
beweglichkeit durch jene Uebungen entwickeln,
bei denen einige Finger die Tasten herunterdrückten,
während andere Anschlagsbewegungen ausführten.
Aber gerade diese, durch das Aufdrücken der
Finger hervorgebrachte Unbeweglichkeit stellt die
Ruhe, d. h. den Schlaf der Organe dar. Sie hat
nichts gemein mit der Unbeweglichkeit, welche
der Muskelspannung entstammt und welche für
die organisshe Entwicklung ausschlaggebend ist,
weil die statische Tätigkeit (die Unbeweglichkeit),
wie Beclard bewiesen hat, mehr Energie erzeugt
und die Temperatur der Muskeln erhöht, als die
dynamische Tätigkeit (die Bewegung). Weil die
Unbeweglichkeit der Hand die Unbeweglichkeit
des ganzen Körpers erfordert, so hat das Klavier-
spiel die allgemeine Mnskelspannung zur physio-
logischen Bedingung; aber natürlich lässt sich
*) Ch. Ferö: La Pathologie des ömotions.
— 150 —
die Dauer dieser freiwilligen ünbewegllchkeit nur
dann ausdehnen, wenn gnte, nervenstarke, wohl-
genährte Muskeln vorhanden sind.*) Das Klavier-
spiel hilft uns diese guten Muskeln entwickeln,
wenn der Spieler vor der Anschlagsbewegung
jedes Fingers den vom Gehirn ausgehenden Be-
wegnngsbefehl in einem besonderen Zustand der
Vorbereitung erwartet, der ihn befähigt, demselben
augenblicklich zu gehorchen. Das chronische
Vorauseilen der linken Hand vor der rechten bei
der Anschlagsbewegung ist ein allgemein be-
kannter Fehler. Ein weniger bekannter Fehler
ist das Vorauseilen der rechten Hand bei der An-
schlagsbewegung vor unserem eigenen Willen.
Wenn die Finger stark aufgehoben werden, so
kann man mit Leichtigkeit feststellen, dass die
Abwärtsbewegung nicht in demselben Augenblick
erfolgt, wie die Anschlagsbewegung, sondern be-
deutend früher. Der Spieler kennt gewöhnlich
diese Bewegung^schwächen nicht, welche durch
die Uebung der Unbeweglichkeit und durch die
Vervollkommnung der geistigen Vorstellung der
Bewegung verbessert werden müssen, denn „die
Energie einer Bewegung hängt von der geistigen
Vorstellung dieser Bewegung ab."**) Es ist sehr
wichtig, diese Beziehung zu den geistigen Vor-
stellungen zu erklären, da sie in Widerspruch zu
dem relativen ünbewusstsein zu stehen scheinen,
das man gewöhnlich den mechanischen Bewegungen
zugesteht, die durch andauernde Uebung den Or-
ganen übertragen und von M. Marey folgen der-
massen definiert werden: „Manche Physiologen,
und wir mit ihnen, sind der Meinung, dass im
Gehirn und Bückenmark Zentren der Nerventätig-
keit bestehen, welche infolge von G^ewöhnung ge-
wisse Eigenschaften annehmen. Sie erwerben die
Fähigkeit, verschiedene Bewegungsgruppen zu
leiten und einander beizuordnen, ohne volle Mit-
wirkung desjenigen Teils im Gehirn, welcher die
bewusste üeberlegung unserer Handlungen bewirkt.**
Gerade weil diese Tatsachen physiologisch wahr
sind, ist es wichtig, ihren verderblichen Einfluss
festzustellen, denn das Musikstudium soll gerade
mit diesem Teil des G«hims betrieben werden,
welcher die Üeberlegung und das Bewusstsein
leitet. „Erkenne Dich selbst** ist die vorzüglichste
Vorschrift für alle, welche Musik studieren wollen.
Eine Bewegung von grosser Schnelligkeit auf
einen bestimmten Punkt richten zu können, ist
ein Beweis von Vervollkommnung, denn ehe man
auch nur eine Taste mit dem Finger künstlerisch
herunterdrücken kann, muss man den Gehim-
befebl zu dieser Handlung und die physiologischen
Bedingungen, unter denen er ausgeführt wird,
durch angestrengte Üeberlegung regeln. Die halb
bewusste Bewegung ist also absolut unverträglich
mit der Vervollkommnung derselben. Um zu
*) F^rö: La pathologie des ^motions.
*♦) FM: Sensation et mouvement.
wissen, dass man unvollkommen ist, musB man
sich erkennen, um sich zu bessern, muss man sich
besiegen, um sich besiegen zu können, muss man
wissen, worin die Vervollkommnung besteht, und
sie zur Ausführung bringen. Das ist die Aufgabe
des Studiums.
U. Langsamkeit der Fingerbewegung
beim Anschlag.
Die Energie der Bewegung hängt von der In-
tensisät der geistigen Vorstellung dieser Bewegung
ab. Im vorhergehenden Abschnitt ist diese Ver-
vollkommnung unter dem statischen Einfluss der
Muskeln als erste Bedingung für die Vervoll-
kommnung des Anschlags dargestellt. Je mehr
der Charakter der Anschlagsbewegung sich unter
dem Fortschritt der Schnelligkeit in den Muskel-
bewegungen verändert, umsomehr wird der Spieler
fühlen, dass jedes noch so kleine Organ, wenn es
sich schnell bewegt, bestrebt ist, alle anderen Be-
wegungsorgane mit sich in gleiches Tempo zu
bringen. Man bringt also mittelst eines ausser-
ordentlich schnellen Herunterdrückens der Taste
starke Gefühls- und Gehirnreaktionen hervor.
Wenn diese leichte Bewegung des Tasten-
anschla^ mit g^össter Schnelligkeit ausgefühit
wird, so veranlasst sie eine vibrierende Erschütterung,
welche augenblicklich die ganze Muskulatur des
Körpers durchläuft. Die Anschlagsbewegung in
der gebogenen Linie, welche die Fingerspitze an-
gibt, soll möglich wenig Gewicht enthalten, als
ob sie nur einen sehr schwachen Widerstand zu be-
siegen hätte. Der Einfluss der Schwere muss
durch die Arbeit entfernt werden, denn die Schwere
ohne Gegengewicht ist unkünstlerisch, und mit
Gegengewicht*) verhindert sie die Schnelligkeit.
Diese leichte Bewegung, bei der man durch eine
vielseitige Anstrengung das schnellste Herunter-
drücken der Taste ohne Grewichtsverbrauch zu er-
reichen sucht, bildet das Bewegungsproblem des
Studiums. Das heisst also, dass es, um die Organe
des Wohlklangs auszubilden, darauf ankommt,
so zu arbeiten, dass man beim Herunterdrücken
einer Taste wenig Ton hervorbringt, damit man
alle Kräfte der Organe darauf verwenden kann,
die Bewegung selbst zu vervollkommnen.
ni. Das fehlerhafte Zurückziehen nach
dem Anschlag.
Die Vervollkommnung dieses Zurückziehens
ist von der grössten Wichtigkeit beim Spiel. Die
Klangfarbe wird zum Teil durch den Charakter
dieses Zurückziehens bedingt.
Diese Tatsache ist durch eine Erfindung
M. Carpentiers festgestellt, dessen „Melotrope*
nicht nur die genaue Wiedergabe des Klavier-
spiels, sondern auch die der Klangfarbe vermittelt.
*) Siehe Marie Jaell: Le Toucher, ^ouveaux
principes elömentaires pour Tenseignement du piano.
— 151 —
Bei jedem Spiel entfaltet sich eine doppelte
Wirkung: dorch gewisse Bewegungen den Ton
hervorbringen, darch gewisse andere ihn zerstören.
Die Beziehungen dieser doppelten Wirkungen zu
einander sind so unlöslich, dass schlecht zerstören
soviel heisst, wie vergebens gut hervorbringen.
Es ist wichtig, hier daran zu erinnern, dass beim
Studium die Zusammenziehung des Fingers mit
dem Gefähl gemacht werden muss, als wäre ein
grosser Widerstand zu besiegen, damit durch einen
uiwiderstehlichen Impuls die Gelenke gesclimeidig
gemacht werden welche die Finger mit der Hand
verbinden. Durch Anwendung dieses Verfahrens
nimmt die fortschreitende Umbildung der Muskel-
spannung einen so energischen Charakter au, dass
sogar die Form der Hand ihrem Einfluss nicht
entgeht. Die Resultate werden durch 1—2 Stunden
täglicher Arbeit erreicht. Drei Stunden täglichen
üebens ist das nicht zu tiberschreitende Maximum,
das in drei gleiche Zeiträume zu teilen ist.
IV. Die Unbeweglichkeit gewisser Finger
in Verbindung mit der Bewegungstätigkeit
gewisser anderer.
Die zehn Finger sind zehn Persönlichkeiten,
von denen jeder für sich dem Befehl gehorchen
muss, den er empfängt, ohne sich um die Befehle
zu kümmern, die seine Nachbarn erhalten. Wenn
bedacht wird, dass der Ausgangspunkt für die ge-
ringste Bewegung der Finger und ihrer Glieder
sich in den langen Armsebnen befindet, so ist die
Schwierigkeit der Aufgabe begreiflich und die ge-
meinschaftlichen Bewegungen, welche dabei her-
vortreten, nicht zu verwundern. Je mehr es aber
gelingt, die Finger zu individuellem Bewusstsein
zu erziehen dadurch, dass sie unabhängig von ein-
ander gemacht werden, umsomehr wird die statische
Konzeutrationskraft derjenigen, welche unbeweglich
bleiben, die Bewegungskraft und Pünktlichkeit
der anderen vermehren. Die geringste Mitbewegung,
welche ein Finger macht, bedeutet also nicht nur
für diesen Finger selbst einen Kraftverlust, sondern
auch für denjenigen, welcher sich bewegen soll.
Da die ganze Muskulatur des Organismus in der
Biegung oder Spannung eines Fingers darauf an-
gelegt ist, das Maximum verwendbarer Kraft zu
entfalten, so haben die geringsten Bewegungs-
fehler eine ganz besondere Wichtigkeit. Wer die
Schwierigkeiten der Anschlagsbewegung über-
wunden hat, für den ist im Prinzip die Schwierig-
keit des musikalischen Ausdrucks gehoben.
^usl1<pädagog!scbeF Verband.
näcftste JlttTgabe».
Aus dem Protokoll BUflammengeBtellt
von
Anna Jüorseh.
Der Vorstand beschäftigte sich in seiner letzten
Sitzung eingehend mit einem Antrage von Herrn
Mnsikditektor Mengewein. Derselbe lautet:
Nachdem der Vorstand die Prüfungsordnung
aufgestellt hat, ist es notwendig, das Lehr- und
Lemmaterial für die einzelnen Seminarklassen zu
bestimmen. Die Fächer, welche in Betracht
kommen, sind folgende:
L Hauptinstrument (Klavier, Violine,
Violoncello, Orgel, Gesang u. s. w.).
II. Ensemblespiel.
III. Chorgesang.
IV. Musikgeschichte.
V. Theorie derMusik.
VI. Pädagogik und Methodik.
VII. Physiologie und Psychologie,
soweit dieselben für das musikalische
Studium in Betracht kommen.
VUI. Formenlehre.
IX. Aesthetik.
X. Bildung des musikalischen Ge-
hörs (Musikdiktat).
Da es zur Erreichung der Ziele, welche für
die Prüfungen gesteckt sind, unerlässlich ist:
1. das Lehrpensum für jedes einzelne Semester
mit Untereinteilungen festzustellen,
2. geeignete Lehrbücher auszuwählen, oder,
wofern solche noch nicht vorhanden sind,
für deren Schaffung Sorge zu tragen,
so stelle ich den Antrag, der Vorstand des
Musikpädagogischen Verbandes wolle be-
schliessen, neben der bereits für die Lehrpläne
eingesetzten Kommission noch eine zweite zu
bilden, welche sich sogleich der Aufgabe
unterzieht, die für Punkt 2 nötigen,
hochwichtigen Arbeiten zu erledigen.
Hr. Mengewein begründete seinen Antrag
noch mit folgenden Ausführungen: Wir haben in
den Satzungen die Gedanken, die uns zu
unserem Zusammenschluss bewogen, und in der
Prüfungsordnung einen Teil der zu er-
strebenden Ziele niedergelegt. Es gilt jetzt für
dieses Prüfungsziel die Pfade aufzufinden, die
sicher zu demselben hinleiten. Für die „Lehr-
pläne^* sind durch die erwähnte Kommission und
durch freiwillige, mit Dank aufgenommene Mit^
arbeit die Vorarbeiten bereits tüchtig gefördert;
der Stoff für die praktischen Fächer ist reichlich
— 152
vorhanden, die Schwierigkeit seiner Gruppierung
liegt nur in der überreichen FtUle des Materials.
Ein entgegengesetztes Bild bieten jedoch die
wissenschaftlichen Disziplinen. Wir besitzen für
einige ungenügende, für andere überhaupt
weder Lehrbücher, noch methodische
Anweisungen über die Handhabung des Unter-
richts. Für Musikgeschichte, Formen-
lehre und Theorie sind zwar genügende
Schriften und Methoden vorhanden, doch bedarf
es hier noch sehr der ordnenden Hand, die
den Stoff schulgemäss in Semester un 1 ünterein-
teilungen gliedert. Viel dürftiger sieht es aber auf
den übrigen Gebieten aus. Für die musikalische
Pädagogik, Psychologie, Aesthetik
fehlt jegliches Lehrbuch, und jeder Pädagoge, dem
diese Fächer auf dem Konservatorium anvertraut
sind, muss sich in mühseliger Arbeit den Stoff
selbst zusammentragen. Dem musikpädagogischen
Verbände erwächst hier eine grosse und schöne
Aufgabe. Es gilt einerseits, den vorhandenen
Stoff für die Musikwissenschaften: Theorie,
Formenlehre und Musikgeschichte
gründlich durchzuarbeiten, praktische Lehrbücher
für diese Gebiete zu verfassen und fest umrissene
Lehrpläne zu entwerfen ; andererseits handelt
es sich um Neuschaffungen für die oben er-
wähnten pädagogischen , psychologischen und
ästhetischen Gebiete. Hier bedürfen wir des Zu-
sammenwirkens vieler Kräfte ; es wird nötig sein, eine
Reihe tüchtiger Fachleute zur Mitarbeit heranzu-
ziehen, um allseitig befriedigende Resultate zu er-
zielen. Hr. Direktor Mengewein weist bezüglich
des letzteren Vorschlages auf die Taktik der
Wissenschaftler, z B. der Aerzte hin. Sie sind
längst davon abgekommen, bei vorliegenden Auf-
gaben, wenn es gilt, für ein Spezialgebiet ein
wissenschaftliches Lehrbuch herauszugeben, diese
Arbeit einem Einzelnen anzuvertrauen; es wird
vielmehr ein ganzer Kreis von Fachleuten damit
betraut. Nun bearbeitet jeder selbstverständlich
das Gebiet, welches sein spezielles Interesse
von jeher gefesselt, mit besonderer Vorliebe, es
entsteht ein Gtesamtwerk, das, voll lebendiger
Eigenart, den Stoff aufs Gründlichste erschöpft,
ausserdem aber von vornherein durch die zahl-
reiche Mitarbeiterschaft einen viel grösseren
Interessentenkreis findet, als das Werk einer einzelnen
Persönlichkeit. Wir können nichts Besseres tun,
als uns solchem erprobten Vorgehen anzuschliessen,
wecken wir also das Interesse der Kollegen zur
Förderung unseres Werkes, und ich bin überzeugt,
dass der Erfolg ein günstiger sein wird."
Der Antrag von Hm. Dir. Mengewein fand
lebhafte Sympathie und veranlasste eine angereg^te
Diskussion über einzelne Abschnitte. Es wurde
besonders erwogen, ob es nicht möglich sei, den
Theorieklassenunterricht fesselnder zu gestalten,
die Theorie mehr mit der Praxis zu verbinden.
Die Erfahrung lehrt, dass bei jedem beginnenden
Semester die Theorieklassen der Konservatorien
voll besetzt sind, dass die Schüler sich aber nach
und nach verlieren und der Lehrer schliesslich vor
leeren Bänken doziert. Es liegt einerseits in dem
Unvermögen Einzelner, dem Lehrgang zu folgen,
andererseits, und zwar überwiegend, in der wenig
fesselnden Ijehrform, bei der sich dem Schüler das
Gefühl von üeberflüssigsein aufdrängt, weü er
keinen verbindenden Pfad von der Theorie zu
seinen praktischen Studien findet. Die Erscheinung
wiederholt sich bei allen Lehrmethoden, gleichviel,
ob der Lehrer nach Richter, Jadassohn, Bussler,
Riemann oder anderen theoretischen Werken unter-
richtet. Es scheint demgemäss dringend geboten,
auch hier den Hebel anzusetzen, um dem w^ich-
tigsten Zweige der Musikwissenschaft frischeres,
kräftiger pulsierendes Leben zuzuführen.
In ähnlicher Weise wurde über sämtliche
Fächer beraten und der Beschluss gefasst, zunächst
die vorhandene Literatur durchzuforschen und in
einer späteren Sitzung über ihre praktische Ver-
wendbarkeit abzustimmen, ferner aber den Appell
an die Musikpädagogen zu richten, Beiträge zu den
geplanten wissenschaftlichen Lehrbüchern einzu-
reichen, besondere Arbeiten für die einzelnen
Zweige zu übernehmen um dadurch dasjenige
umfassende Material zu gewinnen, das zur Aus-
gestaltung der Seminare so unerlässlich ist.
Die Veröffentlichung aller Arbeiten, soweit sie
den obigen Anforderungen entsprechen, ist in Aus-
sicht genommen, und mit diesem Beschluss kommt
ein früherer Antrag von Hrn. HeinrichPeters,
Gelsenkirchen, zugleich mit zur Erledigang.
Er plädierte dafür, dass alle wichtigen Reform-
fragen und ihre Lösungen auch dem Publikum
bekannt gemacht würden, und schlug dafür
die Form von Flugblättern vor. Ob nun
diese oder eine andere Form gewählt wird, jedenfalls
wird es sich der musikpädagogische Verband ange-
legen sein lassen, nach Erledigung wichtiger Fragen
auch das Publikum mit seinen Reformplänen in ans>
giebiger Weise vertraut zu machen.
Mitteilungen
von Hoohsohulen und Konservatorien.
Prof. Dr. J. Gänsbacher, langjähriger der Musikfreunde eingereicht und wird mit Ende
Lehrer des Sologesanges am Wiener Konser- des Schuljahres aus seinem Amte scheiden. —
V a t o r i u m , hat aus Gesundheitsrücksichten seine Josef Gänsbacher wurde im Jahre 1829 in Wien
Pensionierung beim Direktorium der Gesellschaft als Sohn des Kirchenkomponisten und DomkapeLl-
— 153 —
meifiters JohannGänsbacher geboren. Seinen
ersten Mnsikunterrlcht erhielt er von seinem Vater
und stadierte dann nnter anderen bei Hollnb nnd
Gentiliromo. F<ir die joridisclie Laufbahn bestimmt,
promovierte er im Jahre 1855, wendete sich aber
ausschliesslich der Musik zn nnd bekleidete seit dem
Jahre 1876 die Stelle eines Professors des Solo-
gesanges am Konservatorium. Er war auch als
schaffender Tonkünstler t&tig, schrieb viele Lieder,
darunter manche äusserst geschätzte, und be-
arbeitete schottische Volkslieder für das Pianoforte.
Sein Freundschaftsverhältnis zu Brahms ist bekannt.
Von seinen hervorragendsten Schülern seien genannt:
Marie Wilt, Hermine Braga, MilkaTernina,
Nikolaus HothmÜhl, Franz Naval und
Leopold Demuth.
Die Pianistin Maria Gerdes-Bauter hat in
Bremen unter dem Namen „Liszt- Akademie"
eine Schule zur vollständigen künstlerischen Aus-
bildung im Klavierspiel eröffnet. Die Dame hat
bei den Professoren Xaver Scharwenka und
Wi Ihelm Berger und der Hofpianistin
Martha Bemmert — einer der hervorragendsten
Schülerinnen Franz Liszt's — studiert, so dass sie be-
fähigt ist, ihren Schülern eine gründliche Aus-
bildung zu teil werden zu lassen, sowohl in
technisch virtuoser als in musikalisch künstlerischer
Beziehung.
Die früher bereits angekündigten Ferien-
kurse von Fr. Dr. Luise Krause nach ihrem
preisgekrönten Anschauungsunterricht beginnen
am 1. Juni und dauern nach Zahl der wöchent-
lichen Stunden 1 bis 2 Monate. Der Unterricht
wird auch in englischer Sprache erteilt; dieüeber-
setzung des methodischen Werkes ist bei Breit-
kopf & Härtel erschienen. Nähere Auskunft
bei Fr. Dr. Krause, Vorsteherin der Schweriner
Musikschule, Berlin W., Marburgerstr. 15.
•— Aus dem vorjährigen Ferienkursus resultierte
die Gründung einer Musikschule in Frankfurt
und ein Zweiginstitut im Grunewald nach dem
Krause'schen System.
Yermischte Nachrichten.
Professor Karl Halir ist aus seiner Stellung
als erster Konzertmeister der König 1. Kapelle
zu Berlin ausgeschieden. Er wird dem Berliner
Konzertleben durch seine Tätigkeit als ausgezeich-
neter Virtuose und Pädagoge trotzdem erhalten
bleiben.
Unser Berliner Philharmonisches
Orchester, unter Leitung von Arthur Ni-
ki s c h, hat in Petersburg glänzende Erfolge
durch seine Konzerte, die der Ehrung T s c h a i -
kowskl's gewidmet waren, errungen. Dirigent
und Orchester wurden mit Stürmen von Beifall
überschüttet. — Die Leitung der populären Kon-
zerte für die nächste Saison, an Steile des ver-
storbenen J. Bebicek, ist unter 180 Bewerbern dem
Komponisten August Scharrer, der eine
Zeit lang die populären Konzerte des Kaim-
Orchesters in München leitete, Übertragen
worden.
Prof. Dr. Hermann Kretzschmar hat
die Berufung als ordentlicher Professor der Musik
ui der Berliner Universität angenommen und wird
voraussichtlich im Herbst d. J. seine Vorlesungen
beginnen.
Dr. ArthurSeidl, dramaturgischer Sekretär
des Hoftheaters zn Dessau, hat vom Herzoge
von Anhalt den Titel „Professor" erhalten.
Professor Joachim wird bei seinem dies-
maligen Besuch in England eine besondere Ehrung
empfangen. Zu seinem Konzert am 16. Mai in der
Queenshall ist eine „Qlückwunschadresse" vor-
bereitet, die ihm nebst seinem von John
S- Sargent gemalten „Portraif* in Erinnerung
daran überreicht werden soll, dass er vor 60 Jahren
zum ersten Mal als Knabe von 13 Jahren die eng-
lische Zuhörerschaft durch sein Spiel begeisterte.
Der Komponist Emil Sahlender zu
Heidelberg erzielte durch ein Konzert, welches
nur eigene Kompositionen enthielt, einen unbe-
strittenen Erfolg. Zur Aufführung kamen Szenen
aus den Opern „Schelm von Bergen" und .Die
Waffen nieder", femer Stücke aus der I. „Orchester-
Suite", das grosse Chorwerk „Der Mummelsee",
eine neue „Ballade" und verschiedene „Lieder''.
Herr Josö Vianna da Motta gab in der
zweiten Hälfte des April in Braunschweig
3 historische Klavierabende mit mündlichen Er-
läuterungen, die dem Künstler reiche und wohl-
verdiente Ehrungen eintrugen. Er spielte im ersten
Konzert nach dem historischen Bück blick Werke
von Byrd, Couperin, Bameau, Scarlatti und
Bach, im zweiten war Beethoven, Weber,
Field, Chopin und Schumann vertreten, der
dritte warLiszt gewidmet und brachte eine Beihe
seiner hervorragendsten Werke, u. a. die H-moU-
Sonate, zwei Legenden, den Mephisto- Walzer u. s. w.
Anton Dvofak, der berühmte tschechische
Komponist und Leiter des Prager Konserva-
toriums, ist am 1. Mai durch einen Schlagfluss
plötzlich aus seinem tatenreichen Leben und
rüstigem Schäften abberufen worden. Er ist im
September 1841 geboren, hatte somit sein 63. Jahr
noch nicht vollendet. Wir kommen später in aus-
führlicher Biographie auf den seiner Kunst viel
zn früh entrissenen Künstler zurück.
In Wien hat sich unter der Präsidentschaft
Dr. V. Mille r*s zu Aichholz eine Brahms-
Gesellschaft konstituiert, deren Zweck es ist.
— 164 —
sämtliche Mobilien der Wohnaog des verewigten
Meisters za erwerben und für die Zukunft zu er-
halten. Der Vereinigung gehören bereits 11 Stifter,
28 Gründer und 82 Mitglieder an
Die 60. Aufführung im Musik-Salon Bertrand
Roth zu Dresden war dem Andenken Franz
L i s z t*8 gewidmet, zu dessen Schülern Prof. Both
zählt Er spielte die grosse H-moU-Sonate (in
einem Satze) in bewunderungswürdiger Weise,
Frau Luise Reuss-Belce, grossh. badische
Kammersängerin, sang, von ihrem Gatten Eduard
ReusB begleitet, 6 Lieder in vollendeter Aus-
führung; zum Schluss spielte die jetzt 14jährige
Johanna Thamm, seit 5 Jahren Schülerin Prof.
Roth's, 4 Konzertetüden „Waldesrauschen",
„Gnomen reigen", „Ricordanza" und «Mazeppa" und
erregte ebensowohl durch die Reife ihrer Technik
wie auch durch die Schönheit ihres Anschlags und
die Sicherheit ihres Stilgefühls wohlberechtigtes
Erstaunen. Die Hörer waren in freudigster
Jubiläumsstimmung und überschütteten alle Mit-
witkenden mit Beifall.
Der Fürstl. Thum und Taxis'sche Hofgeist-
liehe Hermann Bäuerle in Regensburg
begann 1903 aus eigener Initiative leichte und
mittelschwere Kompositionen Palestrina's
(zunächst 10 Messen) in moderner Notation
(nur Violin- und Bassschlüssel, Reduktion der Par-
titur auf 2 Liniensysteme) herauszugeben, um
strebsamen Earchenchordirigenten, denen die Nota-
tion in alten Schlüsseln minder geläuüg lesbar ist,
die Elitewerke altklassischer Kirchenmusik bequem
zugänglich zu machen. Der Erfolg des rein
privaten, von Papst Pius X. gebilligten Unter-
nehmens war ein überraschend günstiger und er-
streckte sich auf einen zweiten, die 52 vieratimmigen
Motetten Palestrina's enthaltenden Band. Durch
das Motu proprio des Papstes vom 22. Nov. Id03,
das sich eingehend mit der Reorganisation der
katholischen Kirchenmusik befasst, ward Bäuerle
zur Fortsetzung und Erweiterung seiner Modemi-
sierungsarbeiten ermutigt und will nun, um der
Verbreitung und Pflege der Palestrina'schen Werke
noch weiteren Vorschub zu leisten, jetzt die
10 Messen des ersten Bandes, mit Vortrags- and
Tempobezeichnungen versehen, in Einzelausgaben
erscheinen lassen; auch 80 Nummern des Motetten-
bandes sollen in 12 Einzelheften mit Vortragszeichen
versehen erscheinen. Ein zweiter Messenband soll
weitere 10 in der Praxis wenig oder gar nicht be-
kannte, aber nicht schwierige und durchaas
lltnrgiefähige vierstimmige Messen Palestrina*s ent-
halten. Wir machen strebsame Kirchenchor-
dirigenten auf diese Publikationen hiermit auf-
merksam.
Die neu begründete, aus 67 Musikern zusammen-
gesetzte Posener Orchestervereinigung be-
endete soeben das erste Jahr ihres Bestehens. Die
Progn:'amme der stattgefundenen 7 grossen Sinfonie-
konzerte, welche fortgesetzt die grösste BeteÜigung:
des Publikums fanden, enthielten u. A. „4., 7. und
8. Sinfonie*^ von Beethoven, „G moU- Sinfonie^
von Brahms, „D-moU-Sinfonie*' von Rabl,
„Sinfonie pathetique*^ von Tschai kowsky,
„Sinfonie C-dur" von Schubert, „Wald-
phantasie^^ von Zoellner, „Seemorgen** von
Schillings, ,Tod und Verklärung" vonStrauss,
femer Kompositionen von Beethoven, Berlioz,
Wagner, Bizet, Dvof4k, Grieg, Händel und
Kich. Strauss „Serenade" für Blasinstrumente.
Dirigenten waren Kapellmeister Sass, Hacken-
berger, Musikdirektor Geis 1er und Hofkapell-
meister Dr. Muck. Als Solist trat in einem
Konzert Alexander Petschnikoff auf, welcher
das Beethoven 's che „Violinkonzert'' spielte.
„Mandanika", Oper in einem Akt von Gustav
Lazarus, Dichtung von Julius Freund, die be-
reits auf vielen auswärtigen Bühnen erfolgreich
aufgeführt wurde, ist für das neue National-
Theater am Weinbergsweg zu Berlin an-
genommen.
Bücher uod MusikalieD.
B. B. Kroegeri op. 54. „Sechzehn Variationen^ für
Planoforte.
Breltkoyf ud Hir««l, Leipsiff.
Oben genannte Variationen über ein eigenes
elegisches Thema von E. B.. Kroeger möchte ich
vorzugsweise in erster Linie als willkommenes
Studienwerk ansehen, denn es bringt bei verhält-
nismässig bescheidener Erfindung doch eine grosse
Zahl wertvoller, bis ins Aeusserste verfolgungs-
werter technischer Probleme. Insonderheit bieten
sich hierin gute Materialien für das Pianoforte-
spiel grossen Stils; Octaven-, Sexten- und gebroche-
nes Octavenspiel feiert da wahre Triumphe und
Orgien, sodass es eventuell der Mühe lohnt, sich
mit der schwierigen Aufgabe näher zu befassen,
umsomehr, als der angewandte Setz durchaus pia-
nistischer und sinngemässer Natur ist.
C. U. Richter: „Toccata", C-dur, für Pianoforte.
Breitkopf «nd HirM, Lelpslg .
Eine wohlklingende und gut gearbeitete Kom-
position, die wohl auch beim Unterricht passende
Verwendung finden mag. Vielleicht hätte das und
jenes (z B. auf S. 8 und 9) noch einfacher und
dem musikalischen Gehalte entsprechender gegeben
werden können. Jedenfalls aber hinterlässt das
Opus auf den Spieler einen sehr günstigen Ein-
druck und verdient lobende Erwähnung.
155 —
PmI KlengeY, op. ^35. ,,Zehn Phanfcasiestückc für
Klavier.
Bnltkopf vmd Hirtel, Lelpilg.
Die beiden vorliegenden Klavierhefte des op. S5
von Panl Klengel verdienen die Aufmeiksamkeit
and Beachtung der Pianisten, denn sie bieten in
ihren zehn Stücken ohne Ausnahme fein empfun-
dene und frisch erfundene Musik. Es sind Skizzen
massigen ümfangs, sorgfältig ausgeführt und von
bestem musikalischen Geschmack Zeagnis ablegend
zu denen man behufs genauerer Kenntnisnahme
immer gern wieder zurückkehren wird. Paul
Klengel schlägt hier Töne verschiedener Art an,
nachdenkliche und heitere, ernsthafte und fröhliche,
and versteht es, den Hörer immer in dem einmal
gewonnenen Stimmungsmilieu festzuhalten und ihn
für alles zu erwärmen und zu interessiren, was er
zu sagen hat. Es bleibt nur Übrig, seinem intimen
Mosiziren die rechten Spieler (und Hörer zugleich!)
za wünschen, denn nicht Wenige begeben sich
^rn aus dem Heiche der grossen Formen in das
Gebiet der musikalischen Miniaturmalerei. Und
gerade hier ist Paul Klengel sichtlich heimisch und
weiss seine Gäste auf feine und gewinnende Art
anzo regen und zu unterhalten.
H. J. Erb, op. 21. „Sonate", E-moll.
op 45. „Suite", B-dur. — Für Violine
und Pianoforte.
BennaBB SeemaBB Haehfolger, Lelpai^.
Die beiden hier angezeigten Kammermusik-
werke des Elsässers Maria Josef Erb sind nach
Inhalt und Ausgestaltung unter einander völlig
verschieden, jedes einzelne aber eigenartig und in
sich abgeschlossen. Die E-moll Sonate (op. 21)
beöteht aus 8 Sätzen, deren erster balladenartig
dDmutet und durch scharfe Kontrastierung in
seinen beiden Hauptgedanken von trefflicher Wir-
kung ist. Das erste, düster gehaltene Thema kehrt
gleich anfangs wieder, ein Nebengedanke in der
Mediantentonart lässt ein helleres Licht ausgehen,
das im zweiten Thema, ebenfalls in G-dur, noch
an Intensität und Wärme ge^Tinnt. Nach ge-
schehener Durchführung tritt das zweite Thema
nochmals in E-dur auf, gewissermassen die Situa-
tion beherrschend und die Stimmung des Ganzen
fixierend. Der zweite Satz (H-moll) trägt Menuett-
charakter und tritt in seinen beiden Hauptteilen
mit einer gewissen Bestimmtheit und einem Stim-
mangsausdrucke auf, die in gewissem geistigen
Zosammenhange mit dem Hauptthema des ersten
Satzes zu stehen scheinen. Das Trio hingegen
dient wiederum der Aussprache eines rein lyrischen
Gedankens, reizend in seiner melodischen wie auch
anregend wirkenden rhythmischen Fassung Im
Finale endlich breitet sich der Strom musikalischer
Empfindung noch weit mehr aus, die Accente
werden leidenschaftlicher und das Hauptthema
insbesondere ist vpq bedeutender Eindringlichkeit
und Energie des Khythmus. Das andere Thema (in
G-dur) ist der Erfindung nach weniger origi-
nell, sein Wert liegt eben mehr auf Seite des
Gegensatzes. Wie die vorangehenden Sätze, ist
auch das Finale hinsichtlich der Durcharbeitung
und Verwertung des Gedankenmaterials aufs beste
gelungen, und nicht vergessen sei die höchst lobens-
werte Tatsache, dass Erb mit besonderem Glücke
und mit künstlerischem Feingefühl sowohl die
passende Einkleidung für seine Gedanken gefunden,
als anch dafür Sorge getragen hat, dass die beiden
ausführenden Instrumente zu völlig gleichen Teilen
bedacht sind, sodass es nirgends an enger und
inniger Verbindung beider Faktoren gebricht und
interessante und wirkungsreiche Stimmführung
sich als lohnendes Resultat ergibt
Das zuletzt Ausgesprochene gilt in gleichem
Maasse auch von des Komponisten £-dur-Suite
(op. 45). Auch hier ist in allen vier Sätzen auf
ein tatsächliches Zusammenmusizieren beider In-
strumente Rücksicht genommen. Gleich der Sonate
ist auch die Suite bei aller ausgezeichneten Klang-
wirkung doch einfach gesetzt und macht in rein
technischer Beziehung keine hohen Anforderungen
an die Spieler, wenn immerhin auch eine peinlich
saubere Ausführung beider Partien als selbstver-
ständlich vorausgesetzt werden muss Ein gra-
ziöses Menuett (B-dur) eröffnet die Suite, in seinem
zweiten Teile mit allerliebsten Imitationen ausge-
schmückt, im Triosatze einen ernsteren und zurück-
haltenderen Ton anschlagend. Sehr hübsch ist das
folgende Capricietto (D-dur) mit seiner einschmei-
chelnden Melodik und seiner fein gewählten Har-
monisierang. Auch der Zwischensatz mit seiner
ruhigen, fast nachdenklichen Weise wirkt ungemein
stimmungsvoll, während der Seitengedauke des
dritten Stückes der Suite mit seinem poco piü
mosso e scherzando bei manchen Spielern leise Ver-
wunderung hervorrufen dürfte. Er passt nicht
recht in diese Arietta und ihren schönen, liedmässi-
gen Charakter. Das Stück selbst ist warm em-
pfunden und wirkt nicht zum geringsten auch
durch die einfache und klare Tonsprache. Von
pikantem Reize ist die Schlussnummer, Orientale,
mit ihrem leidenschaftlich erregten Hauptgedan-
ken und der weichen E-dur-Melodie des Mittel-
teils, wozu sich noch eine charakteristische und
eigentümliche Folge von Harmonien gesellt,
welche zur Abgrenzung dieses hübschen Stimmungs-
bildes das Ihrige vollauf beitragen.
Eugen Segnitz.
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klärungen aller in der Musik vorkommenden Fremd-
— 156
Wörter and Kunstaasdrticke, nebst einem Anhang
über Abbreviatnren. Es dürfte sich durch seine
Handlichkeit sehr für den häoslichen Gebrauch in
Dilettantenkreisen empfehlen.
Anna Marsch.
Meinnngs-Austausch.
Ueber die Torseichen der Tonleitern.
Verfolgt man die Tonleitern in Quintenschritten
aufwärts, so kommt man bekanntlich von c nach
g, d, a, e, h, fis, eis.
Bis hierher ist die Sache sehr einfach. Ueber
cis-dur hinauszugehen, hat zwar kein grosses
praktisches Interesse, da ja in der Praxis über
cis-dur hinaus meistens die entsprechenden enharmo-
nischen b Tonarten gebraucht werden, immerhin
kommen doch Stücke in dis-moll vor, dessen Ober-
dominante bekanntlich ais-dur ist, daher ist es doch
nützlich, diese selteneren Tonarten etwas näher an-
zusehen. Von eis aus weiter in Quinten fort-
schi-eitend, kommt man zu gis, dis ais, eis, bis.
Ois-dur hat bekanntlich 7 Kreuze Torgezei ebnet,
gis-dur also 8, wenn man ein Doppelkreuz gleich
2 einfachen rechnet; gis-dur hat also 1 Doppel-
kreuz und B einfache Kreuze; dis-dur 9 Kreuze:
2 Doppelkreuze und 5 einfache* ais-dur 10: 3
Doppelkreuze und 4 einfache; eis-aur 11: 4 Doppel-
kreuze und 8 einfache; his-dur 12: 5 Doppelkreuze
und 2 einfache. Die Sache mit den Doppelkreuzen
sieht etwas verwickelt aus, ist aber doch sehr
einfach, wenn man sich nur vergegenwärtigt, dass
alle diese Tonarten die Doppelkreuze vor den-
jenigen Tönen haben, vor welchen die ent-
sprechenden chromatisch um V2 Stufe tiefer
liegenden Tonarten einfache Kreuze haben. Die
Frage: „Was hat eis-dur vorgezeichnet?" ist also
schnell und leicht zu beantworten. E-dur hat fis,
eis, gis, dis, folglich hat eis-dur; fisis, cisis, gisis,
disis, das sind 4 Doppelkreuze und dann noch die
3 einfachen: ais, eis, bis. — Steigt man in Quarten
schritten aufwärts, so erhält man bekanntlich die
b-Tonarten. Man kommt von c aus nach f, b, es,
as, des, ges, ces. Ganze Musikstücke in ues-dnr
kommen sehr selten vor, dagegen häufiger solche
in der Parallel-moUtonart as-moll; z. B. Mollvaria-
tionen eines Thema's in as-dur. Ist man einmal
in as-moll, so ist auch dessen Ünter-Dominante
des-moU sehr naheliegend; daher ist es lohnend,
auch die Tonarten mit den Doppel-b näher zu be-
trachten. Von ces aus kommt man zu f es, Doppel-
b, esee, ases, deses. Ces-dur hat bekanntlich 7 b,
fes-dur also 8, wenn man 1 Doppel-b gleich 2 ein-
fachen b setzt; fes-dur hat also 1 Doppel-b and
6 einfache b; Doppel-hdur 9b: 2 Doppel-b and
6 einfache, eses-dur hat 10b: 8 Doppel-b und 4
einfache; ases-dur hat IIb: 4 Doppel-b und 8
einfache; endlich deses-dur 12 b: 5 Doppel-b and
2 einfache. Bei allen diesen Tonatten stehen die
Doppel-b vor denjenigen Tönen, vor welchen die
entsprechenden chromatisch um V^ Stufe höher
liegenden Tonarten die einfachen b haben.
Die Frage: »Was hat deses-dur vorge-
zeichnet V'* beantwortet sich also schnell und leicht:
des-dur hat 5 b: b, es, as, des^ ges; also hat des-
dur 5 Doppel-b, eses, ases, deses, geses und dann
noch die zwei einfachen b: ces und fes.
Die Vorzeichen der Molltonarten brauchen
nicht weiter besprochen zu werden, da sie sich ja
ganz an die Vorzeichen der Parallel-Durtonarten
anschliessen.
Nicolaus Ikouret
Vereine.
Musik-Sektion
des Ailg. Deutschen Lehrerinnen- Vereins.
Jahresbericht der Musikgruppe Dresden.
Unsere Musikgruppe zeigte am Schluss des
IL Vereinsjahres (13. Januar 1904) einen erfreu-
lichen Fortschritt. Die Zahl der ordentlichen Mit-
glieder ist auf 50 gestiegen, ausserordentliche be-
sitzt die Qruppe 3. Es fanden im ganzen 2 Gene-
ral-Versammlungen und 7 ordentliche Versamm-
lungen statt. Die letzteren boten folgende Vor-
träge: Fr. Marg. Stadler: „Quellen Wagnerischer
Dichtungen^* und „Nietzsche contra Wagner";
Graf Hardenberg: , Reisebilder aus Ceylon";
Herr Organist Eötz schke: „Blüte der italienischen
Orgelkunst", „Orgelkompositionen; Herr Musik-
direktor Kaden: „Ethik*; Hr. Seminar-Oberlehrer
Paul: .Gefühlswirkung von Farbe und Ton".
Ausserdem fand am 25. Oktober 1903 eine musi-
kalische „Abendunterhaltnng" statt, deren ge-
wähltes Programm Mitglieder der Gruppe aus-
führten; ein Ausflug nach Tharandt vereinigte die
Mitglieder im Sommer, das Stiftungsfest wurde am
1:5. Dezember durch einen heiteren geselligen Abend
gefeiert. An der Lösung der von den Gruppen
gestellten beiden Aufgaben beteiligten sich 2 Mit-
glieder: Fr. Stadler bearbeitete das Thema:
„Musik, ein Teil der allgemeinen Kunsterziehung",
Frl. Rathenan das zweite: „Wie kann sich eine
Mnsiklehrerin geistig weiterbilden?'' — Auf der
am 18. Januar stattgefundenen ordentlichen Gene-
ral-Versammlang ergab der Kassenbericht eine
Einnahme von 276 Mk., der eine Ausgabe von
229 Mk. gegenübersteht. Von Zeitschriften zirku-
lieren der „Klavier-Lehrer'' in 2 Exemplaren und
die „Neue Musik-Zeitung"; im Vorstand ausserdem
noch „Die Lehrerin". An dem Journalzirkel nehmen
ca. 80 Mitglieder teil. Mit der Gründung einer
Bibliothek ist begonnen worden, Frl. A. Rathenan
hat das Amt der Bibliothekarin übernommen. Die
Stunden Vermittlung funktionierte bis jetzt noch
sehr wenig, durch regelmässige Annoncen in den
beiden Hauptzeitungen ist die Nachfrage reger
geworden. Die Verwaltung liegt in den Händen
von FrL S. Hoffmann. Bei der Neuwahl des
Vorstandes lehnte Fr. M. Stadler, die bisher den
Vorsitz geführt, eine Wiederwahl im Voraus ab,
an ihrer Stelle wurde Frl. Sophie Hoffmann
gewählt.
Berliner LehrerGesangrereiB.
Der Berliner Lehrer - Gesangverein,
Dirigent Professor Felix Schmidt, bietet in dem
soeben herausgegebenen Jahresbericht ein lebendiges
Bild seiner Tätigkeit im 17. Vereinsjahre. Ausser
seinem Stiftungsfest veranstaltete er 9 öffentliche
Konzerte, zwei davon ausserhalb, lieh zu 14 fremden
Unternehmungen seine Unterstützung und beteiligte
sich am 2. Gesangs-Wettstreite zu Frank-
— 157 —
fort s. M., bei dem ihm ja bekanntlich der kaiser-
liche Siegespreis zufiel. Anf der sich an den
Gesangs- Wettstreit anschliessenden Rheinreise des
Vereins veranstaltete derselbe bei dem Nieder-
wald-Denkmal eine patriotische Feier. Der
Schriftführer des Vereins, Wilhelm Conrad, hat
es verstanden, diese bewegten, ruhmreichen Tage
des Vereins in beredten aus der Begeisterung des
Angenbiickes entflossenen Worten zu schildern,
ohne dabei je in Huhmredigkeit zu ver-
fallen. Die statistische Zusammenstellung des Be-
richtes zeugt überdem von so fleissiger, hingebender
Arbeit, sowohl seitens des Vorstandes und des
Chorleiters, als auch der singenden Mitglieder, dass
die grossartigen Erfolge, weiche der Berliner
Lehrer-Gesangverein errungen, wohl zu verstehen
sind. Derselbe z&hlte am Schluss des Vereinsjahres
243 Mitglieder.
Dresdener Tonkttnstterverein.
Der Tonkünstlerverein in Dresden
hat zu seinem 50jährigen Jubiläum eine Festschrift
EOS der Feder Otto Schmidts herausgegeben.
die Jubelfeier weiterhin durch Konzert und Fest-
aktus feierlich begangen Die Festschrift entrollt
ein lebendiges Bild von der Q-ründung des Vereins
an bis zur ü-egenwart. Sie schildert die Tendenzen,
denen der Verein seine Entstehung verdankt, die
opferfreudige Hingabe seiner Leiter, die Künstler,
welche durch uneigennütziges Mitwirken dem
Verein seine tonangebende Stellung im Dresdener
Musikleben eroberten und erhielten. Die Gestalten
Moritz Fürstenau's, Julius B.ühlmann'8,
Adolf Blassmann's, Friedrich Grützmacher's
und vieler Anderer treten lebendig aus dem
Rahmen der Schilderung hervor, die chronistische
Zusammenstellung gewährt einen üeberblick über
die verdienstvolle Tätigkeit in den üebungs- und
Aufführungsabenden. Das Festkonzert, weiches
im Gtewerbehaus stattfand und von Gen.-Musik-
Dire^tor v. Schuch geleitet wurde, verlief in
würdigster Weise; beim Festaktus überreichte Graf
Vitzthum im Namen der ausserordentlichen
Mitglieder dem Vorsitzenden die Summe von
5700 Mk. als Grundstock einer Stiftung zur Unter-
stützung notleidender Künstler.
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Flünpel- und Planiii o-Fabrikant.
Hoflieferant
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Expedition und Yerlag 9,Der IQaTier- Lehrer^, M. Wolff , Berlin W., Ansbacherstrasse 37.
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Der UlavieF-Iiehrer.
Musik-pädagogische Zeitschrift für alle Qebiete der Tonkunst.
Organ der Deutschen Musiklehrer-Vereine,
der Musik-Sektion des K D. L-V. und der Tonkünstler- Vereine
zu Köln, Dresden, Hamburg; Leipzig und Stuttgart.
Begründet 1878 von Professor Emil Breslaur.
Redaktion: Anna Morsch
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liir die zweigespaltene Petitzeile eni>
gegcngenommcn.
No. 11.
Berlin, 1. Juni 1904.
XXVII. Jahrgang.
liA.K: C Witting: Da. Thona und der Rhythmus in der Mutik. Dr. Walter Niemaon: Uoaei« Musikbacherei. Muiik-
pidagogiKber Vvband. Mitteilungan von Hochaehulen und Konserratorlan. Vermiichte Nachrichten. Bflcfaw und Musikalien,
besprochen von Eugen Segnitz. Vereine. Anzeigen.
@as ¥b«tt)a ut)d der |^bYl*bii)us ii) der ^asi1<.
Von
O. Wlttlnc.
Der Wortreichtum eines Redners ist häufig
die Ursache, dass unwillkürlich das eigent-
liche Thema durch Nebenbetrachtungen ver-
dunkelt, in den Hintergrund gerückt wird, und
dass dann, wenn der Redner die Entfernung
bemerkt, er sich gezwungen sieht, durch irgend
eine Wendung, wie der vom Wege abge-
kommene Wanderer querfeldein schreitet, ein-
zulenken, um wieder die Pfade zu erreichen,
die zum Thema führen.
Dann gibt es auch Redner, die vermöge
ihrer Charakterbildung ihr geistiges Auge so
scharf auf ihr Thema richten, dass sie fast
instinktiv alles aus dem Wege räumen, was
ihr thematisches Denken beeinträchtigen
könnte. Auf musikalischem Gebiete findet
man ein liebenswertes Beispiel der ersten Art
in den Klavier-Sonaten von Fr. Schubert;
etwa die A-moU-Sonate, op. 42, erster Satz
ausgenommen, der in Bezug auf das Thema
am einheitlichsten ist. Ein Beispiel der zweiten
Art sind Beethoven 's Sonaten. In einem
Erstlingswerk des Meisters, op. 2, No. 1, erster
Satz, in dem das Thema so kurz und bündig
eingeführt ist, hat sich dem Tondichter, durch
sein Festhalten daran, ein zweites Thema für
den Mittelsatz eingestellt, das, scheinbar ab-
geleitet vom ersten Thema, in einem umge-
kehrten Verhältnis dazu steht, wie:
/. HauptUil 2, Hauptfeil
^
^
£rf
^
Das erste steigt, ein gebrochener Dreiklang,
abgestossen aufwärts. Das zweite, ein ge-
brochener Dominantakkord, fällt gebunden ab-
wärts. Im besondern ist hier noch die An-
fangsnote fes, die kleine Sexte, zu bemerken,
die dieser Akkordzerlegung einen weich, weh-
mütig klagenden Ausdruck verleiht. Der Nach-
satz dieses Themas, in unruhig bewegten
Figuren, gleichsam schluchzend, setzt in der
Passage seine Klagen fort, wozu der Bass
melodische Worte des Trostes spendet.
Wenn ein Dichter singt, so gibt es immer
Klänge höherer seelischer Art.
Dass ein Thema erst durch eine richtige
Betonung seinen ihm eigenen wahren Aus-
druck erhält, kann ja nicht bezweifelt werden.
Allein ist das Wie einer eingeführten Be-
tonung, selbst in den scheinbar einfachsten
Fällen, immer unumstösslich richtig? In dem
neuesten Werke von Mathis Lussy
„L'anacrouse dans la musique moderne" sind
— 162 —
viele Beispiele angegeben, in denen das Thenna
durch eine andere Betonung als die allgemein
gebräuchliche auch eine andere Bedeutung
bekommt und dem Musikstück einen anderen
Charakter verleiht; z. B. im Finale op. 10,
No. 1 von Beethoven:
a)
ti • ^ -» • • •
in einigen Ausgaben, die viel in Gebrauch
sind, ist das Thema bezeichnet wie bei a),
allein es muss vorgetragen werden wie bei b).
Lussy begründet dies in seinem Buche so:
„Diu^ch die Lesart wie bei a) töne das h zu
schwer, deshalb habe der Tonmeister ein c
daran gebunden", und fährt dann fort: „wagte
man zu fragen, ob Beethoven gut tat, diese
prächtige Phrase in einem ^ Takt zu schreiben,
und ob dieser Takt dem leichten und liebens-
würdigen Ausdruck des Werkes gerecht wird?
Uns scheint, dass der */4-Takt hier passender
gewesen wäre; denn gibt man den vom Ton-
meister bezeichneten Takt an, so sind not-
wendigerweise die Bewegungen etwas lang,
straff und erregt, worunter der Charakter der
Musik leidet. Etwas anderes ist es, wenn
man einen vierteiligen Takt nimmt, die Be-
wegungen sind dann um die Hälfte kürzer,
leichter und lebhafter, da man in derselben
Zeit vier Schläge macht, anstatt zwei, z. B
A<^ M rffJlj^, rfTJI J
Auf diese Weise wird der metrische Accent
vermindert, während der rhj^hmische, der das
Werk vergeistigt, ihm Anmut, Zierlichkeit und
Poesie verleiht, die Oberherrschaft erhält."
Einem so zarten und so sicheren Gefühl für
den Rhythmus, wie es Lussy in dem genannten
Buche offenbart und auch begründet, begegnet
man nicht oft.
Selbst ein so theoretisch wie praktisch
erfahrener Künstler wie Fr. David hat mit
Bezug auf Rhythmus, durch einseitiges, allzu-
eifriges Bearbeiten oft Bindebogen angegeben,
die dem Thema Wert und Kraft rauben. Man
sehe z. B. die Sonate von Händel, die
David herausgegeben hat in „Die hohe Schule
des Violinspiels**. Hierin sind die meisten
Auftakte durch Bindebogen verwischt. Damit
haben die Themen einen Ausdruck bekommen,
wie der Gang eines Menschen, der einen P'uss
nachschleppt. Der Auftakt, der für sich einen
Bogenstrich beansprucht, ist fast immer an
die vorhergehende Note gebunden, sodass die
nächste Note auf dem guten Taktteile ihren
Auftakt einbüssen muss, z. B.
And,
Finale
%k-A9^-W-
^
^^
II
I ist die Lesart, wie David sie gibt; bei
II ist m. E. der natürliche Ausdruck des
Themas wieder hergestellt, denn die Gruppen III
sind die Auftakte für e und fis und gehören
nicht zu eis und e. „Der Rhythmus ist die
dritte Person in der musikalischen Trinität",
sagte Bülow, liest man bei Lussy S. 38, bei
der Besprechung der „Lieder ohne Worte" von
Mendelssohn, mit Bezug auf den Rhyth-
mus der Themen, lieber No. 4, Heft I, A-dur,
sagt er „Es ist unglaublich, dass Mendelssohn
dieses Thema im V4-Takt geschrieben habe;
denn der Accent fällt in jedem Takte auf den
3. Taktteil. Es hätte geschrieben werden
sollen wie:
m
^
zz
^
*£
r» rrlJ^J'lr-rlJ
Daraus ergeben sich „Zweier" des dipodies
anacrousiques, ein aus zwei Takten bestehendes
melodisches Glied einer Periode. — Auch mit
Tschaikowsky's Lied ohne Worte, op. 2,
No. 3
beschäftigt sich Lussy in seinem Buche und
sagt: „Man singe oder spiele dieses Lied auf
einer Geige, und man wird ein Unbehagen,
eine Art Gemütsunruhe empfinden, die die
I6tel- Gruppe in Takt II verursacht. Diese
lötel Gruppe verlangt durchaus eine Aspiration,
eine Atmung oder einen Aufstrich des Bogens.
Das zweite Achtel J des Taktes II wird da-
- 163 -
durch gestärkt, denn es fällt dann mit der
Ausatmung, mit dem Abstrich des Bogens zu-
sammen. Mit einem Wort, es ist nun der
Iktus, der erste Ansatz des Rhjrthmus, dem
ein Taktstrich vorherzugehen hat. Ist dieser
angebracht, so erscheint die Phrase anakrusisch,
d. i. mit dem Vorschlag oder Auftakt, und ver-
langt mit der Aspiration, mit dem Aufstrich
des Bogens begonnen zu werden, um jegliches
Unbehagen verschwinden zu machen:
I ^^ u
spielte wie bei IL Bülow endete damit den
Rhythmus auf einen vollkommenen Dreiklang;
Rubinstein aber auf einen Dominantsept Akkord.
In dem reizenden Des-dur der Mazurka
op. 50, von Chopin, spielte Bülow wie
bei a) und Rubinstein wie bei b)
a)
^^
» 1 * »
b)
1 I J I I
^m
[li^f^fji'r^^^hj^ ^^
^s
Die lÖtel-Gruppen treffen nun mit dem dritten
Taktteil zusammen, wie in der ersten Strophe.
Der Himmel bewahre mich, Herrn Tschai-
kowsky belehren zu wollen! Aber ich habe
eine solche Furcht, das rhythmische Gefühl zu
verletzen, dass ich nicht zögere zu glauben,
Herr Tschaikowsky hätte besser getan, so zu
schreiben, wie hier angegeben ist**. — Die
Verschiedenheit von zwei der bedeutendsten
Pianisten in der Auffassung einer Phrase be-
spricht Lussy wie folgt: „Rubinstein und
Bülow, die beiden grössten Pianisten, die
ich das Glück hatte zu hören, waren zuweilen
in der Auffassung eines Musikgedankens ver-
schieden. Die eine, geleitet durch das Em-
pfinden, die andere durch den Verstand; die
eine subjektiv, die andere objektiv. Wer
wurde aber geglaubt haben, dass Bülow, der
Apostel des Rhythmus,^) folgende Mazurka,
op. 24, No. 8 von Chopin spielte wie:
^Ihd •
te
l riyirric/TfP^
II
*ite
^i''c/f!;lrc;rlcfrff^^^^
Die Phrase beginnt mit einem Auftakt, der
in den Perioden fortbesteht bis zum Ende.
Allein bei dem zweiten Rhythmus gab Bülow
den Auftakt preis und nahm ihn — nämlich
das c und as — als Ende eines weiblichen
Rhythmus. Die drei folgenden Rhythmen be-
trachtete er als thetisch (wohl im Sinne von
zusammengehörig) und liess die metrische Be-
tonung vorherrschen. Siehe I. Hingegen be-
hielt der subjektive und phantasiereiche Rubin-
stein den Anfangsauftakt immer bei und —
*) Sein Aasspruch: „Am Anfang war der
Rhythmus** ist bekannt.
|A^;73rrl^j^r^
Wer von diesen unvergleichlichen Künstlern
hatte Recht? Beide folgten dem Ausspruche
Liszt*s «Man muss nicht Klavier spielen,
sondern Klavier singen, vielmehr deklamieren ** *)
Solche Aussprüche haben meistens den Er-
folg, den der Same des Sämanns hat, der so-
wohl auf guten wie auf schlechten Boden,
zwischen Steine und Disteln fällt; denn selbst
wo ein inniges Veiständnis für den Ausspruch
vorhanden ist, steht selten auch das opfer-
wiUige Streben es zu nützen daneben, da die
Verschiedenheit der Begabungen und das
selbstverherrlichende Ich immer hemmend da-
zwischen tritt.
So kommt es dann, dass solche Rat-
schläge selten auf den geeigneten Boden fallen.
Das schöne Singen der Glanzzeit Mozart's
ist heute sehr oft nur ein Wetteifer im lauten
Loslegen.
An Mahnungen zur Umkehr hat es nie
gefehlt. Aus dem Klavierspiel der Chopin'schen
Zeit ist heute ein Orchesterlärm geworden.
Damit gehen dann auch, aus akustischen
Gründen, die Feinheiten der Rhythmik, das
wertvollste für den Musikfreund, verloren. Als
Entlastung könnte dem übereifrigen Tasten-
helden der Umstand dienen, dass die Klaviere
immer lauter werden, denn die Instrumenten-
macher welteifern förmlich miteinander, eine
immer grössere Klangfülle zu erreichen, als
ob sich das Gehör der Menschheit im Rück-
*) Dieser Ausspruch erinnert an einen andern,
aus einer früheren Zeit, von Thal berg: „Um gut
Klavier zu spielen, muss man Hände ohne
Knochen und Fmger von Sammet haben, dabei den
Anschlag mehr empfunden als geschlagen"
plutöt senti que frapp6.
164 —
gange befände. Aber sind nicht in allen
Lebensverhältnissen Rücksichten zu nehmen,
wenn man sich mit dem Nachbar in Ueberein-
stimmung bringen will? Das sollte der Klavier-
spißler seinen Zuhörern gegenüber bedenken
und weise Mässigung üben, er würde dann
dasselbe angenehme Gefühl dabei haben, was
Herr Lussy verspricht, wenn man bei der oben
in Rede stehenden Sonate von Beethov^en,
op. 10, statt ^ den rVTakt angibt.
@t)sere ^asil<bucbepei.
Von
Dr. Walter Iflemann.
H. KretzBchmarhatin seinen „Musikalifichen
Zeitfrage n**) auf die ausserordentliche Wichtig-
keit einer wohlbestellten mosikalischen Privat-
bibliothek für den deutschen Musiker hingewiesen.
Sie ist es nicht minder für die deutsche mnsi-
kalische Familie, sofern sie Anspruch auf musi-
kalische Bildung macht und die letztere nicht nur
im „Musikmachen^^ betätigt sehen will. Er hat
zugleich hervorgehoben, dass selbst unter unseren
Musikern nur ein kleiner Teil- eine genügend* be-
stellte Fachbibliothek sein eigen nennt, dass, wo
oft der Wille und die Mittel, sich eine solche an-
zulegen, vorhanden sind, nach den schiefesten und
verkehrtesten Grundsätzen verfahren wird, dass
aber die Zahl unserer Musiker ohne auch nur die
bescheidenste Fachbibliothek eine erschreckend
grosse, Ja eine überwiegende ist. Sieht es bei
unseren Musikern, ganz im Q-egensatz zu alten
Zeiten, schon derartig aus, so gewahrt man in der
deutschen musikalischen Familie die Erscheinung,
dass in ihr auch nicht einmal der Wille oder die
Erkenntnis von der Wichtigkeit einer solchen
Bibliothek, die an dieser Stelle natürlich ausser-
ordentlich eingeschränkt werden darf, vorhanden ist.
Für unsere Musiker ist eine sich nach den
jeweiligen Mitteln richtende, aber nach festen
Prinzipien zusammengestellte Fachbibliothek unbe-
dingt notwendig.
Abgesehen von der Voraussetzung, dass heut-
zutage jeder deutsche Musiker, der Anspruch auf
Stellung eines Gebildeten macht, mit den wichtigsten
Tatsachen der Musikgeschichte theoretisch und
praktisch vertraut sein muss, bedarf er, besonders
wenn er einen Kapellmeisterposten und dergl. be-
kleidet, doch fortgesetzt des Rates und Beistandes
einer musikalischen Fachbibliothek. Hier kann er
sich von Fall zu Fall, über richtige Wiedergabe
alter Musik z. B., Kats erholen. Woher wäre es
denn anders zu erklären, dass BacVsche, HändePsche
u. s. w. Orchestermusik immer und immer wieder
ohne die geringste Berücksichtigung der not-
wendigsten zeitgeschichtlichen Voraussetzungen
stilgerechter Wiedergabe, ohne die unbedingt not-
wendige Hinzuziehung der Cembali, ohne choristische
Besetzung der Holzbläser, Einschränkung des Or-
*) Verlag C. F. Peters, Leipzig 1903, S. 93.
chest^rkörpers, . Berücksichtigxmg der alten, für
das 16.— 18. Jahrhundert charakteristischen und so
kinderleicht zu beobachtenden Echowirkungen
vorkommen, wenn unsere modernen Dirigenten-
„Spitzen^*, unsere Klaviervirtuosen sich alle (er-
freuliche Ausnahmen gjibt es freilich schon in aller-
dings nicht allzu stattlicher Anzahl!) vorher genügend
orientierten? Dazu braucht man denn doch
wahrlich geringer Zeit, ja die rasch zu erledigende
Lektüre von Kretzschmar's „Bemerkungen über
den Vortrag alter Musik (s. u ) unterrichtet schon
fürs erste in völlig genügender Weise.
Es braucht nicht erst betont zu werden, dass
zum wirklichen Verständnis neuerer und neuester
Musik die Kenntnis der einschlägigen Werke
wiederum notwendig ist und daher auch nach
dieser Hinsicht eine kleine, aber wohlgeordnete
Privatbibliothek erfordert. Auch hier heisst die
Forderung für unsere Musiker: nicht nur spielen,
sondern daneben auch lesen! Ebenso unsinnig wie
es nun wäre, wenn Jemand z. B. Darwin, Schopen-
hauer oder Nietzsche allen Ernstes zur Lektüre
vorschlagen woUte — Werke, für deren Ver-
ständnis diit meisten schon ihrer Vorbildung* halber
auch nicht annähernd reif sein würden, Ja die
höchstens- ein gefährliches TJebel in den Jungen,
krankhaft „modern*^ denkenden Köpfen ausbreiten
könnten — , ebenso nutzlos wäre es natürlich, sich
auf die Lektüre „musikalischer Märchen und Bo-
mane" zu beschränken. Nein, Ernsthaftes, Bil-
dendes und Weiterbildendes tut hier not!
Wie Kretzschmar sagt, gibt es Musiker, die
ihren Schopenhauer und .Nietzsche, aber kein
Musiklexikon ihr Eigen nennen.' Das ist .keines-
wegs übertrieben! Ja, es gibt sogar sehr, sehr
viele, die — überhaupt keine in das Gebiet der
Musik fallenden Werke besitzen! Diese er-
schreckende Vernachlässigung privaten wie öffent-
lichen Musikbibliothek Wesens stellt der Bildung
eines wiederum erstaunlich grossen Prozentsatzes
unserer Musiker dasselbe Zeugnis aus, was ihm im
Gegensatz zu den älteren 2ieiten, hamentlich zur
Schulchorzeit, auch in allen anderen Hinsichten
leider allzu häufig erteilt werden muss: das grosser
und höchst gefährlicher Einseitigkeit in der Miss-
achtung theoretischer Bildungsergänzung, das
Zeugnis einer ihn von Malern, Bildhauern unserer
165 —
Zeit sehr unliebsam unterscheidenden mangelhaften
theoretischen Allgemein- und Fachbildung,
da meist das ganze Schwergewicht auf die Betäti-
gung praktischen Musiktreibens gelegt wird.
Der Wahlspruch solcher Musiker lautet sehr
einfach: „Ich kann virtuos spielen, folglich bin
ich ein gebildeter Musiker!* —
Das ist natürlich ein namentlich für unsere
Konservatoristen verhängnisvoller Grundirrtum.
Solange öffentliche, leicht zugangliche Musikbiblio-
theken von der Art der Leipziger Petersbibliothek
dankenswerte, aber seltene Einzelerscheinungen blei-
ben, so lange nicht jede kleinere Stadt über öffent-
liche, anch die Musik genügend berücksichtigende
Bibliotheken verfügt, wofür ja noch kaum Anfänge
Yorhanden sind, ist eine nach den jeweiligen Geld-
mitteln bescheiden oder reich, aber auch in ersterem
falle die wichtigsten Werke unbedingt einschUes-
sende private Fachbibliothek für den deutschen
Musiker und Musikfreund ein doppelt notwendi-
ges, unumgängliches Erfordernis
Nach welchen Richtungen hin soll denn, fragen
wir uns einmal, eine solche Frivatbibliothek ange-
legt sein? Wie allen Geisteswissenschaften darf
man ihr, falls sie Nutzen für ihren Besitzer bringen
soll, nicht den Vorwurf einseitiger Auswahl, einer
Auswahl cum ira et studio machen können. Sie
soll in idealer Weise vom Standpunkt eines die
Entwicklung der Musik mit klarem und geschicht-
lich geschultem Auge überschauenden Menschen
angelegt sein. Es ist zur vorurteilsfreien, weil
darch Kenntnis der geschichtlichen Bewegungen
and Tatsachen erworbenen Auffassung der Musik
selbstverständliches Erfordernis, dass, wie der kon-
servative Musiker die besten, wichtigsten theoreti-
schen und praktischen Neuerscheinungen fort-
schrittlicher Tendenz, der fortschrittliche solche
konservativer Tendenz kennen muss, eine derartige
Fachbibliothek die besten Werke beider „Eich-
toDgen'* umfassen wird. Davon werden subjektive
Liebhabereien nicht berührt, wohl aber eigensinni-
gem Verbeissen in die angeblich einzig wahre,
gate, schöne u. s. w. Musikanschauung, die in über-
wiegenden Fällen eben der Unfähigkeit, die zeit-
genössische Musikentwicklung vorurteilsfrei mit
dem durch genügende musik- und kulturgeschicht-
liche Kenntnisse erweiterten Blicke eines gebilde-
ten Menschen zu überschauen, ihre Entstehung
nnd zu nichts führende Eanatik verdankt, der
Boden entzogen, andererseits der Wille, zu per-
sönlich unsympathischen Neuerscheinungen ver-
nünftig begründete Stellung zu nehmen, zur Pflicht
erhoben.
Wir werden die Privatbücherei des deutschen
Masikers von derjenigen für die deutsche musik-
liebende Eamilie zu unterscheiden haben. Im
zweiten Falle darf natürlich die Dispensation vom
Besitze sehr vieler der unten angeführten Bücher
anbedenklich erteilt werden. Die im ersten Absatz
aufgeführten Werke, sowie die wichtigsten, für
populärere Zwecke (an zweiter Stelle -genannten)
Biographieen, das Allerwichtigste und den Besitzer
persönlich am meisten Interessierende aus den an-
geführten Musikerbriefen, Memoiren, Essaysamm-
lungen, ästhetischen Schriften wird aber auch sie
besitzen wollen und müssen, falls sie über die
Notenköpfe zum geistigen Besitz ihres Musikalien-
bestandes vordringen will. Die Lektüre einiger
weniger guter novellistischer Beiträge kann sich
zur lusterweckenden Vorbereitung auf tiefere Stu-
dien besonders nutzbringend erweisen. Ernste
Lektüre guter musikalischer Bücher wird die mu-
sikalische Familie auch in wohltätiger Weise vor
einer grossen Gefahr bewcJiren können : vor Ueber-
schätiung der musikalischen Tageskritik in 2jei-
tungen, die überall dort, wo keine tüchtigen, wo-
möglich studierten Kritiker ihre Aufgabe, das grosse
Publikum (und nicht umgekehrt!) musikalisch zu
bilden, mit Hingabe erfüllen, in ihrer Seichtigkeit,
ihrem Personenkultus und meist schöngeistigen
Schwätzerei von üblen, verflachenden Folgen be-
gleitet ist.
Eine musikalische Privatbibliothek muss nun
vor allen Dingen sine ira et studio angelegt sein,
wenn sie ihren Zweck richtig erfüllen soll. Es
werden also in ihr die wichtigsten Werke über
alte, ältere, neuere und neueste Musik (aller
„Richtungen") vertreten sein müssen, und ihr Be-
sitzer mag, wenn er seinen vielleicht unter Mühen
angelegten kleinen geistigen Schatz allmählich
wachsen sieht, nicht mit seiner Vervollständigung
schleunigst aufhören, wenn die Schreckenskunde
eriönt, dass „der Schrank nicht mehr reicht^, und
sich etwa in falscher Scham einzureden versuchen,
dass er eigentlich auf dem besten Wege sei, sich
zu einem furchterregenden „gelehrten** Musiker aus-
zuwachsen. Ebensowenig darf sich eine dilettierende
Besitzerin oder Besitzer vor „Blaustrumpf"- Ver-
dächtigungen der lieben „Nächsten" fürchten.
Dem deutschen Musiker tut heutzutage eine
solide musikalische Allgemeinbildung mehr denn
je dringend not! Der Musikfreund wird ebenso,
wenn es ihm ernst um sein musikalisches Wissen
ist, die musikalischen Damenboudoirschriften ä la
Polko, die gut gemeint, aber schrecklich schwach
zu lesen sind, umso leichter unerbittlich aus-
schliessen wollen, als ihm z. B. in neuester Zeit
Sohle (s. später) gezeigt hat, wie wohl sich ge-
schichtliche Treue, die jenen Produkten so gänzlich
abgeht, mit künstlerischer Phantasie vereinigen
lässt!
Nun wollen wir einmal an's Werk gehen! -
Zunächst haben wir die auch für die musi-
kalische Familie obligatorischen
Werke anzuführen. Es sind : Kretzschmar's
„Führer durch den Konzertsaal" (Leipzig 1898/9),
jenes klassische „Kompendium der Musikweisheit",
wie es einmal treffend bezeichnet wurde, weiterhin
desselben Autors „Musikalische Zeitfragen" (Leipzig
1903), „Einige Bemerkungen über den Vortrag alter
166
Musik" (Leipzig 1901), R i e m a n n's „Musiklexikon"
(Leipzig 1904), endlich seinen unübertroffenen
„Katechismus der Musikgeschichte" (Leipzig 1898/9).
Ist der Musiker Klavierspieler von Beruf, so sind
für ihn Weitzmann-Seiffert's „Geschichte
der Klaviermusik*' bis 1750 (Leipzig 1899;) oder
0. Bie's populäreres, illustriertes „Bas Klavier
und seine Meister'^ (München 1898) ebenso unent-
behrlich, wie Ruthardt's reichhaltiger i, Weg-
weiser durch die Klavierliteratur" (Leipzig 1900)
und Köhler's „Der Klavierunterricht" (Leipzig
1860), ausserdem die Einführungen in Beethoven's
Klaviersonaten von Marx-Behncke (Berlin
1897) oder Bei necke (Leipzig 1896), bezw.
Nagel (Langensalza 1903). Für einen Musiker
darf auch wenigstens der dritte, u. a. die Nieder-
länder behandelnde Band (Leipzig 1898) von
Ambros' hochbedeutender, freilich nur bis
Palestrina reichender Musikgeschichte nicht fehlen
(Fortsetzung von Langhans). Empfehlenswert
weniger durch Selbständigkeit der Darstellung,
als durch weiten kulturgeschichtlichen Horizont
ist femer M e r i a n' s Musikgeschichte (Leipzig
1900); eine neue von Karl Storck beginnt so-
eben zu erscheinen (Stuttgart).
unter den ergänzenden Werken sei
auch P r o s n i z' praktisches „Kompendium der
Musikgeschichte" bis 1750 (Wien 1889/1900), be-
sonders aber auf Biemann's ausgezeichneten
knappen Grundriss der gesamten Musikgeschichte,
„Epochen und Heroen der Musikgeschichte'*, (den
mancher seinem „Katechismus" vorziehen dürfte),
in Spemann's sonst sehr vorsichtig aufzunehmenden
„Goldenen Buch der Musik", endlich auf Bie-
m a n n' s „Geschichte der Musik seit Beethoven''
(Berlin 1901) und Grunsky's Katechismus „G^
schichte der Musik des 19. Jahrh." (Göschen)
aufmerksam gemacht. Zur Orientierung über alte
und mittelalterliche Musik genügt den Meisten
M Ö h 1 e r' s „Katechismus der alten und mittel-
alterlichen Musik" (Leipzig 1900). In's altdeutsche
weltliche und geistliche Lied ftlhren ein: Lilien-
cron's „Deutsches Leben im Volkslied um 1580*'
(Berlin, Stuttgart 1884), Böhmens „Altdeutsches
Liederbuch*« (Leipzig 1877), Bäumker's „Das
katholische deutsche Kirchenlied« (Freiburg i. B.
1883/6/91), Wolfrum's ».Entstehung und Ent-
wicklung des deutschen evangelischen Kirchen-
liedes«« (Leipzig 1890). A. v. Dommer's vor-
zügliche Musikgeschichte (Leipzig 1868/78) ist
leider vergriffen. Eine von fachkundiger Seite
ausgeftlhrte sorgfältige Neubearbeitung — leider
wahrscheinlich ein frommer Wunsch — wäre
dringend notwendig, da wir keinen völligen Ersatz
für dies klare Werk besitzen.
Für das gesamte Gebiet der Oper hoffen wir
einst auf ein grundlegendes Werk Kretzschmars.
Unter den vorhandenen „Führern" u. s. w. sind die
besten Storck „Opernhandbuch «• (4 Aufl.,
Stuttgart 1903), Bulthaupt „Dramaturgie der
Oper" (2 Bde., Leipzig 1887), Kalbeck „Wienei
Opernabende«« und „Opernabende'« (2 Bde., Berlin
1898) und Neitzel „Führer durch die Oper«*
(3 Bde., 1890/8).
Nun kommen die grossen Biographieenan
die Heihe, von denen die hinter den
Trennungsstrich (— ) gestellten Werke kurz
gefasst und populär gehalten sind, unter ihnen
sollten im Besitz jedes Musikers sein: Bach:
SpitU (Leipzig 1878/80) - *)Batka (Leipz. 1898);
Händel: Chiysander (8 Bde., Leipz. 1858/60/67) —
*)Schrader, t)Volbach (Berlin 1898); Gluck:
Marx (Berlin 1868) - *^Weltl (Leipz. 1888);
H a y d n : Fohl (2 Bde., Leipz. 1878/82), dess. Verf.
„Mozart und Haydn in London* (Leipz. 1867), —
t)Schmidt (Berlin 1898); Mozart: Jahn (Leipz.
1889/91), Schultz (über seine Jugendsinfonieen,
Leipz. 1900), Beinecke (über seine Klavierkonzerte,
Leipz. 1891), Nohl (Heidelberg 1860) - *)Nohl,
Nottebohm (Leipz. 1880); Beethoven: Thayer
(8 Bde., Berlin 1866/72/79), Marx-Behncke (Berlin
1902), Lenz (Cassel 1866/7), Grove (London 1896),
— fFrimmel (äusseriicher. Bariin 1901/8), *)Nohl,
seine von Nottebohm herausgegebenen Skizzen-
bücher; Schubert: f )Heuberger (Berlin 1902) ;
Mendelssohn: Lampadius (Leipz. 1886), Hiller
(Köln 1874), Devrient (Leipz. 1891) — *)Schrader
(Leipz. 1898); Weber: M. v. Weber (Leipz.
1864/6), (Sehrmann (Berlin 1899); Schumann:
Wasielewski (Dresden 1869) — Beimann (Leipz.
1887), t)Abert (Berlin 1908), »jBatka (Leipz. 1892);
Chopin: Liszt (herausgegeben von La Mara,
Leipz. 1879); Karasowski (Dresden 1881), Niecks
(Leipz. 1890, beste); B r a h m s : Köhler (Hannover
1881), t) Beimann (Berlin 1897); Liszt: Ramann
(2 Bde., Leipz. 1880/87/94); Tschaikowsky:
M. Tschaikowsky (im Erscheinen), *) Knorr (Berlin
1900) ; Wagner: Chamberlain (Leipz. 1892), Glase-
napp (8 Bd. Leipz. 1882-1908), Lichtenberger
(Dresden und Leipzig 1899) — Muncker (Bamberg
1891) ; B e r 1 i o z : Luise Pohl (Leipz. 1880), H. Pohl
(Leipz. 1884), JuUieu (Paris 1888), Tiersot (Paris 1904).
Das sind die wichtigsten zur Auswahl. Daneben
einigeB iographieen kleinererMeister,
die sich der und Jener zu Lieblingen erkor. Von
solchen alter Meister neime ich (z. T. wissen-
schaftlich gehalten): Lasso: Sandberger (Leipz.
1894); Schein: Prüfer (Leipz. 1895), Fro-
he rg e r : Beier (Leipz. 1884); M uf f at : Stollbrock
(Rostock 1888); Reichardt: Paulli (Berlin 19(^),
Field: Liszt (s. u.); von Neueren besonders:
Rubinstein: Zabel (Leipz. 1892), die feinen
Romantiker Jensen: t)Niggli (Zürich 1896),
Kirchner: Niggli (Leipz. und Zürich 1888),
Rein ecke: Wasielewski (Leipz. 1892), Volk-
mann: Volkmann (Leipzig 1903), L a c h n e r :
Kronseder (Leipz. 1903), L o e w e : Runze (Bariin
*) Reclam- Bändchen,
f ) „Harmonie^'-Bde.
— 167
1888), t)Niggli (Zürich 1897), Bulthaupt( Berlin 1898),
Marschoer: f)Müiizer (Berlin 1901), Franz
Liszt (Leipz. 187*2), *)Procliazka (Leipzig 1894),
Lortzing: f)Kni8e (Berlin 1899), Herzogen-
berg: Spengel (Leipz. 1897), Altmann (Leipz. 190 0;
Plüddemann: Batka (Prag 1896), Heoss (Sig-
nale, 1938, 20); Cornelias: Kretzschmar
(Waldersee's Mns.- Vorträge, 6. n.), Sandberger (Leipz.
1887), Wolf: Decsey (Berlin 1902), Haberlandt
(Leipz. 1903), Saint-Saens: f) Neitzel (Berlin
1899), Grieg: CloeBon (Paris, Brüssel, Leipz.
1892). Dazu lese man La Mara's vorzügliche
Monographien: „Musikalische Stndienköpfe^ (2
Bde. , Leipzig 1896) , in der man auch
manche feine Studien über Jcleinere Meister, wie
z B. Henselt, Grieg u a. findet, dann
„Klassisches und £4)mantische6 aus der Tonwelt"
(Leipzig 1892), Beinecke's anmutige „G^denkblätter
an berühmte Musiker^ (Leipzig 19(X)) und „Meister
der Tonkunst" (Leipzig 1903).
Ans der sehr angleichen Sammlung „Berühmte
Musiker" (Harmonieverlag-Berlin), die ihrer ver-
schwenderiBchen Bilderfülle halber namentlich hei
Dilettanten beliebt ist, wurden bereits die besten
Monographieen erwähnt (f), ebenso von den
populären „Reclams" (*), von denen sich die meisten
zur ersten Einführung recht gut eignen.
Viel zu wenig bei Musikern und Musikfreunden
bekannt ist die meist vortreffliche Hefte enthaltende
ältere Sammlung „Graf Waldersee's musikal. Vor-
trage" (Leipz. 1879-84), aus der gleichfalls einige
der wichtigsten Nummern erwähnt wurden.
Zur Einführung in einzelne Werke giebt es
Kretschmar's und Seemann's „Führer'' (Einzel-
heftchen).
Nun betreten wir das weite Gebiet der M u s i k e r-
Briefe, -Erinnerungen, -Schrifteit.
Hier wird sich jeder das ihn interessierende heraus-
sachen. Die wichtigsten mit Angabe der Heraus-
geber sind: Beethoven 's Briefe, u. zwar an
Erzh. Eudolf (Köchel; Wien 1865), gesammelte
Briefe (Nohl ; Stuttgart 1866/7), an die Gräfin Erdödy
a. a. (Schöne; Leipz. 1867), neue Biiefe (Kalischer;
Stuttgart 1898, Berlin und Leipz. 1902) —
Mozarts Briefe (Nohl; Salzburg 1865) >-
Weber: Hinterlass. Schriften (3 Bde. Leipz. 1850),
Briefe an Lichtenstein (Braunschweig 1900), Beise-
briefe an seine Gattin (Leipz. 1886) — Briefwechsel
zwischen W in terfe Id und Crüger (Prüfer;
Leipz. 1898) — Jensen 's Briefe (Euczynski,
Berlin 1879) — *)Schumann 's ges. Schriften
über Musik und Musiker (Leipzig),
Jugendbriefe und Briefe (Clara Schumann, Leipz.
1885), aus Hoffmann's Schriften das Kreislerbuch
und die Fhantasiestücke (s. il), Bülow's Briefe
und Schriften (Mar. v. Bülow, 4 Bde., Leipz.
1895/6/8); Liszt 's gesammelteSchriften
(L. Ramann, Leipz. 6 Bde., 1880/87), Briefe an die
Fürstin Sayn- Wittgenstein, an eine Freundin, an
Bülow (La Mara, Leipz. 1893/1902), an Gille (Ad.
Stern, Leipz. 1903); Berlioz' Briefe an die
Fürstin Wittgenstein und das Wichtigste
aus seinen gesammelten Schriften am bequemsten
in der neuen Glesamtausgahe (Breitkopf & Härte!,
Leipz. 1903), weiter: W a g n e r 's aesthetisch hoch-
bedeutsamen in j e d e Bibliothek gehörenden ge-
sammelten Schriften (Leipz , 8. Aufl., 1897, 10 Bde.),
seine nachgelassenen Schriften und Dichtungen
(Leipz. 1895), seine umfangreichen Briefwechsel
mit Liszt (Leipz., 2 Bde., 1887). Uhlig. Fischer,
Heine (Leipz. 1888), weniger wichtig die mit
Eoeckel, Heckel, Wesendonck, Eliza Wille,
Cornelius^ Briefwechsel mit den beiden
Milde's (N. von Milde, Weimar 1901), Hugo
Wolfs Briefe an Kaufmann (Berlin, 1903),
*)Mendelssohn's Beisebriefe (Leipz. 1868, auch
*) Beclam), HauptmannsBriefwechsel mit
Fr. Hauser und Spohr (Leipz. 1870/1/6), Wald-
mann's Gespräche mit Bob. Franz (Leipz.
1895), La M a r a 's „Musikerbriefe aus 5 Jahr-
hunderten" (Leipz. 1886, 2 Bde.), „Erinnerungen
an Brahms'' von Widmann (Berlin 1898), Tschai-
kowsky (Berlin 1899), Hanslicks „Aus meinem
Leben" (Berlin 1894), Schemann an Wagner (Stutt-
gart 1902), endlich Vianna da Motta-
Pfelffer's „Studien bei H. v. Bülow" (Berlin
1894, Nachtr. 96).
(Schluss folgt)
usil^pädagogiscbep Verband.
Koiiftress iiiid eeneral-UenattiMliiiig.
Der 2. musikpädagogische Kongress
findet in der letzten September- oder ersten
Oktoberwoche d. J. in Berlin statt, alle
Musikpädagogen Deutschlands und des Auslands
Beten hiermit zu reger Beteiligung eingeladen. Wir
können mit lebhaftem Dankgefühl auf unsere
erste Arbeitspei iode zurückblicken; unsere Heform-
vorechläge, die wir aus kleinstem Kreise heraus,
von dem Bewusstsein der unabweislichen Not-
wendigkeit getragen, unseren Kollegen und
Kolleginnen unterbreiteten, sind auf fruchtbaren
Boden gefallen und haben weiten und lebhaften
Widerhall gefunden. Wir sind jetzt eine ge-
schlossene, fest organisierte grössere Gemeinschaft,
die bestimmte unverrückbare Ziele im Auge hat
und entschlossen ist, dieselben konsequent durch-
zuführen. Wir dürfen es heut schon aussprechen,
dass die Begierung unsere Bestrebungen mit Wohl-
wollen verfolgt, so dass wir in absehbarer 2jeit,
wenn unser ernstes Wollen mehr und mehr zur
168 —
Tat geworden ist, auf ihren Schntz rechnen
dürfen.
Die bereits in den Hanptzügen festgestellte
Tagesordnung des Kongresses gliedert sich
in folgender Weise: Nach einem einleitenden
Referat, welches die bisherigen Arbeiten und Er-
rungenschaften des Verbandes zusammenfasst und
auf die weiteren Ziele hinweist, sind Vorträge mit
anschliessenden Diskussionen über folgende Fragen
vorgesehen :
1. Eeformen auf dem Gebiete des Schul-
gesangs.
a) Die Ausbildung der Fachgesangschullehrer
und -Lehrerinnen.
b) Einführung eines möglichst einheitlichen
Lehrplanes im Schulgesangsunterricht.
2. Der Kunstgesang und die Ausbildung
der Gesangslehrkräfte.
8. Vorträge über allgemeine musikpäda-
gogische Fragen.
Zu Punkt 2 ist zu erwähnen, dass alle bisher
eingereichten Keformvorschläge, resp. Lehrpläne,
Lehrbücher u. s. w. sich fast ausschliesslich auf
die Ausbildung für das Klavierlehrfach beziehen;
es liegt daher bei der Umgestaltung der Seminare
das Bedürfnis vor, auch für die rationelle Aus-
bildung im G^esanglehrfach Sorge zu tragen.
Die Vorträge sind so zu fassen, dass ihnen
Thesen als Leitgedanken vorangehen, die nach
erfolgter Erläuterung durch den Vortragenden der
anschliessenden Diskussion als Grundlage dienen.
Ausser diesen grösseren Vorträgen erstatten
die Kommissionen kürzere Beferate über die
in Angriff genommenen Arbeiten, neue sind in
Vorschlag zu bringen; eine besondere Aufgabe
besteht darin, in verschiedenen Städten Fer en-
und Sonderkurse zur Fortbildung junger Lehr-
kräfte einzurichten, und es ergeht schon heut an
die Pädagogen die Bitte, Vorschläge für diese von
vielen Seiten dringend erbetene Einrichtung zu
machen
Unseren Satzungen gemäss müssen An-
träge und Wünsche zur Tagesordnung des Kon-
gresses 8 Monate vorher, also diesmal bis
spfttesteiis 1. Juli» bei dem 1. Vorsitzenden,
Professor Xaver Scharwenka, eingereidit
werden. Wir bitten also um möglichst baldige
Anmeldungen der Vorträge und Antr&ge.
Im Anschluss an den Kongress findet die
Oeneral-TerMifliHilaiii;
statt.
An derselben können nur die Mitglieder
des Verbandes teilnehmen. Angeschlossene Ver-
eine werden gebeten, ihre Delegierten rechtzeitig
anzumelden. Die Tagesordnung umfasst den
Jahresbericht, den Kassenbericht, Beschlussfassung
über die auf dem Kongress diskutierten Fragen,
Einsetzung von Kommissionen, Vorstandswahl u. s. w.
Anträge zur Generalversammlung sind von
unseren Mitgliedern Statuten gemäss gleichfalls
bis smn 1* Jali einzureichen.
Wir machen darauf aufmerksam, dass
nur diejenigen zu unseren Mitgliedern
zählen, die sich auf Grund der im April
versandten Satzungen zum Eintritt ge-
meldet haben und im Besitz einer Mit-
gliedskarte sind.
Der Vorstand.
I. A.
Xaver Schanoenka.
Mitteilungen
von Hoohsohulen und Konservatorien.
Die Könlgl. Musikschule zu Würzburg,
Direktor Hofrat Professor Dr. Kliebert, führte
am 4. Mai mit einem Chor von 500 Sängern und
80 Listrumentalisten Bach 's „Matthäus-Passion''
auf. Herr Hess, Berlin, sang den Evangelisten,
die übrigen Soli waren durch die Damen Johanna
Dietz, Frankfurt a. M., Iduna Walter-
Choinanus, Landau, und die Herren Weidt,
Heidelberg and Wunderlich, Nürnberg, be-
setzt. Die Aufführung, zu der zahlreiche Gäste
aus Franken und Württemberg gekommen w^ren,
verlief in würdigster, tieffesselnder Weise.
Herr Gustav Borchers, Gesanglehrer und
Kantor zu St. Petri in Leipzig, wird in der Zeit
vom 18. Juli bis 6. August den dritten Ferien-
kursus für Chordirigenten und Schul-
gesanglehrer abhalten. Der aufgestellte Lehr-
plan verspricht: Gesangunterricht (Eitz-Eisleben),
Vorträge über Geschichte des a capella-G^anges
(Dr. Egel), Schulung der eigenen Stimmen der
Teilnehmer, Vorführung aller Stimmgattungen und
ihre Behandlung, üebungen im Chorgesang, musi-
kalische Aufführungen und Lehrproben (der Kirchen-
chor zu St. Petri), Sologesangvorträge, Führungen,
Gtoellschaftsabende. Nähere Auskünfte beim Ver-
anstalter G. Borchers, Konzertsänger, Gesanglehrer
und Kantor zu St. Petri in Leipzig, Hohestrasse 49.
In drei öffentlichen Prüfungskonzerten zeigte
die Musikschule K. A. Fischer, Stettin, I/eiterin
Frau Elf riede Fischer, die Leistungen der ihr
anvertrauten Zöglinge. Aus der stetig wachsenden
Schülerzahl und der Anziehungskraft, welche die
Prüfungen ausüben, ist auf das Literesse und das
Vertrauen zu schliessen, welches sich das Institut
durch sein ernstes künstlerisches Streben beim
Publikum errungen hat. Die Presse hat sich
durchweg in ausserordentlich günstiger Weise über
die Leistungen der Schüler in Bezug auf das tech-
169
ntsche Können und die mneikaliscbe Wiedergabe
der vorgetragenen Werke ausgesprochen; besonders
lobenswert ist die feinsinnige Znsanimenstellang
der Prog:ramme, auf denen» was selten zu finden
ist» auch eine Reihe der poesievollen Stücke von
Kirchner, Jensen, Schytte, Henriques, Kar-
ganoff, Rheinberger nnd anderer Komponisten
vertreten sind, die so ausserordentlich geschmack-
bildend wirken, dass man sich immer nur wundert,
wenn die grössere Zahl der Institutsleiter an diesen
Werken vorübergeht.
In einem am 2. Mai stattgefundenen Vortrags-
Abend des £ichelberg 'sehen Konservatoriums
hier, Direktor Fritz Masbach, produzierten sich
Schaler der Klavierklassen des Direktors, der Qe-
sangsklassen Frau Professor Mallinger's, Pro-
fessor Stolze nberg's und Frl. Hertha Dehm-
low's, der Violinklassen des Kammermusikers
Rieh. Hagemeister's und der Kammermusik-
klasse Prof. F. E. Koch's. Die sämtlichen, auf
künstle, ischer Reife stehenden VortiiLge Hessen
das Institut als eine Püegstätte echter Kunst er-
scheinen. Aus den Klavierklassen des Direktors
fesselten -besonders die beiden Chopin'schen Num-
mern, so wurde das Q-dur Nocturne mit seinem
zart innigen Mittelsatz vorzüglich vorgetragen und
bewies, dass neben Entfaltung der Kraft und
Elastizität des Anschlags auch besonderes Gewicht
auf den künstlerisch vertieften Vortrag gelegt wird.
Ein gleiches Lob kann auch den Gesangs- und
Violinleistungen zugesprochen werden.
Yermischte Nachrichten.
Ein Konzert in der Lutherkirche, welches
von Herrn Edwin Arthur Kraft ans Amerika
am 9. Mai veranstaltet wurde, verdient eine be-
sondere Erwähnung. Herr Kraft ist ein Schüler
unseres hervorragenden Orgelmeisters und Päda-
gogen Franz Grunicke und gehört zu seinen be-
rofensten Jüngern. Er legte eine Probe seines
Könnens durch die ganz vorzüglich gelungene
Wiedergabe der schwierigen „Fantasie-Fuge' Über
B-A-C-Hvon Max Reger ab. Es war eine Glanz-
leistung allerersten Ranges, die sich in der klaren
Interpretation dieses tief empfundenen, äusserst
schwierigen Werkes dokumentierte ; man darf den-
jenigen, der es in dieser Auffassung und Virtuosität
spielt, zu den ersten Vertretern seines Instrumentes
rechnen. Herr Kraft spielte ausserdem noch zwei
andere Kompositionen von Max Reger, das Choral-
Vorspiel: „Herzlich tut mich verlangen'* und die
Fantasie über „Ein feste Burg** mit gleichem
k&nstlerischen Gelingen. Mitwirkende bei dem
Konzert waren Frl. Schley, die mit schöner
Stimme Bach'sPfingstarie „Mein gläubiges Herze"
Bang, und Herr Ruthström, einer unserer her-
vorragendsten Geiger, der die „Solo- Violinsonate**
op. 42 von Max Reger mit feiner Auffassung
nnd Technik spielte. Die ganze Aufführung ge-
währte den Zuhörern einen hohen künstlerischen
und ungetrübten Genuss.
Die Gesanglehrerin Frl. Hedwig Ribbeck
veranstaltete am Sonntag, den 8. Mai eine Schüler-
Aafffihrung im Vereinshause, WÜhelmstr. 118. Der
vollbesetzte Saal bewies die Teilnahme, welche
Frl. Ribbeck's Aufführungen entgegengebracht wird
und welches Vertrauen sich ihre Lehrmethode er-
obert hat. Die dargebotenen Leistungen waren
natnrgemäss verschieden, doch bezeugen alle
^üler, auf welcher Stufe sie sich auch befanden,
die Vorzüge von Frl. Ribbeck's Methode: Oute
Stunmbildung, deutliche Aussprache und lebendigen,
Binngemässen Vortrag. Besonders hervorzuheben
ist Frl. Lindemann, die mit schöner, ausge-
glichener Stinune die Arie der , Michaela** aus
Carmen in künstlerischer Abrundung zu Gehör
brachte. Das Programm wurde vervollständigt
dnrch pianistische Vorträge des Frl. Bruhn, sowie
durch einige humoristische Deklamationen der
Frau Krolop.
Durch einen Fest-Aktus hat der Riedel-
Verein zu Leipzig die Feier seines BQjährigen
Bestehens begangen. Die Feier fand im grossen
Saale des Zentraltheaters in Anwesenheit hoher
Glaste und der Spitzen der Behörden statt und
wurde durch den Choral „Nun lob' mein* Seel**,
Tonsatz von Hans Leo Hasler, eingeleitet.
Dr. Paul Wildfeuer, der Schriftführer des
Vereins, hielt die Festrede, in welcher er alle
Hauptetappen im Leben CarlRiedel's berührte,
die An&nge und die Entwicklung seines Vereins
schilderte, welche Verdienste derselbe sich um die
deutsche Kunstpflege, um die Wiedererweckung
der Kirchenmusik des 16. und 17. Jahrhunderts
erworben und wie er der neudeutschen Kunst die
Wege gebahnt. Nach der Festrede fand die feier-
liche üebergabe des von Freunden und Mitgliedern
des Riedel- Vereins gestifteten Denkmals Carl
Riedel's an den Rat der Stadt Leipzig statt. Die
auf hohem Postament sich erhebende Überlebens-
grosse Büste ist von Adolf Lehner t, dem
Schwiegersohn Carl Rieders, modelliert. Eine
Sunme von 600 M. wurde als Grundstock zu einer
Stiftung für künstlerische Zwecke dem Vorsitzen-
den überreicht, das Gewandhaus-Orchester
stiftete einen silbernen Lorbeerkranz. Nach einem
Schlusswort Dr. Georg Göhler's schloss die
Feier durch die mit heller Begeisterung vorgetra-
genen Chorgesänge „Wach' auf, es nahet gen den
Tag* von Wagner und „Festspruch** von
B r a h m s. — Eine Festschrift „Der Riedel-
Verein in Leipzig**, von Dr. Albert Göhler
verfasst, ist zu dieser Gelegenheit veröffentlicht,
170
sie entrollt ein lebensvolles Bild des küDStlerischen
Wirkens Carl EiedePs, verfolgt die Entwicklang
des Vereins und stellt die gesamten Konzertpro-
gramme Carl Riedel's und Professor Dr.
Kretzschmar's, seines Nachfolgers, die Namen
der Sänger nnd Mitwirkenden u. s. w. zosammen.
Die Bildnisse Carl BiedeTs, Hermann
Kretzschmar*s und Dr. Georg Göhler's,
des jetzigen Leiters des Vereins, sind dem Bnche
beigefügt.
In 8 Konzerten zu einem wohltätigen Zweck
haben die Herren F. Walter Porges, Violine,
nnd Otto Seelig, Klavier, in Heidelberg die
gesamten „Violin-Sonaten* Beethoven's ge-
spielt nnd ansserordentliche Erfolge damit errun-
gen. Besonders bildete das letzte Konzert, in dem
die Kreutzersonate, op. 47, und die grosse G-dur-
Sonate, op. 96, zu Gehör kamen, den Höhepunkt
des Cyklus. *
Zu den grossen diesjährigen RichardWag-
ner-Festspielen zu München im Prinz-
Regenten-Theater und zu den Mozart-Fest-
spielen sind ausser ersten Kräften der hiesigen
Bühne zu Gastspielen verpflichtet worden : Sophie
David-Köln, Olive Fremstad-London,
Mathilde Fränkl - Claus - Hamburg,
Emilie Herzog-Berlin, MinnieNast-
Dresden, Franzi Scheff -London, Milka
Ternina-New-York; ferner die Herren Karl
Buri ian - Dresden, Hermann Gura-
Schwerin, Julius Putli tz - R ostock,
Albert Reisz-Lon don, Richard van
Rooy-New-York und Desider Xader-
P r a g. Als Dirigenten werden die Herren General-
direktor M o 1 1 1 , Hofkapellmeister Franz
Fischer, Professor Arthur Nikisch, Hof-
kapellmeister FelixWeingartner, Hofkapell-
meister HugoRöhrj Hofkapellmeister H u g o
Reichenberger fungieren.
Hugo Kann vollendete ein grösseres Chor-
werk für gemischten Chor, Solo und Orchester
„Auf dem Meer", Dichtung von John Henry
M a c k a y .
Der Musikverleger D. Rahter in Leipzig
erhielt auf der internationalen Ausstellung „Die
Kinderwelt^^ pädagogische Abteilung zu St. Pe-
tersburg, die höchste Auszeichnung, ein Ehren-
diplom für instruktive Musik.
Professor Dr. Max Bruch ist aus Italien,
wo er auf ärztliche Anordnung den Winter zu-
brachte, völlig wiederhergestellt hierher zurück-
gekehrt und hat seine Dienstgeschäfte in der
königl. Akademie der Künste und der Hochsclmle
für Musik in vollem Umfange wieder üb^momnien.
Zum 60jährigen Jubiläum des Dres-
dener „Tonkünstlervereins* verlieh der
König von Sachsen dem Vorsitzenden des Vereins,
Kammervirtuosen Böckmann, den Titel „Pro-
fessor der Musik^\ und dem stellvertretenden Vor-
sitzenden Prof. S c h m o 1 e das Ritterkreuz 1. Klasse
des Albrechtsordens.
Der bedeutende, über 9000 Nummern umfas-
sende Musikverlag der Firma Jos. Aibl Verlag
in München ist durch Kauf in den Besitz der
Verlagsürma ..Universal-Edition^ Aktien-
gesellschaft in Wien tibergegangen.
Ln Pariser Konservatorium hat der Biblio-
thekar desselben, Herr Weckerlin. in einem
versteckten Winkel der seiner Obhut anvertrauten
Abteilung 12 Kompositionen derKönigin
Hortense, der Mutter Napoleons TTT, aufge-
funden, die die Komponistin ihrem Musiklehrer
C a r b o n e 1 gewidmet hatte. Es sind Romanzen
mit Titeln wie: „Conseils a un jeune troubadour^,
„Marchons k la vlctoire'S »Les Chevaliers fran^ais^*
usw.; sie befinden sich in einem in Maroquin ge-
bundenen kleinen Album, das auf dem Deckel ein
von der Kaiserkrone überragtes goldenes H auf-
weist; auf der ersten Seite liest man die von der
Königin selbst geschriebene Widmung:
„Herrn Carbonel zur Erinnerung
Hortense.
Arenberg, d. 12. Oktober 1825."
Wolf-Ferrari *s Chorwerk „La vita nuova"
wird in auserlesener Besetzung auf dem Musik-
fest von Utrecht zur Aufführung kommen.
Der Philharmonische Chol (Dir.: Prof.
Siegfried Ochs) wird im nächsten Winter in
seinen Abonnementskonzerten folgende Werke zur
Aufführung bringen: Vier Kantaten von
Bach (darunter einige hier noch unbekannte),
„Die Christnacht" von Hugo Wolf (zum
1. Male), die „M issa solemnis* von Beetho-
ven, „Taillef er** von Rieh. Strauss und
das „D eutsche Kequiem* von B r a h m s.
Bücher und Musikalien.
Neuausgaben der Werke Ton Hector Berlioz
Breitkopf nnd H&rt«], Leipsig.
Die Wiederkehr des Geburtstages Hector
Berlioz (11. Dezember 1808) veranlasste das Leip-
ziger Verlagshaus Breitkopf und Härtel neben
der, von Weingartner und Maleherbe edierten
Monumentalausgabe sämtlicher Werke des giossen
französischen Tondichters noch eine zweite zu
veranstalten, die den Wünschen und Bedürfnissen
der breiteren Schichten des musikliebenden Publi-
kums entgegen zu kommen beabsichtigt. Neben
den Vokalwerken im Klavierausznge sind auch
mehrere Or ehest er werke, nämlich die Ouvertüren
zu „Waverley", „König Lear**, „Rob-Eoy**, „Ben-
venuto Celliui", „Römischer Cameval**, „Die Tro-
— 171 —
janer in Karthago'' sowie aach .Uugarischer
Marsch' and ,Tanz der Irrlichter^' ans „Fanst's
Verdammnng* erschienen. Die treMichOi dorchans
spielbare nnd den Inhalt der genannten Tonwerke
nach Möglichkeit darstellende Bearbeitung für
Pianoforte zu zwei Händen verdanken wir dem
rnnslkalifichen Sinn nnd künstlerischen Geschick
Otto Tanbmann's, eines Musikers, der sich hier-
mit um Beriioz Werke und ihre weitere Verbreitung
ein hoch einzuschätzendes Verdienst erworben hat.
Alle nachstehend angeführten Berlioz'schen Werke
sind im Klavierauszuge mit Text erschienen:
.Faust's Verdammung", Legende in 4 Akten
ffir Soli, Chor und grosses Orchester (Pr. Voll-
bach) fand seit kurzem auch in Deutschland mehr
Beachtung, nachdem Frankreich und England vor-
angegangen waren. Nur in ganz dürftigen Um-
rissen hat sich der Tondichter an Goethe's Vorbild
gehalten und lediglich ausgewählt, was ihn in
losen, einzelnen Szenen anzog und zu charakteristi-
scher Vertonung reizte. Seine musikalische Ein-
kleidung der vielumworbenen Faustsage ist echt
französich und neuromantisch zugleich. Weder auf
die Bühne noch recht ins Konzert passt die,
Paganini gewidmete dramatische Symphonie
,^omeo und Julia" (in 2 Teilen und 8 Sätzen für
grosses Orchester, Soli und Chor nach Shakes-
peares Tragödie, (B. Kleinmichel), ein Werk,
in welchem sich Epos, Lyrik und Drama ordent-
liuh bekämpfen, worin der Autor völlig launenhaft
bald zu diesem, bald zu jenem Ausdrucksmittel
greift, sodass eine totale Verzerrung des wunder-
vollen Stoffe die unausbleibliche Folge war. Des
Oefteren begegnet man den 8 Orchestersätzen,
„Fee Mab'S „Lietesszene" und ,:Fest bei Capulef'
im Konzertsaale. Dem Klavierauszuge von „Ben-
▼enuto Gellini" ist die von Bülow vierhändig
bearbeitete Ouvertüre beigegeben. Diese Oper
war des Meisters dramatisches Schmerzenskind, sie
erlebte bei ihrer ersten Aufführung in Paris voll-
kommeneB Fiasko, blieb 14 Jahre hindurch un-
beachtet liegen und wurde dann erst durch Franz
Li 88t in Weimar mit freilich ebenfalls nur mehr
vorübergehendem Erfolge zur Anführung gebracht.
Die Uebersetzung des französischen Textes rührt
von Pe te r C o r n e 1 i u s her. „Lyrische Dichtungen"
nannte Beriioz die beiden Bücherwerke, deren
Stoff er dem antiken Leben entnahm, deren Texte
ihn selbst zum Verfasser hatten, nämlich „Die
Einnahme von Troja" (in 8 Akten) und „Die
Trojaner in Karthago'* (in 4 Akten). Musika-
ÜacberseitB gehören beide Werke zum Bedeutendsten,
was Beriioz geleistet hat, aber os stand ihm doch
aaf dramatischem Gebiete der gewaltige Rivale
Bichard Wagner gegenüber, dem der endgiltige
Sieg beschieden sein sollte. Es war dem Meister
nicht vergönnt, eine vollständige Aufführung der
„Trojaner** zu erleben. !Nach ungefähr 20 Auf-
führungen verschwand der zweite Teil von
der Bühne des Thäatre lyrique (1863) und erst
neuerdings sind mehrere deutsche Bühnen wiederum
auf das Werk zurückgekommen. Bereits in jungen
Jahren hatte sich Beriioz mit Stoffen aus dem
Altertum beschäftigt; 1828 und 1829 komponierte
er ein Werk für Soli, Chor und Orchester „Der
Aufstand der Griechen" (O. Taubmann) und
„Kleopatra" für eine Singstimme mit Orchester-
begleitung (Ph. Soharwenka). Der noch aus-
stehende Klavierauszug der vierten Berlioz'schen
Oper „Beatrice und Benedikt** (nach Shakespeare's
,,Viel Lärm um Nichts'*) soll sicherem Vernehmen
nach in diesem Jahre erscheinen. — Die „Grosse
Todtenmesse'* (Requiem, op. 5, Ph. Sohar-
wenka) war für die Opfer der Julirevolution be-
stimmt, gelangte aber erst am 5. Dezember 1837
im Invalidendome zu Paris zur Aufführung. —
Die nachstehend genannten Klavierauszüge gab
O. Taubmann heraus. Hiervon sei zunächst das
„Te Deum*' angeführt, eine Komposition von
weitestem Umfange, die weit religiöseren In-
halts als das Bequiem ist und von ihrem Autor
selbst sehr hoch bewertet wurde. Li Deutschland
fand das Werk zum ersten Male 1884 in Weimar
eine vollständige Wiedergabe durch den Allgemeinen
Deutschen Musikverein. Es trägt den episch-
dramatischen Stil, wie viele Werke Beriioz* an sich
und wollte den Kriegsruhm Napoleons verherr-
lichen. Die Originalpartitur hat den Vermerk:
„Die Rückkehr des ersten Konsuls aus dem italieni-
schen Feldzuge'«. Die Kantate „Der fünfte Mai''
(für Basssolo, Chor und grosses Orchester) galt
ebenfalls dem Andenken Napoleons. D3r Text
rührt von B^ranger her. Das Ganze ist gleichfalls
ein Jugend werk von Beriioz (aus dem Jahre 1882)
und dem ihm befreundeten Maler und Akademie-
direktor Horace Vemet zugeeignet. — Die biblische
Trilogie „Des Heilandes Kindheit" zerfällt in
die einz^nen, „Traum des Herodes", „Flucht nach
Aegypten" und „Ankunft in Sais" überschriebenen
Teile. G^en seine sonstige Gewohnheit arbeitet
Beriioz hier nur mit kleineren orchestralen und chori-
schen Mitteln. Es finden sich weder epische Breite in
der Entfaltung und Entwicklung verschiedener Be-
gebenheiten, noch dramatischer Aufbau, sondern viel-
mehr nur einzelne Genrebilder, Situationen oder
Dlustrationen meistens heiterer, ganz selten nur
düsterer Färbung, die durch die allgemeine Idee
des Ganzen in losem Znsammenhange stehen. —
Die „Melodie Böligieuse" für gemischten Chor
ist ein Stück aus der „Tristia" genannten Samm-
lung, welche auf den Tod von Beriioz' ersten Gattin,
Henriette Smithson, geschrieben war und als
op. 18 erschien. Die zwei anderen, hierher ge-
hörigen Chorsätze mit Orchesterbegleitung, „Ballade"
und „Trauermarsch" zur letzten Szene von
Shakespeare's „Hamlet'' sind im Bahmen der in
Rede stehenden Ausgabe noch nicht erschienen.
Das von Beriioz bereits im 22. Lebensjahre kom-
ponierte „Resureseit" für vierstimmigen Chor
und Orchester wurde 1827 in Paris und 1831 io
— 172 —
Born einer Umarbeitung unterzogen, ist ziemlich
gro68 angelegt und * berührt vornehmlich durch
strikte akkordische Stimmführung, weniger durch
eigentlich streng polyphonen Charakter. —
Im Interesse des Publikums, dem es kaum
möglich sein dürfte, sich in den Besitz der kost-
baren und umfangreichen Berlioz'schen Partituren
zu setzen, sei auf die Breitkopf und H&rtel'sche
Gesamtausgabe der Vokalwerke im Klavierauszuge
mit Text empfehlend hingewiesen. Der Klavierpart
ist stets durchaus spielbar und giebt ein treues
Abbild des in der Orchesterpartitur Angestrebten,
soweit sich solches überhaupt Berlioz' ungemein
komplizierten Orchestersatz gegenüber ermöglichen
Hess.
Georg l'Vnie: „Tonleiter-Studien für Violon-
cello«.
D. H«lit«ry Leipilg.
Georg Willems, des ausgezeichneten Dresdner
Violonceliomeisters, Touleiter-Studien für Violoncello
kommen der modernen Technik des Instrumentes
zu Hilfe, da ja die ältere Technik den An-
forderungen des Solo- und Orchesterspiels durch-
aus nicht mehr gewachsen ist. Die Studien be-
ginnen im Umfange von zwei Oktaven, gefolgi^
von Akkordstudien und Terzentonleitern in gleichem
Umfange, worauf sich letzterer bis zu vier Oktaven
ausdehnt. Trefflich sind auch die den Beschlags
des Heftes bildenden skalenförmJgen Uebungen,
die den Zweck haben, das Zurückgehen auf die
vorhergehende Saite zu vermeiden. Willems Ton-
leiter-Studien bezeugen sowohl eine tiefe Kennt-
nis des Instrumentes, als auch volles Bewusstsein
dessen, was dem modernen Spieler von bleibendem
Nutzen sein kann und stellen sich als einen sehr
erwünschsten und wertvollen Beitrag zur Violon-
celloliteratur dar, worauf alle Interessenten hier-
durch angelegentlich hingewiesen seien.
Bugen Segniti.
Vereine.
MnsilL-Sektton
des Allg. Deutschen Lehrerinnen-Yereins«
Die Musikgruppe Darmstadt macht bekannt,
dass die bisherige I. Vorsitzende, Fräul. Forbach,
sich leider aus Gesundheitsrücksichten genötigt
sah, ihr Amt niederzulegen. An ihre Stelle ist
Frau Dr. J. Walther getreten.
Stuttgarter TonkttnstlerTerein.
Die Konzerte des Vereins zeigen in jüngster
Zeit das deutliche Bestreben, befruchtend auf das
Kunstleben einzuwirken, das Interesse des Publikums
an den Matin^n ist im Wachsen, auch die Mit-
gliedschaft hebt sich in erfreulicher Weise. Die
Programme des ersten und dritten Konzertes waren
zum grössten Teil J. S. Bach gewidmet, das zweite
wies neuzeitliche Werke auf, es brachte drei
Klavierwerke von Liszt: „Impromptu, Legende
und Sonetto del Petrarca", die .Violinsonate** A-dur
von C^sar Franck, „Streichquartett -Serenade**
von Hugo Wolf und eine Reihe „Lieder** von
Kienzl, Schütz, Holländer und Schutt.
Ausführende waren die Herren Hofkapellmeister
Pohlig, die Professoren Pauer und Seyffardt,
Musikdirektor Bückbeil und Ludwig Feuer-
stein.
Yerein der koncesslonierten Masiksehnllnhaber
nnd Inhaberinneii in Wien.
Eine Deputation des Vereins, unter Führung
des Abgeordneten Dr. Heilinger, hatte vor
kurzem eine Audienz bei dem Unterrichtsminister
Ritter von Hartl, um demselben die berech-
tigten Wünsche und Beschwerden der Musikschul-
inhaber zu unterbreiten. Abgeordneter Dr. Hei-
linger scellte die Deputation PfrMimer, Urban,
Horvath, Adler, Schwarz und Li^pert vor,
und erläuterte dem Minister die Wünsche und
Forderungen der Deputation, welche im folgenden
gipfeln: 1. Die Regierung wolle dem Abgeordneten-
haus einen Gesetzentwurf vorlegen, nach welchem
die konzessionierten Musikschulen unter die kon-
zessionierten Gewerbe im Sinne des Gewerbe-
gesetzes einzureihen wären. — 2. Die Regierung
wolle bei Verleihung einer neuen Konzession den
Lokalbedari berücksichtigen und weiters normieren,
dass zur Erlangung von Musikschul konzessionen
eine mindestens fünfjährige Lehrpraxis an einer
konzessionierten Musikschule nachzuweisen sei.
3. DiQ Regierung wird ersucht, in Zukunft Musik-
Bchulkonzessionen ohne entsprechenden Nachweis
(sogen, bedingte Konzessionen) nicht mehr zu er-
teilen 4. Das hohe Unterrichtsministerium wolle
einen Teil der k. k. Staatsprüfungskommissare aus
der Mitte des „Vereins der konzessionierten Musik-
schulinhaber und Inhaberinnen in Wien** berufen.
5. Die Regierung wolle den Prüfungsstoff für die
k. k. MusilEstaatsprüfung präzisieren und eine Ein-
heitlichkeit im Prüfungssysteme verordnen. Abg.
Dr. Heilinger betonte nun ausdrücklich, dass es
unter den Musikschulinhabem hervorragende
Künstler gibt, welche würdig wären, zur Staats-
prüfungs-Kommission herangezogen zu werden.
Hierdurch würde dem ungesetzlichen Uebel ge-
steuert werden, dass die Früfungs-Kommissäre ihre
eigenen Schüler prüfen, wie dies bis heute leider
der Fall war.
Der Minister erklärte, die vorgebrachten
Wünsche genau zu prüfen und möglichst zu be-
rücksichtigen. Was die Einreihung der Musik-
schulen unter die Gewerbe anbelangt, so gehöre
die Sache vor das Abgeordnetenhaus und werde
er dieselbe im Hause befürworten. Dem Wunsche
der Deputation wegen Ernennung eines oder meh-
rerer Vereinsmitglieder zu Staatsprüfungskommis-
sären könne Rechnung getragen werden. Hin-
sichtlich der Frage in der Einheitlichkeit des Prü-
fungsstoffes werde er die Angelegenheit an den
Landesschulrat leiten, um demselben Gelegenheit
zi^ geben, sich zu äussern. Der Minister war dar-
über, dass die Prüfung^kommissäre ihre eigenen
Schüler selbst prüfen, sehr erstaunt und erklärte,
dass dies ungesetzlich sei und er die Abstellung
dieses Unfuges veranlassen werde.
173 -
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octiendenommcn.
No. 12.
Berlin, 15. Juni 1904.
XXVII. Jahrgang.
lahalt: Or. Karl Storck: Die tschechische Musik. Dr. Walter Niemann: Unsere MusikbQcherei (Schluss). Eugen Tetzel: lieber
musikalisches Talent. Stiftungen und Wohlfahrtebestrebungen. Mitteilungen von Hochschulen und Konservatorien. Vermischte
Nachrichten. Bacher und Musikalien, besprochen von Anna MorMh u. Eugen Segnitz. Vereine. Druckfehler-Berichtiguog. Anzeigen.
@ie fscbecbiscbe ^usll^e
Zum Gedächtnis Anton Dvoraks.
Von
Dr. Karl
Wenn wir von Goethe lernen Entwicklung
und Persönlichkeit als die beiden Angelpunkte
aller geschichtlichen Erkenntnis zu betrachten,
so werden wir auch als ein unentbehrliches
Miitel zur Erfassung einer Persönlichkeit ihre
Stellung innerhalb der Entwicklung erkennen.
Das wird umsomehr zutreffen, wenn die Be-
deutung einer Künstlererscheinung weniger in
ihrem persönlichen Gehalt, als in ihrem Werte
für die Nation und deren Kraftentfaltung liegt.
Das ist bei dem am 1. Mai verstorbenen
Anton Dvorak der Fall, dessen historische
Bedeutsamkeit über die Lebensdauer seiner
Werke hinaus darin liegt, dass er das In-
strument des Tschechentums im Orchester der
Weltmusik solistisch zur Geltung brachte. Ge-
wiss hat Smetana schon vorher tschechisches
Wesen zum Ausdruck gebracht, aber ohne
dass die Welt draussen in wirksamem Masse
davon Kenntnis erhielt. Das aber ist bei einer
Nation, die nur durch ein Eingreifen in inter-
nationale Politik ihre Kultur betätigen kann,
doch entscheidend. So glaube ich auch, dass
hier die beste Form eines Nachrufes auf
Dvorak in einer Darstellung der tschechischen
Musik liegt, der Kunstmusik natürlich, denn
der Besitz eines Volksliederschatzes reiht noch
8torek.
nicht in die Zahl der musikalischen Kultur-
völker ein.
Wir reden einmal von tschechischer und
nicht von böhmischer Musik; denn es handelt
sich um den Gegensatz der Rasse und nicht
um geographische BegrifiFe. Ein sehr grosser
Teil der böhmischen Musik, und zwar, wie
Batka („Kranz" S. 65) im Einzelnen nachge-
wiesen hat, auch vor dem 30jährigen Krieg
ist von Deutschen geschaffen. Sodann sagen
wir tschechische Musik und nicht Tschechen
in der Musik. Der springende Punkt ist, ob
der Gehalt der Musik national-tschechisch ist.
Bei schroffer Wahrung dieses Standpunktes
brauchten wir unsere Darstellung erst mit
dem Revolutionsjahr 1848 zu beginnen, wo
auch die politische Bewegung des Tschechen-
tums begann. Aber es wäre nicht möglich
gewesen, dass damit gleichzeitig eine geistige
Bewegung aus dem Boden gestampft worden
wäre, wenn dieser Boden nicht längst dafür
günstige Bestandteile enthalten hätte. Ihnen
wollen wir zunächst nachforschen.
Es ist immer der Beweis für eine, wenn
auch noch so bescheidene eigene Kultur, wenn
sie im Sagenschatz eines Volkes ihren Nieder-
schlag gebildet hat. Nun ist ja die am
— 178 —
16. September 1817 auf dem Turme der
Dechanteikirche in Königinhof aufgefundene
und nach dem Fundort benannte Handschrift,
auf die die Vorkämpfer einer tschechischen
Urkultur sich so gern berufen, als Fälschung
nachgewiesen. Aber ihre Mitteilungen ent-
halten doch viel echtes Volksgut. Dazu gehört
wohl sicher die Sage von den Sängern Lumir
und Zaboj, die gleich Orpheus durch ihre
innerstem Leid entquollenen Lieder auch die
Anton Dvorak.
härtesten Herzen rührten. In geschichtliche
Zeit führt uns das Wirken des heiligen Adalbert,
der 982 Bischof von Prag wurde. Wie alle
ältesten Bekehrer erkannte auch er im volks-
sprachlichen Kirchenlied ein vorzügliches
Mittel zur Verbreitung^ier neuen Lehre. Unter
seinem Namen erhielt sich lange Zeit als Bitt-
und Trostgesang bei wichtigen Anlässen eine
Anrufung der Gottesgebärerin. Auch die
Sequenzen und Kyrie-eleison-Gesänge, wie wir
sie aus der deutschen Musik des frühen Mittel-
alters kennen, führte Adalbert in Böhmen ein.
In ausgesprochen slavischem Sinne national
dachte der erste Erzbischof von Prag, Arn est.
Er tat um die Wende des 13. Jahrhunderts
auf kirchlichem Gebiete, was Karl der Grosse
ein halbes Jahrtausend zuvor für das weltliche
tat: er sammelte alle liturgischen und geist-
lichen Gesänge, aus denen ein nationaler Geist
sprach. Selber schuf er eine Sequenz zu Ehren
des Nationalheiligen Wenzeslaus. Noch vor
seiner Zeit war in Prag ein Chorsängerverein
gegründet worden.
Immerhin dürfte diese ganze
Musik in rein musikalischer Hin-
sicht kaum zu wesentlichen natio-
nalen Eigentümlichkeiten gekommen
sein. Allenfalls kann man eine be-
reits in den ältesten Zeiten bestätigte
Vorliebe für Blasinstrumente dahin
rechnen. Im übrigen aber nahm auch
hier die Kirche die Musik in ihren
Dienst und das Bild der Entwick-
lung gleicht im Mittelalter dem in
anderen Ländern. Die Kunstmusik
der Kontrapunktik reifte noch lang-
samer, als in den mehr westlichen
Ländern und blieb jedenfalls hier
zunächst ein eingeführtes Gewächs.
Neben den Choral trat früh als Leben
spendender Quell das Volkslied. Es
mag an der grossen Sangeslust des
Böhmervolkes gelegen haben, dass
die Kirche hier in ausgiebigerem
Masse den Volksgesang — in deut-
scher, wie in tschechischer Sprache
— zuliess. Die Kontiafakta, jene
bekannten Umdichtungen weltlicher
Lieder in's Geistliche, sind hier ver-
hältnismässig sehr häufig. Erst vor
wenigen Jahren wurde im Stifte
Hohenfurt eine Liederhandschrift ent-
deckt, die dem 15. Jahrhundert an-
gehört und, wie Wilhelm Bäumker's
1895 veranstaltete Neuausgabe („Ein
deutsches geistliches Liederbuch mit Melodien**)
zeigt, eine Fülle noch heute lebensfähiger Kirchen-
lieder enthält. Neben „Rufen", psalmenartigen
Z wiegesängen zwischen Vorbeter und Volk, wie
sie besonders bei Prozessionen beliebt waren,
enthält das Buch „geistliche Lieder, doch in
weltlichen Weisen von einem grossen Sünder.**
Die Weltlichkeit der Weisen klingt mit lebens-
lustiger Freudigkeit durch die ernsten Texte. Von
besonderer Schönheit aber sind die Weihnachts-
und Krippenlieder, deren eines „Es ist geboren
ein Kindelein" Liszt in der „heiligen Elisabeth**
für den Armenchor verwendete. (Forts, folgt.)
— 179 —
Von
Dr. Walter Nlemann.
(Schliiss.)
Von musikalischen Essaysammlnngen
nenne ich nnr die bekanntesten : A m b r o s [-Vogel] :
Bunte Blätter (LeJpz. 2. Aufl. 1896), Grädener:
„Gesammelte Ao&ätze" über Kunst (Hamburg 1872),
Spitta: Die wundervollen Sammlungen „Zur
Musik*', zugleich mit den besten kurzen Mono-
gi-aphieen über Brahms und Gade (Berlin 1892) und
,,Musikge8chichtliche Aufsätze'*, (Berlin 1894);
Batka: Mnsikal. Streifzüge (Leipz. 1898), Kranz
(Leipz. 19(3), Marsop's und Pfordten's „Musikal.
Essays -*. Von älteren, z. T. heute mit Unrecht
vergessenen Schriften dieser Gattung mögen end-
lich noch angemerkt sein : £ h 1 e r t's „Essays^^,
besonders „Briefe an eine Preundin** (Berlin 1859).
„Aus der Ton weit»' (2 Bd., Berlin 1877-1884;;
£ h r 1 i c h's „Essays*', besonders : „Aus allen Ton-
arten" (Berlin 1888); Gumprecht's , Musikalische
Charakterbilder" und „Lebens- u. Charakterbilder"
(Leipzig 1869-86), Hiller's feine „Essays", u.a.
„Erinnenmgsblätter* (Köln 1884), „Aus d. Tonleben
uDsrer Zeit" (Leipzig 1868—71), „Musikalisches u.
Persönliches" (1876); O.Jahn's „Gesammelte Auf-
sätze über Musik" (Leipzig 1866), schliesslich neben
Berlioz' „Grotesques de la Musique", „Soir^es
de rOrchestre" (Leipziger Gesamtausg. 1908) noch
H a n s 1 i c k's und Rubinstein's vorsichtig zu
benutzende, sehr geistvolle Sammlungen.
Zum Verständnis der modernen Mnsikentwick-
iong gehört Kietsch's „Die Tonkunst in der
zweiten Hälfte des 19. Jahrhundeits" (Leipz. 1900)
ZQm wichtigsten und unentbehrlichsten Buch.
Dem für Musikästhetik Literessierten
seien die wichtigsten Autoren und Werke genannt :
T h i b a u 1 8 .üeber Reinheit der Tonkunst" (Heidel-
berg 1861) ; H a n s 1 i c k's blendende, freilich sehr
gefährliche Schrift „Vom Musikalisch Schönen*^
(Leipz. 1881) sollte jeder Musiker gelesen haben,
aach wenn ihre Behauptungen längst als falsch
widerlegt sind. Vgl. dazu Stade's und Kullak's
„Das Musikalisch Schöne" (1879 bezw. 1^58) und
des letzteren Autors treffliche „Aesthetik des
Klavierspiels" (Berlin 1861). Von neueren Autoren
seien genannt: Hausegge r's „Die Musik als
Ausdruck" (Wien 188B), Stephanies „Das Er-
habene in der Tonkunst** (Leipzig 1902), zusammen-
fassend : Moos' „Moderne Musikästhetik" (Leipzig
1902). Marx' und BrendeTs einschlägige
Schriften sind veraltet.
unter den musikalisch -novellistischen
Gaben seien neben den neuesten, prächtigen
Söhleschen Beiträgen : „Musikanten und Sonder-
^oge*', „Seb. Bach in Arnstadt", Wolzogen's
„Kraft - Mayr**, von älteren Werken dieser Art
neben dem Schumann - Studium Hoffmann 's
„Fantasiestücke in Callots Manier", „Ereislerbuch",
Mörike's entzückende Novelle „Mozart auf der
Heise nach Prag" und BrachvogeTs „Friedem.
Bach" genannt. Abzulehnen sind die Aibeiten
E. Polko's und H Hau*8, weil süsslich und ge-
schichtlich unwahr.
Zum Schlüsse seien Musiker und Musikfreunde
noch auf das „Jahrbuch Peters" (C. F. Peters)
aufmerksam gemacht, das sich der Mitarbeiter-
schaft Kretzschmar's, Schwartz', Seiffert's,
Friedländers u. a. erfreut und, durchaus nicht
nur für „gelehrte" Musiker oder , Junge Musik-
forscher" bestimmt, alljährlich neben sorgfältiger
Bibliographie des verflossenen Jahres eine Fülle
des Neuen bringt.
Zur tieferen Kenntnis vieler alten Meister
verhelfen die Einführungen zu den Bänden
der deutschen, österreichischen^ bayrischen Denk-
mäler der Tonkunst", deren Einzeldruck
gewiss auch manchem Musiker willkommen wäre,
zumal sie, wenigstens z. T., hochbedeutende ge-
schichtliche Abhandlungen in allgemein ver-
ständlicher Form enthalten — allerdings nur
zum Teil, was bei ihrem in erster Linie streng
wissenschaftlichen Charakter selbstverständlich
in der Ordnung ist. Aber Abhandlungen wie
z. B. Kretzschmar's Einführung in Holzbauers
„Günther von Schwarzburg", Sandberge r*s
„Kerll'- u. a. möchte man nicht in diesen kost-
spieligen Biesenbänden für weitere Elreise ver-
grabea sehen!
Jetzt muss ich dir, freundlicher Leser, danken,
dass du dich mutig mit mir durch diesen dichten
Bücherwald hindurch gebahnt hast. Dir wird
schier der Atem und die üebersicht verloren ge-
gangen sein, drum sollst du zur Beruhigung noch
ein kleines Schlusswort von mir anhören, das
wieder in friedliche, sanfte Bahnen einlenken wird.
„Was muss ich denn über ausländische Musik
gelesen haben'*? hört man nun wohl fragen. Von
allen Ausländem verdienen die Skandinavier
als germanisches Musik -Volk neben Holländern
und Engländern (vgL W. NagePs „Greschichte
der Musik in England'*, bisher 2 Bde., Strassburg
1894—97 erschienen) die meiste Beachtung. WiU
man nur einen flüchtigen üeberblick über ihr
Schaffen gewinnen, so werden die geeigneten
unter den vorher angegebenen Werken wie
Kretzschmar's „Führer", Riemann's „Epochen
und Heroen", Spitta*s „Zur Musik" (wegen Gade),
Closson's französisch geschriebene „Grieg- Mono-
graphie" (vorzüglich, s.o.) genügen. Für Frank-
reich kann Bruneau's „La Musique fran^aise"
(Paris 1901), zum Verständnis der modernen fran-
— 180 —
zöBischen Musik Closson's wertvolle Studie „Die
jungfranzösische Schule*' (Signale, Jahrg. 1902 - 03)
am meisten empfohlen werden. Weiter weiss ich
schon kaum mehr zu raten. Gerade tiber aus-
ländische Bdusik herrscht grosser Mangel nament-
lich an deutschen Werken. Wohl giebt es zahlreiche
gute grössere, auch deutsche Aufsätze, Studien
u. dergl. in deutschen Musikzeitschriften, aber
welcher Musiker und Dilettant hat immer Lust,
Zeit und Greschick, sich alles dieses mühsam zu-
sammenznsteUen ? Musikwissenschaft und Musik-
geschichte ist ein gar schönes und notwendiges
Ding, man möchte aber manchmal sehnsüchtig
wünschen, dass auch die wissenschaftlich behan-
delte neuere und neue Musik mehr Anteil bei
ihren Vertretern fände. Namentlich was unser
Wissen über ausländische ältere und zeitgenössische
Kunst angeht, ist es geradezu traurig mit ein-
schlägigen, zuverlässigeren Werken bestellt, deren
deutsche Uebersetzung man oft dringend wünschen
möchte. Ich nenne hier wenigstens die Namen
der wichtigsten nordischen Autoren Über die
neuere Musik in ihrer Heimat, ein andermal aus-
führlicheres. Es sind für Russland: Gui, Find-
eisen; für Dänemark: Hammerich, Ravn,
Panum, Behrend; für Schweden: Lindgren,
Valentin, Norlind; für Norwegen: Siewers,
Grönvold; fürFinland: Krohn,Flodin, Pudor.
Wir sollen keine Ausländerei treiben, aber wir
sollten als altes grosses Geistesvermittlervolk
von der Musikentwicklung im Auslande besser
Bescheid wissen ! Es ist kein gutes Zeichen, dass
für die Musik kein derartiges Bedürfnis bei uns
vorhanden ist.
Die im Vorhergehenden gegebene Aufstellung
der wichtigsten Mutikliteratur für unsre Musiker
und Musikfreunde ist nicht die erste ihrer Art.
Sie wurde bereits früher von Storck, vom
„Literarischen Ratgeber** des „Kunstwart*' in ver-
dienstlicher Weise versucht Sie macht keinen
Anspruch auf Vollständigkeit, wohl aber auf mög-
lichste Objektivität! Wir dürfen uns weder
auf den Musikantenstandpunkt stellen, der da das
Votum abgiebt: „Wir brauchen keine Bücher zu
lesen, wir haben auch keine 2ieit dazu, und können
nichts mehr aus Büchern lernen; es genügt, wenn
wir die Notenköpfe recht schön in Töne umsetzen,
damit basta**, es wird auch selbstverständlich
nicht verlangt, dass ein praktischer Musiker alle
aufgeführten Werke besitzt; gelesen haben sollte
er aber doch den grössten Teil derselben, und da-
zu hat er im Verlaufe seines Lebens überreichlich
Zeit. Die Zeiten des Tiefstandes der Allgemein-
bildung unter unseren Musikern, die wir leider
wieder einmal durchmachen, werden sich in
normale, bessere wandeln. Wenn auch in abseh-
barer Zeit die ideale Institution öffentlicher Musik-
bibliotheken, wie sie W. Altmann in seiner vor-
trefflichen Schrift „Oeffentliche Musikbibliotheken"
(Leipzig 1903) überall realisiert sehen möchte, noch
ein frommer Wunsch bleiben wird, so kann doch
eine gut zusammengestellte musikalisehe Privat-
bibliothek für den Einzelnen einstweilen aashelfen.
Dass unseren Musikern und Dilettanten die un-
geheure Wichtigkeit dieser Privatbibliotheksf rage
einleuchtet, dass sie erkennen lernen, wie not-
wendig es ist, der darniederliegenden Allgemein-
bildung unserer Musiker, von denen ein erschreckend
grosser Teil, in dieser Hinsicht betrachtet, leider
den Namen Musikant verdient, durch Verbreitung
soliden musikalischen Wissens aufzuhelfen, das
zu vollbringen, gehört zu den wichtigsten musi-
kalischen Zeitfragen, und ist hunderttausendmal
wichtiger als alle „sensationellen" Versuche mit
„stimmungsvoller*' Beleuchtung, — Pariümierung
der Konzertsäle und ähnliche überflüssige Reform-
Sports!
Möchte diese Studie nützliche Bausteine zur
Erreichung des Zieles herbeigetragen haben. Denn
eine Privatbibliothek . nach Prinzipien, wie sie
diese Ausführungen fordern, ist eine der wichtig-
sten Voraussetzungen für das Eintreten besserer
Zeiten für unseren Musikstand. Diese kann man
durch zielbewusste Hebung seiner allgemeinen
Bildung erreichen ; erst dann wird aber auch die
öffentliche und private Achtung dieses kulturell
hochwichtigen Standes, namentlich in den in
geistiger Hinsicht tonangebenden und entscheiden-
den Kreisen, einer seiner Mission entsprechende
und allgemeine sein können !
Ueber musikalisches Talent.
Von
Eilten Tetael.
Jeder Musiklehrer hat bei der Annahme eines
Schülers wohl schon erfahren, dass die Eltern ihn
bitten, es doch einmal mit dem oder der Kleinen
zu versuchen und zu sehen, ob Talent da sei oder
nicht. Hätte der Schüler kein Talent, so wolle
man ihn lieber nicht unnütz quälen und den Unter-
richt wieder einstellen.
Bleibt nun der Erfolg aus, so heisst es, „er
hat eben kein Talent**; der Schüler geht ab, —
um es dann gewöhnlich „mit einem andern Lehrer
zu versuchen". Denn bei sich denkt Jeder
anders; niemand hält sich oder seine Kinder für
so ganz talentlos, und die Schuld wird gewöhnlich
auf den Lehrer geschoben.
Es handelt sich also erstens darum, das zur
Musikpflege erforderliche Minimum von Talent,
— 181 —
zweitens anderweitige Gründe eines Misserfolges
festzastelien.
Talent bezeichnet die jedem normal beanlagten
Menschen wenigstens im Keim innewohnende Be-
fähigung zu einem Wissen oder Können. Es ist
das Samenkorn, welches entweder im fruchtbaren
Acker gedeihen und sich zu einem frachtreichen
Bamne entwickeln oder auf dem Wege zertreten
werden nnd verderben kann. Der frachtbare
Acker oder der unfruchtbare Weg aber ist der
Charakter. Von der Gewissenhaftigkeit und Pflicht-
treue hängt es also in erster Linie ab, ob ein
Talent sich in seiner ürsprünglichkeit zeigen kann,
oder ob es in der Entwickelung beeinträchtigt
oder gar im Keim erstickt wird. Wie oft kommt
es vor, dass ein Kind brennend gern Klavier spielen
möchte, der Feuereifer aber sogleich nachlässt,
sobald es bestimmte, wenn auch noch so geringe
Aufgaben erfüllen soll. Wenn dann so ein ver-
zogenes kleines Ding seine Schuldigkeit verabsäumt
und die Lust verliert, so wird meistens der Lehrer
dafär verantwortlich gemacht. Der Lehrer soll
ja natürlich das Seinige dazu beitragen, beim
Kinde Lust und Liebe zur Sache zu erwecken und
zu fördern, aber das Kind muss ihm bereitwillig
entgegenkommen! £s gibt aber viele Schüler,
welche auf „gebratene Tauben^ warten. Wer ist
aher dafür verantwortlich zu machen, als die Ehern? !
Als ob es nicht auf der Hand läge, dass nur ge-
treue Pflichterfüllung Befriedigung gewähren, Fort-
schritte herbeiführen und Lust erwecken kann!
Was aber von den Eltern in der Erziehung ge-
sündigt worden ist, kann auch der tüchtigste
Lehrer nicht ungeschehen machen. So wird oft
ein Misserfolg der Talentlosigkeit zugeschrieben,
der in mangelnder Pflichterfüllung seine Ursache
hat. Das Sonderbarste aber ist, dass oft nicht nur
Kinder, sondern auch Erwachsene ihr Bestes zu
geben meinen, während sie auf Schritt und Tritt
sich die gröbsten üngenauigkeiten zu schulden
kommen und die Vorschriften des Lehrers unbe-
achtet lassen. Oft unterschätzen sie die Wichtig-
keit der letzteren und wollen nach ihrer „Fa^on
selig werden". Aber auch wenn dies nicht der Fall
ist, besitzen sie oft nicht die Gewissenhaftigkeit,
Aufmerksamkeit, Ausdauer und Selbstüberwindung,
die nun einmal für die Musikpflege mehr als irgend-
sonst unerlässlich sind. Das ist aber gerade das
Erzieherische des Musikstudiums, und dio Eltern
handelten klüger und besser, wenn sie diese Ge-
legenheit der Charakterbildung im Interesse ihrer
Kinder ausnützten, statt jeder Laune ihrer Spröss-
iinge nachzugeben.
Denn meistens ist dies der wahre Grund des
Mi6^e^folges, wenigstens beim Klavierspiel. Da
für jede Note eine Taste vorhanden ist und die
Notenschrift von staunenswerter Klarheit und An-
schaulichkeit, so besteht die erforderliche Leistung
för den Anfänger im Klavierspiel nur in der ein-
fachsten Verstandestätigkeit und ihrer praktischen
Anwendung. Zur korrekten Wiedergabe leichter
Klavierstücke ist also der geringste Grad von mu-
sikalischer Begabung ausreichend, wenn er durch
Intelligenz, Aufmerksamkeit und Fleiss ergänzt
wird. Die Bedingungen hierfür sind also:
a) Normaler Verstand,
b) Ein tüchtiger Lehrer,
c) Eine gute Schule,
d) Ein Klavier mit guter Mechanik,
e) Aufmerksamkeit, Gewissenhaftigkeit, Fleiss.
Die Mechanik des Klaviers wird überhaupt
selten berücksichtigt. Wie soll aber z. B. ein
kleines Mädchen mit besonders schwachen £[änden
sich einen mühelosen Anschlag bei lockeren Ge-
lenken und dadurch Fingerfertigkeit erwerben,
wenn die Mechanik schwer geht? Das ist
ganz unmöglich, wenn das Kind auch noch so
zweckmässig und fleissig übt! Kann doch an
einer plumpen und schlechten Mechanik das tech-
nische und musikalische Vermögen des grössten
Künstlers scheitern! Leider pflegt man bei der
Beurteilung eines Klavieres gewöhnlich nur den
EJang zu prüfen. Ein Instrument ist aber doch
nur brauchbar, wenn die Mechanik leicht gehorcht,
d. h. wenn nicht nur die technischen, sondern zu-
gleich die musikalischen Forderungen ohne Hinder-
nisse zu bewältigen sind. So gibt es EJaviere,
welche sowohl vom Standpunkt des Instrumenten-
tauers, wie des Laien auf musikalischem Gebiet
vortrefflich sind, d. h. bei einzeln angeschlagenen
Harmonieen einen prachtvollen Ton entwickeln,
welche dagegen für den Künstler unbrauchbar
sind, weil entweder die Mechanik den technischen
Anforderungen gamicht oder in einer Weise ge-
horcht, dass die erzielten Klangwirkungen nicht
den musikalischen Forderungen entsprechen. Es
haben z. B. die Instrumente mancher Firmen
trotz solidester Arbeit und grössten sinnlichen
Wohlklanges eisen so dröhnenden, wulstigen Bass,
dass Stücke wie die Appassionata auch beim voll-
endeten Spiel auf ihnen nie klar und durchsichtig
zu Gehör kommen, sondern in ein unverständliches,
betäubendes Rumoren beim forte und Murksen
beim piano ausarten. Ein Instrument aber, welches
dem Können nicht genügt, kann noch viel weniger
ein Können heranbilden ! Stellt also schon dem
Anfänger ein wirklich brauchbares Klavier mit
leichter Mechanik zur Verfügung!
Dass eine wirklich fördernde Klavierschule
angewandt wird, ist nun freilich Sache des Lehrers.
Leider aber gibt es viele Lehrer, welche teils die
pädagogischen Forderungen an eine gute Schule
nicht genügend kennen, teils den Schwächen des
Publikums Zugeständnisse machen. Sowohl die
lieben Kinder wie die lieben Eltern wollen recht
bald recht „ansprechende" Weisen hören und sogar
meistens ernten, ohne gesäet zu haben. Dass das
Kind doch zunächst etwas lernen und seine An-
sprüche an das Geniessen durch Fleiss rechtfertigen
und gerade dadurch zu rechter Freude an der
— 182 —
Sache gelangen mnss, das scheint vielen Leuten
noch unklar zu sein. Eine Schule, welche in diesem
Sinne erzieherisch wirkt, wird zugleich auch die
besten Früchte zeitigen.
Ein Misserfolg bei Anfängern des Klavierspiels
kann also seinen Grund haben:
a) in der Wahl des Lehrers,
b) in der Wahl der Klavierschule,
c) in der schlechten Mechanik des Klaviers.
Sonst tragen Charakterschwächen die Schuld,
wie Mangel an Aufmerksamkeit, G^Dauigkeit, Ge-
wissenhaftigkeit, Fleiss, Energie und Ausdauer.
Eine musikalische Befähigung ist jedoch für die
korrekte Wiedergabe leichter Klavierstücke nicht
erforderlich. Der Unmusikalische wird aber durch
eigene musikalische Betätigung wenigstens zum
verständnisvolleren Musikhören erzogen, auch wenn
seine eigenen Leistungen nicht erquicklich sind.
Jeder Lehrer wird Beweise für diese Ausfüh-
rungen in folgenden beiden Fällen erlebt haben.
Von manchem Schüler haben wir trotz äusserlich
guter Fortschritte und korrekten Spieles doch den
Eindruck, dass dies nur ein Ergebnis des Fleisses
ist, denn trotz aller Genauigkeit fehlt jede Spur
von Empfindung. Ein anderer Schüler vielleicht
ist durch schlechte Anleitung oder eigene Nach-
lässigkeit gänzlich verlottert, und trotzdem alles
unsauber und flüchtig ist, haben wir doch den
Eindruck, einen musikalischen Menschen vor uns
zu haben.
Es ist ein glücklicher Zufall, dass gerade das
Instrument, welches auch Unbegabten zugänglich
ist, zugleich am meisten geeignet ist, eine musi-
kalische Grundlage zu legen. Ja, es ist auch für
diejenigen, welche ein anderes Instrument oder
Gesang studieren wollen, zur allgemeinen musikali-
schen Ausbildung unentbehrlich.
Bei der Wahl eines anderen Hauptinstrumentes
oder des Gesanges und auch bei gesteigerten An-
sprächen an jedes Instrument ändert sich die
Sachlage gänzlich. Hier ist eine Beihe von musi-
kalischen Eigenschaften Vorbedingung, und je
nach der Grösse des Talentes stellt sich für jeden
Einzelnen früher oder später einmal die Grenze
heraus, wo es heisst „bis hierher und nicht weiter l"
Denn die gottbegnadeten Talente sind selten,
welche die Annäherung einer solchen Grenze nicht
empfinden. In der Vielseitigkeit eines den höchsten
Ansprüchen genügenden Talentes liegt aber zu-
gleich der Grund, weshalb das Talent des Ein-
zelnen so schwer zu beurteilen und noch schwerer
zu bezeichnen ist. Ein Talent entwickelt sich
langsamer, das andere schneller. Oft ist durch
vorzeitige, von Laien veranlasste Versuche schon
ein nicht leicht und manchmal nie wieder gut zu
machender Schaden vor Beginn des eigentlichen
Unterrichtes angerichtet worden. Oft hat schlech-
ter Unterricht den Schüler für immer geschädigt.
Am häufigsten aber trägt der Schüler selbst die
grösste Schuld, und indirekt die Eltern. Die an-
fangs erwähnte Frage ist also nicht im Hand-
umdrehen zu beantworten.
Sehen wir nun zu, welche musikalischen Vor-
bedingungen und gesteigerten Fähigkelten sich bei
anderen Instrumenten und bei höheren Ansprüchen,
als nötig ergeben.
Wenn auch der Paukenschläger sonst keine her-
vorragenden musikalischen Eigenschaften braucht,
so ist bei ihm ausser der gehörigen G^eschicklich-
keit ein ausgesprochenes rhythmisches Gefühl er-
forderlich, welches nicht durch blosse Aufmerk-
samkeit zu ersetzen wäre. Allerdings ist keine
musikalische Eigenschaft leichter zu bilden, als
das Taktgefühl, da dasselbe eigentlich nur der
Ausdruck des lebendigen Empfindens ist. Mangel
an Taktgefühl ist gleichbedeutend mit Mangel an
Lebhaftigkeit und Energie, hat also seinen Grund
in einer Charakterschwäche, welche durch guten
Willen zu heben wäre, wenn nicht Krankheit vor-
liegt. Die Vorbedingungen zum rhythmischen Em-
pfinden hat also jeder gesunde Mensch und braucht
sie nur durch zweckmässiges Verhalten auszubilden !
Anders verhält es sich mit dem Gehör. Das
musikalische Grehör kann zwar auch vervollkommnet
werden, im wesentlichen jedoch ist es angeboren.
Es gibt Leute, welche sozusagen mit dem „abso-
luten Tonbewusstsein" auf die Welt kommen, d. h.
denen man die Namen der Töne nur einmal zu
sagen braucht, und die dann jeden Ton ohne
Besinnen richtig nennen. Diese IHhigkeit ent-
wickelt sich vielleicht manchmal langsam, kann
aber nie eigentlich erlernt werden.
Eher schon kann das „relative Gehör' geübt
werden, wenngleich auch dieses eine angeborene
organische Anlage voraussetzt.
Während das absolute Tonbewusstsein mehr
eine interessante Erscheinung und kaum von prak-
tischer Bedeutung ist, so ist das relative Gehör
für jeden guten Musiker und bei allen Instrumen-
ten, auf denen der Ton erst gebildet wird, uner-
lässliche Bedingung. Darauf beruht der Sinn für
Melodie und Harmonie.
Belatives Gehör und Sinn für Melodie ist be-
sonders für Gesang, Violine und Cello, Sinn für
Harmonie besonders für Klavier und Orgel er-
forderlich.
Für den Vortrag ist ein lebhaftes Temperament
und ein feiner Geschmack Bedingung. Auch das
Erlangen grösserer Technik hängt nicht nur von
allgemeiner musikalischer Begabung und anhalten-
dem technischen Studium ab, sondern verlang^ als
besondere Vorbedingungen erstens eine günstige
körperliche Beschaffenheit, zweitens eine gewisse
Schlagfertigkeit. Fehlt letztere, so kann aus einem
musikalisch Begabten wohl ein guter Musiker und
Lehrer, nie aber ein sicherer Konzertspieler werden.
Diese Schlagfertigkeit beruht auf klarem, ruhigem
Denken, welches durch Uebung blitzschnell vor
sich geht. Ihr schlimmster Feind ist daher Ner-
vosität.
— 183 —
Je oachdem nun diese oder jene Fähigkeit
vorherrscht oder zurücktritt, ergibt sich die künst-
lerische 'Individualität. Es gibt Leute, welche
alle Vorbedingungen haben, die musikalische
Korrektheit und technische Sicherheit ermöglichen,
denen aber jedes Temperament abgeht. Sie werden
brauchbare Musiker und vielleicht sogar vielbe-
wanderte Virtuosen, aber wahre Künstler nicht:
„Wenn ich mit Menschen- und mit Engelzungen
redete und hätte der Liebe nicht, so wäre ich ein
tönend Erz und eine klingende Schelle/^ Abso-
lutes Tonbewusstsein und musikalische Intelligenz
machen also keineswegs das echte Künstlertum
ans, sondern Herzensbildung, warme Empfindung,
verbunden mit ästhetischer Feinfühligkeit und Ge-
echmacksbildung, gestützt auf musikalische Intelli-
genz und ausgebildet durch rastlosen Fleiss.
Und wie selten vereinigen sich alle musikali-
schen Vorzug in einer Person! Meistens haben
die musikalisch Intelligenten kein Temperament
und die Temperamentvollen nicht die erforderliche
Rahe. Oder di« mit einem guten Ghehör Begabten
haben ein schlecht entwickeltes Taktgefühl, oder
umgekehrt. Oder die Talentvollen sind faul, die
Fleissigen talentlos.
Aus dieser Menge von Eigenschaften heraus
die angeborene musikalische Begabung von den
negativen oder positiven Besultaten der Verwaltung
des geistigen Vermögens zu unterscheiden ist oft
sehr schwer, und mancher spätere gute Musiker
ist von seinem Lehrer arg verkannt worden, weil
seine augenblicklichen Leistungen und Fortschritte
nicht hervorragende waren. Man sieht daraus,
dass ausser den augenblicklichen Leistungen auch die
Vorbedingungen der musikalischen und technischen
Ent Wickelung bei der Beurteilung eines Schülers
in Betracht gezogen werden müssen; d. h. ob
der Lehrer tüchtig und erfahren, die Schule die
beste und wirklich förderndste, das Instrument für
die masikalische und technische Ent Wickelung
günstig waren. Ist in diesen Punkten kein Fehlgriff
getan, so ist für den Anfänger im Klavierspiel nur
normaler Verstand und treue Pflichterfüllung er-
forderlich, um einen gänzlichen Misserfolg auszu-
schliessen und bei Vorhandensein von Talent die
besten Erfolge za erzielen. Bei allen anderen In-
strumenten und Gesang sind auch beim Anfang
schon mehr oder weniger musikalische Fähigkeiten
Voraussetzung. Zur Bewältigung künstlerischer
Aufgaben ist dagegen die ganze Summe der oben
erwähnten Fähigkeiten notwendig.
Jedem aber mögen Goethe's treffliche Worte an
das Herz gelegt werden: „Nicht allein das Ange-
borene, sondern auch das Erworbene ist der Mensch !^^
StiftNHgM tina OPoblfabm-Beitrebuiigeii.
Die Langenbach-Stiftung in Bonn wird
am 3. Juli d. J. durch eine Feier eröffnet. In
herrlichster Lage, im Angesichte des Sieben-
gebirges, steht das grosse, einfach - vornehme
Eänstlerheim, das nun bald eine Anzahl Damen
aas dem Musiklehrerinnenstande beherbergen soll.
— Der Zweck der Stiftung ist in der Einleitung
der Stiftungsurkunde von der Stifterin dargelegt,
wie folgt: „Nach dem Tode meines lieben Ehe-
gatten habe ich, getreu seinen Intentionen, es mir
ZOT schönsten und, wie ich hoffen darf, dankbaren
L«bensaufgabe gestellt, eine Anstalt ins Leben zu
roien, wjelche den Zweck haben soll, alten unbe-
mittelten deutschen Musiklehrerinnen von gutem
Raf eine kostenfreie Heimstätte für ihren Lebens-
abend zu gewähren. In meinen Bestrebungen zur
Erreichung dieses Zieles ist mir in richtiger Wür-
digung des schönen Zweckes von den verschie-
densten Seiten volle Anerkennung und reichliche
Unterstützung mit Zuwendung von Geldmitteln
zn teil geworden. Auf diese Weise ward es
mir möglich, zu dem angegebenen Zwecke einen
recht ansehnlichen Kapital- und Grundstücks-
fonds anzusammeln. Um nun diese von mir ins
I«ben gerufene Anstalt für alle Zeiten zu er-
halten und ihr über die Zeit meines Lebens
hinaus eine dauernde Existenz und Rechtsstellung
zu Bichem, will ich hiermit eine selbständige
rechtsfähige Stiftung errichten und derselbeo das
von mir und zahlreichen Freunden zu dem ange-
gebenen Zweck angesammelte Vermögen über-
tragen/^ Die Stiftung wird geleitet durch einen
Vorstand, der aus 8 Damen und 9 Herren besteht.
— Die Lage der Musiklehrerinnen ist noch immer
keine beneidenswerte. Die geistigen Anstren-
gungen im Berufsleben fordern viel Selbstlosigkeit
und Aufopferung Nur wenigen gelingt es, sorgen-
frei ihren Lebensabend zd gestalten. Da gilt
dieses Fest iü Bonn am 3. Juli als eine der
schönsten humansten Errungenschaften im
deutschen Musiklehrerinnenleben, als ein Erinnern
für alle diejenigen, die Musik lieben und ausüben.
Ist doch die Musik Jedes Menschen Freund, und
die lebendige, treue Hingabe, die heute Frauen
fast aller Gesellschaftsschichten ihren leidenden,
kämpfenden Mitschwestern entgegenbringen, sollte
bei diesen Berufsfrauen — den Musiklehrerinnen
-> nicht hintenan gesetzt oder gänzlich vergessen
werden! — Die Kunst, speziell die Musik, ist kein
Luxusgegenstand, wie leider oftmals behauptet
wird, ihr liegt es ob, das heranwachsende Ge-
schlecht, ja das Volk zu höherer Gesittung zu
erziehen. Möchte dieses seltene, von edler
Menschenliebe getragene Fest Herzen und Hände
weit öffnen, damit auch die kunstausübende
Lehrerin fühlt, dass man ihrer in den grossen
— 184 —
Kaltaranfgaben des 20. Jahrhunderts nicht ver-
gisst! In Köln sind mit Dank bereit, Oeldgaben
für das Eröffnungsfest anzunehmen: Frl. Josef a
Wüllner, Hansaring 7, und FrJ. Bertha Paga,
Flandrische Strasse 22.
Mitteilungen
von Hoohsohalen u
Das Konservatorium der Musik zu
Kassel, Direktorin FrL Luise Beyer, hatte
sein diesjähriges Pnifuugskonzert noch in den
letzten Tagen vor der Aufführung in den Dienst
der Wohltätigkeit gestellt, und zwar für die süd-
westafrikanischen Kolonien. £s fand unter dem
Protektorat Ihrer Excellenz der Frau Ober-
präsident von W i n d h e i m statt und wurde
mit einem von Fräulein Juncker von Ob e r -
Conreuth, der unlängst bei den Kölner Blumen-
spielen preisgekrönten Dichterin, verfassten Prolog
eröffnet, der von der Königlichen Hofschauspielei in
Fräulein B e r k a gesprochen wurde. Die Kasseler
Zeitungen äussern sich über das Konzert in fol-
gender Weise:
Schumann's „Aufschwung" und „In der
Nacht" wurden von zwei Damen vorgetragen, von
denen die eine den frisch vorwärts drängenden
Charakter des ersteren Stücks ebenso sicher zu
treffen wnsste, wie die andere die verhalten leiden-
schaftliche Stimmung des zweiten. Eine Freude
war es zu hören, mit welcher Buhe, Klarheit und
Schönheit des Ausdrucks zwei junge, kaum dem
Kindesalter entwachsene Mädchen Mozart^s Es-
dur-Konzert (Original) für 2 Klaviere mit Orchester-
begleitung und Kadenzen von B e i n e c k e wieder-
gaben. Die perlenden JLiäufe und Kadenzen, die
gerade bei Mozart peinliche Akkuratesse verlangen,
wurden mit einer Durchsichtigkeit und Leichtig-
keit ausgeführt, die allseitige Bewunderung erregten.
Eine Leistung von erstaunlicher Beife bot ein
jugendlicher Pianist in der C-dur-Sonate op. 53
von Beethoven, die er aus dem Gedächtnis
spielte. Ein kräftiges, lebendiges Empfinden offen-
barte der Spieler im Allegro, sowie' Innigkeit und
Zartheit iu dem Adagio und Rondo. Ein junger
talentvoller Geiger zeigte ein weit vorgeschrittenes
nd Konservatorien.
Können in zwei Sätzen aus der ersten Violinsonate
B a c h * s, sowohl durch glänzende Technik, als sym-
pathischen Ton. Den Stempel künstlerischer Weihe
trug die Wiedergabe des E-moll-Konzertes mit
Orchesterbegleitung von Chopin, das jenes
wunderbar schöne Adagio enthält, welches Liszt
als von „wahrhaft idealer Vollendung" bezeichnet
und dem Künstlei reiche Gelegenheit zur Entfal-
tuDg geistiger wie technischer Mittel bietet. Dieser
Abend war ein neuer Beweis von der bewunderns-
werten Lehrmethode des Fräulein Luise Beyer.
Der weiche, duftige Anschlag, der blumenhafte
Hauch von Poesie, die spielende Leichtigkeit der
Technik legten beredtes Zeugnis davon ab.
Professor Karl Knittl ist als Nachfolger
Anton Dvorak's zum Direktor des Prager Kon-
servatoriums berufen worden.
Professor Cornelius Kühner, Direktor der
Allgemeinen Musikbildungsanstalt zu Karlsruhe,
hat einen Ruf als Professor der Musik an die Co-
lumbia-Universität in New-York erhalten
und angenommen.
Professor S. de Lange, Direktor des Stutt-
garter Konservatoriums, erhielt den Titel
, Ober schulrat" verliehen.
Die rühmlich bekannte Violinvirtuosin Fräulein
Anna Hegner in Basel tritt vom 1. September
d. J. an in den Verband des Dr. Hoch'schen Kon-
servatoriums zu Frankfurt a. M.
Professor Dr. Hermann Kretzschmar, der
als ordentlicher Professor an die hiesige Universität
berufen worden ist, hat seine Lehrtätigkeit bereits
aufgenommen. Er begann am 80. Mai mit einer
dreistündigen Privatvorlesung über die „Geschichte
der Sinfonie", und vom 2. Juni an mit unentgelt-
lichen zweistündigen musikwissenschaftlichen
Uebungen.
Vermischte Nachrichten.
Der Kgl. Musikdirektor Karl Mengewein in
Berlin erhielt den Kgl. preussischen Kronenorden
4. Klasse.
Der als Klavierpädagoge und Komponist hoch-
geschätzte Hofrat Professor C. H. Döring in
Dresden, der bereits 1898 sein 40 jähriges Jubiläum
als Lehrer am Dresdener Konservatorium l egehen
konnte, feiert am 4. Juli d. J. seinen 70 Geburtstag.
Geh. Hofrat Prof. Karl Müller - Härtung,
der emeritierte Direktor der Grossh. Musikschule
in Weimar, feierte am 19. Mai seinen 70. Geburtstag.
Der Berliner ,,Philharmonische Chor*,
Dirigent Prof. Siegfried Ochs, hat für seine
nächstwinterlichen Abonnements - Konzerte vier
Bach*sche Kantaten, H. Wolfs „Christnacht",
Beethoven 's „Missa soiemnis*', R. Strauss'
„Taillefer" und J. Brahms' „DBUtsches Bequiem"
in Aussicht genommen.
Benno Horwitz, der langjährige hochge-
schätzte Mitarbeiter des „Kl.-L.", ist am 3. Juni
nach längerem Leiden aus dem Leben geschieden.
Geboren 1855, genoss er seine musikalische Aus-
— 185 —
bildoDg an der Königl. Hochschule und studierte
später bei Fr. Kiel und Albert Becker; durch
seine Kammermusikwerke, Lieder und Chorwerke
hat er sich einen Namen gemacht, besonders
worden seine Lieder in der letzten Zeit viel im
Konzertsaal gesungen, und eine |,sinfonische Dich-
tung* für grosses Orchester, die vor einigen Jahren
im hiesigen Tonkünstlerverein aufgeführt wurde,
errang lebhaften Beifall. Als Lehrer für Theorie
und Kontrapunkt war Horwitz an mehreren
grossen Instituten Berlin's angestellt und galt auf
diesem Gebiete für eine ausgezeichnete Kraft.
Ansserdem ist er literarisch vielfach tätig gewesen.
£r war u. a. der hiesige musikalische Vertreter
der „Kölnischen Zeitung", für den „Kl,-L " schrieb
er zahlreiche Kritiken über die Neuerscheinungen
der Gresangsliteratur. Eine seiner letzten grösseren
Arbeiten war die für den „K1.L." verfasste geist-
voUe Analyse von Liszt's sinfonischer Dichtung
^Ce qu'on entend sur la montagne". Ein fein-
sinniger Künstler, ein liebenswürdiger Mensch ist
mit Benno Horwitz aus dem Leben geschieden,
wir trauern um seinen frühen Heimgang und
werden sein Andenken hochhalten.
Herr Musikdirektor J. Stolz in Graz, dessen
Name als Musikpädagoge, als Komponist und
Pianist weit bekannt und geschätzt ist, gab kürz-
lich einen historischen Klavier-Abend, dessen
Programm er allein zum Vortrage brachte. Er
hatte dazu eine Keihe der hervorragendsten Ton-
stocke von J. S. Bach bis auf die Gegenwart, die
auf dem Gebiete der Klavierkomposition epochalen
Einfluss aasübten, ausgewählt und erntete durch
seine Art des Vortrags, die den Gedanken Inhalt
der verschiedenartigen Tonwerke erschöpfend
klarlegte, den lebhaftesten Beifall. Herr Stolz
leitet seit 1857 eine konzessionierte öffentliche
^QSik-Bildungsanstalt und hat sich durch sein
Wirken eine tonangebende Stellung im Musikleben
Graz' erworben.
Aus Frag wird gemeldet, dass sich in dem
handschriftlichen Nachlass Dvorak 's drei voll-
ständige Sinfonieen befinden, über deren Ver-
öffentlichung die Familie entscheiden wird. Die
Sichtung des Nachlasses — welcher auch wertvolles
Brief material enthält — wird der Schwiegersohn
des Meisters, Komponist Josef Suk, Mitglied des
böhmischen Streichquartetts, vornehmen.
Aus London kommt die überraschende Nach-
richt, dass die unveröffentlichte, bisher als ver-
loren betrachtete Partitur von Richard Wag-
ner's ,Bule Britannia-Ouverture" in einer Samm-
lung alter Musikstücke in Leicester entdeckt
wTirde. Die Partitur ist datiert „1837" und ge-
zeichnet „Richard Wagner". Die „AUg. M.-Z.-
schreibt darüber: Die Partitur besteht aus 41
Seiten, beansprucht 81 Instrumente und ist datiert:
Königsberg, 15. März 1837. Wagner schreibt
in seiner Autobiographie, die bis 1842 reicht, über
dies Werk: n^c^ Jahr, welches ich in Königsberg
zubrachte, ging durch die kleinlichsten Sorgen
gänzlich für meine Kunst verloren. Eine einzige
Ouvertüre schrieb ich: „Rule Brltannia.*' Wagner
verbrachte das Theaterjahr 1886/37 in Königsberg;
er scheint vergasen zu haben, dass er in jener
Zeit noch eine zweite Ouvertüre komponierte, zu
der er freilich schon 1882 in Leipzig die Anregung
gelegentlich des Durchzuges polnischer Flücht-
linge empfangen hatte und die er i^Polonia** be-
nannte. Die Partituren beider Werke schienen
verloren zu sein, obwohl Rieh. Pohl in einem
1883 veröffentlichten Aufsatze schreibt: „König
Ludwig von Bayern und Frau Cosima sind im
Besitze der Manuskripte. Von der „Rule Britannia-
Ouverture*' war allerdings eine fragmentarische
Skizze bekannt, die insbesondere dadurch interes-
sant ist, dass sich auf ihren freien Seiten der Ent-
wurf einer zweiten Komposition Wagner's befindet,
einer Musik für ein unbekanntes Schauspiel, in der
merkwürdige Antizipationen späterer Lohengrin-
Moti ve zu entdecken sind. Es ist, wie Glasenapp
berichtet, eine nur sehr flüchtig skizzierte wilde
Opfer- und Beschwörungsszene aus irgend einem
damals in Königsberg aufgeführten Theaterstück,
in dem das erste Ringen des Christentums mit
dem altpreussischen Heidentum und dem blutigen
Kult seiner Menschenopfer dargestellt wurde.
Eingestreute Stichworte und die darin vorkom-
menden Namen altpreussisch-littauischer €K)ttheiten
lassen darauf seh Hessen. Die „Rule Britannia-
Ouverture" wurde im März 1837 unter Wagner 's
Leitung in einem Konzette im Königsberger Schau-
spielhause aufgeführt. Eine zweite Aufführung
erfolgte in einem Instrumentalkonzert in Riga
(19. März 1833). üeber Charakter, Stil, Wert dieser
Ouvertlirenmusik ist nichts bekannt geworden;
jedenfalls fällt sie in die Zeit knapp nach der
Oper „Das Liebesverbot", da Wagner bewusst
italienische und französische EiuHüsse auf sich
einwirken Hess. Interessant ist, dass die Partitur
ihren Weg in das Land gefunden hat, zu dem sie
dem Titel nach in Beziehung steht: nach England.
Sie befand sich in der Musikalienhandlung eines
Mr. Gamble, der diese von einem Mr. Thomas
gekauft hatte, einem früheren Kapellmeister in
Leicester. Die Partitur soll 1840 der Philharmoni-
schen Gesellschaft in London zugeschickt worden
sein. Von da ab war sie verschollen.
Von Professor Dr« Hugo Riemann's „Mnsik-
Uxikoa^ Jetzt erscheinender 6. Auflage (20-24
Bücher und Musikallen.
Lieferungen, Max Hesse's Yerlag, Leipsig) liegen
die 2. bis 4. Lieferung vor. Wir finden hier die
— 186
gleiche Borgföltige und durchdachte üeberarbeitong
vor, die schon die erste Lieferang aufwies; eine
grosse Beihe von Artikeln ist umgearbeitet, eine
ebensolche neu aufgenommen. Gleich am An-
fang der 2. Lieferung ist z. B. zu dem Artikel
.Bach" hinzDgekommen : Joh. GottfriedBern-
hard Bach, der 8. Sohn J. Sebastians, Joh.
Ernst Bach, einziger Sohn von J. S. Baches
Neffen Bernhard, umgearbeitet und bedeutend
erweitert sind die Artikel über Ph. Em. Bach
und Über Joh. Christian, dem jüngsten Sohne
Bach's. Besondere Berücksichtigung fanden eine
Reihe Jüngerer Musiker und Komponisten, über
dessen Leben und Wirken zum ersten Mal Aus-
kunft gegeben wird, es seien genannt: Bäuerle,
Beauvarlet-Charpentier, Anton Beer, Benn-
dorf, Beresowski, Leo Blech, die beiden
Blumenfeld, Ernst Böhe u. s. w. Es sind in
diesen vorliegenden Lieferungen ca. 130 Artikel,
die teils ganz neu, teils ergänzt und umgearbeitet
sind. Der Fortsetzung des ausgezeichneten Werkes
ist mit grossem Interesse entgegenzusehen.
Edmund Georgi: .Der Führer des Pianisten''.
Aus dem Spanischen umgearbeitet und
vermehrt.
Eigentum des Herausgebers für alle Länder.
Draok von Broltkop f * Hlrtel» Lelpslg.
Der Verfasser dieses höchst praktischen und
mit grosser Literaturkenntnis zusammengentellten
Führers ist Professor der Musik an der Lehrer-
bildungsanstalt zu Chillan (Chile). Die erste
Auflage seines Werkes in spanischer Sprache er-
freute sich der Anerkennung einer grossen Zahl
deutscher Kapazitäten auf dem Gebiete desünter-
richtswesens und war wohl die Veranlassung,
dass der Autor eine deutsche üebersetzung, be-
deutend vermehrt und erweitert, veranstaltete, die
durch P. Pabst, Leipzig, zu beziehen ist. Der
gesamte Stoff ist auf 10 Stufen verteilt mit den
Unterabteilungen: „Technik, Etüden, 2- und
4händige Stücke.^* Neu ist das äussere Arran-
gement. Die Seiten sind in 6 Kolonnen geteilt
und enthalten: I.Komponist, 2. Opus, 3. Titel
des Werkes, 4. Verlag, 5. Preis, 6. Be-
sondere Bemerkungen, die sich auf Neubear-
beitungen, Arrangements u. s. w. beziehen. Durch
diese Rubrizierung ist eine Klarheit geschaffen,
die wir in allen bisherigen ^^Führem*' oft ver-
missten. Zum Lobe des Werkes sei noch hinzu-
gefügt, dass die Auswahl des Stoffes, mit ganz
verschwindenden Ausnahmen, als einwandsfrei zu
bezeichnen ist; die Werke sind der Literatur der
letzten 8 Jahrhunderte entnommen, die Zusammen-
stellung zeugt von vielseitiger Literaturkenntnis
und eingehendstem Studium. Ein weiterer Vorzug
ist die jedem Abschnitt hinzugefügte empfehlens-
werte „Lektüre''; auch hier ist die fast lückenlose
Kenntnis der neueren und besten musikpädago-
gischen, ästhetischen und geschichtlichen Werke
rühmend anzuerkennen.
Anna Morsch.
Neue Klayler- Werke ans dem Yerlage von
H. P. Belaleff.
Felix Blumenfeldy op. 83. Deux Fragments carac-
t^ristiques.
op. 34 Bailade,
op. 35. Trois Marzurkas.
Felix Blumenfeld*s Klaviermusik wendet sich
an geistig und technisch gereifte Spieler. Die
beiden Fragmente des op. 33 gleichen schön be-
malten Scherben, und man bedauert nur lebhaft,
nicht auch aller übrigen habhaft werden zu können,
um dann alles zu einem Ganzen und Buchten zu-
sammenzusetzen. Die Ballade (in Form von
Variationen, op. 34) ist ausnahmslos im virtuosen
Genre gehalten. Der Komponist entwickelt hier
eine stattliche Beihe interessanter Gedanken und
überrascht durch die geistreiche Art und Weise, dem
an sich trüben, melancholischen Tema gänzlich
neue Seiten, Farben und Töne abzugewinnen. Er
bietet mit dieser seiner l'ondichtung ein Virtuoeen-
stück im besten Sinne, dessen sehr beträchtliche
Schwierigkeiten mit überzeugendem Erfolg zu be-
gegnen nur fertig ausgebildeten Pianisten be-
schieden sein dürfte. Klaviersatz, Harmonik und
Bhythmik sind durchaus moderner Natur, aber
auch der melodische Quell fliesst reichlich und
unablässig. Dass neben dem virtuosen Moment
das rein musikalische keineswegs zu kurz kommt,
darf F. Blumenfeld zu besonderem Verdienste an-
gerechnet werden. Von den 3 Mazurkeu (op. 35)
möchte Referent der zweiten und dritten den Vor-
zug geben, denn sie bewegen sich in weit höherem
Grade als die erste in sicheren modulatorischen
Bahnen und gewähren damit zugleich einen ruhigen
und ungetrübten Gtonuss. Alle aber zeichnen sich
durch sichere Stimmungsmalerei und anziehende
Wendungen wirklich melodischer Natur aus, sie
heben sich, wie die beiden vorgenannten Werke
des russischen Tonsetzers, weit über das Niveau
des Alltäglichen und Hergebrachten.
Jos. Wliholy op. 30. 3 Praeludien für Pianoforte.
Treffliche Tondichtungen und Studien zugleich,
die erste für Terzen-, die dritte für Oktavenspiel,
während die mittlere, in Liedform gehaltene, sich
einer ruhigen, schön abgedämpften Gtefühlssprache
beflelBsigt. Für Studium und Vortrag sind diese
echt klaviermässigen, musikalischen Sinn be-
kundenden Sachen angelegentlichst zu empfehlen.
A> Liadow, op. 53. „Trois Bagatelles^ pour Piano.
Drei aasgesuchte feine Nippsachen, allerliebst
in der Form und liebenswürdig im Auftreten. Man
wird an der Bekanntschaft mit diesen graziösen
Stücken seine Freude haben; ihre zarte Melodik
— 187 —
and vornehme Einkleidung läset sie im vorteil-
haftesten Licht erscheinen. Man nehme sie für
das, was sie sein wollen, nämlich Angenblicksbilder
von scharf ausgeprägtem Charakter und intimster
Stimmung.
Th. Akimenko, op. 16 und 21. „Klavierstücke'.
Die vorliegenden Klavierstücke von Th. Aki-
menko kommt man in Versuchung chromatische
Stadien zu nennen, in so vorherrschendem Grade
macht sich in ihnen das chromatische Element
geltend, während das melodische bedeutend zurück-
gedrängt wird. Sie werden aus diesem Grunde
für den Einen absonderlich, für den Andern an-
ziehend sein; soviel steht sicherlich aber fest, dass
ihr Autor zu den begabteren unter den neurussischen
Tonsetzern gehört. Vieles in Akimenko's Klavier-
kompositionen mutet an, wie ein ins Russische
übersetzter Spohr, hier wie dort die Scheu vor
einfach diatonischen Fortschreitungen, überall die
Unruhe in der Harmonik und die häuüge Gesucht-
heit und das Gezwungene im modulatorischen
Teile. Man sollte sich stets hüten, zu geistreich
sein zu wollen.
Eugen Segnitz.
Vereine.
MnsilL-Sektlon
des Allg. DentBchen Lehrerinneu-Yereins.
Wir bringen unseren Mitgliedern hiermit zur
Kenntnis, dass die Musiksektion des A. D. L.-V.
mit dem Musikpädagogischen Verband in
ein Kartellverhältnis getreten ist. Beide Ver-
bände arbeiten getrennt, gehen aber in offiziellen
Kundgebungen etc. in Gemeinsamkeit vor.
Auf den Generalversammlungen der beiden
Verbände werden die letzteren gegenseitig durch
Delegierte vertreten sein.
Der Vorstand.
I. A.: Sophie Henkel
MitsUipädagogischer Verband.
Die letzte Vorstandssitzung des Musik-
päd. Verbandes war ausschliesslich der Schulge-
sangsfrage und den auf diesem Gebiete dringend
gebotenen Reformen gewidmet. Prof. Schar-
wenka berichtete über eine Konferenz mit dem
betr. Decernenten im Kultusministerium, in welcher
er die ministerielle Erlaubnis für auszusendende
Fragebogen nachsuchte. Sie sollen zur Be-
schaffung möglichst reichhaltigen dokumentarischen
Materials über die heutige Pflege des Gesangs-
ontenichts an den Schulen dienen. Die Regierung
bringt den Bestrebungen des Verbandes grosses
WoU wollen entgegen, sie wünscht die Einsetzung
einer Kommission, welche die Ausarbeitung der
Fragebogen übernimmt. Diesem V/unsche folgend,
waren vom Vorstande verschiedene fachliche Auto-
ritäten zu der Sitzung eingeladen, deren Schilde-
rungen der heutigen Zustände die Notwendigkeit
dorchg: eifender Umgestaltungen .schlagend er-
wiesen. Es wurde Nachstehendes zum Vergleich her-
angezogen. Die Zeichenlehrer haben es sich
seit Jahren erkämpft, dass ihre Anstellung an allen
Schnlen von der Ablegnng einer Fachprüfung ab-
Kängig ist, sie sind festangestellte pensionsberechtigte
Mitglieder des Lehrerkollegiums ihrer Anstalt. Die
Stellung des Gesanglehrers ist eine völlig andere.
Ein Fachexamen wird nicht von ihm verlangt,
man betrachtet ihn in den meisten Fällen als Privat-
lehrer und er wird demgemäss stundenweise be-
zahlt, er hat keinen Anspruch auf Pension und
kann willkürlich entlassen werden. Im Schul-
reglement ist kein Lehrplan ftir den Oesangunter-
richt vorgesehen, die iUihl der Gesangstunden in
der Woche ist nicht üxiert, sondern hängt allein
von der Bestimmung des Direktors ab, ebenso
wenig ist die Lehrmethode vorgeschrieben, Bedin-
gung ist nur, dass der Gesanglehrer zu den patrio-
tipchen und Schulfesten bezügliche Chöre und Ge-
sänge einstudiert und sie zur Aufführung bringt.
Zahlreiche Fälle wurden zitiert, aus denen hervor-
ging, dass man den Gesangunterricht einem wissen-
schaftlichen Lehrer überträgt, gleichviel ob er
etwas vom Gesangunterricht vei steht oder nicht.
Diesen unerträglichen Zuständen muss ein Ende
gemacht werden, es kann aber nur durch möglichst
geschlossenes und energisches Vorgehen der Ge-
sangschuUehrer geschehen.
Wiederholte einlaufe sind schon gemacht, eine
Flut von Schrift^ und Broschüren liegen vor, in
denen die Reformen und ihre Durchführung in
zum Teil vorzüglicher Weise behandelt sind, es
fehlte aber an dem beharrlichen Verfolgen des be-
stimmt vorgesteckten Zieles, das die Kollegen der
anderen Disziplinen bewiesen und durch welches
sie ihre Forderungen schliesslich gewährt erhielten.
Die Scheu vor den Schwierigkeiten, der fatalistische
Glaube „das erreichen wir doch nicht^*, die Miss-
erfolge der ersten Schritte. — alles vereint brachte
die Bewegung immer wieder ins Stocken. Viel-
leicht isc sie diesmal mächtig genug, um den er-
sehnten Zielen näher zu kommen. Die Forderung
einer Fachprüfung dürfte wohl das Nächste sein,
reichliches Material ist zu sammeln, um auf Grund
desselben mit Petitionen an die Reglet ung heran-
zutreten. Für die Fragebogen, welche zur Be-
schaffung des Materials dienen, lagen die Entwürfe
bereits vor und kamen zur Vorberatung. Die
weiteren Arbeiten sind in Angriff genommen, es
ist aber nun dringend geboten, dass dem Vorstande
aus möglichst weiten interessierten Kreisen Mate-
lial eingeliefert wird, Anträge gestellt, W^ünsche
ausgesprochen werden, um auf dem Kongress alle
Ansprüche befriedigen und die Reformen in
die richtigen Bahnen lenken zu können.
Der Vorstand.
I. A.
Xaver Schartoenka.
Vom Essener MusiklehrerTerelo.
Der Verein akademisch gebildeter Musik-Lehrer
und -Lehrerinnen in Essen kann auf das zweite
Jahr seines Bestehens mit Befriedigung zurück-
btieken. unsere grössten Bemühungen erstrecken
sich in erster Linie auf die Ausgestaltung der
Rechte dem Publikum gegenüber. Die höchst
dankenswerten Arbeiten des Vorstandes unseres
Musikpädagogischen Verbandes laufen mit Recht
auf eine gründliche Vorbildung der Musiklehrenden
und auf die Erzielong staatlicher Rechte hinaus.
Damit ist besonders den Konservatorien gedient.
Die Hoffnung des Elinzelmuslklehrers auf eine Besser-
stellung findet aber vorläufig nur durch Zu-
sanmienschluss in den Städten durch Bildung von
Vereinen ihre Erfüllung. Wir können diesen
Standpunkt nicht verlassen und müssen deshalb
auch an dieser Stelle unserer Verwunderung Raum
— 188 —
geben, dass der Vorstand sich mit dieser gleich-
berechtigten Frage so wenig beschäftigt.'")
Bei den Vorarbeiten zur G-rfiiidung des Musik-
pädagogischen Verbandes wurde bis heute das
grösste Gewicht auf die Aufnahmebedingungen
und Satzungen gelegt. Aber an den eigentlichen
Zusammenscbluss der heute schon berech-
tigten Musiklehrenden, an die Konstituierung der
Einzelverbände, an Vorschläge, wie z. B. die ein-
same Musiklehrerin in den Kleinstädten heranzu-
holen ist, hat der Vorstand bis jetzt nicht gedacht,""*)
dieses wäre doch ein Vorteil der Gegenwart,
dessen Ausnutzung uns ebenso wichtig erscheint,
wie die schon erwähnten Zukunftsfra^en unseres
Standes. Wir geben die Hoffnung nicht auf, dass
der Vorstand auf dem diesjährigen Eongress mit
praktischen Gründungsvorschlägen an uns alle
herantreten wird.
Die Fühlfäden, welche der Essener Verein
kräftig anzog, verknüpften sich mit der Presse,
mit flaumigen Honorarzahlnngen und mit einer ab-
sichtlich herbeigeführten gerichtlichon Klage. Zur
Unterscheidung von den nichtberechtigten Lehr-
kräften halten wir eine in drei Lokalzeitungen
monatlich einmal erscheinende Annonce für uner-
lässlich. Diese verteilt sich für jedes Drittel des
Monats auf eine Zeitung und bringt die ^amen,
Wohnung der Mitglieder und die abgekürzte Be-
zeichnung des Unterrichtsfaches, Auch fünf
grössere Artikel ,janter dem Strich-* dienten zur
Aufklärung des Publikums über unsere Bestre-
bungen, über Kündigungsfrist, das Wesen und die
Bechte der Konservatorien. Einen Zeitungskampf
gegen die hiesigen eigenartigen Musikinstitute
haben wir zwar bis heute vermieden, aber wir
haben es doch fertig gebracht, dass die Kegierung
von der einen Anstalt die Berechtigung zur Unter-
richtserteilung einforderte und das andere Institut
wegen nicht genügender Vorbildung der merk-
würdigen Lehrkräfte schloss. Ist das nicht ein
Erfolg? ! Die künstlerisch gebildeten Musikpäda-
gogen sollten sich wahrlich mehr der bisher
geübten vornehmen Zurückhaltung entäussern; sie
ist bei den vielen sehr zweifelhaften Instituten
nicht ancrebracht. — Unser kürzlich in der Presse
erschienener Jahresbericht betonte in längerer Aus-
führung die Pflichten der Kündigungsfrist, den
Korpsgeist unserer Mitglieder. Kein Mitglied darf
*) Der Vorstand wird diese Frage in Angriff
nehmen, sobald die innere Organisation des Ver-
bandes und die dazu nötigen Vorarbeiten abge-
schlossen sind; ferner, wenn sich in den einzelnen
Städten genügende „berechtigte" Mitgl ieder ge-
meldet haben, um sie zu einem Verein zusammen-
schliessen zu können. Die Aeusserung, dass die
bisherigen Arbeiten nur den Konservatorien dienen,
deutet auf eine Verkennung der Bestrebungen; sie
zielen vielmehr auf eine vertieft« Bildung desG e s a m t-
musiklehrerstandes. Den Konservatorien, als
den berufenen Bildungsstätten, werden eine Fülle
von Pflichten auferlegt, die nicht ohne Opfer
durchzuführen sind, — den Vorteil ziehen haupt-
sächlich die nach den neuen Prinzipien ausgebil-
deten Privatmusiklehrer.
♦*) Für die Musiklehrerin ist seit Jahren
die Musik-Sektion eingetreten. (Vgl. die vordere
innere Umschlagsseite.) Ihr ist die Initiative zur
Petition für die staatliche Prüfung zu danken,
femer die Regelung der Honorarfrage im Privat-
unterricht, der sich bereits 39 Städte, darunter auch
Essen, angeschlossen haben. Der Musikpädago-
gische Verband ist, wie oben gt^meldet, zur För-
d»-rung der gemeinsamen Standesinteressen in ein
Kartell- Verhältnis mit der Musik- Sektion getreten.
einen Schüler eines Kollegen oder einer Kollegin
annehmen, der gegen die Honorarbestimmangen
verstösst. Zwei Schüler wurden auf diese Weise
von der Gemeinschaft ausgeschlossen. Das Publi-
kum erfährt, dass wir verpflichtet sind, den
Eltern die gedruckten Honorarbestimmungen vor-
zulegen, um das peinliche Gefühl unserer Damen
bei der Honorarbesprechung zu beheben. Der
Vorstand hält sehr strenge darauf, dass die Hit-
glieder bei Einzelfällen nicht davon absehen. Die
Kontrolle liegt in der Entnahme der Exemplare
und in der steten Nachfrage des Vorstandes. Das
solidarische Gefühl hebt sich durch die Einsicht
dieses Nutzens immer mehr. Man denke, in 6 Fällen
ist es mir gelungen, bereits aufgegebenes Honorar
durch den Druck des Vereins von den Eltern noch
zu erlangen. Jedes Mitglied muss mir solche Fälle
anzeigen, um besonders den Damen die Selbst-
hilfe zu erleichtem. Ich schreibe im Namen des
Vereins einen höflichen Brief, der in 4 Fällen die
gewünschte Wirkung erzielt hat. In 2 Fällen
wurden Zahlungsbefehle erlassen, die ebenfalls den
Damen das säumige Honorar einbrachten. Wir
brannten nun schon lange darauf, bei einem pas-
senden Falle den berühmten § 615 des Bäi^er-
lichen Gesetzbuches zu erproben, da bis heute
keine gerichtliche Entscheidung, auf den Unterricht
bezogen, darüber vorliegt. Es handelt sich dabei
um die Frage, wie lange einzelhonorierte Standen
nach plötzlicher Absage oder stÜlschweigender
Einstellung zu bezahlen sind. In einem Falle
sandte der Vater noch ein vollständiges Monats-
honorar nach plötzlicher Kündigung (auf dem
Schreibabschnitt der Postanweisung) ein, „weil die
Dame zu solchef Nachforderung berechtigt sei.^
Der andere Fall liegt schwieriger. Eine Schülerin
von 19 Jahren verreist vergangene Sommerferien
und verabschiedet sich mit den Worten, dass sie
Mitte Oktober den Unterricht wieder aufnehmen
wolle. Die Kollegin wartet die Zeit ab und teilt
dann den Eltern mit, dass sie die Tochter zum
Unterricht wieder erwarte. Der Vater übt nun
nicht einmal die Höflichkeit, der Kollegin eine
Einstellung des Unterrichts schriftlich mitzuteilen,
auch mündlich nicht. Wieviel Stunden sind hier-
nach zu bezahlen? Das Einzelhonorar wurde
monatlich entrichtet; daraufhin hat unser Eechts-
Leistand für die Stunden eines ganzen Monats den
Vater eingeklagt. Dieser zahlt nun, um die Gerichts-
sitzung zu vermeiden, das verlangte Honorar, aber
nicht die Kosten. Wir dagegen möchten gerne
einen Präzedenzfall schaffen und weigerten die
Kostenzahlung, woraufhin ein neuer Termin an-
beraumt wurde. Wir dürfen gespannt sein, wie
die Gerichtsentscheidung ausfällt. Verlieren wir,
dann wird es uns eine Lehre sein, niemals mehr
Schüler anzunehmen, deren Eltern nicht die Hono-
rarbestimmungen (mit Kündigungsfrist) nnter-
schrieben haben. Gewinnen wir, so wird unser
ganzer Stand daraus für die Zukunft Nutzen ziehen
können.
Was die geistige Ani-egung betrifft, wurden
aus dem Kreise der Mitglieder folgende Vorträge
gehalten: 1. Auf welchem Wege soll sich der
Musiklehrerstand die gesellschaftliche Gleich-
berechtigung mit den übrigen akademisch gebil-
deten Ständen erkämpfen? 2. Ueber Tonskalen
altdeutscher Musikinstrumente mit messbaren
Griffen. 3. Die Musiktheorie im Unterrichte. 4. Die
neue Unterrichtsmethode der Weber'schen Klavier-
schule. 5. Licht- und Wendepunkte in der Musik-
geschichte. — Der Verein zählt gegenwärtig 37 Mit-
glieder, 23 Damen und 14 Herren. Ein Kollege
schied aus, weil seine Tochter als Gesanglehrerin
schon nach einjährigem Studium sich in Essen
— 189 —
niederliess« gegen den Willen des Vereins. Eine
Kollegin, frühere Zahlgründerin des Vereins, musste
wegen durchans nnkönstlerischer Leistungen in
einem Eigenkonzert austreten. Unsere Bihliothek
erfahr einen reichen Zuwachs durch freiwillige
Spenden einheimischer und auswärtiger Musikalien-
händler. So erhoffen wir unter dem Schutze des
Mu&ikpädagoglschen Verbandes eine immer bessere
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Ludwig Riemann.
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In dem Artikel „Das Thema und der Bhyth- c ein Viertel und das nachfolgende h ein Sechs-
mus' (vgl. vorige Nummer) ist zu lesen: S. 1 über zehntel, endlich ist auf der letzten Zeile derselben
dem 1. Notenbeispiel Hanptthema statt fiauptteil, Spalte statt des Notenkopfes der Buchstabe d zu
8. 162, 2. Sp. 3. Notenbeispiel ist im 4. Takt das verstehen.
S^T Der heutigen Nummer Hegt ein Prospekt von Breitkopf tt Härte/, Leipzig:
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Musikvercins zu Frankfurt a. M. Ludwig Riemann: Akustik — Mosikpraxis. Olga Stieglitz: Die Musik auf dem inter-
nationalan Frauenkongresa. Mitteilungen von Hochschulen und Konservatorien. Vermischte Nachrichten. BOcher und Musi-
kalien, besprochen von Eugen Segnitz, Dagobert Löwenthal und J. Vianna da Motta. Vereine. Anzeigen.
dn Begriiider der deutscbeii mNSlkfeite und das üubilSums-musikfest
in frankenftanien.
Von
Heinrich SchSne.
Hat sich dift Konzertho:hflut, die besonders
in den Grossstädten von Jahr zu Jahr immer
beängstigendere Dimensionen annimmt, mit
dem Nahen des Frühlings ein wenig verlaufen,
so folgen alsbald der Musikfeste eine ansehn-
liche Zahl, damit ein jeder auch in der Zeit,
da die Türen der Konzertsäle sich endlich
gesclilossen, genügend mit Musik versorgt sei.
Wenigen aber nur wird es bekannt sein, dass
die Wiege dieser zur Bedeutung gelangten
musikalischen Veranstaltungen grossen Stils
in dem freundlichen Harzstädtchen Franken-
hausen am Kyffhäuser gestanden und ein
vergessener kunstbegeisterter Kantor der Be-
gründer der deutschen Musikfeste ist. Erst
in diesen Tagen hat man durch eine Jubi-
läumsfeier die Blicke der musikalischen Welt
wieder auf jenen Mann gelenkt, der, von einem
mächtigen inneren Drange geleitet, die ihn
umgebenden kleinen Verhältnisse durch-
*) Die Fortsetzung des Artikels „Anton Dvorak"
von Dr. Karl Storck folgt in nächster Nummer.
Der Autor war leider erkrankt und sein Manuskript
traf verspätet ein. A. M.
brechend, hohe künstlerische Ziele verfolgte
mit einer Energie und Aufopferungsfähigkeit
wie kaum einer vor ihm. Georg Friedrich
Bischoff war es, der im Juni 1804 in
Frankenhausen unter Heranziehung grosser
Chormassen und namhafter Solisten das erste
deutsche Musikfest in's Leben rief und da-
durch der Begründer dieser in unserer Zeit
so wichtigen musikalischen Veranstaltungen
wurde. Verweilen wir kurze Zeit bei dieser
markanten künstlerischen Persönlichkeit!
Georg Friedrich Bischoff wurde ge-
boren am 21. September 1780 in Ellrich,
einem anmutigen Harzstädtchen, wo sein Vater
das Amt eines Organisten und Schullehrers
inne hatte. Der Knabe, dessen Befähigung
zur Musik frühzeitig hervortrat, wuchs also in
einer durch und durch musikalischen Luft auf.
Auf der Orgelbank seines Vaters verbrachte
er manch Stündchen mit Ueben und Extem-
porieren. Doch vorerst galt*s, sich eine gründ-
liche wissenschaftliche Bildung zu erwerben.
Auf Wunsch seines Vaters besuchte er das
Gymnasium zu Nordhausen. Mehr als er ge-
— 194 —
hofft, konnte hier der strebsame Jüngling seiner
geliebten Musica huldigen. In den Auff'ührungen
des Konzertmeisters Willich, der den jungen
Bischoff" musikalisch führend und befruchtend
stark beeinflusste, lernte letzterer die soeben
erschienenen Sinfonien Mozarts und Haydns
kennen und lieben. Ebenso eifrig studierte
er die Vokalmusik, wozu ihm in dem dortigen
leistungsfähigen Kirchenchor reichlich Gelegen-
heit geboten war. Trotzdem dachte er noch
nicht daran, später die musikalische Laufbahn
einzuschlagen. In Jena und später in Leipzig
gab er sich eifrig theologischen Studien hin.
Aber niemals sollte er die Kanzel besteigen,
der Kunst zum Segen. Der Kampf um's Da-
sein trieb den jungen Theologen, Musiklehrer
zu werden und als solcher sein Brot zu ver-
dienen, bis er 1802 als Kantor und Lehrer des
Lyceums in Frankenhausen angestellt wurde
und dadurch in geordnete, sichere Lebensver-
hältnisse kam. Obwohl Frankenhausen klein,
unbekannt und fernab von den Centren
geistigen und künstlerischen Lebens, wusste
der junge, schaffensfreudige Kantor, der in-
zwischen eine Nordhausener Bürgerstochter,
Sophie Amalie Arnold, als Gattin heimgeführt,
die Aufmerksamkeit grosser Kreise auf sein
musikalisches Tun zu lenken. Den dortigen
Stadtpfeifer Löscher als treuergebenen, hilfs-
bereiten Freund zur Seite, der Unterstützung
bedeutender auswärtiger Künstler gewiss, ver-
anstaltete er im Juni 1804 „auf eigene
Rechnung und Gefahr" das erste deutsche
Musikfest. Zur Aufführung kam Haydn's
„Schöpfung*'. Zur Ausführung dieser „schönen,
alle Erwartungen übertreffenden Musik" hatte
der kühne Organisator ein Orchester von 106
Mann zusammengebracht. Künstler wie
Fischer von Erfurt, Ernst von Gotha
Sassen an den ersten Pulten. Eine Aufführung
in derartig grossem Stile, noch dazu in einem
unbekannten Städtchen, während des Sommers,
war noch nicht dagewesen. Man kann sich
denken, welch Aufsehen sie erregte. Bischoff,
der unscheinbare, unbekannte Kantor, war mit
einem Schlage ein berühmter Künstler, den
der errungene Erfolg bereits auf neue Taten
sinnen Hess. Die kriegerischen Unruhen der
Folgezeit zwangen ihn, seine drängende Kraft
dem kleinen musikalischen Kieise zu widmen,
^ der ihm in Frankenhausen zur Verfügung
stand. Erst 1810 war es ihm möglich, das
zweite Musikfest folgen zu lassen, dem ein
überaus reichhaltiges, und in mehrfacher Be-
ziehung interessantes Programm zu Grunde
lag. Grossen Einfluss auf dasselbe wie auf
die folgenden ähnlichen Veranstaltungen hatte
LouisSpohr,der auf diesen von Bischoff arran-
gierten Festen reichlich Gelegenheit fand, nicht
riur als Dirigent, sondern vor allem auch als
Komponist zu glänzen. So finden wir auf
der Vortragsordnung dieses 2. Musikfestes
neben Haydn's „Schöpfung" und Beethoven's
C-dur- Sinfonie eine „grosse neue Ouvertüre
für ganzes Orchester (auch Posaunen) von
Spohr"; ein „neues** für dieses Fest ge-
schriebenes Klarinetten-Konzert und ein Doppel-
Konzert für zwei Violinen von demselben
fruchtbaren Komponisten. Bischoff", der Kantor
vom kleinen Frankenhausen, wagte es wohl
nicht, dem immer stärkeren einseitigen Hervor-
drängen der Spohr'schen Muse ein ge-
bieterisches rHalt" entgegenzurufen. Er war
gewiss überzeugt, in Spohr, der damals noch
Konzertmeister in Gotha war, eine glückliche,
„anziehende" Attraktion für sein Musikfest
gefunden und gewonnen zu haben und trat
gern als Komponist wie Dirigent hinter ihm
zurück. Aber gerade weil der bescheidene
Kantor den Ruhm nicht suchte, folgte er ihm.
Kein Geringerer als Napoleon L liess ihn
auffordern, an seinem Geburtstage 1811 in
Erfurt ein Musikfest zu veranstalten. Bischoff
tat es, wenn vielleicht auch schweren Herzens.
Am 15. August 1811, abends 8—11 Uhr, kam
in der erleuchteten Barfüsserfcirche in Erfurt
unter Aufbietung eines überaus starken musi-
kalischen Apparates (292 Personen!) vor einem
auserwählten Publikum das auf höchsten Be-
fehl arrangierte erste Konzert zustande. Am
folgenden Tage führte man wiederum Haydn's
„Schöpfung" auf. Der Erfolg war ein grosser.
Bischoff" wurde zum „kaiserlichen Musik-
direktor" ernannt. Als er die späteren Schick-
sale des allmächtigen Usurpators erfuhr und
miterlebte, soll er, der kerndeutsche Kantor,
das Dekret selbst zerrissen haben. (Vergleiche
Beethoven und seineEroica!) Auch im folgenden
Jahre musste Bischoff" zu Ehren Napoleons ein
Musikfest in Erfurt veranstalten. Spohr schrieb
flugs für dasselbe sein erstes Oratorium: „Das
jüngste Gericht". Dem „kaiserlichen Musik-
direktor" aber versagten die französischen
Kassen ihre Unterstützung, sodass er das
entstandene ziemlich hohe Deficit selbst zu
decken hatte. Er sollte nie wieder zu Napo-
leons Verherrlichung seine Kraft und Kunst
verwenden. Der Sturz des Weltbeherrschers
nahte und kam. Dieses Ereignis freudig zu
besingen, war der Hauptzweck des im Oktober
— 195 —
1815 veranstalteten Musikfestes. Als „deutsche
Siegesfeier der Tonkunst zu Franken-
hausen in Thüringen am Schluss der Ge-
dächtnistage der grossen Völker-
schlacht den 19. und 20. Oktober 1815« hatte
er es triumphierend bezeichnet. Spohr's
Kantate: „Das befreite Deutschland" bildete
das chorische Hauptwerk des Programms.
Leider wurde das triumphierende Fest zu einer
empfindlichen finanziellen Niederlage des Ver-
anstalters. Selbstmordgedanken bewegten den
in arge Not geratenen, enttäuschten Kantor
ernstlich und nur ein glücklicher Zufall ver-
hinderte es, dass er die schon auf sich ge-
richtete Pistole losdrückte. Lebensmut und
Schaffensfreude zogen wieder in seine be-
kümmerte Brust, als er bald darauf (1816) an
das Königliche Gymnasium Andreanum in
Hildesheim berufen ward und damit einen
grösseren Wirkungskreis und höheres Ein-
(Schloss
kommen erhielt. In dieser grösseren Stadt
bot sich ihm ein reiches Feld für Konzert und
Unterricht, und besonders das kirchenmusi-
kalische Gebiet erforderte einen grossen Teil
seiner Kraft und Zeit. Noch im selben Jahre
erprobte er im neuen Wirkungskreis sein
Organisationstalent mit bestem Erfolge. Am
31. August 1816 war Hildesheim der musi-
kalische Festort. Auch im folgenden Jahre
arrangierte er ein Musikfest. Mit dem künst-
lerischen Ergebnis konnte Bischoff wohl zu-
frieden sein, die finanzielle Seite dieser Ver-
anstaltungen liess ihn fast nie aus den Sorgen
herauskommen. Da fand sich zur rechten
Zeit ein Ausweg. Magdeburg, Halber-
stadt, Braunschweig, Halle und Nord-
hausen vereinigten sich, in jährlichem Wechsel
Festort für Bischoff 's wertvolle Veranstaltungen
zu sein und an den Vorbereitungen und Kosten
derselben zu participieren.
folgt.)
@as 40. ^ot)\{at}sfUrhsf des K11gen)eit)ei) deutschet)
27. Mai bis 1. Jani 1904.
Von
A. liCcarliiB - Sieber.
Der Pflege und Förderang des dentechen
Musiklebens im Sinne einer fortschrittlicliea Ent-
wicklang dienend, nehmen die Tonkünstler-
feste des Allgemeinen deutschen
Mnsikvereins von Jahr zu Jahr an Umfang
Qod Bedeutung zu und bieten allen, die sich für
di-f Kulturarbeit unserer Zeit interessieren, ein be-
sonders klares Bild von der Tätigkeit der neu-
deutschen Komponistenschule. Bei Aufgebot eines
ausserordentlich starken Kontingentes von Aus-
fahrenden, wie es eben nur eine Grossstadt zu
stellen vermag, tagten die Tonkünstler in diesem
Jahre (vom 27. Mai bis 1. Juni; in Frankfurt
am Main. Dreissig zeitgenössische Komponisten
kamen dabei zum Worte; die meisten beteiligten
sich als Dirigenten oder Instrumentalsolisten an
der Aufführung ihrer Werke, von denen viele das
erste Mal gehört wurden. Mit Hilfe des grossen
Orchesterapparates, der verstärkten Frankfurter
Theaterkapelle, und des aus Mitgliedern des
Cäcilienvereins, des Bühle'schen, des
Lehrergesang- V ereins und Museums-
chores gebildeten Festchores gelangten Kom-
positionen zur Wiedergabe, die hinsichtlich der
Grosse ihrer Anlage und des erforderlichen Klang-
körpers alles bisher Gebotene überragten. Dass
manche Niete dabei herauskam, wo man jungen
Talenten Gelegenheit verschaffte, ihre Kräfte zu
erproben, darf nicht befremden.
Die drei grossen Orchesterkonzerte, FeHt-
dirigent Siegmund von Hausegger,
stellten an die Ausführenden wie an die Hörer,
welche den S a a 1 b a u bevölkerten, riesige An-
forderungen. Der junge Zürcher Dirigent
Volkmar Andreae erregte Aufsehen mit
seiner symphonischen Phantasie „Schwermut —
Entrückung — Vision* für Orchester, Orgel, Tenor-
solo und Chortenor. Das dreiteilige Werk offen-
bart eine aus dem Vollen schöpfende Erfindungs-
gabe. Ausgeprägter Formensinn, eine geistreiche
Behandlung des Orchesters, das durch glänzendes
Kolorit besticht, logisch klarer Aufbau des In-
haltes, dem eine Dichtung W. Schädlings zu
Grunde liegt, die Einführung unisono gehaltener
Tenorstimmen und eines von Ludwig Hess
gut gesungenen Tenorsolos sicherten dem Werke
einen grossen Erfolg und trugen dem Autor am
Dirigentenpulte begeisterte Ovationen seitens der
kritischen Zuhörerschaft ein. Andreae blieb der
Held des Tages. E. N. von Beznicek's
„Buhm und Ewigkeit", vier Gedichte von
Nietzsche für eine Gesangsstimme und Orchester,
196
erstere von EynarForcbhammer mit vielem
Geschick interpretiert, brachte eioe Enttänschong,
indem die Mose des Komponisten der spröden
Textunterlage kein individaell geßlrbtes, fesselndes
Tongewand zn verleihen vermochte. Ebenso er-
müdete Bruno Walter mit seiner «Sym-
phonischen Phantasie*, die sich in allerlei aus-
geklügelten Tonkombinationen ergeht und in end-
loser Länge wenig prägnante Gedanken an-
einanderreiht; auch als Dirigent interessierte Walter
wenig. Mehr Glück hatte Hermann Zilcher,
welcher sein Konzert für zwei Violinen mit
Orchester vorführte. Humperdinck'schen Eiufluss
verra*end, in Form und Inhalt recht ansprechend,
gewann die Novität durch die solistische Mit-
wirkung von Prof. Hugo Heermann und
Sohn an Reiz und fand eine freundliche Auf-
nahme. Die „Totenklage'* zeigte Georg
Schumann wieder als feinsinnigen, gewandten
Meister eines ausdrucksvollen Chorsatzes und er-
fahrenen Instrumentator. Heinrich Zöllner,
wie Schumann der konservativen Kunstrichtung
zuneigend, erschien mit seinem „Hymnus der
Liebe" für Orchester, Chor und Solo, — Anton
Sistermann, — auf der Bildfläche, ein hinläng-
lich bekannter und geschätzter Meister.
Im zweiten Orchester-Konzexte interessierte
August Beuss* „Johannisnacht", eine aaf poesie-
voller, Wilh. Hertz' Klostermärchen „Bruder
Bausch'' entlehnter Unterlage aufgebaute sym-
phonische Dichtung, welcher hübsche Melodie-
erflndung, pikante Klangfärbung nachzurühmen
sind. Goethe's „Totentanz" begeisterte Wilhelm
B e r g e r zu einem Tonstücke für Chor und
Orchester, das einen guten Eindruck hinterliess.
Nach Berger betrat J. L. N i c o d 6 das Dirigenten-
pult, um sein über zwei Stunden dauerndes „Gloria",
ein „Sturm- und Sonnenlied**, Sinfonie in einem
Satze, vorzuführen. Die Besetzung des Haupt-
und der Nebenorchester erscheint selbsc heute als
eine unerhört gewaltige; figurieren in derselben
u. a. doch beispielsweise 12 Hörner, eine Unzahl von
Schlagwerkzeugen, 6 Paar Kastagnetten, 12 Triller-
pfeifen, Glocken etc.; dazu gesellt sich dann noch
der Chor und eine Knabenstimme, — Frau Drill-
Orridge. Mit Aufwand dieser Klangmittel
illustriert der Autor Erlebnisse aus seinem Leben,
Naturschilderungen oft anziehender Art, Kampf
und Sieg, witzelt er über seine Widersacher und
preist er den „Höhenfrieden nach Feierabend**.
Citate aus Beethoven's Missa solemnis „Gloria
motio** und „dona nobis pacem") und Wagner
(„Wach' auf aus d. Meistersingern) dienen als
wirksame Effektmittel, wie überhaupt mancherlei
äusserlich Bestechendes neben musikalisch Voll-
wertigem mit unterläuft. Es ist leider hier nicht
Kaum, um näher auf die imposante Schöpfung
einzugehen; dass dieselbe aber trotz ihrer un-
mässigen Länge sowohl die Ausfuhrenden wie die
Hörer bis zum letzten Tone in Bann hielt, spricht
jedenfalls für die Bedeutung, die ihr zweifellos
zukommt. Tosender Applaus und Lorbeerppende
empfing den dirigierenden Komponisten am Schlüsse
der Vorführung.
Dem dritten Orchester - Konzerte prägte
Bichard Strauss mit seiner neuen „Sinfonia
domestica" eine charakteristische Physiognomie
auf. Das liebenswürdige Werk bot eine Heihe
angenehmer Ueberraschungen. Vor allem zeigte
es gegen den früheren Strauss eine sonnige Ab-
klärung. Es trägt die Widmung „Meiner lieben
Frau und unserem Jungen" und schildert einen
Tag in der Häuslichkeit des Tondichters. Jede
der drei Personen kennzeichnen sprechende Leit-
motive, besonders reizvoll ist die schlichte W^eise
des Knaben. Formelle Abrundung, Wohlklang in
der Schilderung der bald neckischen, bald ernsten
oder gemütvollen Szenen, unter welchen die
Liebesszene ein Kabinettstück edelster Tonempfin-
dung darstellt, treffende Zeichnung durch virtuose
Instrumentierung zeigen Strauss auf der Höhe
seiner Meisterschaft. Die grandiose Doppelfuge
stellt in ihrer breiten Anlage den Gipfelpunkt des
sonst ziemlich knapp gefassten Tonstückes dar,
das als Clou, als eigentliche piece de r^sistance
des ganzen Festes bezeichnet werden dürfte und,
dasselbe abschliessend, eine begeisterte Aufnahme
fand. Vorher dirigierte der durch Krankheit tage-
lang von seinem Posten als Festleiter ferngehaltene
Siegmund von Hausegger seine sym-
phonische Dichtung „Wieland, der Schmied", ein
kraftvolles, aber zu wenig abgeklärtes Werk, ging
Alfred Schattmann's „An Schwager
Kronos" für Bariton — Rieh. Breitenfeld — und
Orchester ziemlich eindruckslos vorüber, fanden
Hans Pfitzner's kaustischer Witz und raffi-
nierte Tonillustration in seinen „Heinzelmännchen''
trotz der recht massigen Besetzung des Basssolos
mit A. Sistermans viel Anklang.
Eecht dürftig war die Ausbeute an braucii-
barer Kost in den beiden Kammermusikmatineen.
Dirk Schäfer*s Quintett, Des dur op. 5, für
Klavier, der Autor, und Streichinstrumente, das
Frankfurter Quartett Prof. Hugo Heermann
und Genossen, erwies sich als mehr gefällig wie
hedeutend, stellenweise (Finale) sogar sehr un-
bedeutend. Th. Müller-Reuter 's „Herbst**,
ein Cyklus von fünf Poesien verschiedener Dichter,
bot schöne Einzelheiten neben Geschraubtem and
Unzulänglichem. Vera Maurina spielte drei
Klavierstücke von Hugo Kann, Ernst
Heuser, Felix vom Rath, vornehme
Salonmusik. Paul Scheinpflug brachte
in seinen „Stimmungen aus Niedersachsen",
„Worpswede", für eine mittlere Singstimme,
Sistermans, Violine, Prof. He er mann, Englisch
Hörn, G Glaud, und Klavier, der Autor,
hübsche Klangkombinationen. Eine wirkliche Be-
reicherung der Literatur bot dagegen nur Walter
Lampe mit seiner „Serenade*' für Hlasinstrumente
— 197 —
(2 Flöten, 2 Oboen, Englisch Hörn, 2 Klarinetten,
fiasHklarinette, 4 Hörner, 2 Fagotte nnd Kontia-
fagott) ein Werk, in welchem geföUiger Inhalt in
formeller Abrnndnng bei gewählter Behandlang
der Instramente den hohen Ennstwert bestimmen.
Die zweite Matinee brachte zwei Violin-Klavier-
sonaten. Max Reger zeigt sich noch angeklärt, aber
nicht nnintereasant in der Art des Anfbaaes seiner
Themen. Ladwig Thnille dagegen änssert
sich leichtverständlich, ohne Keichtnm des Er-
finders nnd Tiefe des Empfinden» za offenbaren.
Die Komponisten besorgten die Ansführnng des
Klaviei partes selbst and fanden in Henri
M arte an einen vorziiglichen Interpreten der
Violinstimme ihrer Werke. Die Lieder von Hans
Sommer, Rohde, Ladwig Hess eröffneten
der modernen Gestaltnng des Liedes keine nenen
Bahnen.
An diese Konzerte in Frankfart schlössen sich
noch einige Vorftihrnngen an, die zu Ehren der
Festteilnehmer geboten wurden. Die Oper in
Frankfart bescherte die üraafführang des
„Bondschah'*, Oper in drei Akten von Walde-
marvon Banssnern, die Intendanz des
Hoftheaters za Mannheim brachte als
Festaafführang Pfitzner's romantische Oper
„Die Kose vom Liebesgarten^. Es würde za weit
führen, hier anf diese Vorführangen einzagehen.
Interessant verlief dagegen das Konzert in der
nenen SStadthaUe za Heidelberg. Bei
vollständig verdunkeltem Zaschaaerraame and an-
sichtbarem, versenktem Orchester führte Professor
Dr. Philipp Wolfram Friedrich Klose's
Symphonische Dichtung „Das Leben ein Traam^
vor, eine überaus umfangreiche Komposition, der
leider nicht viel Gutes nachzurühmen ist, indem
ihr individuelles Gepräge und Prägnanz im Ausdruck,
sowie Gedankenkonzentration abgeht. Als zweites
Werk des Abends figurierte Charpentier's
raffiniert realistisches Symphonie-Drama „La vie
du poete" auf dem Progranmie, dessen Schluss
deutlich zeigte, auf welche Irrwege die Kunst ge-
rät, wenn sie sish ihrer Eigenart entäussert und
Ihrer Würde begibt.
Jedenfalls waren die Tonkünstlerfeste geeignet,
der schöpferisch tätigen Jungmannschaft eine Fülle
wertvoller Anregungen zu bieten und zu zeigen,
inwieweit die von den Modernen betretenen Pfade
auf bebaubaren Kunstboden führen.
^1<usHH — JSmsWipfas^s.
Von
JLadwig; Blemanii.
Ein gelindes Schauem durchrieselt manchen
Ranstbefiissenen bei dem Worte f^Akostik**. Was
der Bauer nicht kennt, das isst er nicht, — so
wird gedacht, nnd achtlos, ungekannt bleibt dieser
missverstandene Teil unserer musikalischen Kunst
am Wege liegen.
Als ich auf einer Ausstellung von einer vor-
spielenden Künstlerin mir Auf schluss über die Ein-
richtung eines Blüthner'schen Aliquotflügels erbat,
wies sie mit abweisender Geberde auf den Tech-
niker; von ihr könne man solche Nebensächlich-
keiten nicht verlangen. Geknickt, beschämt ob
dieser Würde, zog ich von dannen. Ist das Ver-
halten dieser Dame nicht typisch für die gleiche
Meinung vieler, vieler Musikvirtuosen ? Die Schuld
daran trifft aber nicht allein den Einzelnen, sondern
ftQch in hohem Grade die musikalischen Bildungs-
aQst alten. Diese haben bisher die Einstellung von
geeigneten Lehrkräften nnd die Anschaffung der
notwendigen akustischen Apparate versäumt aus
irgend welchen Gründen, obgleich nach meinem
Dafürhalten jeder gebildete Musikschulleiter
innerlich von dem Werte der Akustik für die
Mnsikpraxis überzeugt ist. Ich war deshalb sehr
erfreat, dass unser Musikpädagogischer Verband
die Akustik in seiner Prüfungsordnung mit auf-
genommen hat, der alte Schlendrian findet damit
hoffentlich ein Ende und die Akustik — , eine
populäre Wissenschaft über die Kunst des Hörens
— kommt endlich als obligatorisches Unterrichts-
fach zu ihrem Hecht.
Was die Akustik so ungeniessbar macht, das
ist die trockene, ungelenke, rein wissenschaftliche
Art, mit welcher sie den Musikstudierenden in den
Lehrbüchern dargeboten wird. Der Vorstand des
Musik pädagogischen Verbandes hat vollkommen
recht mit seiner Erfahrung, dass mundgerechte
Lehrbücher für die meisten musikalischen Dis-
ziplinen nicht vorhanden sind. Bei der mir in
Auftrag gegebenen Ausarbeitung eines Lehr-
planes habe ich folgendes Gesetz obenangestellt:
Die Lehre der Akustik ist stets in einen innigen
Zusammenhang mit der praktischen Musikausübung
zu bringen. Es soll Jede akustische Erkenntnis
durch praktische Versuche mit Apparaten oder
Musikinstrumenten durch mündlich oder schriftlich
zu beantwortende Fragen und Aufgaben lebendig
gestaltet werdnn. Der Stoff flndet in durchaus
populärer Darstellung seine Erledigung. Die an
einzelnen Stellen nicht zu umgehenden lechnerischen
Versuche bleiben im Bereich der vier Spezies, die
bei jedem Schüler vorausgesetzt werden dürfen.
In strenger Einhaltung dieser Voraussetzungen
gliedert sich der Lehrstoff in 7 Abschnitte:
— 198 —
1. Elementare Einführang in die Grundgesetze des
Schalles. — Das Metronom.
2. Der Klang, die Eesonanz. ~ Der Mosiksaal.
3. Die tönenden Körper, Saiten, Luftsäalen, Zungen,
die menschliche Stimme. — Die akustischen
Patente der grossen Klavierfabriken.
4. Ein£uss der akustischen Tonverhältnisse auf die
Stimmungen der Instrumente, insbesondere des
ELlaviers.
5. Einfluss der akustischen Ton Verhältnisse auf die
praktische Musikausübung, und zwar zunächst
auf die nacheinander folgenden Töne (Melodie).
Die drei Stimmungen in der praktischen Musik,
Leitton, Versetzungszeichen.
6. Einfluss der akustischen Tonverhältnisse auf
die gleichzeitig erklingenden Töne (Zwei- und
Mehrklang). Der Einfluss der Tasteninstrumente
aus den letzten Jahrhunderten auf die Kompo-
sitionstechnik. Konsonanz. Dissonanz.
7. Das Ohr und seine akustischen Eigenschaften,
(üeber die Ohrmuschelbildung musikalischer
Menschen.)
8. Akustik und Musikgeschichte. Auffassung der
bedeutendsten Völkerrassen über Musik, Töne,
Intervalle, Tonsystem.
Im übrigen verweise ich auf die Inhaltsangabe
des Lehrplanes.
Nun handelt es sich um die brennende Frage :
Ist die Einführung der Akustik als Lehrfach durch-
aus notwendig? — Diese Frage lässt sich natürlich
nur dann bejahen, wenn sich die Interessenten
über die Erfordernisse, die Ziele, einig sind. Ich
stelle als solche auf: Der Musikpädagogische Ver-
band verlangt zur Aufnahme der Musikstudierenden
die Reife des einjährigen Zeugnisses oder eine
gleichstehende Vorbildung, Da nun die Akustik
erst in der Physikstunde der höheren Klassen, von
Obersektmda an, meist in gänzlich ungenügender
Weise durchgenommen wird, tritt der Schüler also
ohne jede akustische Vorkenntnisse in die Musik-
hochschule ein. Die Notwendigkeit einer elemen-
taren Einführung in die Grundgesetze des Schalles
ergibt sich daraus von selbst Dem oberflächlichen
Musiktechniker dürfte es allerdings gleichgiltig
sein, ob Klang und Ton dasselbe ist und ob der
Kammerton 435 oder 440 Schwingungen hat. Er
schüttelt das Haupt, wenn man ihm zumutet, zu
wissen, wie ein Klavier gestimmt wird. ,.Das sei
Sache des Stimmers^. Dass die Klavierbauer ihre
mühsamen Errungenschaften in Bezug auf Ton-
schönheit ihm zu Füssen legen, ist doch selbst-
verständlich! Gründe? Er, der Gottgestempelte,
den die Musen geküsst, sjllte seine der „Kunst''
geweihte Zeit mit Gründen über solche Lappalien
vergeuden? Das wäre ja eine Beeinflussung der
akademischen Freiheit, wenn man nicht 'mal
studieren könnte, wie und was man wollte!^ —
Nun, wenn also der Einsichtige z. B. die Kenntnis
des Klavierstinmiens anerkennt, dann wird er den
im 4. Abschnitt des Lehrplanes gegebenen logischen
Aufbau nicht wegleugnen können. Ich stehe auf
dem Standpunkt, dass es einem denkenden Musiker
nicht genügen darf, zu wissen, der „Blathner"
klingt schön, der „Bechstein* klingt «anders^, der
„Steinway" geföllt mir noch besser. — Cr muss
sich der Gründe bewnsst sein; er wird eine Dar-
stellung der akustischen Patente einzelner Klavier-
fabriken mit Interesse verfolgen — wenn ihm
Gelegenheit dazu auf der Hochschule g^eboten
wird. Die Inhaber grosser Pianofortelager ^w^erden
gerne eine Besichtigung ihrer Instrumente zur
Belehrung gestatten.
Musik verständige und Laien reden so viel von
der „Akustik des Musiksaales^. Wir können
allerdings die Einfalt eines Wirtes belächeln, der
die fehlende Akustik eines neugebauten Saales mit
Geld kaufen wollte. Aber stehen wir denn mit
dem belehrenden Worte « Klangschönheit, Klang-
wiikung im Saal^ auf einer sehr viel höheren
Stufe der Erkenntnis? Müssten wir nicht einiger-
massen darüber aufgeklärt sein, wie die Resonanz,
die Zurückwerfung des Schalles, die Interferenz
auf die Akustik des Saales einwirken? Der aka-
demisch gebildete Architekt weiss dieses, der aka-
demisch gebildete Musiker und vortragende Künstler,
der das grösste Interesse an der Klangwirkung
hat, hält solche Kenntnis nicht für nötig.
Der Violinvirtuose bewegt sich in den kunst-
vollsten Flageolettönen, jeder Violinspieler weiss,
dass eine Tonpbrase möglichst auf einer Saite ge-
spielt werden muss, und dass man in vielen Fällen
die leeren Saiten vermeiden soll. Wird ihn nun
nicht die Erkenntnis der wahren Ursachen zu
viel grösserer, geistvoller Beherrschung dieser
Klangeigentümlichkeiten führen? —
Mancher Musikkenner schüttelt den Kopf,
wenn er erfährt, dass die Bewegung der IntervaJl-
schritte nicht allein in der Stimmung des Klaviers
vor sich geht, dass im Gesamtspiel drei Stimmungen
ihre Hechte erkämpfen. Mancher Chorleiter weiss
die Gründe nicht zu erforschen, warum die ver-
trakten Leittöne einen solchen Einfluss auf die
reine Intonation ausüben, an welcher Stelle grosse
oder kleine Ganztöne zu nehmen sind u. s. w.
Sich darüber Klarheit zu verschaffen, dürfte wohl
als gerechte Forderung aufgestellt werden.
Ein künstlerisch gebildeter Orgelspieler kann
sich nicht der Gründe verschliessen, worauf z. B.
die Einrichtung der Mixturen beruht, wie der
„Orgelwolf" zu erklären ist oder warum man die
Orgel mit Hilfe der Schwebungen stimmt.
Der Kunstbeflissene ist imstande, die Begriffe
Konsonanz und Dissonanz genau nach ihren gra-
duellen Verschiedenheiten zu sondern. Er weiss
die Gesetze der konsonierenden und dissonierenden
Akkorde in der Harmonielehre ohne Fehler za
erfüllen. Aber die bahnbrechenden Erklärungen
eines Helmholtz, Stumpf, die den Kenner wie j
eine göttliche Offenbarung anmuten, sind ihm un-
aufgeklärte Rätsel.
199 —
Ich kenne VirtuoBen, denen der Name Helm-
holtz vollständig unbekannt ist. Läest sich ein
solches Manko mit dem Selbstbewnsstsein eines
Künstlers vereinen? ^
üeber das Verhältnis der Akustik zur Musik-
geschichte könnte man allein eine grosse Arbeit
schreiben. Ich behaupte: ein volles Verständnis
einzelner Fortschritte in der Musi&entwickelung
ist ohne akustische Vorkenntnisse nicht denkbar.
Zum Beweise gebe ich nur einige Stichwörter:
Pythagoras, Aristoxenus, Diatonik, Chro-
matik, Enharmonik, die Kirchentöne in
ihren Beziehungen zur Volksmusik, die Musica
ficta. Dar nnd Moll, Zarlino, Auffindung des
harmonischen Prinzips, Bameau, Tartini, die
Abhängigkeit der Kompositionstechnik
anserer Alt vorderen von den Instrumenten,
die Abhängigkeit der Tasteninstrumente
von den langsamen Fortschritten in der Aku-
stik (Temperatur) u. s. w. —
Wir dürfen uns heute nicht mehr damit zu-
frieden geben, dass der Musikjünger nur nach
freiem Willen, aus einem idealen Bedürfnis heraus
Befriedigung sucht, das .Warum" in unserer
musikalischen Kunst zu erforschen. Es ist er-
wiesen, dass auf den Musikschulen nur ein ganz
kleiner Prozentsatz nach diesem Prinzip arbeitet.
Möge es dem Musikpädagogischen Verbände ge-
lingen, seine Beformideen überall in die Praxis
umzusetzen und damit auch der Akustik den ihr
gebührenden Platz im Lehr plan zu erobern. Nur
dann lässt sich von der Möglichkeit reden, dass
dem Musikprüfling eine allseitige, harmonische
Ausbildung mit auf den Weg gegeben werde.
6i^ ^iisil< auf den) ii)kpt)aHoi)alct) f^Faaei)Hot)gFess.
18. bis 18. Juni zu Berlin.
Beferat von
Olffft »tieslits.
Trotz der überreichen Fülle von Vorträgen
und Diskussionen, die sich in sämtlichen Bäumen
der Philharmonie eine Woche hindurch in 4 neben-
einander tagenden Sektionen mit der „Frauenfrage*^
aller Gebiete beschäftigten, war der „ Kunst ** im
allgemeinen nur ein kleiner Baum gewährt. In
ihm behauptete wiederum die ,Musik^' nur einen
g^anz bescheidenen Platz. Eine Amerikanerin, Mrs.
Loh er, wollte einen Vortrag über »Die Leistungen
der Frauen in der Musik** halten, die Musik-Sektion
des Allg. D. L. V. hatte Frl. Olga Stieglitz als
Vertreterin der deutschen Musiklehrerinnen
entsandt, der aber, weil etwas verspätet angemeldet,
nur der Platz einer Diskussionsrednerin mit 10
Minuten Zeit gewährt werden konnte. Im letzten
Augenblick stellte sich heraus, das Mrs. Löher nicht
erschienen war, und Frl. Stieglitz konnte nur, als
Abgesandte ihrer Korporation, in kurzen Worten
einige Gedanken entwickeln, die nachstehend zur
Beherzigung unserer weiblichen Kolleginnen folgen:
,Die Musiklehrerin ist meines Erachtens
zor Zelt noch die typische Bepräsent antin weib-
licher Tätigkeit und Tüchtigkeit auf dem Gebiete
der tonenden Kunst. Pflegt doch auch die repro-
duzierende Künstlerin, selbst wenn sie Lorbeeren
im Konzertsaal erntet oder als Sängerin Triumphe
feiert auf den Brettern, die die Welt bedeuten,
früher, später oder daneben Unterricht zu er-
teilen.
Demgegenüber spielt die Frau als Kompo-
nistin noch keine erhebliche Bolle. Ihre Lei-
stungen sind nicht zahlreich, nicht, seh wer wiegend
genug, um sie als erfolgreiche Mitbewerberin des
Mannes erscheinen zu lassen. Obwohl, wie viel-
fach hervorgehoben worden ist, der Frau auf
diesem Felde seit Jahrhunderten freie Bahn ge-
lassen wurde, warten wir bis zur Stunde noch
vergeblich auf einen weiblichen Heros der Ton-
kunst, der sich ebenbürtig einem Mozart, einem
Beethoven, einem B. Wagner, B. Strauss zur Seite
zu stellen vermöchte. Und selbst 'für die Geister
zweiten Banges fehlen die weiblichen Parallelen!
Wiederholt hat man den Versuch gemacht, aus
dieser Tatsache den Strick zu drehen, mit dem die
allgemeine schöpferische Begabung der Frau er-
drosselt imd somit die Minderwertigkeit der weib-
lichen Psyche bewiesen werden sollte — meiner
Ansicht nach mit unrecht. Die Wahrheit, dass
der produktiven Tätigkeit der Frau in der Musik
keinerlei Schranken entgegengestanden hätten, ist
eine Scheinwahrheit.
Jedes künstleriscbe Schaffen erfordert zweierlei:
Erfindungsgabe und Gestaltungskraft. Der
Erfindung kommt die Priorität zu, denn sie kann
nicht erworben werden. Was aber die Phantasie
gleichsam unabsichtlich in innerem Schauen, in-
tuitiv hervorbringt, verlangt mit Bewusstsein ge-
fasst und verarbeitet zu werden. Kant's be-
rühmter Satz „Begriffe ohne Anschauungen sind
leer, Anschauungen ohne Begriffe aber sind blind^
gilt insonderheit für künstlerische Arbeit. Zur
Anschauung muss der klare Begriff, müssen
positive Kenntnisse hinzutreten. Es ist daher die
Mitwirkung des Intellekts nötig, und dieser bedarf
der Schulung, der regelrechten Ausbildung.
Wessen allgemeine Denkfähigkeit unentwickelt
blieb, der wird auch nicht imstande sein, auf einem
Einzelgebiet wirklich Neues hervorzubringen. Mit
— 200 -
nn geübten Kräften lässt sich nicht arbeiten. Das
gilt nicht nur für den Forscher, Entdecker, Er-
finder in der Wissenschaft oder Technik, sondern
auch in der Kunst, speziell in der Musik, weil
hier die Natur keine Vorbilder bietet und alles von
innen heraus gestaltet werden muss. Der Kom-
ponist setzt die Töne aber ebenso wenig nach
Willkür, wie er einem bestimmten Schema folgt.
Dagegen muss er seine musikalischen Gedanken
in den Hahmen unseres geschichtlich gewordenen
Tonsystems hineinpassen, welches auf mathema-
tischen Voraussetzungen und logischen Gesetzen
beruht. TJm dieses mit Verständnis zu durch-
dringen und zu beherrschen, muss ein gewisser
Grad geistiger Beife und geistiger Freiheit erreicht
sein. Einen schlagenden Beweis dafür bietet
Bussland, dessen Kultur gegenüber den westlichen
Ländern lange rückständig blieb. Eine Pflege der
Geisteswissenschaften in grösserem Umfange findet
dort erst seit etwa 50—60 Jahren statt. Ist es
nun ein Spiel des Zufalls, dass auch erst neuer-
dings rus:*i8che Komponisten aufgetreten sind, die
für die musikalische Gesamtwelt Bedeutung erlangt
haben, als Vorläufer ein Glinka, darauf Borodin
Tschaikowski, Seroff, Liadow, Kimsky-Korsakoff,
Glazounow, Whitol u. v. a.? Sicherlich war
musikalische Begabung auch schon früher in
dieser Nation vorhanden — die russischen Volks-
lieder beweisen es — , aber sie musste latent bleiben,
weil die geeignete Basis für ihre Entwickelung
fehlte.
Aehnlich steht es bis auf die Gegenwart mit
der musikalischen Produktionskraft der Frauen.
Die Durch schnittsmusikerin von heute befindet
sich noch nicht auf der Geistesstufe, die zur Ver-
wertung ihres etwa vorhandenen Erfindungstalentes
erforderlich ist. Es fehlt ihr sowohl an allge-
meinen wissenschaftlichen, als auch an fachwissen-
schaftlichen Kenntnissen. Ueber der Sorge um
den technischen Drill oder den künstlerischen
Schliff versäumt sie, gründliche Studien zu machen
sowohl in Harmonie-, Kompositions-, Formenlehre
und Instrumentation, als auch in der Musik-
geschichte und Musikästhetik. In diesen Fächern
ist der wirklich gebildete Musiker von heute der
weiblichen Kollegin meist erheblich überlegen,
mag letztere ihm an Virtuosität vielfach gleich-
kommen, ihn durch angeborenen Instinkt an päda-
gogischer Tüchtigkeit oft übertreffen.
Es kommt hinzu, dass der Mann höherer
Stände in unserer Zeit sich zumeist nur der Mnsik
widmet, wenn ausgesprochene Begabung* vor-
handen ist, während noch eine ganze Anzahl der
Frauen, die jetzt auf diesem Gebiet wirken, den
Beruf nicht aus innerer, sondern aus äusserer
Nötigung ergriffen — k faute de mieux! £}s galt
einen Broterwerb oder auch einen Wirkungskreis
zu finden; die Musik aber gewährte freien Spiel-
raum, selbst für ungeschulte Kräfte. Im musi-
kalischen Lehrfach gab es keine Schranken in
Gestalt von Examina, und der Konzertsaal steht
jedem offen, der ihn zu bezahlen vermag. Diese
Sachlage hat unseren Stand schwer geschädigt,
denn viele Elemente sind dadurch hineingeraten,
die im Grunde nicht hineingehören. — Die Er-
kenntnis dieser bedauernswerten Tatsache und
anderer schwerwiegender Missverhältnisse hat zur
Gründung der „Musiksektion des Allge-
meinen Deutschen Lehrerinnenvereins**
geführt, die im Jahre 1897 erfolgte. Ihr Zweck
ist: »Die "Wahrung und Förderung aller ideellen
und materiellen Interessen der Musiklehrerinnen."
Es ist hier weder 2jeit noch Ort auf die positiven
Erfolge einzugehen, welche die Vereinig^ung im
Verlaufe weniger Jahre bereits erreicht hat; sie
bestehen hauptsächlich in der Sicherung der mate-
riellen Lage und Verbesserung der sozialen Stel-
lung ihrer Mitglieder. Ebenso wenig kann ich
hier die vielen Einzelbestrebungen namhaft machen,
die zur Zeit auf ihrem Programm stehen. Das
eine nur möchte ich betonen, dass unsere Ge-
nossenschaft es als ihre Hauptaufgabe betrachtet,
das geistige Niveau der Musikerin auf die
gleiche Stufe zu heben, auf welcher der wissen-
schaftlich gebildete, akademisch geschulte moderne
Musiker steht. Erst wenn dieses Ziel erreicht ist,
können auch die produktiven Leistungen des
Mannes und der Frau gegeneinander abgewogen
und mit gleichem Mass gemessen werden.
Welche Grenzen dem weiblichen Genius ge-
steckt sind, welche Gipfel er zu erreichen vermag,
diese Frage ist noch nicht spruchreif. Eine Zu-
kunft, in welcher der Frau alle geistigen Ent-
wickelungsmöglichkeiten offen stehen, wird sie
beantworten können, denn wie Goethe sagt: ^Nicht
nur das Angeborene, auch das Erworbene ist der
Mensch."
Mitteilungen
von Hoohsohulen und Konservatorien«
Die Aufführung des Klindworth-Schar-
wenka-Konservatoriums im Beethoven- Saal
am 1. Juni verdient besondere Anerkennung, weil
sie sich über den Eahmen der üblichen Schüier-
produktionen erhob und ein Programm darbot, das
auch den erfahrenen Konzertbesucher wohl locken
konnte. Es wurden aufgeführt: Die vollständige
Musik Mozart 's zu dem Trauerspiel „König
Thamos", wegen der prächtigen Chöre berühmt,
aber wenig bekannt, und Berlioz* geistliche
— 201 —
Trilogle: ,Die Kindheit Christi«, die wohl auch
nur sehr wenige Besucher vollständig schon früher
gehört haben werden. Zwischen diesen beiden
Werken führte Professor Xaver Scharwenka
s<>ine eigene Kantate nach Worten der heiligen
Schrift für Chor, Soli und Orchester auf, ein klang-
schönes, wirksames Werk. Die Ausführung der
drei Chorwerke war eine sehr gute. Chor wie
Orchester unter der sicheren Leitung des Herrn
Grünberg wurden ihren Aufgaben gerecht, vor-
züglich waren die Solopartien besetzt durch die
Damen Frau Blanck-Peters, Frl. Palm, die
Herren Dr. Kuhn, Brieger und Harzen-Müller.
Im Theater des Westens fanden an drei
aufeinanderfolgenden Abenden dramatische Auf-
führungen der verschiedenen Gesangsklassen
des Stern'schen Konservatoriums statt. Jeder
Abend brachte drei bis vier ganze Akte oder
grössere Szenen aus den verschiedenartigsten Opern»
es wurde u. a. aufgeführt: Dritter Akt aus
Gounod's .Margarethe'', 2. Akt aus dem „Fliegen-
den Bolländer^S Schlussakt des „Ti onbadour*^,
Szenen aus dem „Lohengrin**, „Don Juan**, ,,Ba-
jazzi**, „Maskenball** u. s. w. Die Ausführenden,
von denen einige sich ganz anssergewöhnlich be-
gabt erwiesen, waren Schüler der Herren Heine-
mann, Seidemann und Rothmühl, der Damen
Fr. Selma Nicklas-Kempner und Frl. Anna
Wüllner. Herr Direktor Hollaender dirigierte
an allen 3 Abenden, er darf mit grosser Genugtuung
auf den künstlerischen Erfolg dieser Aufführungen
zurückblicken.
Die Königl. Musikschule zu Würzburg,
Direktor Hof rat Dr. Kliebert, begeht am 12. Juli die
Feier ihres 100jährigen Bestehens. Vorgesehen ist
ein Festakt im Saale der Königl. Masikschule, ein
Konzert im städtischen Schrannensaale und ein
Gartenfest im Platz'schen Garten. Die Musik-
schule ist aus dem im Jahre 1804 von Professor
Dr. Fröhlich gegründeten „Akademischen Musik-
Institut der Würzburger Universität** hervor-
gegangen.
üerr Gustav Borchers, Konzertsänger und
Gesanglehrer zu Leipzig, hält einen dritten
Ferien kursus für Chordirigenten und Schulgesang-
lehrer in den Tagen vom 18. Juli bis 6. August
ab. Die Kurse verfolgen den Zweck, die Er-
rungenschaften der Kunstgesang-Ünterrichtslehre
nach Möglichkeit für den Chor- und Schul gesang
dienstbar zu machen und dadurch erhöhtes Interesse
für die Vokalmusik, namentlich als Elementar-
bildungsmittel, zu erwecken. Ausser dem Ver-
anstalter und den schon im 2. Kursus mitwirkenden
Herren Eitz-Eisleben und Dr. Egel- Leipzig
werden sich am 3. Kursus die Herren üniversitäts-
professoren Dr. med. A. Barth und Dr. A. Prüfer
dozierend beteiligen.
Im Biemann-Konservatorium zu Stettin
fanden während der Monate April bis Juni eine
Reihe Vorträge ästhetischen und geschichtlichen
Inhaltes statt. Der erste Cyklus. — drei Vor-
träge — behandelte das Thema ,,Wie hören wir
Mut'ik**, der zweite — 5 Vorträge — umfasste die
„Geschichtliche Entwickelung der Violinsonate von
ihren ersten Anfängen an bis heute**. Herr B.
Knetsch, Direktor der Anstalt, gab die historischen
und ästhetischen Erläuterungen, Herr Bud. Melzer
führte in chronologischer Folge 17 verschiedene
Entwickelungsperioden und ihre Meister charak-
terisierende Sonaten für Violine mit Klavier aus.
Folgende Meister waren mit ihren Werken ver-
treten: Fr. Biber (1644-1704), Corelli (1653 bis
1713j, dairAbaco (1675-1742), J. S. Bach (1686
bis 1750), Händel (1686—1759), Tartini (1691 bis
1770), Leclair (1687—1764), Nardini (1722 bis
1793). J. Haydn (1732-1809), Mozart (1756 bis
1791), Beethoven (1770—1827), R. Schumann
(1810-1856), Niels Gade (1817-1890), Joh.
Brahms (1833-1897), Cösar Franck (1822 bis
1890), Chr. Sinding (1856 -), Max Reger (1873-).
Ein dem Konservatorium Klindworth-
Scharwenka zur Verfügung gestellter Preis von
200 Mk. für die beste Leistung auf dem Gebiet
der ausübenden Tonkunst kam in diesem Jahr
zum eisten Mal zur Verteilung. Er wurde dem
Herrn Otto Klemperer aus Hamburg, Schüler
der Klavier- Ausbildungsklassen des Herrn Professor
James Kwast, von der Jury, die aus den Herren
Prof. K. Klindworth, 0. Lessmann und Prof.
W. Blanck bestand, zugesprochen.
Vermischte Xachrichten.
Am 16. Juni waren 100 Jahre verflossen, seit
einer der verdienstvollsten deutschen Musiker,
der zwai nicht zu den „Grossen" in der Kunst
zahlt, nach einem mühevollen Leben seine Augen
zur ewigen Kühe schloss, und unserer heutigen
^it, die sich so gern damit beschäftigt, gestürzte
Denkmäler aufzurichten oder versunkene Gräber
aufzuspüren, hätte es wohl obgelegen, die £r-
iooernng an Johann Adam Hiller lebendiger
ZQ wecken. Man darf den wackern Meister, der
heut zu den schon fast Vergessenen zählt, getrost
als den Schöpfer der deutschen Gesangskunst, als
den Schöpfer des deutschen Singspiels bezeichnen.
In einer Zeit, wo noch die Anschauung herrschte,
dass der Deutsche überhaupt untauglich zum
Singen, der Italiener allein zum dramatischen
Gesang berufen sei; wo andererseits die italienische
Oper die gesamten deutschen Bühnen beherrschte,
trat der in den bescheidensten Verhältnissen lebende
und oft mit der Not des Tages kämpfende Meister
unentwegt für die deutsche Kunst ein und bahnte
dem deutschen Liede, dem deutschen Drama, dem
— 202 —
deutschen Sänger den Weg. Er legte ausserdem
den Grund zu den Gewandhauskonzerten in Leip-
zig, er gab die älteste wirkliche Musikzeitung:
„Wöchentliche Nachrichten und Anmerkungen die
Musik betreffend" heraus. Friedrich's des
Grossen Ausspruch: „Ich will mir lieber von
meinem Pferde etwas vorwiehern lassen, als von
einer Deutschen eine Arie hören", ist allgemein
bekannt, als aber Gertrud Schmeling, eine
Schülerin von J. A. Hiller, ihm prima vista eine
Arie vorsang, sagte er: „Sie kann singen'', und
sie erhielt sofort eine Anstellung an seinem Opern-
hause. Auch die berühmte Corona Schröter
ist Hillers Schülerin. — Joh. Adam Hiller ist
1728 zu Wendisch-Ossig bei Görlitz geboren; seine
hübsche Sopranstimme verschaffte dem früh Ver-
waisten eine Preistelle am Görlitzer Gymnasium,
1751 bezog er die Leipziger Universität zum Stu-
dium der Hechte, seine Mittellosigkeit zwang ihn
zu Nebenverdiensten, so wirkte er, da er sich be-
ständig musikalisch weitergebildet, in den Orchester-
konzerten auf verschiedenen Instrumenten und
erregte nebenbei die Aufmerksamkeit durch seine
Kompositionen Geliert ^scher Lieder. Auf Geliert's
Empfehlung wurde er Hofmeister des jungen
Grafen Brühl, Sohn des damaligen allmächtigen
Ministers, und begann 1759 seine Öffentliche
Wirksamkeit durch die Herausgabe der Musik-
zeitung „Wöchentlicher musikalischer Zeitvertreib".
Ebenso übernahm er die Leitung des Leipziger
sogenannten .Grossen Konzerts", aus dem sich
später die Gewandhauskonzerte entwickelten. Da-
neben errichtete er, um den noch ganz damieder-
liegenden deutschen Kunstgesang zu heben, eine
„Gesangschule für unentgeltlichen Unterricht'^ aus
der, ausser den schon erwähnten, eine grosse Aeihe
tüchtiger Gesangskräfte hervorgingen. Seine Er-
fahrungen auf diesem Gebiete hat er in den
Schriften: „Anweisung zum musikalisch richtigen
Gesang' ' und „Anweisung zum musikalisch-zier-
b'chen Gesang^' niedergelegt. Die Werke erschienen
1774 und 1780; beherzigenswert sind daraus noch
heut die Worte: „Es ist eine der vornehmsten
Pflichten eines Singmeisters, auf eine
reine und bequeme Aussprache bei seinen
Scholaren ein wachsames Auge zu haben." „ ... Man
muss erst gut sprechen lernen, ehe man
gut singt, so wie man erst gehen lernt, ehe man
zu tanzen anfängt." — Eine gleiche grundlegende
Bedeutung für die Fortentwickelung der deutschen
Sangeskunst schuf Hiller mit seinen deutschen
Singspielen, durch sie gleichsam die Stätte be-
reitend, an welcher sie mit praktischen Beweisen
in's Leben trat. Durch sein Zusammenwirken mit
dem Dichter Chr. Felix Weisse und dem unter-
nehmungslustigen Theaterdirektor Koch wurde
die Aufführung deutscher Singspiele ermöglicht,
die bei allen bisherigen Versuchen ein klägliches
Fiasko erlitten hatten. Hiller's „Der Teufel ist
los", „Lottchen am Hofe", „Der Dorf barbier", „Die
Jagd" u. V. a. hatten durchschlagenden Erfolg
und bahnten der deutschen Operette den Weg. —
Aber noch eines Verdienstes unseres unermüdlichen
Meisters ist zu gedenken; auf seinen vielfachen
Brisen veranstaltete er in den grösseren Städten
geistliche Konzerte; Deutschland verdankt ihm
vornehmlich die Einführung und Bekanntschaft
der Händerschen Oratorien. Unter seiner
Leitung mit Untei-stützung des Kronprinzen Fried-
rich Wilhebn fand im Jahre 178B die erste Auf-
führung des „Messias" in Berlin*s Domkirche
statt. — Ungeachtet aller seiner Bemühungen and
Erfolge lebte Hiller in den bescheidensten Lebens-
verhältnissen; erst im Jahre 1789 erhielt er an
des verstorbenen Doles Stelle das Kantoratamt
an der Leipziger Thomasschule, das er 1801
wegen Kränklichkeit niederlegte. 1804 schied er
aus dem Leben. Er zählt zu den treuesten Banner-
trägem unserer Kunst, zu jenen uneigennützigen
Pionieren, die in unentwegtem Bingen und Streben
den Weg zur Freiheit und zum Licht durch die
Domenhecke veralteter Anschauungen bahnen
und unermüdet einer kommenden glücklicheren
Generation die Bausteine zu ihren Kunstschöpf ungen
zutragen.
Eine am dritten Pfingstfeiertage von dem Hof-
organisten E a b i c h aus Gotha nach Weimar
einberufene, sehr stark besuchte Versammlung der
Kantoren und Organisten der sämtlichen thürin-
gischen Staaten und der Provinz Sachsen führte
zu der Gründung eines Verbandes, zu dessen Vor-
sitzenden Prof. Babich, der Schöpfer der Idee,
erwählt wurde. Zweck der Vereinigung ist Hebung
der Kirchenmusik, Wahrung der Standesinteressen,
Befreiung der Mitglieder von erniedrigenden
Kirchendiensten, bessere Ausbildung der Organisten
u. s. w. Es sollen Nachhilfe- und Fort-
bildungskurse, eine Prüfungskom-
mission berufen und grosse Musikfeste ver-
anstaltet werden. Auch die Schaffung eines ge-
meinsamen Gesangbuches für alle thürin-
g^chen Staaten ist in Aussicht genommen.
In Köln wurde auf Franz Wüllner's
Grabe am Pfingstsonntage ein Denkmal enthüllt
und von Generalmusikdirektor Steinbach der
Familie Übergeben.
Der Oedenburger Musik verein veranstaltete
in der Bergkirche zu Eisenstadt, in der
Joseph Haydn's letzte Buhestätte ist, unter
Leitung Dr. Eugen Kossow's eine H a y d n -
f eier, bei welcher die „Nelson-Messe* in d-moU
des Meisters zur Aufführung kam.
In einer der letzten Matineen Professor Ber-
trand Both's zu Dresden, die zeitgenössischen
Ton werken gewidmet war, führte Dr. Johannes
Schilling seine neu erfundene chromatische
Harfe erfolgreich vor. Die Harfe, welche keine
Pedale hat, ist hauptsächlich als Hausinstniment
für Gesangsbegleitung gedacht, eignet sich jedoch
auch zum Vortrag von Solostücken und kann, da
— 203 —
die Anordnnag der Saiten der Reihefolge der Töne
am Klavier entspricht, leicht erlernt werden. Sie
kam in der Matinee nach beiden Richtungen zar
Geltung, sowohl in den von J. Snoer komponierten
mid von ihm selbst vorgetragenen Solostäcken, als
anch zur Begleitung einer Reihe von Liedern
Dr. Richard Hering's, die vqu Frl. Anna
Klotz vorzüglich gesungen wurden.
Hugo Kann hat soeben ein grosses Or-
chesterwerk „Maria Magdalena" vollendet, welches
Prof. Wilhelm Berger, Meiningen, gewidmet
ist. Dasselbe ist bereits von mehreren grösseren
Orchestern zur Aufführung angenommen.
Zur Gedächtnisfeier der verstorbenen £rb-
grossherzogin Pauline von Sachsen-
Weimar veranstaltete die Grossh. weimarische
Ho^ianistin Frl. MarthaRemmert am 8. Juni
ein Konzert in der Kirche zum heiligen Ejreuz.
Herr Irr gang, Organist, und die Hofopem-
säugerin Erl. Altona, die Herren Aug. Gentz,
Violine, Treff, Violoncello, unterstützten das
pietätvolle Unternehmen. Die verstorbene Fürstin
war die Protektorin der von Frl. R e m m e r t ge-
leiteten ,^iszt- Akademie^ zu Gotha.
Dr. Schmidt, Bibliothekar der Darm-
städter Hofbibliothek, hat in derselben
drei interessante Briefe Beethoven's gefunden. Sie
hatten Bezug auf die Herausgabe der „Missa
Solemnis", auf welche der Grossherzog von Hessen
1823 subskribiert hatte — mit noch anderen sechs
Subskribenten. Die Briefe gehörten wahrscheinlich
dem Grossherzog Ludwig I. und sollen, wie eine
englische Wochenschrift — wohl nach deutscher
Quelle — meldet, dem grossherzoglichen Haus-
archiv einverleibt werden. Im ersten vom 5. Februar
18 i3 datierten Briefe drückt Beethoven die Hoff-
nung aus, der Grossherzog möge doch auf die Messe
unterschreiben, für die er „die bescheidene Summe
von 50 Dukaten^* verlangt. Gerade wie in einem
bekannten Briefe von Zelter, der am 8. Februar
1823 geschrieben ist, erwähnt Beethoven, dass die
„Missa Solemnis^ auch als Oratorium aufgefühtt
werden könne. Der zweite Brief ist an den gross-
herzoglichen Privatsekretär Schleiermacher
gerichtet; Beethoven freut sich, dass sein Gesuch
nicht „zudringlich*^ gefunden wurde. Der dritte
Brief vom 2. August 1823 geht ebenfalls an
Schleiermacher und dankt für die vom Grossherzog
ihm erwiesene Ehre. Es ündet sich darin Inter-
essantes über den Erzherzog Adolf von Oester-
r e i c h und die beiden Hof kapellmeister L.Schlösser
und Andrö. Beethoven war offenbar besorgt,
Andr^ könne einen ungünstigen Bericht über ihn
machen. Andr^ habe sich so gegen ihn benommen,
dass er (Beethoven) verweigert habe, jenen zu
empfangen. „Ich hätte ciiess nicht gethan,*' schreibt
Beethoven, „wenn ich damals gewusst hätte, dass
er in Seiner königlichen Hoheit Diensten stand.'^
Bücher und MuslkalleD.
6. F. H&ndel: Drei Stücke aus dem Oratorium
„Der Messias" für Pianoforte und
Harmonium. No. 3 Chor: „Ehre
sei Gott in der Höhe".
Bob. Forberfy Lelpsly.
Das hier angezeigte Arrangement des bekannten
Händerschen Messias-Chors von Bob. Schaab ist
sehr gewissenhaft ausgeführt und in seinen Klang-
effekten für die zwei ausführenden Instrumente,
Harmonium und Pianoforte, genau abgewogen
worden. Der inzwischen längst verstorbene Be-
arbeiter war einhewährter alter Praktiker und auf
dem Grebiete des Orgel- und Harmoniumspiels ganz
ausserordentlich bewandert. Das in Bede stehende
Stück ist ohne sonderliche Schwierigkeiten leicht
und gut ausführbar und als Beitrag zur Pflege
ernster religiöser Hausmusik durchaus höchst
empfehlenswert, umsomehr, als sein rein
musikalischer Gehalt längst erprobt worden ist.
Karl Thlessen, op. 25 No. 2. Barcarole.
Csrl SiMOB» BmIIb*
Die F dur-Barcarole ist eigentlich für Piano-
forte bestimmt und von Max Laurischkus für
Harmonium eingerichtet worden; ein einfaches
Stück von hübschem Klange, welches auf letzt-
genanntem Instrumente sich noch weit besser aus-
nimmt als auf dem Klaviere und in der Haus-
musik wohl ein Plätzchen beanspruchen darf.
Paal Kiengel, op. 19: Zwei Stücke (Legende und
An der Wiege) für Violine und
Pianoforte.
F. E. C. Lenekart, Leipsif.
Freundliche Musik in anspruchslosem Gewände,
leicht ausführbar, von schönem klanglichen Effekte
und für den Vortrag sehr wohl geeignet.
L. Ad. Coerne, op. 62: 3 kleine Trio's für Violine
Violoncello und Pianoforte.'
Boiworfth ■. Co. Lelpilgr-
Louis Adolf Coerne's drei kleine Trio's für
Violine, Violoncello und Pianoforte empfehlen wir
dringend für Neulinge auf dem Gebiete der Kammer-
musik. Die Sachen sind geradezu prädestiniert
für pädagogische Zwecke und der Umstand, dass
sie in kanonischer Form geschrieben sind und
alle Instrumente zu gleich wesentlicher Beteiligung
am Ganzen heranziehen, lässt sie doppelt wert-
voll erscheinen. Sie sind ebenso tüchtig und ge-
schmackvoll gearbeitet, nirgends machen sie einen
Zwang empfindbar, sondern hinterlassen im Gegen-
teil eine volle musikalische Wirkung. Und dass
sie Jugendliche Spieler in die Geheimnisse und
— 204 —
Schönheiten des strengen Satzes einznführen, also
in hohem Grade geschmacksbildend zu wirken
vermögen, sei ihnen zn ganz besonderem Lobe
nachgesagt.
Eugen Segnitz.
Gohj Eberhardt, op.lOO. Violin-Enrsns Heftn
(2. bis 7. Lage).
HelBriehibofen'f Terlav, Mtgdeborg.
Kurze üebnngsstücke zur Erlernung der
Lagen wird jeder Lehrer gern benutzen. Die
Hand des Anfängers ermüdet bekanntlich recht
schnell, daher sind üebungsstücke von kleinem
Umfange zum ersten Stadium empfehlenswerter
als die langen Etüden von Spohr, Kode, Alard etc.,
wenn auch die letzteren musikalisch bedeutender
sind. — Möge Eberhardt's Werk recht bald von
unseren Lehrern richtig geschätzt werden.
Dagobert Löwenthal.
J, Philipp: Etudes techniques d' apres Clement!,
Gramer, Czemy, Chopin etc.
O. Bleordt * Co., PftrU.
Abermals eine vorzügliche, fruchtbare Idee des
unermüdlichen Pariser Eonservatoriumsprofessors:
er transponiert bekannte Etüden nach andern Ton-
arten, lässt sie mit dem Fingersatz der Original-
tonarten üben, die linke Hand immer dieselbe
Figur studieren wie die rechte, und schliesslich
«oll man die verschiedensten Varianten des Rhyth-
mus anbringen, wie er sie angibt. Neu ist das
ganze Verfahren nicht, Bülow namentlich empfiehlt
Vereine.
oft Aehnliches, aber die Erfahrung lehrt, dass die
Schüler leider im allgemeinen nur das spielen, -was
„gedruckt^ steht, selbst wenn die Transpofiltion
keine grossen Schwierigkeiten machen würde. Also
Fhilipp's Publikation ist durchaus gerechtfertigt.
Mancher wird vielleicht finden, dass eine kurze
Angabe genügen würde: man studiere die und die
Etüde in der und der Tonart, übertrage die Fig;iir
auf die linke Hand. Denn durch das Ausschreiben
der ganzen Etüde kommt Philipp der Bequemlich-
keit des Schülers entgegen, man schützt dadurch
die geistige Trägheit. Ich glaube allerdings mit
H. Vetter, dass man dem Schüler nicht sämtliche
Tonleitern hinschreiben soll, für eine ganze Etüde
denke ich aber milder und halte schon das plastische
Bild für wichtig. Nur einem Punkt stimme ich
bei Philipp nicht unbedingt zu: er lässt alle
Passagen, auch solche, die in jeder Tonart einen
eigenen charakteristischen Fingersatz haben, mit
dem Fingersatz der Originaltonart Üben. Das ist
einesteils sehr schwierig, weÜ man die Fin^^
immer in unnatürliche Stellungen zwingen muss,
ohne dass der Vorteil so gross wäre wie beim
Studieren sämtlicher Tonleitern und Arpeggien mit
C dur-Fingersatz, andererseits verliert man dadurch
den unschätzbaren Vorteil, aus der Originaletüde
eine neue zu machen mit anderen Fingergmppen.
Hier sollte man das Werk Philipp's ergänzen, das
sonst ganz ausgezeichnet ist.
J, Vianna da Motta.
Musik- Sektton
des Allg. Deatschen Lehrerinnen-Yereins.
Das von der Musikgruppe Breslau und
ihrer Vorsitzenden Frl. Elisabeth Simon unter dem
Protektorat der Frau Oberpräsident Gräfin Zedlitz
und Frau Generalin von W oy rs ch zum Besten des
Mnsiklehrerinnen - Altersheim arrangierte
„Maienfest** hat einen glänzenden Verlauf genommen
und brachte einen Reinertrag von 7200 Mk. Ebenso
hat der Cyklus musikwissenschaftlicher Vorträge, zu
dem Frl Simon die hervorragendsten Professoren und
Schriftsteller gewonnen hatte, in diesem Frühjahr
die Summe von beinahe 2000 Mk. dem Fonds für das
Altersheim zugeführt Der Bau ist dadurch gesichert,
er soll bis zum Herbst unter Dach sein und das Alters-
heim kann im nächsten Frühjahr bezogen werden.
Konservatorium der Musik
in Kassel.
Gegr. 1895. Direktion: L Beyer. Gegr. 1896.
GhrenTOrsitz : fU^giernnKB-Präsident tob Trott i« 8«ls,
Graf Kdalfidorff, Bzoellens Genoralin toa Colosb,
Oberbürgermeister MOIler u. A.
Cnratorinm : Pfarrer Hsm, Sohaldirektor Prof. Dr. Kma-
■tehert Bankier Plsat, Jostizrath Scheffer n. A.
Lehrer : Die Damen : L. Beyer, Rtaicl-P5rster, Eönigl. Opern-
sänserin, GleMe-Pftbronl^ A* Taadlea. Die Herren:
▲• HartdegAv, Eammervirtaos. Prof. Dr. M5l»el,
0. Ksletoch, Kgl. KammermuBiker, K. KletiMana,
Kgl. Opemsänffrer, W. Hoshmapt, Kgl.&ammermaeiker,
Bd. Sehmldt, Kgl Kammermusiker, H« Sehnvrbaseh,
KgL Kammermosiker n. A.
UDterrlchtfftcher: Klavier, Violine, CeUo, Harfe und alle
übrigen OrchesterinstiTimente. Gesang, Harmonie-
ond&ompoaitionslebre. Musikgeschichte. Italienisch.
OrcfaeeterspieL Oehörübnng. Musikdiktat.
Organisation: Concertklassen. SeminarkUssen. Ober-,
Mittel- und Elementarklassen.
8tat«teii sind kostenfrei eu besiehen durch die Schrifbleitung
des Konservatoriums Kassel, Wilhelmshöher Allee 4a
]^ie Einführung
der modernen Etüde
im Unterrichtsplan,
(„Klavier-Lehrer" 1902 No. 19—21)
Von
Anna Morsch.
Preis 90 Ffg.
Verlag „Der Klavier-Lehrer'' (M. Wolff),
Berlin W. 50.
— 205 —
Adressen-Tafel.
S Zellen lO Hk. JShrllch, weitere 5 Zellen 5 Hk.
Prof. €. Bmlanr's HonsmatoHiiiN und Seminar.
Direction: Gustav Lazarus.
Berlin N.W., Luisen-Str. 36. Berlin W.» Lfitzowstr. 49.
Erata Lehrkrlfte, vollstilBdlga mDaikaliacbe and pidagogiaehe Aaablldong. Eleaantarklaaaea.
Prof. Siegfried Ochs.
Dixic«nt des JPhilharm. OhorM*.
Beriln W., Bendler-StraMe 8.
SUse Sekschen
(ans St. Petersburg)
Hof Pianistin, Kammervirtuosin
„HOFBURQ"
Hambnrg-IJhleniiorat.
Emma BLodi^
Pianistin.
BerUn W., Bfilowstr. 28.
Konzert-Vertr.: H. Wolff, Berlin.
G«8an£^imteiTicht erteilen:
Frau Felix Schmidt-KOhne
Concertsängerin - Sopran.
Sprechstonde: 3—4.
Prof. Felix Schmidt.
Berlin W., Taaenzienstrasse ZU
Franz Grunicice,
Orgel, Klavter, Harmonielehre.
Berlin W., Stelnmetzstr. 49°.
Martha Remmert,
Hofpianistin, Kammervirtaosin.
Berlin W.. Meierottoatr. l.
Flora Scherres-Friedenthal
Pianistin.
Berlip-Cliarlottenburg,
Kantatr. 160a.
Prof. Jul. Hey'S Oesangschulc.
Berlin W.. Elaholzstrasse 5»,
am Botanischen Garten.
3o$< Uianiia da inotta,
Pianist.
Berlin W., PaBsaoerstrasse 2fi.
€ll$aDetb €aland,
Verfasserin von:
„Die Deppe'sche Lehre
des Klavlerspiels".
Ctaarlottenbnrs, Ooethestr. 80iu.
Aasbildiing im höheren Klavierspiel
nach Deppe^soben Urundsatsen.
Omiie Lichterfeld
BerU» IF.. Smüentr. »8.
Käte Freudenfeld,
Koniart- u. OratorienB&ngerln (Alt)
Berlin W., Passanerstrasse 22".
Cmilie 0. &mtt
Gesangunterricht (Meth. Marchesi).
Berlin, BaTrentherstr. 27.
/Vlusil(«Institut
und Seminar für Musiklehrerinnen
von JliiNa moml), Berlin Ol., JlnsbaAentr. 37.
== Prospekte gratU, auf Olunsd) and) brieflid). ==
Atemgymnastik - Gesang.
nathtlde Paratentler
(Alt- und Mezzo-Sopran). «
Prof. Franz Kullak.
Klassen ffir höheres Klaviersplel.
Berlin W., Habsburger 8tr. 4
Frau Dr. Luise Krause
Vorsteherin der
Schweriner Musikschule
Schule für höheres Klaviersplel und flusblldung von Lehrkräften nach
dem preisgekrönten Rnschauungsunterrlcht der Vorsteherin.
Berlin W., Gmnewald,
MnbmrireritrftfM 1(. KSaliruHee Is, earteahaae.
Prof. Pli. Sciimitt'8
Akademie für Tonkunst
— ■ — gegründet 1851
I>a,]r m » tad t
Elisabethenstraase 36.
Direktion: Prof. Ph. Schmitt.
Aufnahme Jederzeit.
Jlugttste BSbiiie-KSbler
»nein in Leipzig, Liebintr. 81, und in Undhard-Naniihof (Bahnlinie Leipzig-
I>0beln-Dresden) von Juni bis einschl. September
M> i^ eeiatigsunferricDt »« ■•«
Herren und Damen vom Lehrfach, sowio auaQbende Künstler, die Unterricht
nehmen wollen, sind gebeten, event. vorher schriftliche Klarlegung ihrer stimmlichen
Veranlagung, sowie eines von einem Arzt ausgestellten Berichtes Über ihren allge-
meinen Gesundheitszustand einzusenden.
Nina Gorter,
Lehrerlii
am Blehelberg'seheB KoBserratorlam.
GehSrblldungskurse (Methode Chev^)
— für Gesang- und Instrumental-I^hrer
und Lehrerinnen (3 MonaleJ,
— für Musikstudierende,
— PrivaUtunden.
Dienst., Mittw, Freit, und Sonn. 10-11
Rankottr. 81.
— 206
Dina van der Hoeveiii
PUalstlv.
Konzert und Unterricht (Meth. Carreno).
Berlin W., Marbnrgerstr. 17 1"-
Anna Harmsen,
Klavier-Unterricht und Begleitung.
Wm Litzowstr. 63, Gartenhaus.
Die Geschäftsstelle der
Lebens-, Alterspensions-, Invaiiditäts- und Kinder-
versicherung der Mitglieder Deutscher Frauenvereine
„Friedrich Wilhelm", Berlin W^ Behrenetraste 60/61,
Leiterin Frl. Henriette Ooldsclimldt, angesahloaeen 81 Fnraen- nnd gealsoiito
Vereine in Deatschland, bietet die omfMsendfte SiobentelloDg fttr dmm Alter
und gegen eintretende ErwerbtonfUhigkeit.
Treao ie Berattmir mündlich nnd sohriftlioh. — SpreohBt. von 10—1 Vorm.
Olga Stieglitz,
KlAvieninterriohi, Methodisohe Vor-
bereitung fOr den Lehrberuf.
Berlin W., Ansbacberstr. 26.
UnterricDu-Uennimiviifl der muslKgrappe Berllii (Aiig.D.ii^v4
für Klavier-, Oeaaog- u. Violinstunden. Lehrerinnen mit guten Zeugniaaen oder
Empfehlungen \% erden koatenloa nachgewieaen durch die Vorateherln V. Zil '
Berlin W., Kleisutr. 37 G. 1. Sprechatunden : Montag Nachmittag 4—6.
Frankflirter
Mnslkschnlo.
Leitung S. Henkel.
= Frankfurt a/M. =
Jonghofstrasse, Saalbau.
SteHenpermlttlung der IRusIksekflon
des JUlfieweinea DeutscDeii CeDrerimieiivereiiis.
Centralleitung Berlin W.» Luitpoldstr. 43.
Fran Helene Bnrghansen-Lenbnscber.
Vorsüglioh »uagebildete und empfohlene Lehrerinnen (Klavier, 0«aang, Theorie)
für Inititnte, Panaionate und Familien, ftir Li- und Aualand. Spraohkenntnisse
Schule
für höheres Klavierspiel
nebst Vorschale
gegründet 1878
Elisabeth Simon
Breslau.
Institut
f. human. -erziehl. Musik-
unterricht
mit Lehrerinnenausbildung
nach Ramann- Volckmann
von Ina Löhner,
Nürnberg, mittl Pirkheimeratr. Sini.
Erlangen, Luitpoldatr. 18.
und
Anna Hesse.
Gegründet 1882.
Erfurt} Sohillerstrataa 27.
Helene Nörlng,
Geaanglehrerin. Tonbildung (Luiae Reaa),
Gehörbildung (Methode Chev6).
KOnigsberO i. Pr., Tragheim-Pasaage 3.
U^.
■ ■ Schul- und Kirchen-Instrumente.
■ I Alleiniger Specialiat dieser Branche
Johaanea Kewitacta,
Berlin W., Potadamerstn 97 b.
— Reparatur- Werkstatt aller Syateme. —
Femsprecher Amt 9 No. 12943.
Valesica Kotschedoffy
BEBIilM W., litttBOw-UfBr 1 nr.
Blarsav Oeathiacntr.
KlavierunterrichtiTheorie. Ensemblespiel,
Anleitung zum Lehrberuf. Einzelunter-
richt Klassenunterricht.
Gevirod WiJs-lHeyei*,
KoBBertaSagerln Mesaoaopran.
GeaaBglekrerlBy akademiaoh geprüft.
ßertin N.W., Claudintatr. 16 U-
Kewitsch-Orgei-
nierinaoii Oppenheluier,
Hameln an der Weser.
Musikalienhandlung und Verlag
gegründet 1867.
Special-Geschäft für Unterrichtsmusik-
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Für die Redaktion Terantwortlich: Anna Morsch, Berlin W., Ansbacherstr. 37.
Expedition und Verlag y^Der Klarier- Lehrer^, M. Wolff, Berlin W., Ansbacherstrasse 87.
Druck: J. S. Preuss, Berlin S.W., Kommandanteustr. 14.
Der Ulavier-IiehreF.
Musik-pädagogische Zeitschrift für alle Qebiete der Tonkunst
Organ der Deutschen Musiklehrer-Vereine,
der Musik-Sektion des T\. D. L-V. und der Tonkünstler-Vereine
zu Köln, Dresden, Hamburg, Leipzig und Stuttgart.
Begründet 1878 von Professor Emil Breslaus
Redaktion: Anna Morsch
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Berlin, 15. Juli 1904.
XXVII. Jahrgang.
lahalt: Dr. Karl Storck: Die tschechische Musik. (Fortsetzung.) Heinrich Schöne: Georg Friedrich Bischoff. (Schluss.) Prof. Dr.
Arthur Seidl: Von der Weimarer Comeliits-Feier. B. SOchting: Die Handhaltung beim KlavierspieL Mitteilungen von Hoch-
schulen und Konnenratorien. Vermiichte Nachrichten. Bflcher und Musikalien, besprochen von Dagobert Löwenthal und
Eugen Segnitx. Vereine. Anzeigen.
Sie tschechische ^asll<e
Zum Gedächtnis Anton Dvoraks.
Von
Dr. Karl Storek.
(Fortsetzung.)
Es ist besonders bemerkenswert, dass
dieses bedeutende Zeugnis deutschen Bingens
in Böhmen am Ende des Jahrhunderts steht,
das die erbittertsten und gefährlichsten Kämpfe
des Tschechentums wider das Deutschtum ge-
bracht hatte. Die oft recht urteilslose Sympathie,
die viele deutsche Historiker allen Bewegungen
entgegenbringen, die sich gegen die katholische
Kirche richten, hat es fertig gebracht, dass
Huss und seine Nachfolger in Deutschland
zunächst als Reformatoren gefeiert werden,
ohne dass dabei hervorgehoben wird, dass sie
mit einer ebenso kurzsichtigen wie rabiaten
Feindschaft gegen alles Deutsche wüteten.
Huss selber hat auf seiner Todesfahrt nach
Konstanz zu seiner grossen Ueberraschung
bereits diese deutsche „Vorurteilslosigkeit" in
nationalen Dingen kennen gelernt. Wir aber
müssten endlich eingesehen haben, dass
unsere allzu akademisch kühle Auffassung
solcher Fragen dem deutschen Geistesleben
die schwersten Schläge zufügt. Denn die
Deutschen in diesen Grenzgebieten ver-
lieren infolge der schwächlichen Haltung
der Heimat jene Beharrungskraft, die ihren
Urgrossvätem in viel gefahrlicheren Zeiten
noch ein Vorwärtsdringen ermöglichte, während
jetzt bereits altererbter Besitz preisgegeben
wird.
Wie ein Jahrhundert später die deutschen
Reformatoren, erkannten auch Huss und seine
Anhänger die Bedeutung des volkssprach-
lichen Gesanges im Kampf wider die alte
Kirche. „Nu hat Johannes Huss den Kirchen-
gesang angefangen in böhmischer Sprachen,
denselbigen haben hernach seine Nachkommen
so gemehret, und so schöne geistliche Lieder
gedichtet, dass dergleichen nie gesehen worden.
Sie haben aber die alten Kirchenmelodien,
Weisen und Noten behalten, weil sie köstlich
sind, und der Christenheit in Brauch kommen,
auch viel dieselben gern hören und singen."
So berichtet die Vorrede der 1566 wieder-
holten Ausgabe einer 1531 zuerst erschienenen
deutschen Ausgabe des „Liederbuches der
böhmischen Brüder". Wir erfahren hieraus,
dass diese berühmten Melodien also keines-
wegs eine tschechische Schöpfung, sondern
— 210 —
dem älteren internationalen Schatze des mittel-
alterlichen geistlichen Liedes entnommen sind.
Wäre der Charakter dieser Lieder in musi-
kalischer Hinsicht ausgesprochen tschechisch
gewesen, so hätten Luther und die andern
deutschen Reformatoren auch nicht so viele
derselben in die deutschen Gesangbücher
übernehmen können. Wir haben also fest-
zuhalten, dass die erste grosse nationale Be-
wegung des Tschechentums, die vom Ende des
14. durch das ganze 15. Jahrhundert anhielt,
zwar der Dichtung vielfach nationale Färbung
gab, auf die Musik dagegen keinen Ein-
fluss hatte.
Zeugt schon die oben erwähnte, von
Michael Weisse 1531 bewirkte Uebersetzung
der Lieder der böhmischen Brüder dadurch,
dass sie ausdrücklich für die deutschen An-
hänger der Sekte bestimmt war, für ein neues
Aufleben des Deutschtums in Böhmen, so
brachte das 16. Jahrhundert ein immer fröh-
licheres Erstarken des deutschen Geistes, das
auch musikalisch zum Ausdruck kam. Die
Deutschböhmen, die sich, seit ihnen die
tschechisierte Universität Prag verschlossen
war, ihre Bildung am liebsten auf den Uni-
versitäten Wittenberg und Leipzig holten,
kamen daselbst mit der deutschen Reformation
in innigste Berührung. Der Boden in Böhmen
war für die Reformation durch den langen
Glaubensstreit günstig vorbereitet, und so hielt
hier die neue Lehre raschen Eingang. Mit
ihr verbreitete sich der deutsche kirchliche
Gesang, sodass um die Mitte des 16. Jahr-
hunderts der katholische Dech an t von Brüx
klagt, dass die Bevölkerung in die Kirchen
der evangelischen Ortschaften ströme, „das
meiste Teil wegen der Deutschen Gesang*.
Allenthalben wurden „Cantoreibrüderschaften"
gegründet, die sich die richtige Pflege des
Kirchengesangs eifrig angelegen sein Hessen.
Nun kam hinzu, dass Nordböhmen durch den
aufblühenden Bergbau in wirtschaftlicher Hin-
sicht bald an der Spitze deutscher Lande stand.
Das erzgebirgische Bergbauland, heute noch
ein sangesfrohes Gebiet, war es damals in
der Fülle seines Reichtums erst recht. Hier
war die Heimat jener zahlreichen „Bergreihen**,
die auf gedruckten Blättlein durch die deut-
schen Lande flogen, und der „Schlemmer aus
dem Joachimsthal** war sprichwörtlich in deut-
schen Landen.
Wie aber hier auch der kirchliche Volks- und
Kunstgesang im 16. Jahrhundert von Deutsch-
böhmen gepflegt wurde, mag man in Richard
Batka's trefflicher Studie (^Kranz** S. 65 ff)
nachlesen. Der Name eines Nikolaus Her-
mann hat längst guten Klang; David Köh-
ler (Golems) wird man nach den Proben, die
Göhler aus seinen Psalmen veröffentlicht
hat (Leipzig, Breitkopf & Härtel) zu den besten
Vertretern des mehrstimmigen Satzes rechnen.
Aus Joachimsthal stammt auch die Familie
Hassler; Isak, der Vater des grossen Hans
Leo, selber ein „fürnehmer Musikus", war
von hier «um der Kunst und anderweitigen
Förderung willen" nach Nürnberg gekommen.
Der grosse Hans Leo Hassler selber
lebte übrigens oft in Prag, wo unter den
Habsburgem im Laufe des 16. Jahrhunderts
das Deutschtum immer stärker geworden war,
sodass die böhmische Hauptstadt unter dem
musikliebenden Kaiser Rudolf IL (157(5—1612)
geradezu der Vorort künstlerischer Musik-
pflege war. Neben Italienern und Nieder-
ländern waren vorzugsweise Deutsche Mit-
glieder der königlichen Kapelle. Neben den Ver-
tonungen lateinischer Texte finden sich zahl-
reiche deutscher Lieder, nicht aber tschechischer.
Es ist übrigens fast selbstverständlich, dass
in der Kunstmusik, deren berühmtester Ver-
treter neben den Brüdern Hassler der Deutsche
Jakob Händ'l (Jacobus Gallus, 1550—1611)
war, nationale Elemente sich nicht bemerkbar
machten. Diese wären ja, selbst wenn der
Tenor einmal dem tschechischen Liederschatze
entnommen worden wäre, durch die kontra-
punktische Bearbeitung verwischt worden.
Uebrigens finden sich unter den Vertretern
gelehrter Kontrapunktik auch manch tschechi-
scheNamen;Kropac,Cybulovsky, Mazak,
Kozmanscky sind die bekanntesten. Wich-
tiger ist, dass Adam Miehna und Wenzes-
laus Hol au für ihre Kirchenlieder tscheschi-
sche Texte wählten. Dass da eine grund-
sätzliche Erkenntnis der Wichtigkeit des
nationalen Volksgesangs vorhanden war, be-
wies Holau dadurch, dass er auch seine
„Passionsmusik" auf den tschechischen Bibel-
text setzte.
Der dreissigjährige Krieg, der das Böhmer-
land besonders grausam heimsuchte, zerstörte
oder unterbrach doch, was an musikalischer
Kultur vorhanden war. Auch hier erfolgte
dann nach Friedensschluss der günstige Rück-
schlag am stärksten auf musikalischem Ge-
biete, was nicht zu verwundern ist, wenn man
bedenkt, dass die Musik am ehesten' geeignet
war, Trost für die schweren Wunden zu
bringen, die die Schreckenszeit geschlagen
211 —
hatte. Ueberraschender ist zunächst die Tat-
sache, dass, während sonst die Kriegszeit den
Zerfall in tausend Parteichen begünstigte, sie
hier bei den zwei rassefremden, nebeneinander-
lebenden Völkern einen Zusammenschluss
herbeiführte, wie wir ihn weder vorher noch
später beobachten. Das war das Werk der
Gegenreformation, die sich gleicherweise
f?egen die evangelischen Tschechen wie gegen
die protestantischen Deutschböhmen richtete.
Vor der religiösen traten alle nationalen
Fragen zurück: Deutsche und Tschechen
gingen jetzt einig in Böhmen auf, und eine
böhmische Kultur, deren Grundlage deutsch
war, fand von beiden Seiten eifrige Förderung.
Ihr ertragreichstes Gebiet wurde die Musik.
Im 18. Jahrhundert wurde Böhmen nach dem
Ausdruck des englischen Musik-Historikers
Burney zum „Konservatorium Europas".
(Eortsetzang folgt.)
@eoFg f^HedHcb ftiscboff,
der Begriitaer der aemscben musikfeste und das Sttbiläami-inttslkrest
in frankenftansen.
Von
Helnrleh Schöne.
(Schloüs.)
Mit aufopferungsfahiger Schaffensfreudig-
keit veranstaltete Bischoff nunmehr alljährlich
ein grosses Musikfest. Aufdem Programm dieser
Konzerte prangt mancher Name, der heute noch
einen guten Klang hat Neben Händel(Messias!)
und den drei Klassikern finden wir besonders
vertreten Romberg, Stadler, Weber.
Spohr, der inzwischen nach Kassel berufen
war, erhielt als Komponist einen starken,
siegreichen Gegner im alten Schneider
aus Dessau, dessen „Weltgericht*' in den
Jahren 1820 — 30 siebenmal zur Aufführung
kam. Auch sein „Pharao" und die Festouver-
türe über „gaudeamus igitur** wurde öfters
bei diesen Gelegenheiten berücksichtigt. Den
Taktstock schwangen ausser Bischoff sehr oft
Spohr und Schneider. Für das Quedlin-
burger Musikfest von 1824 hatte Bischoff so-
gar Carl Maria von Weber gewonnen, der
den „Messias" dirigierte. 1839 kam Mendels-
sohn's ^Paulus" unter des Komponisten
eigener Leitung zur Aufführung. Man sieht,
Bischoff stand mit den ersten musikalischen
Grössen seiner Zeit in engster Verbindung
und seine Bitte, ihn zu unterstützen, blieb
selten unerfüllt. So kam es, dass durch ihn
diese „Eibmusikfeste" von Jahr zu Jahr an
innerem Gehalt und Ansehen nach aussen
wuchsen. Kein Wunder, dass auch andere
Städte diesen geschickten Organisator und
berühmten Dirigenten bei ähnlichen Anlässen
begehrten, so dass in manchem Jahre zwei
solch grosser Feste seine Kraft beanspruchten.
Dazu wartete er in Hildesheim mit Treue und
Gewissenhaftigkeit seines ihm immer mehr
Verpflichtungen auferlegenden Amtes. Neben-
bei war er auch als Musikschriftsteller eifrig
tätig, die Feder in den Dienst seines Lieblings-
werkes, der Musikfeste, stellend. Diese Ueber-
anstrengungen konnten für die Dauer nicht
ohne nachteiligen Einfluss auf seinen Orga-
nismus sein. Dazu wollte es das Unglück,
dass er auf der Fahrt zum 7. Eibmusikfest
1834, zu der er sich in letzter Stunde entschloss,
durch die umstürzende Schnellpost einen
schweren Unfall erlitt. Ein ernstes Brustleiden,
das immer grössere Dimensionen annahm,
war die Folge. Sein sonst so sonniges Ge-
müt verdüsterte sich. Eine nicht zu bannende
Todesahnung erfüllte ihn. Sie trog ihn nicht.
Am 7. September 1841 ging der schaffens-
freudige, rastlos tätige Künstler zur ewigen
Ruhe ein.
An ihn und sein Werk die Nachwek zu
erinnern, war der letzte und schönste Zweck
des Jubiläums-Musikfestes, .das vom
27.— 30. Mai a. c. in Frankenhausen am Kyff-
häuser stattfand. Am ersten Festtage, dem
28. Mai, wurde nach Enthüllung einer schlichten
Bischoff-Gedenktafel Haydn's „Schöpfung"
aufgeführt, jenes Werk, für das Bischoff eine
so hohe Verehrung besass und das auf dem
Programm der Eibmusikfeste immer wieder-
kehrt. Der Cäcilienverein zu Franken-
hausen war durch sangeskundige Damen und
Herren der Umgegend auf 275 Personen .ge-
— 212 —
bracht Er löste seine Aufgabe mit wohltuender
Sicherheit und hielt sich namentlich in den
polyphonen Schlusschören recht wacker.
Der Orchesterpart wurde von der Hof-
kapelle zu Sondershausen löblich wieder-
gegeben; nur hätte dieselbe die zahlreichen
hübschen Tonmalereien dieser Partitur mit
leuchtenderen Farben herausarbeiten sollen.
Von hohem künstlerischem Werte waren die
Darbietungen des Herrn Emil Pinks-Leipzig-
Auch Fräulein Meta Geyer- Berlin leistete
Vorzügliches und entzückte ganz besonders
durch ihre sauberen, leichtflüssigen Kolora-
turen. Weniger zu befriedigen vermochte
der Bassist Herr Arthur van Eweyk-
B erlin. Sein häufig unreiner, kühler Gesang
vermochte weder das Ohr zu ergötzen, noch
das Herz zu erwärmen. Den Taktstock schwang
Herr Musikdirektor OttomarTöpfer. Er hatte
das Ganze gründlich vorbereitet. Seine starke
Hinneigung, die Tempi zu verbreitern, schwächte
allerdings die sonst schönen Wiikungen des
vielköpfigen Gesanges ab.
Nachmittags 5 Uhr folgte ein Instrumental-
konzert, das durch die Gegenwart der Fürstin
Anna und Prinzess Thekla von Schwarz-
burg-Rudolstadt ausgezeichnet wurde.. Musi-
ziert wurde ganz vortrefflich. Unter der fein-
fühligen, temperamentvollen Leitung des Herrn
Hofkapellmeisters Herfurth - Rudolstadt
spielte das Orchester besonders die „Un-
vollendete" von Schubert mit berückendem
Duft und hinreissender Wärme. Als Solist
trat Herr Hofkonzertmeister K. Corbach auf.
Er entfaltete im „Violinkonzert" von Brahms
gediegene Technik, gepaart mit gereifter, ge-
sunder Auffassung.
Das letzte Wort sprach der Tonriese
Beethoven mit seiner gewaltigen „Fünften*'.
Das gigantische Werk, vorzüglich dargeboten,
machte einen tiefen Eindruck auf die empfäng-
liche Zuhörerschaft.
Am folgenden Sonntag versammelte sich
abermals eine zahlreiche, andächtig lauschende
Gemeinde in der historischen Unterkirche. Die
köstlichste Gabe in diesem Konzert bot das
Röthig'sche Soloquartett aus Leipzig
mit den 12 geistlichen Volksliedern, die den
Mittel- und Höhepunkt der ganzen Veranstaltung
bildeten. Die tief empfundenen und meister-
lich vorgetragenen Weisen dieser vier Send-
boten des evangelischen Kirchenliedes griffen
mächtig ans Herz. Es lag etwas Unbeschreib-
liches in ihnen, was sich eben nur nach-
empfinden, niemals aber in dürren Worten
wiedergeben lässt. Orgel vortrage von Bach
und Rheinberger, dargeboten von Herrn
Organist Räuber und Herrn Kirchenmusik-
direktor Köhler-Saalfeld, ergänzten das
Programm. Der Chor brachte anmutig, wenn
auch nicht gerade eindruckstief, Mendels-
sohn's „42. Psalm" zu Gehör, in welchem
Frl. Meta Geyer-Berlin das Sopransolo mit
grosser Ueberzeugungskraft sang. Händel's
gewaltiges „Halleluja** bildete den glanzvollen
Schlussakkord dieses Jubiläums-Musikfestes,
das in seiner ganzen Art wohl geeignet war,
das Andenken eines verdienstvollen Kunst-
jüngers und edlen Menschen zu ehren.
^01) der VO^^ioarer Sopi)ellas-f^eiep.
Von
Prof. Dr. Arthur Seldl.
„Ein Cornelinsf est findet, nnd zwar im An-
schlüsse an die Frankfurter Tonkünstler- Ver-
sammlung des AUg. D. Musik- Vereins, im Uross-
herzoglichen Hoftheater zu Weimar statt. Am
9. Juni geht die Originalpartitur des .Cid"" in
Szene; am Tage darauf, dem Geburtstage des
Grossherzogs Wilhelm Ernst, die Originalpartitur
zum „Barbier von Bagdad*'. Ihr Titelblatt
enthält die Worte: „Franz Liszt, dem Freund und
Meister, in Liebe und Dankbarkeit gewidmet*.
i>em ersten und dritten Akte des „Cid" sind
Stellen aus den „Mocedades del Cid" des Guillen
de Castro vorangesetzt, nämlich: „Justicia, justicia
pido" und „El mio lo ho llamado*^; den zweiten
Akt schmückt ein Zitat aus Herder's „Cid": „Un-
endlich ist der Liebe Macht". Den Prolog zur
ersten Vorstellung dichtet Paul Heyse. — Die
Verlagshandlung von C. F. Eahnt Nachfolger,
Leipzig, die die von Felix Mottl im Jahre 1881
vollständig umgearbeitete Partitur des
Dichterkomponisten Peter Cornelius zu seinem
komischen Opern werke „Der Barbier von Bagdad'*
damals in ihren Verlag aufgenommen hat, ver-
sandte dieser Tage eine mehrfach abgedruckte
Notiz an die Blätter, in der gesagt wurde, dass
voraussichtlich auch das Hoftheater za
Weimar zu einer Bearbeitung der Originalpartitor
des Werkes greifen werde.* Wie die mehrfachen
— 213 —
öffentlichea Ankündigungen des Festes ergeben
haben, trifft das in keiner Weise zu. Der
Barbier-Anfführnng am zweiten Festtage, dem
10. Jonl, wild streng die Originalpartitur des köst-
lichen Opern Werkes zngninde gel^g^, die das Hof-
theater anter Liszt's Leitung im Jahre 1^58
ankaufte. Dasselbe ist mit des Komponisten
grosser Oper „Cid^' der Fall, dessen Originalpartitnr
es sieben Jahre später k&oflich erwarb. Die Hono-
rare wurden nach damaliger Sitte in Lonisdor be-
zahlt. Die Neoeinstadierong erfolgt nach diesen
Partitaren, von denen, wie bekannt ist, der
..B&rbier'^ das höchste Lob Franz Liszt's fand.
Femer wird an Solo-, Chor- and Orchesterstimmen
das Material benutzt, das vom Hoftheater damals
abschriftlich hergestellt und von Cornelius'
Hand in Bezug auf genaueste Uebereinstimmung
mit den Partituren nachgeprüft wurde."
So lautete die erfreuliche Ankündigimg und
offizielle Einladung, welche die Weimarer General-
Intendanz dieses Frühjahr in den Blättern ergehen
liesB. und zugleich hatten sie sich aus Berlin,
Leipzig, München, Magdeburg, Dessau und ander-
wärts, sogar über das „grosse Wasser'' her, ein-
gefunden — Kritiker wie Künstler, Schriftsteller
und Musikanten, Kapellmeister, Theaterleute, Ver-
leger, „Doktoren gar** und selbst Universitäts-
«Professoren": zu diesem Feste der Ehren und
zu solcher GMächtnisfeier, aber auch hochnot-
peiolich-kritischer Nachprüfung der Sache, um ge-
wissenhaft zu untersuchen, was an der neu auf-
geworfenen „Frage* sei, und schliesslich an Stelle
des bisher wohl nächstliegenden Ausrufes: „Weh
mir, man mordet meinen Freund!*' von ganzem
Herzen froh mit dem Kalifen nun zu sagen: „Sei
ohne Furcht; sie bringen Dich zu mir, dass Deine
Künste Du vor mir erprobest und Deines
Lebens Märchen mir erzählest!** . . . und freudig-
bew^ einhellig alsbald auszubrechen in den
Jabehuf: „Heil Dir, mein Cid! Willkommen
Da, Ghimene!** Der alte Berliner und Münchener
Jagendfreund des allzu frühe verblichenen Meisters,
er hatte den ,,Spruchsprecher** der Weihe für dies-
mal mit seinem Prologus abgegeben; auch so
mancher nähere Freund seiner Person wie intimere
Kenner seiner Muse war da in den Zuschauer-
fieihen zu bemerken, während freilich noch gar
viele, die hierher gehörten, leider fehlten. Drunten,
in einer Ftoszeniums-Loge der linken Seite, wohnte
Fraa Bosa von Milde, die von Cornelius selbst
gleich einer „Madonna** gebeneidete, erste „Elsa**,
.Margiana* und „Chimene** von 1850, 1868 und 1865
(leider ohne ihren vor wenigen Jahren dahin-
gegangenen, idealen Künstler-Gatten Feodor von
Milde) als würdiger Ehrengast der Festvorstellung
persönlich an; droben sassen die überlebenden
Kinder des Dichterkomponisten: der Kunsthistoriker
Prof. Dr. Carl Cornelius von der Freiburger Uni-
versität und Marie Cornelius, seine Schwester, aber
auch der Neffe Prof. Dr. Hans Cornelius, der aus-
gezeichnete Mathematiker und Philosoph (mit Fa-
milie), welcher in seiner wertvollen «Einleitung in
die Philosophie'* — ganz im Sinne der edlen Tra-
ditionen seines Hauses — den schönen Satz nieder-
geschrieben: „Nicht theoretische Geistesausbildung,
sondern harmonische Ausbildung der Persönlich-
keit auf der Grundlage tätiger Erfüllung der durch
die jeweilige Lebenssituation unmittelbar gegebenen
Aufgabefl und der Treue gegen die erkannteii
Werte ist die höchste und an alle Menschen
gleichmässig gerichtete Forderung** . . . und es
mag hierbei gerne ganz nebenher auch einmal
darauf hingewiesen sein, welch' reiche Kette pro-
duktiver Geister — Stern an Stern — der Stamm
.Cornelius** überhaupt unserer Kultur schon zu-
geführt hat, da er ausserdem nicht weniger als
drei namhafte Schauspiel-Talente, einen vortreff-
lichen Kupferstecher, einen berühmten Maler und
einen gediegenen Historiker noch für die Geschichte
aufweist. Aus so mancher der Logen wiederum
grüsste irgend, ein markanter Künstlerkopf, deren
Weimar in Direktor Hans Gide, Ludwig von Hoff-
mann, Van de Velde neuerdings so viel charakte-
ristische doch aufzuzeigen hat; auch der vornehme
Bildhauer Hermann Christ aus München weilte«
in bedeutsamer Mission vielleicht, eben in Weimar's
klassischen Mauern; und im tiefen Orkus des von
Krzysanowski derzeit geleiteten Hof Orchesters
unten wnssten Kundige den altverdienten Kammer-
musikus Herrn Freiberg mit bei der Sckche bezw.
tätig an der künstlerischen Arbeit, als einzigen
noch Diensttuenden, der die Uraufführung des
„Barbier** unter Franz Liszt seinerzeit bereits mit-
gemacht hatte! Ob wohl auch der eine oder der
andere jener blamablen Herren Zischer von anno
dazumal hier abermals mit anwesend war und sich
unter dem Beifalls-Enthusiasmus der Schlnss-
vorstellung mit bestürzter Miene den damals an-
gerichteten Schaden still besah? . . . „O, wie Du
mich verkennst!** sagt, wie mit einer Vorahnung,
ja schon der Titelheld selber in unserer famosen
„Türkenoper', und „Die Kritik ist eine Gans,
doch die Tonkunst ist ein Schwan!** reimte der
so jählings durchgefallene Genius galgenhumoristisch
damals „an Hans von Bronsart**, und das will um»
Heutigen denn beinahe schon nach .Parsifal** in
den gereiften Ohren klingen.
„Seit dem Tode des grossen Künstlers scheint
man sich in Deutschland zu regen und macht
Miene, seine Erinnerong ehren zu wollen. Man
begehrt Nachrichten über sein Leben, man möchte
ein nachträgliches Bewusstsein hervorrufen, dass
er da war, und wird ihn gewiss mit Stolz unter
die Liste der grossen Geister aufnehmen, deren
wir Deutsche uns rühmen dürfen. Da wird denn
auch ein Wort das andere geben, Zug für Zug
wird man seiner gedrückten und ktUnmerlichen
Künstler-Existenz nachforschen, man wird die
üeberlebenden fragen, die ihn kannten, man wird
die Schriftstücke auffinden vom Taufregister bis
— 214 —
zum Totenschein, und es wird nach, dem Zu-
sammentragen aller nötigen Baosteine dann auch
schliesslich das biographische Denkmal entstehen,
welches ans ein Bild seines Wirkens gibt Aber
was wird auch das schönste, geistvollste Buch nns
lehren, als dass lange ein grosser Meister anter
xms weilte, lyon dem wir nichts wassten, dessen
„Werk^^ wir nicht kannten, noch heate kaam kennen,
den keine Aoszeichnang ehrte, den kein Tiohn des
Lebens erfreate, der nar von wenigen erkannt,
von den G-rossen ignoriert (?), von der Masse über-
gangen warde; einen aktenmässigen Beleg mehr
wird ans ein solches Bach bringen, dass Deatsch-
land keine Heimat ftlr den Genius, dass der wirkliche
and grosse Künstler anter ans darbt, während wir
Anerkennung und Weltlohn den falschen Söhnen
Apolls dahingehen." — So, und nicht anders,
schrieb Peter Cornelias eigenhändig 1869 in seiner
durch ihren essayistischen Gehalt damals viel be-
achteten Würdigung Bonaventura Genelli's für
Rudolf V. Gottschall's „UnsreZeit** —des grossen
Weimarer Malers, dessen Graf Schack später sich
als Mäcen angenommen. Darin brauchen wir
ja nur den Zwischensatz „von den Grossen igno«
riert'' zu streichen, da wir es nun einmal besser
wissen, um allsofort zu erkennen, dass sich die
hier entworfene Skizze ohne weiteres mit dem
Bilde unseres armen Freundes vor der Weimarer
Feier treulich deckt. Als wir Mitglieder des
„Allg. D. Musik-Vereins*' im Jahre 1898, anlässlich
der Mainzer Tonkünstler-Versammlung, früh morgens
vor den Konzertaufftthrungen allen, die selbst an
dieser heimischen Stätte nichts, rein gar nichts,
von diesem Meister der Tonkunst bringen sollten,
am stillen Grabe des holden Sängers standen —
da hatten wir so recht lebendig diese trübe Empfin-
dung. Ein „Pechvogel" und „Durchfalls-Eandidat**
war er Zeit seines Lebens, unser „Dichtermusiker''.
So hatte er als Schauspieler bei seinen Wiesbadener
Debüts nicht angesprochen, war von Franz Liszt
zunächst nur wenig ermutigend, im Urteil über
seine Berliner Kompositionen, zu Weimar auf-
genonmien worden, musste als Bewerber um die
Leitung der Mainzer „Liedertafel' beim Probe-
Dirigieren nicht weniger als zweimal mit Fiasko
wieder abziehen, erlebte mit der Erstaufführung
seines „Barbier'' 1858 den weit und breit be-
kannten vollen B.ein- und Durchfall, blieb selbst
zu München wieder nur als „Bobinson des grossen
Schiffbruches" der .Wagner-Partei mutterseelen-
allein und verlassen zurück, und sollte zuletzt
auch noch seine „Gunlöd" als strittiges Frag-
ment uns hinterlassen, ohne zu seinem eigent-
lichen Lebenswerke gekommen zu sein. Und
doch war er, ein anderer „Frauenlob", eine wahre
Zierde seiner Vaterstadt Mainz, von echt rhein-
l&ndischer Fröhlichkeit des Herzens, ein „Rhein-
gold" an innigem Gemüt, wie köstlich labender
Wein von alter Kultur und guter Lagerung, zu-
dem als echtes „Christkind" seiner Mutter und
dieser schlimmen Welt just am Abende eines
21. Dezember in die Wiege gelegt; und doch hätte
auch dieser „Cornelius Nepos" — wenn nur alles
immer mit rechten Dingen zugehen wollte auf
dieser unvollkommenen Erden — wie sein Berliner
Verwandter, der grosse Onkel: „Peter von Cor-
nelius", gar wohl verdient, in der Kunstgeschichte
zu heissen, so untadelig war er persönlich von Nam'
und Art, in seinem eigenen Gemüte und Geblüte —
die reine Adelsseele; frommer, guter Katholik ger-
manisch-religiöser Ideal-Kultur und uomo singe-
lare einer reifen Benaissance-Bildung in Einem
zusammen, wie seine vielen, herrlichen Schriften
(deren bevorstehende Herausgabe durch Prof. Dr.
Carl Cornelius, Prof. Dr. Adolf Stern und Dr. Edgar
Istel in 8 Bänden soebeli angekündigt wird)
vollends erst noch erweisen sollen, soweit nicht
bisher schon Briefe und autobiographische Kon-
fessionen aller Art einen tieferen Einblick hierin
eröffnet haben. Das ist das grosse Märchen
seines (dramatischen) Lebens, wie zugleich das
heilige Mysterium auch seiner (lyrischen) Kunst:
dass er ein Gesamt mensch war — gar kein
„Nebenmensch", wie er sich allzu bescheiden, mit
einem „Nebenflusse" vergleichend, gelegentlich
wohl nannte; ein „synthetischer Mann" und „Total-
Charakter* mit sieben Weltsprachen und in sämt-
lichen drei Künsten, kurz Universal-Genie, wie
sein humorvoll-überlegener, ganz prächtiger „Barbier
der Nachwelt" eines ist, zu dem überhaupt der
geistige Schlüssel in dem artigen Gedichte zu
finden sein dürfte:
Ich habe keine Titel,
Bin nicht Konmierzienrat,
Ich hab' auch keine Mittel,
Der Fall ist desparat!
Bin so ein Stückchen Dichter,
Ein Stückchen Musikant;
Solch' hungriges Gelichter
Erfüllt das ganze Land.
Käfn' nur die Zeit recht schnelle.
Wo man den Menschen schätzt;
Dann blieb' manch' hohe Stelle
Ln Land wohl unbesetzt.
und würden alle Hunde
Und Wölfe dann verbannt.
Blieb' wohl für mich zur Stunde
Ein Platz als Mensch vakant.
(Vgl. hierzu Abul Hassan Ali Ebe Bekar's ge-
läufige Aufzählung all' seiner Fähigkeiten.)
So schreibt er auch einmal an die Weimarer
Freundin Frau von Milde (27. Juli 1859), mit un-
verkennbarer Bedeutung, von Bekannten seines
neuen Wiener Verkehrskreises: „mit einem Wort —
ee sind — Menschenl" So kann er (Brief an die
Mutter vom 23. Februar 1865) nun und einmal
nicht von der, sondern schlechterdings nur für
die Kunst „leben*. Und so, in dieser Lebens-
lage und aus solchem Milieu von Natur begabnug
und Anregung heraus, ist auch sein „unvergess-
— 215 —
licher'' „Barbier von Bagdad" die eigentlich
aristokratische Spielart der komischen Oper
onseree deutschen Theater-Haashaltes geworden,
während Wagner's „Meistersinger** doch mehr zu
deren demokratischer Spezies allezeit gehören
werden. Dort: Snblimiemng nnd Elite — be-
rauschende Rosendüfte von Schiras und eitel
Süssigkeit der Feigen, ganz „individuelle Laune'*
und zartester Idebeszauber in heisser Mittags-
schwüle, zusammen mit Rückert'scher Feinkunst
in weltliterarischer Vers-Technik und exotisch-
orientalischer Makamen-Form; hier: breiteste
Volkstümlichkeit — deutsche Reformation, pittoresk-
mittelalterliche Architektur und groteske Zunft-
Enge, Welt-Humor und Frühlings-Drang in duftiger
Morgen- oder Abendmond-Stimmung, gegossen in
die drollige Form Hans Sachse'scher Knittel- Verse
und gehaltvoll Goethe'scher „Faust^'-Sprache. (In
beiden freilich der betagte Spiritus rector die
Liebes wirren fein zum guten Ende lenkend. Aber,
wenn es auch vermutlich dabei bleiben wird, dass
diese „Elrone der (3 in unserer Opemliteratur vor-
handenen) Barbiere" den vollen Anspruch darauf
erheben darf, als das prägnanteste Werk für
Cornelius' Eigenart zu gelten, so trägt es wohl
doch nur eben das besondere Merkmal des
posthumen Charakters an sich, und ist nicht etwa
gar das „Problem Humperdinck'S auf den Fall
Cornelius hier Übertragen. — Motto: „Einmal
ein Treffer und nicht wieder!" Auch von seinem
„Cid" darf seit Weimar zum mindesten gelten,
was Dr. Edgar Istel mit Fug und Recht betont
hat: „Rein objektive, kritische Erwägungen [der
Kenner berechtigen die deutschen Bühnenleiter
keinesfalls dazu, ein Werk wie dieses, das die
seriösen Musikdramen sämtlicher 2ieitgeno88en und
Epigonen Wagner*s hoch überragt, einfach zu
ignorieren."
Sie f|at)dbalf*at)S ^^^^ Kla^ierspiel
Mi< 4ie Berecfttigmifl der in der neii-aeNtscDeii Klavimcbiik gtforaerte« t»nxrieDtii«9'
Von
£. SftehtiBg.
Von der guten Handhaltung und Handführung
beim Klavierspiel sind der Erfolg und die Fort-
schritte nach Seite der Technik hin ganz besonders
abhängig. Wie schwer ee ist, einen Schüler an eine
mhige Handführung und schöne Handhaltung zu
gewöhnen, davon weiss der erfahrene Lehrer und
Pädagoge ein Lied zu singen. Leider wird nun
auch betreffs der Handstellnng beim Anfangs-
unterrichte viel gesündigt, da in den meisten
Schulen überhaupt nichts darüber verlautet und
andere wiederum Ansichten haben, die geeignet
ttnd, die Hand eher zu verderben und zu verbilden,
als dasjenige zu lehren, was von einer guten
Methode gefordert werden muss, nämlich die Mittel
and Wege, jede Hand zu einer „fähigen" sogen.
Klavierhand zu erziehen.
Wenn eine ältere Schule (Damm) lehrt, die
Hände sollen beim Spielen so gehalten werden,
wie die Fasse beim Gehen (nach auswärts), und
die Neu-deutsche Schule lehrt das Gegenteil, wie die
Ilgur auf Seite 10 dieser Schule zeigt, so ist diese
Forderung natürlich etwas Unerhörtes, eine Kühn-
heit, denn nach der altem Schule lernten doch so
Viele Klavierspielen. Leider ja, aber nur um bis zu
einer gewissen elementaren Stufe zu gelangen;
wer etwas höher hinauf will, muss leider später
die Erfahrung machen, dass er mit jener Hand-
haltung nicht einen Schritt weiter kommt.
Wenn Augenzeugen berichten, dass xmsere
Sröesten Klavierkünstler Liszt, Rubinstein etc.
die Hände bei Tonleitern und Passagen ganz schräg
gegen die Tasten gehalten hätten, so ist diese Tat-
sache Beweis genug, dass die in der Neudeutschen
Schule geforderte Handstellung, die„Axrichtung^,
eine Berechtigung hat. Stellt man z. B. den
Daumen der Rechten auf die Taste c'", so regu-
liert sich die Axrichtung von selbst, d. h. die Hand
hat die natürlichste Haltung angenommen, bei
welcher die in der Verlängerung des Mittelfingers
gedachte Linie als eine gerade in der Axe des
Unterarmes verläuft und gleichzeitig parallel zu
den Tasten; bewegt man nun die Hand langsam
16 Töne nach links bis zur Taste c', so kommen
wir bei Linehaltung der Axrichtung zu der für
den ersten Augenblick überraschenden schrägen
Handstellung (die Handaxe kreuzt die Tastenfläche),
welche aber gerade die nattLrlichste und zweck-
entsprechenste ist.
Es kommen ja Fälle vor, wo diese Haltung
nicht möglich ist, z. B. bei Oktaven und Akkorden
in der Mitte der Tastatur, jedoch sind dies eben
Ausnahmen. Vergegenwärtigen wir uns auch die
Haltung beim Kreuzen der Hände, wie ungeschickt
sieht es aus, wenn der Spieler dabei die Hand in
der unschönen Weise nach Aussen gebogen hält
und wie graziös und natürlich mutet uns die ge-
rade Haltung, also die Axrichtung an.
Zu einer richtigen Fingerstellung gelangt man
auf folgende Weise. Man halte die fiUmde geballt
auf der Tastatur und ziehe nun die Finger langsam
hervor, wobei sich dieselben nur in den Knöchel-
gelenken bewogen dürfen. Das erste Fingerglied
bildet dann die Verlängerung des Handrückens,
das zweite neigt sich schräg gegen die Tasten-
— 216 —
fläche, während das dritte (Nagelglied) nicht ganz
senkrecht, sondern etwas nach einwärts gekrümmt
zn halten ist, wodurch der Andruck gegen die
Tasten präziser und der Klang intensiver wird.
A.uch wird hierdurch das fehlerhafte Einknicken des
Nagelgliedes nach vom vermieden. Bach, Mozart,
Beethoven sollen, wie Augenzeugen berichteten,
diese Fingerstellung gehabt haben.
Ein grober Missgriff ist es auch, eine kleine
Kinderhand in die sogenannte Fünffingerstellung
(in der Mittellage), d. i. jeden Finger auf eine
Taste zu zwingen, wodurch eben die schiefe Haltung
der Hände nach aussen (teckelartige) hervorgerufen
uod die Hand von vornherein verdorben wird,
da die kleine Hand genötigt wird, cirka ein halbes
Jahr beim Klavierspielen in derselben Stellung zu
verharren, was nicht allein der Entwickelung der
Hand entgegenstrebt, sondern auch bei besonders
zarten Naturen der Gesundheit gefährlich werden
kann. Freiheit und Natürlichkeit in den Be-
wegungen beim EQavierspiel sei fortan die Losung.
Schon beim Spielen der fünf Töne c bis g hat die
Hand und der Arm eine merkliche Seitenbewegung
auszuführen, was nur geschehen kann, wenn die
Hand in der Axe fixiert wird. (Vergl. auch
H. Biemann, Katechismus des Klavierspiels, pag. 24
Kap. 27.)
Wenn nun schon in der Fünffingerlage die
Hand merklich seitwärts geführt werden soll*),
um wieviel mehr ist bei der Tonleiter und Passage
die Seitwärtsführung der Hand unter Beibehaltung
der Axrichtuug notwendig.
*) Die sogen, üebung mit stillstehender Hand
ist daher nach alledem ein ganz falscher Ausdruck
für die Ffinff ingerübungen, und müsste es demnach
heiBsen: Uebung bei ruhiger Handführung.
Ein Spieler, der von Anfang an nicht mit der
Axrichtung vertraut wurde, wird es nie za einer
glatten Tonleiter bringen, da er fortwährend die
Hand beim Untersetzen des Dactmens im Gelenk
hin und her bew^, eine unruhige, das flieseende
Spiel hindernde, unschöne Bewegung, die aber bei
Innehaltung der Axrichtung wegfäljt. (Siehe auch :
Söchting, ,Die Lehre des freien Falles**, psLg. 56
Kap. XI vom Tonleiterspiel.)
Einen bestimmten Ausdruck gab es für dieselbe
bisher noch nicht. Erst die Neudeutsche Schale
brachte die jedem Schüler sofort einleuchtende
kurze Bezeichnung „Axrichtung^. Der Name tut
bei der Sache nichts, es könnte ebensogut ein
anderer sein, wenn nur die eben beschriebene einzig
richtige Handstellung damit gemeint ist.
Um noch durch ein Beispiel die Berechtigung
der „Axrichtung" *zu beweisen, stellen wir den
zweiten Finger rechter Hand auf kleines des, als
sollte die Des-dur Tonleiter begonnen werden. Wer
würde dann die Hand wohl anders stellen, als in
der obenbeschriebenen „Axrichtung**? Jede andere
Haltung wäre hier ungeschickt und unnatürlich.
Wer jahrelang mit falscher Handstellung Klavier
gespielt hat, wird Mühe haben, sich an die
richtige Handstellung zu gewöhnen, doch Fleiss,
Energie und die Aussicht auf besseres Spiel über-
winden jede Schwierigkeit. Der Anfänger, welcher
gleich mit der richtigen Handstellung bekannt
wird, findet sich leichter darin; ich selbst bin,
nachdem ich mich noch im Alter von dO Jahren dieser
Handstellung beim Spiel befleissigt habe, zu der
festen Ueberzeugung gelangt, dass neben richtiger
Tonbildung die „Axiichtung* ein notwendiger
Faktor zur Erlangung eines fliessenden und kunst-
fertigen Klavierspiels ist.
Mitteilungen
von Hoohsohulen und Eonseryatorien.
An den Musikschulen Kaiser in Wien
finden auch in diesem Jahre wieder Ferienkurse
für solche Studierende statt, denen ein längerer
Aufenthalt in Wien nicht möglich ist. Termin:
18. Juli bis 10. September. Der Unterricht er-
streckt sich auf Klavier- und Violinspiel, Solo-
gesang, Harmonielehre, Kontrapunkt, Methodik des
Klavierunterrichts (Spezialkurs für Klavierlehrer)
und Vorbereitung zur k. k. Musik-Staatsprüfung.
In diesem Schuljahre wnrden lö Kandidaten der
„Musikschulen Kaiser*^ staatlich approbiert. In der
Anstalt besteht auch eine Abteilung für brieflichen
theoretischen Unterricht.
Die Mozart-Stiftung zu Frankfurt a. M. be-
absichtigt, wie die ,.Frankf nrter Zeitung^' schreibt,
am 1. September 1905 ein Stipendium zu vergeben,
dessen Dauer der Ausschuss von Jahr zu Jahr be-
stimmt, jedoch darf dieselbe vier Jahre nicht über-
steigen. Der Stipendiat erhält für den Zeitraum
des Stipendiums eine Freistelle am Hoch 'sehen
Konservatorium, es steht ihm aber frei, nach
zwei Jahren Studium an diesem Konservatorium
seine Ausbildung anderwärts zu vollenden. Ausser-
dem gewährt die Stiftung dem Stipendiaten noch
einen jährlichen Zuschuss von 1500 M. Dem Be-
werber wird die Komposition eines vom Ausschuss
der Stiftung bestimmten Liedes, sowie eines In-
stmmental-Quartettsatzes aufgegeben. Die An-
meldungen müssen bis zum 30. September d. Ja.
bei dem Vorsitzenden des Ausschusses erfolgen.
— 217 —
Vermischte Nachrichten.
Für die Philharmonischen Abonnements-
Konzerte der n&chsten Saison hat Prof. Arthar
Nikisch folgende Sinfonien zur erstmaligen Auf-
f&hmng in Aussicht genommen: A. Brückner»
No. 3, d-moUf A. Dvorak, No. 4, g-moD,
G. Mahler, No. 5, und Bichard Strauss, „Sin-
fonia Domestica'S — Ausserdem werden Sinfonien
von Beethoven, Mendelssohn, Brahms, Faustsinfonio
von Ldszt und „Komeo und Julia'* von Berlioz in
den Programmen enthalten sein.
Dr. Richard Strauss wurde gelegentlich
Beines 40. Geburtstages am 11. Juni von der „Kgl.
schwedischen Akademie' für Musik in Stock-
holm, vom „Akademischen Gesangverein*' zu
Heidelberg und von der erst kürzlich begründeten
„Vereinigung schaffender Tonkünstler" in Wien
2Qm £hrenmitgliede ernannt.
In der Generalversammlung des Stern 'sehen
Gesang - Vereins, die am 22. Juni stattfand,
wurde offiziell mitgeteilt, dass Professor Gerns-
heim, der langjährige Dirigent des Vereins, am
1. Oktober sein Amt niederlegt. Es wurde
darauf die Einsetzung einer aus Vorstands-
mitgliedern des Vereins bestehenden Eonmiission
beschlossen, die die Wahl eines neuen Dirigenten
vorbereiten und der nächsten ausserordentlichen
Generalversammlang ihre EntSchliessungen unter-
breiten soll.
Professor Dr. Karl Reinecke feierte am
23. JoBi in Leipzig in völliger körperlicher und
geistiger Frische seinen 80. G^eburtstag. Zur Ehrung
des greisen Meisters wurde im Leipziger Stadt-
theater seine komische Oper , J>er Gouverneur von
Tours" aufgeführt. Eine ausführliche Lebens-
beschreibung und eingehende Würdigung des
Schaffens Beinecke's brachte der „El. L." im Jahre
1899 zur Feier seines 75. Lebensjahres. Damals
föbrte Beinecke noch den Dirigentenstab der
Leipziger Gtowandhauskonzerte und die Direktion
des Konservatoriums. Von beiden Posten ist er
lettdem zurückgetreten, aof dem Gebiete der Kom-
position blieb er aber unausgesetzt tätig; be-
wnndernngswürdig ist die melodische Frische, der
Beichtum der Erfindung und die feine Form-
▼oilendnng, die, wie stets, sich auch in den
neaesten Publikationen des 80jährigen Künstlers
ausspricht. Möge ihm diese geistige Elastizität
noch recht lange erhalten bleiben.
Felix Mottl bat in der „New-Yorker Staats*
zeitnng'* allerlei aus seinen „Bayreuther Er-»
innerungen^* veröffentlicht. Er berichtet über
seine schon früh erwachte Begeisterung für die
Kunst Richard Wagner 's, wie er den Meister
in Wien persönlich kennen lernte und durch die
Vermittlung Hans Bichter's zu den ersten
Proben der .Nibelungen-* nach Bayreuth berufen
wurde. „Am Geburtstage des Meisters, 22. Mai",
Bo erzählt er, „kam ich in Bayreuth an und warf
mich sofort in Festtoilette, um bangen Herzens
meinen Antrittsbesuch in Wahnfried zu machen.
Wagner war in fröhlichster Geburtstagsstimmung
und begrüsste mich herzlich. Scherzhaft nannte
er mich, da ich in Frack und weisser Kravatte er-
schienen war, den ^Grafen Almaviva^ und meinte,
mein Frack müsste bald mit dem Arbeitsrock ver-
tauscht werden, da schon am Nachmittag unsere
Arbeiten anf der Bühne beginnen sollten. Ausser
mir waren noch als musikalische Assistenten an-
gestellt: Seidl, Fischer, ein Herr Zimmer und
ein junger Grieche, namens Lalas. Wir wohnten
in der sogen. Nibelungenkanzlei, einem kleinen
Häuschen in der Nähe von Wagner's Wohnhaus,
wo sich zu uns noch Kapellmeister Biemen-
schneider gesellte. Mit Fischer wurde ich bald
eng befreundet, während Seidl sich anfangs ziem-
lich reserviert gegen den neuen Kollegen verhielt.
In der ersten Bühnen probe wurden zunäcnst die
verschiedenen Stellungen und Bewegungen der
Bheintöchter festgesetzt. Die damalige Bühnen-
technik war noch nicht so weit vorgeschritten, um
die eminenten szenischen Schwierigkeiten, wie sie
im ersten Bilde des „Bheingold-* gegeben sind,
vollkommen zu lösen. 1876 mussten wir uns noch
mit den schwerfälligen Schwimmwagen behelfen.
Bei jedem der drei Wagen waren zwei Arbeiter
und ein musikalischer Assistent beschäftigt, die,
vom Publikum ungesehen, das Ganze leiteten.
Den Wagen Woglinde*s führte Seidl, während
Wellgunde's und Flosshilde*s Wagen ich und Fischer
übernahmen. Die Genauigkeit und Aufmerksam-
keit, mit welcher Wagner diese Proben leitete,'
läset sich nicht beschreiben ... Es wird mir ewig
unvergesslich bleiben, wie er Jede Bewegung selbst
vormachte. Alles, was er zeigte, war schau-
spielerisch so bestimmt und charakteristisch, dass
es jedem, der an diesen Proben teilnehmen durfte,
sofort einleuchten musste. Seine Behendigkeit,
Frische und Elastizität waren nicht genug zu be-
wundem. Da war keine Versenkung geöffnet,
über die er nicht zum Schrecken des Maschinen-
meisters Brandt hinwegsprang. Wiederholt setzte
er sich in die Maschine, welche Alberich von der
Spitze des Biffee in rasendem Tempo in die Tiefe
führte, .um dem etwas furchtsamen Karl Hill
Mut zu machen. Einmal Hess er sich sogar auf
einem Schwinmiwagen herumführen, um auch das
zu versuchen. An einem besonders heissen Nach,
mittage hatten wir eine Probe des ersten Aktes
der „Walküre". Ich hatte es übernommen, das
Zeichen zum Aufspringen der Tür (, Siehe, der
Lenz lacht in den Saal") zu geben. Ich sah den
Meister auf der Bühne herumgehen, als ob er
etwas suchte. Sofort fragte ich ihn, ob ich ihm
mit etwas dienen könnte, worauf er sagte, dass
ihm ein Glas Bier sehr erwünscht wäre. Ich lief
in das gegenüberliegende Restaurant und kehrte
— 218 —
bald stolz mit einem Enige zurück. Inzwiscken
war aber der Moment gekommen, wo die Tür hätte
anfgpringen sollen, was, da ich nicht dabei war,
anterblieb. Als ich ankam, donnerte mich der
Meister mit den Worten an: „Sind Sie hier als
Kellner angestellt? Sie haben die Zeichen anf der
Bühne za geben. Trinken Sie Ihr dnmmes Bier
selbst 1' Solche Anfwallungea waren bei ihm
nichts Seltenes. Als ich einmal bei ihm zu
Tisch geladen war, sprach ich das Wort Sieg-
linde mit der falschen Betonung auf der zweiten
Silbe aus, was ihn sehr erzürnte und zu Ausfällen
gegen die Oesterreicher, die jeden Sinn für die
deutsche Sprache verloren hätten, veranlasste.
Solche Ausbrüche dauerten aber nicht lange Sah
er, dass der Schuldige wie geknickt dasass, so kam
er, klopfte ihm freundlich auf die Schulter und
sagte: „Na, Kindchen, so schlimm war's nicht ge-
meint. Jetzt wollen wir wieder gute Freunde
sein!"* Wagner war überhaupt von einer unaus-
sprechlichen Güte und liebte es, nach der Arbeit
mit seinen Künstlern im gemütlichen Gespräch
zusammen zu sitzen. Dann kam auch sein nie
versiegender Humor zur Geltung. Als es einst bei
einer solchen Versammlung im Theaterrestanrant
ziemlich spät geworden war, erschien er plötzlich
auf der oberen Gallerie. Er hatte ein Bärenfell um
seine Schultern gelegt, trug einen Helm auf dem
Kopf und einen Spiess in der Hand und sang von
oben die Worte des Nachtwächters herunter:
„Hört, Ihr Leut, und lasst £nch sagen!" So ver-
ging die Probezeit in ernster Arbeit und heiterer
Erholung. Ich erinnere mich eines Bosenfestes,
welches der Meister Frau Aiaterna zu Ehren in
Wahnfried gab und wobei jeder Eingeladene ver-
pflichtet war, Frau Matema durch üeberreichen
einer Böse zu huldigen. Dafür gab sie dann im
Garten der .Sonne^^ ein Abendfest mit Galasch
und Pilsener Bier, wobei die Ausgelassenheit den
höchsten Grad erreichte. Hasch war eine kleine
Theaterbude aufgestellt, auf der wir die Produktion
herumziehender Komödianten improvisierten. Bei
dieser Gelegenheit sah ich Lilli Lehmann mit
dem Dessauer Balletmeister Fr icke ein regel-
rechtes „Pas de deux' tanzen, das von mir am
Klavier und von Hermann Levi auf dergroeaen
Trommel begleitet wurde.
Bücher und Mnslkalieii.
Wfinsehe Ar eine musikaliseh wertTOllere
Begleitung der Alteren Tiolln - Konzerte.
Von
Dagobert Loewenthal.
Viele hübsche Piecen, musikalisch und the-
matisch gut gearbeitet, für unsere Anfänger
sind in diesen Blättern schon öfters besprochen
worden, traurig sieht es dagegen mit der Literatur
für die vorgeschrittenen Geiger aus. Der G^igen-
pädagoge ist schon seit vielen Jahren genötigt,
zu arrangierten bekannten Meisterwerken von
Schubert, Schumann und Chopin zu greifen,
um zwischen Studien und klassischen Sachen eine
Abwechslung zu bringen. Wer kein Puritaner in
der Musik ist, wird das 7. und 8. Konzert von
Bode, das 19. von Kreutzer, das 11. und 12.
Konzert von Spohr als Musikstücke nicht ver-
werfen. Viotti's berühmtes A-moU - Konzert..
Spohr 's Gesangsszene und 9. Konzert erfordern
bereits einen sehr guten Spieler, vielleicht sogar
Künstler, und gehören also nicht in diese Be-
sprechung.
Für eine bessere Begleitung Bo de' scher Kon-
zerte würden wir uns erlauben zwei Batschläge
zu erteilen: „man verändere mitunter die eine
oder andere sechzehntel Note der Konzertpassagen,
so kann man mit Hilfe der oft sehr urwüchsigen
musikalischen ersten Themen des Tutti ein gutes,
thematisch gearbeitetes Accompagnement zu Wege
bringen. Auch die Themen der letzten Sätze sind
oft so charakteristisch, dass mit ihrer Hinzunahme
etwas Besseres entstehen könnte, als dies klägliche,
harmonisch nackte Gerippe, wie es heute vor uns
liegt. Will man keine neue thematische Arbeit
vornehmen, so soll die Begleitung wenigstens
rhythmisch belebt werden, damit der Schüler
für sein Passagenwerk eine sichere musikalische
Unterlage hat. Diese dünnen, mitunter zwei und
mehr Takte lang ausgehaltenen Akkorde, wie sie
Inunerfort vorkommen, sind für den Charakter
eines Konzerts unbrauchbar. In einem getragenen
Musikstücke im Kirchenstil lässt man sich so
etwas wohl gefallen. Die heute gebrauchte Be-
gleitung wird zur gähnenden Langenweile. Wir
bedürfen heute keiner Konzerte zu Studien-
zwecken, wie einst F. David in Leipzig; damit
würden wir allen den Komponisten, die seit bereits
25 Jahren in verdienstvoller Weise für ein reiches
Etüden- uLud XJebxmgsmaterial gesorgt haben,
direkt vor den Kopf stossen. Jeder bessere Lehrer
lässt auch heutzutage viel mehr Skalen, Akkorde
und Gteläuflgkeitsübungen spielen. Also entweder
eine bessere, wirklich musikalische Begleitung für
unsere alten Konzerte, oder fort damit aus den
Lehrplänen. — David's Variationen und Salon-
stücke erscheinen uns viel minderwertiger als
Bode's 7. und 8. und Spohr's 11. und 12. Konzert
Böriot käme ja bei dieser Besprechung nicht in
Betracht mit seiner Begleitung, diese ist nicht
gerade musikalisch kunstwertig, aber wirkungsvoU;
leider sind aber auch von ihm viele ^Air variös*
— 219 —
nicht mehr brauchbar, weil sie anserem G^chmack
zu trivial erBcheinen.
Herams Kögler» op. 6. Grosse Phantasie für
flanoforte.
Breitkopf * Hirt«1» Lelpil^
Hermann Kögler's Fis-moll - Klavierphantasie
i&68t ohne weiteres aof das Vorhandensein eines
nicht onbedeatenden Talents schliessen. Wenn es
da anch noch gärt nnd braost, ein Einfall, ein
Gedanke den andern jagt nnd verdrängt, so sind
doch eben Gedanken nnd Einfälle wirklich da, nnd
dies ist am Ende die Hauptsache. Eögler^s Kom-
position ist in einsätzdger Eorm gegeben, lässt aber
die Dreiteiligkeit auf den ersten Blick hin erkennen.
Ein Andante mit einer schönen, markanten Melodie
beginnt, bewegt sich anfänglich in einem Kreise
trüber Gredanken, nm allmählich, durch die Parallel-
tonart A-dur hindurchgehend, sich zu dem lichten
Fis-dur emporzuschwingen, unmittelbar schliesst
sich der mittlere Teil (Ges-dur, Tempo di minuetto)
an, den Menuettcharakter nur ganz leise streifend
and vielmehr lediglich eine Art von Durchgangs-
ponkt darstellend zu dem in Form eines fugierten
Satzes auftretenden, wild und leidenschaftlich be-
wegten Finales Als Ganzes betrachtet, ist die in
Bede stehende Phantasie zum mindesten eine sehr
achtunggebietende Leistung, nur wird sie, fürchtet
Referent, nicht zu viele Spieler finden. Einesteils
ist der Klaviersatz nicht durchweg tadellos
and einwandfrei und sehr viele Stellen erinnern
an das Arrangement eines Klavierauszugs ; andem-
teüs häuft Kögler Schwierigkeiten auf Schwierig-
keiten, deren unbedingt notwendige Existenz-
berechtigung einsehen zu müssen man durchaus
nicht gesonnen sein dürfte, Mässigung nach dieser
Seite hin sei dem jedenfalls doch wohl noch
jüngeren Tonsetzer anzuraten, denn solcherlei
Jonglieren mit entbehrlichen Schwierigkeitsproble-
men versperren zu leicht nur auch begabten Leuten
den heiss ersehnten Weg in die Oeffentlichkeit.
Albert Becker. Werke für Violine und Pianoforte.
Band I. (Volksausgabe.)
Breilkopf A Bärtel, Leipalff.
Die genannte Verlagshandlung beabsichtigt
Albert Becker 's Werke für Violine und Klavier
herauszugeben. Der vorliegende, mit dem wohl-
getroffenen Bilde des Komponisten gezierte Band
enthält op. 84, „Neue Variationen über ein altes Lied*,
op. 95 ^ Phantasie^ E-dur, und op. 66 „Konzert-
stück" G-dur. Alle drei Werke sind voll schönen
und musikalisch vornehmen Inhaltes xmd bereits
als Kunstwerke hinlänglich gewürdigt und bekannt,
sodass nur erübrigt, auf ihr Erscheinen in dem
neuen, ihrer würdigen Gewände warm empfehlend
hinzuweisen.
Karl Znschneidy op. 60. Zwei Lmpromptus für
Pianoforte.
Ikaex«ieke VulksUealiaadUaff, Stalftgart.
In seinem op. 60 gibt K. Zuschneid zwei Stücke,
„Melancolico" tmd „Marschmässig", worin einige
hübsche, wenn auch nicht sonderlich durch Origina-
lität hervorstechende Gedanken in gefälliger Weise
Verwendung finden. Sehr vortrefflich finde ich
insonderheit den Klaviersatz, der allen Anforderungen
durchaus gerecht wird. Beide Stücke würden sich
g^t für Unterichtszwecke verwerten lassen; sie
sind sehr spielbar und von bester Klangwirkung,
sodass sie dem Zwecke masikalischer Anregung
und Erholung recht wohl dienen können.
Eugen SegnUe.
Vereine.
Mulk-Sektion
des Allff. Deutschen Lehrerinneii-Tereiiii.
Jahresbericht der Mnslkgmppe Bremen.
unsere Musikgruppe kann unter der rtUirigen
Leitung ihrer Vorsitzenden, Fräulein Gertrud
H ö p k e n , wieder auf eine vielseitige un d erfolgreiche
'Hbtigkeit zurückblicken. Wir hatten in diesem
Winter 6 Versammluuffen und mehrere Vorstands-
sitzungen. In den Versammlungen wurden die
wichtigen Tagesfragen besprochen, Musikreferate
▼erlesen, es schloss sich oft eine lebhafte
Debatte an. Jedesmal folgten dann musikalische
Vortrage (Klavier, Geige, G^esang), wobei viele
neue, auch speziell für den Unterricht geeignete
Kompositionen zu Ghehör gebracht wurden, was die
Zusammenkünfte besonders anregend machte.
Vor dem Eintritt in die Tagesordnung* findet
regelmässig eine Lesestunde statt; — die Zeit-
schriften und Bücher der Musikbibliothek des Ver-
eins werden dazu ausgelegt, ausserdem senden auch
einzelne Mitglieder Bücher und Schriften, die von
Interesse sein können. —
Die Begelung in der ,,Honorarfrage** hat
sich glänzend bewährt und wird von allen Mit-
gliedern durchgeführt.
Vor Kurzem hat unsere Gruppe auch eine
Stundenvermittlung in der Weise eingerichtet, dass
die fünf Damen des Vorstandes diese übernehmen,
und zwar vermitteln G^anglehrerinnen die Klavier-
stunden und umgekehrt Klavierlehrerinnen die Ge-
sangstunden. —
Von ganz besonderem Wert für unsere Mit-
glieder war ein Cyklus von SO Unterrichtsstunden,
die Fräulein Osten gab in der Methode Battke
für „Gehörübungen und Primavista''; Fräulein
Osten hatte diese Methode im vorigan Sommer
selbst in Berlin bei Herrn Battke studiert.
Herr Musikdirektor Gareiss hielt, auf Ver-
anlassung unserer Gruppe, zehn Vorträge über
Musikgeschichte, die im nächsten Winter fort-
gesetzt werden sollen, weil sie in ihrer Gründlich-
keit sehr lehrreich und von grossem Nutzen sind,
und das Material in einem Winter nicht erschöpft
werden konnta
Im Dezember gaben wir ein Konzert, dessen
— 220 —
Ertrag — wie alll&hrlich — dem Unterstütznngs-
fonds bedürftiger MoBiklehrerinnen überwiesen ist.
Jahresbericht der Mosikgrnppe Chemnitz.
Am 20. April 1903 bildete sich in Chemnitz i.S.
eine Musikgrnppe mit vorläufig 17 Mitgliedern,
denen sich bis jetzt noch 5 zagesellten. Als Vor-
stand wurden B Damen gewählt; 1. Vorsitzende
Frau Prof Frohberger. Von den 12 Monatsver-
sammlungen dienten je sechs den Besprechungen
gemeinschaftlicher Interessen und zur Anregung
durch musikalische Vorträge und interessante Vor-
lesungen, zu denen Gäste gebeten wurden.
Ausserdem hielten 4 unserer geschätztesten Herren
Bedner Vorträge, die von musikalischen Vorträgen
umrahmt waren und den allgemeinen Beifall des
zahlreich erschienenen Publikums fanden.
Der 1. Abend bot einen Vortrag des Herrn
Prof. Dr. Ohorn über „Schiller und Lotte". -
Der 2. Abend brachte eiuen Vortrag über die
„Hauptepochen im Entwickelungs^ang der Klavier-
musik ^ 3. Abend: Vortrag des Herrn Ose. Hoff-
mann über „Ein Streifzug durch die musikalische
Ornamentik". 4. Abend: Vortrag über „Richard
Wagner's Kuustschaffen", speziell Rheingold, mit
Erläuterungen am Flügel und Terzettgesängen
der I. Szene. Das Ergebnis der 6 Monatsver-
sammlungen im engen Areis bestand zunächst in
der Ausgabe eines Prospektes an alle Mitglieder,
betr. die Honorarfrage, ähnlich dem der andern
Gruppen, alsdann in der Einrichtung einer Stunden-
vermittelung; Meldungen dafür anFrl. E. Weiker,
Theaterstrasse 10. — Als cirkulierende Zeitschriften
werden gehalten „Der Klavierlehrer*', Die ,,MuBi-
kalische Kundschau" und ,J)ie Lehrerin in Schule
und Haus."
Zu einer Bibliotek fehlt es leider noch an
Mitteln. In der Propaganda - Kommission sind
tätig Frls. Zöllner, Krug, Wenzely. üeber die Auf-
nahme neuer Mitglieder, die eine genügende Aus-
bildung nachweisen und die Art ihres Unterrichts
bekannt geben müssen, entscheidet bei Abstimmung
Stimmenmehrheit. ~ Am 5. Mai d. J. fand die
1. Jahres- und zugleich Generalversammlung statt.
Die Elsenacher Mosikgrnppe veran
fang Juni zum Besten des Thürin§
— l^achdem die 1. Schriftführerin die Protokolle
aller Versammlungen vorgelesen hatte, erfolgte
der Kassenbericht, demzufolge 100 Mark als An-
fangskapital zu einer ünterstützungskasse zurück-
gelegt werden konnten. Der Gesamtvorstand
wurae einstimmig wiedergewählt. Im 2. Vereins-
Jahr soll der Beitritt inaktiver Mitglieder angestrebt
werden; diese sind berechtigt, die mit Vorträgen
ausgefüllten MonatsversammTungen zu besuchen,
ausserdem die für nächsten Winter geplanten Vor-
trags- und Kammermusikabende. Zu Anfang der
Saison ist ein Konzert mit auswärtigen Künstlern
geplant, dessen Ertrag zur Hälfte einer wohltätigen
Stiftung, zur andern der ünterstützungskasse der
Gruppe zufliessen soll.
veranstaltete An-
iger Feier-
abendhauses eine Aufführung der Jaques
Dalcroze*Bchen „Kinder-Tauz- und Volkslieder.**
Die Mitglieder der Gruppe hatten sich mit grosser
Hingebung der Einstuoierung unterzogen, Herr
Bertuch leitete das Einüben der Reigen und
Tänze. Eine grosse Schar Knaben und Mädchen
aus idlen Schichten der Bevölkerung waren gern
und freudig dem Rufe der Mitwirkung gefolgt und
hatten mit grossem Eifer gelernt. So kamen die
reizenden Lieder zu anmutigster Wirkung. Der
Erfolg war nach leder Richtung ein glänzender,
der Besuch so stark, dass eine Wiederholung statt-
finden konnte, die mit gleichem Gelingen verlief.
Die Musikgruppe Eisenach, die seit ihrer Gründung
mit dieser Aufführung zum ersten Mal vor die
grössere Oeffentlichkeit trat, darf mit freudiger
Genugtuung auf ihre erzielten Erfolge zurückblicken
— ktlnstlerisch wie pekuniär — , es konnte eine
hübsche Summe dem Thüringer Feierabendhaus
gestiftet werden. — Wir benutzen die Gelegenheit
aufs Neue, auf die reizvollen, originellen Schöpfungen
Jaques Dalcroze's, die den innersten Kernpunkt
des Kindeslebens und Empfindens treffen, hinzu-
weisen; in ihnen ist das Problem der „Jugend-
konzerte" in Kanz anderer Weise gelöst, als wenn
man den Kinaem eine Kost bietet, die sie weder
verstehen, begreifen noch miterleben.
Anzeigen.
Konservatorium der Musik
in Kassel.
Gegr. 1896. Direktion: L Beyer. Gegr. 1896.
Ehrenvoniti: Beeienrnn-PriMdant T*a TmM ra Svli»
enf KSalfidlirffy Bxoellens Generalin tob Coloaby
Oberbürgermeister MlUer u. A.
Cnratorinm: Pfarrer Emm» Sohnldirektor Prof. Dr. Kru-
■•eker» Bankier Plaal, Jnstlcrath Sckeffer u. A.
Lehrer : Die Damen : L« Beyer, Blasil-PSnter, Königl. Opem-
■äDcerin, eieeee-Pabroalf A« Teadlen. Die Herren:
A. Hartder^a« KammerriztaGB. Pro£ Dr. HSbel«
O. Kaleteeh, Kgl. Kammermnttker, K. KletaMaaa,
al. Opernsänger, W. Meakaapty Kgi. K ammennnaiker,
. MiMMtT&ffl- Kammermusiker, H. Behaarbaseh,
KgL Kammermusiker u. A«
IjDterrlchtfftcher: Klavier, Yiolin^ OeUo, Harfe und alle
übrigen Orohesterinstnimente. Gesang, Harmonie-
undKompoaitionslebre. Musikgesohiohte. Italienisoh.
OrchesterspieL Gehörttbung. llusikdlktat.
Organlsatioii: Conoertklassen. Seminarklassen. Ober-,
Mittel- und Elementarklassen.
Slsftatea sind kostenft«i su beliehen durch die Sohriftleitnng
des Konservatoriums Kassel, Wilhelmahdher AUee 48L
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der modernen Etüde
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(„Klavier-Lehrer" 1902 No. 19-21)
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Anna Aforsch.
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K Zeilen lO Hk. Jfthrlleh» weitere 5 Zelle» S Mk.
Prof. e. Breslanr's KonscrvatoriHin und Seminar.
Direction: Gustav Lazarus.
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SprMtutnnden: 5—6, Itittwoohs n. Somukb«nda 10—12, Spreohstnode: 1—2.
Prof. Siegfried Ochs.
Dirigent des „Philharm. Chores".
Berlin W., Bendler-Strasse 8.
Spreohst nnr v. 11—12 Uhr Vorm.
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Hofpianistin, Kammervirtuosin
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Berlin W., Bülowstr. 28.
Konzert-Vertr.: H. Wolff, Berlin.
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Berlin-CharlottenbiLrg,
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unter Leitung des Studien-Direc^tors Prof. Arthur Nikisch.
Prospecte in deutscher und englischer Sprache werden unentgeltlich ausgegeben.
Leipzig, Juli 1904.
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I. Fabrik: 5-7 Joliannis-Str. n. 27 Ziegel-Str.
n. Fabrik: 21 Qrfioatter-Str. u. 25 Wiener-Str.
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Fftr die Bedaktion Terantwortlich: Anna Morsch, Beriin W., Ansbaclierstr. 87.
Expedition nnd Terlag y^er KlaTier-Lehrer^y M. Woiff, Berlin W., Ansbacherstraaae 37.
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Der Rlatfier-Iiehrer.
Musik-pädagogische Zeitschrift für alle Qebiete der Tonl<unst
Organ der Deutschen Musiklehrer-Vereine«
der Musik -Sektion des J\. D. L-V. und der Tonkünstler- Vereine
zu Köln, Dresden, Hamburg, Leipzig und Stuttgart
Begründet 1878 von Professor Emil Breslaur.
Redaktion: Anna Morsch
Berlin W
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Preis virrteljSbrlid) bei allen Bu4)« und
niMikAlicnbandlttnacn» Pott • ünsUllcn
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^Der Klavier -Ccbrer" Berlin, 01.50,
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tflr die zwelgespAltenc Peliizeile ent*
peycngenommen.
No. 15.
Berlin, 1. August 1904.
XXVII. Jahrgang.
lakalt; Eliaabel h Caland: Physiologisch-anatomiache Betrachtungen zur Auanfitzung der Kraftquellen beim Klavierapiel. Joae
Vianna da Motta: Neue Auagaben ilterer Klavierwerke. Dia königliche Muaikachule Würzburg. Mitteilungen von Hochachuleei
und Konaervatorien. Vermiachte Nachrichten. Bflcher und Muaikalien, beaprochen von J. Vianna da Motta. Vereine. Anzeigen.
f)bYslologiscb - ai)a1'0ii)lscbe Hetracbt'aoS^t)
zur ^usoützunä ^^^ Kraftqaellet) bein) )ffa^hrsphV^
Von
jeSllMbeth Caland.
Auf dem im vorigen Herbst hier ta^nden
Kongreas des Musikpädagogischen Verbandes wurde
der Wunsch geäussert, dass neben der gründlichen,
allgemein wissenschaftlichen und musikalischen
Dnrchbildang des Lehrers auch Studien über die
Anatomie der beim Klavierspiel tätigen Glieder
in Aufnahme kommen möchten.
Von berufener Seite dazu aufgefordert, über
das künstlerische Klavierspiel in Beziehung zur
Anatomie einige Winke zu geben, lassen wir hier
ErlAuterangen folgen, die, wie wir hoffen, an-
regend wirken soUen.
Wenn man trotz der neuesten Forschungen
an! dem Gebiete der Bewegungslehre und Muskel-
mechanik zu der Ansicht gelangte, dass diese
I^bre eine äusserst komplizierte ist und sogar dem
Gelehrten vom Fach schwere, wenn nicht xmmög-
lich zu lösende Aufgaben stellt und wenn im all-
gemeinen die Physiologen der Ansicht sind, dass
der Laie nicht zu wissen braucht, welche Muskeln
seines Körpers in Tätigkeit treten, um die ver-
schiedenen Bewegungen richtig auszuführen, so
^ben praktische Erfahrungen uns doch den Beweis
geliefert, dass ein Einblick in die anatomische Be-
*) Auszüge aus einer mit vielen Illustrationen
versehenen demnächst zu erscheinenden selb-
ständigen Arbeit. —
schaffenheit des Oberkörpers dem das ELlavierspiel
Lehrenden, nur von Nutzen sein dürfte.
Beim Spielen auf einem Musikinstrumente sind
zuweilen Bewegungen erforderlich, welche, weil
abweichend von dem Althergewohnten, dem nicht
Kunstgeschulten fast unnatürlich erscheinen, aber
dabei doch der menschlichen Organisation angepasst
sind; bei diesen haben wir es von grossem Nutzen
gefunden, wenn man sich bewusst ist, in welcher
Weise die Glieder bewegt und welche Muskeln
zu bestimmten Kunstbewegungen angespannt und
„ausgelöst*' werden sollen. Oft sogar ist es uns
nur dann gelungen, eine Bewegung klar zu machen,
wenn wir der betreffenden Person an dem eigenen
Körper den Muskel zu bezeichnen versuchten,
dessen Tätigkeit von Bedeutung sei.
Vielleicht dürfte dies bestätigt werden, indem
wir hier ein Wort von Dr. R. du Bois-Beymond
(^Spezielle Muskelphysiologie oder Bewe-
gungslehre*. Berlin 1903. Verlag von August
Hirschwald, Seite 5) zitieren, wo es heisst: „dass
es körperliche Tätigkeiten gibt, in denen auoh ein
geschickter Mensch nicht von selbst die zweck-
mässigste Form der Ausführung findet.''
Wenn auch der SchtLler keineswegs sogleich
mit diesem Wissen belastet werden soll, so müsste
doch der Lehrende den Apparat, dem er die Be-
wegungen vorschreibt, wenigstens einigermassen
— 226 —
kennen, am TJeberanfitrengangen der schwächeren
Grlieder zu vermeiden, die oft za den übelsten
Folgen führen können, denen der Lehrer dann
ratlos gegenübersteht.
Möchte es überhaupt nicht von unschätzbarem
Wert sein, wenn eine Grundlage für das Klavier-
spiel allgemein anerkannt würde, die von vorn-
herein aUe Ueberanstrengung ausschliesst?
Es ist ein vielfach verbreiteter Irrtum, dass zum
Klavierspiel verhältnismässig wenig Kraftaufwand
nötig ist. Beobachten wir aber Künstler während
des Vortrages grösserer Werke, so müssen wir zu-
geben, dass sowohl ein grosser Aufwand physischer
wie psychischer Kraft erforderlich ist, um eine
Komposition mit der notwendigen Beherrschung
und seelischen Vertiefung zu Gehör zu bringen.
Von dieser Erkenntnis ausgehend, werden wir
beim Betrachten unserer Hände und Einger uns
sagen, dass diese verhältnismässig schwachen Glied-
massen allein nur sehr wenig Kraft hergeben
können, es daher naturgemäss wäre, sie durch die
Arm-, Schulter- und Rückenmuskeln zu xmter-
stützen.
Dass grosse Künstler mehr oder weniger un-
bewusst bei Ausübung ihrer Kunst, auch in Bezag
auf Tonbildung, das Höchste erreichen, erklärt sich
dadurch, dass auch sie im Ringen nach dem
idealsten Ausdruck, dem Winke der Natur folgen,
ihrer Organisation nachgehen und scheinbar mühe-
los zar grössten Fertigkeit gelangen, indem sie die
ihnen innewohnenden Kräfte und Mittel aufs
intensivste ausnutzen. Sie gelangen also auf
empirischem Wege zu dem Resultat, das zu er-
reichen dem minder Begabten gemeinhin versagt ist.
Indessen führt zweifellos ein gerader sicherer
Weg zu dem ersehnten Ziele: die Bildung eines
schönen, kunstgerechten Tones lässt sich ohne
Umwege lehren und die künstlerische Technik
kann von jedem erworben werden.
Was aber sollen wir tun, um ohne Um-
wege und Irrungen uns eine Technik anzueignen,
die allen Anforderungen eines künstlerischen Spiels
zu genügen vermag? In erster Linie müssen wir
danach streben, unsere dem Klavierspiel dienenden
Gliedmassen so zu gebrauchen, dass jede Ueberan-
strengung vermieden wird, also den ganzen Apparat
des Oberkörpers in folgerichtiger Weise in Bewegung
setzen um ihn beim Klavierspiel anzuwenden.
Folglich Bolleo wir unsere Körperteile in
harmonischer Zusammenarbeit wirken lassen.
Wir versuchen hier einige diesbezügliche Winke
zu geben. — Unsere Aufgabe muss die sein, uns
von den Teilen untereinander eine möglichst ge-
naue Vorstellung zu machen und von den ver-
schiedenen Knochen, Muskeln und den sie be-
lebenden Nei*ven unseres Oberkörpers Kenntnis zu
nehmen.
Das Gerüst des menschlichen Körpers, welches
demselben Halt und Stütze gibt, sind die durch
die Muskeln etc. mit einander verbundenen:
Knochen.
Die Grundlage des Knochengerüstes des
Rumpfes ist die in sich elastische Wirbel-
säule; sie stellt sich aus sieben Hals-, zwölf
Brust- und fünf Bauchwirbeln zusammen; die
Halswirbel krönt der Schädel; die beiden letzten
Halswirbel sind durch besondere Gelenke mit ein-
ander verbunden und bewirken die Drehungen
und Bewegungen des Kopfes.
Die Rippen, welche, von beiden Seiten der
Wirbelsäule ausgehend, sich dem Brustbein an-
setzen, bilden den Brustkorb (Thorax). Dieser
setzt sich aus dem Brustbein und den zwölf
Rippenpaaren zusanmien. Die oberen sieben
Rippen fügen sich unmittelbar dem Brustbein an
und werden die „wahren Rippen"* genannt;
die untere elfte .und zwölfte Rippe liegen mit
ihren Enden frei; sie werden als .freie Rippen^
bezeichnet, während die achte, neunte und zehnte
Rippe sich mit dem Knorpel der siebenten Kippe
verbinden und „falsche Rippen* benannt werden.
Eine Seitwärtsneigung des Oberkörpers nach
rechts und links ist besonders in der Bauchwirbel-
säule in ziemlich umfangreicher Weise mög^lich,
indem der Brustkorb sich über dem Becken hin
und her neigen kann. —
Es folgen nun die Knochen der Schulter, des
Oberarme, des Unterarmee und der Hand.
Die Schulter stellt sich aus Schlüssel-
bein (Clavicula) und Schulterblatt (Scapula) zu-
sammen, die mit einander den Schultergürtei
bilden.
Das Schlüsselbein, ein länglicher, kan-
tiger Knochen, verbindet das Schulterblatt mit dem
Brustkorb und hält es zu gleicher Zeit in einiger
Entfernung von demselben, was auch zur Be-
wegungsfreiheit des Armes beiträgt.
Das Schulterblatt ist ein dünner, flacher,
dreieckiger Knochen, welcher oben dem Rücken an-
liegt. Am oberen äusseren Winkel desselben befindet
sich der „Schulterhaken" (proccoracoideus), an seiner
hinteren Fläche die „Schultergräte" (Spina scapulaej,
während deren höchsten Punkt das „Acromion"^
oder die .Schulterhöhe", bildet, woselbst das
Schlüsselbein sich beweglich ansetzt. Schulter-
haken und Schulterhöhe formen zusammen eine
Art von Gewölbe, welches das Gelenk wie zum
Schutz umgibt.
An der äusseren Kante des Schulterblattes be-
findet sich oben die „G e 1 e n k p f a n n e", in welche
der Oberannknochen gebettet ist; er kann sich in
ihrer Rundung frei bewegen.
Der Oberarm besteht aus einem starken
Knochen, dem Oberarmbein (Humerus). Der obere
Teil bildet einen runden Gelenkkopf, welcher in
der obengenannten Gelenkgrube vermittelst soge-
nannter Bänder befestigt ist. Zwei am Oberarm-
bein mehr oder weniger vorspringende Stellen
werden der „grosse und kleine Höcker'* genannt;
die am unteren Ende nahe dem Ellbogen stark
- 227 —
hervorspringenden zwei Stellen werden als „äusserer
and innerer Knorren** bezeichnet, an welchen Stellen
gich die Sehnen vieler Mnskeln ansetzen.
Der Unterarm besteht ans zwei neben-
einanderlanf enden Knochen: Elle (Dlna) und Speiche
(Kadins). Die Bewegung des Unterarms nach
vorne gegen den Oberarm ist die Hauptbewegung,
die diesem Gliede innewohnt; ausserdem kann die
Hand, welche an der Speiche angesetzt ist, sich
am Unterarm nach innen und aussen wenden. —
Die letztere Bewegung ist die Folge einer Eigen-
tümlichkeit in der Beschaffenheit des Unterarms.
Die Elle setzt sich mit einer Gelenkfläche am Ober-
armknochen an, und an der Elle befindet sich die
Speiche. Dieser letztgenannte Knochen dreht sich
an der Elle, d. h. er dreht sich im oberen Teile
nm sich selbst und zugleich unten um die Elle.
Da die Hand sich an die Speiche ansetzt, wird
dorch diese Beweglichkeit der Speiche die Dreh-
barkeit der Hand veranlasst.
Die Bewegung der Speiche, also des Unter-
armes mit der an ihr befestigten Hand nach innen,
heisst Pronationsstellung, während die Be-
wegung des Unterarms nach aussen Supination s-
stellung genannt wird. — Man kann sich diesen
Vorgang leicht vergegenwärtigen: hält man die
Hand z. B. mit der inneren Fläche naeh oben,
dann f&hlt man, wie im Unterarm die Elle und
Speiche neben einander liegen; dreht man die
Handfläche nun nach unten (kommt also der
Handrücken nach oben), drehen sich beide Elnochen
umeinander. Für den Klavierspielenden kommt
nur die Pronationsstellung in Betracht.
Die Hand besteht aus Handwurzel, Mittel-
hand und Finger. Die Handwurzel oder das so-
genannte Handgelenk besteht aus zwei Reihen von
kleinen Knochen, die zusanmien durch ein ziem-
lich breites Band das ;,Hand wurzelband'* in bogen-
förmiger Wölbung festgehalten werden. Das
Handwnrzelband schützt zu gleicher Zeit die
Sehnen, welche vom Unterarm zu den Fingern
verlaufen. Die durch Gelenkbänder an der Speiche
sich ansetzenden drei kleinen Knochen sind „das
Eahnbein, das Mondbein, das Dreieckbein ^*, an
welch letzterem sich das „Erbsenbein** befindet.
Die zweite Eeihe zeigt die vier Knöchelchen
.Trapez, Trapezoid, Kopf- und Hakenbein".
Die Zusammenwirkung von beiden Beihen dieser
aus je drei und vier Knöchelchen bestehenden
Gelenke, deren jede in sich fest verbunden sind,
ergiebt die vier verschiedenen Bewegungen, die der
Hand zukommen: nach unten, nach innen, nach
oben und nach aussen. Durch die Kombination
dieser verschiedenen Bewegungen, kann eine voll-
standige kreisende oder runde Bewegung ent-
stehen, die anatomisch als „Gircumduction"
bezeichnet wird. —
An die zweite Reihe der Handwurzel setzen
sieb die fünf Knochen der Mittelhand an, und
an diese fünf Mittelhandknochen (Metacarpus) sind
wiederum die Finger befestigt, von denen der
Daumen nur zwei Glieder besitzt; die anderen vier
Finger bestehen aus je drei Knochen, dem ersten,
zweiten und dritten Glied. (Phalanx prima, secunda
und tertia.) — Im Gegensatz zu dem Mittelhand-
knochen des Daumens, welcher beweglich an der
Handwurzel befestigt ist, bilden diese Mittelhaud-
knochen der vier übrigen Finger mit der Hand-
wurzelreihe (Handgelenk/ zusanmien ein in sich
wenig bewegliches Granzes. An die Mittelhand-
knochen setzen sich, wie gesagt, je für jeden
Finger die drei Knochen: das erste, zweite und
dritte Glied an, während der Daumen nur aus
Mittelhandknochen, erstem und zweitem Glied be-
steht. —
Die Gelenke.
Die Knochen sind durch Gelenke in der Weise
einander angeschlossen, dass sie sich, verbunden
durch feste Bänder von elastischer, sehniger Sub-
stanz, „Knochenbänder^* genannt, an einander mehr
oder weniger* frei, je nach der Art des betreffenden
Gelenkes, hin und her bewegen können. Das
„Kapselband' ist ein ringförmiges Band, welches
die Gelenkhöhle umschliesst und die Knochenenden
umfasst. Die Art der Gelenke, die für uns be-
sonders in Betracht kommen, sind u. A. das
Kugel-, das Dreh- und das Oharniergelenk.
Erst eres, das „ Schul tergelenk^*, ein freies Gelenk,
verbindet die Schulter mit dem Oberarm. Das Ge-
lenk des Ellenbogens ist ein zusammengesetztes,
welches aus dem Ghamier- und dem Drehgelenk
besteht.
Das Handgelenk, eine Zusammenstellung ver-
schiedener Gelenke, besteht hauptsächlich aus zwei
in sich vereinten Ohamiergelenken, deren Zusammen-
wirkung vier Bewegungen erlaubt, die in Kombi-
nation die „Gircumduction'' (die von uns sooft
beschriebene „runde Bewegung") der Hand im
Gelenk beim Klavierspiel ermöglicht, d. h. die
Beugung nach der Hohlhand, Beugung nach dem
Handrücken, Beugung nach der Speiche (Daumen-
seite) und Beugung nach der Elle (Elein£nger-
seite). (Die Beugung nach dem Handrücken
kommt für uns weniger in Betracht.) Die Gelenke
an den Köpfchen der Mittelhandknochen stehen in
ihrer Beschaffenheit zwischen Kugel- und Oharnier-
gelenk, sie unterstützen, da die vier dreigliedrigen
Finger mit ihren Köpfchen an ihnen befestigt
sind, die Elastizität der Hand.
Die Fingergelenke der dreigliedrigen Finger
sind Ohamiergelenke, während der Daxmien, der
nur aus zwei Gliedern besteht, frei beweglich ver-
mittelst seines Mittelhandknochens an der Hand-
wurzel befestigt, das ausgeprägteste Sattel -
gelenk zeigt. —
(Fortsetzung folgt.)
— 228 —
j^eue Ifüsgabei) älferer l^la^krVi^epl^c.
Von
JoB^ Ttaniia da Hotta«
Die jüngste Entwickelang der musikalischen
Philologie und Exegese in Form von „kritisch
instruktiven" Ausgaben älterer Werke hat neben
hervorragenden Leistungen reifer Interpretations-
kunst, an deren Spitze der Name H. von Bülow's
zu nennen ist, auch eine solche Fülle von mehr
oder weniger willkürlichen Auslegungen seitens
geringerer Geister hervorgebracht, dass seit einigen
Jahren eine Beaktion eingetreten ist und der Ruf
nach dem Urtext immer lauter wird, damit man
der Komponisten Willen einzig und allein vor sich
habe, ohne Ergänzungen oder gar Veränderungen
eines Kommentators. Man will nicht mehr der
Auffassung des Herrn X. oder ü. folgen, sondern
an der Hand des Urtextes sich selbst seine eigene
Meinung bilden. Das klingt sehr einfach und gut,
ist aber gar nicht leicht auszuführen.
Man darf nicht vergessen, dass die Kunst der
schriftlichen Fixierung des Vortrages eine ganz
moderne ist. Am konsequentesten verfuhren die
Komponisten bis zu J. S. Bach, die überhaupt
keine Angaben über Tempo, Tonstärke, Fhrasierung
machten. Der Wille des Komponisten wurde nur
persönlich übermittelt und durch die Tradition von
Schüler zu Schüler weiter getragen, und die An-
sprüche an die Bildung des Spielers waren grösser.
Die „Tradition' ist aber das unsicherste Ding von
der Welt und konnte schliesslich, selbst wenn man
sie mit der besten Absicht, wahr zu bleiben, fort-
pflanzte, genau zu solchen Entfernungen vom
Willen der Autors führen, wie ein moderner „Her-
ausgeber^. Ich wenigstens halte es für ganz un-
möglich, selbst bei einer lückenlosen Kette von
Schülern, dass man nach 100 Jahren noch genau
die Absichten eines Meisters wiedergebe, denn
Missverständnisse, eigene Ergänzungen, willkürlich
oder unbewusst, der individuellen Natur ent-
springende, häufen sich unabweisbar im Laufe der
Zeiten. Aber noch mehr, ich gehe so weit, zu
glauben, dass es nicht einmal richtig wäre, selbst
wenn wir eine ganz sichere Tradition besässen,
die Werke eines alten Meisters heute noch genau
so auszuführen, wie er es tat, denn die Mittel
verändern sich zu sehr im Laufe der Zeiten: z. B.
die Besetzung des Orchesters wird stärker, die Säle
werden grösser gebaut, die Instramente verbessert,
die Klaviere klangreicher, die Technik nimmt zu
(oder auch ab, wie bei der Behandlung der Trom-
peten und Homer zuBach's Zeiten, verglichen mit
heute) — dies alles bedingt schon eine verschiedene
Ausführung: manches können wir noch vollendeter
ausführen als der Komponist selbst, der hie und
da den Mitteln seiner Zeit Rechnung tragen
musste, anderes müssen wir den heutigen Mitteln
entsprechend ändern, so dass hier nicht mehr genau
die vom Komponisten damals gewollte AusftLhrung
gefordert werden kann, sondern vielmehr eine Aus-
führung, wie sie der Komponist geben ^-ürde.
falls ihm diese Mittel zur Verfügung stünden.
Abel noch stärker stellt sich das subjektive
Empfinden der Tradition entgegen. Unter dem
Einfluss der allgemeinen Entwickeluug der Geistes-
und Lebensformen verändert sich auch das Hören, das
Empfinden von Musik. Jeder ist wohl überzeugt,
dass wir heute Musik g^z anders hören und
empfinden als unsere Vorfahren. Um nur einige
äusserliche Merkmale anzuführen: man eriiiuert
sich, dass der Kaiser von Oestereich „zu viel Noten*
im DonJuan fand, und wie ist in dieser Beziehung
Mozart durch Beethoven, dieser durch Wagner
und auch dieser schon durch R. Strauss wieder
überboten worden, wie modern erscheint deshalb
Bach's Polyphonie. Femer: man denke über
den Schrecken, den ungewohnte Dissonanzen selbst
in den Musikerreihen immer noch verbreiten und
vergleiche Mozart mit Strauss und Mahler,
um zu sehen, wie sich das Ohr auch in dieser Be-
ziehung umbildet. Eine andere folgenschwere
Aenderung erfährt unser Empfinden des Tempos.
In den letzten Jahren ist ganz allgemein, bei
Solisten sowohl wie bei Dirigenten, eine fieberhafte
Beschleunigung des Tempo's eingetreten, die von
älteren Musikern mit grossem Bedauern wahr-
genommen wird und der sich trotz allem Bemühen
selbst reifere Künstler nicht ganz entziehen können.
Es wäre möglich, dass dieses Bedürfnis nach
rascheren Tempi so tief wurzelt in der modernen
Lebensführung, dass es „metaphysischer" Art ist
(wie einer unserer Altmeister: Klindworth sich
ausgedrückt hat), und dass wir demnach ein
massigeres Tempo als uncharakteristisch und falsch
empfinden würden. Und hier muss ich als be-
sonders bezeichnend hervorheben, dass Reise-
nauer's befremdend breite Tempi in Liszt's Werken
gerade auf „Tradition" beruhen. Wenn sich aber
unser Hören so gründlich ändern kann, wo bleibt
der Wert der Tradition?
Man könnte nun behaupten, dass zwischen
mündlicher und schriftlicher Tradition kein Unter-
schied bestehe und dass, wenn man jene nicht als
absolut massgebend ansehen will, auch diese nicht
als eine solche ansehen kann. Aber ein grosser
Unterschied besteht doch: wir sahen die grosse
Unsicherheit mündlicher Tradition; die schriftliche
bietet weit mehr Sicherheit — wenn auch hier
noch grosse Schwierigkeiten nach und nach über-
wunden werden mussteu. Was dagegen das sub-
jektive Empfinden betrifft, so muss natürlich selbst
die schriftliche Tradition modifiziert werden, aber
sie lässt wenigstens keinen Zweifel über die Ab-
229 —
sieht des Autors, falls dieser sie klar and unzwei-
deutig niedergesokrleben hat, so dass meiner
Meinung nach die Grenze fdr den Subjektivismus
im Beprodazieren auf folgende Weise festgestellt
werden könnte: was der Autor vorgeschrieben hat,
muss unbedingt beachtet werden, jedes Zeichen
muss ausgeführt und keins darf verändert werden
— soweit muss man objektiv bleiben; aber
innerhalb dieser Zeichen muss man Ergänzungen
finden, und erraten, welche Feinheiten der
Komponist etwa noch in Bezug auf Modifikationen
der Tempi's, der Tonstärke machen würde, — und
hier ist jeder frei, hier muss man subjektiv
verfahren. Dagegen scheint mir die Objektivität
falsch, die nnr das vom Komponisten ausdrücklich
Vorgeschriebene ausfähren will, wie die Subjekti-
vität, die des Komponisten Willen nicht achtet
und den eigenen für einzig berechtigt hält.
(Rubinstein soll erklärt haben: er „liebe keine
Ausgaben^, wenn er ein Werk studiert hatte, sah
er sich die Noten Licht wieder an.)
Aber die erste grosse Schwierigkeit für die
schriftliche Tradition besteht darin: klar und er-
schöpfend zu sein. Dies verstehen exvt die aller-
modernsten Komponisten zu tun, und darin haben
sie von den Kommentatoren älterer Werke viel
gelernt. Als Ph. E. Bach zuerst Angaben über
Tempo und Tonstärke in seinen eigenen Werken
machte, verrvendete er sehr wenige Zeichen, indem
er immer noch der Bildung des Spielers vertraute
and ihm vieles zu erraten übrig Hess. So ist
z. B. bei allen älteren Meistern einschliesslich
Beethoven's in seiner ersten Lebenshälfte (unge-
fährj die Phrasierung nie konseqoent durchgeführt.
Sie bezeichneten nur, was legato, was staccato
gespielt werden sollte, aber nicht wo abgesetzt
werden soll, so dass man oft zwei Legatobogen
Terbinden muss, um die Phrase nicht zu zerstü ekeln i
oder einen Bogen verlängern, um sie nicht vor
ihrem Abschluss abzubrechen. Wenn man aber
bei Schindler liest, wie Beethoven über Dekla-
mation in seinen Werken dachte, so hat man
dadurch den (eigentlich nicht nötigen) Beweis,
dass jene Meister in der Ausführung wohl der
richtigen Phrasierung eine grosse Bedeutung bei-
massen und nur in der Aui^eichnung nachlässig
waren. Wenn also die wissenschaftliche Grund-
lage der Phrasierung eine moderne Errungenschaft
ist, die wir besonders H. von Bülow, M. Lussy
xuid H. Biemann verdanken, so muss man daraus
nicht schliessen, dass man Beethoven oder Mozart
nicht phrasieren darf, als wenn das gegen den
Geist ihrer Werke wäre. Beethoven fühlte selbst,
dass die Deklamation nicht klar genug in seinen
Werken, namentlich der ersten Lebenshälfte, an-
gegeben ist, und wollte deshalb eine neue ^ usgabe
veranstalten. Wenn hier also ein modemer Her-
ausgeber an den Angaben des Komponisten etwas
^dert, so darf man das nicht ohne weiteres als
npiet&tlos'' oder „willkürlich" verui teilen. Pietätlos
wäre im Gegenteil das Befolgen einer falschen
Phrasierung, wie z. B. folgendein der Lebert sehen
Ausgabe von Mozart 's Pantasie in C-moll:
i
:#
Der Punkt über dem Achtel d ist vom Her-
ausgeber noch hinzugefügt worden! Bier gehören
beide Takte offenbar zusammen und die Bogen
sind nur aus Gewohnheit über jeden Takt einzeln
gezogen, anstatt über beide. Solcher Stellen gibt
es unzählige. Diese unklare und nachlässige
Phrasierung in einer neuen Ausgabe „aus Pietät"
beibehalten zu wollen, scheint mir durchaus ver-
kehrt.
Noch weniger klar sind des Autors Angaben
über den Charakter, den Ausdruck in seinen
Werken. Wenn man sich früher auf Angabe des
Tempos und der Tonstärke beschränkte, so genügte
das Beethoven längst nicht mehr, und er gebrauchte
immer häufiger Worte zur deatlicheren Bezeich-
nung, nicht nur solche, die musikalische Begriffe
enthielten, wie cantabile, sondern später immer
mehr anderen Begriffssphären entlehnte, wie malin-
conico, appassionato, hie und da auch deutsche
Ausdrücke wie ängstlich, ermattet. EUer-
bei ist es hochinteressant zu beobachten, wie seine
Bezeichnungsweise aus den beiden der Musik
früher einzig zugeschriebenen Gebieten: „heiter"
und „traurig" allmählich herauswächst und Fühlung
gewinnt mit allen Gemütsbewegungen. Schumann
und Wagn e r benutzten dann fast durchweg deutsche
Ausdrücke, um ganz klar und verständlich zu sein
— freilich nur dem Kenner der deutschen Sprache.
Der grösste Lehrer in der schriftlichen Be-
zeichnung des Ausdrucks und der ganzen Vortrags-
art war aber F. Liszt. Man muss die ersten
Ausgaben seiner Werke kennen, um zu sehen, mit
welch peinlicher Sorgfalt Liszt in seiner Jugend
den Vortrag zu fixieren suchte. Die Zeichen
häufen sich oft derart, dass eine moderne Ausgabe
nicht komplizierter aussehen kann. Es ist zu be-
dauern, dass Liszt viele dieser Zeichen, die er zum
Teil erfunden hatte, später wieder fallen liess. Sie
warfen aber ein helles Licht auf seine Spielweise.
So brauchte er z. B. für kurze, geringe Bitardando's
und Accellerando*s folgende Linien: und
f I. Später gebrauchte er dafür die Buch-
staben: B und A, die aber nicht so plastisch und
nicht so genau die Dauer der Tempomodifikation
angeben. Für kurze Halte (Luftpausen ! also schon
damals, lange vor Bülow) setzte er ein kleines
Fermatazeichen Für die Bezeichnung des Aus-
druckes hat er nun gar eine fast unerschöpfliche
Fülle von neuen Wörtern: delirando, ironico,
amoroso, diabolico etc. Nächst ihm ist
A 1 k a n am interessantesten zu studieren in dieser
Beziehung.
In einemPunkt aber hat es die moderne Kunst der
Niederschrift noch nicht zu der erwünschten Klar-
— 230 -
heit und Vollständigkeit gebracht : in der Bezeichnung
des Pedals. Es gibt wohl keiu Stttck und keine neue
Ausgabe äJterer Werke, wo das Pedal konsequent an-
gegeben ist, genau so wie der ausfflhrende Künstler
es gebraucht. Es wird immer nur an den wichtigeren
Stellen angegeben, an den andern wird es dem
Spieler überlassen, den richtigen Gebrauch zu
finden. Schumann begnügt sich sogar oft mit der
einmaligen, allgemeinen Anweisung zu Anfang:
eon Ped. Hier muss noch eine Reform ein-
greifen. Die vorgeschlagene Linie unter dem
System, wo das Pedal in Noten werten angegeben
würde, ist eine Notwendigkeit. Aus Mangel an
einer gaten Pedalbezeichnnng ist die Kunst des
Pedalgebrauchs noch so instinktiv und unsicher.
Aus dem Angeführten ersieht man schon, wie
wenig es nützen kann, den Urtext unverändert
wiederzugeben. Zu diesem Allen kommt aber noch
zweierlei sehr Schwerwiegendes hinzu. Die ersten
Ausgaben, diese mit heiliger Scheu genannten
„ürausgaben'', sind meistens voller Drnckfehler,
Jedenfalls nie ganz fehlerlos, nicht nur in Bezug
auf die Noten, sondern auch auf die richtige
Stellung der Zeichen. Welchen Zweck hat es
dann, den Urtext, d. h. den Text der ersten Aus-
gabe, mit allen Fehlem wieder abzudrucken? Das
tut aber die ürtextausgabe der Beethove n sehen
Sonaten. Die Aufgabe sollte darin bestehen,
den Text von den selbständigen Zutaten der Ver-
leger, Herausgeber zu reinigen, aber auch von den
Fehlem der ersten Ausgabe, wie Bülow dies iu
der seinigen bereits getan hat. Es genügt also '
nicht, den „Urtext" wiederzugeben, man mfisste
auch auf die Manuskripte der Komponisten zurück-
gehen. Aber — und das ist das Schlimmste, auch
die sind nicht durchaus zuverlässig, wenn sie
überhaupt noch vorhanden sind. Einige Kompo-
nisten waren sehr nachlässig in ihren Manuskripten,
am meisten Chopin, wie wir sehen werden, und
selbst Beethoven ist nicht frei von Nachlässig-
keiten oder sagen wir: Zerstreutheiten.
Von diesen Gesichtspunkten aus halte ich eine
Urtextausgabe nicht für nützlich — oder nur für
Bibliotheken, für den praktischen Gebrauch moss
eine, wenn auch noch so geringe Revision und
Ergänzung, um nicht zu sagen Bearbeitung, vor-
genommen werden. Man wende nicht ein, dass
jeder bedeutende Pianist das lieber selbst mache,
denn abgesehen davon, dass nur sehr wenige fähig
wären, es zu tun, so kostet das auch sehr viel
Zeit, und Jeder wird dankbar sein für eine Aus-
gabe, die ihm den Text fertig bietet. Von dem
Wert beim Unterricht brauche ich nicht zu reden.
Ich kann nicht finden, dass z. B. Bülow in seiner
Ausgabe der Individualität des Spielers zu wenig
Spielraum lasse und diesen kneble. Seine Zutaten sind
nur Anregungen, man kann sie annehmen oder
nicht, da sie sich durch kleinere Schrift deutlich
vom Originaltext abheben.
(Fortsetzung folgt.)
]@lc 1<oi)ig1lcbe i^asil<scbalc VOärzbarg.
Zun biiiKlertlSDriflen Beiteben.
Die Würzburger Musikschule, welche am
12. Juli die Feier ihres lOOjährigen Bestehens be-
ging, ist die älteste Musiklehranstalt Deutschlands.
Im Jahre 1797 war unter dem kunstliebenden
Fürstbischof von Würzburg, Adam Friedrich,
Graf von Seinsheim, der eine vorzügliche Hof-
kapelle unterhielt, eine „akademische Musikgesell-
schaft", mit dem Hofkammerrat Reut her als
Dirigenten, gegründet worden. Die in den folgen-
den Jahren auftretenden Knegsunruhen beein-
trächtigten das Wirken der jungen Gesellschaft,
die erst aufblühte, als der junge Hofmusiker und
Student Franz Joseph Fröhlich im Jahre 1801
zum Direktor ernannt ward. Derselbe wusste
es durchzusetzen, dass die Aula der Universität
für die musikalischen Uebungen eingeräumt wurde
und dass mit Genehmigung des letzten Fürstbischofs
Georg Karl, Freiherrn von Fechenbach das
Universitäts - Rezeptoratamt die Bestreitung der
Unkosten für Musikalien, Instrumente, Beleuchtung
und Heizung übernahm
Im Jahre 1802 erfolgte bei der Säkularisation
die Besitznahme Würzburgs durch das Kurfürsten-
tum Bayern. Unter der neuen Regierung arbeitete
Fröhlich im Jahre 1808 einen Plan aus zu einer
„öffentlichen Musikanstalt an der churfürstl. Julius-
Universität zu Würzburg". Dieser Plan fand Ge-
nehmigung, als am 10. April 1804 unter Kurfürst
Maximilian Joseph der junge Fröhlich zum
Privatdozenten an der Universität ernannt und
zum Direktor des „musikalischen Instituts" eingesetzt
wurde mit der Aufgabe : Die MusikQbungen un-
entgeltlich zu leiten und Vorlesungen über Theorie
und Geschichte der Musik abzuhalten. Als Gehalt
wurden ihm 400 fl. angewiesen. Mit einer Zahl
von 20 Teilnehmern (die Universität hatte damals
400 Hörer) begann das „akademische Musikinstitat"
seine Tätigkeit.
Ein Jahr später (1805) wusste es Fröhlich ein-
zurichten, dass auch die Schüler des Gymnasiums
dem Musikinstitut angeschlossen wurden. Die
Universität hatte damals die Obsorge für das
Gymnasium, dessen Unterrichtsräume sich bis zum
Jahre 1829 auch im alten Universitätsgebäude be-
fanden.
Zu Ende des Jahres 1805 übernahm infolge
— 231
des Pressburger Friedens Grossherzog Ferdinand
von Toskana die Herrschaft über Franken.
Dieser neue Landesherr war den Bestrebungen
Fröhliches besonders geneigt. Das junge Musik-
institut brauchte wegen erhöhter Zahl der Teil-
nehmer passende Räume — in seiner Not hatte
es sich schliesslich in die Sakristei des Domini-
kanerklosters geflüchtet. Auf Fröhliches Bitte hin
erhielt am 7. November 1807 das Musikinstitut den
Wappensaal im Kapitelhause des ehemaligen Dom-
stiftes nebst anstossenden Räumen überwiesen
und gewann dadurch ein Heim, wie es besser
nicht gewfinscht werden konnte.
Aber Fröhlich ruhte noch nicht, der Kreis
seiner Tätigkeit sollte noch ein weiterer werden.
Um der Tonkunst eine möglichst weite Verbreitung
zu sichern, sollten auch die heranwachsenden
Jugendbildner beigezogen werden.
Am 28. September 1811 verfügte eine gross-
herzogliche Resolution, dass „in Zukunft alle im
Schullehr er-Seminarium stehenden Schulkandidaten
regelmässig Anteil an dem Unterrichte im musi-
kalischen Institute nehmen sollen", ebenso wie auch
solche Kunstbeflissene, welche nicht an der Uni-
versität oder dem Gymnasium studieren, sofern sie
nur ein vorzügliches Talent zur Musik besitzen.
Dadurch war das ursprünglich auf die Uni-
versität beschränkte Institut zu einer allgemeinen
Musikschule geworden. Durch die Studierenden der
Universität und des Gymnasiums erwuchsen später
der Kunst mächtige Beschützer, während die Lehrer
die Pflege guter Musik weit hinaus ins Volk trugen.
Im Jahre 1814 kam Würzburg infolge der
Abmachungen auf dem Wiener Kongress definitiv
zu Bayern, das 1806 zum Königreich erhoben war.
König Maximilian I. liess seinen Sohn, den Kron-
prinzen Ludwig, in Würzburg residieren, und in
ihm erwarb sich das Musikinstitut einen mächtigen
Förderer.
Im Jahre 1820 wurde die Anstalt durch eine
neue Organisation zum „Königl. Musikinstitut'' er-
hoben, unter die Aufsicht der Kgl. Kreisregierung
gestellt und durch eine allgemeine Singschuie er-
weitert Die Zahl der Schüler hob sich in den
folgenden Jahren weit über 600. Zu den glänzend-
sten Aufführungen, die neben' den gewöhnlichen
öffentlichen Proben die Anstalt gab, gehören die
Konzerte, denen König Ludwig I. persönlich an-
wohnte, worunter namentlich eines im Jahre 1840
die Entwicklung der Musik in historischer Folge
darstellte.
Fröhlich, der inzwischen zum Universitäts-
professor befördert war, erbat sich im Jahre 1844
eine Geschäfts- und Unterrichtsaushilfe, und wurde
ihm demzufolge der seit 1839 an der Anstalt an-
gestellte Lehrer Johann Georg Bfatsch als
zweiter Dirigent beigegeben.
Am 30. Mai 1858 trat Fröhlich nach 57jähriger
Tätigkeit von der Leitung des Institutes zurück
und starb tiefbetrauert am 6. Januar 1862. Nun-
.mehr leitete Bratsch als Direktor die Anstalt bis
zum Jahre 1873. Er verlegte das Hauptgewicht
der Anstaltstätigkeit auf das aus Angehörigen des
Schullehrerseminars gebildete grosse Orchester,
das jede Woche eine öffentliche Aufführung zu
geben hatte. Ausserdem führte er unter Mit-
wirkung der Gymnasialschüler jedes Jahr ein oder
zwei Oratorien auf. Dadurch wurden die Schüler
der beiden Anstalten aber vielfach überlastet, was
zu einschränkenden Bestimmungen durch das Kgl.
Kultusministerium führte.
Von hervorragenden Schülern des Musik-
instituts sind vor anderen zu nennen: Konzert-
meister Lauterbach in Dresden, Konzertmeister
Kömpel in Weimar, Professor Werner in
München, Kammermusiker Bürchl in Dresden
u. s. f.
Im Jahre 1872 entsandte das k. Staatsministe-
rium den Münchener Generalmusikdirektor Franz
Lachner nach Würzburg behufs einer Visitation
des Musikinstitutes. Die Folge dieser Visitation
war, dass Bratsch zum Musikdirektor am Kgl.
Studienseminar in Aschaffenburg und der in
Meiningen befindliche Komponist Theodor
Kirchner zum Direktor des Würzburger Musik-
institutes ernannt wurden. Kirchner sollte die
vom Ministerium seit 10 Jahren angebahnte Neu-
gestaltung der Anstalt durchführen. Da ihm aber
die dazu erforderliche Energie abging, nahm das
Ministerium, vertreten durch Ministerialrat Dr. von
Hu Her, die Reorganisation selbst in die Hand.
Im Sommer 1875 wurden neue Satzungen ent-
worfen und am 1. Oktober dieses Jahres begann
die nunmehrige „Kgl. Musikschule" ihre Tätigkeit.
Satzungen und Lehrplan wurden jenen der
Münchener Musikschule nachgebildet und
neben den Schüleraufführungen auch Konzerte
mit fremden Solisten eingerichtet. Zum Direktor
wurde Dr. Kliebert berufen, der mit 18 künst-
lerischen Lehrkräften seither an der Anstalt wirkt.
Gegenwärtig zählt die Musikschule über 900 Eleven,
darunter 233 Musikschüler.
Ueber den Verlauf der Festlichkeiten berichten
wir in nächster Nummer.
Mittellungen
von HcohBohulen und Konservatorien.
Der 54. Jahresbericht des Stern 'sehen Kon-
servatoriams für Musik zu Berlin, Direktor
Professor Gustav Hollaender, weist eine
Frequenz von insgesamt 901 Schülern auf, gegen
836 im Voijahre. Ausserdem waren die von Herrn
Max Loewengard geleiteten „Sonderkurse" in
— 232 -
Hannonielehre, Kontrapunkt, Kanon und Fuge
von 73 ächülem beencht, so dass Bicb die Gesamt-
besncbsziffer der Anstalt auf 974 belief. Das
Konservatdrinm veranstaltete im Lanfe des Scbnl-
jahres 16 öffentliche Aufführungen im Beethoven-
saal, 1 geistliches Konzert in der Marienkirche,
8 Aufführungen der Opemschule im Theater des
Westens und eine grössere Reihe von XJebungs-
abenden im gprossen Saale des Konservatoriums*
Die Lehrer der Anstalt hatten zum Geburtstage
des Kaisers ein Festkonzert im Beethoven-
saal arrangiert, bei welchem der Direktor, Herr
Professor Hollaender, die Festrede hielt. Die
bei G^elegenheit des 60j&hrigen Bestehens der
Anstalt gestiftete Gustav Hollaender-Medaille
erhielten bei der vierten Bewerbung, die vor einer
berufenen Jury stattfand, Frl. Marga Neufeld-
Berlin (aus der Klavierausbildungsklasse des Herrn
Prof. Jedliczka), Frl. Grete Steffen-Köln (aus
der Gesangsausbildungsklasse des Frl. Anna
Wüllner), Herr Petresku Woiku-Kronstadt (aus
der Violinausbildungsklasse des Herrn Issay
Barmas), Frl. Elsa Streit-Karlsruhe (aus der
Kompositionsklasse des Herrn MazLoewengard).
Ausserdem wurde Herrn Max Kanis-Wien (Violin-
ausbildungsklasse des Herrn Issay Barmas) eine
von dem königl. Hof-Geigenmacher' Ludwig
Neuner-Berlin gestiftete Violine, sowie Herrn
Albert Fischer-Aue (Gesangsausbildungsklasse
des Herrn Alexander Heinemann) in Anbetracht
seiner Leistungen als Opern- und Konzertsänger
ein Diplom zugesprochen. Das Seminar, welches
unter Leitung Prof. Papendicks steht, wurde
von 19 Schülerinnen besucht. 12 Schüler und
Schülerinnen der Anstalt erhielten Anstellungen
an hervorragenden Opembühnen und Theatern des
In- und Auslandes, ebenso als Kapellmeister und
Kantoren. Neu eingetreten in das Lehrerpersonal
der Anstalt, das sich im vergangenen Jahre aus
96 Lehrkräften zusammensetzte, sind für Gesang
die Damen Fr. L. Hollm, Frl. Gh. Fleck und
Herr Klibansky, für Klavier Frl. D. van der
Hoeven und Herr Stabernack.
Das Dr. Hoch'sche Konservatorium für
Musik zu Frankfurt a. M., Direktor Prof.
Dr. Bernhard Scholz, schloss sein 26. Schul-
jahr mit einer Gesamtfrequenz von 609 Schülern
ab. Davon besuchten 299 das Konservatorium,
179 die Vorschule und 81 die Seminarschule. Aus
dem Lehrerpersonal schied nach lljähriger erfolg-
reicher Tätigkeit Herr Karl Friedberg, um
einem Hufe nach Wien zu folgen; neu eingetreten
ist Herr Otto Hegner für EUavier und Frl. Anna
Hegner für Violine. Das Konservatorium erhielt
die bisherige Staatssubvention und die vertrags-
mässige Quote aus der Mozart-Stiftung. Ausser
drei Stipendiaten hatte die Anstalt im letzten Jahre
18 Freischüler und gewährte einer grossen Zahl
Zöglingen erheblich ermässigte Stndienhonorare.
An musikalischen Aufführungen verzeichnet das
abgelaufene Jahr 8 öffentliche Musikaufführnngen,
21 Vortragsabende, 1 Volkskonzert und 2 Vortrags-
abende der Zöglinge der Vorschule. Ausser reichen
Zuwendungen für die Bibliothek und erm&ssigten
Preisen für Theater- und Konzertveranstaltungen
erhielt das Konservatorium von den Herren Snlz-
bach ein Geschenk von KXX) Mk. für die PeziBions-
kasse der Lehrer» und von Herrn Firnberg
160 Mk. füi die ünterstützungskasse der Schüler.
Das neue Schu^ahr beginnt Anfang September.
Professor Julius Stockhausen, der hervor-
ragende Gesangsmeister, wird am 1. September
dieses Jahres die Direktion seines Frankfurter
Konservatoriums niederlegen und nur noch Privat-
unterricht geben. Die Musikdirektoren Edmund
Parlow und Theodor Gerold, welche seit langem
als Lehrer in seiner Musikschule tätig sind, werden
gemeinsam die Leitung übernehmen.
Dr. Fritz Prelinger, Direktor der
städtischen Musikschule zu Aschaffenburg,
hielt daselbst einen Gyklus von 8 Vorträgen über
das Thema ,Die Blütenperiode des deutschen
Kunstliedes'. Der Vortragende gab jedesmal
zuerst eine erläuternde Schilderung der Meister,
und sang dann die auf den Programmen angezeigten
Lieder unter eigener B^leitung am Klavier. Er
begann mit Liedern von Haydn, Mozart, Beet-
hoven und führte von ihnen aus die Entwicklung
des Kunstliedes bis in unsere 2ieit fort. Neben
den bekannten Liedersängern Schubert, Schu-
mann, Franz, Weber, Marschner, Liszt u.s. w.
waren unter den neueren vertreten: Jensen,
Brückler, Brahms, Wolf, Strauss, Heger,
Schillings, Gast, Ar. Mendelssohn, Pfitzner
B e h n und Streicher. Das Unternehmen, welchem
dadurch, dass Vortrag und musikalische Aus-
führung in einer Person vereinigt waren, ein Zug
von Einheit anhaftete, fand grossen Erfolg. Herr
Dr. Prelinger beabsichtigt den Vortragscyklus auch
in anderen Städten zu halten.
Die nächsten Ferienkurse der Fr. Dr. Luise
Krause, Berlin W., Marburgerstr. 15, in ihrem
preisgekrönten Anschauungsunterricht, werden für
die Fremden von besonderem Nutzen sein, da mit
Mitte August ein ausgiebiges Hospitieren ermöglicht
wird. Anmeldungen zum 1. August nimmt die
Vorsteherin schon jetzt entgegen.
Das Königl. Konservatorium für Musik
zu Dresden war in seinem abgelaufenen Studien-
jahr von insgesamt 1464 Schülern besucht Davon
gehörten 507 der Hochschule, 111 den Mittel-
klassen, 784 der Grundschule an, wozu noch
112 Uebungsschüler konmien. Das seltene
Jubiläum der 40jährigen Lehrtätigkeit am
Konservatorium feierte Hr. Prof. Georg Schmole;
er wirkt seit dem 1. Juni 1868 als Lehrer des
Klavierspiels an der Anstalt, nachdem er vorher
seine künstlerische Ausbildung an derselben er-
halten. Einen schweren Verlust erlitt das Konser-
vatorium durch den Heimgang des Hofrats Prof.
— 233 —
Eduard Bappoldi. Der ausgezeichnete Violin-
virtuose war seit 1877 als erster Violinlehrer an
der Anstalt t&tig; er erteilte jahrelang den Unter-
richt In der Dirigierübung, ebenso leitete er mit
ausserordentlichem £rfolge das Anstaltsorchester.
— Die Zahl der Aufführungen aller Art belief
sich im abgelaufenen Jahre auf 78. Davon waren
59 In Konzertform (8 darunter von der Grund-
schule ▼eranstaltete) und 19 in Bühnen-
dar Stellung (4 für Oper, 15 für Schauspiel).
Nach den Hauptjabresprüfungen, die vom
15. Februar bis 28. März stattfanden, konnten bei
der Schlussfeier am 80. März eine grosse Reihe
von Reifezeugnissen, teils für Unterricht und teils
für den Konzertsaal, Dirigentenamt, Komposition
u. s. w. erteilt werden. 4 Schüler erhielten Preis-
zeugnisse, 41 öffentliche Belobigungen. Das neue
Semester des Königl. Konservatoriums beginnt am
1. September.
Vermischte Nachrichten.
Als Ausklang der Weimarer Festtage am
9. und 10. Juni fand im Salon der Königl. Kammer-
sängerin FrL Augusta Götze zu Leipzig eine
sinnig poetische Nachfeier für den Dichter-
komponisten Peter Cornelius statt Cornelius
Bild stand im festlich geschmückten Saale vor der
schönen Silbernagerschen Liszt-Büste, beide
von Lorbeerkrftnzen umschlungen und verbunden.
Vor demselben sprach Frl. Augusta Grötze folgenden
von ihr selbst gedichtete^ Prolog:
Peter Cornelius, Dein sei die Stunde,
In der die Kl&nge Deiner Muse tönen,
Dir, der Erwählten Einem aus dem Bunde
Der Schaffenden, im ew'gen Reich des Schönen.
Nach langer Jahre sträflichem Vergessen
Hat man an jener Stätte Dich erweckt,
V/o ekler Ränke niedriges Vermessen
Dich und den grossen Freund so jäh erschreckt.
Ein Nachhall von der Ilm-Athener Feier
Sei unser Singen! Nimm es gütig an
Zwiefach Gfesegneter, dess' Doppelleier
Das Wort des Dichters tönereich umspann.
Wir sahen dort des Cides tragisch Schreiten,
Zu dem Dich Wagner's Genius entfacht,
Dann des Barbiers G^talt vorübergleiten
In sprudelnd reicher Melodienpracht.
Und wehmutvoll erinnert' ich der Stunde,
In der Dein Meisterwerk man frech verhöhnt,
In der*s gelungen jener bösen Runde,
Dass Werk und Schöpfer blieben lang verpönt.
Doch, wie Erhebung zog mir's dann durch's Herz,
Wenn ich gedachte, wie Du das getragen.
Empfunden hast Du wohl den herbsten Schmerz
Als Dir das Zischen roh ans Ohr geschlagen; —
Doch niedrig Tun vermochte nicht zu schwärzen
Den blanken Schild mit einem Hauche nur,
Der den umschloss, der gross im starken Herzen
Hinschritt auf vornehm reiner Lebensspur.
Was sie Dich leiden Hessen, nicht verbittert,
Nein hehr verkläret hat es Dein Gemüt;
Ob Deine Freunde standen schwer erschüttert
In Dir nur Dankes lichte Flamme glüht.
Des Dankes für den Meister, der dem Schaffen
Des jungen Freundes Halt und Schutz gegeben.
Des Dankes für die Künstler, die entraffen
Sich ihrer Kräfte Bestes für sein Streben,
Dass jenes Unheil, das sein Werk betroffen.
Nicht seine Künstler hätte schädigen sollen,
Dies war sein Denken, sein Bestreben, Hoffen
Nicht sich, nur ihnen galt sein heisses Wollen.
Dass die Margiane, die dem Ideale,
Wie's in ihm lebte, hold Gestalt verlieh,
Der Anerkennung Glorie umstrahle,
War all sein Wünschen! Sie, nur dacht' er, sie!
Und als dann der Betäubung Bann gewichen
Ob dem, was Niedrigkeit heraufbeschworen,
Ist er nicht schwach entgeistert wegg^eschlichen.
Nein, stolzen Mut sich zum G^ährt erkoren,
Zog neuer Stätte hoffend er entgegen,
Zu der des grossen Freundes Rat ihn sandte,
Der tief verstimmt, im edelsten Erregen
Sich grollend ab von Weimar's Bühne wandte.
Und neue Schaffenslust hielt den umfangen,
Den Ränke nicht gebeugt, nein, ihn erhoben.
Doch ach, des Lebens Forderungen hangen
Sich an den Strebenden; und oft zerstoben
Sieht er im Kampfe mit des Lebens Not
Sein ideales Ringen; fortgetrieben
Sein Langen nach dem Höchsten! Denn ihm droht
Die Sorge um das teure Haupt der Lieben.
„Stunden", seufzt er, „immer Stunden!
„Wer hat doch die Qual erfanden?
„An den Stuhl, wie angebunden,
„Sitzt man, bis der Tag entschwunden.^*
Tief schmerzt das ! Stunden nahmen ihm den Glauben
An seinen gottentstammten Genius,
Ihm durite bald den freien Aufflug rauben
Der harten Pflichten unerbittlich „Muss!"
Ward ihm die Qual erspart, ward ihm ein Leben
Statt von der Sorge Mächten heiss umstritten.
In voller Schaf fensfrische frei gegeben.
So war' dem Cid die GunlÖd nachgeschritten.
— 234
Im raschen Impuls! Pas vollendet Schöne
War' seiner Leier mühelos entglitten;
Jetzt fehlen ihr noch viele, viele Töne,
Um deren Fehlen einst er schwer gelitten,
Die ihm im Innern reich und herrlich lebten,
Die er uns Andern nicht mehr schenken sollte;
Die auf des Schöpfers Herzen drängend schwebten,
Das gross und vornehm, edelste G-ewollte.
Wenn seiner Liederperlen holder Reigen
uns ganz dahin nimmt in Bewundrungswonne,
Und wenn sein Abul Hassan ihm zu eigen
Das Anrecht giebt auf langen Ruhmes Sonne,
So war, mit Gunlöd das vielleicht geboren,
Was ihn den AUergrössten zugesellt! —
Doch, wenn wir tief beklagen, was verloren,
Ein Fühlen ist's, das unsem Schmerz erhellt:
Ein Grrösster war er in dem Menschentume,
Das über Kunst und irdischem Glänze schwebt,
Ein Opferreicher, wo es galt dem Ruhme,
Dass er nicht sich nur, Andern auch gelebt.
So lasst uns denn bei dieser Stunde Feier
Noch seines edeln Menschentums gedenken,
Der nicht nur Ideales gab der Leier,
Nein, der's gelebt! Heil seinem Angedenken!
Dem Prolog schlössen sich eine Reihe Lieder-
vorträge an, die mit einer Arie aus der unvollendeten
Oper „Gunlöd" und mit den beiden nach den
Original-Handschriften des Komponisten von Max
Hasse bei Breitkopf & Härtel neu heraus-
gegebenen Duetten : „In der Sternennacht** und „Ich
und Du'* schlössen. Die Ausführenden waren
Schülerinnen von Frl. Götze, sie bekundeten die
Lehrkunst ihrer Meisterin, die nicht allein als er-
fahrene Stimmbildnerin wirkt, sondern auch die
künstlerischen Fähigkeiten ihrer Zöglinge in hohem
Grade zu entwickeln weiss. Ganz besonders
zeichnete sich unter ihnen Fr. Lydia Wegener
aus, eine zu voller Künstlerschaft gereifte, tem-
peramentvolle Sängerin ; sie sang die „Gunlöd- Arie**
und zwei Lieder aus op. 1 und 4 „Nachts** und „In
Nacht und Schmerzen** mit warmer Empfindung
und geistig belebtem Vortrage. Die ganze Feier
mit ihrem stimmungsvollen Milieu, in welches die
intimen Schönheiten der Gomelius'schen Muse voll
hineinpassten, verlief in befriedigender Weise und
war dem Geiste des so früh geschiedenen Meisters
würdig angepasst.
Einen interessanten Verlauf nahm am Montag,
den 27. Juni, das von Herrn Musikdirektor Dienel
in der Marienkirche gegebene „Orgelkonzert**.
Er hatte eine ganze Reihe von Hilfstruppen hinzu-
gezogen, die das Konzert sehr mannigfaltig, nur
etwas zu lang gestalteten.
Zu allererst wäre die Mitwirkung von Frl.
Zitelmann*s Gesangschule zu nennen. Frl.
Zitelmann ist als Sängerin allgemein geschätzt:
nach den Proben, die ihre Schüler an diesem Abend
darboten, zeigte sie sich auch als ganz vorzügliche
Gesanglehrerin. Stimmbildung, Intonation und
Aussprache waren bei allen Damen vortrefflich.
Die Einzelleistungen natürlich je nach Talent nnd
gehabter Ausbildung verschieden. Am rei&ten
erschien uns Frau Kipp, die ihren grossen und
umfangreichen Sopran vollständig beherrscht; doch
auch Frau Meckel mit ihrer selten schönen Alt-
stimme und Frau Höhne mit ihrem lieblichen
Mezzosopran boten sehr Annehmbares. — Das
Konzert gab auch Gelegenheit, den Frauenchor
der Musikgruppe Berlin, der von Frl. Schal tze-
Wöhler dirigiert wurde, zum erstenmale öffent-
lich zu hören. Der Chor ist klein, besitzt aber
einige schöne Stimmen und erscheint sehr ent-
wicklungsfähig. Der Eindruck war ein guter. —
Der Cellist Herr Torm in spielte mit sehr schönem,
gesangvollem Tone Beethoven, Schubert und
Goltermann, und Herr Dienel bewährte sich,
wie stets, in Bach'schen und eigenen Kom-
positionen als ein Meister seines Instrumentes.
Am 4. Juli feierte in Dresden Professor
Hof rat Heinrich Döring, Lehrer am König-
lichen Konservatorium, seinen 70 Geburtstag. Ein
früherer Schüler desselben, Herr Richard
K a d e n (Direktor der pädagogischen Musikschule
zu Dresden) schreibt uns über seine Wirksamkeit:
„Döring ist mit der Geschichte des Dresdner
Konservatoriums aufs innigste verwachsen. Der
Schwerpunkt seiner Tätigkeit fällt in die 70er und
dOer Jahre. Als Dirigent der Elementarschule,
als Lehrer des höheren Klavierspiels, sowie als
Dozent der Musik-Pädagogik, die er in selbständiger,
schöpferischer Weise ausgearbeitet hatte, wirkte
er tonangebend auf den Geist des Institutes ein.
Nicht kam es ihm in erster Linie auf glänzende
Schülerleistungen an, sondern er wollte vor allem
die heranwachsende Generation zu einer edlen
Kunstpflege erzogen wissen. Döring ist nicht bloss
Pädagoge, sondern eine künstlerische Persönlichkeit.
Die Kunst, die er in seinem Herzen trägt, will er
der Jugend vermitteln. Aber auch als Pädagog
ist er nicht nur Methodiker, sondern wiederum
Künstler, der sich auf Grund der Beanlagung des
Schülers ein Ideal-Bild von diesem entwirft und
dieses zu verwirklichen sucht. Wenn man nach
dem Philosophen Krause zwischen Werken und
Wesen bildenden Künstlern unterscheidet, so ver-
einigt Döring beide Kunst-Gattungen aufs ^Hbk-
Uchste. Er ist Werke bildender Künstler — dafür
legen eine grosse Anzahl Kompositionen ein be-
redtes Zeugnis ab — , er ist Wesen bildender
Künstler, d. h. Erzieher, das bekunden seine an
die Tausende zählenden Schüler.
An dem 4. litauischen Musikfest, das zu
Pflngsten 1905 in Memel stattfindet, werden
sich Gumbinnen, Insterburg, Tilsit und Memel be-
teiligen. In einer am 18. Juni in Insterbui^g ab-
gehaltenen Versammlung der Vertreter der be-
teiligten Chorvereine wurde das Programm wie
folgt beschlossen: I.Tag: „Israel in Egypten^^ von
— 235 —
Händel; 2. Tag: .^Pastoralsymphonie^* von Beet-
hoven, Solo vortrage der 4 Vokalsolisten des Festes,
,Tedeum** von Brnckner.
Das Programm des vom 11.— 14. Angast unter
Felix Mottl's Leitung stattfindenden Salzburger
Masikfestes enth&It von Mozart'schen Kom-
positionen a. a. die grosse Cmoll-Messe in der
AIojs Schmitt'schen Bearbeitung, die Esdar-
Symphonie^ ein Violinkonzert, das G moll-Quintett
and Scenen aus der „Entführung ans dem Serail^*;
ansserdeni sind noch Bach, Beethoven, Brückner,
Händel, Liiszt, Schubert und Spohr im Programm
vertreten.
Man schreibt uns aus Milwaukee: Bas Musik-
leben Milwaukee's hat durch die nunmehr bald
einjährige Wirksamkeit des Kgl. Musikdirektors
Max Pnchat, welcher seit vorigem Jahr den
„Milwankee-Musik verein" leitet, einen bedeutsamen
Aufschwung genommen. Herr Puchat wurde aus
ca. 100 Bewerbern seiner Zeit gewählt, und
merkte man bald, dass die Wahl eine überaus
glückliche war, denn obwohl der Chor bei Herrn
Puchat's Amtsantritt in keineswegs bestem Zu-
stande gewesen, konnten doch bereits im ersten
Vereinskonzert die „Jahreszeiten^^ in wohlgelungener
Weise zur Aufführung gelangen. Den grössten
Triumph errang der Musikverein mit seinem
Schlusskonzert, in welchem der „Traum des
Gerontius" mit grossartigem Erfolge unter Herrn
Puchat's Leitung aufgeführt wurde. Die gesamte
englische sowohl als deutsche Presse zollte der
seltenen Leistungsfähigkeit des neuen Dirigenten
uneingeschränktes Lob. — Auch als Pianist und
Komponist lieferte Herr Direktor Puchat Beweise
hervorragender und vielseitiger Künstlerschaft.
Der Chef der rühmlichst bekannten Firma
„Hercules Hinz zu AI tona", Herr Hercules Hinz,
feierte am 10. Juli sein 25 jähriges Geschäftsjubiläum.
Büclicr und Musikalien.
J. Philipp: Exercices et Etudes techniques de
Piano pour la main gauche seule.
A. Oannd et Flli, Parti.
Nach einigen vorzüglichen Originalübungen
bringt der Verfasser 12 Etüden, gebildet durch
Transposition von einzelnen TJebuuf en aus Czerny's
»Schule des Virtuosen^S aus Stücken von Weber»
Hnmmel, Mendelssohn, Schumann (Toccata), Ph.
£. Bach, Chopin und anderen. Die Etüden No. 1
und 2 aus op. 10, die Terzen- und die Sexten-
Etüde von Chopin sind so nützlich und so an-
genehm zu studieren mit der linken Hand, dass
man sich wundem müsste, wenn ein Lehrer nicht
schon von selbst darauf gekommen wäre. Die
2. Etüde aus op. 10 hat Philipp auch logisch über-
tragen in symmetrischer Umkehrung, d. h. die
Stimmen des Parts für die rechte Hand um-
getauscht, sodass die linke nun auch die chroma-
tischen Gänge mit 3, 4, 5 ausführt. Eine solche
ümkehrung hätte ich bei der 11. Etüde aus op. 25
und dem Konzertstück von Weber nötig gefunden,
denn so wie sie für die rechte Hand geschrieben
sind, bieten sie der linken unnatürliche Schwierig-
keiten, die auch in der Praxis keine Verwendung
finden. Auch das Scherzo aus Chopin's H nioU-
Sonate .scheint mir zu „ antilinkisch ^. Vorzüglich
ist dagegen die üebertragung der 2. Etüde aus
op. 25 und der Schlusssatz der B moU-Sonate in
Oktaven, wobei nur die Vorschrift, sie auch
legato zu Üben, beim letzten Stück fast unaus-
fahrbar ist. Im Fingersatz verwendet Philipp bei
Läufen den Daumen öfter, als es bequem ist, und
den Fiogerwechsel zu wenig. Bei Thompson
in Boston gab Philipp ferner zwei Konzert-
studien für die linke Hand heraus nach
Chopin's Des dur-Walzer und der Sexten-Etüde.
Es sind feine, luftige Bearbeitungen, die des
Walzers auch voll Geist und Witz in der Verbin-
dung mehrerer Motive. Wie da plötzlich eine
Mazurka aufblitzt zum Lauf der linken Hand, das
ist höchst amüsant.
Man sollte mehr solche Studien für die linke
Hand bilden, aber in der symmetrischen Um-
kehrung, die so leicht zu machen ist, wenn man
von einem der beiden Mittelpunkte der Klaviatur
(d und as) ausgeht, Doppelgriffe und tonleiter-
artige Passagen müssten aber natürlich unverändert
benutzt werden.
Nachträglich lerne ich noch zwei Werke
Philipp' s kennen, die der in meinem Artikel über
ihn gegebenen Anregung, zu jedem Zweige der
Klaviertechnik eine Sammlung der besten Etüden *)
und der wichtigsten Stellen aus den Meisterwerken
herauszugeben, zuvorkommen : nämlich eine Schule
der Doppelgriffe und eine ebensolche der
Oktaven (bei Schirmer, (New-York). Beide Werke
sind angeordnet wie dasjenige über den Triller,
zuerst kommen Original-Üebungen, dann Etüden
verschiedener Autoren, schliesslich zahlreiche Bei-
spiele aus Werken aller Stile. Philipp besitzt
eine erstaunliche Kenntnis der Literatur; aus der
älteren werden manche technisch wertvolle Stücke
der Vergessenheit entrissen. Mertke's Oktaven-
schule hat nur 158 Beispiele, Philipp's dagegen 234.
In den übrigens geistreich systematisierten
Fingersätzen für Terzentonleitem wundert es mich,
dass Philipp noch die sogenannte Gabel: f f an-
wendet, die schon Bülow vermieden wissen wollte
und die auch bei Tausig, Rosenthal-Schytte nicht
*) Eine vorzügliche Bubrizierunff der Etüden
nach dem technischen Zweck bietet JE! sc hmann-
Ruthardt's Führer durch die Klavierliteratur.
Noch besser ist aber die lebendige Sanmilung.
— 236 —
vorkommt. Sodann wäre zu w ansehen, dass bei
chromatiscben Terzen der moderne Fingersatz mit
dem Gleiten des zweiten Fingers angegeben würde.
Da Philipp eine nene Ansgabe dieses Werkes ver-
anstaltet, berücksichtigt er darin vielleicht diese
Anregung. Die veralteten Fingers&tze bei Gzemj
könnten auch ersetzt werden.
Sonst aber besitzen auch diese Werke die
Vorzüge seiner andern Arbeiten, sie sind wohl
durchdacht, nttt^Jich und fesselnd für das Stadinm.
J. Vianna da Motta.
Vereine.
• Musik-Sektion
des Allg. Dentseken Lekrerinnen-Tereiiu.
Wir teilen unseren Mitgliedern mit, dass sich in
Mannheim und Düsseldorf zwei neue Gruppen
gegründet haben. Die Vorsitzende der Mannheimer
Gruppe ist Frl. Elise Keller, D. 7. 18, die Vor-
sitzende der Düsseldorfer Gruppe Frl. Charlotte
Blank, Camphausenstr. 27.
Ausserdem ist mitzuteilen, dass sich die
Musik-Sektion dem Allg. Wohlfahrtsverbande als
korporatives Mitglied angeschlossen hat. Näheres
darüber in den nächsten „Mitteilungen".
I. A.: Sophie Henkel.
I. Vorsitzende.
Jahresberiebt der Masikgrnppe Darmstadt.
Einige Monate später aJs sonst fand diesmal
die Hauptversammlung statt. Der Bericht erstreckte
sich demgemäss über die Tätigkeit unseres Vereins
über die Zeit vom Januar 1903 bis heute. - In
diesem Zeitraum fanden statt: 5 Mitglieder-
versanmilungen, 1^ Vorstand ssitzungen, ausserdem
8 Sitzungen der Konmiission für die Honorarfrage
und 2 Versammlungen sämtlicher Musiklehrenden
Darmstadt's, zu welchen die Anregung von unserer
Musikgruppe ausging.
Im verflossenen Vereinsjahr hat sich die
Grunpe um 5 neue Mitglieder vermehrt, ein Mit^
gliea verloren wir durch den Tod.
An dem Bestand der „Lesemappe" (sie
enthält: „Die Musik", den „Kl- Lehrer", „Die
Lehrerin", „Die Frau**, „Die Blätter für Haus- und
Kirchenmusik" und „Die Zeitschrift d. I. M. G.)
hat sich im Lauf des verflossenen Jahres nichts
geändert. Die musikalische Bibliothek hat sich
um Zusendungen von verschiedenen Verlegern ver-
grössert. —
An einem Vortrag des Herrn D. Bäht er aus
Leipzig über „Verborgenes Tonblühen" war unsere
Gruppe insofern beteiligt, als der Vorstand sich
um aas Zustandekommen der Veranstaltung be-
mühte und unser Mitglied, Frl. Schreiner, sich
dabei pianistisch betätigte. Ausserdem wirkten
noch Herr Professor Kwast und Frau, Frau
Anna öenff, Herr Hofm. Fritz Mehmel mit.
Bei der Generalversammlung des A. D. L. V. in
Dresden wurde die Gruppe vertreten durch Frl.
Dr. Mensch, die in der darauffolgenden Mitglieder-
versanmilung einen sehr eingehenden, interessanten
Bericht über die dort gepflogenen Verhandlungen
brachte. In dieser Versammlung wurde unsere
1. Schriftführerin, Frl. H. Streb, als 2. Schrift-
führerin in den Vorstand der Musiksektion gewählt
Das Hauptinteresse wurde im letzten Ver<5ins-
jahr wieder der Honorarfrage zugewandt, die
endlich im Oktober des verflossenen Jahres zu
einem befriedigenden Abschluss gebracht werden
konnte.
Es handelte sich vor allem darum, das
Publikum mit den geplanten Reformen bekannt
zu machen und von deren Berechtigung
und Notwendigkeit zu überzeugen, femer die
ausserhalb unserer Gruppe stehenden Musik-
lehrenden für ein gemeinsames Vorgehen zu ge-
winnen. Es kostete Zeit und Mühe, dies zu er-
reichen, aber der Erfolg blieb nicht aus. Namentlich
in den Kammermusikern Herrn Diedrich und
Mehmel fand der Vorstand eine kräftige Stütze
für seine Bestrebungen. Sie interessierten ihre
Kollegen für die Honorarfrage und unterstützten
uns bei den Vorarbeiten für eine Versammlung
sämtlicher hiesigen Musiklehrer und -Lehrerinnen.
Die erste allgemeine Versammlung, die im Sep-
tember stattfand, brachte noch nicht die erwünschte
Einigung, aber in einer zweiten, am 14. Oktober,
wurde der von unserem Vorstand und den ge-
nannten Herren ausgearbeitete Entwurf der neuen
Honorarbestimmungen einstimmig angenommen,
und fast sämtliche Anwesenden verpflichteten sich
durch Namensunterschrift, die neuen Bestimmungen
beim Unterricht einzuführen. Durch einen Bericht
in den hiesigen Blättern wurde das Publikum mit
den Beschlüssen der Versammlung bekannt ge-
macht, die neuen Bestimmungen wurden gedruckt
und haben seitdem in vielen Häusern zu Nutz
und Frommen des Lehrers wie des Schülers Ein-
gang gefunden. Ich denke, wir alle empfinden
täglich die Wohltat dieser Neuerung, die uns
nicht nur vor materiellem Schaden bewidirt. sondern
auch unsere Lehrtätigkeit durch die grössere
Begelmässigkeit im Unterricht weit erfreulicher
und erspriesslicher macht. —
In dem nun beginnenden Vereinsjahr soll den
Mitgliedern auf musikgeschichtlichem und musik-
pädagogischem Gebiet mancherlei Anregung ge-
boten werden; der Vorstand hofft, dass die
Gemeinsamkeit der Interessen unseres Standes die
Mitglieder zu einem immer festeren Zusammen-
schluss führen wird.
Jahresbericht der Mnslkgrappe Siegen.
Im verflossenen Winter fanden die Versamm-
lungen einmal im Monat statt und waren ziemlich
regelmässig besucht. Die Aufführungen der
„&nder-Tanz- und Volkslieder" von Jaques
Dalcroze brachten viel Anregung und wurde da-
mit ein schöner Kassenerfolg zu Gunsten der be-
stehenden Kranken- und Alters versorgungskasse
erzielt — Später wurden Statuten beraten und
festgesetzt.
Die zirkulierenden Journale, JOavierlehrer"
und „Rheinische Musik- und Theaterzeitung* gaben
zu manchem anregenden Gedanken- und Meinungs-
austausch Veranlassung. Ebenso die von Herrn
D. Rahter aus Leipzig in Köln veranstalteten
Abende — „ Vorführ aiig modemer Klaviersachen" - ,
welche von drei Gruppen mitgliedem besucht wor-
den sind. Ein schöner Beweis für das Interesse
der Mitglieder, denn die Reise nach Köln ist ein
ziemlicher Kostenpunkt.
Die Gruppe besteht zur Zeit aus 10 ordent-
lichen xmd 5 ausserordentlichen Mitgliedem.
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Expedition und Verlag ^er Klarier- Lehrer^, M. Wolff, Berlin W., AnsbacherstraBse 87.
Druck: J. S. Preuss, Berlin S.W., Kommandantenstr. 14.
Der KlavieF-Lebrer.
Musik-pädagogische Zeitschrift für alle Qebiete der Tonkunst.
Organ der Deutschen Musiklehrer-Vereine,
der Musik-Sektion des A D. L-V. und der tonkünstler-Vereine
zu Köln, Dresden, Hamburg, Leipzig und Stuttgart.
Begründet 1878 von Professor Emil Breslaur.
Redaktion: Anna Morsch
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Die Muskel n.
Die Muskeln sind Massen , welche aus roten,
äeiscbigen Pasern bestehen (sie sind Identisch mit
Fleisch), die die Knochen gewissermassen einhüllen,
indem sie sich vermittelst der Sehnen an ver-
schiedenen Knochenteilen ansetzen, dieselben mit
einander verbinden, (wie der Biceps, der seinen
Ursprung am Hakenfortsatz des Schulterblattes
hat und an der Speiche ansetzt) in der Zusammen-
ziehung sich verkürzend, die beideii Knochen,
an welchen sie befestigt sind, einander nähern.
Eine vollständige Erschlaffung tritt kaum
ein (siebe du Bois-Beymond Seite 204), da die
Mnskeln sogar im Ruhezustand gedehnt und elastisch
gespannt, als dauernd gespannte Stränge an-
zusehen sind. Durch ihre Kontraktilität (es ist
der Wissenschaft bis jetzt noch nicht gelungen,
das Wesen des Kontractionsvorgangs physiologisch
zu erklären — siehe Dr. R. du Bois-Reymond,
Seite 201) bewirken sie, und zwar sie allein, die
Bewegungen der Glieder. Je nach Form und
Grösse des Muskels ist dessen Zusammen-
ziehnngsfähigkeit stärker oder geringer. Ihre
Kontraktilität ermöglicht den Gliedern, Widerstände
zn überwinden und vermittelt alle Bewegungen.
Die Muskeln bewirken je nach ihrer Lage und
Beschaffenheit Streckbewegungen, Beugebewegun-
gen, wieder andere wirken an- und abziehend; so
Von
JBltsAbetli Caland.
(Fortsetzung.)
gibt es zwei-, drei- oder mehrköpiige, breite, ring-
förmige, Hautmuskeln u. s. w. —
Als Fortsetzung des Muskels sind die
Sehnen zu betrachten; sie bestehen aus festerem
Stoff, sind dünner und setzen sich mit ihrem
äussersten Teile dem Knochen an, den Muskel auf
diese Weise dem Gliede verbindend: Endsehne.
Die Sehnen treten auch in verschiedener Form
auf, so wie eben erwähnt, als Eudsebnen, als
Zwischensehnen u. s. w. —
Es wäre jetzt unsere Aufgabe, eine kurze Be-
schreibung aller Muskeln des Oberkörpers, die wir
beim Klavierspiel gebrauchen sollten, folgen zu
lassen. Da man sich ohne bildliche Darstellung
eine nur unklare und ungenaue Vorstellung der
Muskulatur machen kann, so verweisen wir die-
jenigen, die sich darüber genauer zu unterrichten
wüuiichen, uuf die folgenden Bücher: „Anatomie
für Künstler" von August Froriep,
dritte Auflage 1899. und „Plastisch-Ana-
tomischer Handatlas" von Dr. Fritz
S c h i d e r , 1902, welch letzerer besonders in klarer
Weise eine deutliche Veranschaulichung des hier
Folgenden gibt.
Wir schicken voraus, dass es ausser unserer
Macht steht, einen jeden Muskel mit Bewusst-
s e i n an einer beabsichtigten Bewegung teilnehmen
zu lassen. Sogar die allergewöhnlichsten Be
— 242 —
w^nngen des täglichen Lebens, z. B. das Grehen,
das sich Setzen, das An- und Auskleiden, sind der-
artig komplizierte, sie sind f^erworbene Actionen
von Ganglienzellen, welche, nachdem sie oft in be-
stimmter Beihenfolge abliefen, nunmehr mit bevor-
zugter Leichtigkeit in derselben Art von statten
gehen" (siehe E. du Bois-Beymond ,,üeber die
Hebung", S. 25), und so ist es nur unsere Auf-
gabe, festzustellen, welche Muskeln wir mit Be-
wasstsein gebrauchen lernen sollen, damit die
anderen Muskeln, die mit diesen In natürlichem
Zusammenhang arbeiten, beabsichtigte Bewegungen
herrorbrlngen» Wir kommen hierauf später zurück.
Vor allen, andern Muskeln sei der „gemein-
schaftlicheBückenstrecker" („Extensor
trunci") genannt, der, wie uns sein Name sagt, die
Wirbelsäule aufrichtet und streckt; er ist der
längste Rückenmuskel, der mit seinen äusseren
Muskelbündeln an den Lendenwirbel und an den
unteren Hand der zehn letzten Bippen ansetzend,
zu beiden Seiten des Bückgrats vom Becken bis
zum Schädel verläuft.
Seine Antagonisten (auf die Bedeutung der
Antagonisten kommen wir später zurück) sind die
Bumpfbeuger, erstens der „Darmbeinlenden-
muskel'' (M. iliopsoas), der, wenn der Bücken-
strecker arbeitet, diesem entgegengespannt ist, damit
derselbe genau gehende Bewegungen ausführt. Er
entspringt zu beiden Seiten der Lendenwirbelsäule,
vereinigt sich mit dem Hüftbeinmuskel und setzt
sich am Oberschenkel an.
Zweitens müssen hier die Muskeln genannt
werden, die um die Taille herum mitarbeiten und die
in ihrer Mitwirkimg, der Wirbelsäule und dem
Schultergelenk eine Stütze verleihen. Die Bauch-
mnskulatur trägt zur Steif ung der Wirbelsäule
bei (siehe B. du Bois-Beymond, Seite 262 und 270),
während sie auch die seitlichen Bewegungen des
Oberkörpers bei fixiertem Brustkorb über dem
Becken veranlasst (also auch das Seitwärtsneigen
des Bumpfes bewirkt). — Sie wirkt auch er-
heblich mit beim starken Niederdrücken
der Hand auf die Tastatur. Es sind dies
die vier folgenden Muskeln: „der äussere schiefe
Bauchmuskel* (obliquus abdominis ext.); der
„innere schiefe Bauchmuskel", der „quere
Bauchmuskel*' und der „grade Bauch-
muskel" (rectus abdominis). — Der hier erst-
genannte Muskel, der äussere schiefe Bauchmuskel,
hat seinen Ursprung an den acht unteren Bippen
und begegnet mit seinen Zacken oben denen des
Sägemuskels und unten denen des Latissismus
dorsi; stellt sich also in direkten Zusammenhang
und Einfiuss mit beiden letztgenannten Muskeln,
die, wie wir sehen werden, für uns sehr bedeutungs-
voll sind.
Der „breite Bückenmuskel" (Latissismus
dorsi), hat seinen Ursprung an den Lendenwirbeln,
greift also ganz tief unten am Bücken ein, zieht
sich den unteren XeÜ des Backens umschliessend
bis zum Oberarm hinauf und setzt sich an den
kleinen Höcker des Oberarmkopfes an; er senkt
die Schulter und zieht den Oberarm nach unten
und hinten. Dies ist der Muskel, der eine
der bedeutendsten Wirkungen für den
vollen Kraftgebrauch des Niederdrückens
der Hand auf der Klaviatur ausübt. — Der
„Sägemuskel" (Serratus anticus) ist ebenfalls
von grosser Bedeutung für uns. Er entspringt an
den acht oberen Bippen, also an der Brust, und
setzt sich am inneren Band des Schulterblattes an;
er hält das Schulterblatt fest; seine obere Portion
senkt die Schulter und sein unterer Abschnitt
wirkt zur Hebung des Schultergelenkes mit.
Ferner bewegt der „rautenförmige MuskeP*
(Bhomboideus) das Schulterblatt aufwärts und
nach innen gegen die Wirbelsäule. Er verbindet
die oberen Brustwirbel und das Schulterblatt.
Der „Kappenmuskel" (Trapezius), dessen
unterster Teil das Schulterblatt nach unten, dessen
mittlere Portion den hinteren Band des Schulter-
blattes gegen die Wirbelsäule bewegt, während
die Arbeit des ganzen Muskels mit gleichzeitiger
Zurückziehung des Schulterblattes eine Drehung
des untersten Wirbels im lateralen Sinne bewirkt,
beginnt am Bückgrat und den Hals- und Brost-
wirbeln und setzt sich am Schlüsselbein and an
der Schultergräte an.
Dieser Muskel sowohl wie der nun folgende
„kleine Brustmuskel" (Pectoralis minor) sind
gleichfalls für uns sehr wichtig. Letzterer ent-
springt an der dritten, vierten und fünften Bippe
und setzt sich am Hakenfortsatz des Schulter-
blattes an. Er zieht das Schulterblatt nach unten,
also fusswärts.
Als sein Antagonist weare der „Aufheber des
Schulterblattes" (Levator scapulae) zu be-
trachten, der, wie sein Name uns sagt, das
Schulterblatt hebt und also gegengespannt wirkt,
wenn dasselbe nach unten gesenkt wird. Er hat
seinen Ursprung an den vier oberen Halswirbeln
und setzt oben am Schulterblatt an.
Die gleichzeitige Zusanmienziehimg des Säge-
muskels und die Dehnung des rautenförmigen Muskels
bewirken die Fixierung des hinteren Bandes des
Schulterblattes. —
Es folgen jetzt die Muskeln, die den Oberarm
im Schultergelenk nach aussen und innen, den
Arm also auf der Klaviatur nach oben und unten
bewegen, ihn heben und senken. Zuerst sei
hier wieder der oben beschriebene „breite Bücken-
muskel genannt, der nicht allein auf die Schulter,
sondern auch kräftig auf den Arm einwirkt.
Der , grosse Brustmuskel " (Pectoralis
major) entspringt am Schlüsselbein, an der Vorder-
fläche des Brustbeines bis zur sechsten Bippe —
sein Ansatz befindet sich am Oberarmknochen.
Er wirkt stark an den Körper anziehend, zieht
den Oberarm gegen die Vorderseite der Brust und
rollt ihn wie gesagt nach innen.
243
Der ^grosse randliche Muskel^ (Teres
major) zieht den Ann nieder und beugt ihn, wenn
«ach nicht in bedeutendem Masse nach innen. £r
entspringt am nnteren Teil des Schulterblattes und
setzt sich am Oberarmhöcker an.
Der , Untergrätenmuskel'' (Infraspi-
natus), der ebenfalls unten am Schulterblatt seinen
Ursprung hat, am grossen Höcker des Oberarmes
ansetzt, hebt den Arm und dreht ihn nach aussen
<8upiniert).
Der „Del toideus'S der dieselbe Wirkung
ausübt, d. h. er hebt und zieht nach aussen und
innen, entspringt am unteren Hand des Schlüssel-
beins, am äusseren Band des Acromions und an
der Schnltergräte und setzt in der Mitte an der
Aussenseite des Oberarmes an. —
Wir kommen jezt zu der Aufzählung der
Muskeln, welche den Unterarm bewegen.
Zuerst sei der „Biceps" (zweiköpfiger Muskel)
genannt; derselbe entspringt am Hakenfortsatz
des Schulterblattes und setzt sich an der Speiche
an; seine Hauptfanktion ist die Beugung des
Vorderarms im Ellenbogengelenk, indem er den
Unterarm dem Oberarm nähert; ausserdem wirkt
er beugend auf das Schultergelenk und wirkt auch
nach aussen drehend auf den Unterarm ein, indem
er die Speiche rotiert
Der „Triceps'' (dreiköpfiger Armmuskel)
streckt den Vorderarm; er setzt sich am oberen
Teil des Ellenbogens an und entspringt mit seinen
drei Köpfen an dem äusseren Band des Schulter-
blattes und an der hinteren Fläche des Oberarm-
knochens. Der lange Kopf vermag auch beugend
auf das Schultergelenk einzuwirken.
Der Biceps und Triceps sind Antagonisten;
sie stehen in fortwährender Gegenwirkung; wenn
der eine Muskel arbeitet, ist also der andere ent-
gegengespannt.
Der „innere Armmuskel^ (Brachialis
internus) beugt den Vorderarm; sein Ursprung
befindet sich vorne am Oberarm und sein Ansatz
an der Elle. Ausser diesem letztgenannten Muskel
und dem Biceps ist der dritte Beugemuskel des
Ellenbogens, der „Arm - Speichenmuskel**
(Brachio-radialis), früher Supinator longus genannt;
er reicht mit seinem Ursprung an den äusseren Band
des Oberarmknochens und setzt sich nahe am
unteren Ende der Speiche an dessen vorderem
Bande an. Diese drei Beugemuskcln sind auch von
grosser Wirkung für das von uns wiederholt an-
gegebene innere aktive Pizieren (Festhalten) der
Glieder, hier des Ellenbogens.
(Fortsetzung folgt.)
JS^ue ausgäbet) äll^epcF Kla^icriobcFl^c.
Von
Jos^ Tianna da Hotta.
(Foiisetzung.)
Zu den Meistern, die am dringendsten einer
Bearbeitung für den praktischen Gebrauch be-
dürfen, gehört J. S. Bach, weil er der Interpre-
tationskunst gänzliche Freiheit lässt. Hieraus aber
mit Saint-Saens zu schliessen, dass es zweck-
los Bei, seine Werke aufzuführen, weil man doch
nicht wissen könne, wie der Autor sie nüanziert
habe, ist sicher falsch. Interessant ist es, dass
ungefähr zur selben Zeit, als Saint-Saens sich
gegen die Aufführbarkeit Bach's aussprach,
S. Ochs voriges Jahr in der Allgemeinen Musik-
Zeitung den Buf nach „mehr Bach** erhob. Selbst
wenn es nicht möglich wäre, den Stil für Bach's
Werke zu treffen, den der Meister selbst gewollt
— und in allen Punkten wird man ihn sicher
nie erraten — , so ist es doch notwendig, sich
irgend einen Stil, der, unserem Empfinden
nach, dieser Musik angemessen ist, dafür zu finden
and mit aller Kraft dahin zu arbeiten, dass diese
Wunderwerke immer und immer wieder zum
Leben erweckt werden. Bach vemachlälssigen
biesse eine der grössten Kulturmächte der Mensch-
beit untergehen lassen.
Zum Glück sind ernste Musiker bemüht, von
Bach nicht nur Urtextausgaben zu veranstalten,
— die hier von grösserer Wichtigkeit sind, weil
Bach am meisten entstellt worden ist im Lauf
der Zeiten — , sondern auch Bearbeitungen, die
einen gesunden, lebendigen Stil dafür aufstellen.
Als Urtextausgabe der Klavierwerke betrachte ich
die von Bischoff (Steingräber) als mustergiltig,
für den Stil hat B u s o n i neuerdings das Be-
deutendste geleistet.*)
Leider stand letzterer bisher allein und lässt
immer noch auf den so nötigen 2. Teil des wohl-
temperierten Ellaviers warten. Jetzt ist aber ein
Bachbearbeiter erstanden, der durch ihn angeregt
erscheint und den man ihm fast ebenbürtig nennen
kann. Es ist Muggelini (auch ein Italiener!),
Klavierprofessor am „Liceo musiceJe*' in Bologna«
Muggelini hat bei Bicordi vier Bände Bach-
scher Werke herausgegeben, die man mit geringen
Einschränkungen als meisterhaft bezeichnen kann.
Der erste Band (mir unbekannt) enthält 23 leichte
Stücke, die drei anderen bringen ausgewählte
*) Vgl. im Klavierlehrer vom 1. April 1903
meine Besprechung einer Bachausgabe Busoni's.
— 244 —
französische, englische Saiten nnd Partiten. Ich
bedanie, dass der Herausgeber sich zu sehr von
der Idee des praktischen Gebrauchs leiten liess und
aus dem Grunde, weil der Schüler unmöglich
alles von Bach studieren könne, einige weniger
wertvolle Suiten nicht aufgenommen hat. Seine
Ausgabe ist aber nicht nur für Schüler, sondern
für jeden Musiker von hohem Wert, und so
wünschte ich, dass Muggelini selbst die ge-
ringeren Suiten bearbeitet hätte. Für einen
schweren Eehler halte ich es ferner, dass in dem
Band der englischen Suiten die bedeutendste von
allen, die Suite in D-moll, fehlt, weil der Verfasser sie
zu schwer fand für die Stufe, auf der die andern
stehen, sodass er sie später mit anderen, den
schwierigsten Stücken Bach's, zusammen heraus-
geben will. Das sollte nicht sein, sondern alle
englischen Suiten müssten im selben Bande stehen.
Da der Herausgeber so freimütig um Vorschläge
zu Aenderungen bittet, so erlaube ich mir, auf das
entschiedenste zu empfehlen: in einer späteren
Ausgabe alle Suiten zu bringen. Dies betrifft aber
nur die äussere Anordnung. Die innere Arbeit
lässt fast keinen Wunsch unerfüllt. In der Nüan-
zierung, Tempobezeichnung, Fhrasierung, Aus-
führung der Verzierungen herrscht ein reifer, vor-
nehmer Geschmack, gründliches Wissen, Vertraut-
heit mit allen Eigenheiten des Bach'schen Stils.
Sehr interessante, tiefgehende, klare Analysen sind
den komplizierten Stücken beigegeben. Nur eins
vermisse ich dabei: den Hinweis auf die so
wichtige typische Modulation im 2. Teile aller
Tanzstücke: bei Durstücken der Abschluss in der
Parallel - Molltonart, bei Mollstficken in der
Dominante oder Durtonart der Ober- oder Unter-
terz. Muggelini analysiert die Form und deutet
zwar oft durch Doppelstriche die Unterteilung an,
aber auf die Modulation sollte noch bestimmter
hingewiesen werden. Auch fehlt der Hinweis auf
den Wechsel des Rhythmus in den Couranten:
8 X 2 ^>^d 2X9- Alle Anmerkungen sind sonst
erschöpfend, von grossem Interesse und bedürfen
einer Uebersetzung, um diese hochwichtige Aus-
gabe in Deutschland verwendbar zu machen. Der
Verlag wird uns hoffentlich bald eine deutsche
Ausgabe schenken.
In der Fhrasierung wünschte ich öfter ein
Absetzen an anderer Stelle.*) Auch könnte öfter
*) Zum Beispiel in der englischen Suite in
A-moU
nicht : y^ _- _ -^ nicht :
^JL^'ril^^^
sondern:
sondern:^
In der G-moll-Suite:
der Beginn einer Phrase durch Trennnng^ des
Balkens plastischer hervortreten. Sonst ist sie
jedoch musterhaft. Der Fingersatz ist darchaus
modern, auf Tausig*s und Bülow's uner-
schütterlichen Prinzipien gebaut und reif durch-
dacht. Beim konsequent durchgeführten Finger-
wechsel (wohltuend berührt der immer angegebene
Fingerwechsel bei Trillern und Pralltrillern) scheint
mir Jedoch die Fingerfolge in der linken Hand:
2 13
nicht gut, man sollte da immer den Daumen anter
die Hand nehmen: iS 2 1, die Drehung vom 2. zum
8. Finger ist unbequem. Ebenso in der rechten
Hand
nicht: 8 4 9
i
Auch nicht: i 2 i 2
sondern
M
4 8
^
rt
=efc=:
oder:
sondern:
Sehr fein ist die schwierige Frage der Triller-
anfänge gelöst. Ob die Triller in der Sarabande
der französichen E-dur-Suite nicht trotz des me-
lodischen Terzenschritts doch mit dem Nebenton
beginnen könnten, lasse ioh dahingestellt.
Im Gkkuzen ist Muggelini's Ausgabe auf das
dringendste zu empfehlen, es ist die definitive
Ausgabe der Suiten und Partiten.
Ueber den Druck muss noch bemerkt werdeD,
dass er an Unübersichtlichkeit leidet wegen der gar
zu grossen Notenköpfe und der zu grossen Ent-
fernung derselben von einander. Es wäre zu
wünschen, dass für die deutsche Ausgabe ein neuer
Stich gemacht würde. Es ist auffallend, wie weit
der deutsche Notenstich allen andern überlegen ist.
Auch möchte ich den Verfasser bitten, zu über-
legen, ob es nicht besser wäre, anstatt die Aus-
führung jeder einzelnen Verzierung in einem be-
sonderen System anzubringen, sie nur im Text
einzufügen. Ich weiss wohl, dass der Herausgeber
durch Beibehaltung der Originalzeichen das Bild
des Urtextes bewahren wollte, da aber unser
ganzes Schriftsystem mit Hecht nach einer mög-
lichst plastischen Darstellung strebt, so sollte
man keine symbolischen Zeichen bringen, sondern
gleich die auszuführenden Noten, damit der Text
direkt zu uns redet. Es genügte, die alten Zeichen
im Vorwort anzuführen und zu erklären. Eine
ausgeschriebene Verzierung spielt man erfahrungs-
gemäss viel melodischer und im Zusammenhang,
als die immer gewissermassen als Nebensache an-
gesehenen Verzierungszeichen. Der Text gewinnt
dann auch an Klarheit, wenn die so häufigen
Doppelsysteme wegfallen. Und wieviel Raum
würde gespart!
Von Beethoven's Sonaten sind zwei neue
Ausgaben erschienen. Das grösste Interesse erregt
die von Eugen d' Albert veranstaltete (bei
Forberg in Leipzig erschienene) durch die Be-
— 245 —
deatoQg des Künstlers, der sich als genialer
Beethoveninterpret den grössten Rnf neben Bttlow
errungen hat. Bülow's Bestreben war, seine Auf-
fassung der Werke möglichst genau schriftlich zu
fixieren. Unwillkürlich geht man an d'Alberts
Aasgabe in der Erwartung, daraus zu erfahren,
wie ein so hervorragender Künstler diese Werke
spielt. Aber man sieht gleich, dass d 'Albert von
ao deren Prinzipien ausgeht. Er leiirt sich eine für
uns bedauerliche Reserve auf und will als „Heraus-
geber** möglichst zurücktreten, so dass er nur wenige
Ergänzungen der Originalzeichen gibt, nur hie imd
da eine Anregung, wahrscheinlich in dem Bestreben,
die Individualität des Spielers nicht einzuengen
(s. oben). Aber hier wäre es gerade vom höchsten
Werte gewesen, durch seine Ausgabe genau die
Auffassung eines solchen Meis'ters bekannt zu
machen, selbst dem, der keine Gelegenheit hatte,
ihn spielen zu hören. Immerhin erhalten wir in
dem Wenigen, das d' Albert aus seinem Innern uns
gönnt, wertvolle Winke.
Anmerkungen, wie sie Bülow gibt, die den
Blick in ungeahnte Tiefen erschliessen, findet man
bei d'Albert nicht, auch hier dieselbe Reserve.
Seine wenigen Anmerkungen beschränken sich auf
ganz allgemeine Bezeichnungen des Charakters oder
des Vortrags. Einiges ist gewissermassen dikta-
torisch gesprochen, ohne Erläuterung, dabei gegen
Bülow polemisch gerichtet, ohne ihn zu nennen,
so z. B. das Verbot, den Akkord im 4. Takte der
Sonate op. 26 zu «brechen und die lakonische Be-
merkung bei der berühmten Rückgangsstelle im
ersten Satze von op. 106: „Natürlich ais^^ Bülow
ist zwar zuerst für dieses als eingetreten, später
aber davon zurückgekommen. Man lese über diese
ganze Stelle die ungemein klare und überzeugende
Darlegung in Klindworth's Ausgabe, der Bülow
beistimmte. Auch sagte dieser, dass man das Auf-
lösungszeichen wirklich im Manuskript Beethoven's
entdeckt habe (s. meine „Studien bei Bülow^). Wie
kommt es nun, dass d' Albert das ais so natürlich
findet? Er gibt uns leider nicht seine Gründe.
Ziemlich zahlreich sind die Angaben zur Ausführung
der Verzierungen, wobei d' Albert nicht peinlich
genau den alten Regeln folgt, sondern seinem
äusserst feinen und reifen G^eschmack. Aber auch
hier fehlen Anweisungen bei manchen Trillern, die
mehrere Lösungen zulassen.
(Fortsetzung folgt.)
@i^ Sii)2sHn)it)e der Kii)deF.
Von
Dr. Treitel.»)
Der Singstimme der Kinder ist bisher von
physiolog^cher Seite noch wenig Aufmerksamkeit
geschenkt worden. Und doch verdient sie dieselbe
nicht minder als die der Erwachsenen, sowohl vom
theoretischen als praktischen Standpunkte. Der
Beginn, der Umfang und das Wachstum der kind-
h'chen Stimme sind ganz geeignet, uns einen Ein-
blick in ihre physiologischen Verhältnisse zu ge-
wahren, während von der richtigen Beurteilung
derselben ihre zweckmässige praktische Ausbildung
abhängt.
Die Untersuchungen, die bisher in dieser Rich-
tnng gemacht wurden, sind teils nur an einzelnen
Individuen angestellt, teils umfassen sie das schul-
pflichtige Alter. Ueber den Stimmumfang im
eigentlichen kindlichen Alter fehlte es, wie der
Physiologe Vlerordt in Gerhardt's „Handbuch
der Kinderkrankheiten" schrieb.
Auf meine Veranlassung hat im Jahre 1891
Herr Eduard Engel, Lehrer für Stimmbildung
nnd Sprachstörungen in Karlsruhe, an kleinen
Kindern umfassende Untersuchungen gemacht,
deren Resultate er mit dankenswerter Selbstlosig-
keit mir zur Veröffentlichung überlassen hat. Ehe
*) Mit gütiger Erlaubnis des Autors aus der
Zeitschrift „Prometheus", No. 766, Veriag R. Mücken-
berger, Berlin, entnommen.
ich auf dieselben eingehe, will ich von den wenigen
Angaben in der Literatur Über musikalisches Gehör
der Kinder im ersten Lebensjahr berichten, obgleich
Ich der Ansicht bin, dass es in der Wirklichkeit
häufiger vorkommt. Siegismund's Knabe sang
schon im Alter von einem Jahre einfache Melodien.
Stumpf berichtet, dass seine 9 Monate alte Tochter
Jeden Ton, der auf dem Klavier angeschlagen wurde,
richtig wiedergab. Das Kind von Dvor&k hat im
Alter von l^s Jahren den Fatinitzamarsch gesungen.
Meine eigenen Kinder, ein Elnabe und ein Mädchen,
haben im ersten Jahre auch schon einfache Melodien
nachgesungen, wie „Kommt ein Vogel geflogen''
(natürlich noch nicht die Worte).
Ueber den Umfang der Stimme findet sich bei
Meckel die allgemein gehaltene Angabe, dass er
bis zum sechsten Jahre eine Oktave betrage, femer
dass manche Kinder beide Register besitzen.
Vierordt veranlasste einen ihm befreundeten
Musiklehrer, den Stimmumfang seiner kleinen
Kinder zu bestimmen. Der Knabe, 5 Jahre alt,
sang sechs ganze Töne, das 8% Jahre alte Mädchen
sang zwischen d^ nnd A*, also auch sechs Töne,
erreichte aber noch bequem c^. Demnach würde,
folgert Vierordt, „schon bei Beginn des Knaben-
alters der Stimmumfang an Tiefe bedeutend ge-
winnen, an Höhe etwas verlieren^. Diese Behaup-
=- 246 —
tang aber würde erst bewiesen werden müssen
dnrch üntersnclinng vieler Knaben in verschiedenen
Lebensaltern.
Ausführliche Tabellen bringt Vierordt über
die Stimme schnlpüichtiger £[inder, welche einige
Mnsiklehrer in Tübingen anf seine Anregung
prüften. Es ergab sich, dass den Mädchen aller
Altersklassen von 6 bis 18 Jahren sechs ganze
Töne, von e^ bis c% eigen waren, ihre Stimme also
nicht von grösserem Umfang als bei den jüngeren
Kindern war; bei den EInaben gleichen Alters be-
trug der Umfang nur ö^/j Töne.
Meckel berichtet von der Stimme der Schul-
kinder, ohne sie genau geprüft zu haben, dass der zum
Chorgesang verfügbare Tonumfang von den Gesang-
lehrem auf höchstens zwei Oktaven geschätzt werde.
Die Untersuchungen von Engel über den
Stimmumfang sechsjähriger Kinder bestätigten im
wesentlichen die Angaben Vierordt's. Er be-
rechnete nicht den durchschnittlichen Umfang,
sondern bestimmte prozentualiter nur die Anzahl
für einen und denselben Umfang.
So fanden sich unter 624 Knaben im Alter
von 6 Jahren, welche zur Untersuchung kamen:
J3,3 ^/o mit dem Umfange von 4 Tönen, c^ bis /i,
14»5 n n n n w & n i C^ n S\
16,67 „ „ „ „ » 6 „ , c* „ a*,
unter 691 Mädchen:
4 o/o mit dem Umfange von 4 Tönen, c^ bis /*,
10,28 „ „ „ „ ^ ^ n iC^ r, g\
8,7 „„ „ . . 6 . , ci . a\
5,35 . „ „ „ 7 , , ci „ AS
13,89 . „ , , , 8 . , ^1 . A
Bemerkenswert war, dass die tiefen Töne/, gj
a, A, c^ in diesem Alter bereits bei dem vierten
Teil aller Knaben und dem dritten Teil aUer
Mädchen vorhanden waren. Die Knaben bedienten
sich im allgemeinen des Bmstregisters, und das ist
nach Engel für sie das Natürliche, während die
Mädchen ohne Schwierigkeit und Anstrengung
Kopf- und Brustregister anwenden können. Von den
Knaben haben 82,7 und von den Mädchen 78,6 %
ein gutes musikalisches Q-ehör. Leider fehlt es an
Angaben darüber, wie viele von den Kindern
wegen eines Ohrleidens ein musikalisches Gehör
nicht hatten.
Diese Untersuchungen hatte Engel schon
1889 veröffentlicht*). Auf meine Veranlassung hat
derselbe noch 314 Kinder, 138 Knaben und
176 Mädchen, im Alter von 2^/2 bis 5 Jahren, auf
ihre Singstimme untersucht und ist zu denselben
Resultaten gekommen, wie bei den sechsjährigen
*) Ueber den Stimmumfang sechsjäh-
riger Kinder und den Schulgesang. Ham-
burg, Verlagsanstalt und Druckerei A.-G„ 1889.
Kindern. Insofern unterscheiden sich die Unter-
suchungen von Engel von denen von Vierordt,
als manche Kinder weniger als 6 Töne haben,
andere mehr, 7 bis 8 Töne, also eine ganze Oktave.
Bereits in diesem Alter ist die tiefe und hohe
Lage der Stimme genau zu unterscheiden. Das
musikalische Gehör war im ganzen besser als bei
sechsjährigen Kindern, doch fand Engel es nicht
nötig, dasselbe in Zahlen auszudrücken. Die Kraft
der Stimme war im allgemeinen der körperlichen
Entwicklung proportional, doch war sie auch bei
dem jüngsten Kinde gross genug, um den Umfang
seiner Singstimme feststellen zu können.
„Der Stimmumfang*, schreibt Engel, „ist von
der besonderen Individualität abhängig und variiert
von drei ganzen Tönen bis zu zwei vollen Oktaven.
Den geringsten Umfang fand ich meistens bei
Kindern mit geringem musikalischem Grehör, und
den Umfang von zwei ganzen Oktaven fand ich
nur bei einem dre^ ährigen Mädchen. Ein Stimm-
umfang von 1^/2 Oktaven ündet sich bei Mädchen
recht häuüg, bei gleichaltrigen Knaben seltener.
Die Mädchen sind den Knaben in dieser Altersstufe
auch in der Stimmentwicklnng voraus und besitzen
in den meisten Fällen einige Töne mehr. Es haben
Kinder mit tieferer Stimmlage immer einen geringeren
Umfang als diejenigen mit hoher Stimme."
Auf Grund dieser Untersuchungen ist mein
Gewährsmann der Ansicht, dass mit geringen Aas-
nahmen jedes Kind die Stimmmittel für den Ge-
sang besitze, und er stellt die Behauptung auf,
dass ein Kind das Nachsingen von Tönen auf den
Vokal viel leichter lernen wird, als das Nachsingen
von Sprachlauten. Als Grund gibt Engel an,
dass die Bildung einzelner Vokale leichter statt-
findet als diejenige von Worten, Er beruft sich
auf die bekannten Beispiele, wo Kinder nachsingen
konnten, ehe sie sprechen konnten (s. oben).
Die verhältnismässig geringe Zunahme des
Stimmumfangs beruht auf der anatomischen Ent-
wicklang des kindlichen Kehlkopfs. Derselbe
wächst nicht vor der Pubertät, daher hat die Stimme
von jährigen Kindern denselben Umfang wie die
der sechs- bis zwölfjährigen. Bei den Mädchen
beginnt die Pubertät schon im 12. Jahre, daher
fängt in diesem Alter auch schon die Stinmie an,
einen grösseren Umfang zu gewinnen. Bei Knaben
tritt die Pubertät erst mit dem 15. Jahre ein. Aber
wie Engel festgestellt hat, sind die Mädchen
schon in der Kindheit den Knaben an Umfang der
Stimme überlegen.
Während der Verstand zum Sprechenlemen
notwendig ist, ist er zum Singen nicht nötig. £6
gibt musikalisch begabte Idioten und unter ihnen
sogar Talente.
^» *^-)^
— 247 —
Mitteilungen
von HochBohulen und KonserYatorien«
Der Direktor des Grossherzoglichen Eon-
serv atorinxns für Musik zn Karlsruhe, Professor
Heinrich Ordenstein, wnrde an Stelle des aus-
geschiedenen Generalmusikdirektors Felix Mottl
zum Mitglied der musikalischen Sachver-
ständigen-Kammer für Württemberg, Baden
and Hessen ernannt.
Der 20. Jahresbericht des Grossherzog-
lichen Konservatoriums für Musik in Karls-
ruhe, Direktor Professor Heinrich Ordenstein,
verzeichnet für das abgelaufene Studienjahr eine
Frequenz von insgesamt 663 Zöglingen. Unter
ihnen ^w^aren 470 Schüler des Konservatoriums,
157 Hospitanten und 36 Kinder, die in dem Kursus
der Methodik des Klavierunterrichts unterwiesen
wurden. Im Laufe des Jahres fanden 24 Auf-
führungen statt, IL davon als Öffentliche Prüfungen
im grossen Saale des Museums, 13 als Vortrags-
abende im Konzertsaal der Anstalt. Die Gross-
herzogin Luise von Baden, die hohe Protektorin
der Anstalt, gewährte unbemittelten begabten
Schülern wieder reiche Stipendien, von der Stadt
Karlsruhe erhielt das Konservatorium einen Jahres-
zQschuss von 3000 Mark. Weitere Zuwendungen
bestanden in einem schönen Flügel von Nanette
Streicher aus dem Anfang des 19. Jahrhunderts
von Herrn Hofpianohändler Maurer und zahl-
reichen Büchern und Musikalien für die Bibliothek.
~ Das neue Schuljahr beginnt am 15. September.
Das Haff-Konservatorium zu Frank-
furt a. M., welches unter dem Direktorium der
Herren Professoren Maximilian Fleisch uudMax
Schwarz steht, war nach seinem 22. Jahresbericht
im abgelaufenen Schuljahr von 170 Eleven besucht,
▼OD denen 47 den Vorbereitxmgsklassen angehörten.
An musikalischen Aufführungen fanden statt:
16 Vortragsabende im Saale der Anstalt, 6 öffent-
liche Prüfungen, 3 dramatische Aufführungen auf
der Bühne vor geladener Kritik. — Die Bibliothek
der Anstalt erhielt auch in diesem Jahre wieder
reiche Zusendungen an Büchern und Musikalien.
— Das neue Studienjahr beginnt am 1. September.
Die Kaiser Franz Josef-Musikschule
des Vereins Konkor dia zu Kremsier vollendete
das 36. Jahr ihrer Tätigkeit. Die Anstalt war im
Laufe des Jahres von 163 Zöglingen besucht, Unter-
richt wurde in Klavier, Streichinstrumenten, Gesang,
Chorgesang und Musiklehre erteilt. Begelmässige
Orchesterübungen, an denen sich auch Musikfreunde
der Stadt beteiligten, haben sehr zur Hebung des
Musiklebens und zur Aaregung für die Schüler
beigetragen. Ausser 5 Schüler -Vortragsabenden
veranstaltete der Lehrkörper der Anstalt einen
Kammermusik-Abend zum Besten der Unter-
Btützungskasse und ein Festkonzert zum Namens-
tage des Kaisers.
Anton Sistermans, der bekannte Konzert-
sänf er, hat sich vom Oktober d. J. am Konser-
vatorium Klindworth-Scharwenka, Berlin,
für eine Heihe von Vortragsstunden verpflichtet.
Der Festakt und das Festkonzert zur
Säkularfeier der Königlichen Musikschule
Würzburg verlief in ebenso würdiger, wie
glänzender Weise. Zum Festakt hatten sich die
Vertreter der staatlichen und städtischen Behörden,
der Rektor des Gymnasiums, der Direktor des
Schullehrerseminars, Vertreter der Konservatorien
zu München, Frankfurta.M., Aschaffen-
burg und viele andere Abgesandte eingefunden;
die Kantate „Wachet auf^S ^^^ eleu Schülern der
Anstalt gesungen, leitete die Feier stimmungsvoll
ein, die Festrede hielt der Direktor, Hofrat
Dr. K 1 i e b e r t. Der Rektor der Universität,
Dr. Kunkel, überreichte eine prächtig aus-
gestattete Glückwunschadresse, der Bürgermeister,
Hofrat V. M i c h e 1 , ein goldenes Buch, Frau Pro-
fessor Prym stiftete 10,000 Mark für unbemittelte
begabte Schüler. Das Festkonzert fand am Nach-
mittag im Schrannensaale statt; in der
Hauptsache von Lehrern und Schülern der Anstalt
ausgeführt, nahm es einen glänzenden Verlauf und
brachte Herrn Hof rat Kliebert, der am Schluss
den „Aufzug der Meistersinger und Begrüssung
Hans Sachsens^ aus Wagner's Oper selbst leitete,
begeisterte Ovationen. — — — Die Königliche
Musikschule war in diesem letzten Jahre von
ingesammt 944 Schülern besucht, von denen 233
die Musik berufsmässig studierten, die übrigen
waren Hospitanten der Universität, der beiden
Gymnasien xmd der Chorgesangsklassen. An musi-
kalischen Auf führungeu fanden statt : 6 Abonnements-
konzerte und ein Kirchenkonzert unter Mitwirkung
sämtlicher Lehrkräfte der Anstalt, 3 Vortrags-
abende, 4 Morgenunterhaltungen und eine Schluss-
aufführung, von den Schülern der Anstalt ausgeführt.
Das neue Schuljahr beginnt am 19. September.
Das HeidelbergerKonservatorium,
welches unter der Direktion der Herren Otto
S e e 1 i g und Heinrich Neal steht, beendete
mit Ablauf dieses Schuljahres das erste Jahrzehnt
seines Bestehens. Aus kleinen Anfängen hervor-
gegangen, erstreckt sich der Lehrplan der Anstalt
jetzt bereits auf alle theoretlBchen und praktischen
Fächer der Tonkunst, die Anzahl der £leven ist
im beständigen Steigen und erreichte im letzten
Jahr die Zahl von 115. Es fanden 5 öffentliche
Schüleraufführungen statt und zum Schluss zur
Feier des 10jährigen Bestehens der Anstalt eine
musikalisch-deklamatorische Aufführung von J. G.
Her der 's dramatischer Dichtung: „Admetus
Haus" mit der dazu von Direktor Heinrich
Neal komponierten Musik für Sopransolo, Frauen-
chor und Piauoforte. Der ausgegebene Jahres-
bericht ist durch eine beachtenswerte Studie von
— 248 —
Heinrich Neal „lieber die Grenzen des Inhalts
in der mehrstimmigen Mosik^* eingeleitet.
ProfefeNSor Jnlins Johannsen, der lang-
jährige Lehrer und spätere Direktor des Peters-
burger Konserv atoi iums, ist Anfang
August inLodJa-Paloniem, Einland, 79 Jahr
alt, gestorben. Johannsen, aus Kopenhagen
gebürtig, studierte unter Mendelssohn und
Moscheies auf dem Leipziger Kon-
servatorium und siedelte 1848 nach Bussland
über. 1 866 bot ihm Anton Bubinstein eine
Professur für Harmonielehre am Petersburger Kon-
servatorium an, Anfang der 90er Jahre wurde er
Direktor desselben und blieb bis 1897 auf diesem
Posten.
Unter der Direktion des städtischen Musik-
direktors Herrn Traugott Ochs wird im Sep-
tember in Bielefeld ein „Konservatorium für
Musik* eröffnet werden.
Aus dem Lehrkörper des Wiener Konser-
vatoriums sind am Schlüsse des Schuljahres
die Herren Professor Dr. Gänsbacher und
Kammersänger Staudigl ausgeschieden. Die
Direktion hat an ihre Stelle den geechätzten Ge-
sanglehrer des Dresdener Konservatoriums, Herrn
August Iffert, und die Konzertsängerin Frau
Marie Seiff-Katzmayr für das Institut ge-
wonnen. Beide beginnen ihre Tätigkeit am An-
fang des neuen Schotjahres.
Die Grossherzogliche Musikschule in
Weimar hat im vergangenen Jahre nach dem
jetzt vorliegenden Jahresberichte 70 Schüler und
92 Schülerinnen unterrichtet. Aus dem G-ross-
herzogtum Sachsen stammten 97, während die
anderen sich auf die verschiedensten Staaten des
In- und Auslandes verteilten. An öffentlichen
Aufführungen fanden 3 Orchester-, 2 Chor- und
Kammermusikauführungen, sowie ein Vortrags-
abend statt. Zur Anschaffung von Lehrmitteln
spendete der Grossherzog die bedeutende Summe
von 8000 Mark, wozu noch 2000 Mark von der
Weimarer Sparkasse kamen. So wurde es möglich,
das Lehrmittelinventar der Blasinstrumente zu er-
gänzen und den Bau einer Konzertorgel in Auftrag
zu gehen. Die Bibliothek ist im Berichtsjahr auf
0056 Werke angewachsen.
Vermischte Nachrichten.
Frl. Helene Staegemann, die bekannte Kon-
zeitsängerin, wurde anlässlich ihrer Mitwirkung in
einem Hofkonzert zu Schwerin zur Grossherz.
Mecklenb. Kammersängerin ernannt.
Professor Josef Joachim erhielt das Gross-
komthurkreuz des Grossherz. Mecklenb. Greifen-
ordens mit dem Stern.
Oberregisseur Hermann Gura in Schwerin
wurde zum Grossherz. Mecklenb. Kammersänger
ernannt.
Herr Henri Hinrichsen, der Inhaber der
weltbekannten Firma C. F. Peters, Leipzig, er-
hielt vom König von Schweden und Norwegen
das Bitterkreuz I. Klasse des Norwegischen
St. Olaf-Ordens.
£ugen d'Albert und seine Gattin, Frau
Hermine d'Albert-Fink, werden gegen Ende
der nächsten Saison eine gemeinschaftliche Kon-
zeitreise nach Amerika unternehmen.
Das Lamoureux-Orchester aus Paris wird
unter Leitung seines jetzigen Dirigenten Mr.
Chevillard im Oktober in Berlin konzertieren.
Professor Dr. Ernst Jedliczka, der ausge-
zeichnete Pianist und vortreffliche Pädagoge, ist
am 8. August zu Berlin im 50. Lebensjahre ge-
storben. Jedliczka stammt aus der russischen
Stadt Poltawa und erhielt seine musikalische
Ausbildung auf dem Moskauer Konservatorium,
seine Lehrer waren die Professoren Klindworth,
Tschaikowsky und Nicolaus Bubinstein.
Nachdem er längere Jahre an der Anstalt als
Lehrer gewirkt, siedelte er nach Berlin über und
hat hier als Lehrer der Ausbildungsklassen am
Stern'schen Konservatorium eine grosse verdienst-
volle Tätigkeit entfaltet. Sein früher Tod ist ein
schwerer Verlust für die Anstalt.
Zwei Tage später wird aus Hamburg das un-
erwartete Ableben Professoi Arnold Kruges ge-
meldet, der, erst 56 Jahre alt, gleichfalls als an-
gesehener Lehrer des Hamburger Konservatoriums
und Komponist einer Anzahl liebenswürdiger Werke
sich einer grossen Beliebtheit erfreute. Arnold
Krug hat eine Beihe feiner sinniger Klavierstücke
für die Jugend geschrieben, ausserdem viele klang-
volle Männerchöre, die Kantate „Sigurd*, die
yBomanischen Tänze'S op 22 für Orchester u. A.
Professor Wilhelm Bischbieter, der aus-
gezeichnete Dresdener Musiktheoretiker und Korn*
ponist, feierte am 20. Juli seinen 70. Geburtstag.
Im Jahre 1834 in Braunschweig geboren, studierte
er bei Moritz Hauptmann und wurde 1862 als
Lehrer der Harmonie und des Kontrapunktes an
das Dresdner Konservatorium berufen, wo er
noch heute erfolgreich wirkt. Bischbieter's Bücher
über Musiktheorie sind aUgemein geschätzt und
eingeführt. Zahlreiche Aufsätze von ihm erschienen
in Fachzeitungen.
Hans Bichter ist vom König von England
zum Ehreninhaber der 4. Erlasse des Königin
Viktoria-Ordens ernannt worden.
Eugen Hildach teilt mit, dass er nicht von
einem Frankfurter, sondern von dem Wiener
Konservatorium der Gesellschaft der Musik-
freunde einen Antrag erhalten habe, die Stelle
eines Gesanglehrers zu übernehmen; im Interesse
seiner jetzigen Schüler habe er jedoch abgelehnt.
— 249
Der in weitesten Kreisen bekannte Musik-
historlker und Mosikästhetiker Hofrat Professor
Dr. Ednard Hanslick ist am 7. Angnst in
Baden bei Wien, 78 Jahre alt, ans dem Leben
geschieden. Hanslick, am 11. September 1825 zn
Prag geboren, trieb früh mnsikalische Studien
unter dem Komponisten Tomaschek, widmete
sich aber zunächst dem juristischen Studium und
trat 1849 in den Staatsdienst ein. Die Liebe zur
Mosik führte ihn jedoch zu eingehenden geschicht-
lichen und ästhetischen Studien, 1856 habilitierte
er sich an der Wiener Universität, wurde 1861
zun ausserordentlichen und 1870 zum ordentlichen
Professor ernannt, in welcher Stellung er bis zu
seinem 70. Lebensjahre verblieb. Grosses Ansehen
errang er sich durch seine Musikkritiken in den
Wiener Zeitungen, zuletzt an der „N. Fr. Presse**,
sein Urteil war jahrelang das tonangebende im
Wiener Musikleben. Sein im Jahre 1855 er-
schienenes Werk „Vom Musikalisch Schönen' er-
regte wegen der bestinmit ausgesprochenen forma-
listischen Tendenz grosses Aufsehen» es ist eine
Art ästhetischen Glaubensbekenntnisses und aus ihm
heraus ist Hanslick's spätere Stellung zur neu-
dentschen Richtung, sein Kampf gegen Wagner
ond seine Beformen leicht zu verstehen. Hanslick
veröffentlichte später: „Geschichte des Konzert-
wesens in Wien", verschiedene Werke über die
neueren Komponisten und die moderne Oper, eine
zweibändige „Autobiographie'' (1895). Alles, was
er schrieb, zeugt von umfassender Bildung und
gründlichsten Kenntnissen, sein Urteil war scharf
ond entschieden, dazu schrieb er einen glänzenden
Stil, gewürzt mit den Waffen des Humors und der
Satire und von scharfer Dialektik, Trotz seiner
feindlichen Stellung zu der modernen Musik und
ihren Meistern hat er sich überall als eine Persön-
lichkeit von starker Ueberzeug^ungstreue auch die
Achtung seiner G^ner zu erzwingen gewusst.
Ein inneres Leiden, welches ihn seit etwas länger
wie ein Jahr befallen, bereitete dem immer noch
Schaffensfreudigen das jetzt erfolgte Ende.
Die in ihrer Glanzzeit in ganz Deutschland
gefeierte dramatische Sängerin Aloyse Krebs-
Michalesi starb am 4. August in Dresden-
Strehlen. Sie war von 1850—1870 Mitglied der
Dresdener Hofbühne. Seit dem Tode ihres Gatten,
des Eofkapelimeisters Krebs, und ihrer Tochter,
der berühmten Pianistin Mary Krebs-B reu ning,
lebte sie in stiller Zurückgezogenheit.
Die grosse Orgel in der Marienkirche zu
Berlin wird auch während der Sommerferien jeden
Kontag, abends V/^ Uhr, vom Musikdirektor Otto
Dienel konzertmässig gespielt. Am 4. Juli wurden,
ausser Orgelkompositionen, Terzette, Arien, Lieder
nnd Streichquartette ausgeführt, Mitwirkende waren
der Königl. Württemberg ische Hof Opernsänger Herr
Albin Günther, Frau Marta Höhne, Frau
Constanze Meckel, Geschwister Else, Gertrud
und Bosa Paetzold, das Quartett der Herren
Merlin, Kronig, Sager und Liebermann,
Herr Herbert Förster und Musikdirektor Dienel.
Der Eintritt zu den jeden Montag TV« Uhr
stattfindenden Orgelvorträgen ist unentgeltlich.
Text-Programme werden am Eingang der Kirche
für 10 Pfg. verabfolgt.
In Halle a. S. fand Ende Juli eine B o b e r t
Franz-Feier statt, * welche der studentische
Gesangverein Fridericiana in Halle, dessen
ehemaliger Dirigent und Ehrenmitglied Franz war,
veranstaltet hatte. Der Feier wohnte ein zahl-
reiches Auditorium bei. Die Universität, deren
akademischer Musikdirektor Franz bekanntlich war,
war durch den Bektor Professor Dr. Lindner,
zahlreiche Professoren und Studenten vertreten.
Auch die Familie des Gefeierten und der Franz-
Biograph Dr. W. Waldmann waren anwesend.
Das Programm, mit dem Bildnis des Meisters ver-
sehen, enthielt ausführliche Erläuterungen. Die
Leitung lag in den Händen des neuen Dirigenten
der Fridericiana, königl. Musikdirektors Otto
Bichter aus Eisleben.
Die neue Bachgesellschaft hat sich u. a.
die hohe Aufgabe gestellt, den Werken des grossen
dentscben Tonmeisters Johann Sebastian Bach
eine belebende Macht im deutschen Volke und auch
in der übrigen Welt zu schaffen, wozu die regel-
mässig wandernden „Bachfeste*^ in erster Linie
beitragen sollen. Das zweite dieser Bachfeste
wird nun vom 1.— 8. Oktober d. Js. in Leipzig
stattfinden und bringt eine Fülle meist wenig
gekannter Schöpfungen Bach's, wie auch eini-
ger anderer zeitgenössischen Meister. Es ge-
langen Werke der verschiedensten Art zur
Aufführung weltliche und geistliche Gesang-
musik, wie auch Listrumentalmusik. Ausser der
üblichen Sonnabend - Motette finden statt: ein
grosses Orchesterkonzert im Gewandhaus mit
dem Gewandhaus-Orchester, ein Kammermusik-
Konzert im kleinen Saale des G(ewandhauses, ein
Gottesdienst mit Liturgie und Musik, ganz wie
zu Bach*s Zeiten, und zum Schlüsse ein Kirchen-
konzert. Die künstlerische Leitung hat Karl
Straube, Organist an St. Thomae in Leipzig und
Dirigent des Bachvereins, übernommen. — Die Be-
teiligung an diesen Konzerten ist auch Nichtmit-
gliedern der Gesellschaft gestattet und Freunden
Bach'scher Muse zu empfehlen.
Das LangenbachstiftinBonn, welches
bejahrten Musiker witwen und Musiklehrerinnen
eine Heimstätte bieten soll, wurde am 2. u. 8. Juli
seiner Benutzung übergeben. Die Kölnische Zeitung
schreibt über die Feier: „Zum Besten des Stifts
fand am 2. Juli in der Beethovenhalle zu
Bonn unter Musikdirektor Hugo Grüters ein
Konzert statt, das H a y d n 's „Schöpfung^ zum
Inhalt hatte und äusserst stark besucht war. Auch
künstlerisch nahm es einen hervorragenden Verlauf,
dank den frischen, prächtig klingenden Chören
und den solistischen Leistungen. Mitwirkende
— 250 —
waren: Frau Hiller-Kückbeil, Herr G. A.
Walter ans Düsseldorf und Herr Hofopern-
Sänger WillyFenten aus Mannheim. Herr
Professor Pranke führte die Orgelpartie meister-
haft durch. Der Ertrag des Konzerts kam der
Langenbach-Stiftung zu gut. — Weit draussen in
der Koblenzerstrasse erhebt sich das Haus des
Langenbachstifts: es ist ein prunkloser, aber
schmucker, modemer Bau, der nach dem Plan des
Begierungsbaumeisters Bahr vom Architekten
Keim errichtet worden ist. Es sind Räume für
nicht weniger als 40 Stiftsdamen vorgesehen, von
denen jede ein Wohn- und Schlafzimmer zu-
gewiesen erhält. Gemeinschaftlich sind Lese-,
Schreibzimmer, die Bibliothek, das grosse Speise-
zimmer und das einzige Musikzimmer des Stifts.
Die innere Einrichtung ist überaus wohnlich und
zweckmässig; ein geräumiger Garten mit weiten
Basenflächen fehlt nicht, nach hinten zu schliesst
sich an das Gebäude im ersten Stockwerk eine weite
Terrasse an, von wo aus der Blick das ganze
Bheintal bis zur Buine Godesberg und zum
Drachenfels umspannt. Im Musik- und Speisesaal
fand am 3. Juli vormittags der eigentliche Weihe-
akt statt. In der Mitte der ersten Sitzreihe hatten
die prinzlich Schaumburgischen Herr-
schaften mit Frau Langenbach zu ihrer
Bechten Platz genommen. Gönner beiderlei Ge-
schlechts, städtische Vertreter und sonstige Gäste
füllten den übrigen Baum. Vom Inneren Garten
her erklang weihevoll das altniederländische Volks-
lied „Wir treten zum Beten", von Militärmusikem
geblasen. Im Musiksaal sass Herr Ernst Wolff
inmitten eines aus seinen und Fräulein Sir^s
Schülerinnen gebildeten Damenchors, um die An-
wesenden mit Schubert 's Psalm „Der Herr ist
mein Hirt*^ zu begrüssen. Nach dem gesungenen
Wort trat das gesprochene in seine Hechte, zuerst
gereimt aus Kindesmund, dann in Prosa seitens
des Justizrats Meyer an Stelle des erkrankten
Vorsitzenden Justizrats Dr. Schumacher, darauf
des Oberbürgermeisters Spiritus, der dem Ver-
waltungs- und Finanztalent der Frau Langenbach
eine humorvolle Würdigung zuteil werden Hess,
und des Frl. Josepha Wüllner, die seit
langer Zeit namentlich in Köln eine begeisterte
Tätigkeit für den Verein entwickelt hat und
namens der Kölner Vereinsmitglieder eine kostbare
elektrische Lampe, von einer Kölner Dame ein
Legat, sowie ausserdem noch eine Summe Geldes
überbrachte. Bargiel's „Frühlingschor" verlieh
der Feier einen fröhlich stimmungsvollen Abschluss.
Ein Bundgang durch das Gebäude unter Vorantritt
der hohen Herrschaften ermöglichte den Gästen
erfreuliche Einblicke, denen sich hoffnungsvolle
Ausblicke in die Zukunft angliederten. Vorlaufig
reichen die vorhandenen Mittel zur Aufnahme von
acht Pensionärinnen, die der Feier bereits
beiwohnten und unter denen sich auch die beliebte
Kölner Gesangslehrerin JulieBotheuberger
befand. Mit dem Langenbach-Stift hat sich die
Wohltätigkeit zum erstenmal eines Gebietes be-
mächtigt, das ihrer so bedürftig ist wie nur irgend
eines. Sind schon Witwen und unvermählt ge-
bliebene ältere Damen im allgemeinen, in unserer
menschlichen Gesellschaftsordnung herzlich schlecht
gestellt, so bildet das Los, das die Musiklehrerinnen
und Musikerswitwen im Alter erwartet, einen
kläglichen Gegensatz zu der Freude, die sie w&hrend
ihres Wirkens eben dieser Gesellschaft erwiesen
haben. Unser Wunsch, dass das Langenbachstift
recht bald die ganze vorgesehene Anzahl von
Pensionärinnen aufzunehmen imstande sei, und
dass das Beispiel der Frau Langenbach recht
vielfache Nachahmungen finde, möge darum kein
platonischer bleiben".
Der Musikalienverlag von D. Bäht er,
Leipzig, beging am 13. August die Feier seines
25jährigen Bestehens. Die Firma wurde von
Daniel Bähte r, dem langjährigen Chef der be-
deutendsten Musikalienhandlung von A. Büttner
in Petersburg, im August 1879 zu Hamburg
gegründet und entwickelte sich stetig unter
seiner zielbewussten Leitung ; Namen wie
Tschaikowsky, B. Strauss, Arensky, Busoni, Cui,
Henselt, Beinecke, Schutt und viele andere kenn-
zeichnen die vornehme Bichtung, der auch die
Nachfolger, als Bahter im Jahre 1890 starb, treu
geblieben sind. Die geschäftliche Leitung lag seit-
dem in den Händen von Franz Schäffer, 1901
trat der älteste Sohn des Begründers, Herr
J. Ohr. D. Bahter in das Geschäft ein, und ihm
dankt die Firma eine Beihe von Erwerbungen
auf dem Gebiet der musikalischen Jugendliteratur:
Henriques, Karganoff, A. Krug, A. Nölck,
A. Tofft u. A., des Besten, was wir auf diesem
Gebiet besitzen. Durch eine Beihe von Vorträgen
in verschiedenen Grossstädten unter Mitwirkung
erster Kräfte hat sich Herr Bahter ein grosses
Verdienst um die Einführung dieser feinen Jugend-
literatur erworben.
Die Firma E. Bisping (Gründer und Inhaber
E. Bisping), Musikalien-, Piano-, Harmonium-
und Instrumentenhandlung in Münster i. W.,
feierte am 1. August ihr 35jähriges G^chäfts-
jubiläum.
251 —
Bücher und Musikalien.
<](«staT Beekmaiui, op. 6. „Zwölf Vor- nnd !Nach-
spiele für die Orgel".
8* D. BsedMkar» Eaaea.
Gustav Beckmann^s zwölf Vor- und Nach-
spiele für die Orgel (mit zwei Manualen) über
die bekanntesten und weit verbreitetsten pro-
testantischen Choräle sind für den Gebrauch
beim Gottesdienste gedacht und komponiert. Sie
beweisen, dass ihr Autor hinlänglich mit all dem
notwendigen, seinem Zwecke dienlichen technischen
Rüstzeug ausgestattet ist. Sämtliche Choral-
bearbeitungen zeichnen sich aus durch klare und
übersichtliche Disposition und durch fliessende,
selbständige Stimmenführung. Auch in der
Behandlung seines Instrumentes bekundet Gustav
Beckmann Umsicht und Sicherheit und versteht
sich auf die rechte Art, seinen Gedanken das er-
forderliche musikalische Kolorit zu verleihen. Die
Registrierung betreffenden Anmerkungen und Hin-
weise sind in nur beschränktem Masse g^eben,
genügen aber, um dem Spieler die künstlerischen
Intentionen des Tondichters nahe za legen.
Jos. KeSTera, op. 97. ,3icordanza*' für Violine
und Klavier.
Pr. A. Urbiaek, Vng.
Jos. Nebvera*s „Ricordanza** benannte kleine
Komposition erhebt sich nicht unwesentlich über
die Durchschnittslinie dessen, was gemeiniglich
unter der Flagge des musikalischen G^nrestücks
auftaucht. Der Komponist bietet Violinspielern
von guter Technik ein dankbares Vortragsstück,
dessen Klavierbegleitung unschwer auszuführen
ist und dessen hübscher melodischer Gedanken-
Inhalt eine Hervorhebung an dieser Stelle mit Fug
und Recht verdient.
0. Fr. Händel: „Sonata da Camera'' (H-moll) für
Orgel gesetzt von F. W. Franke.
Laalerbach A KmIih» Lelpslg.
Oben genannte fünf sätzige Sonate, im Original
für Flöte (oder Oboe) mit beziffertem Bass bestimmt,
hat durch F. W. Franke eine treffliche Bearbeitung
erfahren. Sie nimmt sich in ihrer neuen Gestalt
für Orgel (mit zwei Manualen und Pedal) trefflich
aus und erbringt den erfreulichen Beweis, dass
der Bearbeiter tief in das Wesen Händerscher
Kunst und Eigenart eingedrungen ist. Die Re-
gistrierung ist genau und verständnisvoll angegeben,
die Aussetzung des bezifferten Basses, bekanntlich
des öfteren eine etwas heiide Sache» mit musika-
lischem Feingefühl vollführt, sodass wir das Ganze
für den öffentlichen und privaten Gebrauch an-
gelegentlich zu empfehlen imstande sind.
Rnd. Frlml, op. 4. „Konzertetude'' (Fis-dur) für
Pianoforte.
Fr. A. Urbimek, Prtg.
Rud. FrimPs Konzertetüde (Fis-dur) ist eine für
Konzertzwecke wie Studium höchst verwendbare
Komposition, in der Erfindung zwar nicht sonder-
lich Neues bietend, aber in der Darstellung und
feinen Verwendung aller Klangeffekte des Piano-
fortes trefflich und von sehr brillanter Wirkung.
Sie bildet eine Akkordstudie vornehmerer Art, die
wir Virtuosen und allen, die es werden wollen,
recht empfehlen können.
Jean-Marie Leclair (rainö). Sonata VU. B-dur
für Violine oder Flöte mit
Pianofortebegleitung. Neuaus-
gabe von Rob. Eitner.
Breltkopf A Hartel, Leipslg.
Die Werke des altfranzösischen Violinmeisters
Jean-Marie Leclair des Aelteren wieder weiteren
Kreisen nahe zu bringen, darf als besonderes Ver-
dienst erachtet werden. Nachdem F. David früher
schon 9 Sonaten dieses Komponisten veröffentlichte,
hat Rob. Eitner die vorliegende Sonate B-dur für
Violine oder Flöte mit Continuo herausgegeben
und mit einer gut ausführbaren Klavierstimme ver-
sehen. Die aus vier Sätzen, nämlich Largo, AUegro
manon troppo, Aria undGiga bestehende Komposition
bietet reine unverfälschte Kammermusik und es
wäre sehr erfreulich, wenn des Herausgebers red-
liche Bemühung um die Wiederbelebung dieser
schönen Musik durch das Interesse ernsterer Freunde
der Tonkunst belohnt würde.
Eugen Segnitz^
Vereine.
Der Dresdener Masikpädagogische Tereiu
gab .der dankerfüllten Verehrung und auf-
richtigen Bewunderung für Herrn Richard Buch-
mayer, der als hervorragender Pianist und gründ-
licher Musikfqrscher in der Kunstwelt einen be-
deutenden Namen hat", Ausdruck durch dessen
Ernennung zu seinem Ehrenmitgliede. Das
künstlerisch prächtig ausgestattete Diplom, von der
Königlichen Hof buchdruckerei C. C. Meinhold
& Söhne hergestellt, wurde am Sonntag von den
Herren Königlichen Musikdirektor Seifhardt,
Kammervirtuos Scholtz und Direktor Zillmann
im Namen und Auftrag des Musikpädagogischen
Vereins Herrn Buchmayer überreicht.
Jahresbericht der Mnsikgrnppe Berlin 1908-04.
Unsere Gruppe zeigt das Bild einer stetig
ruhigen Weiterentwicklung. — Die Vereinsabende,
die regelmässig in jedem Monat stattfinden, wurden
verschönt und bereichert durch Vorträge, bei denen
die Damen Stieglitz, Leo zweimal, Kuypers,
Cassius, Arnheim und Sprengel, sowie Herr
Privatdozent Dr. Wolf beteiligt waren. Einen breiten
Raum beanspruchten bei den Sitzungen die Be-
ratungen über den Kongress und die Stellung-
nahme der Gruppe zu den offenen Fragen des
Musikpädagogischen Verbandes. Gesellige Abende
fanden in diesem Winter nicht statt. Der Besuch
der Vereinsabende war im ganzen ein erfreulieb —
— 252 —
und zeigte, dass das Interesse der Mitglieder für
die gemeinsame Arbeit allmählich zanimmt. Die
höchste Ziffer wurde an dem Vortragsabend von
Erl. Knypers erreicht. Einige Abmeldungen, die
grösstenteils dnrch Fortzng entstanden waren , er-
gänzten sich darch Neaanmeldnngen.
Der Verein zählt jetzt 154 ordentliche nnd
8 ausserordentliche Mitglieder. Als sehr bemerkens-
werte Neueinrichtung in diesem Jahre ist die Er-
öffnung der Bibliothek zu erwähnen. —
Der Bericht von Frl. Valerie Zitelmann
über die unter ihrer Leitung stehende Stunden-
vermittlung zeigt, dass diese nicht in dem ge-
wünschten und erstrebten Masse gewachsen ist.
Trotz dauernder Inserate und eifrigster Mühe-
waltung sind nur 9 Vermittlungen abgeschlossen.
Leider sieht sich Frl. Zitelmann gezwangen, ihr
Amt niederzulegen, eine Mitteilung, die allgemeines
und aufrichtiges Bedauern hervorrief. - Das Ergeb-
nis des Kassenberichts von Frl. Hedwig Ribbeck
kann als ein sehr günstiges bezeichnet werden.
Es war möglich, ein Staatspapier im Werte von
600 Mark zu erwerben und dieses der ünter-
stützungskasse zu überweisen. — Dieünterstützungs-
kasse wurde zweimal in Anspruch genommen, und
zwar wurde jedesmal eine Hilfe von 25 Mark gewährt.
Frl. HedwigBoldt erstattete den Bericht über
die Tätigkeit in der Bibliothek. Die Vorstands-
wahl ergabt als Kesuitat die einstimmige Wieder-
wahl des alten Vorstandes.
Jahresbericht der Matlkgmppe Halle a. 8.
Im Laufe des letzten Vereinsjahres sind inner-
halb der Gruppe erhebliche Veränderungen nicht
vorgekommen. Die Mitgliederzahl ist mit ^3
ordentlichen und 5 ausserordentlichen Mitgliedern
nahezu die gleiche geblieben. Eine kleine Neuerung
ist insofern eingeführt worden, als für die Vereins-
abende ein bestimmter Tag, Jeder dritte Donnerstag
im Monat, festgesetzt ist, damit es den Damen er-
möglicht wird, sich bei Zeiten für denselben frei-
zumachen. Ferner ist es der Gruppe gelungen,
für ihre Versammlungen ein Zimmer mit einiger-
massen gutem Instrument zu mieten, sodass die
von den Verlegern in reichem Masse eingesandten
Musikalien gleich praktisch demonstriert und auch
sonst nach Wunscn Musikstücke vorgetragen wer-
den können
Nachdem im Februar vorigen Jahres hierorts
die Honorarverhältnisse gemeinsam mit den
Lehrern neugeordnet und Prospekte gedruckt wor-
den waren, ergab sich die Notwendigkeit, auch
den Modus der Einführung zu besprechen, sowie
die Erfahrungen darüber auszutauschen, wie sich
das Publikum zu den Neuerungen stellte. Die
meisten Schüler, resp. deren Eltern haben anstands-
los die neuen Bedingungen acceptiert, und auch
diejenigen Lehrerinnen, welche anfangs den
Aenderungen abhold waren, sind recht zufrieden
und h-euen- sich namentlich der so wohlverdienten
und doch nicht honorarlosen Ferien. - Zu Beginn
des Winters 1903—04 waren es die Berichte über
den musikpädagogischen Kongress und die
darüber veröffentlichten Verhandlungen mit den
Früfungsentwürfen, welche in den Diskussions-
abenden das regste Interesse in Anspruch nahmen
und mehrere Abende ausfüllten. Auch einige der
von den anderen Gruppen gestellten Aufgaben
wurden besprochen, das Thema : „ Wie leitet man
den Schüler zur Modulation ?" schriftlich bearbeitet.
So waren die Vereinsabende voll ausgefüllt, und
das Verlangen nach anderer äusserer Anregung
machte sich kaum geltend. Erst zum Schluss des
Winters hatten wir die Freude, einen sehr inter-
essanten Vortrag des Hrn. Musikdirektor Hoff-
mann zu hören: „üeber die Entwicklung^ der
Musik bis ISOO"*. - Einmal beteiligte sich die
Gruppe an einer Veranstaltung des Lehrerinnen-
Vereins, nämlich bei einer Schwindfeier, die
nach den Michaelisferien stattfand. — Einen sehr
befriedigenden Verlauf nahm das Weihnachtsfest,
welchf s die Gruppe im engsten Kreise beging: nnd
bei welchem weder der strahlende Lichterbanm,
ncch Gesang und kleine Geschenke fehlten.
Eine Veranstaltung grössseren Stil's bildete
der zum Besten der ünterstützungskasse be-
stimmte Beethovenabend (IV. historische Mnsik-
abend) zu Ende des Wintersemesters; es war das
erste Mal, dass sich die Musikgruppe an die
Oeffentlichkeit wendete, da alle bisherigen Veran-
staltungen innerhalb des Liehrerinnen Vereins Ktatt-
gefunden hatten. Wenn auch der pekuniäre Er-
folg wegen der vorgerückten Saison kein sehr
glänzender wurde, so war doch der morallsclie
umso erfreulicher, als eine ganze Reihe tüchtiger
Kräfte sich als zur Musikgruppe gehörig doku-
mentieren konnten.
Der Lesezirkel der Gruppe erfreut sich dauern-
der Beliebtheit; es kursieren die Zeitschriften:
„Der Klavierlehrer", „Die Lehrerin", „Die allge-
meine Musikzeitung*, „Die Musik", „Die Signale",
^Der Kunstwart**.
Die dem Verein gehörige Bibliothek, die
über 100 Nummern aufweist, wird von Frau
Peneter verwaltet.
Jahresbericht der Maslkgnippe Stettin.
Im Jahre 1903 fanden in unserm Verein 7
Vorstandssitzungen und die Generalversammlung
statt Ausserdem hatten wir in Zwischenräumen
von 6—8 Wochen Mitgliederversammlungen, deren
Zahl sich auf 6 innerhalb des Jahres belief. Wir
besprachen auf denselben Dinge von allgemeinem
musikalischen Interesse, verlasen die eingegangenen
Arbeiten auf die von den verschiedenen Gruppen
gestellten Aufgaben und hatten für die beiden letzten
Zusanmienkünfte musikalische Vorträge veran-
staltet, die allseitigen Beifall fanden.
unter Anderen hielt am 8. März 1908 Frl.
Stieglitz-Berlin einen interessanten Vortrag über
„Musik und Ethik**, HerrM. Battke einen solchen
über ^Entwickelung des Tonsinnes" am 8. April.
Die anderweitige Tätigkeit unseres Vereins er-
streckte sich zunächst auf die Regelung der
Honorarfrage. Nach Aufstellung unserer Bedin-
gungen, die von allen Mitgliedern beraten und ge-
nehmigt wurden, Hessen wir Formulare drucken
und sämtlichen Damen zugehen.
Die Zahl der ordentlichen Mitglieder betrug
1908: 60 und die der ausserordentlichen: 78. Der
Vorstand wurde durch die Wahl einer weiteren
Dame vergrössert.
Ausgetreten ist ein Mitglied; durch den Tod
verloren wir die frühere Vorsitzende unseres Ver-
eins, die demselben als immerwährendes Mitglied
angehört hatte.
Der Kassenbericht ergab ein sehr günstiges
Resultat. Nach Abzug der Ausgaben von den
laufenden Einnahmen und den Zinsbeträgen haben
wir einen Kassenbestand von 8609 Mk.
Unter unseren Mitgliedern kursieren Lese-
mappen, die ausser dem .Klavierlehrer' und der
„Lehrerin^^ verschiedene von den Mitgliedern ge-
spendete Journale enthalten, wie z. B. Neue Musik-
zeitung u. a.
Unsere Bibliothek, welche eine frühere Musik-
lehrerin hochherzig gestiftet hat, enthält etwa
210 Hefte Musikalien und 10 theoretische Werke.
Bibliothekarin ist Frl. M. Rusch, Kronprinzen-
strasse 1.
— 253 —
Eine UnterrichtsvermittlaDg wurde ebenfalls
1908 ins Leben gerofen, ihre Inanspruchnahme
war yorlaofig nnr gering, doch hoffen wir auf ihr
Aofbltihen. Frl. Lösche, Grabowerstr. 35III,
verwaltet die Standenvermittluog.
Briefkasten.
Ein Abonnent fragt an: Gibt es ein Werk,
in welchem der Nutzen des Violinspiels für die
Geistesbildung im allgemeinen und für die
musikalische Ausbildung im besondeicn
behandelt wird? Gefällige Auskauft wird an die
Eedaktion erbeten.
Konservatorium der Musik
in Kassel
Gegr. 1896. Direktion: L Beyer. Gegr. 1895.
EhrenTOnlti: Begiemnn-Präsident tob Troll la 8«lSy
Ovsf KSml^dorfl; Bzeellenx Genenüin tob Coloab,
Oberbürgermeister MfllJer u. A.
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Für die Redaktion yerantwortlich: Anna Morsch, Berlin W., Ansbacherstr. 87.
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Musik-pädagogische Zeitschrift für alle Qebiete der Tonkunst
Organ der Deutschen Musiklehrer-Vereine,
der Musik-Sektion des h. D. L-V. und der Tonkünstler-Vereine
zu Köln, Dresden, Hamburg, Leipzig und Stuttgart,
Begründet 1878 von Professor Emil Breslaur.
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No. 17.
Berlin, 1. September 1904.
XXVII. Jahrgang.
Inhalt: Mustkpädagogischer Verband. Elisabeth Caland: Physiologisch-anatomische Betrachtungen zur Ausnützung der Kraft-
quellen beim Klavierspiel (Fortsetzung). Jose Vianna da Motta: Neue Ausgaben filterer Klavierwerlce. (Schluss). Mitteilungen
von Hochschulen und Konservatorien. Vermischte Nachrichten. BQcher und Muailralien, besprochen von Eugen Segnitz
und Dagobert Löwenthal. Anzeigen.
usil^pad&gogiscbcp Verband.
Kongress und Qeneral-Versammlung
6. bis 8. Oktober zu Berlin.
Die bereits in No. 11 des „Klavier-Lehrer**
gebrachte vorläufige Ankündigung über den
Termin und die Tagesordnung des 2. musik-
pädagogischen Kongresses kann heute
ergänzt und näher präzisiert werden. Der
Kongress findet bestimmt in den Tagen vom
6. bis 8. Oktober in Berlin statt; es sind bei
der grossen Fülle von wichtigen Arbeiten, die
ihrer Erledigung harren, Vor- und Nachmittags-
sitzungen in Aussicht genommen, ausserdem
Sondersitzungen der einzelnen Abteilungen. Die
genaue Tagesordnung mit den Namen der Vor-
tragenden, Referenten und der Reihenfolge wird
im September veröffentlicht und allen Mitgliedern
des Verbandes zugesandt; nachstehend folgt
die für jetzt projektierte Gruppierung, die, je
nach dem Verlauf, in Einzelheiten noch kleinen
Aenderungen unterworfen sein wird.
Die Aufgaben des Kongresses gliedern
sich in drei Gruppen: 1. Allgemeine
musikpädagogische Fragen wissenschaft-
lichen und theoretischen Inhaltes in Bezug
auf die Um- und Ausgestaltung der Seminare
zur Ausbildung für das Lehrfach; 2. Der
Kunstgesang und die Ausbildung der
Gesangslehrkräfte; 3. Reformen auf dem
Gebiete des Schulgesangs.
Allgemeine musikpädagogisohe Fragen.
Der erste Tag bringt nach den einleitenden
begrüssenden Worten des L Vorsitzenden,
Professor Xaver Schar wenka, zunächst
einen zusammenfassenden Bericht über die
auf dem vorigen Kongress angeregten und
seitdem geleisteten Arbeiten: Satzungen,
Prüfungsordnung, Honorarfrage, Ferien- und
Sonder kurse, Zusammensetzung der Prüfungs-
kommissionen u. s. w. In Bezug auf die
letzteren dürfen die Erfolge als hocherfreuliche
bezeichnet werden, die hervorragendsten Ver-
treter unseres Standes haben sich in den Dienst
unserer Bestrebungen gestellt und durch sym-
pathische Zuschriften bewiesen, auf welch'
fruchtbaren Boden der Gedanke der Reformen
gefallen ist. An diesen Bericht schliessen sich
die Referate über die laufenden Arbeiten an..
Die auf dem vorigen Kongress angeregten
Fragen: ^Sichtung des Unterrichtsmate-
rials", „Aufstellung von Lehrplänen**, führten
Herrn Musikdirektor Mengewein zu dem er-
weiterten Antrage, die Literatur der musik-
wissenschaftlichen Disziplinen in ähn-
licher Weise einer Durchsicht zu unterziehen
und passende Werke auszuwählen, die dem
seminaristischen Unterricht zu Grunde gelegt
— 258 —
werden können, bei ev. Mangel aber die Auf-
gabe zu stellen, neue zu verfassen, jedenfalls
aber auch für diese Unterrichtszweige Lehr-
pläne auszuarbeiten. Die durch den An-
trag gegebene Anregung führte zur Bildung
von Kommissionen, deren Mitglieder die Auf-
gabe übernahmen, die einschlägliche Literatur
der verschiedenen Lehrzweige durchzusehen
und die Werke auf ihre praktische Verwert-
barkeit zu prüfen; der Vorstand verpflichtete
sich ausserdem, bekannte tüchtige Kräfte aus
weiteren Kreisen zur Mitarbeit heranzuziehen.
Das Interesse an diesen nicht leichten
und jedenfalls Zeit und Mühe erfordernden
Aufgaben ist ein sehr reges, es wurden dem
Vorstand einerseits schon eine Reihe von
wertvollen Arbeiten eingeliefert, von denen
einige bereits in den Beiheften des „Kl.-L."
zum Abdruck kamen, andererseits erfolgten
Anmeldungen von bezüglichen Referaten für
den Kongress, die zum Vortrag und zur Dis-
kussion bestimmt sind. Es werden u. A.
sprechen: Herr G. Capellen-Osnabrück
„Reformen auf dem Gebiet des theoretischen
Unterrichts", Professor Walbrül-Stuttgart
und Fräulein Leo-Berlin „Die Pädagogik als
Lehrgegenstand im Musiklehrer-Seminar " ,
Fräulein Stieglitz-Berlin und Professor
Hennig-Posen „Die Musikästhetik und ihre
praktische Einführung", Herr L. Riemann-
Essen „Musikalische Akustik", Herr Musik-
direktor Mengewein „Das Musikdiktat und
seine Pflege". Die Referate über „Musikalische
Formenlehre", „Musikgeschichte", „Anatomie*^
u. A. stehen noch aus.
Dieser Teil der Verbandsaufgabe birgt einen
immensen erzieherischen Wert. Wird sie in
befriedigender Weise gelöst, erhalten wir gute
praktische Lehrbücher und Lehrpläne, die
sicher auf die gesteckten Ziele hinführen, so
wird den Konservatorien bei der Umgestaltung
der Seminare der Weg geebnet und die Ein-
führung der bisher nur nach Willkür gehand-
habten, oder auch noch gar nicht gepflegten
wissenschaftlichen Disziplinen erleichtert. Es
sei hier noch einmal betont und auf den
leitenden Gedanken bezüglich der Lehrpläne
hingewiesen, sie sollen kein Zwang sein,
keine Beschränkung der eigenen individuellen
Lehrmethode, sie sind vielmehr nur als Weg-
weiser gedacht und Niemandem wird die
Verpflichtung auferlegt, sich sklavisch nach
ihnen zu richten. Dass sie aber den Wünschen
und Bedürfnissen Vieler entgegenkommen,
hat jetzt schon die Erfahrung bestätigt: die
Nachfrage nach den zum grossen Teil frei-
willig eingereichten Vorarbeiten und Ent-
würfen zu Lehrplänen, die in den Beiheften
des „Kl.-L." zum Abdruck kamen, war
eine äusserst lebhafte, und von vielen Seiten
wurde der Befriedigung über ihre Veröffent-
lichung Ausdruck gegeben.
Auf dem Programm des ersten Tages stehen
ferner noch folgende Vorträge und Anträge:
Fräulein Toni Bandmann-Hamburg und
Herr Dr. Steinhausen - Hannover
„Ueber die Psychologie des Anschlags
und der Bogentecbnik".
Herr G. Capellen-Osnabrück: „Reformen
auf dem Gebiet der Notenschrift".
Herr Direktor Vogt-Hamburg: „Ausarbeitung
eines Führers durch die Klavierliteratur**.
Herr Robert Huch-Braunschweig: Noten-
leselehrmethode" .
Auf der Tagesordnung des zweiten Kon-
gresstages steht:
„Der Kunstgesang und die Ausbildung der
Gesangslshrkrftfts."
Vorträge zu diesem Thema sind von
folgenden Herren und Damen angemeldet:
Herr Hofopernsänger Siga Garsö-Bremen,
Fräulein Cornelia van Zanten-Berlin,
Herr Professor Carlo Somigli-London,
Frau Nana Weber-Beil, München.
Der dritte Kongresstag wird den
„Reformen auf dem Gebiete des Schulgesanges"
gewidmet sein.
Auf Wunsch der Regierung, welche diesem
Zweige der Arbeiten des musikpädagogischen
Verbandes grosses Interesse entgegenbringt,
wurde die bereits im vorigen Jahre zusammen-
getretene Kommission durch einige Mitglieder
erweitert, es waren die Herren Professor
Cebrian, Domsänger Rolle, Musikdirektor
Handwerg. Die Arbeiten erstreckten sich
zunächst auf die Ausarbeitung von Frage-
bogen, die zur Sammlung dokumentarischen
Materials an die Direktoren und Vorsteher
der Schulen versandt werden sollen. Da nach
einem neueren Reskript derartige Umfragen
der Genehmigung der Behörde unterliegen, so
mussten die fertiggestellten Entwürfe zunächst
dem Ministerium zur Begutachtung vorgelegt
werden. Der Fortschritt der Arbeiten erleidet
durch den noch ausstehenden Versand keine
Verzögerung, Material ist privatim in Fülle
gesammelt um die Reformfragen kräftig in
die Wege zu leiten. Zur Beteiligung und
zum ev. Referat liegen eine ganze Reihe
von Anmeldungen vor, einige darunter mit
— 259 —
Vorbehalt, da das Kommen der Referenten
von ihrer Urlaubserteilung abhängig isi. Zum
Wort haben sich gemeldet: Hr. Hänssel-
Leipzig, Hr. Ludwig Riemann-Essen,
Frl. Cornelie van Zanten und Fr.Dr.Müller-
Liebenwalde — hier, Hr. Robert Huch-
Braunschweig undHr.Emil Paul-Dresden.
Erwartet werden ausserdem zur Beteiligung:
Hr. Arno Werner-Bitterfeld, Hr. Gustav
Borchers - Leipzig, Hr. Dr. Niemeyer-
Landsberg u. s. w.
Das einleitende Referat übernimmt ein
Mitglied der Berliner Kommission. Es wird
an nachstehende Thesen anknüpfen:
Die Untersuchungen über die mangelhafte
Handhabung des heutigen Schulgesangunter-
richts haben das Ergebnis gezeitigt, dass die
Schuld hauptsächlich in der ungenügenden
Ausbildung der Fachlehrkräfte zu suchen ist.
Es gilt somit zu erörtern:
Welches sind die Schäden des heu-
tigen Schulgesangunterrichts?
Wie ist die Ausbildung der Gesangs-
lehrkräfte heut und wie müsste
sie sein?
Welches sind die Stätten, an denen
sie die heutige Ausbildung em-
pfangen? Wie müssten dieselben
reformiert werden?
Den öffentlichen Sitzungen fügt sich am
Schluss die General-Versammlung
des Musikpädagogisohen Verbandes
an, zu der nur die auf Grund der neuen, im
April versandten Satzungen in den. Verband ein-
getretenen Mitglieder und die Delegierten der an-
geschlossenen Vereine Zutritt haben. Die
Tagesordnung der Gen.- Vers, umfasst den ge-
schäftiichen und Kassen-Bericht, die Neuwahl
des geschäftsführenden Berliner Vor-
stand und des nach den Statuten vorge-
sehenen künstlerischen Vorstand von
6 Personen ausserhalb Berlins, Beschlüsse
über die auf den Kongress-Sitzungen neu an-
geregten Aufgaben, Berichte über begonnene
Arbeiten, die noch nicht weit genug gediehen
waren, um sie auf dem Kongress zu behan-
deln, weitere Aufgaben und Ziele des Ver-
bandes. Zu den begonnenen Arbeiten gehört
die „Verzierungslehre", die „Geschichte der
musikalischen Pädagogik", die „Nutzbar-
machung der älteren Klavier-, Violin- und Ge-
sangsmusik aus den Denkmälern deutscher
und österreichischer Tonkunst" für instruktive
Zwecke; weitere Aufgaben sind zunächst die
„Einrichtung von Ferien- und Sonderkursen
für jüngere Lehrkräfte". Die schon einmal
hierzu vom Vorstande ergangene Bitte um Vor-
schläge sei hiermit erneuert.
Alle Musikpädagogen Deutschlands, auch
des Auslandes, die sich für die Bestrebungen
des Verbandes interessieren, sind hiermit aufs
herzlichste zur Teilnahme an den Arbeiten
eingeladen und werden um recht zahlreiches
persönliches Erscheinen gebeten. Die vor-
liegenden hochwichtigen und für die Förde-
rung unserer Kunst und unseres Standes tief
eingreifenden Fragen bedingen eine Beratung
in möglichst grosser Gemeinschaft, ein Aus-
sprechen der eigenen Erfahrungen und Kunst-
anschauungen, ein persönliches Zusammen-
wirken zu schönem erstrebenswerten Ziele.
Der ernsteste WUle des Einzelnen ist macht-
los, nur die Vereinigung vieler Kräfte fördern
den Fortschritt des Werkes. Darum noch
einmal die Bitte um recht zahlreiches persön-
liches Erscheinen. —
Die Anmeldungen zum Kongress wer-
den möglichst bald an die Geschäftsstelle,
W., Ansbacherstr.37, erbeten, dieTeiln eh mer-
karten kommen nach dem 15. September
zum Versand. Es sei zum Schluss bemerkt,
dass Anmeldungen zur Diskussion zu dem
oben aufgestellten Programm noch stets will-
kommen sind.
zuF ^usi)iil*zui)g deF KFafl^qadlei) beiit) Kla^ieFSpieL
Von
£lisabeth Caland.
(Tortsetzimg.)
£b folgt jetzt der ^rundliche Einwärts- arm nach innen dreht; auch ist er starker Arm-
wender*^ (Pronator teres), der die für uns so über- benger; er hat seinen Ursprung am Oberarm und
ans wichtige Tätigkeit ausübt, indem er den Unter- seinen Ansatz in der Mitte der Speiche.
— 260
Wir gehen jetzt zu der Nennnng der Muskeln
über, die noch unmittelbarer die Hand bewegen;
es sei an erster Stelle des „viereckigen Ein-
wärtswenders** (Pronator quadratus) gedacht.
Die Hand setzt, wie wir es bei Beschreibung der
Knochen gesehen haben, an der Speiche an; dieser
Muskel bringt rait dem Pronator teres (siehe oben)
das für uns so bedeutungsvolle, scharfe nach innen
Wenden der Hand (starke Pronationsstellung) her-
vor, er entspringt an der Elle und setzt sich in
fast gleicher Höhe an der Speiche an und ist eine
dünne Muskelplatte, welche die beiden Unterarm-
knochen nahe ihrem unteren Ende verbindet.
Der innere Speichenmuskel oder „Speichen-
handbeuge r" (flexor carpi radialis) und der
»Ellenhandbeuger* (flexor carpi ulnaris) sind
kräftige Beuger des Handgelenks, sie bewirken
also die Beugung nach der Hohlhand hin; ersterer
hat auch eine adduktorische (anziehende) Wirkung.
Beide haben ihren Ursprung an dem inneren
Knochen des Oberarms, während der Erste an dem
Mittelhandknochen des Zeigefingers und der Letztere
am Erbsenbein und an den Mittelhandknochen des
fünften Fingers sich ansetzen.
Der „Ellenhandstrecker^ (extensor carpi
ulnaris) streckt das Handgelenk und wirkt auch
im beugenden Sinne auf das Ellenbogengelenk ein ;
sein Ansatz befindet sich am Mittelhandknochen
des fünften Fingers und sein Ursprung am äusseren
Knorren des Oberarms.
Es folgen noch der „lange und kurze
Speiche nhandstrecker" (Mm. extensores carpi
radialis longus et brevis), welche die Hand strecken
und überstrecken; sie wirken also auch bei dem
sogenannten „aus dem Handgelenkspiel" mit, auch
vermitteln sie die starke Beugung des Ellenbogen-
gelenks und bewirken mit dem obengenannten
Ellen- und Speichenhandbeuger die abziehende
und anziehende, also die Seitenbewegungen der
Hand im Gelenk nach aussen und innen. Beide
Muskeln entspringen am Oberarmknorren, der
lange befestigt sich am Mittelhandknochen des
Zeigefingers, während der kurze sich an dem des
dritten Fingers ansetzt.
Schliesslich sei noch des „langen Hohlhand-
muskels^ (Palmaris longus) gedacht, der Vorder-
arm und Hand beugt, am Oberarm entspringt und
an der Hohlhand sich ansetzt.
Die Beugemuskeln des Vorderarms haben
ihren Ursprung an der inneren Seite des Oberarm-
knociiens und die Streckmuskeln entspringen an
der äusseren Seite derselben.
Von den Muskeln, welche die Bewegungen
der Hand und Finger vermitteln, wäre der „ge-
meinschaftliche Fingerstrecker" (Extensor
digitorum communis) zuerst zu nennen. Er ent-
springt am äusseren Oberarmknorren, indem er sich
vom Handgelenk an in vier bandförmige Sehnen
teilt, die sich an der Kückenfiäche der Nagelglieder
der vier dreigliedrigen Finger ansetzen. Ausserdem
erhält der Zeige- sowohl wie der fünfte Finger
noch einen besonderen Streckmuskel, den „Zeige-
fingerstrecker'' (extensor indicis proprios) und
den „Kleinfingerstrecker** (extensor digiti
minimi proprius). Ersterer liegt verborgen unter
dem gemeinschaftlicben Fingerstrecker undLretzterer
befindet sich zwischen dem äusseren EUenhaDd-
Strecker und dem gemeinschaftlichen Fingerstrecker.
Ihre Wirkungen sind: Streckung und Ueber-
streckung der Finger (also Hebung der Finger).
Es folgen nun ,der oberflächliche und
tiefe Fingerbeuger' (Mm. flexor digitorum
sublimus et profundus), wovon ersterer (der „ober-
flächliche") das zweite Fingerglied xmd letzterer
(der „tiefe") das dritte Glied der Finger beugt.
Der erstgenannte entspringt mit seinen Sehnen am
Oberarmknorren, während der tiefliegende Beuger
seinen Ursprung an der Elle hat. Der oberfläch-
liche Fingerbeuger setzt mit vier starken Sehnen
am Mittelglied des zweiten, dritten, vierten und
fünften Fingers und der tiefliegende ebenfalls mit
vier Sehnen am Nagelglied derselben Finger ao.
Man sieht, wie weitgreifend die Wirksamkeit
der Beuger ist, indem sie über verschiedene
(relenke hinweggehen; sie wirken nicht allein
beugend auf die Finger, aber auch im selben Sinne
auf das Ellenbogengelenk, so wie sie eine starke
Beugung auf das Handgelenk ausüben. Ans
diesem Grunde ist ein Spiel mit gebeugten Fingern,
weil viel beherrschter, auch stets dem mit gestreckten
Fingern vorzuziehen.
Die „Spnlwurmmuskeln" (Mm. lumbricales).
die sich auch an der Beugung des vorletzten Finger-
gliedes beteiligen, sind lange, dünne Muskeln, die
an dem vorderen Hand der vier Sehnen des tiefen
Fingerbeugers ihren Ursprang haben und nach dem
Bücken der Finger durchtrete^, indem sie in die
Streckmuskeln übergehen.
Die „Zwischenknochenmuskeln" (Mm. in-
terrossei externi) die äusseren, die am Brücken der
Hand liegen und den zweiten, dritten, vierten und
fünften Finger spreizen, sind stärker wie die „Mm.
interrossei intemi"; diese sind die innenliegenden,
welche mit ihrem fleischigen Teil mehr in die
Hohlhand treten, diese letzteren schliessen die
vier Finger der Hand. Sie sind von Bedeutung
für das von uns so oft betonte „Ausdehnen" und
„Zasammenziehen" der Hand und Finger (siehe
„die Deppe'sche Lehre des ELlavierspiels", Seite 35):
ausserdem wirken sie zur Streckung des zweiten
und dritten Fingergliedes mit.
Jetzt wären noch der „Abzieher, Beuger,
Zuzieher und Cregensteller des Daumens"
und die verschiedenen Muskeln des Kleinfinger-
ballens wie: „Abzieher, kurzer Beuger und
Oegensteller" desselben zu nennen. Der Ab-
zieher des kleinen Fingers (M. abductor dig. V), der
kurze Kleinfingerbeuger (M. flexor brevis V) und der
(xegensteller, ganz besonders der Abzieher, haben
einen fleischigen Bauch und sind verhältnismässig
— 261 —
kraftige Muskeln. Man sieht aus Letzterem, dass
der sogenannte schwache fünfte Finger mitUn-
i-echt als solcher bezeichnet wird; es handelt sich
vielmehr darum, ihn richtig und naturgemäss zu
gebrauchen.
Die Nerven.
Die Nerven sind weisse E&den (Nervenfasern),
die von drei Zentren aus (dem Gehirn, dem Bücken-
mark und den Nervenknoten [Ganglien]), zweig-
artig nach allen Seiten hin in alle Teile unseres
Körpers sich verbreiten uud in die Muskeln sich
erstrecken. Der Zusammenziehungsvorgang der
Moskeln ist ein willkürlicher, d. h. ei wird durch
unseren Willen vollführt, indem die Bewegungs-
nerven (motorische Nerven genannt), welche
ihren Ursprung im Gehirn haben und von hier aus
durch den ganzen Körper unsem Willen in die
Moskeln als Nervenreiz leiten, diese veranlasst sich
za verkürzen. Man vergleicht den Vorgang der
Nervenfasern mit elektrischen Strömen, welche
(Schluss
unmittelbar Befehle, die vom Gehirn ausgegeben
werden, an die betreffende Stelle übertragen.
Im Gegensatz zu ddn motorischen Nerven
stehen die Empfindungsnerven (sensiblen
Nerven genannt), welche von aussen her die
Empfindung ihrem Zentrum zuführen und un-
mittelbar daselbst das Bewusstsein der, Art der
Empfindung, das sie, durch Schmerz, Wohl-
geschmack etc. veranlasst, wecken.
Von Wichtigkeit für das Empfinden in den
Eingerspitzen (Deppe: „bewusste Fingerspitzen")
ist u. a. auch der Tastsinn, der seinen Sitz in
der äusseren Haut hat. Dieser wird durch „Haut-
wärzchen'* übermittelt, in welchen Nerven in Tast-
körperchen (Nervenpapillen) endigen. Von der An-
zahl dieser Tastkörperchen hängt die Schärfe und
die Empfindlichkeit des Tastsinns ab, welche
gerade in den Eingerspitzen durch üebung sehr
zu entwickeln ist und auf^s Höchste ausgebildet
werden kann. —
folgt.)
j^eue ausgäbet) äll^cpep K1a^iepi^ep1<e.
Von
Jo»e Tianna da M otta.
(Schluss.)
Sehr zu bedauern ist, dass d' Albert die Phra-
sierong kaum einer Revision unterzogen hat, denn
Bogen wie nachstehende
k füJ tLLf \-tm
op. 2.
^^, j,jJJ ^"^^F^p
Klindworth
Wieviel gleichmässiger und geschmeidiger kommt
die Passage mit Klindworth^s Eingersatz heraus!
Selbst bei lauter Untertasten wiederholt d'Albert
den Daumen:
op. 101.
däiften nicht in einer modernen Ausgabe beibehalten
werden.
Im Eingersatz gibt d' Albert den reichsten Stoff,
lüer ist er am genauesten. Dieser Eingersatz ist
ganz eigenartig. Er ist so individuell, so wenig
systematisch, dass er wahrscheinlich nur durch
lange Hebung bequem werden kann. Wer an
Tausig und Bülow seine Eingersetzung gebildet
liat, wird bei d' Albert's oft stutzen. Am meisten
^Ut der häufige Gebrauch des Daumens auf.
^0 Tausig die Passage in symmetrische Gruppen
von vier Fingern einteilt — und das war eine
der frachtbarsten Entdeckungen Tausig's — , wendet
d' Albert den Daumen von 2 zu 2 Noten an, z. B.:
op. 27
Man vergleiche in folgender Stelle die Einger-
sätze,
d' Albert:
•"op. 26
Bülow:
Klindw.:
. , '4 l' 8 1 iB 1 8 1,.
-fet>i; ni^^f ^-~ r\ \ u \
— 262 —
Die Redaktenrin dieses Blattes war Schülerin
Tansig's xmd erz&hlt, dass dieser gepredigt habe:
der Daamen ist ein plumper Finger, man muss
vermeiden, ihn so oft zn bringen. Ein festes
Prinzip der modernen Fingersetznng ist Ja aach:
immer möglichst lange Reihen von Fingern. Des-
halb ist nnch der Fingersatz für chromatische
Skalen in Gmppen von ^ ^ ^ ^ ^ ^ "ganz abgeschafft,
selbst die Gmppen ^_?_!_?_i?_? noch wenig in Ge-
branch nnd meistens die folgende verwendet
Leider
Sonderbar ist auch folg.
läsl 128
c —
wird
auf den
zu
letztere- noch viel
ersten Stufen. Selbst
wenig gelehrt
12846
e — gis müsste beizeiten geübt werden,
oder h ~ dis
Schliesslich: welche Vorlage d' Albert für den
Text gedient hat, ist nicht ersichtlich, denn teil-
weise bringt er offenbare, alte Druckfehler, die
Bülow bereits verbessert, unverändert wieder. Es
ist auch zu bedauern, dass die hübschen, so
charakteristischen deutschen Bezeichnungen in op.
110 fortgefallen sind.
Somit ist d' Albert's Ausgabe nicht eigentlich
als „kritisch-iostruktive'' anzusehen, sondern nur
als anregende. Die bedeutendste nachbülow'sche
Ausgabe Beethoven's bleibt immer noch diejenige
Elindworth's (bei Bote und Bock, Berlin), die
Bülow selbst empfahl und höher stellte als seine
eigene. Am besten ist es, man benutzt beide.
Eine andere Ausgabe der Beethoven'schen
Sonaten gibt Adolphe F. Wouters, Professor
am Brüsseler Konservatorium, bei Breitkopf und
Härtel heraus.
In dieser Ausgabe ist alles Individuelle sorg-
fältig vermieden. Sie ist sehr genau bezeichnet,
aber gibt eigentlich nur das Selbstverständliche
xmd wendet sich somit mehr an den Anfönger als
an den Künstler. Der Fingersatz hält teilweise
an längst überwundenen Formeln fest wie in op. 7:
S
a
^^
2 19 1
Das sind unmögliche Fingersätze. Sehr aus-
führlich sind die Angaben über Verzierungen.
Wouters befolgt gar zu pedantisch die alten Regeln
Ph. E. Bach's, die man auf Beethoven nicht so
konsequent anwenden kann. So lässt er jeden,
aber auch jeden Triller mit der Nebenoote an-
fangen. Hier muss aber doch die melodische Linie
fein in Betracht genommen werden, wie Muggelini
es bei Bach so vorzüglich tut. Wohin die gedanken-
lose Befolgung der alten Regeln führt, zeigt folgende
Stelle:
op. 7. Ausführung:
i
t
ft
^
SS.
f:ß I, f mff
^^m
Das folgende Arpeggio:
Wlilti
s
halte ich für stilwidrig.
üeber Verzierungen sollte man Ehrlich*)
und Dannreu ter**) konsultieren.
Die Ausgabe ist noch nicht vollendet. Sie
wird nur 23 Sonaten bringen, ausgeschieden sind
u. a. op. 26, 57 (!), 81a (!).
Nun wende ich mich zu zwei nicht gerade
neuen Ausgaben, aber die aufs neue empfohlen
werden müssen, weil bei Chopin wahrhafte Rat-
losigkeit herrscht über die, die unter den fast
zahllosen Ausgaben am besten zu benutzen sei.
Chopin's Werke haben neben Bach*s am meisten
gelitten unter den Bearbeitungen, die ihr zuteil
geworden sind, und das ist nicht allein Schuld der
Herausgeber, sondern des Komponisten selbst.
Wenn man noch erwägt, dass jeder Pianist gerade
bei Chopin sich zu allen Willkürlichkeiten be-
rechtigt fühlt, so dass man nicht nur seine Vor-
tragsbezeichnungen nach eigener Auffassung ändert,
sondern auch den Text,***) so muss man zugeben,
dass hier die dringendste Notwendigkeit einer Ur-
textausgabe vorliegt, sonst würde es bald so viele
Chopin's geben wie Ausführende.
Leider ist es bei Chopin am schwersten, viel-
leicht unmöglich, einen Urtext festzustellen. Die
Gründe hat Mikuli in seiner schönen Ausgabe
Chopins (bei Kistner in Leipzig) sehr klar dar-
gelegt:
1. die Nachlässigkeit in Chopin's Manuskripten,
die von Fehlern „wimmeln", so dass diese durch-
aus nicht massgebend sind;
2. der Umstand, dass dreierlei Original- Ausgaben:
französische, deutsche und englische, existieren,
von denen die französischen die druckfehler-
frelesten sind, weil der Autor sie öfter korri-
giert hat;
8. die Aenderungen, die Chopin in den später er-
schienenen deutschen und englischen Ausgaben
anbrachte, and dies scheint mir die grösste
*) Ornamentik in Bach's und Beethoven's
Werken (Steiugräber).
*•) Musical ornamentation (Augener).
***) Ich erinnere nur beispielsweise an Rubin-
stein's An- und Abschwellen im Trauermarsch,
an Pachmann's Zusatz von Oktaven in einigen
melodischen Stellen, Busoni'S Umarbeitung des
Trio's der As-dur-Polonaise und Wiederholung des
Schlusssatzes der B-moll-Sonate.
— 263 —
Schwierigkeit für Feststellong eines Urtextes zu
bieten: nämlich das eigentümliche Schwanken
bei Chopin in der Fixiernng gewisser Harmonieen
and Intervalle. Zum Teil liegt dies wohl in dem
Charakter seiner Empfindung, der, wie Lonis
treffend sagt, der Halbton noch zu gross er-
schien, es ist jene D&mmening des Bewnsstseins,
die seinen Kompositionen so einzigartigen Heiz
gibt. Neben diesem Grand aber erkenne ich
noch einen, den ich auf die G-efahr hin, von
Chopinanbetem gesteinigt zu werden, annm-
wnnden aasspreche: seine geringe wissenschaft-
liche Bildung. Dieser Mangel ist sehr leicht
an seinem Satz, seiner Polyphonie zu bemerken,
die etwas (pardoni) Gtonial-dilettantisches hat,
und an der Art seiner Aufzeichnung, die oft
unklar und unlogisch ist. üeber seinen Kontra-
punkt sind wohl die Musiker einig, dass er in-
stinktiv ist wie der Schubert*s, aber seine Schreib-
weise ist wohl noch wenig geprüft worden. Es
genügt, als Beispiele die Etüden Nr. 5 und 9 ftos
op.25 in der Originalzeichnung mit der der Stimm-
führung geDauer folgenden Schreibweise Klind-
worth's zu vergleichen.
Unter diesen Umständen sieht man ein, wes-
halb der vorzügliche Biograph Chopin's, Niecks,
und Ruth ar dt in seinem „Führer** keine der
vielen Ausgaben Chopin's bestimmt zu empfehlen
wagen. Buthardt neigt zu Peters. Mendels-
sohn soll gesagt haben, es sei bei Chopin oft
nicht möglich zu entscheiden, was richtig oder
falsch seit!). Diese für Mendelssohn's unmoderne
Empfindung charakteristische Auffassung hat
etwas Wahres, wenn man sie dahin abändert: es
sei nicht von so grosser Wichtigkeit, zwischen
f oder f is zu entscheiden. Bei Beethoven ist alJes
felsenfest, nur eine Möglichkeit gibt es (wie es
für mich auch bei dem a oder als in op. 106 un-
zweifelhaft a heissen muss), bei Chopin dagegen
sind oft mehrere gleich „richtige** Fassungen mög-
lich. „Dann sollte man natürlich die wählen, für
die sich der Autor entschieden hat.** Aber das
kann man bei Chopin eben nicht feststellen ! Was
getan werden muss, ist, alle Varianten des Kom-
ponisten bekannt machen — oder ein bedeutender
Mnsiker muss die beste wählen, denn ich glaube
nicht, dass man sicher ginge, wenn man die letzte
für die beste hielte.
Das unvergängliche Verdienst, zuerst die
Originalausgaben verglichen und daraus den besten,
mit reifem und gründlich gebildetem Geschmack
gewählten Text festgestellt zu haben, hat sich
Klindworth erworben in seiner Ausgabe
Chopin's. Sie erschien Anfang der 7Uer Jahre in
Moskau und später in Berlin bei Bote A Bock.
Was scharfsinnige, feine Kritik für einen guten
Text bei Chopin tun kann, ist hier geschehen, und
alle späteren Herausgeber, denen nur wenig mehr
Material zur Verfügung stand, hatten an Klindworth
ein gutes Vorbild, aber waren zu zaghaft und be-
sassen nicht genug Bildung, um so feine Kritik
zu üben. Daher kommt es, dass Klindworth's
auf den Originalausgaben basierte Ausgabe doch
von andern, ebenfalls auf jenen aufgebauten sehr
oft differiert. Dass es sich dabei nicht um will-
kürliche Aenderungen Klindworth's handeln kann,
wie Steingräber's Ausgabe oft insinuiert, glaube
ich einem Meister wie Klindworth ohne weiteres.
Nur einem Herausgeber standen mehr Mittel zu
Gebote als allen, die sich nur auf die Original-
ausgaben stützen, das war M i k u 1 i , der für seine
Ausgabe viele Korrekturen benutzen konnte, die
Chopin seinen SchtLlem in die Hefte geschrieben.
Diese ist denmach die beste Urtextausgabe, die
auch wegen der teils von Chopin selbst herrühren-
den, teils auf seinen Grundsätzen aufgebauten
Fingersetzung grosses Interesse erweckt. Aber
selbst hier könnte man oft, selbst entgegen dem
ausgesprochenen Willen des Autors, eine andere
als die von ihm gewählte Fassung bevorzugen; ich
erwähne nur zwei Fälle: Präludium Nr. 24 Takt 5.
1
^
m
Bei Klindworth b. Sonate H-moll, 1. Satz, bei
Wiederholung des 2. Themas:
^, J jj ^^
Bei Klindworth his.
Höchst lesenswert ist Mikuli*s „Vorwort**,
das ein äusserst lebensvolles Bild von Chopin's
Lehrsystem entwirft.
Aber Chopin bedarf für den praktischen Ge-
brauch noch mehr einer Bearbeitung als andere
Komponisten. Die allgemeinen Gründe habe ich
in der Einleitang auseinandergesetzt. Von der un-
logischen Art der Aufzeichnung sprach ich oben.
Seine oft komplizierte Stimmführung (s. z. B. das
Trio im Scherzo der H-moU-Sonate) ist zuerst durch
EUindworth zu einer klaren Darstellung gekommen.
Nun die Fhrasierung! Chopin soll (wie jeder be-
deutende Meister) die peinlichste Sorgfalt auf eine
lebendige Deklamation verwendet haben und ver-
langte viel von den Schülern in dieser Beziehung.
Aber schriftlich hat er von dieser Deklamation
kaum Andeutungen gegeben. Um sich davon zu
überzeugen, genügt es, einen Blick auf die Taran-
teile zu werfen und die langen Bogen zu sehefn,
die sich da meilenweit über die Takte erstrecken.
Was würde aus diesem sprudelnden Stücke werden,
wenn man sie wörtlich nähme und es in charakter-
losen, langgedehnten Phrasen spielte! Also noch
mehr als andere überlässt Chopin dem Spieler die
Auffindung der richtigen Fhrasierung. Diese ist
bei Klindworth schlechterdings meisterhaft und
man braucht in diesem Punkt sich nur blindlings
ihm anzuvertrauen.
— 264
In Ergänzung der Nuancen ist Klindworth
sehr vorsichtig and immer fein künstierisch. Wem
sie nicht behagen, kann ja leicht bei Miknli ver-
gleichen, was original ist.
Der Pingersatz ist aber durchgängig so vor-
trefflich, dass man ihn oft dem Chopin's vorziehen
wird. Oft überraschen kühne Fingerfolgen, die in
der . Praxis sich als ganz bequem und der Hand
entsprechend herausstellen. £s sind wahre
trop.vailles. Man sehe z. B. die Terzenetüde. *)
Vielfach getadelt worden ist die rhythmische
Einteilung der Ornamente. Ich verstehe nicht
warum. Welchen Geschmacklosigkeiten und
welcher Batlosigkeit wird nicht dadurch begegnet!
Denn irgendwie müssen sie doch in den Takt
verteilt werden! Wie notwendig schliesslich
Qhopin's Pedalbezeichnung einer Revision bedarf,
bezeugt allein folgende Stelle, die entgegen dem
Phra^eneinschnitt und dem Harmoniewechsel peda-
Usieit ist:
op. 10, Nr. 11.
Ped. e
Manchem wird die Ausfährung der Triller
auffallen. Es ist eben wenig bekannt, dass Chopin
darin durchaus Ph. E. Bach folgt. Der Vorschlag
vor dem Triller iQ bedeutet nur, dass die-
ser Triller mit der (cp j^ I Haaptnote beginnt, die
soll also nicht tr noch einmal angeschla-
gen werden. Deshalb bindet Klindworth immer
den Vorschlag an den Triller. Wie oft hört man
aber die Triller im H-dur-Noctume falsch aus-
führen, selbst von grossen Künstlern! Bei Triller-
*) Hie und da verwendet auch Klindworth
den Daumen mehr als nötig. Man kann aber leicht
finden, wo neben der Gruppe 12 3 auch 12 3 4
eingeschoben werden kann.
ketten würde ich allerdings nicht mit Klindworth
die Triller mit der Nebennote beginnen.
Also habe ich für mich jedenfalls die Frage
nach der besten Chopinausgabe entschieden:
Mikuli-Klindworth. BtÜow, der bekannt-
lieh einzelne besonders durch die Anmerkuai^D
höchst anregende Ausgaben einiger Werke. Chopin's
veranstaltete, verweist immer auf Klindworth. In
einem köstlichen Briefe „an einen Konservatoristen'*,
der leider in der von Prau von Bülow heraas*
gegebenen Sanmilung nicht enthalten ist, nennt
er sie „eine Exegese ohne Worte' und erklart,
dass er nie versäumt, vor jedem öffentlichen Vor-
trag sich Bat zu holen bei Klindworth's Ausgabe
von Chopin's Werken, trotzdem er diese seit vielen
Jahren in Kopf und Herz trage.*)
Ein bedeutendes Werk ist auch Lehrgang
im Klavierunterrichte von Eugen Krantz
(Ries & Erler, Berlin). Der Verfasser dieses 1882
zuerst erschienenen Werkes zeigt sich als ein
ernster Künstler und Denker, der die Grundformen
der Klaviertechnik aufdecken und dem Schüler
nicht nur diese oder jene Bewegungen lehren will,
sondern auch das Warum. So führt er alle Ein-
wendungen gegen manche Neuerung an, um sie
zu widerlegen, und regt so zu einer tieferen Er-
fassung der Probleme des Kiavierspiels an. Sein Buch
soll ein „Stellvertreter und Ersatz des Lehrers beim
häuslichen Ueben^ sein. Es besteht aus zwei
ineinander greifenden Teilen, die neben der voll-
ständigen Theorie auch die technischen Hebungen
(in verständig vereinfachter Anzahl) bringen. Einige
Fingersatzschemata sind neu und geistreich. Bei
dem modernen Standpunkt des Verfassers fällt nur
der schlechte Terzenfingeransatz auf mit f f | §.
*) Sehr dankenswert wäre es, wenn die Ver-
lagshandlung Bote & Bock sich zu einem neuen
Druck der Klindworth'schen Ausgaben entschliessen
würde, weil man dann auch die letzten Besultate,
die der Meister in den vielen Jahren seit ihrem
ersten Erscheinen gewonnen hat, aufnehmen könnte.
Das wäre eine künstlet ische Tat!
Mittellungen
Yon Hoohaohulen und Konserystorien.
Professor Martin Krause ist als Nachfolger
des verstorbenen Professors E. Jedliczka an das
Stern'sche Konservatorium in Berlin berufen
worden. Martin Krause, 1853 geboren und auf
dem Leipziger Konservatorium ausgebildet, hat
von 1880 an in Leipzig als Lehrer und Schrift-
steller gewirkt und gründete 1883 dort den Liszt-
Verein, der sich unter seiner enei^giscnen Leitung
zu einem wesentlichen Faktor des Leipziger Musik-
lebens entfaltete. Vor einigen Jahren siedelte er
nach München über und hat sich sowohl als
Ellavierpädagoge, als auch als musikalischer Schrift-
steller einen hochgeachten Namen verschafft.
Der bekannte OrgeWirtuose A. W. Gott-
schalg in Weimar welcher der dortigen gross-
herzoglichen Musikschole seit Anfang der 1870er
Jahre als Lehrer seines Instrumentes angehört hat,
ist jetzt, 77 Jahre alt, aus dem Lehrkörper dieses
Listituts ausgeschieden. Als Lehrer sowohl wie
als Bedakteur und Schriftsteller ist Gottschalg, der
^lit Liszt intim befreundet war, in Weimar seit
1870 tätig gewesen.
Djsr vorliegende Jahresbericht des „Branden-
bnrgischen Konservatoriums für Musik zu
Berlin, welches unter der Leitung Bruno
KittePs, Musikdirigent am Königl. Schauspiel-
— 265 -
haose, steht, ge^Bvährt einen ungemein erfreulichen
Einblick in die innere Organisation der Anstalt.
Das Eonservatorinm hat sich die Pflege der Or*
chestermoBik zur besonderen Aufgabe gestellt und
ein Institutsorcbester ausgebildet, wie es wohl zum
zweitemnale an einem Piivatinstitut nicht' wieder-
zufinden ist. Mit grossem £rfolge trat es in je
eiaem öffentlichen Prüfungskonzert in der Sing-
Akademie und im Deutschen Hofe auf, wirkte
aosserdem in bedeutsamen Veranstaltungen, u. a.
zweimal in der Philharmonie mit, . wo es die Be-
gleitung von Bach 's „Matthäus-Passion** in den
von Herrn-: Musikdirektor Mengewein für die
Arbeiter Berlin^ geleiteten Aufführungen mit
seinem Oratorienverein ausführte, war ausserdem
2a einem Konzertabend des Vereins katholischer
Lehrerinnen herangezogen, um eine Pestkantate
Professor Th.Krause's zu begleiten, und hat sich
neuerdings mit dem rühmlichst bekannten Or-
ganisten Bernhard Irrgang zur Aufführung
grösserer Werke für Orgel und Orchester ver-
einigt. Am 23. Juni fand das erste dieser Konzerte
in der Kirche zum Heiligen Kreuz statt. Ab-
gesehen von diesen Leistungen, die nur durch die
gewissenhafteste, ununterbrochene Schulung zu er-
reichen sind, interessieren aus dem Jahresbericht
die Kundgebungen aus den wissenschaftlichen
Kursen, die Handhabung derselben und die Teil-
nahme der Schüler. Es gibt Klassen für Instru-
mentation, deren erfolgreiche Arbeiten für die
öffentlichen Aufführungen verwandt werden
konnten, Eüassen für harmonische Analyse;
in der Musikgeschichte waren die Schüler zu
eigenen Vorträgen verpflichtet, die Akustik ist
in den Lehrplan hineingezogen und wird an eigens
angeschafften Apparaten demonstriert, das
Musik-Diktat wird mit Erfolg gepflegt u s. w.
-^ Das Institut war im abgelaufenen Jahr von
219 Schülern besucht.
DasKönigl. Konservatorium für Musik
in Stuttgart,- Direktor Professor S. de Lange,
hat seinen Jahresbericht über das 47. Schuljahr
versandt. Die Anstalt wies eine Frequenz von
491 Schülern auf, von denen 173 Schüler sich der
Musik berafsmässig, 318 als Dilettanten widmeten.
9 Studierende erhielten Stipendien aus der
„Königin Olga-Stiftung", 7 weitere ebensolche aus
den Stiftungen des „Vereins zur Förderung der
Kunst", der Firmen „Schiedmayer*' und „Schied-
mayer & Söhne^', auch die Subventioneu der Stadt
wurden wesentlich erhöht, so dass es möglich war,
Erweiterungen in den Nebenfächern einzuführen.
Aus dem Lehrkörper schieden die Herren Professor
Blattmacher und Professor Skraub aus, durch
den Tod verlor die Anstalt ihren langjährigeii
treuen Mitarbeiter Kammermusikus E. Seifriz.
Vortragsabende im Saale der Anstalt fanden 15
statt, femer 5 öffentUche Prüfungskonzerte in
anderen Sälen; 2 Konzerte zum G-eburtstage des
Königs xmd der Königin, endlich noch 2 Klavier-
abende von Professor Max Pauer und Gesang-
und Orgel vortrage von den Professoren O. Frey-
tag und S. de Lange. — Das neae Studienjahr
begiunt am 15. September.
Yermischte NachrichteD.
Der Musikschriftstelier Albert Pfeiffer in
Bonn ist gegenwärtig mit den Vorarbeiten zu
einem von ihm geplanten umfassenden Gesamt-
werke über den 1896 in Berlin verstorbenen Ton-
dichter Martin Plüddemann beschäftigt, das
1907 zum 10jährigen Gedenktag an dessen frühen
Tod erscheinen und in sechs Bänden dessen Schriften
und Briefe vereinigen soll ; als Schluss des Werkes
wird diesen späterhin die Biographie Plüddemann's
aas der Feder des Herau sgebers nachfolgen. Plü dde-
mann wurde 1854 in Co 1 borg geboren und zeigte
früh eine Begabung zum künstlerischen. Berufe;
er kam in einem Hause zur Welt, in dem die
Pflege der Musik einen Teil der täglichen Pflichten
aasmachte, hat er doch apäter mit Stolz erzählt,
dass Löwe in seinem grossväterlichen Hause in
Stettin ein- und ausgegangen sei. Nachdem Plüdde-
mann das Gymnasium absolviert, bezog er das
Leipziger Konservatorium und lag bei dem be-
rühmten Thomaskantor E. R. Kichter kontra-
panktischen Studien ob; früh fühlte er sich von
dem Schaffen Lowe's und Wagner's aufs
mächtigste angezogen und das Erstehen Bayreuth's
zog ihn ganz zu Wagner hin, zu einem von dessen
gelehrigsten Jüngern er sich von da ab entwickelte
und als einer seiner wichtigsten Vorkämpfer er
sich für alle Zeit bewährte. Mit Wort und Tat
kämpfte er für seinen Meister, mit dem er bis zu
dessen Tode in engem persönlichen Verkehr stand,
und er war wohl der Allererste, der in einem Flug-
blatl^ öffentlich „Staatshilfe für Bayreuth'' forderte;
er erzählte später, wie ihn Wagner so sehr in
seinen Bannkreis gezogen habe, dass er zum
eigenen Schaffen andaaemd unfähig gewesen sei.
Nach dem siegreichen, glanzvollen Erstehen unseres
Olympia aber gewann Plüddemann seine eigene
Kraft wieder, und indem er sich Ende der 70er
Jahre nach München wandte, um sich nun ganz
unter der Führung Julius Hey*s gesanglichen
Studien zu widmen, zeigten sieh zugleich die
Früchte seiner eifrigen kompositorischen Studien.
Hier schuf er seine ersten grösseren Balladen werke,
durch die er bald seinen Namen begründete und,
allmählich zu immer grösserer Selbständigkeit her-
anreifend, verlor er sein grosses Vorbild auf dem
Gebiet seines Schaffens, Löwe, doch nie aus den
Augen; auch Richard Wagner^s künstlerische Lehren,
soweit sie zu dieser Anwendung berechtigt waren
— 266 —
sind in seinen Werken zu verfolgen. Nachdem
sich Plüddemann in den dOer Jahren in ver-
schiedenen Städten vergebens nach einem ihn
wirklich befriedenden Wirkungskreis umgesehen
hatte — er war in Landsberg, Ratibor, Wien — ,
bot sich ihm ein Platz für seine Tätigkeit in Graz;
hier trat er literarisch wie künstlerisch in den
Mittelpunkt des Kuustlebens der steirischen Haupt-
stadt und bildete einen Ejreis von treuen Jüngern
um sich; H-ausegger, Eienzl, E.osegger und
Andere waren seine Freunde. In G-raz glaubte
Plüddemann ein dauerndes Heim gefunden zu haben,
aber der dort im Beginn der 90er Jahre auftretende
Hugo Wolf-Kult trieb ihn am Ende des Jahres 93
wieder von dort fort. Mag Hugo Wolf als
künstlerischer Denker auch ungleich höher
stehen wie Plüddemann, so besitzen beide doch
viel Wesensverwandtes, und das dürfte den
Anhängern Hugo Wolfs aus manchem bisher
noch unveröffentlichen Chorwerke Plüddemann's
einst noch offenbar weiden. Mit Becht hat
Professor Helm in Wien darauf hingewiesen,
dass man zu Unrecht gerade in Wien in der Ueber-
schätzung Wolfs' Plüddemann weit unterschätzt
hat; doch dürfte sich das mit der Zeit ändern. Für
den lange totgeschwiegenen Hugo Wolf brach der
Tag an, für Plüddemann ist er allmählich im
Dämmern begriffen. 1893 kam Plüddemann nach
Berlin, woselbst er seit dem Herbste 94 die populären
Tondieb terabende des Schiller-Theaters leitete und
das Amt des Kunstberichterstatters an der deutschen
Zeitung bekleidete. In schwer ringendem Kampfe
um die Existenz trat das blühende Schaffen Plüdde-
mann's bald in den Hintergrund; er hatte früh-
zeitig seine Stimme verloren und durch einen
ungeschickten Zug schuf er sich die Berliner Presse
zum Gegner, die ihn nun mit ihrem Hass und ihren
verletzenden »Waffen unterdrückte und verfolg^,
(einer lebt eben auf Kosten des anderen), und
physisch gebrochen erlag er einem frühzeitigen
plötzlichen Tode. Wie in Plüddemann, wie sein
einstiger Biograph Dr. Batka sagte, das germanische
Prinzip am lautesten sich äusserte, so müssen« wir
seine Werke als wahrhaft urdeutsche erkennen.
Im Sinne seines Meisters B. Wagner hat er dessen
Kulturlehren aufs eifrigste betätigt. In seinen
Schriften zeigt sich Plüddemann als glänzender
Stilist, und ebenso formvollendet, wie seine Briefe
äusserlich abgefasst sind, bergen sie einen be-
deutenden Inhalt an. geschichtlichem und ethisch-
ästhetischem Wertgebalt; als Musikerbriefe stellen
sie sich von selbst in die Beihe derer, die Wagner,
Liszt, Bülow u. A. zu Verfassern haben. Dürfte
auch ein kompendiöses Werk über Plüddemann
als etwas früh an der Zeit erscheinen, weil viele
sich des Nichtwissens schämen werden, so können
wir doch mit Nietzsche inbezug auf das starke
Licht deutscher Kultur, auf Plüddemann aus-
rufen: Heil uns, wehe uns, der Tau wind weht! —
Herr Pfeiffer wird am Ende dieses Jahres oder im
Anfang des nächsten einen Vortrag über Plüdde-
mann im Verein zur Förderung der Kunst halten
und gedenkt diesen in Dresden, Leipzig, Wien und
Graz zu wiederholen.
Professor Xaver Scharwenka konzertierte
am 8. August mit unserem Philharmonischen
Orchester in Scheveningen. Er spielte unter
dem Beifallsjubel der zahlreichen Versammlung
sein B-moU „Klavierkonzert', leitete das Vorspiel
zu seiner Oper „Mataswintha* und trug ausserdem
noch Werke von Schubert, Liszt und Mendels-
sohn vor.
Die Philharmonischen Konzerte det
nächsten Saison unter der Leitung Professor Arthut
Nikisch finden am 10. und 24. Oktober, 7. und
28. November, 12. Dezember, 16. Januar, 6. und
20, Februar, 13. und 27. März statt Folgende So-
listen haben bis jetzt ihre Mitwirkung zugesagt:
Anton van Rooy, Eugen Jsaye, Leopold
Godowsky, Eugen d'Albert, Frau Pauline
Strauss-de Ahna. Dr. Richard Strauss wird
am 12. Dezember die Erstaufführung seiner .Sin-
fonie domestica*^ leiten.
Die Singakademie wird nach beendetem
Umbau am 3. Oktober mit Händers „Judas Mac-
cabäus^ eröffnet werden.
Felix Mottl hat sich verpflichtet, den grössten
Teil der Wiener Philharmonischen Konzerte
in der nächsten Wintersaison zu leiten. Zu den
übrigen Konzerten sollen Gastdirigenten heran-
gezogen werden.
Professor Alexander Winterberger, der
bekannte Leipziger Komponist, Organist und Musik-
schriftsteller, feierte am 14. August seinen 70. Ge-
burtstag in völliger körperlicher und geistiger
Frische. 1834 zu Weimar geboren, genoss er seine
musikalische Ausbildung auf dem Leipziger
Konservatorium, studierte dann noch unter Liszt
in Weimar, der ihm riet, sich die Orgel als
Hauptinstrument zu wählen. Nach ausgedehnten
Konzertreisen Hess er sich 1861 in Wien nieder,
siedelte 1869 nach Petersburg als Lehrer des
dortigen Konservatoriums über und kam 1872 zu
bleibendem Aufenthalt nach Leipzig. Hier hat
er als trefflicher Pädagoge, feinsinniger Musik-
kritiker und Komponist zahlreicher Chor- und
Orgelkompositionen eine überaus reiche, frucht-
bringende Tätigkeit entfaltet.
Der französische Musikschriftsteller Arthur
P o u g i n vollendete am 6. August sein 70. Lebens-
jahr. Die Vossische Zeitung schreibt über ihn:
Pougin bat sich insbesondere um die Musik-
geschichte seines Vaterlandes verdient gemacht.
Denn während Camille Bellaigue, Adolf
Pullien,Barbedette und andere mehr inter-
nationaler Art gewesen sind und bei ihren Arbeiten
fleissig im Ausland Umschau gehalten haben, hat
Pougin sich, mit geringen (wenngleich nicht un-
wesentlichen) Ausnahmen, auf sein Vaterland be-
schränkt. £s erscheint nicht unwahrscheinlich,
— 267 —
dass Pougln^s Jugend, die eine ziemlich trübe war
Tmd den Unermüdlichen bald zur Einkehr und
Selbstschau brachte, ihn genötigt hat, beim Nächst«
liegenden anzufangen. In der Biographie, welche
die unter seiner eigenen Eedaktion stehenden
Supplementbände zur F^tis'schen ,^iographie
universelle des Musiciens^ enthalten und die so-
mit auf Authentizität vollen Anspruch machen
kann, ist gar beweglich zu lesen, wie scharf und
energiscli der Kampf um's Dasein an ihn heran-
getreten ist, und wie wohl die Not den jangen
Musiker, der als Virtuose und Kapellmeister in
Paris nicht recht festen Fass fassen konnte, ge-
zwungen hat, in der Literatur sein Heil zu ver-
sachen. £r war erst 25 Jahre alt, als er die Hand
an jene Serie historischer Monographien legte, die
18ß4 unter dem IHtel „Mu^iciens fran^ais du
XV m. Biecle^ erschienen und insofern für seine
schriftstellerische Tätigkeit tonangebend geblieben
sind, als sie die französische Oper im allgemeinen
und die Op^ra comique im besonderen in den
Vordergrund des Interesses stellten. Denn wenn
Pougin sich in späteren Jahren und mit erweitertem
Gesichtskreis auch mit nichtfranzösischer Musik
beschäftigt hat, wovon namentlich seine auch
in's Deutsche übersetzte Biographie V e r d i 's und
sein Essay über die Musik in Russland
Kunde geben: im wesentlichen ist er, der ehemalige
Orchestergeiger und Theater kapellmeister, doch der
französischen Bühne bezw. der Oper treu geblieben,
den Grundsatz befolgend: „In der Beschränkung
zeigt sich erst der Meister/^ Man kann zur Zeit
im wesentlichen die Tätigkeit des unermüdlichen
Mannes als abgeschlossen betrachten; zu bedauern
bleibt nur, dass der Schriftsteller keine Zeit ge^
funden hat, den „F^tis^* durch weitere Supplemente
(die letzten beiden Bände erschienen 1878—1880)
weiterzuführen oder, was natürlich noch besser
wäre, das ganze wertvolle Werk neu durchzu-
redigleren. Jedenfalls aber wird die Musikgeschichte
des fleissigen und gewissenhaften Mannes stets in
Dankbarkeit zu gedenken haben.
Gleichzeitig mit dem Jubiläum des Musikver-
lags D. Rah t er beging der verdienstvolle Pro-
kurist der Firma, Herr Franz Schaff er, den
Tag seiner 25Jährigen Tätigkeit. Ihm lag nach
dem Ableben des Gründers die alleinige Leitung
der Geschäfte ob. Ina Jahre 1897 trat ihm der
jetzige Juniorchef, Herr Daniel Bahter, zur Seite.
Herin Julius Hornauer, dem langjährigen,
verdienstvollen und ersten Prokuristen der Firma
C. A. Klemm in Leipzig, Dresden und Chemnitz,
wurde von Sr. Majestät König Georg von Sachsen
das Ritterkreuz 11. Klasse des Albrechtsordens
verliehen.
Bücher und Musikalien.
Kompositionen von Hax Reger.
Op. 49. No. 2. Sonate (Fis-moll) für Klarinette
und Fianoforte.
Jm. Albl TerUff, MAneüeo.
Op. 72. Sonate (C-dur) für Violine und Fianoforte.
Op.73. Variationen und Fuge über ein Original-
thema für Orgel.
Op.74. Streichquartett (G-moll).
Ltatorbteb mnd Kahn, Lalpil^.
Die beiden oben angezeigten Sonaten op. 49
No 2 und op. 72 von Max Beger lassen deutlich
die Wandlungen erkennen, welche der Tonsetzer
darchgemacht hat. Vor allem macht sich in der
letzteren eine grössere, immer mehr Boden ge-
winnende Neigung zu harmonischen Kombinationen
bemerkbar — in so starkem Masse, dass man wohl
^&8t Ursache hat zu meinen, der Autor sei an der
Grenze des Erreichbaren und Möglichen ange-
kommen. Die schöne Klarinetten-Sonate erscheint,
^on diesem einen Paukte betrachtet, einfach und
liarmlos gegen die Violin-Sonate. Aber sie ist auch
in der gesamten Anlage und Ausführung bei
weitem klarer und einfacher. Das op. 72 erfordert
ein eingehendes Studium, und auch dann er-
scheinen viele seiner Partieen noch immer in ge-
heimnisvolles Dunkel gehüllt. Aber beide Werke
sind Produkte eines gewaltig schöpferischen und
tiefen Geistes, eines Künstlers, dessen Weg eben
anderen Zielen zuführt wie derjenige mancher
kleineren Leute, und die Zeit, die man der genauen
Prüfung seiner Kompositionen widmet, wird nie-
mals verloren sein. Unseres Dafürhaltens ist die
C-dur-Sonate für Violine und Klavier wohl die
härteste Nuss, die Max Beger seinen Freunden
und Verehrern dargeboten hat. Viele haben Beger's
scharf ausgeprägtes Begehren nach ganz eigen-
artigen Modulationen und seine chromatische
Schreibweise für gemacht und manieriert erklärt,
ich hingegen halte solches eher eben für die ihn
kennzeichnende Art seiner Darstellungs weise, für
eine Ingredienz seines musikalischen Stils und für
etwas, was zu seiner ganzen musikalischen Fr-
scheinung gehört, das man unbedingt vermissen
würde, wäre es vielleicht plötzlich gemildert oder
gar etwa nicht mehr vorhanden. Auch das D-moU-
Streichquartett op. 74 macht uns Beger's fesselnde
geistige Potenz von Neuem klar. G-anz auf dem
Boden der Kammermusik erwachsen, wo der Kom-
ponist ohnehin ja längst heimisch ist, scheint es
verhältnismässig weniger kompliziert in harmo-
nischer und modulatorischer Beziehung als die
C-dur-Sonate, ist dieser vielleicht inhaltlich über-
legen, in der Ausführung und Durchführung des
268 -
idealen Greh<es aber anbedingt klarer, übersicht-
licher und leichter verständlich. Auch in diesem
Werke tritt Keger's Polyphonie in ihrer ganzen
Eigentümlichkeit dem Leser der Partitur entgegen,
meisterhaft in ihren vielfachen Verschlingongen,
unendlichen Kombinationen und immer von Neuem
fesselnden kontrapunk tischen Künsten. Das Streich-
quartett, wie auch die anderen zwei Kammermusik-
werke, stellen die denkbar höchsten Anforderungen
an die Ausführenden. Das (ileiche gilt von dem
op. 73, Variationen und Fuge (Fis-moll) Über ein
Originalthema für Orgel, worin übrigens die Chro-
matik wieder einmal erneute Triumphe feiert. Dem
Werke geht eine sehr eindrucksvolle und tief-
sinnige Einleitung voraus. Das iu schöner melo-
discher Linie geführte Thema scheint meines Er-
achtens unter der ganz merkwürdigen harmonischen
Einkleidung zu leiden, wäre diese an manchen
Punkten nur ein wenig anders, nämlich einfacher,
gestaltet, so dürfte es vielen Hörern im Verlaufe
des immerhin ziemlich ausgedehnten Werkes leichter
im Gedächtnisse haften. Die Variationen selbst
gehören mit zu dem Geistreichsten, was B«ger bis-
her zu geben hatte, und enthalten bis zxmi Ein-
tritte der Fuge Steigerung auf Steigerung. Das
Thema ist scharf ausgeprägter Natur, von geringem
Umfange und zu allen kontrapunktischen Ver-
wickelungen ausgezeichnet geeignet, die Fuge
selbst steht in ihrer Ausdehnung in einem schönen
Verhältnisse zum ganzen Werke überhaupt. —
Die vorstehend genannten Werke Reger's werden
ohne Zweifel ebenso viele Freunde als Feinde
finden. Auf alle Fälle aber muss ohne weiteres
zugegeben werden, dass aus ihnen ein durchaus
selbständiger und vollkommen moderner Greist
spricht, dessen Emanationen einfach Ignorieren zu
wollen ganz undenkbar geworden ist. Und der-
jenige Tonsetzer muss heutzutage schon viel gleiten,
dem es möglich ist, Künstler und Kunstfreunde zu
einer Stellungnahme, sei sie nun zustimmender
oder ablehnender Natur, zu seinem Lebenswerke
zu zwingen.
Ei^en Segniiz.
QnstaT Holländer, op. 62. Leichtes Violin-
Konzert mit Klavier-Beg^L
Ed. Bote mnd G. Bock, BeillB«
An Stelle der veralteten Opern-Potpourris mit
Var. sog. Fantasieen sind uns jetzt in den letzten
Jahren einige leichte Schüler-Konzerte bescheert
worden. Das vorliegende Werk trägt von den bis
jetzt erschienenen der geringen Aujsdauer und
Fingerkraft eines Kindes am meisten Kechnong;
es sind nicht zu viel«» ermüdende Passagen darin^
die Melodieen sind dankbar und im letzten Satze
(lOgar charakteristisch. Der zweite Satz „Andante
religloso" ist etwas zu süsslich geraten. Holländer
hat in seinem . wirkungsvollen .Spinnerlied^, „Am
Strande", .Cascade" etc. kräftigere und wertvollere
Gedanken ausgesprochen. Die Begleitung ist the-
matisch sehr gut gearbeitet, leider aber etwas dünn.
Jedem Lehrer, dem an einer korrekten Tonbildung,
Bogenführung und gutem Vortrag seiner Schüler
gelegen, ist dieses Opus bestens zu empfehlen.
Dagobert Löwenthetl.
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EhrenTOrsitz: Beeierangs-Präsident tob Troll sa S«U,
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Op. 117. Zwölf kurse KUvIer-Btnden 8-
Op. 118. ZwSlf kurxe Studien znr gleichmisslffen
Ansbildang beider HMnde für des Oktn-
venspiel 2,—
Op. iia Drei Instruktive Sonatleen.
No. 1, No. 2. No. 8 ä 1,60
Op. 183. Die ersten Studien ffir Jeden Klsvler-
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I. Fabrik: 5-7 Johannis-Str. u. 27 Ziegel-Str.
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Fttr die Redaktion yerantwortlich: Anna Morsch, Berlin W., Ansbacherstr. 87.
Expedition und Verlag 9,Der Klavier- Lehrei^y M. Wolff , Berlin W., Ansbacherstrasse S7.
Dmck: J. S. Preuss, Berlin S.W., Kommandantenstr. 14.
Der Klavier-üebrer.
Musik-pädagogische Zeitschrift für alle Qebiete der Tonkunst
Organ der Deutschen Musiklehrer-Vereine,
der Musik-Sektion des K D. L-V. und der Tonkunstler-Vereine
zu Köln, Dresden, Hamburg, Leipzig und Stuttgart.
Begründet 1878 von Professor Emil Breslaur.
Redaktion: Anna Morsch
Berlin W.,
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ocacnaenommen.
No. 18.
Berlin, 15. September 1904.
XXVII. Jahrgang.
Inkult: Elisabeth Caland: Physiologisch-anatomische Betrachtungen zur Ausnützung der Kraftquellen beim KlavierspieL (Schluss.)
F. Kromayer: Der Mechanismus des musikalischen Ausdrucks. A. Böhme-K6hler: Naturgemässe Lautbildung beim Singen und
Sprechen in der Schule. Mitteilungen von Hochschulen und Konservatorien. Vermischte Nachrichten. BQcher und Musikalien,
besprochen von Ferruccio Busoni, Dr. W. Niemann, J. Vianna da Motta, Eugen Segnitz und Ludwig Riemann. Anzeigen.
Von
Elisabeth Caland.
(SchlnsB.)
Wandt, „Grondriss der Physiologie**, Seite 352,
sagt: „Der erste Impnls der Bewegung geht vom
WiUensmotiv ans; die zweckmässige Art der Ans-
fühnmg ist znnächst eine Wirkung der zentralen
Coordinationsmechanismen, nnd diese gestalten sich
endlich wieder infolge der unter der Leitung des
Willens stattfindenden individuellen TJebungen
fortwährend zweckmässiger.'* Hieraus geht her-
vor, dass die ursprünglich zusammengesetzten, schwer
anzulernenden Bewegungen Willenshandlnngen
sind, die durch üebnng uns allmählich ganz ge-
läufig und fast reflektorische Bewegungen werden
können —
Die Anfzälilong aller hier obengenannten
Muskeln beweisst, welch ein grosser Komplex
von Muskelkräften uns zur Verftigung steht; uns
diesen nutzbar zu machen, sollen wir bestrebt sein,
denn wir gehen von dem Grundsätze aus, dass, je
mehr Muskeln des Oberkörpers sich bei der für
das Riavierspiel geforderten Bewegung beteiligen.
je schöner und voller die Tongebung sein muss,
desto leichter auch Hand und Finger alle Schwierig-
keiten überwinden lernen werden.
Die Hand darf also, wie schon oben erwähnt,
nicht allein arbeiten, sondern sie soll getragen
werden (statt dass sie sich auf der Klaviatur be-
legt, wird sie bewegt). Der Ursprung der
Bewegung muss folglich in die Rückenmuskeln
verlegt werden, denn von der Hand an nach oben
nehmen die Muskelkräfte an Stärke zu und im
Kücken liegen die kräftigsten Mnskeln, vermittelst
welcher der Arm bewegt wird. —
Um das Bewusstsein der so überans wichtigen
Mitwirkung dieser Rückenmuskeln in dem Spielen-
den zu wecken, wurde in ,J)ie Deppe'sche Lehre
des Klavierspiels'* 1897 (Seite 9 und 10) als Vor-
Übung die Armhebung nach vorne aufgestellt.
Es heisst daselbst: „Um sich des Gefühls bewnsst
zu werden, wie man die Hand, durch den Arm
vom Rücken ans getragen, leicht machen kann,
hebe man die Arme, von den Schultern ans, nach
vorne, ohne jedoch die Schultern selbst
hinaufzuziehen. Man lenke seine volle
Aufmerksamkeit auf die Muskeln der
Schultern und des Rückens während dieser
Uebung — des intensiven Gefühls, dass die
Arme vom Rücken aus getragen und fest-
gehalten werden, muss man sich voll bewnsst
bleiben, indem man die Arme langsam auf die
Tasten niedersinken lässt.**
Wir betonten also besonders, dass »die Schultern
sich nicht heben sollen"; die Vorschrift ist von
weittragendster Bedeutung, denn sobald man den
Arm auf gewöhnliche Weise höher wie bis zur
274 —
wagerechten Höhe hebt, wird der Schiütergürtel
mehr oder weniger mitgehoben, und haben wir
wahrgenommen, dass alsdann der nntere Teil des
„breiten Bückenmuskels^ (sowie die nntere Fortion
des Trapezius) sich nur unbedeutend an der Be-
wegung beteiligen. Gerade dieser kräftige „breite
Etickenmuskel'', der ganz tief im Rticken an den
Lenden seinen Ursprung hat und an den Oberarm
ansetzt (und der untere Teil des Trapezius), ist
von grösster Wichtigkeit für den Schwung und
Druck des Armes auf die Tasten. —
Indem wir noch weiter gehen und aufsteUen,
dass die Schulter sich nicht heben darf,
aber, dass das Schulterblatt sich etwas
senken und in dieser gesenkten Lage fixiert
(festgehalten) bleiben soll, während man
den Arm von der Achselhöhle aus nach
vorne erhebt (man kann dies bis zirka % der
senkrechten Lage des Armes ausftlhren), so ge-
langen wir an den Schwerpunkt der hier
aufgestellten Begeln für die Mitarbeit der
tiefen Bückenmuskeln. Wenn uns diese,
durch unseren Willen herbeigeführte
„Eunstbewegung^^ mit der etwas gesenkten
und nach innen gezogenen Schulterblatt-
Fixierung gelungen, so haben wir uns die
Kraftquelle der Bückenmuskulatur er-
schlossen. Der breite Bückenmuskel, der untere
Teil des Trapezius sowie der Serratus anticus sind
unbedingt bei der Senkung und Fixierung des
Schulterblattes beteiligt. —
Die Figuren I, 11, III (Beilage) sind ver-
kleinerte Umrisse nach Böntgenbildern des
Lebenden; sie zeigen uns drei verschiedene Schulter-
blattstellungen. Auf Bild I befindet sich das
Schulterblatt bei herabhängendem Arm in der
Buhelage. Bild 11 veranschaulicht die Hebung
des Armes (um 135^) auf gewöhnliche Weise (also
mit gleichzeitiger Hebung des Schultergürtels),
während auf Bild in der Arm, bis zur selben Höhe
wie auf Bild II gehoben, uns die gleichzeitige
Senkung des Schulterblattes (ungefähr um zwei
Zentimeter) zeigt. Man vergleiche auch die
Stellung des Schlüsselbeins von Bild n und III
und man wird sich ebenfalls überzeugen, dass das-
selbe sowie auch das Schulterblatt, auf Bild HL
bedeutend nach unten gezogen ist. —
Lässt man nun den Arm bei gesenkt-fi-xiertem
Schulterblatt langsam auf die Tasten sinken, so
soll man versuchen , sich des Gefühls der
Lage und der Wirkung des „breiten Bücken-
muskels" voll bewusst zu bleiben. Hat
man sich einmal seine bewusste Mitarbeit gesichert,
so kann man Überzeugt sein, dass alsdann auch
die anderen Bücken-, Brust-, sogar die Bauch-
muskeln, in harmonischer Weise eingreifend, sich
beteiligen. Beim Spielen nach oben und unten
auf der Klaviatur sollen auch die Schultern sich
ruhiger und etwas tiefer steUen, wie dies bei all-
täglicher Ausführung ähnlicher Bewegungen der
Fall wäre. Das Schulterblatt bleibt dadurch in mehr
oder weniger gesenkt^üxierter Stellung, was in der
Hauptsache durch das Anziehen des SSgemnakels,
des Latissimus dorsi, des Pectoralis major und
minor, des Trapezius und auch der übrigen Schulter-
muskeln geschieht.
Das Heruntersenken des Schulterblattes
veranlasst eine stärkere Spannung der
Bücken- und Schultermuskeln, die Arm
mit Hand heben, und gewährt eine Fest-
stellung für die Muskeln, die den Arm
niederdrücken; diese Bedingung ist von grösster
Bedeutung für die Freiheit und den Schwung der
Bewegungen der Hand und deshalb ausschlag-
gebend. Man beachte wohl, dass der Brust-
korb währepd der Senkung des Schulter-
blattes fixiert sei, sich nicht nach der be-
treffenden Seite beugt oder senkt und die
andere Schulter dadurch veranlasst sich zu heben.
Der Brustkorb soll fixiert (festgehalten)
werden; es ist nur das Schulterblatt allein,
welches sich zu senken hat. (Man vergleiche
Bild I, n und in, wo alle Bippen in gleicher horizon-
taler Lage stehen und folglich keine Beugung des
Brustkorbes nach der Seite hin stattfindet)
Damit nun aber die Bückenkraft bis in die
Fingerspitzen übertragen wird, ist es notwendig,
dass auch Ellenbogen und Handgelenk innerlich
festgehalten, d. h. fixiert werden, was wir
in „Technische Batschläge für Klavierspieler^"
1902, siehe Seite 7, ausdrücken, indem wir vor-
schreiben, „das der Winkel zwischen Ober- und
Unterarm, sowie die Stellung des Handgelenks und
der Finger zu einsmder unverändert bleibt, während
die Hand mit festgespannten Fingern vermittelst
der Bückenmuskeln kraftvoll niedergedrückt wird^'.
Sogar der Brustkorb soll über dem Becken fixieit
(festgehalten) werden. Hält man im Moment
der Tonbildung und der Bewegung auf den Tasten,
die Gelenke des Armes und der Hand nicht inner-
lich fest, so würde die Kraft, die wir im Bücken
auf den Arm und Finger übertragen, unterbunden
werden und würde an dem Teile des Armes und
der Hand welcher nicht beherrscht wird und also
aus seiner vorgeschriebenen Stellung heraustritt,
sich brechen.
Von unvergleichlichem Vorteil erweist sich
die dem Deppe'schen Spiele eigentümlich schräge,
nach innen gerichtete Handstellung. Hält man
hingegen die Hand beim Skalenspiel etc. auswärts
(also in Abdnction), so ist eine stete Drehung der
Hand im Gelenk erforderlich, damit der Daumen
beim Untersetzen die Tasten berühren kann, was
Zeitverlust und Ungleichheit der Tongebang
herbeiführt; hält man aber die Hand schräg nach
innen (also Adduction — Bandbewegung der Hand
speichenwärts), so kann der ganze Arm bis in die
Fingerspitzen hinein vom Bücken und den Schultern
aus (da der Daumen bei der gegebenen Lage über
der Taste schwebt) in fast unveränderter Stellung
Physiologisch-anat
zur Ausnutzung der Kn
BliM
Bild L
Beilage zu No. 18
ische J^etrachtungen
;|uellen beim Klavierspiel.
Caland.
UIJ.
Bild in.
ies .Klavier-Lehrer''.
_^
— 275 —
hin und her über der Klaviatur bis zur Grenze
unserer auf diese Weise zu erreichenden Zone be-
wegt werden. Sobald auf höheren und tieferen
Oktaven der Klaviatur gespielt wird, neigt sich
der Oberkörper beliebig über dem Becken, der Be-
weglichkeit der Wirbelsäule entsprechend, nach
rechts oder links, hin und her. — (Siehe „die
Deppe'sche Lehre, Seite 22). Die Muskeln, die diese
letzte Bewegung des Oberkörpers bewerkstelligen,
sind die Bauchmuskeln; hauptsächlich „der äussere
schiefe Bauchmuskel" (obliquus abdominis ext.)
Damit nun der oben beschriebene Vorgang in
naturgenxässer und in der von uns beabsichtigten
Weise ausgeführt wird, müssen die Muskeln nicht
alle zu gleicher Zeit fixiert (angespannt und festge-
halten) werden, denn dadurch würde sich eine
krampfartige Steifheit einstellen, aber die Muskulatur
soll in einen gemeinschaftlichen Bbythmus
treten, d. h. sie soll ineinandergreifend arbeiten;
nur durch diesen innerlichen Vorgang
bleibt die notwendige Elastizität der Glie-
der untereinander gesichert. Diese Elasti-
zität ist die Bedingung einer runden, vollen Ton-
gebung. Wir können daher nicht genug vor
einem leblosen Steifhalten der Glieder
warnen. —
Was die bewusste Mitarbeit der Mus-
kulatur anbelangt, so ist es wie wir schon früher
andeuteten, selbstverständlich ausgeschlossen, dass
es in unserer Macht steht, jeden einzelnen Muskel
im geeigneten Augenblick ganz bewusst in der
ineinandergreifenden Spannung und Erschlaffung
(Auslösung) zu gebrauchen. Jedoch scheint es
uns notwendig, wie schon öfters erwähnt wurde,
einige Muskeln, von deren Arbeit die Wir-
kung der anderen rhythmisch mitarbeiten-
den Muskeln abhängig ist, ganz unter
unseren Willen zu zwingen. Dass wir uns
die Kückenmoskeln bewusst dienstbar machen
können, haben wir durch die Schulterblattsenkung
und dessen Fixation in der gesenkten Lage zu er-
klären versucht. Es wird uns durch Uebung
gelingen, den „breiten Bückenmuskel" beliebig
i .anzuspannen und wieder in Erschlaffung zu setzen.
' (Der Muskel wird wieder ausgelöst, wenn wir das
I Schulterblatt in die gewöhnliche Lage bringen:
also nicht mehr senken oder festhalten.) —
Zum Schlüsse möchten wir hier noch auf
Punkte hinweisen, in denen nach unserer Ansicht
die älteren Methoden irrten, die ganz besonders
gesundheitschädigend, sowie gleichzeitig als mehr
I oder weniger kunstwidrig hervorzuheben wären.
1 Vor allem dürfte es dem aufmerksamen Leser
I verständlich sein, dass die Arbeit der einzelnen
schwachen Glieder, also der Einger und das so-
genannte .aus dem Handgelenk spielen", sowie die
Bewegung des Unterarms allein, durchaus nicht
den Anforderungen zu gentigen vermag, die wir an
eine scböne Tonbildung und Spielfertigkeit stellen.
Das stete forcierte Heben der Finger oder das
fortgesetzte im Gelenk sich auf und ab bewegen der
Hand („Ueberstreckung** nennt es der Physiologe)
sind Eraftäusaerungen verhältnismässig schwacher
Gliedmassen. Das „feste Nehmen der Töne" hin-
gegen, welches wir vorschreiben, gibt, wenn richtig
ausgeführt, keine Veranlassung zu Sehnenscheiden-
entzündungen, da es hauptsächlich die kräftigeren
Beugemuskeln sind, die die Hauptarbeit ausführen.
Das bogenförmige von oben beherrschte, also
durch die Bückenkraft unterstützte herumgehen
der Hand im Gelenk, macht unsere Bewegungen
viel ausgibiger und verringert ihre Heftigkeit.
Durch das Ausdrehen der Hand im Gelenk
nach innen in etwas gebeugter Stellung (also nach
der Daumenseite zu ~ starke pronatorische Badial-
fiexionsstellung) wird dem Handgelenk grös-
sere Ereiheit gegeben; ausserdem sind wir im-
stande, durch diese Arm- und Handstellung mehr
wirkliche Kraft zu entfalten : die Physiologie lehrt
uns, dass die starke Pronationsstellung, weil sie durcb
das Aneinanderstossen der ünterarmknochen an
der Kreuzungsstelle derselben eine feste Grenz-
stellung herbeiführt, eine Fixation (Festhalten) der
Glieder untereinander günstigst beeinfiusst und sie
daher von bedeutenderer Wirkung ist wie die
supinatorische und abducierende Stellung des Unter-
arms und Handgelenks; die Fixation, also das
Festhalten dieser Gliedmassen untereinander
durch die starke Pronationsstellung voUständiger
sein kann. - Je grösser die Anspannung des
Pronator teres und des Flexor carpi
radialis (also desto schärfer die Adduction
und Pronationsstellung), desto grösser die
Beherrschung und die Gewalt bei der
Handführung.
Auch entfalten die Adductionsmuskeln
(anziehende) mehr Kraft als die Abductions-
muskeln (abzieheiide), und dürfte hierin wohl die
physiologische Erklärung zu finden sein, warum
es dem Klavierspielenden im allgemeinen leichter
wird, Passagen nach der Mitte der Klaviatur hin
zu spielen, also für rechts nach unten und links
nach oben, als umgekehrt, also für rechts nacb
oben und links nach unten. Schon allein der
Pectoralis major, der grosse Brustmuskel, ein so
starker Muskel, unterstützt sehr bedeutend das An-
ziehen des Armes nach der Brust zu.
Wir sehen also, dass eine starke adduzierte
Pronationsstellung uns zu grösserer Spielsicherheit
und ELraft im Unterarm verhilft, und steht es zweifellos
fest, wie sehr ein zuviel nach aussen wenden
der Hand im Gelenk (Abduction), das heute so-
gar noch viele Schulen lehren, den Unterarm
steif macht and beschwert. Durch diese
Stellung der Hand werden die Extensor ulnaris
und fiexor ulnaris in Tätigkeit gesetzt, welche
diesen ungünstigen Einfiuss auf den Onterarm aus-
üben. Auch können wir nicht genug vor einem
zu hohen Sitz warnen; der Ellenbogen soll sich
stets etwas tiefer stellen wie das Handgelenk; wir^
— 276
dies nicht beobachtet, so übt der Vorderarm einen
schädigenden Druck auf die Hand aus, was leicht
zu Ueberbeinen etc. Veranlassung gibt. —
Wenn hier auch viel von Muskeln und immer
wieder Muskeln die Bede war, so soll doch aus-
drücklich betont weiden, dass die praktische An-
wendung der obigen Vorschriften nach aussen hin
in keiner Weise sich als Kraftproduktion zeigt.
Der ganze Vorgang spielt sich durchaus
innerlich ab; die Haltung des Spielers ist eine
vornehme ohne jede Steifheit; ein leichtes Hin- und
Hemeigen ohne Affektation, wie sie die Bewegung
des Spiels nach oben und unten auf der Klaviatur
erfordert, ist selbstverständlich, ohne dass der
Bhythmus des Muskelspiels äusserlich wahrnehm-
bar wäre. — Auch lag es nicht in unserer Absicht,
eine gelehrte physiologischeAbhandlung zu schrei ben ;
vielmehr wünschten wir nur das dem Klavier-
spielenden Nützliche klar zu legen, indem wir
eine mehr allgemein verständliche üebersicht über
anatomisch für uns wichtige Vorgänge einfiochten.
Ganz besonders bedeutungsvoll erscheint uns die
physiologisch bisher feststehende Annahme, dass
in der Buhelage des Schulterblattes ein bis über
die horizontale Hebung des Armes ohne Aufziehen
oder Nachgeben des Schultergürtels, nicht gut
ausführbar sei. — Persönliche Beobachtungen
fahrten uns zu der Tatsache, dass der Arm ohne
Hebung des Schulterblattes, sogar mit Senkung
der Schulter und des Schlüsselbeins, sich bedeutend
höher wie bis zur horizontalen Lage, heben lässt."*")
Wir meinten diese Tatsache feststellen zu
müssen, nicht allein weil in ihr die grosse Wich-
tigkeit der Willensäusserung auf den menschlichen
Organismus sich wiederspiegelt, aber hauptsächlich,
weil durch diese ganz bewusste Bewegung
dem Klavierspieler die grossen Kraft-
quellen sich erschliessen, die ihm die Mit-
arbeit der tiefsten Bückenmuskulatur so-
wie der um die Lenden sich befindenden
Muskeln gewähren, die alle in Mitleiden-
*) Schon in „Die Deppe'sche Lehre des Klavier-
spiels" 1897 betonen wir, dass ohne hochziehen der
Schulter der Arm nach vorne zu heben sei, um der
Mitwirkung der Bückenmuskeln sich zu versichern.
Im ^üebungsbuch^^ 1900 und in den „Technischen
Batschlägen für Klavierspieler" 1902, wurde wieder-
holt auf diese Bückenmuskelarbeit und Spannung
aufmerksam gemacht.
Schaft gezogen werden bei dieser eigen-
tümlichen Schulterblattsenkung. Ausser-
dem haben unsere Beobachtungen, die wir durch
Böntgenaufnahmen der verschiedenen SteUungen
untersuchen liessen und durch diese zur vollen
Bestätigung unserer obigen Behauptung gelangten,
gezeigt, dass mit der Senkung des Schulterblattes
und des Schlüsselbeins gleichzeitig ein ge^wisses
Einziehen, d. h. ein nach der Wirbelsäule za sich
Nähern der Schulterblätter sich vollzieht; die Brust
tritt etwas nach vorne hervor und der Bücken iat
gestreckt, wodurch eine vornehme und doch nicht
steife Haltung erzielt wird, was also auch ge-
sundheitlich von Vorteil sein dürfte.
Herr Dr. B. du Bois-Beymond und Herr
Dr. med. Fr. Kronecker haben, während und
nach dem Befund der Böntgenaufnahmen, dieselben
eingehend geprüft und festgestellt, dass tatsächlich
eine Erhebung des Armes von 45^ (also 185^ von
der senkrechten Lage aus), mit gleichzeitiger
Senkung des Schulterblattes von ungefähr 2 cm
stattgefunden hat. —
Dass die obigen Winke bezüglich der An-
wendung der vollen Bückenmuskulatur, sich haupt-
sächlich an Erwachsene und Vorgeschrittene wenden,
versteht sich von selbst. Diese Art des Spiels ist
gerade für das grosse künstlerische Spiel von grosster
Wirkung, ebenso wie es dem feinsten Ausfeilen
der zartesten Tongebung die Mittel in ausgibigster
Weise bietet. Der Lehrende wird aus dem
Obengesagten aber gewiss auch schöpfen können;
es sei ihm besonders ans Herz gelegt, dass bei
Kindern das freie Armspiel (d. h. mit dem von der
Schulter aus getragenen Arm), genügen möchte.
Einem in dieser Weise vorbereiteten Schüler, wird
es später ein Leichtes sein, auch die tiefer liegenden
Bückenmuskeln in Anwendung zu bringen. —
Es gereicht xms zur besonderen Ehre, Herrn Dr.
B. du Bois-Beymond Dank zu sagen für dessen
überaus gütiges Entgegenkommen und liberalste
TJnterstütztmg bei den Untersuchungen in der obigen
Angelegenheit. Herrn Dr. med. F. Kronecker,
der uns in ausgibigster Weise instand setzte, unsere
Bewegungen durch Böntgenaufnahmen in seinem
Laboratorium zu untersuchen, fühlen wir xms dank-
barst verpflichtet. Die Zeichnungen nach den
Böntgenstrahlen sind von Herrn Dr. Kronecker's
Techniker, Herrn E. Engelmeyer, angefertigt.
ßci" ^ecbai)istt)us des it)asi1<a1iscbei) f{nsdriic\{s.
Ms m. Sahirs tXa Muiique et la p$ycl)opl)v$iologie'\
Uebersetzt von
F. Kromayer.
ni.
Der Anschlag und der Gehörsinn. Mannigfaltigkeit des Klanges durch die Ver-
Bei einem künstlerisch analysierten Studium schiedenartigkeit des Anschlags hervorgerufen
der Tastempfindungen entdeckt man, welch' eine wird und welche Bückwirkungen dieselbe auf die
277 —
OehÖrsempfindangen und auf die geistige Vorstel-
lang der Töne aasübt.
üeber den Einflass der Bewegung auf die G-e-
danken bat man zwar schon viel experimentiert,
aber bis Jetzt ist dieser Einfluss noch nicht auf
ein musikalisches Instrument ausgedehnt worden.
Die Kunst des Anschlags wird nicht nur durch
die demselben vorangehenden und nachfolgenden
Bewegungen erreicht, sondern durch den der Taste
übermittelten Druck selbst.
Von jeher hat man einen schönen Anschlag
für eine angeborene Gabe gehalten, jetzt ist es er-
wiesen, dass nach dreimonatlicher üebung bei dem
unbegabtesten Schüler eine schlechte Klangfarbe
durch so harmonische Töne ersetzt werden kann,
dass man nicht mehr denselben Schüler zu hören
glaubt.
Die Ausdehnung der Berührungs-
fläche ist von der grössten Wichtigkeit für den
Wohlklang. Diese Ausdehnung ist am geringsten*
wenn der Anschlag gemacht wird, während man
das erste Fingerglied nach dem Innern der Hand
umbiegt, um die Taste sozusagen mit der Spitze
des Nagels herunterzudrücken; sie erreicht ihr
Maximum, wenn der Anschlag mit dem ganzen
Tastglied gemacht wird. Diese Hilfsmittel sind
praktisch unbekannt, weil sie beim üeben nicht
entwickelt werden. Abgesehen davon, muss aber
die Berührung mit möglichst geringem Kraftauf-
wand geschehen, denn die Feinheit der Klangfarbe
kann nur durch leichte Berührung entwickelt
werden. Die Empfindsamkeit unserer Tastglieder
ist derart, dass sich unser Tastsinn viel weniger
aosbildet, wenn man grosse Kraft zum Nieder-
drücken der Taste anwendet, während sich die
Empündscunkeit durch leichte Berührungen ver-
mehrt, besonders wenn man den Umfang der Be-
rührung während der Dauer des Anschlags ver-
ändert
Die Oberfläche der Haut ist keine regelmässige
Ebene, sondern durch eine Menge kleiner Abtei-
langen gebildet. Aus jeder derselben erhebt sich
ein kleiner Vorsprang, eine Art mikroskopisch
kleiner Finger, und diese kleinen Finger verviel-
fältigen sich immer mehr an den Stellen, wo die
Empfindungen am feinsten und zartesten sind.
An gewissen SteUen, wo die Empfindlichkeit
lebhaft, aber unklar ist, sind diese Tastorgane ge-
wöhnlich sehr unregelmässig verteilt. Aber wenn
die Tastempfindungen entwickelter sind, ordnen
«ich diese Organe in Beihen, werden gradlinig und
parallel zu einander. Die Veränderung des Um-
gangs in der Berührungsfläche erweckt nicht nar
nene Tastempfindungen, sie erlaubt auch den
schmalen Fingern in der Länge zuzusetzen, was
Urnen in der Breite fehlt. Die Veränderungen in
^er Klangfarbe darf man aber nicht mit denjenigen
verwechseln, welche durch den Druck des Fingers
oder die Anschlagsbewegung selbst hervorgebracht
werden.
Die Bewegungstätigkeit der Tast-
glied e r. Ch. F6re macht in seiner „Pathologie
des Emotions" darauf aufmerksam, dass Individuen
mit schwachem Verstand die isolierte Krüm-
mung der beiden letzten Fingerglieder und des
letzten Daumengliedes gamicht oder nur mit ganz
geringer Kraft ausführen können, woraus man
schliessen kann, dass dieser Anschlag wohl ge-
eignet ist, den Verstand derjenigen zu entwickeln,
welche ihn erlernen. Ch. F6t6 fügt hinzu: „Das
Ausbleiben oder die Schwäche der Bewegung des
Daumentastgliedes ist besonders bemerkenswert,
denn diese Bewegung wird durch den langen
Beugemuskel bewirkt, von welchem Gratiolöt be-
wiesen hat, dass dieser Muskel charakteristisch für
die menschliche Hand ist, da man ihn bei den
höher entwickelten Affen nicht findet. Anderer-
seits hat Dachenne erkannt, dass dieser Muskel die
wichtigste BoUe in den zartesten Bewegxmgen der
Hand spielt.''
Diese entscheidende Rolle föUt ihm beim Stu-
dium des Anschlags natürlich auch zu; denn dem
Anfänger, der die Hand frei ausstreckt, indem er
den Daumen gerade macht, ist es unmöglich, die
Kreisbewegung des Anschlags mit starker Biegung
der beiden letzten Glieder der anderen Finger zu
machen, sei es, dass er sie gleichzeitig oder nach-
einander auszuführen sucht. Sobald dagegen das
Tastglied des Daumens gekrümmt ist, bewegen
sich die letzten Glieder der anderen Finger mit
einer unwillkürlich erreichten Leichtigkeit
Der Gehörsinn. Die Entwicklung des
Gehörsinnes kann durch die Verschiedenartigkeit
des Anschlags künstlich hervorgerufen werden.
Bain sagt: Das Bewusstsein wird nur durch Ver-
änderung, die Veränderung nur durch Bewegung
ermöglicht. Bei der praktischen Anwendung dieser
Theorie wird man durch die Verschiedenartigkeit
der Fingerbewegungen dahin kommen, dem
schwächsten Gehör eine Verschiedenartigkeit der
Tonwahmehmung zum Bewusstsein zu bringen,
und dies Besultat muss durch die verschiedenartige
Bertihrung derselben Taste erreicht werden. Wenn
diese Kenntnis des Wechsels in der Schwingungs-
f orm erworben ist, kann sie auf den Wechsel in
der Schwingungs z a h 1 übertragen werden. Man
kann hier das Sprichwort umkehren und sagen:
Qui peut le moins, peut le plus. Wenn ein unge-
bildete» Gehör das Spielen verschiedener sich an-
einander reihender Töne nicht unterscheidet, so
übt dagegen die Schönheit der Klangfarbe, sobald
sie mit starken Tastempfindungen verbunden ist,
auf dasselbe G^hör eine fast magische Wirkung
aus. Die Eindrücke, welche nur durch den Cha-
rakter der Ober- und Untertöne hervorgerufen
werden, üben diesen Beiz nicht aus, sodass die
Töne ohne die verschiedene Klangfarbe wie ab-
stossend wirken. Darum kann man sagen: den
Zauber der Klangfarbe empfinden heisst musikalisch
werden. Das G^hör wird dadurch, dass es fähig
— 278 —
ist, die einem einzelnen Ton innewohnende Har-
monie zu erfassen, schon künstlerisch entwickelt.
Diese erste Stufe za erreichen ist das Wichtigste.
In diesem ersten Impuls ist schon die Fähig-
keit eingeschlossen, auch den Reiz der Tonfolgen
zu unterscheiden und so den eigenartigen Zauber
zu empfinden, welchen die Melodie ausübt.
Wenn die Einger imstande sind, statt aufein-
anderfolgender Töne dieselben gleichzeitig durch
wohlklingende Akkorde hervorzurufen, dann gesellt
sich ein neues Element den G-ehÖrsempfindungen
zu, die in unserer modernen Kunst so mannigfach
entfaltete Harmonie des Musiksystems.
Die Ezperimental-Fhysiologie beobachtet den
menschlichen Organismus in Bezug auf zwei ver-
schiedenartige Zustände : die Kraft und die
Schwäche. Zwischen diesen beiden kann der
Musiker durch die Kunst ihm die Schönheit,
d.h. den harmonischen Gebrauch seiner Sjraft ver-
leihen.
beiit) i^iDS^i) ai)d J^precbei) ii) der Jicbule
nach
A. Böhme-Kdhler.
Im Juli hielt Herr Kantor Wilhelm Hänssel
in der Aula der XII. Bürgerschule in Leipzig eine
Musterlektion über Lautbildung beim
Singen undSprechen mit Knaben des ersten
und Mädchen des 6. Schuljahres. Ausser dem
Schulrat Professor Dr. Müller, verschiedenen
Schuldirektoren und einer stattlichen Anzahl von
Lehrern hatten sich auch solistisch gebildete
Sänger und Sängerinnen eingefunden, sodass der
grosse Schulsaal bis auf den letzten Platz dicht
gefüllt war. Das grosse Interesse, welches man
dieser Lektion entgegenbrachte, ist einmal dadurch
erklärlich, dass sich Herr Kantor Hänssel als Lehrer
und Musiker und seit Vertauschung seines Orga-
nistenamtes mit einem Kantorate besonders auch
als Gesangspädagog grosser Wertschätzung in
Fachkreisen erfreut, vor allem aber dadurch, dass
er auf Grund seiner Studien bei Frau Böhme-
Köhler zeigen wollte, welche Keform die Schule
beim Singen und Sprechen einzuschlagen hat,
wenn die ewigen Klagen Über Verbildnng der
Kinderstimmen endlich verstummen sollen.
Frau Böhme-Köhler ist eine der wenigen Ge-
sangspädagoginnen, die den Namen „Pädagogin''
in der Tat verdienen. Als ehemalige Schülerin
von Professor Franz Götz vermag sie ihren
Schülern nicht nur ideal schöne Töne vorzusingen,
sondern hat sich auch unter dessen Anleitung und
Kontrolle im Erteilen von Gesangnnterricht längere
Zeit geübt.
Ihre Lautbildungslehre gliedert sich in einen
theoretischen und praktischen Teil. Ersterer er-'
fährt in der neuen dritten Auflage wesentliche
Ergänzungen.
Von grösster Bedeutung sind die Ausfüh-
rungen über die Entstehung der sogenannten Be-
gister und die Klarlegungen, wie man zu einer
^registerlosen'^ Stimmbildung gelangt. Dass
zwischen Theorie und Praxis kein Widerspruch
besteht, dafür bürgt die langjährige Erfahrung der
Frau Böhme-Köhler im Erteilen von Gesangunter-
richt. Ausserordentlich wichtig ist ihr Leitfaden
für die Lautbildung in der Volksschule.
Auch Frau Böhme-KÖhler ist der Meinung,
dass an Volks- und höheren Schulen die Kinder-
stimmen sehr verbildet werden, sie zeigt aber jenen
zugleich klar und sicher den Weg zur rich-
tigen Lautbildung. Sie überschätzt dabei keines-
falls Zweck und Aufgabe des Schulunterrichtes,
erbringt vielmehr den Beweis, wie mit den ein-
fachsten Mitteln die Kinderstimme erzogen werden
kann.
Als Vorübungen für das Singen und Sprechen
verlangt sie: 1. wiederholtes Oef inen und Schliessen
der Kiefer, 2. horizontales Strecken der Zunge,
3. Weiten des Itachens und 4. einfache Tiefatmung.
Die eigentlichen Tonstudien nimmt sie zunächst
nur an den Vokalen u, o, a vor. Sie verbindet
damit bald die Konsonanten und übt mit besonderer
Sorgfalt die langen und kurzen, hellen und dunklen
Vokale und die Konsonantenhäufungen. Die Vokale
ei - ai übt sie zunächst nur ohne Konsonanten,
die Mischlaute und die Doppellaute au, ei (ai), eu
(äu) später sofort in geeigneten Wörtern. Neben-
bei kommen verschiedene ganz einfache Tonfolgen
auf die Vokale a,o (legati) und in zweckentsprechen-
den Wörtern zur Ausübung, die ihre Anwendang
dann nach Ueberwlndung der (^esangselemente im
Lied finden. Diese gesangstechnischen Uebungen
bilden zugleich die sicherste Grundlage für die
eigentliche Sprechtechnik, die im 2. Teile des Leit-
fadens planvoll und lückenlos zur Darstellung
kommt.
So einfach auch alle diese Uebungen erscheinen^
so erfordern sie doch die ganze Aufmerksamkeit
des Schülers. Sein Organ wird dadurch sicher,
schnell und natürlich erzogen, der Ton edel und
resonanzvoll, die Aussprache der Konsonanten
mühelos und richtig.
Dies wies Herr Kantor Hänssel aufs
— 279 —
schlagendste durch die oben erwähnte Mnsterlektion
nach. Durch Vorführung der Elementaristen er-
brachte er zunächst den Beweis, dass es wohl
möglich ist, schon sechsjährige Kinder unter Ver-
meidung des zu Hoch- und Lautsprechens zu einer
phonetisch richtigen, dialektfreien, wohllautenden
und deutlichen Sprache zu erziehen.
Allgemein überraschten die Leistungen der
3. Mädchenklasse. Dieselbe war nicht ganz ein
Jahr lang im Singen und Deutsch im Sinne und
Geiste von Frau Böhme-Köhler von Herrn Hänssel
onterrichtet worden. Nach übersichtlicher Vorfüh-
rung der rein technischen TJebungen im Singen
und Sprechen fanden dieselben Anwendung durch
Vortrag verschiedener Gedichte, Choräle und Volks-
lieder.
Die £[inder sprachen ohne alle Künstelei voll-
ständig bühnengemäss, ihr Organ klang rund und
voll; Jeder Laut kam zu seinem Rechte, und man
merkte es den Kindern deutlich an, dass sie ihre
Laute bewusst zu bilden verstanden.
Bei Vortrag der Choräle und Volkslieder fiel
die aussergewöhnliche Klangfülle auf. Ohne jedes
Forcieren und bei vollster Tongabe entwickelten
einzelne Mädchen Töne, wie man sie von EÜnder-
stimmen noch nicht erwartet. Hier konnte man
so recht deutlich sehen, wie entwicklungsfähig
schon das Stimmorgan des Bandes ist, wenn es die
Besonanzverhältnisse bereits in der Schule kennen
lernt.
Durch die Vorführung der höchst gelungenen
Leistungen seines Knaben-Kirchenchores hat Herr
Hänssel den praktischen Nachweis geliefeit, dass
die Kinderstimme registerlos zu schulen ist. Die
üebungen, Lieder und Choräle hatten den Stimm-
umfang von a bis ä und geschahen ohne Kegister-
wechsel, was grosses Interesse und ungeteilten
Beifall erweckte.
Einen theoretischen Vortrag über die register-
lose Stinmibildung und die Stimmbildung in den
Schulen behält sich Herr Hänssel für Fachkreise
später vor.
Mltteilnngen
von Hoohsohulen und Konservatorien*
Aus dem soeben erschienenen Jahresbericht
des . Konservatoriums Klindworth-
Scharwenka in Berlin, Direktor Dr. Hugo
Goldschmidt, ist zu entnehmen, dass die An-
stalt im abgelaufenen Schuljahre von 389 Schülern
besucht war. Aus dem Lehrerkollegium schieden
mit Ablauf des Jahres aus Hr. ConradAnsorge
(Klavier) und Frl. Lina Beck (Q^sang). An
ihre SteUe wurde für die EQavierklassen Herr
Anton Förster, für Gesang Hr. Anton
Sistermanns gewonnen. Ausser den musi-
kalischen Vortragsabenden und Prüfungskonzerten,
von denen insgesammt 17 stattfanden, wurden
folgende Vorträge gehalten: Otto Lessmann
.Geschichte der Klaviermusik im 19. Jahrhundert**,
Br. W. Kleefeld „Geschichte der Musik im
Mittelalter bis 1600«, Dr. H. Gold Schmidt
.Mozart'ß Leben und Werke", Dr. H. Leichten-
tritt „Formenlehre der klassischen Instrumental-
musik". Die Vorträge über „Methodik des Klavier-
Bpiels**, über „G^angsphysiologie" wurden von
Prof. X. Scharwenka und Dr. H. G o 1 d -
sclmiidt, in Vertretung des letzteren von Herrn
fingen Brieger gehalten. Der Direktor
Dr. Goldschmidt hatte in diesem Schuljahr einen ,
Preis von 200 Mk. für die beste Leistung im
Elavierspiel ausgesetzt, er wurde von einer Juxy
einstimmig Hm. Otto Klemperer, einem
Schüler von Prof. James Kwast, zuerkannt.
Das Vogt 'sehe Konservatorium für
Mnsik in Hamburg, Direktor Friedrich
Vogt, beschloss sein 6. Schuljahr mit einer
Frequenz von 171 Schülern. In das Lehrerkollegium
neu aufgenommen wurde Hr. RudolphPhilipp
für Theorie, Formenlehre und Musikgeschichte,
ferner der bekannte Komponist Arthur Sey-
bold für Violine. Vom 1. Oktober d. J. ab wird
der Direktor, welcher als Mitglied dem „Musik-
pädagogischen Verbände'' beigetreten ist, das seiner
Anstalt angegliederte Seminar ganz nach den
Vorschriften und Anforderungen des Verbandes
einrichten, und sind die Aufnahme-Bedingungen
und Prüfungsordnung ihnen entsprechend in dem
ausgesandten Prospekte angegeben.
Als Nachfolger Anton Dvorak's ist zum
künstlerischen Leiter des Konservatoriums in
Prag nun endgiltig Prof. Karl Knittl ernannt
worden.
An der Universität Kiel hat sich Dr. Albert
Mayer-Beinach aus Berlin als Privatdozent
der Musikwissenschaft habilitiert. Die Antritts-
vorlesung behandelte das Thema „Friedrich der
Grosse und die Musik*.
Frau Co rinne Levasseur, Solistin der
Pariser Colonne- xmd Lamoureux-Konzerte ist in
die Acad^mie de Musique in Genf,
Direktor C. H. Richter, als Gesaugsprofessorin
eingetreten.
Prof. Dr. Arthur Seidl ist eingeladen
worden, an Stelle des zum Ordinariat an die Ber-
liner Universität jüngst berufeneu Prof. Dr. Her-
mann Kretzschmar die Vorlesungen über
Musik-Geschichte und Aesthetik am Leipziger
„Kgl. Konservatorium" zu übernehmen. Mit
höchster Genehmigung wird er diesem ehrenvollen
Rufe, unbeschadet seiner dramaturgischen Ver-
— 280 —
pflichtangen am Herzogl. Hoftheater, von Dessau
ans nachkommen.
An der Pädagogischen Musikschule
Frl. von Mertschinskys zu Dresden hält
Herr Dir. BichardKaden im Laufe des Sep-
tember drei Vorträge, und zwar über die Themen:
1. „Die Geschichte der Musik.'' — 2. „Musikalische
Interpretation, musikalisches Verständnis und musi-
kalische Erziehung/ — 3. „Die schöngeistige Pflege
des Klavier- und Violinspiels in konzentrischen
Kreisen. '^ —
An Stelle des ausscheidenden Prof. Dr. D i e z
aus dem Lehrkörper des König 1. Konser-
vatoriums für Musik zu Stuttgart tritt
Prof. Dr. Meyer. Er beginnt im Wintersemester
mitVorträgen über Aesthetik, Kunst- und Literatur-
geschichte.
Die König 1. Akademie derTonkunst
zu München, Direktor Professor B. Stavenhagen,
verzeichnete im verflossenen Studienjahr eine
Frequenz von 314 Schülern und Schülerinnen, und
zwar von 54 Eleven und 34 Elevinnen der Vor-
schule, 109 Elevinnen der höheren weiblichen Ab-
teilung, 109 Studierenden der Hochschule und
2 Hospitanten und 6 Hospi tantinnen für Chor-
gesang. Von den 31^ Erequentanten waren 205
aus Bayern, 47 aus dem Übrigen Deutschen Reich
und 62 aus dem Ausland (17 aus Oesterreich-Üngam,
je 10 aus Bussland, England und Amerika etc.)
gebürtig. Eine ganze Anzahl Studierender wurde
mit Stipendien und Belobungen bedacht. Vier
Studierende und zwei Elevinnen erhielten Reise-
stipendien zum Besuch der diesjährigen Bayienth er
Festspiele. Die „M. N. N.*" hatten nach Schloss
des Studienjahres an den letzten Vortragsabend die
nachstehenden Betrachtungen geknüpft: „Für den
frischen und lebendigen, dem Neuen und künst-
lerisch Fortschrittlichen liebevoll entgegenkom-
menden Geist, der mit Stavenhagen in unsere
Akademie eingezogen ist, und für die in vieler
Beziehung auf der respektabelsten Höhe stehende
Leistungsfähigkeit der Anstalt lieferte gerade der
schöne Verlauf dieses letzten Vortragsabends einen
neuen Beweis. Gewiss wird sich auch in der Zu-
kunft die unermüdliche Tätigkeit eines so ener-
gischen und vielseitigen Künstlers, wie Staven-
hagen einer ist, für die Akademie vom höchsten
Segen erweisen, wenn seiner Leitung diejenige
Unabhängigkeit und Bewegungsfreiheit gewahrt
bleibt, ohne die nun einmal ein wie immer geartetes,
künstlerisches Arbeiten nicht denkbar ist.
Hofkapellmeister Professor Mannstaedt hat
die Ausbildungsklasse für Klavierspiel am Wies*
badener Konservatorium, Direktor A.
Michaelis, übernommen.
In Bromberg wird am 1. Oktober ein
Konservatorium für Musik, verbunden mit
einem Musiklehrer-Seminar, unter Leitung
von Hrn. A Schattschneider eröffnet. ,
YermlBchte Nachrichten.
In Chicago feierte der Nestor der amerikani-
schen Kapellmeister, Theodor Thomas, das
Jubiläum seiner 50jährigen Tätigkeit als Dirigent.
Ihm ist das Verdienst zuzuschreiben, dass deutsche
imd französische Musik, ältere wie moderne, sieg-
reich über den Ozean herüberdrang. Als Dirigent
der philharmonischen Konzerte von Newyork,
Cincinnati und Chicago hat er sich einen ehrenvollen
Buf begründet, der selbst den Buhm eines Dam-
rosch verblassen Hess. Am 11. Oktober 1885 zu
Esens in Ost-Friesland geboren, kam Thomas be-
reits als 12j ähriger Knabe nach Newyork; Amerika
ward seine zweite Heimat. Noch heutigen Tages
ist der fast Siebzigjährige Direktor am Konser-
vatorium zu Chicago und Leiter der dortigen phil-
harmonischen Konzerte.
In Boppard verstarb am 21. August, nach
einem Leben reich an Erfolgen auf dem Gebiete
der katholischen Kirchenmusik und Musikpädagogik,
der Kgl. Musikdirektor imd Seminaroberlehrer
Peter Piel im Alter von 69 Jahren. Fast 50
Jahre hat der Verewigte in Kempen und Boppard
eine grosse Zahl von Lehrern herangebildet, welche,
seinem Beispiel folgend, segensreich in Kirche und
Schule wirken. Seine glänzenden GTeistesanlagen,
sein reiches Wissen, sein unermüdlicher Pflicht-
eifer, sowie seine gemütvolle, offene und herzliche
Art im Verkehr haben ihm allgemeine Wert-
schätzung erworben und sichern ihm in den
Herzen seiner Kollegen und Schüler ein dauerndes,
ehrendes Andenken. Seine Bestrebungen fanden
auch Anerkennung durch Verleihung des Kgl.
Kronenordens und des Päpstlichen Ehrenkreuzes
pro ecclesia et pontiflce.
Bichard Hof mann inLeipzig, der bekannte
Musikpädagog, Komponist und Musikschriftsteller,
wurde zum kgl. Professor ernannt.
Wie bereits berichtet wurde, veranstaltet die
Neue Bachgesellschaft vom 1. — 3. Ok-
tober d. J. in Leipzig im Gewandhause und der
Thomaskirche das zweite seiner Bachfeate, zu
dem auch Nichtmitglieder Zutritt haben. Das
reichhaltige Programm nennt eine Anzahl Werke
des Altmeisters Bach, die trotz ihrer hohen Be-
deutung nur den Wenigsten durch Aufführungen
bekannt sind. So wird die Sonnabend - Motette
(1. Okt.) die zwei achtstimmigen Motetten „Singet
dem Herrn" und „Der Geist hilft unsrer Schwach-
heit auf" bringen, während im Orcheeterkonzert
u. a. die seltener gehörte „D-dur-Suite", das
— 281 —
yI>-iiioll-Konzert'* für 3 Klaviere, ein .Concerto
grosso** von Händel und endlich die grosse welt-
liche Kantate „Vom Streit zwischen Phoebns nnd
Pan*. ein Werk, das Bach als künstlerischen Pole-
miker zeigt, znr Aufführung gelangen. Das „vierte
Brandenburgische Konzert", Solowerke für Gesang,
für Klavier, für ViolonceU, und die humoristische
9 Kaffeekantate" (Schweigt stille) kommen in der
Kammermusik-Matinee (2. Okt.) zur Aufführung.
Das Hauptwerk des Nachmittag - Gottesdienstes
(2. Okt) wird die mächtige Reformationskantate
,Gott der Herr ist Sonn' und Schild" sein,
und mit den vier Kantaten „Herr, gehe nicht in's
Gericht", ^Jesus schläft«, „Wachet, betet* und
«Erfreuet Euch, Ihr Herzen ** Endet das Kirchen-
konzert (3. Okt.) und somit das ganze Fest seinen
Abschluss.
Zu diesen Veranstaltxmgen werden Dauerkarten
zum Preise von je 10 Mk. und Eintrittskarten für
die einzelnea Konzerte zum Preise von je 4 Mk.
ausgegeben. Anmeldungen zur Teilnahme können
schon jetzt bei den Schatzmeistem der Gesellschaft,
Breitkopf & Härtel in Leipzig, erfolgen,
die auch zu jeder weiteren Auskunft gern bereit sind.
In Salzburg hat Pelix Mottl bei Gelegen-
heit des Festes im Namen der Wiener Philhar-
moniker eine Rede gehalten, die interessant genug
ist, um sie mit einigen Kürzungen wiederzugeben.
Er sagte: „Ich danke Ihnen im Namen der Phil-
harmoniker, weil ich mich schon jetzt mit dem
Philharmonischen Orchester solidarisch fühle. Das
ist ein grosses Wort, ich weiss das wohl. Wer
die künstlerischen Eigenschaften der Philharmoniker
kennt, weiss, was ich damit sage. Wir haben uns
in der kurzen Zeit schon ganz gut verstanden und
werden uns auch in Zukunft sehr gut verstehen.
Ba ich die Ehre haben werde, das Philharmonische
Orchester auch in Wien zu dirigieren, so scheint
es mir von guter Vorbedeutung zu sein, dass ich
hier im Zeichen des grössten musikalischen Genius,
der je gelebt hat, meine Tätigkeit bei den Phil-
harmonikern beginnen konnte. Mozart ist für uns
Mosiker das Heiligste, was wir uns denken können.
Ich habe nie recht verstehen können, wenn man
bei Mozart immer nur von Heiterkeit und von der
gewissen Schönheit spricht. Es schien mir, als
glaube man, dass Mozart nur die Oberfläche der
Erscheinxmgen berührt habe. Mozart war aber
der tiefste und imiigste Mensch, der je gelebt hat.
£s gibt eine Wehmut in der Heiterkeit, es gibt
einen Schmerz in der Freude, der die Menschen in
Höhen führt, von denen herab nur die Göttlichsten
zu uns armen Menschen sprechen können. Auf
dieser Höhe hat Mozart gestanden. Wir dürfen
also nicht nur von Heiterkeit und von absolut
muBikalisch Schönem sprechen, sondern wir müssen
von himmlisch ünbegpreiflichem, grossartig Schönem
f^prechen, wenn wir von Mozart reden, der für alle
Zeiten ein Gegenstand der Verehrung und der An-
^>«tung für jeden Künstler war.
Dass ich unter diesem Zeichen meine Tätigkeit
mit den Philharmonikern beginnen konnte, ist für
mich ein unendlich freundliches 2^ichen, das ich
nicht anders bezeichnen kann, als eine Fügung
des Schicksals, für die ich dem lieben Gott danke.
Heutzutage gibt es in der Musik so viel Modernes,
Unwahres, Hässliches, Scheussliches, was sich
fälschlich Fortschritt nennt, dass man glücklich
sein muss, wenn man zu den heimischen PenatüU
zurückkehrt. Mozart war der ktlhnste Neuerer,
den es Je gegeben hat; er war der fortschrittlichste
Musiker, der je gelebt; denn er hat wirklich etwas
ganz Neues, Unerhörtes in die musikalische Kunst
gebracht: er hat die einzelnen Instrumente des
Orchesters sprechen gelehrt, er hat ihnen Seele
gegeben — mit einem Worte, durch Mozart ist die
Musik in einem gewissen Sinne erst entdeckt
worden. Wir müssen nämlich in der heutigen
Zeit, wo so viel Entdecker existieren, Gott danken,
dass er uns einen so himmlischen Menschen ge-
geben hat. Wenn Mozart jetzt lebte, so würde er,
wenn wir morgen Liszt und Brückner aufführen,
sagen: Führt sie nur auf, das ist ganz iu meinem
Sinne I"
FrauQois Auguste Gevaert, der Direktor
des königlichen Konservatoriums zu Brüssel, ist
zum auswärtigen Bitter des Ordens pour le
m^rite für Wissenschaft und Künste ernannt.
Gevaett zählt zu den hervorragendsten lebenden
Musikhistorikern. Seine „Geschichte und Theorie
der Musik des Altertums" (1875 bis 1881, 2 Bde.)
zeigt ihn als einen gewissenhaften und gründlichen
Forseber von imponierender Gestaltungskraft; es
ist ein Werk, dessen hohe Bedeutung durch die
Einwände, die gegen die Auslegung der alten
Schriftsteller erhoben worden sind, nicht ge-
schmälert werden kann. Sein Vortrag über ,J)ie
Ursprünge des liturgischen G^sanges^ (1890) und
das Werk „La m^lopöe antique dans le chant de
l'^glise latine^ (1895) trugen dazu bei, seinen Huhm
als Musikgelehrter zu vermehren*. Aus früheren
Jahren stammen zwei musiktheoretische Bücher:
ein Lehrbuch des gregorianischen Gesanges (1856)
und ein «Trait^ dlnstrumentation"« (1863). Das
letztgenannte Werk erschien später in sehr er-
weiterter Form und ist von Hugo Biemann. der
es „zur Zeit das bedeutendste Werk über Instru-
mentierung*^ nennt, in 's Deutsche übertragen
worden. Auch als Komponist ist Gevaert erfolg-
reich tätig gewesen. Er hat 11 Opern geschrieben,
von denen wir in Deutschland freilich so gut wie
gar nichts wissen. Nur die elfte, „Les deuz amours^,
ist 1861 zu Baden-Baden aufgeführt worden. Ein
Requiem, ein Stück für Männerchor und Orchester
(„Super flumina Babylonis"), Festkantaten, Chor-
werke mit Orchester (Jacques van Artevelde*') und
Balladen für Sologesang mit Orchester wären
femer zu nennen. Geboren ist Gevaert am
81. Juli 1828 zu Huysse bei Audenaarde. Seine
Studien begann er auf dem Konservatorium in
— 282 —
I
Qent Et setzte sie in Paris fort; dann unter-
nahm er zn seiner weiteren Ansbüdnng Reisen
nach Spanien, Italien nnd Deutschland, bis er sich
endlich im Jahre 185 ^ dauernd in Paris niederliess.
1867 wurde er Musikdirektor der grossen Oper,
1871 ging er nach Brüssel, wo er als Direktor des
königl. Konservatoriums überaus segensreich wirkte.
Durch Aufführungen von Werken aus allen
Epochen der Musikgeschichte weckte er den
historischen Sinn; ganz besondere Verdienste In-
dessen erwarb er sich durch die Pflege der
Musik Bach's.
Anmeikung der Redaktion. Aus
Versehen ist zu dem „Schulgesangslehrplan' von
Frl HeleneNöring, Königsberg, (Beiheft
9 zu No. 16 des „Kl. L.^) eine einleitende Bemer*
kung fortgeblieben, deren Inhalt nachsteliead
erfolgt:
Die .Musik-Sektion des All. D. L. V.' erstrebt
seit Jahren eine Reform des Schulgesang^es nnd
die fachgemässe Ausbildung von Schulg^esang-
lehreiinnen. Der mit den Arbeiten betrauten
Kommission gehört Frl. Nöring als Mitglied an,
(die übrigen Damen sind: Frl. Luise Mfiller-
Darmstadt, Frl. Elise Hesse-Er f nrt,
Frau Dr. Müller-Liebenwalde-Berlin),
sie hatte in erster Linie ihren Lehrplan für die-
selbe ausgearbeitet. Im Interesse und zur Förde-
rung der Schulgesangsfrage überliess sie der Re-
daktion ihre Arbeit zur Veröffentlichung im „Kl. L ^
Bücher und MusikaUen.
€h. T. Alkan (aln^) op. 54. „Benedictus*^ pour
Piano k Ciavier de P^dales. Transcrit
pour deux Pianos a quatre mains par
Josä Vianna da Motta.
CotUllat ft Co., Parts.
Von Charles Valentin Alkan ain^ sind diejenigen
Stücke, welche für Pedal-Flügel (und versteckter-
weise für Orgel) gedacht sind, die innigsten und
tiefsten an Empfindung. Und in dieser Reihe
nimmt das „Benedictus' einen erhöhten Platz ein.
Rechts die ,Prieres<' und links die .Pröludes'S in
der Mitte das „Benedictus^*: so gruppiert, stellt
sich die Serie als ein erhebendes Altarbild dar.
In Ermangelung der Pedal-Tastatur will Alkan sie
„dreistimmig** gespielt wissen; aber in ihnen ist
Reichtum genug, um zwei Pianisten an zwei
Flügeln damit zu bedenken.*)
So ist der Gledanke da Motta's ein richtiger
gewesen, als er die Bearbeitung dieser religiösen
Tondichtung für zwei Klaviere unternahm. Er
hat sie mit Geschmack und Takt durchgeführt,
hat sie pianistisch und wohlklingend gestaltet.
Eine grössere Fülle und vollere Grösse hätte
hie und da ausgestreut werden können; etwas
mehr „Freiheit" hätte vielleicht die Wirkung,
zumal im Konzertsaale, gesteigert. Doch zwingt
die Arbeit da Motta's unsere volle Achtung ab,
die seine Pietät noch verstärkt.
Das Ausbrechen des „Hosanna", welches in
seiner befreienden Freudigkeit über die lange und
bange Sehnsucht des ersten Satzes triumphiert —
(das sind „Erlebnisse", durchgelittene und durch-
genossene, verschwiegen zurückgehalten und nun
in Musik austönend!) — erlangt in da Motta's Be-
arbeitung seinen vollen Ausdruck.
Wer über die Bedeutung und Stellung Alkan's
noch im Zweifel sein sollte, wird in diesem
*) Man vergleiche das lesenswerte Vorwort
zu da Motta's hier besprochener Ausgabe.
Hefte einen überraschenden Aufschluss darüber
finden.
Ferrucdo Bu9oni
Sandra Droacker: .Erinnerungen an Anton
Rubin stein". Bemerkungen, An-
deutungen und Besprechungen (mit
vielen Notenbeispielen) in seiner EUasse
im St. Petersburger Konservatorium.
Barlh. Seaff, Lelpilg.
Den Pfeiffer-da Motta*schen Studien und
Aussprüchen aus B ü 1 o w 's Klavierklassen,
A. Rubinstein 's in seinen Schriften „Die Musik
und ihre Meister", Gedankenkorb, „Erinnerungen*"
niedergelegten Anschauungen, tritt obengenanntes,
von der Verlagsbuchhandlung köstlich ausgestattetes
Büchlein einer Rabinstein-Schülerin als interessante
Ergänzung zur Seite. Es hat ihre und andrer
Schüler authentische Aufzeichnungen während seiner
Unterrichtsstunden zum fesselnden Inhalt. Es er-
gänzt auch insofern die Bülow'schen, die klassischen
Werke am ausführlichsten berücksichtigenden Er-
läuterungen, als es den Schwerpunkt von Rubin-
stein's mündlichen Erklärungen auf die Meister
der Romantik, Schumann und namentlich Chopin,
(Pr^ludes u. a.) verlegt. Da ist es denn ein Genuss,
zu lesen, wie knapp und treffend, oft mit einem
glücklich gewählten Bilde, der Meister seine Schüler
in den geistigen Gehalt eines Werkes und seine
charakteristischen Eigentümlichkeiten einzuführen
wusste. Neben diesen beiden Meistern ist auch
Schubert, Beethoven, Balakireff u. a. berücknichtigt.
So wird sich jeder Klavierspieler, namentlich was
Schumann und Chopin anbetrifft, reiche Belehrung
aus ihm holen. In einem Punkte freilich suche
er sie nicht: in der Charakteristik der Stilarten
älterer Meister (letzte S.): das sind allzu sub-
jektive, verallgemeinerte und mit Recht anfecht-
bare Urteile, wie sie Rubinstein eben immer gab.
Er war ein absolut subjektiver, . gewaltiger
— 283 —
Kfinstler, aber kein sorgsam and kritisch, ab-
wägender Kopf.
Dr. W, Niemann.
Oscar Beiinger: .Technibche Stadien". 36. Auf-
lage.
Bosworth k Co., Lelpiig.
Obgleich es viele hervorragende technische
Werke gibt, wie diejenigen G-ermers, Eschmann-
Daxniir's, Vetter 's u. A., ist es doch nicht über-
ftüssi^y immer wieder auf ausgezeichnete Werke
dieser Gattung hinzuweisen, da jedes etwas Be-
sonderes bringt und es fast keins gibt, das alle
andern entbehrlich machte. Ein verhältnismässig
älteres Werk, da es bereits in 36. (!) Auflage er-
schien, sind die oben genannten technischen
Studien des in London ansässigen Tausigschülers
Oscar Beringer. Es umfasst die gesamte
Klaviertechnik in vorzüglich erdachten Uebungen
mit Anweisungen über ihre Ausführung. Be>
achtenswert ist es, dass der Verfasser oft Chopin^sche
Motive ausbeutet. In Chopin's Etüden steckt ein
Stndienstoff, der noch nicht erschöpft worden ist.
J. Vianna da Motta,
J. Krjjanowskj, op. 2. „Sonate" für Violoncello
und Klavier,
op. 3. „Phantasie für Klavier."
H. P. BeUieff, Leipxiff.
VoD den beiden hier angezeigten Werken darf
die G-moll-Sonate für Violoncello und
Klavier als das bedeutendere gelten, eine treff-
liche Komposition von schönem und leidenschaft-
lichem Schwnnge und edlem Pathos ei füllt, als ein
op. 2 nun vollends ein guter Wechsel für die Zu-
kunft. Der Komponist erscheint hier bereits als
selbständige, stark beanlagte und schöpferische
Natur, von kräftigem Eigenwillen beseelt und mit
ausgesprochen tüchtigem technischen Können aus-
gestattet. Die drei Sätze der Sonate sind trefflich
disponiert und in Hinsicht auf ihre Thematik von
lebendigen Gregensätzen und packenden, wohl vor-
bereiteten Steigerungen erfüllt. Zwischen den
beiden Ecksätzen und ihrer stürmischen Bewegt-
heit bildet der Mittelsatz, Komanze, mit seiner
schön sich ausbreitenden Kantilene einen will-
kommenen Ruhepunkt. Alles ist in den drei
Sätzen aufs Wirkungsvollste gestaltet, ohne dass
von einem unkünstlerischen Haschen nach ge-
wollten Effekten die B^de sein könnte; es findet
sich vielmehr alles das von selbst und wächst mit
sichtlicher Triebkraft aus einem einzigen Keime
hervor. Das Violoncello hat den Hauptanteil am
Ganzen, immerhin aber ist dem Pianoforte doch
nicht allein die Bolle des Begleiters zuge-
dacht. Wie dieses Werk, so setzt auch die Es-
moll-Phantasie für Klavier (op. 3) sehr
tüchtige Spieler voraus. Diese Komposition macht
in der Tat den Eindruck einer Improvisation und
enthält zahlreiche sehr schöne Stellen, die bedeutende
Erfindungskraft und f ruchtbringendesKombinations-
vermögen verraten. In unverkennbarer Weise
wiegt in der Phantasie ein gewisses Streben nach
virtuoser Entfaltung aller Kräfte und eine merk-
liche Freude an rein klanglicher Wirkung vor.
Aber sei dem, wie ihm wolle, man hat doch seine
Freude an diesem Drange nach künstlerisch-musi-
kab'scher Betätigung, an dem grossen Zuge, der
durch dieses Werk hindurchgeht!
Gerh. Schjeldemp: „In Baldurs Hain"*. Für
Violine u. Ellavier.
„Phantasiestück', B-dur
für Violoncello u. Klavier.
Bieltkopf k HSrtel, Lflipil«.
Grerhard Schjelderup's Komposition „InBaidur's
Hain" für Violine und Pianoforte (oder Orchester)
ist ein schönes, von warmer Poesie durchhauch tes
Stimmungsbild. Es gilt, den Frühlingsgott Baidur
zu feiern, Jungfrauen und Jünglinge betreten
nächtlicher Weile den heiligen Hain, um sich unter
Brausen des erdverj fingen den Frühlingssturmes von
des Gottes Geist ekstatisch erregen zu lassen; ein
dichterischer Vorwurf, der den Tonkünstler zu
einem innig belebten, warm empfundenen Satze
inspiriert hat. Neben Stimmungsgehalt spielt hier
das Kolorit eine nicht zu unterschätzende Haupt-
rolle, weshalb zweifellos die Orchesterbegleitrmg
vorzuziehen sein dürfte. Das Stück gibt dem
Solisten reichliche Gelegenheit, mit schönem, gesang-
vollem Ton hervorzutreten und sich der Führer-
schaft zu bemächtigen, wenn auch die Be-
gleitung durchaus symphonischer Natur ist. —
Das Phantasiestück (B-dur) für Violoncello mit
Pianofortebegleitung ist ein breit angelegtes
Larghetto von intensiver Melodik und wirksamer
seelischer Steigerung im Mittelteile, in der Stim-
mung wie sein Vorgänger ebenfalls sehr glücklich
getroffen und von edlem Gedankeninhalte. Wir
weisen Violoncellspieler um so lieber auf das
prächtige Stück hin, als noch immer für den
öffentlichen Vortrag mit wunderlicher Vorliebe
Arrangements (und zwar oft recht bedenklich
niederen Wertes) bevorzugt werden.
Alfr. Moffat: ,«Trio-Sonaten alter Meister*' ftlr zwei
Violinen und Violoncello. No. 2: D-
moll von Pietro Locatelli. No. 4,
D-moll von Antonio Vivaidi.
N. SImroekf BerlU.
Alfred Moffat ist schon früher mit Neubearbei-
tungen von Werken alter Meister hervorgetreten
und hat auch im vorliegenden Falle sich ein Ver-
dienst mit der Herausgabe je einer Triosonate
(beide in D-moll) von Pietro Locatelli und Antonio
Vivaidi erworben. Nach der Originalausgabe hat
Moffat an Stelle des bezifferten Basses eine sorg-
sam ausgearbeitete Klavierbegleitung gesetzt und
das Ganze mit genauen Bezeichnungen des Tempos
und der Dynamik versehen, sodass also musikalisch
— 284 —
wertvolle und aasgezeichnet schöne Stücke als
Beiträge edler Hausmusik allen Interessenten in
die Hand gegeben worden sind. Meines Erachtens
kann der rein musikalische und zugleich grosse,
rein erzieherische Wert solcher Veröffentlichungen
garnicht hoch genug angeschlagen werden. Die
Sachen sind von ungemein schöner Klangwirkung,
obwohl an keines der beteiligten Instrumente
irgend welche besondere Ansprüche erhoben wer-
den — ein Grand mehr, sie zur Hand zu nehmen
und sich an ihrem schönen Inhalte zu erfreuen.
Auch für das Zusammenspiel werden, nach genauer
Kenntnisnahme einer jeden einzelnen Stimme,
schwerlich bemerkenswerte Schwierigkeiten einer
exakten und befriedigenden Ausführung im Wege
stehen.
Bruno Kittel, „Technische Studien'' zur Nachhilfe
und Erweiterung der Fertigkeit im
Violinspiel.
Bnift Bolenbarv, Leipilg.
Bruno KittePs technische Stadien für Violin-
spieler bieten Materialien als Lehrstoff für den
ersten Unterricht, wie auch für weitere aufsteigende
Schwierigkeitsgrade. Sobald der Schüler die
leichteren Tonarten in der ersten Position beherrscht,
mag er die in Bede stehenden Studien vornehmen
und sie sich in einer vom Lehrer gebotenen ver-
ständigen Auswahl und Beihenfolge nutzbar
machen. Das Anfangskapitel ist der Bogenf ührung,
den Stricharten auf leeren Saiten und deren
Wechsel gewidmet, denen sich für Erzielung ruhiger
Handhaltung und elastischen Fingeraufsatz be-
stimmte Fingerübungen anschliessen. Bogen- und
Fingerübungen für Saitenwechsel, Spiel auf zwei
und vier Saiten, verschiedene Stricharten, Arpeggien,
Doppelgriffe und Akkorde machen das dritte Kapitel
aus, während das folgende sich mit rhythmiscliea
Studien, das fünfte mit Verzierungen, und zwar in
dankenswert sehr ausführlicher Weise befasst. Das
vorletzte Kapitel hat Lagenübungen zum Ghe^gen-
stande des Studiums und bezweekt vor allem eine
grundlegende Ausbildung im Verbinden und Treffen
der einzelnen Lagen. Die das Werk beschliessende
Abteilung gibt die am häufigsten zur Verwendung
kommenden Flageolettöne und u. a. auch Beispiele,
nach deren Muster sich von einem jeglichen Tone
aus künstliche Flageolettöne bilden lassen. Ein
dem Werke beigegebener Anhang enthält Stadien
in Tonleitern und Akkorden für Fortgeschrittenere.
Aas allem geht hervor, dass die in Bede stehenden
Materialien von sehr fachkundiger Hand zusammen-
gestellt sind und ihre Verwendung beim Unter-
richte von bestem Erfolge sein wird. Wir empfehlen
sie daher Lehrern und Schülern als genauester
Benutzung in hohem Grade wert.
Bugen Segnitz.
G. GapeUen, op. 26. „Shogakti shoka**, Japa-
nische Volksmelodien als Charakter-
stücke für Klavier gesetzt.
Breitkopf * Hirtel, Leipxtff.
Ein äusserst interessantes Werk für musi-
kalische Feinschmecker, umsomehr, als der Kom-
ponist seine bis heute wenig gekannten, neuen,
genialen Ideen über Klangzusammenstellungen
praktisch verwirklicht. Mit japanischem Kampfes-
mut bietet er durch seine herrlichen Klang-
wirkungen den Musikfreunden im Schlafrock den
Krieg an. Aber, aber! Ob nicht auch hier die
üeberzahl siegen wird?
Ludwig Riemann,
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Gegr. 1896. Direktion: L Beyer. Gegr. 1896.
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des jnige«. D^iitscbeft EebreriMiieM-Uereiiis.
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Auszug aus dem
Stellenvermittlungs-Register.
Offene Stellen:
In einer lebhaften und reichen Stadt Pommerns wäre
die NiederlaMUDff einer Yiolinlehrerin sehr erwünscht.
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Kine vorsügliche Gesangspädagogin, die sich durch
ichriftstelleriache Arbeiten auf dieeem Gebiete einen Namen
gemeoht hat, sucht Engagement an einem Konservatorium.
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^ No. 1. fa# .....*..
No. 2. sorjt
No. 3. Sol >
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Op. 33. 2 Fragrments caract^risliqnes .
Op. 34. Ballade (en forme de Variations)
Op. 85. Mazonrkasy Komplett ....
No. 1. La b
No. 2. do
No. 3. Mi b
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„Moyen-age<< op. 79.
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— Pizzicato du ballet ^^Baymonda^
op. 57. Arrang^e par A. S i 1 o t i
J. Kryjamowski.
Fantasie
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3 Bagatelles
Op. 3.
Op. 53.
M
1,40
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JU
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H. Hedteer.
Op. 5. Sonate (fa)
A. SeriJ^bine
Sonate (No. 4, Fa j0
4 Prelndes
2 Pommes. Komplett
Söpar^ment.
Poeme No. 1 . . . .
Poeme No. 2 . . . .
4 Prelndes
Po^me tragiqne . . .
3 Prelndes
Poöme sataniqne . . .
4 Prelndes
Valse
4 Prelndes
2 Maznrkas
Po^me
8 Etndes, Komplett . .
S^parement.
Op. 80.
Op. 31.
Op. 32.
Op. 33.
Op. 34.
Op. 35.
Op. 36.
Op. 87.
Op. 38.
Op. 39.
Op. 40.
Op. 41.
Op. 42.
*M< 3,50
JU
Op. 30.
R6 b
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Faf :
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J. Wlhtol.
Prelndes, Komplett JU
No. 1. si b „
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No. 2.
No. 3.
No. 4.
No. 5.
No. H.
No. 7.
No. 8.
Op. 10. Sonate
B. Zolotareff.
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Zweiten Musikpädagogischen Kongress
6. bis 8. Oktober zu Berlin
im
I^eichstagsgebäude — Königsplatz.
Erste Sitzung«
Donnerstag^ den 6. OktobePi Vormittags 10 Uhr pQnktlich.
1. Eröffnung des II. Musikpädagogischen Kongresses.
Herr Professor Xaver Scharwenka, I. Vorsitzender.
2. Jahresbericht.
Frl. Anna Morsch, I. Schriftführerin.
3. Bericht über die Prüfungskommissionen.
Herr Professor Gustav Hollaender, II. Vorsitzender.
4. Einleitungsbericht zu den folgenden Referaten und Hinweis auf, die Auf-
gaben des Musikpädagogischen Verbandes.
Herr Musikdirektor Mengewein.
5. Die Pädagogik als Lehrgegenstand im Musiklehrer-Seminar.
Frl. Leo-Berlin, Herr Professor WalbrOI-Stuttgart
6. Psycho-physiologischer Musikunterricht.
Frl. Jna Löhner-Nürnberg.
Pause.
7. Die Musikästhetik und ihre praktische Einführung.
Frl. Olga Stieglitz-Berlin, Herr Professor Hennig-Posen.
8. Die Notwendigkeit der Einführung der Akustik in den Lehrplan.
Herr Ludwig Riemann-Essen.
9. Das Musikdiktat und seine Pflege.
Herr Musikdirektor Mengewein-Berlin.
^=4^
291
Zweite Sitzung.
Donnerstag, den 6. Oktober, Nachmittags 4 Uhr.
1. Reformen auf dem Gebiet des theoretischen Unterrichts.
Herr G. Capellen-OsnabrUck.
2. Musikgeschichte und Formenlehre auf dem Seminar.
Herr Direktor Kaden-Dresden.
3. Zusammenfassender Bericht über die vom Vorstand begonnenen Arbeiten.
Frl. Anna Morsch-Berlin.
4. Ausarbeitung eines Führers durch die Klavierliteratur.
Herr Direktor Voqt-Hamburg.
5. Notenlese-Lehrmethode auf Grundlage des Intervallesens.
Herr Robert Huch-Braunschweig.
N. B. Die Leitgedanken zu den Referaten und den Vorträgen der drei SSitzungs-
tage werden, soweit sie vorliegen, gesondert gedruckt und in der 1. Sitzung verteilt.
«"^^^-^
Dritte Sitzung.
Freitag, den 7. Oktober, Vormittags 10 Uhr pünktlich.
Der Kunstgesang und die Ausbildung der Gesanglehrkräfte.
1. Die Erlernung des losen Tones.
Herr Professor SIga Garsö-Bremen.
2. Die Anforderungen des Examens für Kunstgesangspädagogik.
Frl. Comelle van Zanten-Berlin.
P a u 8 e.
3. Der Kunstgesang und die Ausbildung der Gesanglehrkräfte.
Herr Professor Carlo Somigli-London.
4. Gesangspädagogische Reformen.
Frau Nana Weber-Pell-München.
Vierte Sitzung:*
Freitag, den 7. Oktober, Nachmittags 4 Uhr.
1. Welches sind die Grundfehler unserer heutigen Methodik?
Frl. Toni Bandmann-Hamburg.
2. Die Physiologie der Bogentechnik.
Herr Dr. Steinhausen-Hannover.
3. Reformen auf dem Gebiet der Notenschrift, beruhend auf dem Prinzip
der Einheitlichkeit und Relativität der Zeichen. /.\
Herr 6. Capellen-Osnabrück. J^
292
Fünfte Sitzung.
Sonnabend^ den 8. Oktober, Vormittags 10 Uhr pünktlich.
Reformen auf dem Gebiet des Schulgesanges.
1. Einleitende Referate der Kommissionen:
a) des musikpädagogischen Verbandes für die Knabenschulen.
Referent: Herr Domsänger Rolle-Berlin.
b) der Musik-Sektion für die Mädchenschulen.
Referentin: Frl. Helene NOring-Königsberg.
2. Der Schulgesang in Holland.
Frl. Cornelie van Zanten-Berlin.
3. Der Schulgesangunterricht auf Grundlage des blossen Intervallesens.
Herr Robert Huch-Braunschweig.
Pause.
4. Die Stimmbildung in der Volksschule mit praktischen Vorführungen.
Herr Kantor Hänssel-Leipzig.
Diskussionsredner: Herr Ludwig Riemann-Essen, Herr Ernst Paul-Dresden.
Frau Dr. MDIIer-Llebenwalde-Berlin, Herr Gustav Borchers-Leipzig,
Herr Arno Werner - Bitterfeld, Herr Dr. HIemeyer - Landsberg,
Herr Max Battke-Berlin.
5. Schluss des Kongresses.
Sonnabend, den 8. Oktober, Nachmittags 4 Uhr.
@iet)eFa1«)9ersaii)it)1at)g
des
usiHpädagogIscbet) ^^erbandes.
Nur für die Mitglieder.
Geschäftsbericht.
Kassenbericht.
Beschlüsse über die Beratungen des Kongresses und über die weiteren
Aufgaben des Verbandes.
Beratung über Einrichtung von Ferien- und Sonderkursen für jüngere
Lehrkräfte.
Wahl des Berliner geschäftsführenden Vorstandes und des künstlerischen
Vorstandes ausserhalb Berlins.
Beratung über Zeit und Ort des nächsten Kongresses.
Der Vorstand.
L A.:
Professor Xaver Scharwenka
Ordentl. Mitglied und Senator
der Königl. Akademie der Künste zu Berlin.
293
f !$• ÄJüsil^pädagogiscbcF ^ot)§if^ss. f
Schlusswort vor den Verhandlungen.
Von
Anna Horseh.
In den nächsten Tagen tritt der IL Musikpädagogische Kongress in
seine Beratungen ein. Das reichhaltige Programm, welches die vorstehenden Seiten
verzeichnet haben, lässt trotz der Mannigfaltigkeit doch einen einheitlichen Zug
erkennen; alle Themen beziehen sich auf die Haupt- und Kernfragen, die den
Impuls zur Gründung des Musikpädagogischen Verbandes gaben, auf die
„Hebung des Musiklehrerstandes durch erweiterte künstlerische und geistige
BUdung."
Dank der wachsenden Erstarkung der jungen Vereinigung konnte schon
an manche Detailarbeit herangetreten werden, das Programm des ersten Tages
legt Zeugnis davon ab; die Themen zum Kunst- und zum Schulgesang rücken
immer wieder die Frage in den Vordergrund: Welche F'orderungen haben
wir an die Lehrenden zu stellen, denen die künstlerische Erziehung der nach
uns kommenden Generation anvertraut ist?
Bei der Bedeutung, die den neuen Arbeiten zuzumessen ist, scheint es
geboten, der früheren zu gedenken und in knapper Zeichnung die bisherige
Entwicklung zu skizzieren.
Der vorjährige erste musikpädagogische Kongress war vornehmlich
grundlegender Tendenz. Eine neue Institution sollte geschaffen werden,
ein Band geknüpft, um alle hervorragenden Führer auf dem Gebiet des Unter-
richtswesens zu gemeinsamer Arbeit zu vereinen, es galt Reformgedanken zu
verkörpern, die seit länger wie 50 Jahren die Musikerkreise bewegen, und in
ungezählten Notrufen zum Ausdruck kamen. Die kleine Gruppe, die zu dem
Versuch zusammengetreten, die gebieterischen Forderungen der Zeit in die Tat
umzusetzen, war sich wohl der einzuschlagenden Wege bewusst; ihr Appell
allein würde aber in der Reihe der sich kreuzenden, unendlich verschiedenen
und entgegengesetzten Richtungen wirkungslos, wie so viele frühere, verhallt
sein. So hiess es die Kunstgenossen zum Wort in ihrer eigenen Sache aufzu-
rufen, eine weitverzweigte Vereinigung zu gründen, die sich über Zweck und
Mittel des zu Erstrebenden verständigte und in dem Widerstreit der Meinungen
die ruhenden Pole auffand, in denen alle, denen die Kunst und ihre Entwicklung
Herzenssache ist, einig sein konnten, einig sein mussten.
Unter diesen Auspizien trat der erste musikpädagogische Kongress zu-
sammen. Er wollte keinen Abschluss herbeiführen, nur einen Anfang ein-
leiten. Er stellte die Fundamentalfragen auf: „Welche Ansprüche haben wir an
den Kunstlehrer zu stellen" ? „Wie und wo soll er sich die Summe von Kennt-
nissen erwerben, die von dem Lehrer und Führer zu fordern sind, damit er
durch Umsicht in seinem speziellen Beruf, durch Intelligenz, durch seine allge-
meine Bildung sich die unserer Kunst würdige Lebensstellung erringt und ein
berufener Leiter der nachstrebenden Generation wird"?
Diese Kardinalfragen kamen bei der ersten Zusammenkunft zur gemeinsamen
Erörterung und wurden durch den Vorstand der weiten Oeffentlichkeit zu per-
sönlicher Beurteilung übergeben. Sie zeitigten die Resultate, die in den Satzungen
294
iJ^j^^
J
des Verbandes, in der Prüfungsordnung niedergelegt sind und zur Wahl der
Prüfungskommissionen führten.
So war der Grundstein gelegt, der Bau im Umriss und in der Gliederung
angedeutet. Nun hiess es an die feinere Detailarbeit herantreten. Eine Fülle
von Stoff gab es hier zu bewältigen und die Frist eines Jahres, das
fast zur Hälfte mit den ersten abschliessenden Arbeiten belastet war, konnte
selbstverständlich nicht Alles zum Abschluss bringen. Aber Manches steht vor
der Entscheidung, Vieles ist eingeleitet und sieht der Weiterentwicklung entgegen
und von dem zweiten Kongress und seinen zahlreich angemeldeten Referaten
erhofft der Verband weitere kräftige Förderung.
Reorganisationen, Neugestaltungen, die einen Kampf gegen decennienlange
Gepflogenheiten bedeuten, lassen sich nicht plötzlich durchführen; jeder Fortschritt^
an dem die Massen beteiligt sind, gleicht dem Wellenandrang des Meeres, dem
scheinbar ein gleich weiter Rückschlag folgt. Neue Gedanken, neue Ziele, die
die Menschheit vorwärts treiben, erfahren Zweifel und Widerspruch, gefährden
auch wohl die Interessen Einzelner, sie bedürfen vor allem der Zeit, der Er-
fahrung, um voll auszureifen. So Hessen sich auch die vom Verbände ge-
planten Reformen, der Ausbau der Seminare, die vermehrten Forderungen der
künstlerischen und pädagogischen Bildung nicht plötzlich einführen; auch kann
erst die praktische Erfahrung den Beweis liefern, ob die aufgestellten Pläne sich
als richtig erweisen, ob die Ziele zu hoch oder zu niedrig bemessen. Es wurde
daher zur ruhigen Ausreifung eine dreijährige Uebergangsperiode anbe-
raumt. Sie ist auch zur Beschaffung der oft unzureichenden, oft fehlenden
Bildungsmittel unerlässlich. Hier erwächst dem Verbände noch ein weites
Arbeitsgebiet und hier kann der bewegende Grundgedanke der Vereinigung zu
vollem schönen Ausdruck kommen: Gemeinsamkeit des Strebens zu einem
grossen schönen Ziel, aber Teilung der Arbeit! Die Erkenntnis dieser
„Losung der Zeit" kann mit Freude unter den Genossen konstatiert werden;
mit dankenswerter Hingabe beteiligten sich Viele an den gestellten Aufgaben
Andere haben sich jetzt persönlich zum Wort gemeldet, um ihre Gedanken
und Erfahrungen, ihre Kenntnisse auf Spezialgebieten auszusprechen und klar-
zulegen. So ist ein lebendiger Fortschritt auf diesem Arbeitsgebiete von den
Verhandlungen des Kongresses zu erwarten.
Auf der Tagesordnung nehmen die Beratungen über „Reformen des
Schulgesanges** einen breiten Raum ein. Von dem Gedanken geleitet, dass
im Schulgesangunterricht die Wurzel der musikalischen Volkskraft ruhe, dass
die jetzige Pflege desselben aber keineswegs den zu stellenden Ansprüchen ent-
spricht, dass die mangelnde, einheitliche Leitung, vielfach fehlende Fachbildung
der zum Gesangunterricht Berufenen Schädigungen der Stimme und der Gesund-
heit zur Folge habe, veranlassten den Vorstand, die Frage auf sein Programm
mit zu übernehmen. Ein abschliessendes Resultat ist selbstverständlich von
dem diesjährigen Kongress nicht zu erwarten. Aber durch vielseitiges Klarlegen
der Schäden, durch Meinungsäusserungen, durch Vorschläge zur Besserung, -—
aus der Summe dessen, was gesprochen, löst sich dann leichter das Bild, von
dem was Not tut und klärt sich damit auch der Weg, der zur AbhUfe einzu-
schlagen ist. Was uns die nächsten Tage geben werden, ist das grundlegende
Material zu weiteren Erörterungen.
Im übrigen spricht unser reichhaltiges Tagesprogramm für sich selbst, es
zeugt für die lebendige Teilnahme, die den Reformbestrebungen entgegengebracht
295
wird und lässt den erwachenden Solidaritälsgeist erkennen, der gerade den
Musiklehrenden noch so fem lag. Und dieser Geist der Gemeinsamkeit wird
auch bei den bevorstehenden Beratungen überall den Boden der Verständigung
zu suchen und zu finden wissen, so dass durch das einmütige Zusammenwirken
so vieler Kräfte wir dem ersehnten Ziele wieder um einen Schritt näher kommen.
B<iS^^ K'anl'z als Kla^ieFpädagoge.
(geb. 13. September 1844, gest. 26. Mai 1898.)
Von
Ernst. Paul.
Der Inhalt des Begriffes Unterricht schliesst in sich ein planmässiges
Verfahren der Belehrung zum Zwecke der Vermittlung von Kenntnissen und
Fertigkeiten, das erst dann als ein pädagogisches, d. h. erziehliches bezeichnet
werden kann, wenn es im Dienste der Willensschulung, der Charakterbildung
steht. Die Summe der Regeln vom Unterrichte heisst Unterrichtslehre und
die durch ihre Anwendung zur Kunst gewordene Uebung Unterrichtspraxis;
die erstere befasst sich mit dem Ziele des Unterrichts, mit dem Aufbau
der zu behandelnden Stoffe und mit der Art ihrer unterrichtlichen Ver-
wendung. Das zielbewusste Verfahren, durch geeignetes Material den Unter-
richtszweck zu erreichen, nennt man Methode und eine Darlegung derselben:
Lehrplan oder Lehrgang; in seiner Gestaltung und in dem Grade der Technik
seiner Anwendung im Unterrichte ist die Kennziffer gegeben für die pädagogische
Bewertung eines Lehrers. Im Lichte der durchaus zeitgemässen Bestrebungen
des Musikpädagogischen Verbandes, die darin gipfeln, diese Kennziffer bei der
Allgemeinheit der Unterrichtgebenden auf eine der Bedeutung des Faches ent-
sprechende Durchschnittshöhe zu bringen, sei in Kürze das Musterbild eines
Klavierpädagogen gezeigt, mit dessen frühem Hinscheiden die Musiklehrerwelt
einen der Besten verlor, dessen unerschöpflich scheinende Arbeitskraft Vieles
und Bedeutsames erwarten liess und dessen hervorragende Wirksamkeit noch
unter der Feder merklich wächst, besonders beim Hinblicke auf die von uns
erstrebten Reformen auf dem Gebiete des Musikunterrichts: Eugen Krantz,
Er war Schüler des Dresdener Konservatoriums, wurde 1869 Lehrer von
dieser Anstalt, übernahm 1877 die Leitung des Klavierlehrerseminars, das seine
Gründung im Jahre 1867 einer Anregung des verdienstvollen C. H. Döring ver-
dankt, und wurde 1890 Direktor des vielbesuchten Instituts. 1882 erhielt er den
Titel „Professor" und 1896 den eines Königl. Sachs. Hofrates. Er starb am
26. Mai 1898 in Gohrisch bei Königstein.
Krantz legte die Grundsätze des Lehrverfahrens nieder in seinem „Lehr-
gang im Klavierunterrichte. Methodische Anleitung für Lehrende,
musikalische Elementarlehre und technischeUebungen für Lernende.**
Berlin 1882, Ries und Erler.
Er fasst die Aufgaben des Musiklehrers in 3 Punkten zusammen:
1. Entwicklung des Verstandes zur Auinahme notwendiger
Kenntnisse,
2. Schulung der Technik,
Ausgestaltung des musikalischen Empfindungsvermögens.
296
Als unentbehrlich fordert er eine Durcharbeitung der musikalischen
Elementarlehre, deren einzelne Kapitel in der Weise vorgenommen werden,
dass vorliegende technische und musikalische Aufgaben theoretisch ausreichend
erläutert sind. Er bietet reiferen Schülern kurze Belehrung über das physikalische
Weseti des Klanges und über die Art des zu erlernenden Instrumentes; den
Anfänger führt er zunächst ein in das Verständnis der Notenschrift, dem sich
die Kenntnis vom Verhältnis der Noten zu den Tasten zugesellt. Seine Art,
das Notenlesen zu erlernen, stützt sich nicht allein auf das Gedächtnis, sondern
vor allem auf die Erkenntnis des Stufenverhältnisses der Noten untereinander;
das Verfahren hat den Vorteil, den häufig zu beobachtenden Uebelstand zu
verhindern, der sich in einer noch nach Jahren bemerkbaren Unsicherheit in der
Erfassung der
Der Schüler lernt
den Schüsseln
Anfange an lesen
nicht in die Ver-
noten in eine ge-
abhängigkeit vom
zu bringen,
des Tonnamens
samen „H") mit
zen: Bis, Bisis,
halte ich für eine
werte Anregung,
nissen des sich
Spieles erweitem
oretischen Kennt-
im Anschluss an
ton" und „Ganz-
Versetzungen
behandelt, sodann
Töne, wobei die
längerten Werte
schaulichen Er-
Eugen Krantz.
Bassnoten zeigt,
die Noten in bei-
gleich von allem
und kommt gar
suchung, Bass-
wisse Differenz-
Diskantsysteme
Die Anwendung
„B" (statt des selt-
den Konsequen-
Bes und Beses
recht beachtens-
Mit den Bedürf-
entwickelnden
sich auch die the-
nisse; es werden
die Begriffe „Halb-
tonschritt** die
und ihre Zeichen
dieZeitdauerder
durch Punkte ver-
einer recht an-
klärung bedürfen,
weil dem Durchschnittsschüler selbst einfache Operationen mit Bruchzahlen
Schwierigkeiten verursachen. Weiterhin werden die Pausen behandelt und Er-
klärungen gegeben über Rhythmus, Takt und Tempo — Gebiete, über die später
zusammenfassende Uebersichten gewonnen werden. Wesentlich ist die Vermittlung
einer klaren Einsicht über die Lehre von den Tonarten, Intervallen und Ak-
korden, weil das umfängliche Gebiet der technischen Uebungen nur dann frucht-
bringend ausgebaut werden kann, wenn dem Schüler die angeführten Kenntnisse
vollkommen geläufig sind. Dem theoretischen Materiale gegenüber fordert Krantz
vom Lehrer: Eigene genaue Kenntnis des Stoffes; die Fähigkeit, sich
jedemVerständnisseanzupassen;strengeßeachtunglogischerKorrektheit
zu welcher notwendig ist, dass sich der Stoff im Bewusstsein des Schülers allmählich
aufbaut, ihm aber nicht als ein Fertiges zu mechanischer Aneignung überlassen
wird; endlich Gewissenhaftigkeit, die sich u. a. darin erweist, dass der
Lehrer durch dauernde, dem Schüler interessant gemachte Wiederholung Be-
herrschung der theoretischen Stoffe erstrebt. Die straffe Selbstzucht und die
297
grosse Elastizität seines pädagogischen Taktes in der Behandlung der einzelnen
Schüler nach ihrer besonderen Eigenart war bei Krantz beispielgebend und fand
ihre Erklärung in sorgfältiger, stetiger Beobachtung der Schüler, in fortwährender
Beurteilung der eigenen erziehlichen Arbeit und in dem unausgesetzten Streben
nach Vervollkommnung seines Tuns.
Mit vollem Erfolge war er tätig als Lehrerbildner; in seinem Seminar
fand er reichlich Gelegenheit, seine Lehrgrundsätze praktisch zu erproben, die
hundertfaltig Frucht trugen. „Wir wollen Lehrer bilden — schreibt er bei
Veröffentlichung seines Programms, nachdem er die Anstaltsleitung über-
nommen hatte — nicht in dem landläufigen Sinne, nach welchem jeder
zum Lehren des Faches für befähigt gilt, welches er selbst einmal
mehr oder weniger schlecht oder recht gelernt hat, sondern mit der
Absichtsrichtung, den zukünftigen Lehrer auf diesen Beruf in ge-
eigneter Weise vorzubereiten. Wir verlangen, dass der Zukunfts-
lehrer das von ihm zu lehrende Fach selbst tüchtig beherrsche, dass
seine fachlichen Kenntnisse lückenlose seien, dass von ihm insbe-
sondere die Grundsätze des Lehrverfahrens gut begriffen werden
und endlich, dass die ersten Lehrversuche nicht auf Kosten des
Publikums führerlos und oft als missglückende Experimente ver-
laufen, sondern dass sie in der Anstalt selbst unter ratender, helfender
Ueberwachung ausgeführt werden.** Und wie nahe Krantz unseren „Re-
formen** stand, das erkennt man aus dem Vorworte bei Gelegenheit der 2. Auf-
lage vom 1. Teile seines Lehrganges,- wo es.u. a« heisst: „Es gibt kaum ein
anderes Lehrgebiet, auf dem so viele Unfähige Schaden stiftend sich breit
machen, als auf dem des Klavierunterrichts.^ Sind es nicht Unsummen, die für
schlechten Musikunterricht zum Fenster hinaus geworfen werden? Ist die Zeit-
und Kräftevergeudung dabei je wieder einzubringen? Laufen ungeschickt ge-
leitete Studien nicht oft genug auf Gesundheitsschädigung hinaus? — Ja, den
Stimmen, welche von einer „Klavierseuche** sprechen, könnten sich die fähigen
Klavierlehrer anschliessen, wenn man mit dem bösen Ausdrucke die Masse der
schlechten Klavierspielerei treffen wollte. Wenn nun auch eine Anzahl treuer
Kämpfer für sorgfältigen, die edle Musik pflegenden Unterricht unermüdlich tätig
ist, dem Pfuschertum Boden abzugewinnen, so glaube ich doch nicht an durch-
greifende Erfolge, so lange nicht die staatliche Gesetzgebung dem Zu-
strömen unberufener Elemente durch Einrichtung von Musiklehrer-
prüfungen Einhalt tut. Nun bis dahin muss eben weiter gekämpft werden.
— Auch mein „Lehrgang* sollte hierbei gute Dienste leisten.** — Als eine der
schwersten Aufgaben des Lehrers stellt Krantz die Entwicklung der Technik
hin; auf Grund seiner vielfachen Erfahrungen klagt er, dass so viele sich nicht
zurecht finden bei der Mannigfaltigkeit des technischen Studiums — trotz des
Gebrauches geeigneter Lehrwerke, dass den meisten die nötige Erfindungsgabe
und Gestaltungsfahigkeit fehlt, um den Besonderheiten der Schüler und ihren
Einzelbedürfnissen zu genügen, dass viele es kurzweg für zu langweilig erklären,
den Schüler mit „trocknen** Fingerübungen zu „quälen" — sie alle schimpfen
weidlich aus Gründen, die für den Eingeweihten recht durchsichtig sind, auf
das geistmordende Technikstudium und preisen den unendlich höher stehenden
Wert der Erfassung des „geistigen Gehaltes.,4PQJCuftstjyerke**. Krantz lässt sich
von der Ansicht leiten, dass die Vernachlässigung des technischen Studiums
von selten des Lehrers immer auf den Mangel von Eigenschaften zurückzu-
298
führen ist, ohne die ein pädagogisches Wirken gar nicht denkbar ist; da fehlt
es an Ausdauer, um jeder Neigung zur Oberflächlichkeit entgegenzutreten, an
Geduld, um physische und psychische Schwächen zu beseitigen, an Schaffens-
kraft, um der Ungeschicklichkeit und Plumpheit mit ihren reichen Variationen
durch wirksames Verfahren zu begegnen. Man vergegenwärtige sich den Zu-
stand des Neuschülers, der vor der Riesenleiter moderner Technik steht! Der
eine mit steifen Gelenken, die nur durch jahrelang betriebene turnerische
Uebungen verwendbar gemacht werden können; der andere mit überlockeren,
haltlosen Fingern, die bei jedem Anschlagsversuche kraftlos einknicken; wieder
einer mit zu geringer Spannfähigkeit der Hände, mit einzelnen ungünstig ent-
wickelten Fingern ... da gehört zähe, sorgfältige Arbeit dazu, um solche Spiel-
glieder gebrauchsfertig zu machen — erst in millionenfachem Falle höhlt der
Tropfen den Stein! Und wie häufig liegen die Uebel noch tiefer. Wie oft
zeigen sich Defekte in der Willensleitung, dass ein ganz anderes Anschlagsglied,
als das gewollte in Tätigkeit tritt, dass zwischen Willensentschliessung und
Handlung gar zu beträchtliche Reaktionszeiten sich einschieben — Umstände,
die nur dadurch erklärlich sind, dass es an der nötigen Schulung der motorischen
Nerven fehlt.
(Schluss folgt.)
Allerhand Gedanken-Betrachtungen
von
Iwaa Knorr.
I. Die Harmonielehre.
„Sind Sie mosikaliscli?'' Wer möchte heutzutage gex-n mit einem ehrlichen „Nein^
darauf antworten! Kein Französisch zu verstehen, nicht Klavier spielen zu können —
welch* beschämende Lücken der Bildung! Kein Wunder, dass so viele Unberufene,
statt sich von der spröden Muse zu wenden, weiter musizieren — sich und dem lieben
Nächsten zur Qual. Aber auch die Berufenen finden nicht immer, was sie suchen.
Eines schönen Tages befriedigt das mechanische Einüben von Stücken intelligentere
Köpfe nicht mehr. Sie möchten mehr von dem inneren Wesen und den Gesetzen der
Musik wissen, sie wünschten ihr Urteil über ein neues Werk sachlicher begründen zu
können, kurz, sie wollen „Theorie treiben". Nicht immer kommt ein solcher Wunsch
des Schülers den Lehrenden ganz gelegen. Vielbeschäftigte Klavierlehrer stöbern dann
wohl aus einer Ecke des Bücherschranks einen verstaubten „Kichter" hervor, den sie
seit der seligen Konservatoriumszeit nicht mehr in seiner beschaulichen Ruhe gestört
haben, und ackern die „Verbote^* mit dem Schüler durch. Sie weisen ihm die Schänd-
lichkeit seiner Handlungsweise nach, wenn er „Quinten*' und „Oktaven* geschrieben
hat, sie warnen ihn vor dem bösen „Querstand**, sie belehren ihn darüber, dass feiner
organisierte Naturen schon bei „verdeckten" Quinten und Oktaven einen gelinden Schauder
zu empfinden haben. Daneben gönnen sie dem strebsamen Schüler den Oenuss, die
Ziffern über einem Basse in Noten zu verwandeln. Einem denkenden Menschen pflegen
während dieser Beschäftigung recht gründliche Zweifel zu kommen, ob ihn das alles
musikalischer mache. Mit g^heirQer Schadenfreude kann er nun zwar auch den Meistern
J^ gelegentlich eins auswischen. Er erkennt die mangelhafte Ausbildung dieser bisher so
5l verehrten Herren, wenn er den alten Bach, den Yater Hay dn, den Götterliebling Mozart
Ife*-
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-c^SJ:^:
299
JL and ^
g znwei]
wie sie alle heisseo, auf verbotenen Wegen ertappt, wenn er merkt, dass anch Rie
zuweilen mit den Paragraphen des musikalischen Strafgesetzbuches in Konflikt geraten.
Nicht sehr leicht wird ihm aber um das Herz, wenn er sich auf das Gewissen fragt,
was er nach beendetem Stadium nun selber kann. Ist er imstande, das einfachste
Volksliedchen geschmackvoll zu harmonisieren? Ach, leider nein! Sind ihm die Gesetze
des musikalischen Schaffens klarer geworden, vermag er zu beurteilen, ob der Komponist
die Form beherrsche, weiss er, was ein Rondo, ein Scherzo ist? Zumeist kann er
ja nicht einmal die Harmonien richtig erkennen, wenn sie sich ihm nicht vierstimmig,
wie sie „im Buche stehen", präsentieren!
Man wird mir einwenden, dass der General bass oder die Harmonielehre doch nur
ein Teil eines grösseren Ganzen sei, und dass es ungerecht wäre, von einem Teile zu
verlangen, was nur das Ganze zu gewähren vermag. Ich will dem gewiss nicht wider-
sprechen, sondern nur konstatieren, dass in unzähligen Fällen der theoretische Unter-
richt mit der Harmonielehre beginnt, aber anch damit abschliesst, und dass alle Be-
teiligten dabei zu kurz kommen. Um einzusehen, was eigentlich Not tut, und um zu
vermeiden, dass wir auch ferner den Hangemden Stein anstatt Brot bieten, müssen wir
vor allem zwei ganz verschiedene Kategorien von Theorielemenden unterscheiden.
Zur ersten gehören zunächst die künftigen Komponisten und Dirigenten, denen
ein ganz eingehendes Detailstudium sämtlicher theoretischer Fächer nicht zu erlassen ist.
Ueber den dabei za verfolgenden Lehrgang will ich mich hier nicht weiter auslassen.
£r steht in seinen Grundzügen ziemlich fest. Nur nebenbei sei bemerkt, dass es gut
wäre, das Entbehrliche nach Kräften auszuscheiden und den Zusammenhang der üebungen
mit der lebendigen Kompositionspraxis weniger häufig aus dem Auge za verlieren.
Zur zweiten Kategorie rechne ich alle Musiktreibenden, denen es, ans welchen
Gründen immer, unmöglich ist, einige Stunden täglich für die Beschäftigung mit der
musikalischen Theorie za erübrigen. Ich denke dabei an Instrumentalisten, die den
grössten Teil ihres Tages dem Studium ihres Instruments opfern, und an Dilettanten,
denen nur spärliche Mussestunden für das Musizieren zu Grebote stehen.
Die einzuschlagenden Wege scheinen mir für beide Kategorien sehr verschieden
zu sein. Der angehende Komponist darf z. B. die Fugenformen nicht nur kennen,
er muss sie auch können.
Die Andern, denen das Können unerreichbar ist, müssten es aber doch zum
Kennen bringen.
Glücklich, wem es beschieden, die Wunder der Erde mit eigenen Augen zu
gehauen! Sollte aber der Aermste, dem es nicht so gut geworden, nicht wenigstens von
allen den Herrlichkeiten hören, sie im Bilde betrachten dürfen?
Dem. der sehnsüchtig nach tieferer Erkenntnis der Meisterschöpfungen unserer
Kunst strebt, können die ungelenken bezifferten Bässe, mit deren Bearbeitung sein Studium
beginnt und schliesst, keine Befriedigung bringen.
Unseren Freund zieht es hinaus in die blaue Feme, er will wissen, wie die Welt
hinter seinen Bergen aussieht, anstatt ihm davon zu erzählen, überreichen wir ihm einen
,. Auszug aus dem Eisenbahnregulativ * I
Es mag lehrreich sein, zu erfahren, dass das „Hinauslehnen während der Fahrt*^
nicht statthaft ist, es ist gut, zu wissen, dass zwei Stimmen nicht „in Qainten fort-
schreiten dürfen*^ &ber führt uns das alles an das Ziel unserer Wünsche?
Ich trete jetzt der Frage näher, welche Anordnung des Lehrstoffes ich vorzu-
schlagen hätte. Es ist nicht ratsam, alle Zöglinge sofort mit dem Studium der Harmonie-
lehre beginnen zu lassen, zum mindesten nicht, wenn dasselbe so betrieben wird, wie
ich später auseinandersetzen will.
Bei den HarmonieschÜlem setze ich die Fähigkeit voraus, eine nicht zu verwickelte
sangbare Melodie durch blosses Lesen zu erfassen, und erwarte, dass es ihnen späterhin
gelinge, einfache Harmonien mit dem innem Ohre richtig: zu vernehmen.
Es ist höchst peinlich, wenn unsere Schutzbefohlenen absichtlich geschriebene
groteske Kakophonien an der Tafel mit einer ungetrübten Bube des Gemütes betrachten.
300
als wären es die himmlischsten Wohlklänge, nnd wenn sich die erwarteten Verzerrungen
der Gesichter erst einstellen, während man den Unsinn durchspielt. Dergleichen Leate
sind nicht reif für die Harmonielehre, nnd wären sie noch so intelligent; für sie siud
methodisch geordnete Gehör- (Diktat-) Uehnngen eine zuträglichere Kost Für diese
Klassen des Dr. Hoch'schen Konservatoriums verwenden wir die von meinem einstigen
Schüler, Herrn B. S ekles*), in Anpassung an meine Methode verf aasten Uebungen, aas
denen die Grundgedanken dieser Methode leicht zu ersehen sind.
In vielen Pällen wird sich das bis dahin ungeübte Gehör wesentlich entwickeln
lassen, es gibt aber auch unheilbare PatieDten! Da bleibt nichts übrig, als mit dem
Dichter zu sagen: „Wer's nicht kann, der stehle weinend sich aus diesem Kreis i'^ Blinde
müssen ja nicht gerade Maler werden.
Ausser genügendem Gehör sind bei den Zjöglingen der Harmonieklassen natürlich
auch die nötigen Vorkenntnisse (Tonleitern, Vorzeichnungen, Intervalle u, s. w.) vor-
auszusetzen.
Es entsteht nun die Präge, welche Ziele der Unterricht in der Harmonielehre zu
verfolgen habe, was damit erreicht werden solle und könne. In den ersten Jahren
meiner Lehrtätigkeit gebrauchte ich, als Schüler des ehrwtlrdigen hochbegabten Thomas-
kantors E. Pr. flieh ter selbstverständlich das Buch meines Meisters. Wenn ich offen
sein soll, muss ich gestehen, dass ich mitunter unbehagliche Momente durchlebte. Die
musikalisch am wenigsten Begabten meiner Schüler arbeiteten zwar eine Aufgabe in
bezifferten Bässen nach der andern herunter, ohne zu mucksen, die Talentvolleren wurden
mir aber bisweilen unbequem durch allerhand recht verfängliche Prägen: ob das eigent-
lich Musik sei und wozu in aller Welt man das lernen müsse? Die in solchen Pällen
üblichen Phrasen, dass alles das nun einmal zur musikalischen Bildung gehöre, dass es
der althergebrachte Weg sei, den auch die grossen Meister hätten wandeln müssen u. s w.,
gingen nicht ganz leicht von den Lippen, und mir war viel wohler, wenn meine Zög-
linge etwas stumpfsinniger waren. Infolge dieser Erfahrungen bestrebte ich mich eifrig,
die Harmonielehre in einer Weise zu behandeln, die die erwähnten fatalen Prägen nicht
aufkommen liesse.
Der begabte Kompositionsschüler mag die Harmonielehre im Pluge absolvieren,
ihre G^esetze werden ihm einleuchten und nur bestätigen, was er schon zuvor mehr oder
weniger deutlich gefühlt hat. Er mag meinethalben das dürre Wüstenland des eigent-
lichen „Generalbasses' passieren, wenn man das durchaus für nötig hält. Pur die
andern, die dem Studium des Kontrapunkts und der Pormen nicht selbstschaffend
werden obliegen können, ist die Harmonielehre von ganz anderer Bedeutung. Ihnen
sollte sie ein Mittel zur Erweckung gesunden musikalischen Empfindens und
zur Verfeinerung des Geschmacks werden. Das kann sie aber nur, wenn man den
Schüler beizeiten veranlasst, unter verschiedenen Harmonien die für den gegebenen Pall
passendste selbst zu wählen. Wählen heisst einem Dinge vor andern den Vorzug
geben. Das ist für den Schüler schwerer, aber auch unendlich viel nutzbringender!
Er kann seinen Wagen nicht mehr auf den Schienen des bezifferten Basses entlang
gleiten lassen, hier heisst es des Weges kundig sein und selbst steuern.
Bekanntlich hat jeder musikalische Satz eine Melodie, oder er sollte sie doch
haben. Die Melodie ist aller Musik so notwendig, wie dem Menschen das Antlitz, und
wäre es auch ein recht einfältiges. Ist es wohl pädagogisch richtig, den Schüler geradezu
systematisch an eine ,melodielose^ Musik zu gewöhnen? Die zufällig sich bildende
Oberstimme des vierstinmiigen Satzes erhält Ja ungefähr mit derselben Sicherheit eine
vernünftige Gestalt, wie das Blei, das wir in der Sjlverstemacht in das kalte Wasser
Behandeln wir lieber sobald als tunlich die Sache .von oben herab'*, gehen wir
von der Melodie aus und zwar von der wohlgegliederten, rhythmisch bewegten
Melodie. Wir erhalten alsdann anstatt der schwerfälligen, formlosen Gebilde kleine
*) B. Sekles: „Musikdiktat'', B. Schott Söhne, Mainz.
301
Musikstücke, an denen wir wenigstens eine bescheidene Freude haben können. Sie
werden im Anfange sehr einfach und harmlos aasfallen, sich aber allmählich immer
interessanter gestalten lassen, da wir ausser den ursprünglichen 8 Hanptdreiklängen in
der Folge den ganzen reichen Apparat der Harmonien anwenden lernen. Wollte ich
jede einzelne Phase der Lehre genau schildern, so müsste ich ein Buch schreiben, und
zwar ein recht dickes. Ich gestatte mir, anstatt dessen auf meine „Aufgaben zur
Harmonielehre* hinzuweisen, ein Werkchen, das bei aller Kürze der Ausführungen
immerhin nähere Aufschlüsse über die Sache geben wird.
Aengstliche Gemüter könnten fürchten, dass alles das zu schwer für den lieben
Schüler sei — theoretisch ganz gut konstruiert, aber praktisch nicht durchführbar ! Zur
Beruhigung versichere ich, dass ich seit zwei Jahrzehnten die Harmonieklassen, in die
ich allerdings keine musikalischen Krüppel aufnehme, in der angegebenen Weise, die
Selbstdenken und Selbstempfinden anregt und voraussetzt, mit dem gewünschten Erfolge
führe. Die gelangweilten Gesichter von ehedem sind verschwunden, der Eifer, es mir
und sich selbst recht zu machen, lässt selten zu wünschen übrig, und die Frage, warum
man das lernen müsse, beantwortet sich von selbst. Ich setze freilich voraus, dass der
Lehrer es versteht, die Zeit so praktisch als möglich auszunützen und die Aufmerksam-
keit seiner Schüler immer rege zu erhalten. Als ich selbst noch die Schulbank im
Konservatorium drückte, pflegten wir uns malerisch um einen langen Tisch zu gruppieren,
an dessen einem Ende der gestrenge Herr Lehrer sass. Er durchlas unsere Versuche
mit ziemlich missmutiger Miene und unterbrach seine genussreiche Lektüre nur zeit-
weilig, indem er mit einem vielsagenden „Hm, hm*^ auf die Stellen hinwies, die ihm
nicht ganz zweifelsohne . schienen. Ich halte es für weit anregender, die Au^ben
deutlich am Klavier durchzuspielen, damit Jeder die Auffassung des Anderen kennen
lerne. Man kann das „Hm, hm*^ ja während des Spielens anbringen, wenn man nicht
vorzieht, seinen Gefühlen beredteren Ausdruck zu geben. Führt man alsdann die
bearbeiteten Beispiele selbst mustergiltig an der Tafel aus und lässt man sie vierstimmig
singen, so wird sich die Empfindung dafür, welche Harmonien den gegebenen Melodien
am angemessensten waren, bedeutend gesteigert haben. Um die Sicherheit der Auffassung
darch das GFehör zu vermehren, ist es zweckmässig, kürzere, an der Tafel notierte
Sätzchen auswendig nachschreiben oder nachspielen zu lassen. Ein andermal spielt
man ähnliche Sätzchen auf dem Klavier vor und lässt sie nachschreiben. Diese Aufgabe
wird freilich auch Solchen oft misslingen, denen man sonst musikalischen Sinn nicht
absprechen kann. Um sich zu vergewissem, ob das an die Tafel Geschriebene richtig
gehört werde, bringe man beim Durchspielen allerhand kleine Aenderungen an und lasse
sich sagen, worin sie bestehen.
Bisweilen liefern Schüler, die schon früher Harmonielehre „gehabt' haben, Arbeiten
voller greulicher Geschmacklosigkeiten. Fragt man sie, wie ihnen diese Musik zu Hause
beim Durchspielen gefallen habe, so erhält man die verblüffende Antwort, sie hätten sie
nicht gespielt, da der frühere Lehrer die Benutzung des Instrumentes bei den Aufgaben
verboten habe. Welch ein Unverstand! Gewiss soll man sich nicht halbwegs passende
Akkorde auf dem Klavier zusammenstochern! Man versuche, sie sich beim Schreiben
so dentb'ch wie möglich vorzustellen, die fertige Arbeit aber spiele man sorgfältig und
wiederholt durch und achte gespannt darauf, ob Vorstellung und Wirklichkeit sich
decken. Es ist sogar nicht vom üebei, sich die Aufgaben mit hübschem Anschlag und
gut musikalischem Vortrag zu Gehör zu bringen.
Es mag sein, dass ich im Bestreben, klar zu machen, wie ich mir den Harmonie-
unterricht denke, zu weitläufig geworden bin, und doch konnte ich nur die gröbsten
Umrisse des Bildes geben, das ich entwerfen wollte.
Vielleicht ist es mir ein andermal vergönnt, einzelne Partien noch schärfer zu
beleuchten und ein Wort über den weiteren Studiengang zu äussern.
302
:^=£>o_
Mitteilnngen
von Hoohsohulen und Konservatorien.
Das Stern'sche Konservatorium der
Musik, hier, Direktor Professor Gustav
Hollaender, veranstaltete am 25. September
im Beethoven-Saal eine Trauerfeier zum
Gedächtnis ErnestJedliczk a's, der seinem
Wirkungskreise als Lehrer der Anstalt so
früh entrissen wurde. Auf dem Podium,
das reich mit Palmen und Blattpflanzen
geschmückt war, stand das mit Trauerflor
und einem Lorbeerkranz geschmückte Bild-
nis des Dahingeschiedenen. Der Trauer-
marsch aus der „Götterdämmerung'' er-
öffnete die Peier, ihm folgte die Gedächtnis-
rede, die Professor Hollaender dem Ver-
ewigten widmete und in der er den künst-
lerischen Entwicklungsgang, die Verdienste
Jedliczka's als Künstler und Lehrer in be-
redten Worten schilderte. Choräle von
Bach, Brahm's Gesang „O Tod«, Schu-
ber t's y Litanei* und das Terzett aus
Mendelssohn's „Elias" beschlossen die
ernste würdige Feier.
Die Akademie der Tonkunst in
Darmstadt, Direktor Professor Philipp
Schmitt, hat ihrem Lehrplan neuerdings
eine Gesang-Schule für Konzert, Oper und
Haus angegliedert. Leiter derselben isit
Herr Willy Pahr.
Der Direktor der Dresdner Musik-
schule, Herr K. L. Schneider, feierte
Anfang September sein 25 Jähriges
Lehr er Jubiläum. Im Namen des Lehrer-
kollegiums der von ihm begründeten und
zu so hohem Ansehen gebrachten Dresdner
Musikschule überreichten die Herren Pro-
fessor Böckmann, Kammervirtuos
Schmidt, Musikdirektoren Reichert
und V. Wistingbausen eine geschmack-
voll ausgefühlte - Adresse. Zahlreiche
Glückwünsche von nah und fem bezeugten
die allgemeine Verehrung, deren sich
Direktor Schneider als Musikpädagog und
Leiter seiner Anstalt erfreut.
Henri Marteau, der seit 5 Jahren
als 1. Violinprofessor am Genfer Kon-
servatorium wirkt, wurde vom Komitee
dieser Anstalt in das Direktorium des
Instituts berufen und wird seine neue
Funktion im Juli 1905 antreten.
Das Krefelder Konservatorium
derMusik (Dir.: Theod. Müller-Reuter)
wird zum 1. Oktober eine Opern schule
eröffnen.
Das Konservatorium zu Dortmund,
unter Leitung der Herren C. Holt-
schneider und G. Hüttner, wurde
im abgelaufenen Schuljahr 1903/1904 von
401 Studierenden besucht. Davon entfaUen
auf die üntetklassen 161, auf die Mittel-
klassen 179, auf die Ober- und Ausbildungs-
klassen 61 Schüler. Der Unterricht wurde
in allen Zweigen der Musik von 24 Lehrern
erteilt. Populäre Kammermusiken fanden
alle 14 Tage statt. Ausserdem wurden 12
Schüler- und 3 Chor- Aufführungen („Elias"
von Mendelssohn, Requiem von Verdi,
IX. Sinfonie von Beethoven) veranstaltet.
Von den mitwirkenden Solisten seien ge-
nannt: Prau Tilly Cahnbley- Hinken,
Frau Strauss-de Ahna (Sopran), Frl.
Maria Philippi (Alt), die Herren
H. Bruns und B. Fischer (Tenor) und
Paul Böpple (Bass), Hofkapellmeister
Felix Weing artner, Hofkapellmeister
Dr. Eich. Strauss und Professor
E. Krause (Hamburg).
Der dritte deutsche Ferienkursus
für Chordirigenten und Schul-
gesanglehrer fand mit Genehmigunjs^
des kgl. Sachs. Ministeriums des Kultus
und öffentlichen Unterrichts in den Tagen
vom 18 Juli bis 6. August in Leipzig
statt. Der Veranstalter desselben, Herr
Konzeresänger Kantor Gustav Borchers,
hatte zu Mitarbeitern die Professoren an
der Universität Leipzig Dr. med. A. Barth
(„Die anatomisch -physiologischen Grund-
lagen der Stimmbildung*), Dr. jur. et phil.
A. Prüfer („Geschichte des a capella-Ge-
sanges") und den Eründer der Tonwort-
methode, Carl Eitz-Eitileben („Grund-
lagen der Schulgesangsmethodik^*), ge-
wonnen, während er selber „die Verwer-
tung der für den Kunstgesang massgeben-
den Stimmbildungsgrnndsätze für den
Schul- und Chorgesang'* theoretisch und
praktisch vorführte. Die wachsende Zahl
der Teilnehmer aus den Kreisen der Volks-
schullehrer, Kantoren und (resanglehrer an
höheren Schulen, sowie der erfolgreiche
Verlauf auch dieses Kursus haben wiederum
bewiesen, dass dieses Unternehmen und
303
^
^=S»-
■*<^-
seine aUjährliche Wiederholung einem
dringenden Bedürfnisse entspricht. um
auch Damen die Teilnahme an dem für die
Sommerferien 1905 geplanten Kursus zu
ermöglichen, ist die Konssertsangerin Frau
Hildegard Börner in die Methode Eitz-
Borchers eingeweiht und als Lehrerin für
die nächsten Kurse verpflichtet worden.
Die verdienstvolle Leiterin der Prank>
farter Musikschule, Frl. Sophie
Henkel, beging am 4. September die
Feier ihrer 25 jährigen Lehrtätigkeit an
dem genannten Institut. Lehrer und
Schüler hatten sich vereinigt, den Tag
festlich zu begehen. Musikalische Dar-
bietungen wechselten mit Ansprachen; unter
letzteren sind die Festrede Herrn A schaffen-
bürg 's, eines Lehrers der Anstalt, die
Glückwünsche der Frankfurter Musik-
gruppe und des Frankfurter Lehre-
rinnen-Vereins zu erwähnen. Von
Schülern und Schülerinnen wurde Frl.
Henkel ein Lorbeerkranz überreicht.
Ycrmischte Nachrichten.
Prof. Franz Litterscheid feierte
am 1. September zu Koblenz sein
25 jähriges Organisten -Jubiläum, zugleich
den 30. Jahrestag seiner künstlerischen
Wirksamkeit als Lehrer, Musikdirektor und
Komponist. Dem Jubilar wurden von Seiten
der Stadt, der Koblenzer Gesangvereine
und vieler hervorragender Künstler von
Nah und Fern reiche Ehrungen zuteil.
Bernhard Irrgang, der verdienst-
volle Organist der Heiligen Kreuz- Kirche,
hier, ist zum KönigL Musikdirektor ernannt
worden.
Budolf Fiege, der langjährige Musik-
kritiker der Norddeutschen Allg. Ztg. ist
zum Königl. Professor ernannt worden.
In Mödling bei Wien wurde am
4. September ohne besondere Feier an dem
sogenannten Christhof -Hause daselbst,
Babenbergergasse 36, eine Beethoven-
Gedenktafel angebracht. Die Tafel
erinnert an den Sommeraufenthalt Beetbo-
ven^s in diesem Hause im Jahre 1820 und
hat folgende Inschrift: „In diesem Hanse
wohnte im Sommer des Jahres 1820 Lud-
wig van Beethoven, an seiner Missa So-
lemnis schaffend**.
Der Berliner Gesangspädagoge Richard
Schulzweida hielt am 20. September im
Saal des Dr. Hoch^schen Konservatoriums
zu Frankfurt a. M. und am 26. Sep-
tember im Saal Bechstein in Berlin eine
„Vorlesung über dramatische Ge-
sangsknnst mit besonderer Bezug-
nahme auf das Studium und Singen
der Weike Richard Wagner's*.
Am Sonnabend, den 24. September gab
Herr Moritz Diesterweg, Direktor der
gleichnamigen Akademie für höheres Klavier-
spiel, im grossen Saale des Architekten-
hauses ein Konzert, welches eine zahlreiche,
den ganzen Saal füllende Zuhörerschaft an-
gelockt hatte. Das Programm bestand aus
2 Teilen, von denen der erste nur Kom-
positionen des Konzertgebers, der zweite
aber die Ouvertüre zum „Fliegenden
Holländer** und das Meistersinger-Vorspiel
von Wagner, beides aaf 4 Konzertflügeln
ausgeführt, verzeichnete. In die Ausführung
des I. Teils hatten sich geteilt: Heir
Richard Koennecke mit seinem Be-
gleiter Herrn C. Müller und Lehrkräfte
der Anstalt: die Damen M. Taube, Klavier,
und Frl. R. Hirsch her g (Viola), sowie die
Herren B. Heinze (Violine) und Max
Schulz-Fürstenberg (Violoncell). Den
II. Teil bestritt die Konzertklasse der
Diesterweg-Akademie. Dass Herr Diester-
weg ein vorzüglicher Pädagoge ist, dürfte
bekannt sein; kann doch sein Name schon als
Berechtigung eines pädagogischen Systems
gelten, denn kein Geringerer, als der hervor-
ragende deutsche Schulmann und päda-
gogische Schi if tsteller Friedrich Adolf
Wilhelm Diesterweg war sein Grossvater.
Die Unterrichtskunst steckt ihm also im
Blute. Dies bestätigte vor allem der Vortrag
der genannten Wagner'schen Stücke, die
von 8 Schülerinnen in glänzender Weise mit
Schwung und Verve durchgeführt wurden.
Die Vorträge des I. Teils bestanden in
8 E^lavierstücken, einem Trio („aus der
Jugendzeit'*) für Violine, Viola und Violon-
cell und 6 Liedern. Mit der Beurteilung
von Kompositionen hat es seine eigene Be-
wandtnis. Ich halte dafür, dass man dabei.
304
wenn es sich nicht etwa um offenbare Un-
geschicklichkeit eines Komponisten handelt,
sehr vorsichtig sein mnss. Das Becht, zu
sagen: dies oder jenes gefällt mir, oder
auch: gefällt mir nicht, hat freilich jeder,
aber mit weitergehender Kritik übernimmt
man leicht eine Verantwortung, der die
Zukunft gefährlich werden kann. Ich sage
also: Das Trio hat mir sehr gut gefallen,
auch einige der Lieder, und betone dazu
die vortreffliche Wiedergabe aller Stücke
durch die beteiligten künstleiischen Kräfte.
Alles in allem genommen bezeichnet das
KoDzert ein echt künstlerisches Streben,
das die reiche Anerkennung verdient, die
ihm von den Zuhörern durch starke Bei-
fallsäusserungen gezollt wurde.
Der „Dresdener Anzeiger^* veröffent-
licht nachstehende Notizen über Be-
ziehungen des Dresdener Kompo-
nisten Heinrich Schulz-Beuthen zu
Mathilde Wesen donk: „Heinrich Schulz-
Beuthen hat acht Dichtungen von Mathilde
Wesendonk für eine Singstimme mit
Klavierbegleitung komponiert. Die durch
ihre Beziehungen zu Richard Wagner in
letzter Zeit in den Vordergrund getretene
bedeutende Frau hat bei ihrer üiebeoszeit
auch Schulz-Beuthen persönlich näher ge-
.xtanden. Sie verfolgte mit regem und tat-
kräftigem Interesse die Entwicklung seines
Schaffens bis an ihr Lebensende. Die
Komposition dieser Lieder fällt in die Zeit,
wo die Familie Wesendonk in Zürich auf
dem grünen Hügel wohnte und Frau
Wesendonk auch die Anregung zu Schulz-
Beuthen*s Oper „Aschenbrödel** gab, deren
Textbuch der Komponist nach einer Dich-
tung aus der Feder von Mathilde Wesendonk
frei bearbeitete.**
Das Amati- Violoncello des verstorbenen
Konzertmeisters und Kammervirtuosen
G-rützmacher in Dresden ist jüngst
für den Preis von 26000 M. von einem
Hamburger Musiker erworben worden.
„Irrlicht" betitelt sich eine neue
dreiaktige, abendfüllende Oper, Text von
Ludwig Fernand, Musik von Leo
Fall, die am Hof- und National-Theater
zu Mannheim mit Beginn der Saison zur
Uraufführung gelangen wird.
Die Firma N. Simrock, hier, G.m.b.H.,
hat in Leipzig eine Zweignieder-
lassung errichtet und demgemäss die
Auslieferung ihres gesamten Verlages in
Leipzig in eigene Verwaltung genommen.
No. 78 der „Mitteilungen** der
Musikalienhandlung Breitkopf & Härtel,
Leipzig, ist Anfang September erschienen .
Eine umfangreiche Anzeige über die noch
in diesem Winter bevorstehende Eröffnung
einer neuen Sammlung, betitelt „Meister-
werke deutscher Tonkunst'*, steht an der
Spitze des Heftes. Diese Sammlang hat
den Zweck, nach und nach die besten
Werke älterer deutscher Tonsetzer des
16.— 18. Jahrhunderts für den Gebrauch in
Kirche, Schule, Konzert und Haus einge-
richtet, in heutiger Notenschrift der G^en-
wart leicht zugänglich zu machen. Die
Veröffentlichung der „Meisterwerke deut-
scher Tonkunst** geschieht unter Leitung
und Mitwirkung hervorragender Vertreter
der Musikwissenschaft, der Herren Guido
Adler, F. X. Haber l, Hermann
Kretzschmar, Kochus Freiherr von
Liliencron, Adolf Sandberger,
Max Seiffert und Emil Vogel.
Von den grösseren Abschnitten des
Heftes nennen wir noch : Hermann
B äu e r 1 e , ausgewählte vierstimmige Werke
von Palestrina und Vittoria in mo-
dernen Gesangspartituren ; Mitteilungen
über den ersten Kongress der Internatio-
nalen Musikgesellschaft zu Leipzig am
30. September und das zweite deutsche
Bachfest ebenda am 1.— 3. Oktober 1904;
Musik am sächsischen Hof herausgegeben
von Otto Schmid; Dr. Paul EHengel's
Lebensbeschreibung.
Von einem Besucher des „Mo zart -
hauses*' zu Salzburg wurde der „Köl-
nischen Zeitung** über einen goldenen Bing
berichtet, der im Mozartmuseum aufbe-
wahrt wird und den Mozart sehr in Ehren
gehalten haben muss, da er ihn auf seinen
Iteisen und in seinen Konzerten stets am
Finger trug und der Ring auch auf ein-
zelnen Mozartbildem verewigt worden ist.
Mozart erhielt ihn als sechsjähriger Knabe
im September 1762 von der Kaiserin Maria
Theresia, nachdem er in Schönbrunn vor
ihr gespielt hatte. Der Ring ist mit einem
grossen Adular (opalisierender Feldspat)
geschmückt, den zwölf kleine Diamanten
umgeben. Als der vierzehnjährige Mozart
im Jahre 1770 die Italiener durch sein
Spiel in Erstaunen versetzte, vermuteten
-«>^r>:
305
sie in Mozart einen 2lianberkäD8tler, nnd
im Konzert des Conservatorio alla
pietä in Neapel bezeichnete man damals
den King als den Zanberrlng, der den
jungen Künstler zn seinem Spiele befähige.
Mozart wurde das hinterbracht; da zog er
den Hing vom Finger nnd spielte nun,
wenn möglich, noch besser als zuvor. Jetzt
kannte die Verwunderung der Neapolitaner
keine Grenzen. So genial Mozart mit den
Händen die Klaviatur zu behandeln wusste,
so nnbehülflich war er übrigens sonst da-
mit Nicht einmal das Fleisch konnte er
bei der Mahlzeit selbst schneiden, sodass
seine geliebte Konstanze ihm wie einem
Kinde vorlegen musste. Das schreibt sie
selbst ausdrücklich in einem Briefe, der
sich ebenfalls im Mozartmuseum beündet.
Der Hing wurde von Konstanze, die erst
1842 starb, der Gattin Spontini*s geschenkt.
Von ihr erhielt ihn Madame Erard in Paris,
und diese stiftete den „Zauberring'* dem
Museum in Salzburg.
Bücher und Musikalien.
Masikerbriefe.
Frani Llsst's Briefe an Carl Gille« Heraus-
gegeben von Adolf Stern.
Brellkopf k Hirtel, Lelpsl;.
Goethe zählte Briefe zu den wich-
tigsten Dokumenten, die ein Mensch hinter-
lassen kann. Wagner erklärt bei der
Lektüre des Briefwechsels Schiller's mit
Lotte, dass er auch die kleinsten Billets
mit Interesse lese: „sie erst machen mich
mit den lieben Menschen leben^^
Von diesem Gesichtspunkt aus ist na-
türlich Jeder Brief, ungeachtet seines In-
halts, von Bedeutung für die Persönlichkeit
des Schreibenden. Tieferes Interesse erregt
jedoch bei den Lesern der Inhalt, nicht
der Stil. In Musikerbriefen ist aber der
Inhalt nicht immer bedeutend, weil sie,
trotz der gegen früher bei ihnen ungeheuer
gesteigerten allgemeinen Bildung, oft nicht
über ihre eigene Kunst zu sprechen ver-
stehen. Oder sie sind überhaupt schlechte
Briefschreiber. Denn auch ein Brief, dieser
natürlichste Ausfluss der eigenen Gedanken
und Empündungen, ist ein kleines Kunst-
werk und verlangt eine, wenn auch unbe-
wusste Gestaltung des Stoffes.
Es gibt auch Personen, deren Briefe
wenig Persönliches enthalten, als wenn
sie eine Mimosennatur besässen, die selbst
dem intimsten Freunde sich zu enthüllen
scheut.
Zu solchen Briefschreibern gehört
Franz Liszt. Selbst seine Herzens-
freundin, die Fürstin Wittgenstein, beklagte
sich, dass er zu wenig von sich erzähle.
Aber auch über seine Kunst spricht er im
allgemeinen wenig in Briefen, der in
Essays einen so glänzenden, ganz eigen-
persönlichen Stil entfaltet (dessen teilweise
schwülstige Ausdrucksweise auf die Mit-
wirkung der Fürstin zurückzuführen ist).
Am wenigsten liebt es Liszt aber über
seine eigenen Werke zu sprechen. £r
schafft für sich, in aller Stille, stellt sie
der Wölt hin mit Vertrauen auf ihren
Wert, aber ohne davon zu reden, anders
als in kurzen Andeutungen. Er schrieb
über alle von ihm bewunderten Künstler
Aufsätze, die das Verständnis für sie er-
leichterten und vertieften, aber nie auch
nur eine Zeile über seine eigenen Sachen.
Wagner musste ihm die Zusendung seiner
Orchesterwerke geradezu abzwingen.
In diesem Sinne ündet man also in
Liszt's Briefen wenig Persönliches, und
doch wie warm, wie bestrickend tritt seine
Persönlichkeit aus seinen Briefen hervor,
wenn man den Menschen, den Charakter
darin auf sich wirken lässt! Tiefe, an-
regende Gedanken, Aufschlüsse über Kunst-
Probleme findet man wenig darin, aber
welchen Besitztum an überströmender
Liebe! Liszt handelte, sprach nicht.
Dass er einer der berückendsten „Causeurs^
war, ändert daran nichts. So sind alle
seine Briefe doch von grossem Interesse,
und man wird auch die neueste Veröffent-
lichung: die Briefe an Carl Gille mit
Genuss lesen. Die Verhandlungen, be-
treffend den Allgemeinen Tonkünstler- Ver-
ein, bilden einen grossen Teil des Inhalts,
daneben kommt aber auch Intimeres zur
Sprache. Entzückend klingt hie und da
-«>^?=>=
306
;^=jfe-i.
der joviale Ton des doch schon älteren
Herrn hindurch.*)
Die Briefe siod von Adolf Stern
herausgegeben, der seinem verehrten
Freunde Gille eine etwas zu breite (LXV S.)
biographische Skizze widmet. Zwei Briefe
von Wagner und vier von Cornelius an
Gille vervollständigen den kleinen Band
(96 S), dessen hoher Preis (5 M.) auffällt.
(Fortsetzung folgt.)
«7. Vianna da Motta,
Bernh. Dessaiiy op. 27 : Vortragsstücke für
Violine und Pianoforte.
Otto Werathtly Berlin.
Von B. Dessau's oben genannten vier
Stücken liegen uns drei vor, nämlich
Marsch, Wiegenlied und Humoreske. Die
kleinen, für Vortrags- und Unterrichts^
zwecke sehr zu empfehlenden Sachen sind
formal hübsch abgerundet, enthalten wohl-
klingende Musik und bieten einer guten
Ausführang keinerlei Schwierigkeiten. Sehr
hübsch ist die Humoreske mit ihrem lusti-
gen, kecken Tone, zu dem das gesangvolle
Trio in wirksamem Gegensatze steht. Das
Wiegenlied ist anter den drei Stücken in
der Erfindung am schwächsten, macht dies
aber durch besonderen Klangreiz wieder
vergessen. Der Marsch ist schneidig und
kräftig, auch hieran werden die kleinen
Musici ihre Freude haben. Die Stücke
sind unter dem einzig richtigen Gesichts-
punkte konzipiert, dass Inhalt und Aus-
drucksmittel immer einander decken müssen.
Fabian Rehfeld, op. 25, ^o. 8. ün songe.
op. 43. Vision. Füx Vio-
line und Pianoforte.
Otto WernthAl, Berlin.
Von beiden vorliegenden Stücken
schätzen wir die „Vision" nach Erfindung
und Inhalt höher ein, wenn uns auch der
Untertitel „Dramatische Szene" etwas über-
trieben erscheinen will. Aber sie ist in
rein musikalischer Beziehung gamicht übel,
und die rezitativischen und ariosen Mo-
mente bilden einen wirkungsreichen Kon-
trast darin. Das erstgenannte Stück steht
•) Von Liszt's unerschöpflicher Güte
und Hochherzigkeit, die er immer
schweigend und wie selbstverständlich
ausübte, erfahren wir einen bedeutenden
Zug in der Ehrengabe für B. Franz.
einige Stufen tiefer und leidet vor allem
unter einem bedenklich trivialen Beglei-
tungsmotive. Auch halten wir, im Hin-
blick auf sinngemässen Klaviersatz, das
Tremulando der Klavierbegleiturg auf S. 5
der „Vision' für unrichtig. Beide Stücke
sind für gelegentlichen Vortrag in Salon
und Gesellschaft mit Erfolg zu verwenden.
Der Spieler möge aber nach Kräften viel
von seiner eigenen mubikalischen Persön-
lichkeit bei der Wiedergabe hinzutun !
Alb. Lorlziüg : Ali Pascba Oper in einem
Akt Kl avierauszug mit Teitt.
Berthold 8cBff, Leipilf.
Mit vorliegendem Werke erfährt Bert-
hold Senffs .Opem-Bibliothek" eine neue,
schätzenswerte Bereicherung. Diese Neu-
ausgabe älterer Opern bezweckt, den Sinn
für die Vergangenheit zu wecken oder rege
zu erhalten, zu zeigen, wie die Vorgänge
und die Grundlagen unserer modernen
Opern, insbesondere auch des musikalischen
Dramas, beschaffen waren. Lortzing*s
Oper „Ali Pascha von Janica'' entstand
vor genau 80 Jahren; ihre ersten Auffüh-
rungen fanden im Jahre 1828 zu Münster
und Osnabrück statt. Sie ist des Kompo-
nisten Erstlingswerk und lässt daher ein
doppeltes Interesse erwachen, da sie den
Aasgangspunkt seines musikalisch-drama-
tischen Schaffens für die deutsche Opern-
bühne bildet. Georg Bichard Kruse, der
sich um Albert Lortzing's Lebens- und
Künstlergeschichte durch zahlreiche Dar-
stellungen längst verdient gemacht hat,
gab den Klavierauszug mit Text und voll-
ständigem Dialog heraus, wie er nun in
trefflicher Ausstattung vor uns liegt. In
textlicher Hinsicht ist manches gektLrzt oder
leichti geändert, je nachdem es der ver-
änderte Zeitgeschmack zu erfordern
schien, die Musik selbst ist jedoch unver-
ändert geblieben. Nur am Schlüsse des
Ganzen sind besondere Stimmen für die
Solisten eingefügt worden, um diese noch
einmal neben dem Chor in den Vorder-
grund des Interesses zu stellen. Wir em-
pfehlen die Beachtung dieses Lortzing'schen
Jugendwerkes in neuer Gewandung einem
allseitigen Interesse. Einen Kommentar
über Entstehung, Inhalt and Erstauf fühmng
der Oper hat die Verlagshandlung dem
Klavierauszuge beigefügt.
307
Glas. Martncciy op. 79. „Tre piccol*' nezzi
per Pianoforte."
Gaiifrh nad Jfialcliea, Lelpil« «nd HstUad.
G. Martacci's Kompositionen begegnet
man immer gern. Aach seine hier ange-
zeigten neuen Klavierstücke sind geistreiche,
fein empfundene und mit künstlerischer
Sorgfalt gearbeitete Sachen. Das Präladiaim
ist eine, mit chromatischen Elementen
reichlich durchsetzte Akkordstudie in
höherem Sinne; femer bietet sich die Can-
zonetta in origineller, gedankenreicher
Passnng dar und interessiert auch besonders
durch ganz eigentümlich rhythmische und
harmonische Momente. Der Saltarello ist
ein glänzendes Stück von virtuoser Wirkung,
worin sich der lebhaft a.nsgebildete Klang-
sinn Martucci's aufs Nene offenbart.
Tüchtigen Pianisten sind diese Komposi-
tionen angelegentlichst zu empfehlen.
Peter KOnig, „Sonate* (B-dur) für Piano-
forte.
SBddeaUeher VerJtff, Straubaif I. E.
Peter König's Kl'aviersonate (B dur)
mutet den Spieler freundlich an. Zunächst
ist es nicht der Inhalt, der in Frage kommt,
sondern die angenehme Porm, die Mitteil-
samkeit des Komponisten und seine an-
mutige Hnterhaltungsgabe. W a s er sagt,
ist kaum sonderlich neu oder staunener-
weckend, aber wie er es sagt, befriedigt
und lässt Manches im Herzen des Hörers
widerklingen. Es ist die saubere, reinliche
Arbeit eines Wohltalentierten, die man vor
sich sieht, keineswegs das Werk eines
Stürmers und Drängers, aber man wird
darin das und jenes finden, was durch geist-
volle Kombination anzieht und durch wohl-
gelungene Gegenüberstellung der Gregen-
sätze Aufmerksamkeit erregt. Sehr lobens-
wert ist das treffliche Verhältnis zwischen
Gedanken Inhalt und musikalischer Ein-
kleidung; das deckt sich alles gut mitein-
ander und so entspricht das Aeussere dem
Innern. Peter König zeigt sich in seiner
viersätzigen Sonate vorwiegend von der
lyrischen Seite, beherrscht in gewandter
Weise die Porm und versteht dem In-
strumente sehr gute Klangwirkungen ab-
zugewinnen. Die Komposition dürfte sich
vor allem für instruktive Zwecke ausser-
ordentlich passend verwerten lassen.
Eugen Segnitz.
Vereine.
Der TonkUustlervareiu zu Dresden ver-
öffentlicht soeben den Bericht über sein
fünfzigstes Yereinsjahr, * von Ende
Mai 190B bis Ende Mai 1904. In klarer,
übersichtlicher Darstellung schildert er die
dem Jubeljahr gewidmeten Festlichkeiten,
die zahlreichen Ehrxmgen, die dem Verein
zu teil wurden und die von ihm an ver-
dienstvolle Mitglieder und Gönner aus-
gingen, um darnach den Bericht über die
ordentliche Generalversammlung vom 5. Juni
d. J. folgen zu lassen. Aus diesem geht
hervor, dass, wie bisher üblich, auch dies-
mal reichliche Unterstützungen gewährt
wurden: 400 Mk. der ünterstützungskasse
des hiesigen Musikpädagogische^ Vereins;
350 Mk. zur Gewährung einer Preisteile
am Königl. Konservatorium für Musik zu
Dresden; 350 Mk. zur Gewährung einer
Freistelle an der „Dresdner Musikschule"
des Herrn Direktor itL. Schneider; 8144 Mk.
zur Barverteilung: Ehrengaben und Zeit-
entschädigungen. Die Zahl der Ehrenmit-
glieder beträgt zur Zeit 43. Der Bestand
der ordentlichen Mitglieder beziffert sich
auf 274. der ausserordentlichen auf 412.
Der Vorstand setzt sich zusammen aus
den Herren: Generaldirektor E. v. Schuch,
Ehrenpräsident; Professor Böckmann, Vor-
sitzeiider; Professor Schmole, stellvertreten-
der Vorsitzender; Königl. Musikdirektor
W. Seyfhardt, Schriftführer; L. Hoffarth,
Schatzmeister; Kammermusiker F. Schubert
und It. Stolzenberg. Die im Berichte zu-
sammengestellten Programme geben Kunde,
dass Herr Professor Böckmann es wohl
verstanden hat, im ersten Jahre seiner ver-
antwortungsreichen Wirksamkeit die Kon-
zerte des Vereins auf der künstlerischen
Höhe zu erhalten, die sie unter dem Vorsitze
seines verblichenen Vorgängers erreicht
hatten. Fast alle Gebiete der reinen
Musik sind auch im 50. Vereinsjahre wie
bisher mit Ernst und Liebe gepflegt worden.
Das würdige Alte wurde wieaer gebührend
berücksichtigt, das gute Keue nicht ver-
nachlässigt. — Der Tonkünstler- Verein, der
auf eine stolze Vergangenheit zurückblicken
kann, hat am Ende auch ein gutes Hecht
zu einem fröhlichen Ausblick in die Zu-
kunft. Zwar ist es schwieriger, den Huhm
zu bewahren, als ihn zu erwerben. Aber
getrost darf er den kommenden Jahren
entgegenschauen. Sind doch die Bedin-
gungen für ein weiteres gedeihliches Wirken
vorhanden, da der Verein über erprobte
Ejräfte verfügt und seine Grundsätze be-
währt sind.
308
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« 2. Gavotte
Bossi,
3. Petite Polka . .
r 4. Impromptu . .
n 5. Canzone-Serenata
9, 6. Bomance . . .
M. E. op. 122. Jugend-Alhum.
No. 1. Caresses
n 2. Souvenir . . .
n 3. Scherzando . .
» 4. Nocturne . . .
* I. 5. Bahillage . . .
n 6 Gondoliera . .
n 7. Valse charmante
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BOSSL M. E. op. 124. Miniatures.
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No. i. Bluette
„ 2. Chitarrate
„ 3. Nuit ötoil^e
„ 4. Romance .
„ 5. Ländler . .
„ 6. Sur les Vagues
„ 7. Consolation .
„ 8. Danse exotlque
Bottazzo,
op. li
No. 1,
. 8.
125.
Berceuse .
Minuetto
Notturnino
op. 42. Bltder ans der
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Unterhaltnngsstücke.
2 Hefte ä netto . . .
1. Heft
2. Heft
No. 1.
:: 1:
" B
„ b,
« 7.
'• i
.. 10.
Marsch nach
dem Walde .
Lager am Bache
Ziegeuner . .
Ewigen . . .
Wiesenhlumen .
Wildfang . .
Musik im Dorf-
wirthshaus .
Auf Bergeshöh'
Lustige
G^chichte
Abschied . . .
Ploridia, p. op u.
1,25
1.25
1.2'>
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1.25
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1,25
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1-
1-
2-
-,G0
-,60
-,6ü
-,60
-,60
-,60
-,60
-,60
1-
-,60
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Preludio .... 1,50
2. Nachtfalter . . . 1,50
3. Unter den Linden 1,25
4. DielustigeMüUerin 1,25
5. Willkommenes
Ständchen ... 1,25
Franzoff, b
No. 6. Schiff er*s Klagelied
. 7. PatosI
8. Capricdoso. Valse
Lied ohne Worte .
Momento capriccioso
Sonnet
Fragatta, 6 o|>
G'iirlitt, c. op. 215.
45.
J.
2.
3.
4.
5.
Barcarola
Valse . .
Melodia .
Scherzino
Tarantella
Für die Jagend.
6~ melodische TonstOcke
compl. netto
No. 1. FröhlicheGesellschaft
. 2. Jagdstück ....
, 3 Der kühne Beiter .
„ 4. Der schneidige Soldat
„ 5. Ernstes G^präch. .
„ 6. Zum Abschied . .
EirChnSr, Fr. op.701. Albmnfarjange
PlanUten. 6 leichte
Stücke, compl. netto
No. 1. Bondino . .
Schweizerlied
Wiegenlied .
Jagdlied . .
Lied ohne Worte
Idylle . . .
2.
3.
4.
5.
6.
Lack«
Th.
op.
op.
op.
op.
op.
op.
op.
op.
op.
185.
186.
187.
188.
189.
190.
215.
216
216.
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Sör^uade Madrilene
Anette- Valse . .
Mazurka-Keverie
L*AveuauBal. Valse
Oaprice-Tarentelle
Joyeux Caprice .
No. 1. Vafse blonde
„ 2. Valse brune
Martußci, g. op 78. no. i
lorley,
Ch.
1. Heft
Mark
1,25
1,25
1,25
1,50
1,50
1,-
1-
1,25
1-
1,25
1,75
2_
— ,'(iO
-,60
o
1,-
-,(5
-,75
-,75
-.75
Serenata .
Minuetto .
, 3. Capriccio .
op. 79. No. 1. Preludio .
„ 2. Canzonetta
„ 3. Saltarello .
5 Stücke von Händel
übertragen
No. 1. Minuetto .
„ 2. Giga. . .
„ 3 Siciliana .
„ 4. Gavotte
„ 5 Mennetto .
Frische Blithen. 10 in-
struktiv melodiöse
Klavierstücke ohne Ok-
tavenspannung. 2 Hefte
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No. 1. In der Matrosen-
schänke . • .
. 2. Es war einmal .
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1,50
1,50
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1-
1,25
1,25
1,25
1,2^
1,25
1,25
1,2,^
1,25
1,25
2,oO
1,-
1,-
— 313 —
1. Hoft
2. Heft
No. 3.
„ 4.
„ 5.
7.
8.
9.
10.
Italienischer
Eriegstanz . .
An die Abendsonne
Vorüberziehende
Soldaten . . .
Nach polnischer
Weise. . . .
Osterglocken . .
Sicilianische
Serenade . . .
Die Dorf-
musikanten . .
In der Kirche .
ßavanello, o. op. 52.
No. 1.
2.
8.
Gavotta
Mazurka
Romanza
SärtOriO, A. op. 350. e lelchte nnd
melodische ünterhaltnngsstücke
für die Jugend, compl. netto
No. 1. Eeldeinsamkeit .
„ 2. Muntere Burschen
„ 3. Zur Maienzeit .
;, 4. Schelmerei. . .
„ 5. Sommerabend .
. 6. Ländler. . . .
1-
1-
1-
1-
1-
1,-
1-
1,-
1,-
1,25
Auf dem Meere — In
der Kaserne — In der
Kirche — Die Quelle —
Beim Abendgebet —
Nachts — Bei Sonnen-
untergang — Bei Tages-
StrSlOZki) A. Album de six petits Mor
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No. 1. Sehnsucht
.. 2
2
-176
-.60
z% Wachs,
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Zu beziehen durch
2,
-,80
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-,80
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„ 6. Hoffnungstraum —,60
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Tema con Tarlazioni
3 Bomancei« sans paroles. Komplett
No. 1. fa Ä
No. 2. sorÄ
No. 8. Sol b
F. Blamenfeld.
2 Fragments caract^ristiqiies .
Ballade (en forme de Variations)
8 Mazonrkas, Komplett . . .
No. 1. La b
No. 2. do
No. 3. Mi b
A. Olasonmow.
S^r6aade du Troubadour de la suite
y^oyen-Age^ op. 79.
Arrang^e par A. Siloti . . .
— La m§me, ödition simplifiäe
Pizxicato du ballet „Baymonda^ op. 57.
Arrang^ par A. Siloti . . .
J. Kryjanowskl«
Op. 3. Fantaisie
A. liiadow.
Op. 53. 8 Bagatelles
tMi
Op. i
Op. 2
Op. 33.
Op. 34.
Op. 35.
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-,60
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1,80
-,60
Op. 30.
Op. 81.
Op. 32.
Op. 33.
Op. U.
Op. 35.
Op. 36.
Op. 37.
Op. 38.
Op. 39.
Op. 40.
Op. 41.
Op. 42.
H. Hedtner.
Op. 5. Sonate (fa) ^
A. Serll^biBe.
Sonate (No. 4, Fa tt) . . . . M
4 Prelndes «
2 Pommes. Komplett . . . . „
Poeme No. 1 «
Poöme No. 2 n
4 Prelndes »
Po^me tragiqne »
3 Prelndes • »
Fo^me sataniqae »
4 Prelndes »
Yalse »
4 Prelndes »
2 Maznrkaa r^
Po^me n
8 Etndes, Komplett ,,
No. 1. Bö b »
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No. 2.
No. 3.
No. 4.
No. 6.
No. 6.
No. 7.
No. 8.
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2,50
-,80
-,40
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-,60
-,80
-,60
-,40
-,60
Op. 30.
Op. 10
J. Wihtol.
Prelndes, Komplett M^ 1,40
No. 1. si b 7, -flO
No. 2. mi « -,40
No. 3. si „ -,80
B« Zolotorelf.
Sonate „ 3,50
114
Ppiedrleh BrandstStter, Leipzig,
AuguMte Bölime-Hühler
Leitfaden
„LautbilcluDg beim Siogeo und SpreclieQ"
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RnrnmUng, Süsse Weihnacht 1,20
— Weihnachtsläuten 1,20
Krön, Der Weihnachtsengel Oß)
Retnedte, 0 Sanctissimo 1,20
— Stille Nacht 1,20
Sartorio, O selige Weihnachtszeit . . . .1,20
— Stille Nacht 1,-
— 0 du fröhliche Weihnachtszeit . . l,—
— Süsser die Glocken 1,—
— 0 Tannenbaum l,—
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Sdieel, Ihr Kinderlein kommet 1, —
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«a^
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Druck: J. S. Preuss, Berlin S.W., Eommandantenstr. 14.
1878
1904
^J Aus H
dem Inhalt:
iL Musikpädagogischer Kongress.
Ernst Paul: Eugen Krantz als Klavier-Pädagoge.
Eugen Segnitz: Das li. Bachfest in Leipzig.
Dr. Karl Storck: Kritische Rückschau über Konzert
und Oper.
Mitteilungen von Hoclischuleii und Konservatorien.
Vermischte Nachrichten.
Bücher und Musikalien.
Ü9
20. Oktober 1904.
318
?2^ 7ö"sil<pädagogiscbeF KooS'css. ^^
Bericht Ober die Sitzuii8:en des 6. bis 8. Oktober.
Von .
Anna Horseh.
Es ist nicht leicht, sofort nach dem Schluss eines Kongresses, nach dem
Verhallen der letzten Worte eine sichere Bewertung seiner Bedeutung, seiner
Resultate zu bieten. Die Fülle der Eindrücke ist zu gross, zu viel Persönlich-
keiten zeigten sich in ihrer charakteristischen Eigenart, um schon jetzt sagen
zu können, diese oder jene Erfolge haben wir erzielt, diese oder jene Wirkung
wird der Kongress in die Ferne üben. Eins ist sicher: in seiner ganzen Orga-
nisation, in seinem Aufbau, in seiner Themefizusammenstellung lag ein grosser,
einheitlicher Zug, er legte ein starkes Zeugnis ab von dem Wollen des musik-
pädagogischen Verbandes, von seinem Streben, seinen Zielen. Diesem inneren
Kern der Sache gesellte sich der Rahmen, in dem der Kongress sich diesmal
präsentieren durfte: die wundervollen Räume des Reichstagsgebäudes mit seinen
grossartigen Sälen, seinen Wandelgängen, seiner glänzenden Ausstattung, den
prächtigen Erfrischungsräumen, dem Blick aus den Fenstern auf den weiten
Königsplatz mit seinen rauschenden Fontänen und dem markigen Bismarck-
Standbild in der Mitte — , überall stimmungsvolle Bilder, welche dem künst-
lerischen Impuls erhöhtes Lebensgefühl verliehen. — Dazu durften die Leiter
des Kongresses mit freudiger Genugtuung die grosse Teilnahme begrüssen, die
ihr Aufruf gefunden, besonders schätzenswert war die offizielle Beteiligung, das
Ministerium hatte einen Vertreter in der Person Prof. Dr. JosefJoachim's
entsandt, die Königl. Hochschule war durch die Professoren Adolf Schulze
und Andreas Moser, der Senat der Künste durch Prof. Dr. Krebs vertreten,
die Stadt Berlin sandte die Schulräte Herren Dr. Stier und Dr. Hausen zu
Beisitzern in der Schulgesangsfrage, die Regierung hatte den Gesanglehrern der
Monarchie generellen Urlaub erteilt und Reisezuschüsse gewährt; eine grosse Zahl
königlicher, städtischer und privater Konservatorien waren durch Delegierte ver-
treten, ebenso entsandten die angeschlossenen Korporationen: die Musik -
Sektion des AUg. D. L.-V., der Essener und Posener Musiklehrer- und Lehre-
rinnen-Verein, die Musikgruppen von Berlin, Stettin und Eisenach ihre Ver-
treter, — ein Zeugnis der Zustimmung, der Sympathie mit den Zielen des Verbandes.
Heut ist es nur möglich, eine Skizze von dem Gesamtverlauf des Kon-
gresses zu geben, das Wesentliche der fünf Sitzungen in grossen Zügen zusammen-
zufassen; — es liegt in der Absicht, die Referate und Vorträge zur allgemeinen
Kenntnis zu bringen, teils durch Sonderdruck, teils durch den „Klavier-Lehrer*,
um sie auch den Ferngebliebenen zu vermitteln und dadurch wieder zu weiterer
Aussprache anzuregen. So viel des Schönen und Gedankenvollen wurde
geboten, so viel beherzigenswerte Worte tönten an unser Ohr, dass es als Pflicht
erscheint, auch Andere daran teUnehmen zu lassen.
Die Eröffnung des Kongresses geschah durch den ersten Vorsitzenden,
Professor Xaver Scharwenka, der die Versammlung mit herzlichen Worten
begrüsste und sich die Erlaubnis erbat, ein Telegramm an Seine Majestät den
Kaiser absenden zu dürfen. Der durch die Schriftführerin Frl. Anna Morsch
verlesene Jahresbericht enthielt eine Schilderung der reichen Tätigkeit, welche der
T
319
junge Verband in der kurzen Zeit seines Bestehens entfaltet hat, er gab Kunde über
die abgeschlossenen Arbeiten und ihre Einführung, über die weiter begonnenen und
das Interesse, das ihnen entgegengebracht. Anschliessend daran berichtete der
n. Vorsitzende, Professor Gustav Hollaender, über die Prüfungskommissionen,
über die Einleitung und den Modus ihrer Zusammensetzung. Die Resultate der
Aufforderungen sind hochbefriedigende; mit Genugtuung kann der Vorstand
konstatieren, dass mit verschwindenden Ausnahmen Alle dem Rufe folgten und
ihre Zuschriften oft sehr warme, sympatische Worte enthielten. Die Organisa-
tion vollzog sich in der Weise, dass die Aufforderungen zunächst immer an
eine hervorragende Persönlichkeit der Stadt oder der Provinz erging und diese
gebeten wurde, weitere Vorschläge zu machen. Wenn Zweifel vorlagen, wenn in
den grossen Musikzentren nicht eine, sondern 2, 3 und mehr hervorragende
Künstler sich befanden, zwischen denen ein Abwägen ihrer hervorragenden
Bedeutung von vornherein ausgeschlossen war, da wählte der Vorstand die-
jenigen heraus, auf welche die meisten Stimmen in den im vorigen Jahre her-
ausgesandten „Verhandlungen" sich vereinigt hatten. Um aber jedem Verdacht
der Parteilichkeit, der persönlichen Neigung vorzubeugen, wurde vom Vorstande
folgender Modus vorgeschlagen: Die Prüfungskommissionen werden nur auf
einen bestimmten Zeitraum gewählt — drei Jahre etwa — , dann scheidet die
Hälfte aus und neue treten an ihre Stelle. Zwei Gesichtspunkte waren hier
massgebend: Einmal ist das Ehrenamt eines Prüfungskommissars mit Opfern
an Zeit und Kraft verknüpft, sodass Entlastung geboten ist, andererseits jedoch
können trotz aller Vorsicht Missgriffe vorgekommen sein, die sich durch einen
Wechsel leicht ausgleichen lassen. Es war ein diesbezüglicher Protest ^or
dem Kongress in Form eines Antrages bereits eingelaufen, dem aber auf
der Generalversammlung nicht Raum gewährt werden konnte, weil die Antrag-
steller nicht Mitglieder des Verbandes waren. — Der Modus der dreijährigen
Wahl, des Ausscheidens der Hälfte der Kommissionsmitglieder wurde auf der
Generalversammlung des Verbandes zum Beschluss erhoben.
Nachstehend folgt nun die Liste der Mitglieder der Prüfungskommissionen
mit den Schlussbemerkungen der noch schwebenden Verhandlungen.
Provinz Schlesien: Kapellmeister Riemenschneider, Pianist Ludwig,
Prof. Dr. Bohn, Konzertmeister Himmelstoss. Provinz Pommern: Prof. Dr.
Lorenz, Königl. Musikdirektor Robert Lehmann, Konzertsänger Ph. Gret-
scher, Pianistin Frl. Rusch. Provinz Hannover: Hofpianist Prof. Heinrich
Lutter, Königl. Chordirektor K. Lüders, Königl. Musikdirektor J. Frischen,
Königl. Kammervirtuos E. Blume, Konzertmeister O. Riller. Provinz West-
falen: Königl. Musikdirektor Julius Janssen, Dr. W. Niessen, Königl.
Musikdir. W. Frank, Königl. Musikdir. A. Knabe. Provinz Hessen-Nassau:
Prof. Iwan Knorr, Prof. Hugo Becker, Pianist Ernst Engesser, Violin-
virtuose Fritz Bassermann. Rheinprovinz: Dr. Otlo Neitzel, Musikdir.
Erlemann, Prof. ßuths. Provinz Schleswig-Holstein: Musikdirektor Carl
Borchers, Frl. Anna Kroymann, Herr Organist Johann sen. Provinz Ost-
preussen: Musikdirektor Bernecker, Professor R. Schwalm, Frau Luise
Dehmlow, Königl. Musikdirektor Wilhelm Wolff. Provinz Posen: Prof.
R. Hennig, Königl. Musikdirektor Geisler, Organist Erbe, Musikdirektor
Gambke, Fr. Dr. Theile, Musikdirektor Schattschneider. Provinz Sachsen
und thüringische Staaten: Musikdirektor Zuschneid, Musikdirektor
Krzyzanowski, Professor Rabich, Professor Thureau. Hamburg und
320
Altona: Kapellmeister Max Fiedler, Prof. C. v. Holten, Oxganist Fr. Färber.
Bremen: Professor Panzner, Chordirigent Schubart, Konzertmeister Schein-
pflug, Pianist Bromberger. Lübeck: Prof. C. Stiehl, Kapellmeister
Kassier, Frl. Klara Herrmann, Hr. und Fr. Kapellmeister Afferni. Schwerin
und Rostock: Professor Dn. Thierfelder, Musikdirektor Schondorf, Hof-
kapellmeister Meissner, Hofmusikdirektor Romberg. Grossherzogtum Hessen:
Professor Dr. Fritz Volbach. Oldenburg: Hot musikdirektor Manns, Hr. u. Fr.
Hofkonzertmstr. Kufferath, Prof. W. Kuhlmann, Kammermusiker Düster-
behn. Königreich Sachsen: Pianist H. Vetter, Oberlehrer Ernst Paul (noch
nicht abgeschlossen). Königreich Bayern: Prof. Bernhard Stavenhagen,
Professor Victor Gluth, Professor Schmid-Lindner, Professor Wilhelm
Weber. Elsass - Lothringen: Professor F. Stockhausen. Baden: Pro-
fessor Heinrich Ordenstein, Pianist Kurt Herold, Walter Petzet, Konzert-
sänger Fritz Haas, Konzertmeister Deecke, Professor Philipp Wolfrum.—
Die Berliner Prüfungskommission, die gleichfalls noch nicht abgeschlossen
ist, setzt sich aus folgenden Herren und Damen zusammen: Prof. Benno
Stolzenberg, Prof. Waldemar Meyer, Prof. Martin Krause, Pianist
Feruccio Busoni, Frl. Emma Koch, Hr. Florian Zajic, Hr. Musikdirektor
Dienel, Hr. Gustav Kulenkampff, Hr. Domsänger Rolle. In Korrespondenz
zur Vervollständigung der Kommissionen steht der Vorstand noch mit Leipzig,
Dresden, Danzig, Stuttgart, Halle und Hamburg; es darf jedoch der Hoffnung
Raum gegeben werden, dass sich auch hier der Kreis zu voller Zufriedenheit
schliessen wird, da Anknüpfungen bereits überall geschehen.
Im Anschluss hieran sprach Herr Musikdirektor Menge wein einige Worte,
die die Ueberleitung bildeten zu den Referaten und Vorträgen des Kon-
gresses. Diese selbst gliederten sich in drei grosse Gruppen: 1. „Musikpäda-
gogische Reformfragen", 2. „Kunstgesang" und 3. „Schulgesang**. Die ersteren
behandelten hauptsächlich solche Disziplinen, die auf den Seminaren der Kon-
servatorien der Reform bedürfen oder neu einzuführen sind. So sprach Fräulein
Maria Leo-Berlin über die „Pädagogik als Lehrgegenstand", sie betonte die
Notwendigkeit des pädagogischen Unterrichts und zeichnete den Weg, den der-
selbe einzuschlagen hat; ferner erläuterte sie die Einführung in die praktische
Ausübung des Unterrichtens und die Verteilung des pädagogischen Unterrichts
und der praktischen Uebung auf die drei Seminarjahre. Ihr unmittelbar an
schloss sich Frl. Ina Löhner-Nürnberg, die langjährige Mitarbeiterin Lina
Ramann's, der ältesten Pionierin auf dem Gebiet der musikalischen Pädagogik.
Ihr Thema lautete „Psycho-physiologischer Unterricht", und sie erntete grossen
und anhaltenden Beifall mit ihren sich vielfach auf geschichtlicher Basis be-
wegenden Ausführungen.
Das Thema „Die Musikästhetik und ihre praktische Einführung" behandelte
Frl. Olga Stieglitz-Berlin: Sie kennzeichnete den Wert, der der Musikästhetik
als Lehrgegenstand innewohnt, begründete ihre Notwendigkeit, um echte „Erzieher
zur Kunst" heranzubilden und legte in sachlicher und lichtvoller Weise die Gliederung
des Unterrichtsstoffes klar, den sie in einen geschichtlichen und einen systemati-
schen Teil geordnet wissen will. Hauptwert beim Unterricht sei darauf zu legen,
dass dem Schüler nicht blos Voi träge geboten würden, sondern dass er mitdenkt
und mitarbeitet. Die Frage, ob die Aesthetik auch als Gegenstand der Prüfungs-
ordnung mit heranzuziehen sei, wollte die Rednerin vorläufig noch verneinen,
praktische Versuche müssen erst ergeben, einerseits, welches notwendige Mass
321
von Kenntnissen festzustellen sein wird, andererseits, wie weit die teilweis
schwierigen Lehren der Musikästhetik einem an abstraktes Denken wenig
geübten Schülerkreis zugänglich gemacht werden können.
Herr Professor Hennig-Posen, der den gleichen Gegenstand als Thema
gewählt, stützte sich in seinen Ausführungen hauptsächlich auf seinen im
„Kl.-L.**, Beiheft 9 „Musikpädagogische Reformen*- veröffentlichten „Lehrplan
für den Unterricht in der Aesthetik an Konservatorien und Musik -Seminaren".
Aehnlich Herr Ludwig Riemann-Essen, der „Die Notwendigkeit der Ein-
führung der Akustik in den Lehrplan" befürwortete. Sein Lehrplan, der ausser-
ordentlich klar und sachlich ausgearbeitet ist, war in No. 7 und 8 der Beihefte
enthalten. Die Diskussionen über die vorstehenden Themen bewegten sich nach
verschiedenen Richtungen; einerseits wurde vor Ueberbürdung gewarnt, wenn
alle diese Disziplinen obligatorisch gefordert, den Seminarien wären praktischere
Dinge von grösserem Nutzen, andere Sprecher plaidierten aufs lebhafteste für
die geistige Ausbildung, für die Praxis sei genügend gearbeitet, es gälte, die
wissenschaftliche Bildung der angehenden Lehrkräfte zu vertiefen und sie mehr
in die Grundlehren der Pädagogik und der Musikwissenschaften einzuführen.
Auch zu dem Thema „Die Ausbildung des musikalischen Gehörs**, über
welches Herr Musikdirektor Mengewein referierte, ist schon in No. 11 der
„Beihefte" der Anfang eines Lehrplanes erschienen; der Redner entwickelte hier ein
Gesamtbild seiner Ansichten übert,Die systematische AusbUdung des musikalischen
Gehörs", die für jeden Musikstudierenden, gleichviel welchem Zweige unserer Kunst
er sich widme, von grösster Wichtigkeit sei, da sie ihm nicht nur eine technische,
theoretische und ästhetische Schulung verbürge, sondern die feste Basis für eine
wirklich künstlerische Betätigung auf irgend einem Gebiete der musikalischen
Kunst stellt. — Von ausserordentlichem Interesse waren die Darlegungen Herrn
Capellen's- Osnabrück über „Reformen auf dem Gebiet des theoretischen
Unterrichts", welche zu einer längeren Diskussion Veranlassung gaben. Seine
Lehre stösst unsere jahrhundertelang geübte Theorie vollständig um, und ver-
sucht absolut Neues an ihre Stelle zu setzen. Der Raum verbietet hier näher
auf das System Hrn. Capellen's einzugehen, sein Vortrag wird, um weitere
Kreise damit bekannt zu machen, im Wortlaut gedruckt. — In sehr an-
regender Weise wusste Hr. Direktor Kaden-Dresden die Behandlung der
Musikgeschichte und der Formenlehre an den Seminaren zu schildern, um ihre
Aufgabe so zu erfüllen, wie sie wünschenswert ist. Die Musikgeschichte soll
an den Schulen nicht als Wissenschaft betrieben werden, sondern in einer ent-
wickelnden Methode, die alle Erscheinungen der Musik in einem übersichtlichen
grossen Zusammenhang zeigt und immer an das künstlerische Interesse anknüpft.
Aehnlich die Formenlehre. Die Aesthetik hat die musikalischen Formen in
gründlichster Weise zu behandeln, sie hat über den Geist der Formen Auf-
schluss zu geben, trotzdem brauchen wir die Formenlehre noch als selbständige
Disciplin, um durch praktische analytische Uebungen den individuellen Bau der
Musikstücke erkennen zu lernen. An kurzen Beispielen für beide Disziplinen
zeigte Herr Direktor Kaden die praktische Ausführung seiner Methode.
Mit einem Referat Herrn Robert Huch's-Braunschweig über seine
„Notenlese-Lehrmethode auf Grundlage des Intervallesens" schloss die Reihe
der zur Erörterung gestellten „Musikpädagogischen Fragen" ab. Eingefügt war
noch ein Vortrag Hrn. Direktor Vogt's- Hamburg über „Ausarbeitung eines
Führers durch die Klavierliteratur". Herr Vogt legte seine Gedanken über einen
322
solchen klar und erläuterte die Vorarbeiten, die er bereits gemacht. Er bean-
tragte die Einsetzung einer Kommission, die die Arbeiten weiter führt. Es
wurde beschlossen, diese Kommission auf der Generalversammlung zu berufen.
(Schluss folgt.)
Biiget) Kfao^z als l^la^ierpädagoSe.
(geb. 13. September 1844, gest. 26. Mai 1898.)
Von
Ernst Paul.
(Schlußs.)
Derartige Hindernisse müssen natürlich vom Lehrer erkannt und gehoben
werden; Chopin'sche Walzer sind freilich dazu nicht zweckdienlich, da helfen
nur die verlästerten technischen Uebungen, die nach der ganz verschiedenen
technischen Veranlagung der Schüler in geeigneter Weise angeordnet, umge-
wandelt und ausgedehnt werden müssen. Der Lehrgang muss elastisch sein,
um jeder individuellen Forderung genügen zu können.
Nach Krantz sind technische Uebungen Tonfiguren, welche, von ge-
danklichem Inhalt und musikalischer Form absehend, die beim Spiel eines In-
strumentes in Anspruch zu nehmenden Gelenke und Glieder auf alle technischen
Erfordernisse vorbereiten. Die Hauptvoraussetzung ist die Angewöhnung „guter
Haltung^, unter der Krantz jene Stellung der Anschlagsglieder versteht, welche
die speziell vorliegende technische Aufgabe am korrektesten und bequemsten
zu erfüllen gestattet; naturgemäss wird sie sich der Eigenart des Handbaues
gemäss modifizieren müssen. Unnachsichtig wird der Lehrer solche Haltungs-
fehler zu bekämpfen haben, die ihren Grund tragen in falscher Gewöhnung, im
Hange zur Nachlässigkeit, Unaufmerksamkeit und Willensschwäche. Den „A n-
schlag" erklärt Krantz als diejenige Tätigkeit bestimmter Glieder, die den
Niederschlag von Tasten zu tönender Erregung der Saiten zum Ziele hat. Der
Bildung des kunstgerechten Anschlags wandte er seine ganze Einsicht, Energie
und Beharrlichkeit zu — im kleinsten Punkte die grösste Kraft zu sammeln,
war ihm hierbei Leitspruch. Als grundlegende Uebungsgruppen gibt er Studien
mit stillstehender Hand bei gefesselten und freien Fingern und mit fort-
rückender Hand; besonderen Wert legt er auf die Vorübungen zum Ton-
leiterspiel (Untersetzen und Vor bewegen des Daumens, Fortschieben und
Uebersetzen der Hand), dem das Tonleiterspiel selbst folgt in allen Möglich-
keiten und mit allen Erschwerungen. Gleichzeitig beginnt die Schulung des
Stakkatoanschlags aus verschiedenen Gelenken, der Doppelgriffe und der
fortlaufend gebrochenen Akkorde. Seiner Art der Behandlung der sogenannten
„SpezialÜbungen": Triller, Hände an — und Ineinanderstellung, Springen
und Händeüberschlagen, die übrigen Verzierungen (in ganz vorzüglicher Be-
arbeitung!), rhythmische Uebungen und nicht zuletzt Pedalstudien — ist das
Urteil einer hervorragenden Bedeutung kaum abzusprechen.
Sehr nachahmenswert ist die Art, wie Krantz seine Schüler nötigt, immer
mit ungeteilter Aufmerksamkeit bei der Aufgabe zu sein durch selbsttätiges
Ausrechnen der technischen Uebungen nach logischem Schema, das
in den gezogenen Grenzen alle Möglichkeiten erschöpfte; dabei beginnt er kon-
c^
323
'•^^^^SSHt
sequent mit der linken Hand als der von Natur schwächeren und durch unsere ^C
Lebensgewohnheiten leider vernachlässigten. Aus ähnlichen Gründen bevorzugt 4 .
er die Schulung der einzelnen Finger immer von der Seite des Fünften her.
In besondere Pflege nimmt er anfangs das Legatissimo-Spiel, das bekannt-
lich am nachdrücklichsten einwirkt auf die Sicherheit der Wechselbeziehung
zwischen Wille und den zu bewegenden Muskeln; hierbei ist allerdings Voraus-
setzung, dass die Anschlagstätigkeiten vereinzelt auftreten und im langsamen
Zeitmasse mit besonderer Energie vollzogen werden. Weiterhin bringt Krantz
Tastenlagen und Tonarten in Anwendung; die Uebungen werden mit beiden
Händen gespielt in verschiedenen Bewegungsrichtungen, mit rhythmischen Ver-
änderungen, in kontrapunktartiger Zweistimmigkeit, mit Nüancierung etc. und
mit gesteigerter Schnelligkeit. Dieses eigenartige Verfahren veranlasste Lehrer
und Schüler beständig zur Konzentration der Gedanken; die Zerstreutheit konnte
nicht gut aufkommen. In der unablässigen geistigen Inanspruchnahme lag der
Zauber seines interessanten Unterrichts; denn langweilig ist nur das, was die
Seele ungenügend beschäftigt. Beim Tonleiterspiel auf elementarer Stufe wurde
die Vorzeichnung aufgesagt, Veränderungen in Moll, Fingersatzgruppe und Regel
für die Stellung des 4. Fingers, Anfangsfinger; ebenso schnell und fliessend
forderte er beim Akkordspiel die Tonleiterzugehörigkeit mit den entsprechenden
Stufen und die Regel, nach der bei Dreiklängen der 3. oder 4. Finger in An-
wendung kommt. Damit erfolgte zugleich eine dauernde Auffrischung des
elementaren Theoriewissens, das allmählich in Fleisch und Blut überging. Den
Eintrag in die Aufgabenbücher vollzog er selbst während des Unterrichts
mit peinlicher Sorgfalt; die musterhafte Gruppierung des Materials im „Lehr-
gange" ermöglichte dabei Uebersicht und Ordnung und Hess Missverständnisse
als ausgeschlossen erscheinen.
Die durch technische Uebungen erworbene Fertigkeit verlangt nun Um-
prägung für den künstlerischen Gebrauch; hier tritt die Etüde ein als nützliches
Zwischenglied von Fingerübung zum Musikstück. Sie verarbeitet schematisch
technische Figuren, indem sie die Bedingungen von Harmonik, Kontrapunkt,
Rhythmik und auch Vortrag gestaltend auf sich einwirken lässt. Den Anfang
machen Etüden, die sich eng an das technische Studium anschliessen und die
nichts anderes sind, als Fingerübungen in musikalischem Kleide; am Ende
stehen jene geist- und glanzvollen Charakterstücke, welche in ihrem konzert-
mässigen Gewände die Bezeichnung „Etüde" nur damit rechtfertigen, dass der
Komponist für den Ausdruck seiner Gefühlswerte die Anwendung einer einzelnen
technischen Formung wählte. Auf allen Stufen der technischen Entwicklung
gibt Krantz dem Bachspiel Raum, als unerschöpflicher Kraft- und
Gesundheitsquelle; es fördert die Unabhängigkeit der Finger untereinander,
macht den Geist scharf und umsichtig und vertieft das Empfinden.
Das Vorbildliche in der Krantz'schen Lehrerpersönlichkeit offenbarte sich
unter anderem auch in der unermüdlichen Sorgfalt, mit der der Meister auf die
genaueste Beachtung des Notentextes hielt; Flüchtigkeiten in Anschlags-
weise, Fingersatz und Stimmführung waren bei seinem Unterrichte ausge-
schlossen. Eigenhändig zerlegte er die Etüde in Uebungsabschnitte, prüfte
mit kritischem Auge Fingersatz und Phrasierung, verbesserte nach dem Grund-
satze: Es darf nichts notwendiges fehlen, nichts überflüssiges stehen bleiben.
Etüden und technische Uebungen sind nur Bausteine zur künstlerischen
Entwicklung, die ihre Abrundung erfährt im Studium von Musikstücken.
324
^^^^^^S^^^iT^^^^^Bt
Was nennt man in unseren Tagen nicht alles „Musikstück"! Hier höchst- ^
stehende Eingebungen, die eine künstlerische Idee schön und wahr gestalten; ^
dort geringere, die sich darin gefallen, durch äusseren Glanz die blosse Technik
wirken zu lassen — und da tiefstehende Produkte mit seicht harmonisierten,
nichtssagenden Melodien, mit trivialen Rhythmen, die ihren Daseinszweck er-
füllen mit oberflächlicher Ergötzung des Gehörsinnes und mit der Wirkung, den
Körper in tanzendes Erregen zu versetzen. Jede Stufe hat ihr Publikum und
von jeder Stufe aus tritt an den Lehrer das Verlangen nach Unterricht; hier
erschliesst sich ihm ein weites Feld seiner Betätigung. Da kann er zeigen,
dass er kein Schlendrianslehrer ist, der trag und gleichgültig mit jedem Schüler
dieselben Stücke jahraus und jahrein wiederkäut; kein Pedant der Klassizität,
der es unter seiner Würde erachtet, einmal in tiefere Regionen hinabzusteigen,
obgleich mitunter der Stoff, mit dem gewisse Schüler allmählich der Kunst be-
freundet werden können, nur in den Niederungen zu finden ist; keiner von
jenen Virtuosen, die sich ohne pädagogischen Beruf zum Unterrichtgeben herab-
lassen und die durch prinziplose Auswahl des Stoffes dem Schüler den Magen
verderben! Es ist die erhabenste Aufgabe des Musikpädagogen, an
der Hebung des allgemeinen Kunstniveaus mitzuarbeiten. Freilich,
eine saure und entsagungsvolle Arbeit! Ein schwaches Talent zu einem musik-
verständigen Spieler zu entwickeln, benötigt vielmehr unterrichtliche Tüchtigkeit,
als hervorragende Begabung, die das meiste aus sich selbst dazu gibt, zur
Konzertfähigkeit zu fördern. Nach der Eigenart des Schülers und nach seinen
Zielen richtet sich die Wahl der Musikstücke. Eine folgerichtige Entwicklung
des Musikverständnisses geht den Fingerzeigen der Musikgeschichte nach; wenn
der Schüler in seinem Entwicklungsgange ein gedrängtes Bild des gesamten
Kunstschaffens durchlebt hat, dann wird er sich auf allen Stufen befriedigt und
wohlgefühlt haben, und er wird alle Perioden und Stile der Musikentwicklung
ohne Einseitigkeit mit Verständnis und Hochschätzung gemessen.
Nach Krantz'schem Ausspruch reicht aber des Musiklehrers Tätigkeit noch
viel weiter, denn sie muss sich auch darauf erstrecken, den künstlerischen
Geist zu entfalten und die Empfänglichkeit für den Stimmungsgehalt
eines Kunstwerkes zu wecken und zu steigern. Das ganze technische
Rüstzeug muss in solchem Grade durchgeistigt zur Anwendung gelangen, dass
der feinempfindende Hörer zu gleichem Fühlen gestimmt wird, wie der Kom-
ponist in der Stunde, da er sein Werk schuf. Das ist für viele Lehrer eine
schwere Aufgabe, die sie nur lösen können durch eigenes Vorspiel, durch persön-
liches Einwirken während des Spiels und durch Uebertragung des eigenen
künstlerischen Empfindens.
Zur Befruchtung der Gefühlsäusserung trägt das ,,Zusammenspiel**
vieles bei; Krantz schätzt es aber auch als wichtiges Bildungsmittel zur Ent-
wicklung des Sinnes für Takt, Tempo und Rhythmus und wendet es bereits
auf elementarer Stufe an in seiner einfachsten Form, dem Vierhändigspiel,
das freilich nur dann nutzbar wird, wenn das Studium vierhändiger Stücke nicht
Regel ist, sondern Ausnahme bleibt; wenn femer bei der Auswahl darauf ge-
sehen wird, dass beide Hände selbständige Tonreihen zu spielen haben; wenn
endlich das Primo- und Sekondospielen in regelmässiger Abwechslung erfolgt.
Zu den weiteren Pflichten des Lehrers zählt Krantz die Einführung in das
„Vomblattspiel", jener Fertigkeit, die dem Schüler beim Einstudieren viel Zeit
und Kraft spart und die ihm den reichen Schatz der Literatur erschliesst. Recht
325
beachtenswert sind auch seine Hinweise über das „Vorspielen**; er will den
natürlichen Zustand der Befangenheit bekämpft wissen durch Stärkung des
Selbstvertrauens, das durch gewissenhafte Schulung und durch das Bewusstsein
des stetigen Wachsens von Kennen und Können gesteigert wird, und durch
möglichst frühzeitig beginnende Gewöhnung an das Vorspielen. Von hohem
Nutzen ist das „Auswendigspielen*; doch muss dabei dem mechanischen
Memorferen das judiciöse vorangehen, das dem Gedächtnis Dauerhaftigkeit und
Dienstbarkeit vermittelt.
In einem Punkte war Krantz seinen Mitarbeitern weit überlegen, das war
seine „individuelle Lehrweise", seine den Unterricht durchdringende Eigen-
art, die in Seel und Blick Begeisterung für seinen Beruf und für sein Spezialfach
erkennen Hess. Sein Unterricht war jederzeit klar, lebendig und straff; immer
zeigte sich Krantz als Herr des Stoffes und der Methode, als Herr über sich
selbst und über seine Schüler.
Mit psychologischem Feinsinn und ausgesprochenem päda-
gogischen Takte verstand er Rücksicht zu nehmen auf die Eigentümlich-
keiten seiner zahlreichen Schüler, die sich zeigten in den Verschiedenheiten
nach Geschlecht, Temperament, Alter, Intelligenz und Charakter. Wie konnte
er Willensschwache stählen, Zerstreute sammeln. Gedankenlose zu
geistigem Tun anregen, flattrige Elemente zügeln, Aengstliche mit Zartheit
behandeln! Von bestimmendem Einflüsse auf die Willensbildung seiner
Schüler war das eigene konsequente Handeln nach einheitlich ge-
ordneten Grundsätzen. Wenn man von der Krantz'schen Methode spricht,
dann sollte man damit nicht bloss die eigenartige Behandlung des Unterrichts-
stoffes verstehen, sondern vor allem jene seltene Gabe der Lehrtechnik, die als
Geisteshauch den Unterricht belebte und wie mit einem Zauber geheimnisvoll
verklärte. Er zeigte sich als das Musterbild eines Klavierpädagogen,
würdig des Schiller Wortes:
„Dich erwähr ich zum Lehrer, zum Freund. Dein lebendiges Bilden
Lehrt mich. Dein lehrendes Wort rühret lebendig mein Herz."
l^as IL ßacbfcsf
ii) beipzig ^oti) 1.-3. Q\{foh^v I904.
Von
Bei der Anfstellang des Programms des IL Bachfestes war man daraof ausge-
gangen, des Meisters Schaffen nacb geistiger und weltlicher Seite hin anschaulich zu
machen, und ferner hatte man auch, mit vollem Rechte, von der Wahl eines seiner
grossen abendfüllenden Werke Abstand genommen, sondern vielmehr be-
sonders seine Motetten in Betracht gezogen, weil die darin vielfach verborgen ruhenden
musikalischen Schätze noch keineswegs als gänzlich gehoben und ans, Licht der Kunst-
weit gefördert betrachtet werden müssen. Drittens war neben Bach auch dem und
jenem Meister höherer und niederer Ordnung Haum gegönnt, der zu dem Altmeister
and seiner 2ieit in engerer oder fernerer Beziehung gestanden hatte.
326
W^
^L Das Orchesterkonzert im grossen Saale des Gewandhauses bot n. a. zwei
^ grosse Instrumentalwerke, Bachs IV. Snite nnd Handels XII. Concei-to grosso, die von
dem unter Herrn Karl Straub e's Leitung stehenden Theater- und Gewaudhausorchester
eine treffliche Wiedergabe erfuhren. Herr Straube, Organist an St. Thomä und JLieiter
des Bachvereins, waltet erst unlängst des Dirigentenamts, woraus sich mancherlei
kleine Unregelmässigkeiten wohl begreifen lassen. Aber aufrichtige Begeisterung,
künstlerische Energie und tiefe Erkenntnis halten landläufiger Boutine die Wage, so-
dass die Darbietungen als Ganzes wohlgelangen. Herr A. Beisenauer spielte Bach's
D-dur-Konzert mit grossem Erfolge, insbesondere war uns die wundervolle Wiedergabe
des langsamen Mittelsatzes ein unbeschreiblicher G^nuRS. Der bedeutende Künstler ver-
einigte sich mit den Herren Fem bau er und von Rössel zur Vorftlhrung des Bach'schen
D-moll Konzerts für drei Klaviere und Orchester, das ebenfalls den hellen Beifallsjubel
des Auditoriums wachrief. Weniger sympathisch berührte der Vortrag einer Händel'schen
Arie aus „Acis und Galathea'', die dem, übrigens sehr geschätzten Tenoristen, Herrn
Pinks mancheilei zu schaffen machte. Das Dramma per musica ,Der Streit zwischen
Phöbus und Fan" bildete den Beschluss. Die Soli lagen in den Händen der Damen
E. Buff-Hedinger und M. Fhilippi und der Herren Fink s, O. Noe, A. van Ewejf k
und Mergelkamp. Das Werk, eine musikalisch ausgezeichnete Komposition auf einen
herzlich läppischen Text, birgt eine stattliche Anzahl fein humoristischer, auch stark
satyrischer Züge in sich, die unseres Erachtens fast durchweg schärfere Betonung erfahren
hätten müssen. Von den beiden, das Ganze umrahmenden Chören, erschien der erste sehr
überhetzt, während der andere klangschön und subtil dynamisch behandelt herauskam.
Den Beginn der Kammermusik- Matinee im kleinen Saale des Gewandhauses
am 2. Oktober machte Bachs IV. Brandenburgisches Konzert für konzertierende Violine,
zwei Flöten nebst Stieichorchester und Cembalo, bei dessen Aufführung unter dem Fest-
dirigenten Herrn Straube sich die Herren Konzertmeister Wollgandt, Schwedler
und Fischer wesentlich hervortaten. Das andere grössere Werk des Konzerts war
die weltliche (sog. .Kaffee^*) Kantate „Schweigt stille, plaudert nicht*', worin sich der
Vater Bach als Humorist reinsten Wassers erzeigt. In dieser Solokantate war Herrn
van Eweyk unstreitig die schwierigste Aufgabe gestellt, die er glänzend löste, wenn
auch ab und zu noch mehr Humor hätte entwickelt werden können. Die kaffeelüsteme
Tochter vertrat Frau Buff-Hedinger in anerkennenswerter Weise und Herr Finks
begnügte sich mit der kleinen Bolle des Erzählers. Herr Bich. Buchmayer aus
Dresden spendete eine Anzahl alter Klavierstücke von unbekannten norddeutschen Kom-
ponisten, sowie von Böhm, Bitter undTelemann und errang mit seinem fein ciselierten,
vornehmen Spiele die lebhaftesten Sympathien. Mit Herrn Frof. Dr. Jos. Joachim trug er
auch Bachs E-dur Klavier- Violinsonate vor. Joachim wurde, vielleicht weniger als
Geiger, denn als verdienstvoller langjähriger Vertreter und Vorkämpfer für Bach'sche
Musik aufs Wärmste gefeiert. Ebenso Herr Frof. Jul. Kiengel, dessen Wiedergabe
der eminent schwierigen C-moll Suite für Violoncellosolo eine Meisterleistung bedeutete.
Als angenehme Abwechselung des sehr ausgiebigen instrumentalen Teils sang Herr
Finks ein Händel'sches Liebeslied mit warmer Empfindung und sehr schöner Tongebung.
Das Programm des Konzerts in der Thomaskirche, am 8. Oktober, bestand
aus Bach's Kantaten „Herr, gehe nicht ins Gericht") „Jesus schläft, was soll ich hoffen*,
, Wachet, betet, seid bereit* und „Erfreuet euch, ihr Herzen-; durchgehends Meister-
werke von hervorragenden Schönheiten und wahrhaft genialer Beherrschung aller
seelischen DsLrstellungsmittel, dazu von packender Gegensätzlichkeit des poetischen
Inhalts und oft von geradezu elementarer Wirkungskraft. Die Aufführung durch den
Bachverein und Herrn K. Straube war durchaus lobenswert und klangschön. Gegen
Temponahme der Choräle hätte sich mancherlei einwenden lassen, und die Begleitung
des Orchesters stimmte mit den Solisten nicht allerorten zusammen. Solisten waren
wieder die Damen Buff-Hedinger und Fhilippi und die Herren Finks und
van Eweyk, die, sieht man von einigen fauts pas der Sopranistin ab, ihre Aufgaben
trefflich lösten. Der Eindruck der Ghesamtaufführung des Abends war jedenfalls ein
327
ebenso tiefgehender wie bleibender. Das in Rede stehende Ex>nzert leitete der schöne
Vortrag des Orgelchoralvorspiels, „In dir ist Freude'' von S. Bach durch den Landgrafen
Alexander Friedrich von Hessen ein.
Zum Beschluss sei noch mehrerer kleinerer Veranstaltungen der Neuen Bach-
Gesellschaft gedacht. In der Thomaskirche fand ein Gottesdienst statt in der litur-
gischen Gestaltung der Zeit Bachs, der seinen musikalischen Schwerpunkt in H. L.
Hasslers Motette „Dens noster refugium'' und S. Bachs Kantate .Gott der Herr ist
Sonn' und Schild^ hatte und worin gregorianische Tonweisen und Tonsätze kürzeren
Umfanges von S. Bach, Altnikol und Schein zu Gehör kamen. Die Motette und Kantate
fanden eine wundervolle Wiedergabe durch den Thomanerchor unter der Leitung
des Kantors Herrn Professor Gustav Schreck, ebenso die Soli durch die Damen
Buff-Hedinger und Philipp! und Herrn van Eweyk. Der genannte Chor und
sein Leiter machten sich auch in der, das Bachfest einleitenden „Motette^* in der Tho-
maskirche (am 1. Oktober) durch die excellente, musikalisch und technisch tadellose
Wiedergabe der beiden Bach'schen Motetten „Singet dem Herrn ein neues Lied** und
,,Der Geist hilft unserer Schwachheit auf**, hochverdient. Herr K. Straube bezeugte
seine hohe Meisterschaft in der Kunst des konzertanten Orgelspiels mit dem Vortrage
zweier grosser Werke von Bach. — Erwähnen wir noch, das in der Hauptversammlung
der Neuen Bach- Gesellschaft von den Herren P. Greulich, Dr. M. Seiffert und Dr. A.
Heuss, Vorträge Uber Bach und den evangelischen Gottesdienst, femer über praktische
Bearbeitungen Bach'scher Kompositionen und über Bachs Becitativbehandlung mit be-
sonderer Berücksichtigung der Passionen hielten, so hätten wir von allen künstlerischen
und wissenschaftlichen Ergebnissen des IL Bachfedtes in Leipzig in übersichtlicher Kürze
Bericht erstattet.
Kritische Bfickschau
über EoüBert und Oper.
Von
Dr. Karl Storck.
Die diesjährige Musiksaison hat mit übertriebener Pünktlichkeit noch acht Tage
früher eingesetzt, als in anderen Jahren, und wenn man nach diesem Vorpostengefechte
urteilen darf, so steht uns eine Spielzeit bevor, die an Masse des Gebotenen die voran-
gehenden noch hinter sich zurücklässt. Dazu kommt die Neueröffnung des Nationaltheaters
am Weinbergsweg, durch die die andere Privatoper im Theater des Westens auch zu
eifrigerer Tätigkeit angestachelt wird. Bedenkt man die Kilometerentfernungen zwischen
diesen beiden Bühnen und den fünf Konzertsälen und überlegt, dass an allen diesen
Orten fast an jedem Abend irgendwelche Solisten den Wunsch haben, ihre Leistungen
vom Kritiker gewürdigt zu sehen, so erkennt jeder, dass obbesagten Musikkritikem zwar
gesundheitsbefördernde Bewegung in so überwiegendem Masse beschieden ist, dass sie
es mit den bewährtesten Landbriefträgem aufnehmen können, dass aber andererseits bei
dieser SchneUläuferei keine 2jeit für den Konzertbesuch übrig bleibt. Und schliesslich
gehört der denn doch auch zur Kritik. Dieser aber muss es jetzt doch wohl allgemein
klar werden, dass es ihre Aufgabe nimmennehr sein kann, ihrer Leserschaft zu berichten,
ob A wirklich schon eine Tonleiter rein singen kann, ob B eine Lisztsche Bhapsodie
fehlerlos herunterspielt, ob C in einer Beethovenschen Sonate eine völlig neue, höchst
persönliche Auffassung bekundet habe, ob D's Geigenspiel französische oder deutsche
Schule bekunde u. s. w. u. s. w. Man wird allmählich einsehen müssen, dass nur die
Leistungen von solchen Leuten die Oeffentlichkeit etwas angehen, die ein Kecht haben,
die Aufmerksamkeit der Oeffentlichkeit für sich zu verlangen. Es kann nicht die Auf-
gabe der Elritik sein, jene Zensorenstelle zu übernehmen, die bereits der gewissenhafte
Lehrer hätte ausüben müssen. So werde icti also auch an dieser Stelle nur über solche
328
Künstler berichten, die berofen sind, oder es doch za sein scheinen, in dem vielstimniigen
Wirrwar nnseres öffentlichen Musiktreibens einen eigenen Ton wert darzustellen; darüber
hinaus gilt unsere Teilnahme allen schöpferischen Bestrebungen, denn sie bleiben das
Wichtige, das Entscheidende über alle blos wiedergebende Kunst hinaus.
Unsere erste Rückschau soll bloss den Erscheinungen im Opernleben gelten. So
ist für unser Berliner Musikieben von besonderer Wichtigkeit die Eröffnung des
.National-Theaters^'am Weinbergsweg. In „pietätvollem Gedenken an das altberühmte
Theater der Mutter Grräberf^, das einst an dieser Stelle gestanden, hat Direktor Becker
laut Programm sein neues Opernhaus auch „Nationaltheater'' genannt. Mir wäre es lieber,
er hätte das aus Pietät gegen die deutsche Kunst getan und des ferneren aus dem Gefühl
heraus, dass auch die Oper der Plutokratie entrissen werden muss. Warum sollen wir
nicht so gut wie ein Schillertheater auch ein — sagen wir Weber — oder Lortzingtheater
mit billigen Preisen bekommen. Der Geist Webers wäre noch ein besserer Schutz, als
der Lortzings, der allzu leicht aus Behaglichkeit zu philiströser Sattheit führt. Nun, die
Preise im Nationaltheater sind etwas billiger, als sonst; und im leicht zugänglich gemachten
Abonnement ist der Besuch auch für den Mittelstand öfter erschwinglich.
Das ist ein Fortschritt, ein zweiter ist das Haus als Bau. Allerdings nicht vom
ästhetischen Standpunkt aus. Dem Bau fehlt von aussen und mehr noch innen jede
Monumentalität, obwohl er so gross ist, dass er den grössten Zuschauerraum in Berlin
birgt. Andererseits fehlt dem Zuschauerraum aber auch alle Behaglichkeit. Die Farben
sind kalt. Man sieht zu viel Tünche, und der dekorative Schmuck ist nicht immer von
gutem Geschmack eingegeben. Die roten Türvorhänge sind unvornehm, und geradezu
bedenklich stimmt es, wenn man den eisernen Vorhang dadurch „stimmungsvoller^^ machen
will, dass man auf ihn ein eisernes Gitter malt, auf dem sich Blumen ranken. Ich möchte
wissen, was sich der Dekorateur dabei gedacht hat. Das schlimmste ist, dass einem in
dem Kaum nicht wohl wird, dass man das Geiühl hat, er sei blos für kurze Zeit errichtet.
Ich musste immer an ein Ausstellungstheater denken.
Aber von dem allen sieht man nichts mehr, wenn die Lichter ausgedreht sind
und gespielt wird. Und hier liegt der Vorzug des Neubaues. Er hat nur ein amphi-
theatralisch aufsteigendes Parkett; jeder muss fühlen, dass das die einzige richtige Form
für ein Volkstheater ist. Volk im Sinne von Nation. Also für ein Theater, das nicht
höfischen Festzwecken oder dem Protzbedürfnis von Hang- und Logenbesuchern, die
gesehen werden wollen, entspricht — in dem sich vielmehr das Volk zum Theatergenuss
vereinigt. Ganz ist freilich die bauliche Aufgabe der ansteigenden Sitzreihe nicht gelöst.
Ich glaube, sie müssten etwas steiler ansteigen; wenn es nur für jede Reihe 2—3 2ienti-
meter wären, so würde hinten der Zwischenraum mit dem 1. Bangbalkon vermieden*
Ich fürchte, dieser, ja auch dem „Stil*^ widersprechende tiefe Balkon wird die Akustik
schwer schädigen. Nach den bisherigen Aufführangen will ich über diese sehr wichtige
Frage kein Urteil fällen, die Sänger wissen selber noch zu wenig Bescheid. Ich fürchte,
die Töne klingen bei Mittelstärke leicht hart und trocken.
Dass zur Eröffnungsvorstellung Verdis „Troubadour" gewählt wurde, war für
ein Nationaltheater ein Fehlgriff. Dass die Aufführung bis y^ ^^ ^^ dauerte, mag mit
den erschwerenden Umständen einer solchen ersten Aufführung entschuldigt werden«
Es kommt überhaupt zunächst vor allem darauf an, dass Direktor Becker eingesehen
hat, dass er mit gutem Material arbeiten muss, und nicht mit hilflosen Anfängern
oder in der hintersten Provinz unmöglichen Kräften arbeiten darf. Er hat ein Personal
engagiert, in dem einzelne Namen von Klang sind. Oberregisseur ist Karl Tetzlaff,
der in gleicher Stellung jahrelang an der königlichen Oper tätig war. Das Orchester
ist stark und scheint sich schnell einzuspielen. Ich fürchte freilich, dass Kapellmeister
Sänger, der nicht mehr als ein sehr geschickter Boutinier ist, an erster Stelle fehl am
Orte ist. Mit dem Leiter der ersten Aufführung, Wilhelm Kelch, könnte man über
viele zu laugsame Tempos rechten; er scheint aber ein echter Musiker zu sein, für den
der Begriff dramatische Steigerung nicht mit einem äusseren Crescendo zusammenföUt
Bobert Erben ist in Berlin längst als trefflicher Musiker geschätzt, bei der 2. Auf-
329
ftüinmg zeigte er, dasB er auch die nötige Theatererfahrung hat üeberraschend gnt
bew&hrte sich bisher der Chor. Die Dekorationen wirkten bis aaf den Klostergang
gat; die Regie kam im „Troubadour ** nur mit riesiger Anstrengung aus der Schablone
heraus. Wir wollen also spätere Leistungen abwarten. Da für das neue Unternehmen
die Wahl der Er&fte von entscheidender Bedeutung ist, sei hier ihrer im einzelnen gedacht.
Der „Troubadour'' gibt yler Sängern Gelegenheit, sich gut einzuführen. Hier tats
noch ein fünfter, Franz Bosa, der in der kleinen Bolle des Ferrando einen guten Bass
zeigte. Sicher eine Stütze der Bühne wird der Baritonist Hans Melms. Ich habe ihn
vor neun Jahren wiederholt in Chemnitz gehört und sein Aufwärtssteigen bis in die
Wiener Hofoper mit Genugtuung verfolgt. Jetzt bereitete mir Herr Melms insofern eine
Enttäuschung, als er zwar manches hinzugelernt, aber leider nichts vergessen hat. Das
letztere aber tut ihm not. Die Massloftigkeit, das stete Arbeiten mit stärksten Akzenten,
das man dem Jüngling verzieh, muss beim Mann einem harmonischen Gestalten Platz
machen. Nun, vielleicht wollte er nur so recht zeigen, was er mit seiner Prachtstimme
könne; und es ist ja altes Schicksal, dass die Eünstlerschaft leidet, wenn ein Künstler
sein Können zeigen will. Der Tenor JohannesReinhard befriedigte im ganzen weniger,
aeigte aber im Verlauf des Abends noch ausgiebige Stimmmittel und eine für einen
deutschen Tenor schon ganz ansehnliche Schulung. Da die guten Eigenschaften gegen
Schluss hervortraten, darf das weniger Gelungene vielleicht der Aufregung zugeschoben
werden. Es wäre schade, wenn nicht diese, sondern mangelhaftes Gehör an dem viel-
fachen Zutief singen die Schuld trüge. Die Leonore war der Koloratursängerin Paula
von Lichtenfels anvertraut, die eine schöne Leistung bot. Ihre Technik ist nicht
gerade hervorragend, die Stimme in einzelnen Tönen flach, aber sie hat Empfinden und
ist musikalisch. Ebenso Etelka Boda, der die Acuzena zu tief liegt, die aber ein
echtes Theaterblut ist und im späteren Verlauf des Abends auch gesanglich Befrie-
digendes bot.
Den günstigen Eindruck der ersten Aufführung verstärkte die zweite, die Lort-
zings „Wildschütz^ galt, also dem ureigensten Gebiete der neuen Bühne. Diese hat
in Jjudwig M antler einen Bassbuffo ersten Banges. Sein Schulmeister „Baculus^
war eine Leistung von durchaus eigenartiger Charakterkomik ; überdies ist aber Mantler
ein sehr guter Sänger mit gewaltiger Stimme, der die „5CX)0 Thaler-Arie*' zu einem
Kabinettstück mnsikalischen Humors gestaltete. Schade dass die Koloratursoubrette
Bella Alten bald nach Newyork geht. Sie war als Baronin Freimann in Spiel und
G^ang gleich vorzüglich. Gustav Zeitschel ist ein angenehmer Spieltenor ; über die
Uebrigen will ich noch kein Urteil fällen; immerhin kann man jetzt schon sagen, dass
das Ensemble besser ist, als wir es in Berlin sonst bei Privatopem gewöhnt sind.
Besser vor allem als das des „Theaters des Westens". Dieses hat jetzt allerdings
in C. Hansen einen prächtigen lyrischen Tenor, dem die Natur soviel mitgegeben hat,
dass er leicht ein erstrangiger Sänger werden kann, wenn er gründlich studiert. Er
mag sich dafür ein Beispiel an dem Italiener Enrico Caruso nehmen, der an der ge-
nannten Bühne zweimal gastiert. Hier sind die unvergleichlichsten Naturgaben doch
nur Material, das der Künstler nicht müde wird in strengster Schule zu bearbeiten.
Und wie massvoll verwendet dieser Stimmkrööus sein Biesenkapital. Niemals protzt er
mit dem Glanz seiner Stimme; auch sonst ist er frei von den bekannten Fehlem des
Stars. Da ist wirklich wieder einmal ein grosser Sangeskünstler. Ueber den Spielplan
des „Theaters des Westens* ist sonst nichts zu sagen. Er bewegt sich in ausgefahrenen
(Geleisen. Zu bemerken wäre nur, dass man umsonst bemüht war Bossinis „Teil** zu
neuem Leben zu erwecken. Es wäre sündhaft, wenn ein Volk, dem Schillers ,Tell**
gehört, sich diese Theaterpuppen gefallen Hesse. —
^-^fe"""^t^-^
330
Mitteilungen
von Hoohsohulen und KonserYatorien.
Der Pianist Herr Carl Friedberg in
Frankfurt a. M. hat aaf besonderen
Wnnscli des Generalmnsikdirektors Stein-
bach in Köln seinen Vertrag mit dem
Wiener Konservatorinm gelöst, um als
Leiter der neugebildeten Ausbildungsklasse
für Pianisten am städtischen Konservatorium
in Köln zu wirken. Herr Friedberg wird
seine Stellung daselbst Anfang Oktober
antreten.
Prof. Hugo Heermann, der aus dem
Lehrerkollegium des Hochschen Konserva-
toriums in Frankfurt a. M. ausgetreten ist
und einen Ruf nach Berlin erhielt, hat
letzteren abgelehnt und gründete in Frank-
furt eine Violinschule.
Prof. Hermann Ritter, der ausge-
zeichnete Virtuose auf der von ihm kon-
struierten Viola alta, feierte am 15. Oktober
sein 26jähriges Pienstjubiläum als Lehrer
an der kgl. Musikschule zu Würzburg.
Professor Bernhard Stavenhagen
hat sein Amt als Direktor der Königl.
Akademie der Tonkunst zu München
niedergelegt. Die Anstalt erhält fortan
zwei Direktoren, von denen der eine die
künstlerische, der andere dagegen die
administrative und disziplinare Leitung
der Anstalt übernehmen soll. Zum ersten
Direktor wurde, unbeschadet seiner bis-
herigen Stellung, General -Musikdirektor
Mottl und zum zweiten Direktor der bis-
herige Inspektor Bussmeyer ernannt.
Stavenhagen bleibt in München, er hat
bereits eine Meisterklasse für Klavierspiel
eingerichtet, in die seine bisherigen Schüler
von der Akademie eingetreten sind.
Die ausgezeichnete Konzert- und Ora-
toriensängerin Frl. Fanny Opfer ist
dem Lehrer-Kollegium des Prof. Breslaur-
sehen Konservatoriums, Direktor Gustav
Lazarus, beigetreten.
Das Königliche Konservatorium zu
Dresden hat, wie in den letzten Jahren,
so auch bei dem diesjährigen Wettbewerb
um die Preise der Felix-Mendelssohn-
Bartholdy-Stiftung Erfolge errungen,
und zwar wurden durch Preise ehrenvoll
ausgezeichnet: Frau Geidel-Kleinert aus
der G^angsklasse des Fräulein Professor
Orgeni und Fräulein DöUing aus der
Klavierklasse der Frau Hofrat Professor
Eappoldi - Kahrer. Dar Wettbewerb
fand unter Vorsitz des Herrn Professor
Joachim in der Königlichen Akademischen
Hochschule für Musik in Berlin statt.
Vorlesungen über Musik finden im
Winter 1904/05 an folgenden grösseren
Universitäten statt:
Berlin. Prof.Dr.HermannKretz8ch-
mar: „Die Organisation der deutschen
Musik«, .Geschichte der Oper«. — Prof. Dr.
Fleischer: „Einführung in das Studium der
Musikwissenschaft [Wesen, Ziele, Quellen,
Hilfsmittel und Geschichte der Musik-
wissenschaft] Allgemeine Musikgeschichte
des 19. Jahrhunderts*', „Musikwissenschaft-
liche üebungen: Lektüre des „Micrologus
(de disciplina artis musicae)*' des Guido
von Arezzo [in der königl. Sanunlung alter
Musikinstrumente". — Dr. Max Fried-
länder: „Allgemeine Geschichte der älteren
Musik; erster Teil: Von Dnfay bis
Palest rina und Lasso **, „Musikwissenschaft-
liche üebungen: Erklärung ausgewählter
musikalischer Kunstwerke*', „Chorübungen
für stimmbegabte Kommilitonen niit einem
Kolloquium über die Elemente der Musik-
theorie**. — Dt. J. Wolff: Repetitorium der
Musikgeschichte**, „Hebungen zur evan-
gelischen Choralkunde'*.
Leipzig. Prof. Dr. H. Riemann:
„Musikalische Palaeographie : üebungen im
üebertragen alter Notierungen**, „Musika-
lische Aesthetik**. — Prof. Dr. A. Prüfer:
„Historische Kammermusikübungen .Colle-
gium musicum**, „Geschichte der Musik im
18. Jahrhundert**, „Musikwissenschaftliche
Hebungen**. — Dr. med. et phil. O. Fischer:
,,Die Lehre von den Tonempfindungen
[Physiologie des Gehörs, der Stimme und
Sprache**]. — Prof. Dr. theol. Rietschel:
„Geschichte des Kirchenliedes und des
Kirchengesanges**. — Dr. phil. Seydel:
„Liturgische üebungen für Theologen*^
München. Prof. Dr. A.Sand berger:
„Geschichte der Oper und des musikalischen
Dramas von den Anfängen bia zur Gegen-
wart**. — Privatdozent Dr. von der
Pforten: „Entwicklungsgeschichte der Oper
von ihrem Ursprung aus der klassischen Tra-
gödie bis zum modernen Musikdrama**. —
331
r Privatdozent Dr. Kroyer: „Geschichte des
Oratoriums von Händel bis zur G^enwart
mit Demonstrationen", „Historisch-kritiBche
Lieictüre neuer musikgeschichtlicher Litera-
tur in Auswahl.
Halle a. S. Dr. Abert: „Johann Se-
bastian Bach und sein Zeitalter', „Ein-
führungen in das Musikdrama Richard
Wagners, nebst Erklärung des „Nibelangen-
lUnges'^ - Prof. Beabke: ,,Hftrmonielehre,
I. Teil. > Kontrapunktische Studien ftir
Vorgeschrittene*'.
Breslau. Prof. Dr. E. Bohn: „Ueber
L. van Beethovens Klaviersonaten'*, „Har-
monielehre", n. Teil. - „Orgelunterricht",
„Orgelunterricht für Seminaristen". — Dom-
kapellmeister M. Eilke: „Uesangübungen
des St. Cäcilienchors'', „GesangüLungen der
gemischten Chorklassen **.
Heidelberg. Prof. Dr. Wolf rum:
, J. S. Bach besonders als Orgelkomponist**.
— „Elementar-Musiklehre". — „Harmonie-
lehre, I. Teil»-. „Harmonielehre, II. Teil".
- „Kontrapunktische üebungen". — „Orgel-
spiel''.
Bonn. Prof. Wolff: „Geschichte der
Oper, IV. Teil: li). Jahrhundert". - „Har-
monielehre tmd Kontrapunkt". ~ „Unter-
richt im Orgelspiel".
Göttingen. Prof. Preiberg: „Har-
monielehre". — „Hebungen im Ensemble-
spiel". — „Unterricht im Violin-, Klavier-
und Orgelspiel". — „Üebungen im ge-
mischten Chol".
Marburg. Prof. Jenner: „Der evan-
gelische Kirchengesang und seine Ge-
schichte". — „Harmonielehre mit praktischen
Üebungen". — „Unteriicht im Orgeispiel".
Yormischte Nachrichten.
Der Komponist Oskar Fried in Ber-
lin ist zum Dirigenten des „Stern'schen
Gesangvereins" daselbst gewählt worden.
Man schreibt aus Prankfurt a. M.:
Kapellmeister Kämpfer t, Dirigent des
Palmengarten-Orchescers, hat kürzlich in
der Notenbibliothek des Palmen-
gartens eine dreiaktige komische
Oper von Josef Haydn im Klavier-
auszug aufgefunden. Der Verlag von
N. Simrock, der s. Zt. den Klavierauszng
herausgegeben hat, und an den man sich
wegen näherei Information über das Werk
gewandt hatte, teilte mit, dass dieses, so-
wohl was Textbuch als Partitur anbelangt,
vermutlich verschollen ist. Offenbar handelt
es sich um eine der vielen Opern, die
Haydn für den Fürsten Nikolaus Esterhazy
komponierte und im Schlosstheater in
Esterhaz aufführte. Herr Kämpfert wird
im ersten Sinfoniekonzert am 11. Oktober
einige Nummern dieses Werkes aufführen.
Da nur die Ouvertüre in Partitur und
Stimmen vorhanden war, hat Herr Kapell-
meister Kämpfert die übrigen zur Auf-
führung gelangenden Nummern instru-
mentiert.
Das 6. Jahresfest des Niedersächsischen
Kirchenchorverbandes fand Ende September
in Alten bürg statt. Dem Verbände ge-
hören 100 Vereine mit ca. 4500 Sängern
an, derselbe ist Jedoch nur eins der 22
Glieder, aus denen der grosse deutsche
Kirchenchorbund mit seinen 58 000 Sängern
besteht. Das Fest, das von zahlreichen
auswärtigen Geistlichen und Kirchenchor-
leitern besucht war, trug dem ausgezeich-
neten Oldenburger Verein unter Leitung
des Prof. Kuhlmann reiche Ehren ein,
aber auch die Vereine der Nachbarstädte
Brake und Wilhelmshaven zeichneten sich
durch ihre Leistungen untei ihren Diri-
genten Lehrer Kunst bezw. Lehrer Heers
aus. Es wurde viel und vielerlei geistliche
Musik gemacht, die Musik aber auch in
ausserordentlicher Weise in der Festpredigt
des Pastor Qu an dt aus Bremen gefeiert.
Der geistliche Herr führte nach den Ol-
denburger „Nachrichten für Stadt und
Land" den Gedanken aus, „dass unsere
evangelische Kirche die geistliche Musik
nicht entbehren könne. War es doch der
deutsche Choral, der wesentlich zar
schnellen Verbreitung der Reformation
beitrug. Und wenn unsere Kirche
schliesslich Schwertund Schild (Wort
und Predigt) verlieren würde, und
wir behielten die Harfe, dann wäre
noch nicht alles verloren. Wir haben
aber auch Grund, die geistliche Musik zu
332
^<&^
pflegen, noch viel mehr Grand als D<ivid,
der Aesaph, nachdem die Stiftshütte glück-
lich in Jerusalem geborgen war, damit be-
trante, in ihr den Gottesdienst durch Musik
zu verschönen. Aber die geistliche Musik
soll nicht etwa nur zur Ausschmückung
des Gottesdienstes dienen, sondern sie
möchte eine Begleiterin durch unser ganzes
Leben sein. Dazu ist sie wie keine andere
Kunst geeignet. Ihr H a 1 1 e 1 u j a, mit dem
sie dem Höchsten Lob darbringt, lässt uns
hoch aufjauchzen und hebt uns hinauf in
lichtere Höhen; die Musik ist eine Meisterin
des Lobens, aber auch des Betens. Ihr
Hosianna erklingt in allen Lagen unseres
Lebens, zur Zeit der Not, der Angst, ebenso
wie zur Zeit des Glückes; immer ist sie
imstande, Hoffnung, Seligkeit in unser
Herz zu senken. Ihr Miserere endlich
bringt auch dem Menschen, der in Schuld
sich vor Gott beugt, Trost und Erquickung
ins zerrissene Herz. Darum gilt es, der
Musica Sacra immer mehr und an allen
Orten den Platz einzuräumen, der ihr ge-
bührt, und es ist gamichts dagegen zu
sagen, vielmehr mit Freude zu begprüssen,
wenn ein hoher Festtag in der Kirche
durch die Aufführung eines Oratoriums
gefeiert wird."
Der Bohn'sche Gesangverein in
Breslau veranstaltet auch im bevor-
stehenden Winter wieder vier historische
Konzerte. Das erste wird den „Humor in
der deutschen Oper" (von der Mitte des
18. bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts) be-
handeln. Im zweiten kommen „Deutsche
Kinderlieder aus alter und neuer Zeit'
zum Vortrag. Das dritte ist „Shakespeare
in der Musik" gewidmet. Das vierte und
zugleich 100. historische Konzert des Ver-
eins wird einen Üeberblick über das welt-
liche deutsche Lied von der Mitte des
15. Jahrhunderts bis zur Gftgenwart geben.
Ans Anlass dieses letzten Jubiläumskonzertes
erscheint eine Festschrift in Druck, die
eine Chronik der historischen Konzerte,
sämtliche hundert Programme, die Ver-
zeichnisse der aufgeführten Kompositionen
u. s. w. enthalten wird.
Nach der ,Frankf. Ztg." hat sich in
Köln a/Kh. unter dem Vorsitz des Ober-
präsidenten der Rheinprovinz ein Komitee
zwecks Veranstaltung von Fest-
spielen im Stadttheater gebildet. Es
sollen „mustergiltige Aufführungen" der
,. Meisterwerke aller hervorragenden Kom-
ponisten alter und neuer Zeit" unter Mit-
wirkung erster Künstler Deutschlands
ausserhalb der Spielzeit der Theater, etwa
im Juni, zur Darstellung gebracht werden
Bücher und Musikalien.
Otto Dresel: Ludwig van Beethoven^s
Symphonien für Fianoforte
zu 4 Händen.
F. E« G. LeBekarty Leipilf .
Während Männer wie Klindworth,
Bülow, Tausig, Joseph Hubinstein
uns vollendete Klavierauszüge der
Wagner'schen Werke schenkten, kennt
manfürBeethoven's Sinfonieen ausser
der bewunderungswürdigen, notengetreuen
Bearbeitung Liszt's für Klavier zu zwei
Händen (die 9. Sinfonie ausserdem auch in
genialer Weise für 2 E^laviere), die für den
gewöhnlichen Gebrauch des Dilettanten
noch zu schwer ist, allgemein keine andere
Bearbeitung als die weitverbreiteten vier-
händigen bei Peters und andern, die eben-
so gut Entstellungen genannt werden
können. £s ist ein wahrhafter Jammer,
dass die Mehrzahl der Musiktreibenden auf
solche Weise diese Werke kennen lernt.
Das oberste Prinzip bei diesen Bearbeitungen
scheint gewesen zu sein: Bequemlichkeit
für die Spieler, und da beim vierhändig
Spielen jeder Spieler nur eine Hälfte des
Klaviers beherrscht, so kann man sich
denken, wieviel geopfert wird, wenn das
Stimmgewebe nur mit Rücksicht darauf
imter die vier Hände verteilt wird, wobei
auch eine Kreuzung der Hände, sowohl
bei demselben Spieler, wie des einen mit
dem andern, ängstlich vermieden wird.
Von einer klaren Wiedergabe der Stimm-
führung ist da keine Eede. Bücksichtslos
wird eine Stimme hier begonnen, dort
(womöglich von dem zweiten Spieler !) fort-
gesetzt. Wenn nun gar mehrere Stimmen
in derselben Lage zusammentreffen, dann
333
kommt der Bearbeiter in die höchste Ver-
legenheit, dann wird wep^gelassen oder In
eine andere Oktave versetzt, was nicht zn
jenem obersten Prinzip passt. Auf feinere
Klangwirkungen wird noch weniger ge-
sehen. Z. £. eine £eachtaug von Eede
nnd G^enrede zwischen verschiedenen
Instromenteng^uppen kommt gamicht vor,
anstatt solche streitenden Gruppen durch
die beiden Spieler repräsentieren zu lassen,
werden beide gleichmässig unter beide
Spieler verteilt nur nach ,Höhe^ der Tasten!
Wie wichtig aber solches Abwechseln der
Klangfarbe (meistens ein Spiel zwischen
Streichern und Bläsern) gerade bei
Beethoven ist, weiss jeder — der die Sin-
fonieen nicht nur vierhändig spielt. Gerade-
zu unerträglich ist jedoch der Missbrauch,
der mit den höchsten Lagen des Klaviers
getrieben wird. In dem Bestreben, mög-
lichst «voll*^ zu setzen, greift der Bearbeiter
bei den Tuttis immer nach diesen schrillen
Lagen, die gamichts voller machen (auch
hier wäre „weniger" — „mehr") und zu
dem Charakter der Beethoven'schen Musik
wie die Faust aufs Auge passen, als wenn
bei diesen Sinfonieen ein ganzer Chor von
Pikkoloflöten reichlich verwendet würde !
S 0 lernt man diese erhabenen Werke
kennen. Und man weiss nicht, dass eine
meisterhafte Bearbeitung existiert, die alle
gerügten Fehler xmterlässt, die aufs feinste,
klanglich und polyphonisch das Orchester-
bild wiedergibt: es ist die von Otto
Dresel.
Dresel hat augenscheinlich die Liszt'sche
zweihändige Bearbeitung mit grossem Er-
folg studiert und, von denselben Prinzipien
ausgehend, eine vierhändig^ Bearbeitung
gelief ert, die den Spielern doppelten Genuss
gewährt: den, das Werk klar und dem
Original getreu zu hören und den, das
Geschick des Bearbeiters zu bewundem.
Bequemlichkeit ist aber hier nicht das
oberste Prinzip, und das wird gleich
manchen „Faulpelz" abschrecken. Ja, will
man denn Beethoven*sche Sinfonieen mit
einem übergeschlagenen Bein oder einer
Cigarre im Munde spielen?! Manche
Kreuzung, manches Abwechseln der beiden
Spieler bei Dresel ist nicht ganz bequem,
aber inmier spielbar und pianistisch.
K Manche unpianistische Stelle der
JL andern Bearbeitungen ist viel schwerer.
wh^^
Dresel achtet vor allem auf Plastizität
der Darstellung, nicht nur für das Ohr,
sondern auch für das Auge. Er macht
sich nichts daraas, wenn beide Hände
(horribile!) einmal in einem Tone zu-
sammenta^effen, sogar wenn (piü horribile !!)
es die Hände der beiden Spieler sind, die
zusammenkommen. Er verlangt mehr von
der technischen Fähigkeit des Spielers als
andere Bearbeiter, aber niemals iSachen,
die man als „vlrtuosenhaft^ zu bezeichnen
pflegt. Bei dem Bestreben, solche Werke
nur ja recht „leicht" zu setzen, kommt
man schliesslich zu einer ganz verblassten
2ieichnung, die kaum noch die umrisse er-
kennen lässt. Mit B«cht nutzt er auch
alle Klangmittel des Instrumentes aus und
rechnet auf eine feine Pedalbehandlung,
die er aber genau angibt, sodass man ihm
nur zu folgen braucht. Kurz, es ist eine
wahrhaft künstlerische Arbeit, die der
ernstesten Beachtung wert ist, denn sie
wird veredelnd wirken auf den Geschmack.
Hätten wir nur erst solche Auszüge der
Mozart'schen Opern, anstatt der üblichen
Skelette. Dresel hat auch drei Menuette
aus Sinfonieen Mozart's zweihändig gesetzt.
Karl Rlindworth: Erleichterte Klavieraus-
züge der Wagnerschen Ton-
dramen „Der Bing des Nibelungen,'
Meistersinger und Parsifal'^
B. Beboll'i SShme, HalBB.
Der Verlagshandlung Schott 's Söhne,
dem unermüdlichen Klavierauszügler Karl
Klindworth gebührt Dank dafür, dass
sie Kleinmichel's Erleichterungen der
Wagner'schen Klavieranszüge, diese Ver-
stümmelungen, aus der Welt geschafft
haben. Wer noch solche Kleinmicherschen
Auszüge besitzt, möge sie nur schleunigst
dem Feuer übergeben. Da ist nämlich auf
die Weise erleichtert, dass irgendwo „weg-
genommen" wird, ohne jede Bücksicht auf
den Satz, ob die Harmonien oder Motive
unvollständig bleiben! Nun waren einige
Auszüge, namentlich die meisterhaften des
Nibelungenringes von Klindworth, wirklich
sehr schwer zu spielen. Das machte Kapell-
meistern und Musikfreunden das Leben
sauer. Diesen zu Liebe hat Klindworth
die gewaltige Mühe nicht gescheut, die
sechs Werke, Bing, Meistersinger und
Parsifal neu zu bearbeiten. Mit künst-
334
lerischem Peingefühl und grossem Geschick
ist nun der Orchestersatz vollständig wieder-
gegeben und doch in den Giiffen und
Passagen leicht spielbar. — Es fehlt nichts
— nur scheint mir, dass Klindworth öfter
zu ängstlich im Vermeiden von Schwierig-
keiten vorging. Für Pianisten, die sie be-
wältigen können, behalten die Original-
bearbeitungen ihren Wert. In der neuen
Ausgabe ist die Stimmführung nicht immer
ganz plastisch aufgezeichnet, aach einige
Druckfehler findet man, die wohl in der
nächsten Auflage verschwinden werden.
Die Ausstattung ist prächtig.
C. Eschmann-D amnr: Nouvelle Edition des
Preludes et Exercises
de M. Olementi.
Bnit Enleabu-y, Lelpslff«
Von Clementi's Preludes etBxer-
cices, diesem so wichtigen Werke für das
Tonleiterstudium gieb t Eschmann-Dumur
eine neue Ausgabe heraus, deren Wert in
der neuen Fingersetzung beruht. Der von
Eschmann zuerst gefundene „symmetrische*'
Fingersatz für Tonleitern ist von grosser
Bedeutung für die runde Ausführung der
Tonleitern sowohl wie für das Denken des
Spielers, da er ihn zu Entdeckongen auf
technischem Gebiete anregt, in dieser
Ausgabe ist der neue Fingersatz durch-
geführt. Bei aufmerksamer Analyse wird
man dadurch manchen Fehler der alten
Fingersetzung erkennen inbezug aaf die
Wahl des überzusetzenden Fingers. Und das
führt zu weitreichenden Folgen. Die Be-
deutung dieser Ausgabe ist somit gross.
Man hätte gewünscht, dass der Herausgeber
noch Anweisungen zum Studium und
Varianten angegeben hätte.
J, Vianna da MoWu
Esehmanns „Wegweiser durch die Klavier-
literatur''. 6. Auflage, heraus-
gegeben von A. Kuthardt.
eebr. Bug St Co., Leipstg imd Zflrieta.
Das vortreffliche Werk, auf dessen hohe
Bedeutsamkeit der „Kl.-L." wiederholt bei
früheren Auflagen hingewiesen hat, ist
jetzt in 6. Auflage (die 5. datiert von 1900)
mit wiederum bedeutend vermehrtem Um-
fange erschienen. Es ist in seiner inneren
Anlage unverändert geblieben, dagegen in-
haltlich in den einzelnen Abteilungen um
«*:^:
alle hervorragenden Schöpfungen der Neu-
zeit bereichert. Wir finden gleich anfangs
in der Abteilung „Klavierschulen, rein
technische Studien*' eingefügt die trefflichen
Werke von Malwine Br^e, B. Joseffy,
K. Klindworth, Fr. Kullak, M. Mosz-
kowski, J. Pembaur, X. Scharwenka,
Th. Wiehmayer, K. Zuschneid u. s. w.
Aehnlich, in noch erweitertem Masse bei
der Vortragsliteratur durch die guten und
besten Neuerscheinungen. Einen erfreulichen
Zuwachs erhielt auch das Kapitel der „Em-
pfehlenswerten Schriften über Musiker und
Musik", aufgenommen sind u. A. die
neueren Werke von A. Carpe, O. Klau-
woll, H. Merian, L. Bamann, H Bie-
mann, H. Bitter, M. Seiffert und viele
Andere. — Der Eschmann-Buthardt'sche
„Wegweiser" darf als das vollständigste
und wertvollste Werk seiner Gattung be-
zeichnet werden und sollte in der Hand
keines Klavierspielers fehlen.
Anna Marsch.
Wilhelm Rohde, op. 21. Trio, FmoU für
Pianoforte, Violine und
Violoncello.
Chr. Frledr. TIeiref, Berlla • Or Jis-Llohterfislde.
Auf dem Gebiet der Kammermusik
vermag sich vor allem der ernste Sinn, die
kräftige Erfindung und technische Ge-
wandtheit eines Komponisten in überzeu-
gender Weise zu zeigen. In Wilhelm
Bohde's FmoU Klaviertrio ist solches der
Fall; es ist ein interessantes, in der mu-
sikalischen Diktion vornehmes, in der
formalen Bildung trefflich gelungenes Werk
von bedeutendem G^dankeninhalte und
strenger und konsequenter Durchführung
des einmal in's Auge Gefassten. Neben
lebenskräftigen und charakteristischen The-
men weist das Trio auch sehr tüchtige
musikalische Durcharbeitung im Motivischen
und vollkommene Beherrschung aller rein
technischen Mittel auf; zudem ist die aus-
gesprochen ernste und melancholische
Stimmung allen vier Sätzen eigen und dies
erzeugt in Summa eine packende und tief-
gehende Wirkung im Gemüte des Hörers.
Und obwohl Bhode's Komposition g^e-
wissermassen unter dem Schatten trüber
und trauriger Gefühle steht, so verliert sie
sich dennoch nirgends in fruchtloses und
ziellos umherirrendes Empfindein und
335
Sinnieren, sondern bietet in mannigfachen,
von grosser nnd starker Leidenschaftlich-
keit erfüllten Stellen willkommene, dnrch
das Prinzip des G^egensatzes herbeigerufene
Abwechselang. Freunde der Kammermusik
dürfen an Wühelm Rhode's Klaviertrio
nicht achtlos vorübergehen, denn es gehört
durchaus zu den guten Erscheinungen seiner
Gattung. Mit seiner reichen Polyphonie
und der schönen Verteilung der Aufgabe
xmter alle Ausführende setzt das Werk be-
deutendes technisches Können und warme
innerliche Anteilnahme voraus. Jedenfalls
aber wird man sich für ein eingehendes
Studium durch grossen musikalischen Qte-
nuss und schönen Erfolg reichlich belohnt
sehen.
Hago Kann, op. 84. Vier Klavierstücke.
D. Bahter, Leipiig*
Hugo Kaun's op. 34 enthält prächtige
Sachen. Aus allen vier Klavierstücken
spricht wieder ein reger schöpferischer
Geist, eine lebendige Phantasie zu dem
Hörer. In den ersten beiden Stücken singt
und klingt es warm und innig, die Menuett-
Phantasie (Esdur) ist von wirklich seltenem
melodischen Heize und dabei rhythmisch
und harmonisch aaf*s Peinste gefasst und
liebevoll ausgestaltet. Es ist die geistreiche
Paraphrase eines Menuetts, ich möchte
beinahe sagen, eine Novellette im EAhmen
eines Tanzes. Und mit aller liebenswürdigen
Grazie uud Schalkhaftigkeit eint sich damit
im Zwischensatze tiefe Empfindung und
warmes Gefühl, sodass man dieser Art von
Musizieren nicht anders als hochgeneigt
sein kann. Die fünf Walzer sind ebenfalls
Abschnitte eines allerliebsten Tanzidylls,
melodisch höchst anziehend und in der
Erfindung ausserordentlich wohl geglückt.
Neben der reich quellenden Melodik zogen
uns hier insbesondere die feinen und ge-
schmackvollen rhythmischen Wendungen
und Verschiebungen an. Das Ganze gleicht
einem fein gegliederten Arabeskenwerke,
das Über ein und denselben Grund- und
Farbenton sich hinzieht. Die beiden letzten
Stücke von Kann's op. 84 sind Studien
konzertanter Natur, die eine will den Vor-
trag der von Unter- und Oberstimmen um-
sponnenen Melodie fördern und erfordert
viel Klang- und Vortragssinn, während die
andere sich aufs Gebiet der höchsten
Bravour wendet und dem verblüffend vir-
tuosen Oktavenspiele Rechnung trägt,
beide Hände mit der Ausführung betraut
und sich für Studium wie Vortrag in
gleicher Weise geeignet erweist. Wir
wünschen herzlich, dass sich tüchtige
Pianisten der Kaun'schen EUaviermusik an-
nehmen möchten; wir halten sie sehr hoch
und ziehen sie vielen anderen neueren
Erscheinungen bei weitem vor.
Fr. 86itz, op. 24: „Zwei Mazurken'* für
Violine mit Klavierbegl. No. 2
(Gdnr).
op. 26: „Zwei leichte Stücke" für
Violine mit Klavierbegl. No. 1:
„Chanson-*, No. 2: „Tarantella",
op. 27: „Zwei Charakterstücke"
für Violine und Klavierbegl.
No. 1: „Ständchen", No. 2:
„Begegnung".
Albert Bathke, Hagdebarf .
Friedrich Seitz' vorliegende neue Werke
für Violine mit Begleitung des Pianofortes
wollen unterhaltende und geschmackvolle
Musik bieten und erreichen auch diesen
ihren Zweck vollkommen. Die Mazurka des
op. 24 wendet sich an technisch etwas Vor-
geschrittenere, während die vier Stücke aus
op. 26 xmd 29 für die erste bis dritte Lage
bestimmt sind und Anfängern zur Bildung
von Geschmack und Vortrag überlassen
werden dürfen. Sämtliche sehr wohlklin-
gende Stücke sind Lehrern und Schülern
zur Beachtung zu empfehlen. .
A. QretschaniuoWf op. 9. „Hegrets" pour
Violon et Piano.
M. P. BaUleS; Lelpslg.
Ein sehr fein empfundenes Vortrags-
stück voU innerlicher tiefer Stimmung, das
durch einfache und edle Tonsprache höchst
anziehend wirkt und auch hinsichtlich der
äusseren Form trefüich gelungen ist.
G^ger, die über gprosse, noble Tongebung
und reiches Mitempfinden verfügen, werden
mit dem Vortrage dieses tonpoetischen
Satzes des begabten Russen sich einen
schönen Erfolg erspielen. —
Eugen Segnitz,
-^^s^^(^^ —
-esS
— 336 —
||^* Der Gesamtauflage liegt ein Prospekt der Colleciion Liiolff, Braunschwa/g :
„Führer durch die Klavier" Müsik'% einem Teil der Auflage liegen die folgenden Prospekte:
Otto Juane, Leipzig: ,^Neue vorzügliche Unterrichtswerke^\ Heinrichshof en' s If erlag, Magdeburg:
j^Emil Söchtingj Neudeutsche Klavierschule^ System Deppe^\ H. Ä. Krenizlin, Berlin: ^^Bewährte
instruktive Unterrichtswerke und melodiöse Vortragsstücke''* bei, auf die wir unsere Leser
besonders aufmerksam machen, D. E.
Anzeigen.
Konservatorium der Musik
in Kassel.
Gegr. 1895. Direktion: L Beyer. Gegr. 1896.
ChreilTOrsitz : BegieranKS-PrlSsideiit tob TroU sn S^U,
Gnf KSal^dorff, Sxoefiex» Generalin tob Coloaiby
Oberbürgermeister Müller n. A.
Caratorinm: Pfarrer Haae, Sohnldirektor Prof. Dr. Knai-
maeher« Bankier Plaal, Jostiarath Seheffer o. A«
Lehrer : Die Damen : L. Beyer, Bia»l-F9rster, Königl. Opem-
säofferin, fileefe-Fabroal, A. Taadlea* Die Herren:
A. uartder^By Kammerrirtnos, Pro£ Dr. Hobel»
0. Kaletoeh, Kgl. Kammermnsiker, K. KlelBmaaa«
Ksl. Opernsänger, W • Hoahaapty Kgl. Kammermusiker,
Bd« Sehmldty Egl. Kammermusiker, H. Behaarlinflck,
KgL Kammennnsiker u. A«
Unterrlchtfächer: Klavier, Violine, CeUo, Harfe und alle
übricen Orchesterinsti-umente. Gesang, Harmonie-
und KompoAitionslehre. Kusikgesohiohte. Italienisch.
OrchesterspieL Gehörttbung. liusikdiktat.
Organisatloii: Conoertklassen. Seminarklässen. Ober-,
Mittel* und Blementarklassen.
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des Konservatoriums Kassel, Wilhelmshöher Allee 48.
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einem umfassenden Musiker-Qeburts- und Sterbekaieader
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hafter Einband und sehr bilUger Preis
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Preis Mk. 4,-, gebunden Mk. 4,80,
Eine kleine Zasammenstellnng der über dieses ansserordentlicbe praktische Lehrmittel
bereits erschienenen Urteile dürfte seinen Wert in bester Weise darthnn:
„Die Schule erscheint in 6. Anflage und das spricht wohl am besten für ihre Branchbarkeit
und für die Verbreitung, die sie bereits gewonnen. Das Werk ist bestens zu empfehlen."
Der Klavier-Lehrer.
„Jedem Eachmann muss es bei der Durchsicht dieser Schule einleuchten, dass keine andere
Schule an die ilamma*sche heranreicht; sie ist lustanregend für den Schüler. Alles Unnütze ist
über Bord geworfen, so dass Lehrer mit einigermassen fleissigen Schülern bei der Benutzung der
Hamma'schen Schule ihre Freude haben werden/^ Centralblatt fflr Instrumentalmusik.
„Die Schule ist ohne Frage praktisch und gut und nur zu empfehlen.'* Die Tonkunst.
„Dieses Lehrwerk ist mit allem Fleisse entworfen und gehört zu dem Besten seiner Art"
Pfldag. Jahresbericlit.
„Unter den vielen Wegen, die zum Ria vierspiel führen, ist dies gewiss einer, den man
unbedingt empfehlen kann.** Nene Berliner Musikzeitong.
— 337 —
Adressen-Tafel.
5 Zeilen 10 Hk. Jfthrlieh, weitere 5 Zeilen 5 Mk.
Prot €. Bmlaur's Konservatorium und Seninar.
Direction: Gustav Lazarus.
Berlin N.W., Luisen-Str. 36. Berlin W., Biilowstr. 2 (am Nouendorfpittz).
Anf-nalimA in^Aitiv«{f ^^^^^^^^^^
Erste Lehrkrifte, vollständioe musikalische und pftdagogische Auebilduno. Elementarklaeeen.
Prof. Siegfried Ochs.
Dirigvnt de« „PhUharm. Ohores*.
Berlin W., Bendler-Strasse 8.
Spreohst nur ▼. 11—12 TJhr Vorm.
Franz Gninicice,
Orgel, Klavier, Harmonielehre.
Berlin W., Stoinmetzstr. 49n.
Martha Remmert,
Hofpianistin, Kammervirtaosin.
Berlin W., Taaenzienstr. 6.
JBBznzna 2:ooJl»
Pianistin.
Berlin W., Neue Wisterfeldstr. 16.
Konxert-Vertr.: H. Wolff, Berlin.
Flora Scherres-Friedenthal
Pianistin.
Berlin-Ciiarlottenbarg,
Kantatr. 160a.
Prof. Jul. Hey'S Gesangschule.
Berlin W., Elsholzstrasse 5U,
am Botanischen Garten.
Gesangimterriclit erteilen :
Frau Felix SchmidNKOhne
Ck>iicertBä]igerija - Sopran.
Sprechetonde: 8—4.
Prof. Felix Schmidt.
Berlin W^ Taoenzlenstrasse 21.
€ll$abetl) Caland
Cbarlottcnburg-ßcrlin
doetbettrasse $0.
Husbltdung im bdberen
I^lapiersplcl nach Deppe'ecbcn
Orundeiltzen.
Ottilie Lichterfeld
BerUn IF., Sehapersir* 35.
€iiiilie 0. e;raiiier
Gesangunterricht (Mcth. Marchcsi).
Berlin, Bajrrentherstr. 27.
3o$< Uiamia aa motta,
Pianist.
Berlin W., Passaoentrasse 26.
Jfuguste BSbme-RSbler
•rteUt in Lalpzif, Uebigstr. 81, und in Llndhnrd-NMiibof (Bahnlinie Uipzig-
Uebela-Dreeden) von Juni bis einschl. September
-^ '^ äesangsunterricbt «« «««
Herren und Damen vom Lehrfach, sowie ausabende Kflnstler, die Unterricht
nehmen wollen, sind gebeten, event. vorher schriftliche Klarlegung ihrer stimmlichen
Veranlagung, sowie eines von einem Arzt ausgestellten Berichtes über ihren allge-
Käte Freudenfeld,
Konaert- n. Oratorienaangerin (Alt)
(leianglahrerin, Athamgymnastlk.
BerUn W.» Passanerstrasse 22».
Prof. Franz Kullak.
Klassen fflr HAIieres Klavlersplel.
Berlin W., Habsburger Str. 4.
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und Seminar für Musiklehrerinnen
von ÜMiui Ittomb, Berliil 01^ J1n$bad)er$tr. 37.
Protpekle gratis, auf Olunsd) aud) bricflid).
Atemgymnastilc - Gesang.
IHattiUde Parmentier
(Alt- und Mezxo-Sopran).
B«rUa W., BlMiiachentraas« lao.
Prof. Ph. Schmitf s
Alcademie für Tonkunst
gegründet 1851
Dairmidtadt
Elisabetbenstrasse 86.
Direktion: Prof. Ph. Schmitt.
Anfnabme jederzeit.
Frau Dr. Luise Krause
Vorsteherin der
Schweriner IVIusiicschule
Schule fQr höheres Klavierspiel und flusbildung von Lehrkräften nach
dem preisgekrönten Rnschauungsunterrkht der Vorsteherin.
Berlin W., «rnmewald,
Harburgerstnsse 15. KSainallee Is, earienbans.
Anna Otto
Klavier- Unterrieht
Allgemeine mnsikaliscbe
Eizieh- nnd Lebr-Metbode für
die Jagend nacb
Ramann-Volkmann.
Berlis W., Regensburgerstr. 28G"-
Musikschulen Kaiser^ Wien.
Lehranstalten für alle Zweige der Tonkunst, incL Oper.
GeffTümUft, 1S74.
Vorbereitungskurs zur k. k. Staatsprüfung. — Kapellmeisterkurs. — Ferialkurse
(Juli -September). — Methodische Spezialkurse für Klavierlehrer. — Abtheilung für
brieflichen theoretischen Unterricht. — Jährliche Freauenz: 350 Schüler und Schüle-
rinnen aus dem In- und Auslande. — Lehrkräfte ersten (langes. 1
-»(-- Prospecte fraaeo dureh die iBstlUtsksDslel, Wien Yll/lb. -3k |
— 338 —
Dina van der HoeveDi
Konzert und Unterricht (Meth. Carreno).
Berlin W., Marbargerstr. 17 HI-
Anna Harmsen,
Klavier-Unterricht und Begleitung.
Wt Lfltzowstr. 63, Gartenhaus.
Die GeschäftBstelle der
Lebens-, Alterspensions-, Invaliditäts- und Kinder-
versicherung der Mitglieder Deutscher Frauenvereine
„Friedrich Wilhelm", Berlin W^ Bebrenetraete 60/61,
Leiterin Frl. HenrleUe GoldselmiidC* angeeohloesen 81 Fronen- and ftalwlito
Vereine in Deutschland, bietet die umfaesendate Sioherstellnng für das Alter
und gegen eintretende BrwerbsunfÜhigkeit.
Treue ie Beratung mündlich und schriftlich. — Sprechet. Ton 10—1 Yoim.
Olga Stiegiftx»
Klavierunterricht, Methodische Vor-
bereitung ftlr den Lehrberuf.
Berlin W.» Ansbactaerstr. 26.
Unterrlcbu-UeraiimiMiig der IttMiiKgriippe BerllM (Aiiff.D.L..v.)
fOr Klavier-, Oesang- u. Violinstunden. Lehrerinnen mit guten Zeugnissen oder
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Berlin W., Kleiststr. 37 G. 1. Sprechstunden: Montag NachmitUg 4—6.
Frankftirter
Masikschale.
Leitung 8. Henkel.
= Frankfurt a/M. =
Jnngliofstrasse, Saalban.
StenenDermittlung der IRusiksekflon
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gestrigen Tag. 5. Ballerlebnisse. B. Ver-
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nisches Volkslied. 6. Mein Schatz. 7. Das
verlorene Mägdlein. 8. Slavisches Volkslied.
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pro Heft Mk. 1.50.
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1. Walzer. 2. Walzer. 3.Negertenz. Heft 11.
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pro Heft Mk. 1.20.
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(Siehe Pianof. 2 h.) ,
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— 340 —
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Gesang. 4. Organum und Neumenschrift. 5. Theorie und Symbolik. 6. Der Einflnss der nieder-
ändischen Kunst. 7. Die Künstler in Bom vor Palestrina. 8. Palestrina. 9. Palestrina's Nach-
folger in Hom. 10. Die Venetianer.
unter den zahlreichen anerkennenden Kritiken, die das Werk erhielt, möge hier die von Benüiard
Togel aus der ^enen Zeitschrift fflr Musik^ Platz ünden. Er schreibt:
nDie Verfasserin stellt in vorliegendem Baohe die sehn Vortrfii^e snsammen, die sie im VictoriA - Lyoeom sn Berlin
Aber die Bntwiokelnnff des italienisohen Kirohenfcesanges von den ältesten Zeiten bis zu Palestrina nnd dessen unmittel-
baren Nachfolgern ^ehalten bat. Sie darf dafür bei allen denen auf warmen Dank rechnen, die weder vombildet noch
ansdanemd genng sind, um aus den älteren Quellen sich alles das heranssulesen, was aber die Meister und w'erke jener
Zeit bereits Kesohrieben worden. — — Sie fasst ihre Aufgabe keineswegs oberflächlich auf: weloher Ernst sie beseelt,
geht eines Theiles schon aus dem Motto hervor, das sie ihrem Buche vorgesetzt: „Die Wahrheit suchen ist des Menschen
hlüok** und andern Theils aus den S&taen der Vorrede, worin sie dem Wunsche Ausdruck giebt, Musik und Musikgeschichte
mÜBste man als Kulturmacbt auffassen, wenn anders dem Streben nach Vertiefung auch beim Laien pnblikum Vonchab
geleistet werden solle. In diesen Vorträgen findet nun auch das kunstgeschichtliohe Interesse die gleichen Anrcffungen
wie das kulturhistorische, und diese Verwebung, dieses stete Ineinandergreifen von Welt- und Musikgeschichte, weiss uns
die Verfasserin so sur Anschauung su bringen, dass man ihr aberall hin mit ungesohwäohter Aufknerksamkeit folgt.*
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lahalt: Musikpädagogiacher Verband. Dr. Karl Storck: Die Uchechische Muaik. (Fortaetzungj Dr. Karl Storck: Kritiache
Rückaehau über Konzert und Oper. Mitteilungen von Hochachulen und Konaervatorien. Vermiachte ^Nachrichten. Bücher
und Mnaikalien, beaprocheo von Eugen Segnitz und J. Vianna da Motta. Vereine. Anzeigen.
Bericlit fiber die Sitzungen des 6. bis 8. Olctober.
Von
Anna Morsch.
(Sohloss.)
Auf dem 2. Kongresstage kam das Thema:
„Der Kunstgesang und die Ausbildung der
Gesangslehrkräfte'* zur Besprechung; vier Vor-
träge standen auf der Tagesordnung, ihnen
schlössen sich eine grosse Reihe von Dis-
kussionsrednern an, es gab eine Fülle von
interessanten und belehrenden Anregungen.
Den Anfang machte Herr Professor Siga
Garso-Bremen, welcher über die „Erlernung
des losen Tones als Fundament alles Kunst-
gesanges** sprach. Er wies darauf hin, dass
die Anstrengung beim Singen der Kardinal-
fehler sei, auf dessen Beseitigung man in
erster Linie zu achten habe. Der Wahlspruch
des Sängers müsse lauten; „leicht und lose
singen**, nur dadurch könne er sich vor dem
drohenden Verlust seiner Stimme bewahren.
Seine Ausführungen zur Beseitigung des Fehlers
knüpften sich an die Thesen: „Freiheit des
Tones", „genaue Beobachtung des Kopftones**,
,das Vorziehen des Tones auf die Lippen im
Ansatz**, endlich skizzierte der Redner kurz
seine Lehrmethode zur Gewinnung des losen
Tones. — Gleich nach seinem Vortrage setzte
die Debatte mit äusserster Lebhaftigkeit ein,
es kamen die verschiedensten Anschauungen
über Stimmbildung, Atemmethoden, Mund-
stellung, Beobachtung des Kehlkopfes, richtiges
Sprechen u. s. w. zur Sprache. Beteiligt an
der Diskussion waren Hr. Kantor Hänssel-
Leipzig, Hr. Gustav Borchers-Leipzig,
Frl. van Zanten-Berlin, Hr. Dr. Katzen-
stein-Berlin, Hr.MusikdirektorDeisenroth-
Pforta, Frl. Cassius-Berlin, Hr. Prof.
Engel -Dresden, Hr. Kantor Böttcher-
Berlin, und manche andere mit kurzen
Zwischenbemerkungen. — Die zweite Rednerin
desTages,Frl.Cornelie van Zanten-Berlin,
sprach über das Thema „Die Anforderungen
des Examens für Kunstgesangspädagogik**.
Frl. van Zanten war lange Jahre hin-
durch Mitglied einer Prüfungskommission
in Holland und konnte daher aus der
Erfahrung schöpfen, wenn sie, an ihre Thesen
anknüpfend, die Anforderungen erörterte, die
man bei einem Examen sowohl an den
Examinator, als auch an den Examinand zu
stellen hat. Sie richtete an den Vorstand die
— 346 —
Aufforderung, den Gesangspädagogen Gelegen-
heit zu bieten, in regelmässigen Zusammen-
künften ihre Ansichten auszutauschen, um auch
denjenigen, die nicht gern vor einem grossen
Kreise sprechen, aber dennoch etwas zu sagen
haben, Gelegenheit zum Ausdruck ihrer
Meinungen zu geben. — Der Vorsitzende be-
grüsste die Anregung Frl. van Zanten's mit
grosser Sympathie und versprach sie in ernste
Erwägung zu ziehen.
Der Vortrag des Hrn. Professor Somigli-
London beschäftigte sich mit den nachsteh-
enden Fragen: Aus welchen Werken soll die
vollständige Ausbildung der Gesangsorgane
erreicht werden? Beseitigung von sogenannten
„wunderlichen Methoden" im befähigten Ge-
sangsunterricht — , der Redner gab hier aus
seinen Londoner Erfahrungen verschiedene
ergötzliche, durch marktschreierische Anzeigen
verkündete Methoden zum Besten, die aber,
wenn sie auch ergötzlich klingen, doch tief
beklagt werden müssen, weil sie nicht nur
künstlerisch, sondern auch hygienisch und
pekuniär grossen Schaden bringen. Er betonte
schliesslich die Notwendigkeit das Gesangs-
studium auf der Basis sprachlicher und
phonetischer Prinzipien zu betreiben. An
der Diskussion beteiligten sich Fr. Dr. Theile-
Posen, Hr. Kantor Hänssel-Leipzig und
Signor Professor Fava-Berlin. —
Den 4. Vortrag hielt Frau Nana Weber-
Beil-München über „Gesangspädagogische
Reformen". Sie stellte die Wissenschaft
als den Kernpunkt aller Kunst hin. Jede ge-
sangliche Kunstleistung muss den Anforder-
ungen einer psychisch-ästhetischen Analyse
gerecht werden, darum ist Lehrkräften und
Schülern das Studium der erforderlichen
Wissenszweige zugänglich zu machen. Das
Material dieses Lehrsystems gehört den Form-
wissenschaften an, es erfordert die Kenntnis
physikalisch-physiologischer und psycholo-
gischer Akustik, die Theorie der Vokalklänge
von Helmholtz, der Psychophysik in ihrem
Grundriss, des Gesetzes der Bewegung
elastischer Körper, endlich der allgemeinen
wie musikalischen Aesthetik. — Eine Dis-
kussion schloss sich ihrem Vortrage nicht an.
Im Laufe des Vormittags war auf die am
ersten Tage abgesandte Depesche an Se.
Majestät dem Kaiser eine Rückantwort folgenden
Wortlautes eingetroffen:
Seine Majestät der Kaiser und König
haben den freundlichen Gruss des Kongresses
huldvollst entgegengenommen und lassen für
diese Aufmerksamkeit bestens danken. Auf
allerhöchsten Befehl.
Der Geh. Kabinetsrat von Lukanus.
Der Nachmittag des zweiten Tages brachte
zwei Fachvorträge heterogener Natur. Frl.
Toni Bandmann-Hamburg sprach über
„Die Grundfehler unserer heutigen Klavier-
Methodik"; die Vortragende ist eine Schülerin
Ludwig Deppe's, hat sich aber durch anato>
mische und physiologische Studien ein eigenes
System aufgebaut Zu ihrem Vortrage sprachen
Hr. Musikschriftsteller Breithaupt- Berlin,
Frl. Dietrich-Potsdam und Hr. Musikdirektor
Mengewein-Berlin, der vor allen über-
triebenen Methoden warnt, es wird Niemand
ein Musiker, und wenn er auch tausend Ge-
lenke bewegt, der nicht auf das Ohr Rücksicht
nimmt. Das ist gerade in unserer Zeit not-
wendig. „Wenn ihr's nicht hört, ihr werdet's
nicht erjagen."
Der zweite Redner des Nachmittags, Herr
Georg Capellen-Osnabrück, sprach über
„Reformen auf dem Gebiete der Notenschrift,
beruhend auf dem Prinzip der Einheitlichkeit
und Relativität der Zeichen". Seine Reform-
versuche lassen unsere heutige Tonschrift un-
angetastet, verbesserungsbedürftig ist sie nur
hinsichtlich der zufalligen Versetzungszeichen,
der Oktav- und Schlüsselzeichen wegen des
völligen Mangels an Einheitlichkeit und Konse-
quenz. An Stelle der bisherigen achtfachen
zufälligen Tonversetzungsbezeichnung tritt
eine einzige, für alle Fälle passende Signatur,
ebenso verschwinden die C-Schlüssel, als
Einheitsschlüssel ist unser G-Schlüssel zu
wählen. Der Redner beleuchtete den Ein-
fiuss, welchen seine Reformen auf die Parti-
turen üben würden, wie ihre Gestaltung und
Lesart sich vereinfachte und sich auch die
Notwendigkeit ergäbe, den Blechinstrumenten—
Hörnern und Trompeten — die Tonartvor-
zeichen herauszusetzen. Gleichen erleichtern-
den Einfluss übt die einheitliche Schlüssel-
bezeichnung auf Klaviaturen, auf Gesangs-
begleitungen; Lieder am Klavier stellen sich
ausser in der Originaltonart ohne Weiteres
noch in 3 bis 4 Tonarten ein, eine einzige
Stichausgabe passt daher für alle Stimm-
gattungen. — Eine Diskussion schloss sich dem
Vortrage nicht an; die Materie war zu neu
und überraschend, es wurde aber der Beschluss
gefasst, den Vortrag im Verbandsorgan „Der
Klavier-Lehrer" zu veröffentlichen, damit sein
Inhalt zu allgemeiner Kenntnis kommt und Gut-
achten darüber geäussert werden können.
— 347
Der dritte und letzte Tag, den „Re-
formen des Schulgesanges** gewidmet, sah
den grossen Saal des Reichstagsgebäudes
bis auf den letzten Platz gefüllt. Er-
schienen waren als Vertreter der Regierung:
Herr Prof. Dr. Joseph Joachim, als Ver-
treter des Senats der Künste Herr Professor
Adolf Schulze; die Stadt Berlin hatte die
Schulräte Dr. Kaute und Dr. Hausen ent-
sandt; aus allen Richtungen der Monarchie
waren die Schul-Gesanglehrer gekommen,
um teilzunehmen an den Verhandlungen. Die
Vorarbeiten der in Berlin zusammengetretenen
Kommission fanden ihren Ausdruck in dem
Referat von Herrn Domsänger. Rolle, der in
ernsten, gedankenvollen Worten, in einer der
Bedeutung der hohen Sache angepassten
begeisterten Sprache, in mannhaft kraftvoller
Form die Lage des Schulgesanges klarlegte
und den Appell für ihre Reformen an die
Regierung richtete. Er fasste in scharf um-
rissener Zeichnung die Schäden des heutigen
Schulgesangsunterrichtes zusammen, aber er
wies auch auf die Wege zur Besserung hin.
An den Volksschulen ist eine radikale Um-
gestaltung heut bei dem System des Klassen-
unterrichts nicht möglich, wohl aber eine
partielle, durch Fortbildungskurse, Muster-
iektionen, Wandervorträgen, Kreislehrerkonfe-
renzen u. s. w.; an den höheren Schulen ist
sie jedoch möglich und hier ist an erster
Stelle die Forderung einer Fachlehrer-
prüfung zu stellen. Für alle Disciplinen,
selbst für den Zeichen- und Turnunterricht,
werden Fachprüfungen gefordert, nur bei dem
Gesang, diesem bedeutungsvollen Faktor,
dessen Aufgabe es ist, Kultur und Humanität
in die jungen Seelen zu pflanzen, hält man
eine Prüfung bis heute für überflüssig. Der
Redner entwickelte dann seine Gedanken über
die Ausbildung des Schulgesanglehrers und
die für die Lehr plane des Schulgesangunter-
richts aufzustellenden Grundsätze. Letztere
sind: 1. Schön singen; 2. selbständiges Singen
nach Noten. 3. Erwerb eines unverlierbaren
Liederschatzes für das Leben. Für den Ersteren
fordert er die Schaffung der fehlenden Bil-
dungsstätten, — es könnten Fachklassen an
die grossen Konservatorien angegliedert
werden, — sorgfältigste Ausbildung, Fach-
prüfung, Gleichstellung der Gesanglehrer mit
den übrigen wissenschaftlichen Lehrern der
Anstalt in Bezug auf die Beratung im
Kollegium und der festen, pensionsberechtigten
Anstellung. Zum Schluss appellierte der Redner
an ein Institut, das sich bisher zu diesen die
höchsten und edelsten Fragen der Musik be-
rührenden Punkten stillschweigend verhalten
hat, an den Senat der Königlichen Akademie
der Künste zu Berlin, die oberste Behörde
für den Gesangunterricht in der Schule. Der
Schulgesang steht gleichberechtigt neben allen
übrigen wichtigen Fragen der Musik, darum
ist es aber auch die heUige Pflicht des
Senates darüber zu wachen, dass die hohe
Kunst in der Schule diejenige Pflege findet,
die ihr gebührt. Im Schulgesange ruht die
musikalische Zukunft des Volkes.
Die Worte des Vortragenden wurden mit
langanhaltendem brausenden Beifall begrüsst.—
Unmittelbar daran schloss sich das Referat
von Frl. Helene Nöring-Königsberg, als
Delegierte der Schulgesangskommission der
Musiksektion, die bereits seit Jahren tür die
fachliche AusbUdung der Gesangslehrerinnen,
behufs Anstellung an Mädchenschulen, arbeitet
Sie berichtete über die von ihrer Kommission
seit dem Jahre 1900 geleisteten Vorarbeiten,
welche zunächst in der Beschaffung eines
Ueberblicks über die zeitige Handhabung des
Gesangunterrichts in den Mädchenschulen be-
stand und deren Mängel auf die 3 Punkte:
„Ungenügende musikalische und gesangs-
pädagogische Ausbildung der Lehrkräfte",
„Abfassung der Lehrpläne", „System der kom-
binierten Gesangsklassen " zurückzuführen
sind. Da die ungenügende Vorbildung immer
den Kernpunkt der Frage trifft, so reichte die
Musiksektion im Jahre 1901 dem preussischen
Kultusministerium eine Petition um Einführung
einer Fachprüfung für Gesanglehrerinnen ein,
die aber ohne Antwort blieb. Dieser erste
Misserfolg schreckte die Kommission in keiner
Weise ab, sie setzte ihre Arbeiten emsig
fort und schloss sich der Aufforderung des
Musikpädagogischen Verbandes, gemeinsam
vorzugehen, gern an. Ihre spezielle Aufgabe
sieht sie jedoch darin, dass bei diesen Be-
strebungen der weiblichen Lehrkraft an den
Mädchenschulen ein grösseres Arbeitsfeld wie
bisher eröffnet werde. Die Macht des Beispiels
ist in diesem Punkt nicht hoch genug anzu-
schlagen. Nur die Frauenstimme kann der
Kinder- und Mädchenstimme als Vorbild dienen,
ebenso ist es nur der weiblichen Lehrkraft
möglich, die Behandlung der Mädchenstimme
in der Entwicklung zu beurteilen und zu leiten^
und das ist ein weiterer Grund zur Motivierung
der Forderung, die die Kommission s. Z. ob-
jektiv zu beurteilen und anzuerkennen ersucht.
— 348
Nachdem Frau Dr. Müller-Lieben-
walde-Berlin noch einige ergänzende Worte
Jt^inzugefügt, — sie unterstützte die Forderung
weibliche Lehrkräfte an den Mädchen-
schulen anzustellen und fordert ein früheres
Beginnen der stimmlichen Pflege als es heute
an den preussischen Schulen üblich ist — ,
nahm Herr Professor Adolf Schulze das
Wort und versuchte, wenn auch nicht mit viel
Glück, den Senat der Künste gegen die ihm
vorgeworfene Unterlassungssünde zu ver-
teidigen.
Eine lange, lebhafte Diskussion, die viel
interessante Details zu Tage förderte, schloss
sich an. Zunächst überreichte Hr. Ludwig
Riemann-Essen dem Vorstande 5 Anträge,
die auf zwei Vorversammlungen der Schul-
gesanglehrer beraten und beschlossen waren.
Sie lauten:
1. Antrag Riemann-Essen: Für die
Zukunft sollen nur solche Lehrkräfte für den
Gesangunterricht an höheren Schulen ange-
stellt werden, welche vor einer staatlichen
Prüfungskommission ihre Befähigung nach-
weisen.
2. Antrag Ziegler und Walk-Berlin:
Die Zulassung zur staatlichen Gesanglehrer-
prüfung soll nicht vom Besuche eines Kon-
servatoriums abhängig gemacht werden, viel-
mehr soll die Art der Vorbereitung auf dieselbe
jedem Bewerber überlassen bleiben.
8. Antrag Ast-Berlin: Da jeder Volks-
schullehrer auch im Gesänge Unterricht erteilen
muss, so ist es nötig, dass in den Lehrer- und
Lehrerinnenseminaren Unterricht in der Stimm-
bildung gegeben wird. Zu diesem Zweck
muss die Zeit für die Ausbildung der Seminar-
Musiklehrer auf mindestens zwei Jahre aus-
gedehnt und am Institut für Kirchenmusik in
Berlin der Stimmbildungsunterricht obligatorisch
gemacht werden.
4. Antrag Ast-Berlin: Auch in mehr-
stufigen Volksschulen ist für den Gesang-
unterricht das Fachlehrersystem anzustreben.
Deshalb möge der Staat Kurse für die gesang-
liche Weiterbildung der Lehrer einrichten.
5. Antrag Beckmann-Essen: Mit Rück-
sicht auf die physische und psychische An-
strengung dieses Unterrichtsgegenstandes ist
die Pflichtstundenzahl in angemessener Weise
herabzusetzen.
Herr Riemann, der die Anträge verlas
und die nähere Erörterung auf der General-
Versammlung erbat, fügte noch die Erklärung
hinzu, dass es nicht in der Absicht der Gesang-
lehrer läge, höhere Gehälter zu fordern, ihre
Bitte sei einzig auf eine bessere Ausbildung
gerichtet. Zur Sache sprachen noch Hr. Ast-
Berlin, der sich gegen die krankhaften Be-
strebungen wendet, möglichst viel Neuerungen
mit Treff- und Singemaschinen zu erfinden,
wodurch die Gefahr einer Verschiebung des
Gesangunterrichtszieles droht; Hr. Ziegler-
Berlin, der für die menschliche Stimme, das
„natürlichste und köstlichste Instrument'', fähige
Bildner fordert; Frl. Leo-Berlin, die die
mangelhafte Gesangausbildung am KönigL
Lehrerinnen-Seminar schildert; Hr. Borchers-
Leipzig, der über die Leipziger Schulgesang-
verhältnisse berichtet; endlich Hr. Handwerg-
Berlin, der die gänzlich schutzlose Stellung
der Gesanglehrer an den staatlichen Anstallen
klarlegt. Auch die beiden anwesenden Stadt-
schulräte, Dr. Kaute und Dr. Hausen, griffen
in die Debatte ein und zwar versuchte der
erstere eine Lanze für die Berliner Schulgesang-
lehrer zu brechen, deren Ausbildung ihm ge-
nügend erscheine, während der letztere sich
in scharfer Replik gegen diese Auffassung
wandte und vollkommen den klargelegten
Schäden und den Wünschen der Antragsteller
zustimmte.
Nachdem dann noch Hr. Robert Huch-
Braunschweig Propaganda für seine Noten-
lese-Lehrmethode zu machen versuchte, sich
aber von Hrn. Bucha- Weimar eine ziemlich
scharfe Abwehr gefallen lassen musste, führte
Hr. Kantor Hänssel-Leipzig seine „Stimm-
bildungsmethode in der Volksschule" mit
praktischen Demonstrationen vor. Hr. Hänssel
ist ein Schüler der Gesangspädagogin Frau
Böhme-Köhler-Leipzig, deren, nach ihren
Angaben angefertigter, „zerlegbarer Kehlkopf"
in den Wandelhallen des Reichstagsgebäudes
ausgestellt war. Er hatte 12 Kinder aus
einer Leipziger Volksschule, an der er unter-
richtet, mitgebracht und liess sie, vom
Leichten zum Schwereren fortschreitend,
Vokale, Konsonanten und beide in Verbindung
singen. Er bewies, dass, wer richtig physio-
logisch fehlerfrei singen, auch ebenso richtig
sprechen könne; ein Gedicht,, das wechsels-
weise von den Kindern deklamiert wurde,
kam klar, jede Silbe verständlich und, be-
sonders bewunderungswürdig, völlig dialekt-
frei zum Vortrag; dann sangen die Kinder
ein- und zweistimmige Liedchen, tadellos rein
und mit derselben mustergültigen Aussprache.
Grosser und ungeteilter Beifall lohnte Herrn
Hänssel für seine treffliche Vorführung. Nach-
349 —
dem Frl. van Zanten einige ergänzende
Worte über den „Schuigesang in Holland"
gesprochen, — es ging aus ihnen hervor, dass
in Holland bezüglich des Schulgesanges ähn-
liche Zustände herrschen wie bei uns — nahm
Hr. Hofrat Dr. Kliebert, Direktor der Königl.
Musikschule zu Würzburg noch das Wort,
um über die Verhältnisse in Bayern einige
Erläuterungen zu geben. Die bayerische
Regierung ist angelegentlichst bestrebt, den
Volksgesang zu heben und zu stützen. Die
beiden Königlichen Institute München und
Würzburg sind angewiesen, nach jeder
Richtung hin fördernd auf den Schulgesang
einzuwirken, sie haben nicht nur die Pflicht
der Kontrolle, sondern die Aufgabe, auf
alles Bessere hinzuweisen, ebenso würde
an den Schulen keine Gesangslehrkraft, ob
männlich oder weiblich, angestellt, die sich
nicht durch eine Prüfung als befähigt dazu
erwiesen. Endlich haben die Gesanglehrer
feste Anstellungen an den Schulen. Herrn
Hofrat Dr. Kliebert's Ausführungen wurden
mit grossem Beifall aufgenommen, die Ver-
sammlung entnahm aus ihnen, dass die heut
aus ihrem Kreise heraus an die Regierung
gerichteten Bitten und Forderungen keine un-
erreichbaren Utopien enthalten, dass sie sich
vielmehr in Bayern bereits erfüllt und somit
wieder einmal die Wahrheit des Ausspruchs
erhärten: „Wo ein fester Wille vorhanden, da
findet sich auch der Weg".
Nach kurzen herzlichen Dankesworten,
die der Vorsitzende an die Versammlung für
ihre lebhafte Anteilnahme richtete, forderte er
sie zu einer Huldigung für den anwesenden
unvergleichlichen Künstler und edlen Menschen
Josef Joachim auf, der die Anwesenden mit
begeisterten Jubelrufen folgten. So klang der
Kongress, nachdem Meister Joachim noch ein
Paar schlichte Dankesworte gesprochen, in
schönstem harmonischen Vollklange aus.
Wenn wir, rückblickend, des vorigen
ersten Kongresses gedenken, das Interesse von
damals und jetzt vergleichen, so dürfen wir
es wohl mit freudigem Stolz aussprechen,
dass die Jahresarbeit keine vergebliche ge-
wesen ist. Die grundlegenden Ideen des
Musikpädagogischen Verbandes, die im vorigen
Jahre nur angedeutet werden konnten, haben
feste Wurzeln gefasst, eine Schaar Ge-
sinnungsgenossen hat sich uns zugesellt und
so sind nicht nur die ersten Aufgaben in
lebenskräftiger Förderung begriffen, sondern
neue Arbeitsgebiete konnten erschlossen
werden: „Kunstgesang** und „Schulgesang**.
Für den Ersten zielt das Bestreben dahin,
die wissenschaftliche Grundlage zu finden,
auf welcher der Widerstreit über die Methoden
einen ruhenden Pol findet, für letzteren heisst
es frisch und kräftig in's Leben greifen, aus
der Praxis schöpfen und durch gemeinsame,
zielbewusste Bestrebungen der Fachlehrer und
Lehrerinnen Staat und Behörden zu Reformen
anzuregen. Die Hebung des Schulgesanges
ist eine Kulturfrage, in ihm ruhen die Wurzeln
unserer gesamten Fortentwicklung. Es ist
dem Vorstande bereits gelungen, auch für
dieses Gebiet eine Reihe tüchtiger Fachmänner
zur Mitarbeit gewonnen zu haben, die bereit
sind, ihre Kräfte der grossen Aufgabe zu
widmen, und da ausserdem der Staat und die
Behörden den Bestrebungen wohlwollend
gegenüberstehen, so darf er auch dieser neuen
Arbeitsperiode voller Vertrauen auf segens-
volles Gelingen entgegensehen.
@k l^scbccbiscbe ^usil^.
Von
Dr. Karl Storek.
Eortsetznng
Das Lob Bameys gebt allerdings mehr aal
die reprodoktive Ausübung der Tonkunst, und in
dieser Hinsicht ist Böhmen bis auf den heutigen
Tag eine g^te Bezugsquelle ftir die Orchester aller
^nder geblieben, zumal das 1811 eröffnete Prager
Konservatorium stets seinen Schwerpunkt in der
*) Wegen langer schwerer Krankheit des Autors
^nn die Fortsetzung des Artikels leider erst jetzt
aus Nr. 14. *)
Heranbildung guter Instrumentalisten hatte. Im
18. Jahrhundert aber trug vor' allem der Adel,
allerdings im Interesse seiner eigenen Ergötzung,
dazu bei, dass die Musikübung bis in die untersten
Volksschichten drang. Die reichen Magnaten
richteten fast alle Hauskapellen ein, deren Mit-
glieder aus der Dienerschaft gebildet waren. Die
Dorfschullehrer hatten hauptsächlich auf die Heran-
bildung musikalischer Talente zu achten; die Be-
— 350
herrschung eines Instniments war ein Hanpt-
erfordemis für jeden Livreebedienten. Nooh vom
Jahre 1789 entnimmt Fohl der .Wiener Zeitang""
folgende Anzeige: „Für ein hiesiges Herrschafts-
hans wird ein Bedienter gesucht, welcher die
Violine gut spielen und schwere Klaviersonaten zn
accompagnieren versteht." Das war ja sehr schön,
aber wir erkennen auch hier eine der Haupt-
ursachen, weshalb die Musiker solange für gesell-
schaftlich nicht voll angesehen wurden. Selbst
eines Meisters wie Haydn Stellung bei dem ihm
wohlwollenden Fürsten Esterhazy — in Ungarn
herrschten dieselben Verhältnisse — war ein
Zwitterding zwischen Beamten und Bediententum,
nicht die eines Künstlers. Die Namen Beethoven,
Karl Maria v. Weber und Liszt sind die wichtigsten
in der Geschichte der gesellschaftlichen Emanzi-
pation der Musiker.
Immerhin, viele dieser böhmischen Adligen
waren wahre Musikfreunde. Im Leben unserer
Klassiker haben sie eine rühmenswerte Bolle
gespielt. So gehörten zu Beethoven^s tätigsten
Gtönnern Graf Kinsky und Fürst Lobkowitz. Manche
von ihnen, zumal die Damen des Adels, übten auch
selber die Musik aus, und als gegen Ende des
18. Jahrhunderts die meisten Privatkapellen ein-
gingen, wurden die adligen Häuser die besten
Pflegestätten vornehmer Kammermusik. Für diese
Hauskapellen und Kammermusikabende arbeiteten
dann auch eine grosse Zahl böhmischer Komponisten
Symphonien, Quartette, Trios u. dergl. Das for-
male Musikantentum überwiegt dabei natürlich.
So hat Wenzel Pichl (1741-1805) 700 Werke ge-
schrieben, darunter 88 Symphonien und eine Un-
masse von Kammermusikwerken aller Art. Auf
100 Symphonien, die glücklicherweise meistens
Manuskripte blieben, brachte es Johann Baptist
Wanhal (1739—1813). Heute ist er vergessen,
seinerzeit aber hat er trotz seiner Flachheit neben
Haydn, Mozart und Beethoven sich einen be-
deutenden Platz im Konzertleben behauptet. Nicht
so fruchtbar war Paul Wranitzky (1756—1803),
der seit 1785 Kapellmeister an der Wiener Hofoper
war. Deutschen Bluts dagegen war wohl Dionys
Weber* (1766-1842), dessen zahlreiche Klavier-
kompositionen einst sehr beliebt waren. Sein
Verdienst beruht aber hauptsächlich auf seiner
Lehrtätigkeit, für die er als erster Direktor des
Prager Konservatoriums ein breites Wirkungs-
feld hatte.
Eine kaum übersehbare Zahl böhmischer
Musiker ging in dem internationalen Musikleben
auf. So Franz Dussek (1736—1799), der eine be-
kannte Schlachtmusik auf die Niederlage der grossen
holländischen Flotte durch den englischen Admirai
Duncan schrieb und nicht mit dem viel bedeutenderen
Klaviervirtuosen Johann Ladislaus Dussek (1761
bis 1812) verwechselt werden darf. Auch dieser
war Böhme, wie ebenfalls der noch heute oia
seiner Ünterrichtswerke willen hochgeschätzte
Karl Czerny (1791—1857). Die meisten dieser
böhmischen Komponisten fanden natürlich in Wien
ihr Arbeltsfeld, so Adalbert Gyrowetz (176B-18&0),
der als Hofkapellmeister auf das zeitgenössische
Musikleben grossen Einfluss übte, aber noch selber
den Buhm seiner einst so gefeierten Werke über-
lebte. Leopold Anton Kozeluch (1752—1818) war
gefeierter Balletkomponist, während sein Vetter
Johann Anton (1738—1814) als EÜrchenkomponist
hervorragte. Viel wertvoller sind Franz Krommer's
(1760—1881) Kammermusikwerke, die er zumeist
noch als Kaiserlicher Kammertürhüter geschrieben
hat. Aus dieser Stellung; machte er allerdings
1818 den einzigartigen Sprung ins Hofkapellmeister-
amt. Johann Wenzel Stamitz (1717—1761) hat
gute Werke für Klavier und Violine, auf der er
Meister war, hinterlassen. Er starb als Konzert-
meister in Mannheim; äeine dort geborenen Söhne
Karl xmd Anton hatten sein Virtnosentalent geerbt.
Näher hätten nationale Musikbestrebungen
auf dem Gebiet der Oper gelegen. Aber auch hier
ist kaum davon zu berichten. Die allherrschende
italienische Oper hielt auch in Böhmen ihren sieg-
reichen Einzug und behauptete sich von 1780, wo
Graf von Spork die erste italienische Opemgeseli-
schaft berufen hatte, bis 1807 ununterbrochen auf
dem Boden von Prag. Seit 1783 bestand daneben
allerdings noch ein zweites Theater, das 1798 in
nationalen Besitz überging. Der Ruhmestitel dieser
Bühne ist, dass Mozart 1787 seinen Don Juan
dafür schrieb, und für ihre Leistungsfähigkeit
zeigt es, dass das Orchester die erst in der Nacht
vor der Aufführung vollendete OuverttLre vom
Blatt spielen konnte, wobei, wie der Meister sich
äusserte, „zwar einige Noten unter die Palte ge-
fallen sind, das Ganze aber doch recht gut ge-
gangen ist.^* Von Opern in tschechischem Text
wird dagegen nur ganz vereinzelt berichtet. Vinzent
Maschek (1755—1881) hat einige geschrieben. In
noch höherem Masse als er wusste Tucek in seiner
„Lanassa*^ zumal für die Chöre nationale Melodien
auszunutzen. Es lassen sich noch einige weitere
Opernnamen beibringen — ich nenne ihres volkstüm-
lichen Stoffs wegen noch Voiteseks „Die Müller
von Prag'' — , aber das ist umso weniger not-
wendig, als alle diese tschechischen Werke ja
keineswegs nationalistischen Bestrebungen zu
danken waren, sondern nur als eine Art mund-
artlicher Literatur neben der anerkannten Schrift-
sprache des italienischen Opemstils stehen.
(Fortsetzung folgt.)
361 —
= Kritische Bückschau :
über Konzert und Oper.
Von
Dr. K»rl Storek.
Aus der königlichen Oper ist von neuen
Taten noch nicht zu berichten. Die Nenein-
stadiemng von Mozarts „Schanspieldirektor** hielt
sich leider an die unwürdige Textbearbeitung
Loais Schneiders. Dagegen möchte ich aus
inneren Gründen ausführlicher über die Neu-
einstudierung des ^Rienzi" sprechen und dabei
das Problem Hienzi innerhalb des Qeeamtwerkes
Wagners etwas beleuchten. Seit Sylvas Abgang
ist der „lUenzi" an unserer Oper nicht mehr auf-
geführt worden und in den Wandelgängen hörte
man die Besucher sich vielfach darüber streiten,
ob es wirklich im Geiste Wagners gebandelt sei,
dieses Werk auf der Bahne zu halten. Bayreuth
scheint es zu verneinen; denn während man sonst
alle Werke Wagners dort aufgeführt hat, blieb
der yRienzi^ von Wahnfried ausgeschlossen. Mit
Unrecht, wie ich meine. Die Aufführung des
„fliegenden Holländers'* in Bayreuth hat erwiesen,
dass auch dieses zweite Werk Wagners keine Oper,
sondern ein Musikdrama ist. Ich halte es für
möglich, durch eine völlig neu aufgefasste Dar-
stellongs weise zu zeigen, dass auch in „Rienzi**
der Musikdramatiker Wagner stärker ist als der
Opernkomponist, trotzdem Wagner selbst hier noch
nicbts anderes sein wollte. £s ist wunderbar, zu
verfolgen, wie im Verlaufe dieses Werkes der
Musikdramatiker in Wagner sich entwickelt. Der
dritte Akt bildet die Scheide. Hier siegt zum
erstenmal der Dramatiker tlber den Theatermann,
jener gibt den günstigen Abschluss preis, auf den
dieser niemals verzichtet hätte, um uns einen ver-
hängnisvollen Wechsel in der Stimmung des Volks
psychologisch zu begründen. Ob ihm das vollauf
gelungen oder nicht, ist Nebensache, das Ent-
scheidende ist, dass es versucht wird. Kein älterer
Komponist, auch Spontini, Cherub ini, ja selbst
Gluck nicht, hätte sich ein Gewissen daraus
gemacht, uns einfach im vierten Akt vor die
vollendete Tatsache des Stimmungsumschlags zu
stellen. Auch unsere Opernhäuser haben sich nie
davor gescheut und haben sonst inmier diese
letzten Szenen des dritten Aktes gestrichen. Es
ist ein grosses Verdienst xmseres Opernhauses, das
Werk wieder vollständig hergestellt zu haben,
zomal die Aufmachung dieses Striches die Auf-
fühmng nicht unwesentlich verlängert und auch
der Begie die sehr schwierige Aufgabe stellt, ein
^ttt gleiches Bühnenbild kurz hintereinander so zu
wiederholen, dass das zweite gegenüber dem ersten
eine Steigerung bedeutet. Auch die Begie hat
ihre Aufgabe gelöst, wenn ich es auch schöner
^de, wenn die Tragbahre mit der Leiche des
alten Colonna nicht in den Vordergrund gebracht
würde. Wenn n^an den toten Colonna dahin trägt,
warum nicht auch den toten Orsini? Just darum,
damit Adriane die Leiche seines Vaters sofort
sehen muss, wäre eine Boheit, die dem Charakter
Bienzi's widerspricht. Das ist also wieder einmal
ein Stückchen Theaterschablone, aus der auch
unsere Begisseure nicht herauskommen, und fast
immer bringen sie sich, wenn sie so in ansge*
fahrenen G-eleisen wandeln, um eine schöne künst-
lerische Wirkung. Es wäre viel ergreifender,
wenn Adriane, der sich bis dahin im Vordergrund
gehalten, auf den Bnf hin, dass Colonna tot sei,
in den Hintergrund zu der Leiche seines Vaters
stürzte, viel wirksamer wäre es auch, wenn von
dort aus der Jüngling den Finch gegen seinen
Freund schleuderte, und auch der Einflass, den
dieser plötzlich auf die Stimmung der Masse hat,
würde glaubwürdiger wirken, weil Colonna dann
in die Qmgebung der Frauen zu stehen käme, die
viel eher diesem Stimmangswechsel unterworfen sind.
Es ist ja der leidige Beruf des Kritikers, dass
er gerade dort, wo seine Teilnahme aufs lebhafteste
erregt ist, das zuerst hervorheben wird, was ihm
nicht erftUlt zu sein scheint. Dass ich damit nicht
nörgeln will, wird mir jeder meiner Leser ohne
weiteres zugeben. Und so muss idi also weiter-
fahren und sagen, dass der Chor seine Aufgabe in
„Rienzi' noch nicht gelöst hat. Ich habe den
Chor der Königlichen Oper noch selten so bewegt,
seine Mitglieder fast noch nie so individualistisch
tätig gesehen, wie diesmal. Man hat also an
leitender Stelle offenbar erkannt, dass hier die
wichtigste Aufgabe liegt, aber bei weitem noch
nicht genug; denn hier heisst es, Wagner zu ver-
bessern, hier gilt es, mit Liebe auszufüllen, wo
er die Schablone noch nicht durchbrochen hat.
Der rein musikalische Wert des Chors in der
älteren grossen Oper, seine Bedeutungslosigkeit
für die dramatische Entwicklung lässt uns gleich-
giltig, weil der Chor überall blos Masse ist. Im
„Bienzi^* aber beruht der dramatische Konflikt
gamicht in der Seele und im Handeln des Helden,
sondern in der Seele des Volkes. Rienzi ist b^nah
ein Oratorienheld, mehr Werkzeug als Selbst-
bestimmungsmensch, und darum glaube ich auch,
dass Grüning auf dem rechten Wege ist für die
Darstellung Bienzi's, trotzdem er dabei blos aus
der Not eine Tugend machte und man auch im
ganzen Hause immer wieder den Namen Albert
Niemann 's heraufbeschwören hörte. Es mag
sein, dass auch Wagner dabei an den grossen
stattlichen Heldensänger gedacht hat, dessen blosses
Erscheinen genügt, das Volk hinzureissen und zu
entflammen, aber dann hat das im Meister noch
schlummernde Ghenie Grösseres vollbracht, als der
Dichter selbst beabsichtigte; grösser, weil wahr-
— 352 —
hafter, ob anch historisch, darauf kommt es ja
gamicht an. Aber der Notar Cola Hienzi, wie
ihn Wagner angelegt hat, ist kein Tatmensch,
sondern ein Träumer. Es sind die Ereignisse, die
ihn erst zu den Taten tieiben müssen, sein eigener
Wille ist es nicht. Darum neigt er überall zur
Milde, zum Verzeihen, darum schiebt er die ent-
scheidenden Handlungen immer hinaus, und wie
bezeichnend ist es, dass er, bevor er den ent-
scheidenden Schritt wagt, zu dem ihn alles drängt,
sich beim Kardinal erkundigt, ob er immer auf die
Unterstützung der Kirche rechnen könne, und wie
bezeichnend auch sein Gebet im letzten Akt. Pur
die Kirche hat er alles getan und für das Volk.
Es fehlt ihm alle Selbstsucht des Tatmenschen,
darum predigt er auch durch das ganze Werk
seinen Landsleuten immer wieder, dass nicht er,
nicht seine Person, im Mittelpunkt stehe, sondern
die Sache. Das ist alles kein eigentliches Helden-
tum, das ist in der Tat Vorrenaissance. Die
eigentlichen Gewaltmenschen des 14. Jahrhunderts
das waren die Colonuas und Orsinis, die in den
Tag hineinlebten, sich nicht darum kümmerten,
was morgen geschah, wenn nur heute die Macht
ihnen gehörte. Ihnen war die Kleinheit aller
staatlichen und politischen Verhältnisse gerade
willkommen, und ein Volk furchtgebändigter Sklaven
war für ihr Tun Vorausbedingung. Die Männer,
die Ideale hatten, waren in jener Zeit Stuben-
gelehrte oder Künstlernaturen. Sie sahen die
Ueberreste alter Herrlichkeit in den Bauwerken
und fragten naturgemäss danach, wie gross ihre
Ahnen gewesen sein mussten, die so Gewaltiges
aufgebaut hatten, während unter ihren Enkeln das
Ueberkommene sogar zerfiel. 'Und dann lasen sie
in den Berichten der Alten von der Grösse der
Bepublik, von Caesar und Brutus, und da sie
Caesaren im Kleinen genug hatten, erträumten sie
sich einen Brutus, weil sie glaubten, der Dolch,
der den Tyrannen beseitige, sei das Wichtigste;
das Volk ihrer Gegenwart wtLrde dann ebeuso gut
ein Herrschervolk werden, wie es die Ahnen ge-
wesen. Darum gefiel es mir, dass Grüning nicht
als kraftstrotzender Held erschien, sondern als
bleicher, übernächtigter Mann. Es ist ja psycho-
logisch bezeichnend, dass in seinem Leben die
Liebe als Konfiikt nicht auftritt, wozu doch die
Gesamtlage geradezu herausfordert, nein, auch hier
ist es die mehr weichliche, sorgliche Hingabe des
Bruders, nicht die begehrende Leidenschaft des
Mannes. Zu dieser ganzen Auffassung der Gestalt
stimmt es auch, dass die Macht dieses Mannes auf
seiner Beredtsamkeit beruht, und es ist psycho-
logisch ein sehr feiner Zug, dass er durch seine
Bede immer seine ganze Umgebung entfiammt,
dass er selber aber dann den Anstoss zur Tat von
eben dieser Umgebung erst erhalten muss.
Neben Grüning wirkte in erster Iteihe Prau
Goetze als Adriane. Diesem fällt die schwere
Aufgabe zu, den Wandel der Gesinnung, den beim
Volk die Unreife erklärt, auch für den Freund
glaubhaft zu machen. Gewiss, sein Vater ist im
Kampf mit Bienzi gefallen, aber dass die Schuld
nicht bei diesem, sondern bei jenem liegt, das
weiss und fühlt auch dieser Sohn, und trotzdem
nun der Hass ausschliesslich gegen. Bienzi! Allo'-
dings, auch in Adriano lebt ja das Blut der
Colonnas, aber das haben wir vorher noch nicht
erfahren. Auch diese Gestalt lässt der Dichter in
demselben unfertigen Zustand, in dem eigentlich
das ganze Werk ist. Wir können sagen, dass das
musikdramatische G^nie, das in Wagner lebte, ihn
verhinderte, eine blosse grosse Oper im her-
kömmlichen Stil zu schreiben, dass es aber anderer-
seits noch nicht so lebendig tätig war, um an
Stelle des Ueberwundenen das Musikdrama zu
setzen. So kommen wir eigentlich nur dazu, fort-
während zu fühlen, was der grossen Oper fehlt,
und sicherlich hat das keiner von allen stärker
gefühlt als Wagner selbst. Gerade über der Arbeit
am „Bienzi^* ist er sich der Aufgabe der Musik-
dramatik bewusst geworden. Darum vermochte
er auch sofort mit seiner Vergangenheit zu brechen
und im „Pliegenden Holländer* etwas völlig Neues
herzustellen.
Neben den Trägern der beiden Hauptrollen
sind auch andere Solisten lobend zu erwähnen,
und dieses Lob ist in gesteigertem Masse auf Chor
und Orchester auszudehnen. Es war vollauf be-
rechtigt, wenn man immer wieder nach Dr. Muck,
dem Leiter der Aufführung rief; denn diese Musik
kann sehr hohl und geschmacklos ausgeführt werden,
sie kann theatralischer und äusserlicher wirken als
Spontini und Cherubini, ja, sogar als Meyerbeer.
Nur wer ein so ausgeprägtes Gefühl für die Gre-
Samtarchitektur eine« Werkes hat, wie Muck, und
damit eine so ausharrende Liebe zu jener Schönheit
im einzelnen verbindet, wie er, vermag in diesem
Masse zu zeigen, wie viel innerliches Empfinden
unter der äusserlichen Pracht versteckt ist. Begie
und Dekoration stand im Durchschnitt auf der
Höhe. Warum freilich in den Kleidern der Bömer
und vor allem der Bömerinnen alle Parbeu so ge-
dämpft waren, sehe ich nicht recht ein. Zuweilen
auch wirkte das „Volk" spärlich, zumal beim Peste
im zweiten Akt, da muss sich doch ganz Bom
hinzudrängen. Wie leicht müsste es sein, wenn
man im Hintergrunde noch einige Beihen auf-
stellt, den Anschein zu erwecken, als sei ein Ge-
dränge, um in den Saal zu kommen, dann anch
wird es erst begreiflich, dass Orsini und Colonna
sich so ohne Widerstand gefangen nehmen lassen,
nicht aber, wenn diese Bauf holde, wie bei der
hiesigen Aufführung, in der Uebermacht sind.
Alles in allem kann man die Neuaufnahme
des „Bienzi'' für unseren Spielplan nur aufrichtig
begrüssen. Wenn die Verschiebung des Ganzen
aus der grossen Heldenoper in die Charakteroper
auch weniger Absicht ist, sondern eine Polge der
gebotenen Besetzung, so kann doch gerade dieser
— 353
Umstand fttr die Einschätzang des ganzen Werkes
von Einflnss sein. Es ist ja sehr einfach, die
Hände über dem Kopf zusammenzuschlagen nnd
anf die rätselhafte Erscheinung hinzuweissen, dass
zwischen diesem „Rienzi' und „Tristan und Isolde**
nur 19 Jahre liegen (Rienzi wurde zwar erst
1842 aufgeführt, war aber schon 1840 vollendet),
und es ist dann sehr leicht, durch einen dicken
Strich den „Kienzi** aus dem eigentlichen Schaffen
Wagners auszustreichen. Aber das geht nicht an,
es ist vielmehr unsere Aufgabe, zu ergründen, wo
die Persönlichkeit Wagner's im .Eienzi*^ sich trotz
des ganz verschiedenen äusseren Gebahreos bereits
ankündigt, und es ist durchaus nicht schwierig,
eine grosse Zahl von Fäden zu dem übrigen Schaffen
Wagners hinüberzuspinnen. Das ist ja im Grunde
natürlich, denn auch in diesem Werke ist Wagner
ein ehrlicher Künstler, der durchaus aus seiner
Persönlichkeit heraus gedichtet und gesungen hat.
Dass diese Persönlichkeit Wagner's in einem so
langsamen Werdeprozess heranreifte, das ist aller-
dings das Merkwürdigste in seiner Erscheinung
und in der ganzen Kunstgeschichte eigentlich nur
an ihm in diesem Masse zu beobachten.
Mittellungen
von Hoohsohulen und Konservatorien.
An der Königl. Musikschule zu Würzburg
fand am 15. Oktober ein Festakt zu Ehren Prof.
Hermann Hitter's statt, der 25 Jahre als Lehrer
an der Anstalt wirkt. Prof. Ritter ist der Erfinder
der Viola alta und hat sich als Fachschriftsteller
darch seine „Enzyklopädie der Musikgeschichte**
bekannt gemacht.
Das diesjährige Staats-Stipendium der Felix
Mendelssohn-Bartholdy-Stiftung für aus-
übende Tonkünstler ist der früheren Studierenden
der Königl. akademischen Hochschule für Mnsik in
Berlin, Violinistin Palma van Paszthory ver-
liehen worden, das Stipendium für Komponisten
ist unverliehen geblieben.
Die Königl. Akademie der Tonkunst zu
München berief als Nachfolger für den aus-
geschiedenen Prof. Martin Krause den Pianisten
Karl Boesger aus Leipzig zum Lehrer des
obligatorischen Klavierspiels.
Das von Professor Emil Breslaur gegründete
Konservatorium und Klavierlehrer- Seminar
feiert am 1. November das Fest seines 25 jährigen
Bestehens. Eine grosse Zahl ausgezeichneter Mu-
siker nnd Pädagogen ist aus dem Institut hervor-
gegangen, besonders rühmend darf der semi-
naristifichen Ausbildung gedacht werden, die Stu-
dierenden empfingen hier für ihr selbständiges
Wirken einen unverlierbaren Schatz methodischer
und pädagogischer Bildung, wie er sonst selten zu
finden war. Das Institut ging nach dem im
Jahre 1899 erfolgten Tode des Begründers in die
H ände Direktor GustavLazarus' über, der damals
bereits seit 10 Jahren an der Anstalt tätig war
nnd seitdem bemüht ist, die Anstalt im Sinne des
Verstorbenen fortzuführen.
Von der Dresdener Musikschule, Direktor
H. L. Schneider, ist soeben der Bericht über das
13. und 14. Schuljahr — , ltK)2 bis 1904 -, er-
schienen. Aus der Chronik der Schule entnehmen
^ir, dass die Schule am Abschluss des letzten
Jahres einen Schülerbestand von 412 Schülern zu
Terzeichnen hatte und dass in den beiden Jahren
80 Schüleraufführnngen, 4 Gesellschaftskonzerte
und ein Freistellenkonzert stattfanden. Der Jahres-
bericht veröffentlicht die gesamten in diesen Auf-
führungen zu Gehör gebrachten Werke. In den
Lehrplan der Anstalt neu aufgenommen ist der
Virgil-Unterricht in der Fachschul- Abteilung.
Dem Lehrkörper neu hinzugetreten sind unter
anderen: Frl. W. v. Mühlheim (Gesang). Hr. Ed.
de Glimes (Klavier), Frl. P. Tullinger (Gesang
und dramatische Darstellung) und Hr. Alfred
Sittard (Orgel). Ueber zwei Stiftungen, die
speziell idealen Zielen dienen und deren Erträgnisse
hauptsächlich zu Freistellenzwecken verwendet
werden konnten, die „Stiftung des Lehrer-
Kollegiums" und die «Gesellschaft zur För-
derung der Dresdener Musik-Schule" g^bt
der Jahresbericht gönaue Auskunft. Sie legen
lebendige Beweise der Sympathien ab, die sich die
Anstalt im Laufe der Jahre durch ihr künstlerisches
Streben erworben hat. — Die den Bericht ein-
leitenden Worte des Direktors der Anstalt, Herrn
B. L. Schneider's «Splitter und Bruchstücke aus
meinen Schlussreden" enthalten manches treffliche
Wort, in denen sich der erfahrene und denkende
Pädagoge spiegelt.
In Hannover hat Frl. Clara Degener eine
„Klavierschule** in Verbindung mit seminaristischer
Ausbildung eröffnet. Unterrichtsfächer sind: Klavier,
Theorid, Chorgesang, Musikgeschichte, Methodik
und Pädagogik. Zur Mitwirkung verpflichtet haben
sich: Frl. Bock und die Herren E. Taegener,
L. Wuthmann, Prof. Gurke und Dr. Gräfen-
hain.
Herr Pianist Fritz Häckel, Lehrer an der
Hochschule für Musik in Mannheim wird im
Laufe des Winters sämtliche Klaviersonaten von
Beethoven in chronologischer Beihenfolge zum
Vortrag bringen. Die Vorträge finden im Vortrags-
saale der Hochschule für Musik statt; sie sind
zunächst für die Studierenden der Anstalt bestimmt,
sollen aber auch aussenstehenden Musikfreunden
zugängig gemacht werden.
— 354 —
Herr Otto Seelig, Direktor des Heidel* Frl. Hedwig Meyer, die sich als yorz%liche
berger Konservatorinins, veranstaltet aach in Beethoven-Interpretin einen grossen Bnf errangen
diesem Winter wieder 5 Kammennnsikkonzerte hat, ist als Klavierlehrerin für das Kölner Kon-
nnter Mitwirkung des Frankfurter, Böh- servatorium gewonnen worden,
mischen und Brüsseler Streichquartetts.
Vermischte Nachrichten.
Ottokar Sevcik, Lehrer am Prager Kon-
servatorium, Verfasser der weltbekannten Meister-
werke für Violine, erhielt vom Kaiser von Oestereich
das Bitterkreuz des Franz Joseph-Ordens.
Herr Jos^Vianna da Motta. der sehr
geschätzte Mitarbeiter des „Kl. L.^S beginnt Mitte
Januar eine Konzerttournee, die ihn durch Nord-
Amerika zwischen New- York und S. Franzisko
führen und ca. 80 Konzerte umfassen wird. Sieben
Konzerte finden mit dem Sinfonie- Orchester unter
Leitung von Damrosch statt. Während der
Abwesenheit des Künstlers übernimmt Hr. Henry
B u e g g e r , ein bedeutender Pädagoge ans Grenf ,
die Leitung seiner Schüler.
Per von dem Königl. Musikdirektor Richard
Francs am 21. Oktober zu K a s s e 1 veranstaltete
,,Beethoven^Abend^' war von ausserordentlichem
Erfolge begleitet. Der Künstler spielte 6 Sonaten,
op. 27 Nr. 2, op. tS. 101, 109, 110 u. 111 mit muster-
gültiger Technik und in echt Beethovenschem
Geiste. £r wurde in vorzüglicher Weise durch
einen prachtvollen Flügel unterstützt, es war
der erste, der aus der weit bekannten Pianino-
Fabrik der Gebr. Scheel-Kassel hervor-
gegangen ist.
In Leipzig kommt am Beformationsfest
Heinrich Zoellners Oratorium ,,Luther*' durch
die Leipziger Singakademie zur ersten Aufführung.
Eugen, d' Albert's neuestes, eben vollendetes
Chorwerk mit grossem Orchester betitelt sich „An
den Genius von Deutschland'^ es wird seine Erst-
aufführung in Berlin zum Geburtstage des
Kaisers erleben.
Der diesjährige Wettbewerb um den Preis
der G. Meyerbeer-Stiftung für Tonkünstler
ist ergebnislos geblieben. Auf Grund eines Gut-
achtens des Preisrichterkollegiums ist die somit
heut frei gewordene Preissumme von 4500 M. dem
Sieger bei der letztvorausgegangenen Konkurrenz,
Felix Nowowieski, zur Fortsetzung seiner
Studien nochmals überwiesen worden.
Auf dem ain 21. und 22. Mai 1905 in
Dortmund stattfindenden 7. Westfälischen
Mnsikfest sind als Hauptwerke E. Bossi's
„Verlorenes Paradies'* und Bichard Strauss'
„Symphonia domestica*^, unter Leitung des Kom-
ponisten in Aussicht genommen.
Die Verwaltung der „Concerts le Bey" zu
Par^s, in dencA seit 2 Jahren junge Komponisten
ihre Werke zur Aufführung bringen, hat einen
Wettbewerb um eine Sinfonie klassischen Stils
für Orchester ausgeschrieben. Die Manuskripte
sind bis zum 30. Dezember d. J. einzuliefern. Das
mit dem ersten Preise gekrönte Werk soll noch im
Verlaufe der Saison in den von Frederic le Bey
und Paul Viardot dirigierten, im Theater Marigni
stattfindenden Konzerten gespielt werden.
Das „Wiener Fremdenblatt" schreibt: Der Vor-
Ktellung der Lortzing sehen Oper „ün d i n e*^ am
13. d. M. im Kaiser Jubiläums-Stadttheater wohnte
auch die jetzt 76 Jahre alte Tochter des Komponisten
Frau Karoliue Kr äfft bei. Sie sass in einer
Loge mit Frau Pauline Lucca (Baronin Wall-
hofen) und Frau M a t e r n a und schenkte der
Aufführung der Oper ihres berühmten Vaters leb-
hafte Aufmerksamkeit. Frau Krafft hat viel durch-
gemacht in ihrem langen Leben. Zu Münster ge-
boren kam sie als junges Mädchen mit ihren An-
gehörigen im Jahre 1846 nach Wien, woselbst ihr
Vater im Theater an der Wien engagiert war.
Karoline widmete sich der Bühne und naiun ein
Engagement nach Pressburg an. Auch Lortzing
wollte damals nach Pressburg übersiedeln, doch
die Heirat seiner Tochter mit dem Lampenfabrikanten
Krafft, die die Bühnenkarriöre der Karoline
Lortzing abbrach, machte diesen Schritt unnötig, da
Herr Krafft mit seiner Gattin in Wien lebte. Später
verlor ihr Gatte fast sein ganzes Vermögen, wurde
selbst schwer krank und Frau Krafft erteilte bis
zu seinem Tode — vor etwa zwei Jahren —
Unterricht im Klavierspiel und in Sprachen. Von
den Kindern des Ehepaars leben ein Sohn, der
Beamter ist, sowie zwei Töchter in Wien, ein Sohn
ist Kapellmeister in der Provinz. Frau Krafft
erhält seit einiger Zeit eine Pension vom Deotschen
Bühnen verein und ein Prozent von den Tantiemen
der Opern ihres Vaters.
Ein Grabdenkmal für Hugo Wolf
ist am Donnerstag auf dem Zentralfriedhof in
Wien enthüllt worden. Wolfsche Chöre leiteten
die Enthüllungsfeier ein und beschlossen sie. Hr.
Dr. Haberlandt, der Freund Hugo WoUs und
der Obmann des Hugo Wolf-Vereins, hielt
die Gedächtnisrede. Dann widmete Bürgermeister
Lueger den Manen Wolfs ehrende Worte und
übernahm das Denkmal in die , Obhut der Stadt
Wien. Das Denkmal ist < von Professor Edmund
Hellmer im Auftrage des Hugo Wolf- Vereins
ausgeführt. Es ist aus einem auf drei Stufen
lagernden gelbroten Marmorblock gebildet, der sich
— 355 —
zu einer Höhe von SVg Meter erbebt. Formal bält
es die strengen Linien eines Opferaltars fest. Im
oberen Drittel seirer Stirnfläche ist in kräftiger
Plastik der Kopf des Tondichters en face herans-
gearbeitet, dessen Züge ans seinen letzten Lebens-
jahren zeigend. Ueber dem Hanpte schwebt ein
Lorbeerzweig Ans den Elanken des Denksteines
lösen sich, ans dem Gestein heransstrebend, zwei
Eignrengrappen. Sie versinnlichen Liebe nnd
Schmerz, Lnst und Leid.
Die EnthtQlnng des Denkmals für C^sar
Franck fand am Sonntag den 29. Oktober zn
Paris in den Saint Clotilde- Anlagen statt. Der
Feier wohnten der Seine-Präfekt, der Pariser
Mnnizipalrat, der Direktor der schönen Künste nnd
der Leiter des Konservatoriums für Musik bei.
Bücher und Musikalien.
Hago Kann, op. 60. «Konzerf^ (E-moU) für Piano-
forte und Orchester.
D. Balit«r, Haabir^ wnd Lelpslf .
Eiue ausgezeichnet schöne Komposition, dieses
E-moU-Klavierkonzert von Hugo Kann, einheitlich
in Form, Inhalt und Stimmung, in einem grossen
Zuge hingeworfen und von energischem, wahrhaft
mannlichem Geiste durchweht! Kann ist einer
derer, die, unbekümmert um Andere, rüstig in der
Stille weiterschaffen, und mit diesem seinen Konzert
ist ihm unseras Erachtens ein glücklicher Wurf
gelungen. Eine energisch darauflosgehende Kadenz
leitet das, Leopold G-odowsky gewidmete Werte ein,
dessen ersterem Satze ein schwerwiegender,
schmerzlich erregter Hauptgedanke zu Grunde liegt,
dem ein wunderschönes, Leid und Zweifel lösendes
Nebenthema gegenübergestellt ist Diesem Satze,
wie den beiden folgenden, eignet eine vortreffliche
Durcharbeitung und höchst geschmackvolle, innige
Verbindung von Soloinstmment und Orchester, die
symphonisch zu einander stehen, wo aber das Piano-
forte Jederzeit den Prinzipat behauptet. Im ersten
tmd dritten Satze steht auch der voUgiltige musi-
kalische Gehalt der konzertanten Entwickelung
des Pianofortes durchaus nicht im Wege, im Gegen-
teil begünstigt und veredelt er diese. Der lang-
same Satz ist von innigster Empfindung beseelt; er
steht unter dem altehrwtirdigen Motive B—A~C—H,
welches immer in fein musikalischer, thematisch
migemein fesselnder Weise wiederkehrt und zum
weiteren Aus- und Aufbau des ganzen Satzes eine
wahrhaft künstlerische Verwendung flndet. Sehr
schön wirkt der, allmählich in grössere Bewegung
geratende Mittelteil des Satzes (G-dur), dem sich
der sehr belebte, freudig erregte Finalsatz (Es-dur)
amnittelbar anschliesst. Auch hier offenbart sich
durchgängig ein spezifisch raännlicbes Empfinden
das die herben, schweren Stimmungsprozesse des
ersten Satzes paralysiert und den Hörer in freie,
lichte Höhen emporhebt. Auch hier gibt das mit
ausserordentlicher Feinheit behandelte Orchester
den Goldgrund ab, auf den die Parben des Solo-
instroments eingerragen sind. Das ganze Konzert
aber bildet eine hohe künstlerische Aufgabe für
Pianisten von tadellosen technischen Eigenschaften
Tind vornehmer künstlerischer Denkungs weise.
Letztere gehört freilicli dazu, soll das schöne Ton-
gedicht Hugo Kann's in allen seinen Einzelschön-
heiten und in seiner gesamten Bedeutung zu voll-
kommenster Geltung kommen. Ich rechne es ohne
Bedenken zu den bedeutendsten Erscheinungen der
letzten Jahre.
E. Jaqaes-Dalcrose. Op. 45. No. 2, Humoreske
für Pianoforte.
SBddenlwher XMlkTerUff» Stnuwbarv i. 8.
7iele Stücke segeln unter der Elagge des
Humoresken-Titels in die Welt hinaus — diese hier
ist endlich wirklich *mal eine. Es ist ein Humor
darin, der oft zwischen Weinen und Lachen kämpft,
ein Humor, der zuweUen auch ein wenig stachelig,
jedenfalls aber immer einer ist. Und eine gute
Dosis von toller Laune kommt auch noch hinzu,
mancher krause Gedanke wird nicht sonderlich ge-
glättet, aber es ist darin ein guter und gesunder
Kern und man soll einem so hoch talentierten
Künstler wie Jaques-Dalcroze es durchaus nicht
verargen, wenn er seinen eigenen Weg — auf dem
nachzufolgen freilich manch anderem Menschen-
kinde schwer und unbequem erscheinen möchte! —
geht Der wahrhaft selbständigen Naturen und
ausgesprochenen Physiognomien sind heutzutage
nicht übermässig viele und darum freut es um so
mehr, wenn wir uns einmal ein wenig bemühen
müssen, dem Gedankengange eines Tondichters stu
folgen. Mit Obigem glauben wir die treffliche, in
jeder Wendung bleibend gekennzeichnet zu haben
und wünschen nur noch, dass — recht viele sich
unserer Meinung anschliessen möchten
Eugen Segnitz.
La Mara: Briefe hervorragender Zeitgenossen an
Frans Lisst. 3. Band.
Brellkopff k Biete], Leipstgr-
Man bedauert oft, dass nicht immer der voll-
ständige Briefwechsel abgedruckt wird, wie man
es tut, wenn beide Korrespondenten bedeutende
Menschen sind, wie bei Schiller und Goethe,
Wagner und Liszt. Wohin würde aber das
führen, da wir schon an den „einseitigen" Briefen
so viel Material zu ^Überwinden* haben! Vor-
trefflicb war aber die Idee, die Briefe hervor-
ragender Zeitgenossen an Lissst heraus-
zugeben, da es gerade bei diesem „Weltmann" von
356
besonderer BedentuDg ist, die Korrespondenz kennen
zu lernen, die man mit ihm führte. Nicht nur
seinen „Weltverkehr" lernt man dadarch kennen,
sondern anch die faszinierende Wirkung, die seine
Persönlichkeit ansübte. Wie rührend sind die An-
reden seiner Schüler von «hochverehrtester**,
«teneister**, „geliebtex" bis „angebeteter Meister!"
Den zwei früher von La Mara herausgegebenen
Bänden ist ein dritter Band hinzugefügt worden,
der viel Interessantes enthält: Briefe von Berlioz,
ergreifende Berichte über Bülows Krankheit im
Jahre 1876, seine Stellung zu den damaligen Fest-
spielen, über Wagners Tod, Verhandlungen über
Aufführungen, eigentümliche Briefe von hohen
Geistlichen, die diese Atmosphäre in Ldszts Leben
uns nahe führen und auch einige amüsante Kuriosa.
J. Vimma da Motten
Anmerkung der Redaktion. Auf
vielfache Anfragen erwidere ich, dass die von Pro-
fessor Iwan Knorr in seinem Artikel „i>ie
graue Theorie" erwähnten und von ihm verfassten,
ganz vortrefflichen „Aufgaben zur Harmonielehre'*
im Verlage von Breitkopf & Härtel,
Leipzig, erschienen sind.
Vereine.
Miisikpädagogischer Verband.
Auf der dem Musikpädagogiscben Kongresse
am Sonnabend den 8. Oktober sich anschliessenden
General-Versammlung wurden geschäftliche An-
gelegenheiten erledigt, ein knapp gehaltener Jahres-
bericht von der I. Schriftführerin Frl. Anna
Morsch verlesen — , ein ausführlicher war auf
dem 1. Kongresstage gegeben worden — er fasste
die vom Vorstande geleisteten Arbeiten zusammen:
Aussendung der Verhandlungen, Sichtung der ein-
gelaufenen Meinungen, AusarbeituDg der Satzungen
und der Prüfungsordnung, Zusammensetzung der
Prüfungskommissionen, Ausarbeitung von Lehr-
plänen, Beratung über Honoi arbedingungen usw.
Der im Referat von Hm. Prof. HoUaender
vorgeschlagene Modus, dass aus den Prüfungs-
kommissionen nach Ablauf von 3 Jahren die Hälfte
der Mitglieder ausscheidet und neue an ihre Stelle
treten, wurde von der Versammlung angenommen.
— Den Kassenbericht legte Hr. Direktor M a s b a c h
ab, er ergab eine Einnahme von insgesamt M. 1058,35,
der eine Ausgabe von M. 1071,77 gegenüberstand.
Die von den B«viBoren beantragte Decharge wurde
einstimmig erteilt. Die auf dem Kongress bereits
vorgelesenen Anträge der Schulgesanglehrer kamen
zur Durchberatung, es wurde eine Kommission
erwählt, welche die Arbeiten weiter zu führen hat.
Sie besteht Jetzt aus folgenden Mitgliedern: Den
Herren Domsänger Rolle, Direktor Handwerg,
Gustav Kulenkampff, M. Ast, den Damen
Fr. Dr. Müller-Liebenwalde und Frl. van
Zanten, sämtlich aus Berlin, den Herren Rie-
mann und Beckmann-Essen, Herren Prof.
Engel und Ernst Paul -Dresden, Herren
Borchers und Hänssel-Leipzig, Herrn Zu-
reich-Karlsruhe. Der Vorstand behielt sich
das Recht vor, die Kommission nach Bedarf durch
geeignete Persönlichkeiten zu erweitern. Die Neu-
wahl des Vorstandes ergab folgendes Resultat:
Prof. Xaver Scharwenka 1. Vorsitzender, Prof.
Gustav HoUaender 2. Vorsitzender, Frl. Anna
Morsch 1. Schriftführerin, Direktor Nürnberg
2. Schriftführer,GustavKulenkampff I.Kassierer,
Direktor Lazarus 2. Kassierer. Beisitzer: Musik«
direktor Menge wein, Frl. Olga Stieglitz, Prof.
Richard Schmidt, Frl. Cornelie van Zanten,
Frl. Martha Remmert, Direktor Hutschen-
reuter. — Für die Wahl des künstlerischen
Vorstandes ausserhalb Berlins wurden aus der
Versammlung heraus eine Reihe von Vorschlägen
gemacht, es ergehen jetzt Schreiben an die betr.
Persönlichkeiten, sobald die Zusammensetzung ab-
geschlossen, erhalten die Mitglieder Nachricht —
Die Satzungen wurden nach längerer, lebhafter
Debatte für ein Jahr bestätigt, auf der im nächsten
Jahr, Oktober, nach Berlin einzuberufenen General-
Versammlung sollen sie neu beraten werden. Ein Kon-
gress soll zu gleicher Zeit wieder in Berlin stattfinden.
NB. Die Formulare der „ünterrichtsbedin-
gungen für den Privatunterricht**, desgl. die
„Verträge zwischen Anstaltsleitern u. ihren Lehr-
kräften^ liegen jetzt fertig gedruckt vor und
können durch die Geschäftsstelle des Verbandes
jederzeit bezogen werden. Näheres im Liseratenteil.
Die Mitgliedsbeiträge sind von jetzt ab
an unseren ersten Kassierer, Hrn. Gustav
Kulenkampff, W. Landgrafenstr. 9 zu
senden. j ^.
Xaver Schartpenka,
L Vorsitzender.
Mnsik-Sektlon
des AUg« Dentschen Lehrerjtnnen-Vereliis*
Wir teilen unseren Mitgliedern hierdurch mit,
dass sich in Hamburg eine neue Gruppe gebildet
hat. Vorsitzende Frau E. Grumbach, Kott-
witzstr. 20. I A •
Sophie Henkd,
L Vorsitzende.
H^* Einem Teil dieser Auflage liegt ein Prospekt von Julius Hafnauer, Br99lau: ^ Neues
für den Klavierunterricht'' bei, auf welchen wir unsere Leser besonders aufmerksam machen.
D. E.
— 357 —
Konservatorium der Musik
in Kassel.
Gegr. 1895. Direktion: L Beyer. Gegr. 1896.
EhreilTOrsits : Begleninffs-Präsident tob Trott h 8«]s,
Oraf KSalgfdorff, BxcellenB GeDeralin tob Coloaby
Oborbürgenneister Hflller n. A.
Cnratoriniu: Pfarrer Ham, Sohtadirrfctor Prof. Dr. Knua-
BBOher, Bankier Plaat, Jnatiarath Sekoffer u. A.
I^krer : Die Damen : L. Beyer, Btaasl-FSreter, Königl. Opern-
säDfferin, Sleeae-Fabroal, A. Taadlea. Die Herren:
A. Hartdef^By Kammervirtnos. Prof. Dr. USbel»
O. Kaleteci« KgL Kammermusiker, K. KletemaBB»
Kgh OpemsänKer, W. HoBhaapty Kgl. Kammermusiker,
Vd. BekHldt, Kgl. Kammermusiker, H. BehBarbBich,
K^L Kammermusiker u. A.
Unteirichtfftcber: KUvier, Violine. CeUo, Harfe und alle
übriffen Oroheeterinsti-umente. Gesang^, Harmonie-
nnd Kompositionslehre. Musikgeschichte. Italienisch.
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Begründet 1878 von Professor Emil Breslaur.
Redaktion: Anna Morsch
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schulen und Konservatorien. Vermischte Nachrichten. Bücher und Musikalien, besprochen von Jos6 Vianna da Motte.
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PWfro @iaS1ie1tt)i
(t 19. November 1804)
Ein Qedeokblatt zu seinem hundertjährigen Todestage.
Von
Dr. Max Arend.
Guglielmi (sprich Gulljelmi) — nicht
Guglielmo, wie das Schuberthsche „Musi-
kalische Konversations-Lexikon" (11. Auflage
von Breslaur) und das Gastnersche „Uni-
versal-Lexikon der Tonkunst" (Stuttgart 1849)
angeben — ist aus der Geschichte der
italienischen Oper des 18. Jahrhunderts her
wohl bekannt. Er ist einer der bedeutendsten
Vertreter der komischen Oper und rang in
Neapel mit Cimarosa und Paesiello, ohne
2u unterliegen, um die Palme. Von Cimarosa
erscheint hier und da die „heimliche Ehe"
(1792 für Wien komponiert) als Experiment
auf einer Bühne, und die Edition Peters
bietet den Klavierauszug dieses Meisterwerkes,
so dass jedermann in der Lage ist, sich von
der Individualität dieses durch seinen Reich-
tum an originellen und sozusagen aus dem
Aermel geschüttelten musikalischen Themen
bei den Italienern berühmten Komponisten
ein Bild zu machen, während Paesiello
durch die Beethovenschen Klaviervariationen
über ein Lied aus der „Molinara" als der
Sänger der weichen Freude oder Wehmut,
eine Art von musikalischem Iffland, bekannt
ist. Für Guglielmi dagegen bedeutet die Tat-
sache, dass das 18. Jahrhundert fiir unsere
Bühne, auch für die italienische, abgesehen
von Mozart, regelmässigen Experimenten
mit Gluck und ganz vereinzelten Experimenten
mit andern Meistern tot ist, ein völliges Ver-
gessensein. Ob man freilich nicht unsem
Bühnen die Aufgabe stellen müsste und
stellen wird, abgesehen vom 19. Jahrhundert,
dessen Repertoire nebenbeigesagt reichliche
Striche vertragen würde, uns auch regel-
mässige historische Cyklen von den Meister-
werken des 18. und des 17. Jahrhunderts zu
bieten, welche in der Geschichte der Oper
Epoche gemacht haben, eine Aufgabe frei-
lich, die nur auf Grund reicher historischer
Kenntnisse, feinsten Geschmackes, sowie
mit liebevollster Sorgfalt in der Ein-
studierung von Werken, deren Stil wir erst
wieder verstehen lernen müssten, gelöst
werden könnte, darüber ist hier nicht der Ort
zu reden.*) Denjenigen aber, die da glauben,
*) Mit Entzücken lese ich, dass in Paris die
„Schola cantorum" unter d'Indy in diesem Winter
neben anderen Werken, darunter Gluck*s „Iphigenie
in Aulis", «Pincoronazione di Poppea" von Monte-
verdi (1642), wie schon früher den .Orfeo" (1607),
geben wird.
— 362 —
das Verschwinden von der Bühne enthalte ein
gerechtes Werturteil, das heisst, die Werke
des 17. und 18. Jahrhunderts, welche nicht
mehr gegeben werden, verdienten dies auch
nicht, gebe ich einstweilen zu bedenken, dass
es an sich unwahrscheinlich ist, dass man nur
im 19. Jahrhundert gute, zur Zeit eines Bach
oder Händel aber lediglich wertlose Opern
schreiben konnte. Glaubt man denn im Ernste,
die Monteverdi, A. Scarlatti, Rameau,
hätten keine Note geschrieben, die klingens-
wert wäre? die wert wäre, zum wenigsten
neben der — „Martha" oder dem „Trom-
peter von Säckingen** gehört zu werden?
Dass freilich die meisten Werke des 17. und
18. Jahrhimderts vergessenswert sind, teilt
diese Zeitperiode durchaus mit dem 19. Jahr-
hundert. Die angeregten historischen Cyklen
würden sich nur auf Werke zu erstrecken
haben, in denen mehr liegt, als der Zeit-
geist, in denen ein ewiger Funke ruht,
der eben seiner Ewigkeit wegen nicht ver-
dient, mit dem Zeitgeist unterzugehen.
Es liegt nicht in meiner Macht, vor dem
Auge des Lesers eine stilgerechte Aufführung
eines der besten Werke Guglielmis, etwa der
,due gemelli" (1787), vorüberziehen zu lassen,
was zweifellos die angemessenste Gedenk-
feier zu Ehren des vor 100 Jahren Verstor-
benen sein würde. Wir wollen darum
literarisch dem alten Meister möglichst nahe
zu kommen versuchen. Damit gewinnen wir
zugleich einen tieferen Einblick in die Ge-
schichte der komischen italienischen Oper,
denn Kunstgeschichte ist stets nur Betrachtung
einer Anzahl von hervorragenden Künstlern,
die einer vom andern gelernt haben, von
denen einer dem andern entgegengetreten ist.
Guglielmi wurde in Massa-Carrara im
Mai 1727 — der Tag ist nicht bekannt —
als Sohn des Giacomo Guglielmi, der
Kapellmeister im Dienste des Herzogs von
Modena war, geboren. Wir finden wieder
den Erfahrungssatz bestätigt, dass kaum je
ein bedeutendes musikalisches Talent von der
Natur in einer Generation hervorgebracht
worden ist, dass vielmehr das musikalische
Talent gleichsam schrittweise auf dem Wege
des Erbgangs entsteht und später, wenn es
im Verfolge der Generationen seinen Höhe-
punkt erreicht hat, sogleich wieder abnimmt
— man denke an Mozart, seinen Vater, und
seinen Sohn, der Familie Bach zu geschweigen.
Zwei der Söhne Pietro Guglielmis werden uns
■^och als Musiker begegnen. Im Alter von
18 Jahren kam Guglielmi nach Neapel auf
das Konservatorium Santa Maria di Loreto
und wurde dort Schüler Durantes. Er zeigte
sich jedoch dieser berühmten Anstalt — in
der er nach damaligem Brauche nicht nur
Unterricht, sondern auch Wohnung und Ver- !
pflegung erhielt — und seines grossen Lehrers .
zunächst recht unwürdig, indem er zu träge j
zum Arbeiten war und auch nur dürftige !
musikalische Anlagen zeigte. Es wird er-
zählt, dass Durante wiederholt bezüglich
Guglielmis geäussert habe: Di queste orrecchie
d*asino ne voglio fare orrecchie musicali
(Aus diesen Eselsohren will ich keine musi-
kalischen Ohren machen). Immerhin würde
diese drastische Beurteilimg beweisen, dass
etwas an Guglielmi dem grossen Lehrer auf-
gefallen war, dass jener also doch hoffnungs-
volle musikalische Keime sehen Hess. Damit
deckt es sich, dass Durante seinen ungelehr-
igen Schüler immer wieder bei den ersten
Kontrapunktübungen anfangen liess. Endlich
nahmen die Dinge eine günstige Wendung.
Es wurde ein Preis auf die beste 8 stimmige
Fuge, die einer der Zöglinge des Konser-
vatoriums schriebe, gesetzt. Am Tage vor
dem Ablieferungstermin hatte Guglielmi seine
Arbeit noch nicht begonnen. Dagegen störte
er die Aufmerksamkeit seiner eifrig an der
Arbeit sitzenden Mitschüler durch allerlei Un-
fug, und schliesslich wurde er von diesen
aus dem Arbeitssaal hinausgeworfen. Dieser
Schimpf aber liess ihm keine Ruhe und
stachelte alle seine Fähigkeiten auf. Er zog sich
in sein Zimmer zurück, arbeitete 30 Stunden
ohne Unterbrechung ' und hatte die Genug-
tuung, dass der alte Durante seine Fuge mit
dem Preise auszeichnete, indem er vor Freude
über die plötzliche Verwandlung seines Schülers
weinte und ausrief: „Ich habe mich also nicht
getäuscht! Ich habe aus ihm einen meiner
besten Schüler gemacht."
Im ganzen blieb Guglielmi etwa 9 Jahre
auf dem Loreto-Konservatorium. 1755 brachte
er dann in Turin seine erste Oper mit glän-
zendem Erfolge zur Aufführung. Allerdings
verwahrt das Kgl. Archiv in Neapel das Text-
buch einer Oper Chichibio, welche Guglielmi
1739, also im Alter von 12 Jahren, kom-
poniert haben soll. Näheres über diese
Jugendarbeit ist indessen nicht bekannt ; man
geht aber wohl nicht fehl, wenn man an-
nimmt, dass eben der Rückblick auf diese
Arbeit, die jedenfalls sein Vater überw'acht
hatte, Guglielmi dem strengen Studium unter
363
Durante sehr abhold sein Uess; andererseits
würde diese Jugendarbeit — die mit Rücksicht
auf die primitiven Formen der damaligen
Opemmusik gar nichts so unerhörtes bedeuten
würde — das Interesse erklären, das Durante
offensichtlich trotz seiner scheinbaren verächt-
lichen Ablehnung an seinem faulen und keine
Fortschritte zeigenden Schüler nahm.
Der glänzende Erfolg in Turin hatte die
gewünschte Nebenwirkung, dass jetzt Guglielmi
die Karriere eines italienischen Opemkompo-
nisten offen stand. Er erhielt aus den be-
deutendsten italienischen Städten Opemauf träge,
und wir finden ihn in den nächsten Jahren
bald hier, bald dort. 1762 wurde er nach
Venedig gerufen und brachte hier mehrere
Opern zur Aufführung. Sie vermehrten seinen
Ruhm so sehr, dass er über die Alpen ge-
nifen wurde, und wir finden ihn in den
nächsten Jahren als kurfürstlichen Kapell-
meister in Dresden, später in Braun-
schweig und 1772 — 1777 in London.
Ueberall wurde er mit Ehrenbezeugungen
und mit — Gold reich beschenkt, aber es
scheint, dass er in London schliesslich einer
Intrigue weichen musste, trotzdem hochge-
stellte Gönner ihn zu halten versuchten.
Im Alter von 50 Jahren kehrte er nach
Neapel zurück, aber es ging ihm in der
Heimat, wie manchem italienischen Künstler
seiner Zeit, der gleich ihm über die Alpen
gegangen war — z. B. wenige Jahre zuvor
Sarti — : man hatte ihn vergessen, seine
früheren Werke waren überholt, und er
musste sich aufs neue seinen Platz erobern.
In Neapel beherrschten zu jener Zeit jüngere
Meister die Bühne: Cimarosa und Paesiello.
Aber Guglielmi nahm den Kampf mit allen
Kräften auf, ja derselbe schien, wie schon
einmal im Konservatorium, als es galt zu
zeigen, dass er nicht ganz wertlos sei, seine
Kräfte zu steigern, und seine besten Werke
stammen aus jener Zeit, darunter die „Serva
innamorata" (1778) — die neben der bereits
genannten Oper „i due gemelli" später auch
in Paris gegeben worden ist — , „la pastorella
nobile" (1788), „La Didone" (1785) und „Le
vicende d'amore" (1784). Es wird berichtet,
dass Paesiello — nicht auch Cimarosa —
selbst niedrige Intrigue gegen Guglielmi nicht
gescheut hat, so einmal durch seine Anhänger
bei der Premiere eines Werkes von Guglielmi
so viel Lärm im Zuschauerraum machen
liess, dass man kaum der Musik folgen
konnte. Um die Möglichkeit dieses Trics
einzusehen, muss man die Gewohnheit eines
italienischen Theaterpublikums der damaligen
Zeit kennen, sich während der Auffühnmg
recht imgeniert zu unterhalten, insbesondere
z. B. bei der Ouvertüre. Guglielmi hatte
aber das Glück, dass während des ersten
Finales der König eintrat. Das Finale be-
gann von neuem, und es herrschte jetzt mit
Rücksicht auf die Anwesenheit des Königs
Ruhe; und gerade dieses Finale, „ein präch-
tiges Stück, voll von komischer Kraft**, wie
Fetis es beurteilt, erzielte einen solchen Ent-
husiasmus, dass der dirigierende Komponist
zum Schlüsse im Triumphe herumgetragen
wurde. Der Fürst von San-Severo, ein
leidenschaftlicher Musikliebhaber und ins-
besondere Verehrer der Werke von Guglielmi,
Cimarosa und Paesiello, soll einen originellen
Versuch gemacht haben, die drei streitbaren
Künstler zu versöhnen. Er lud sie nämlich,
wie erzählt wird, zu einem opulenten Gast-
mahle zusammen zu sich ein, liess sie sich
umarmen und sich Freundschaft geloben.
Wie dem auch sein mag, jedenfalls scheinen
die drei Komponisten eingesehen zu haben,
dass es im gemeinsamen Interesse für sie
lag, Frieden zu halten, und wir sehen sie
bald darauf im gemeinsamen Kampfe gegen
die Theateruntemehmer. Diese nämlich ver-
gaben Opemaufträge an den — mindest-
f ordernden Komponisten; Guglielmi, Cimarosa
und Paesiello aber kamen überein, keine Oper
unter 600 Dukaten (1 Dukat nach der Währung
des Königreichs Beider Sicilien ungefähr =
4 V4 lire, also 600 Dukaten etwa =- 2000 M.)
zu liefern, und da sie gemeinsam die Theater
beherrschten, konnten sie ihre Forderimg
durchsetzen. Dieser Preis 2000 M. für eine
Oper, den drei der berühmtesten Opemkom-
ponisten noch gemeinschaftlich erkämpfen
mussten, ist übrigens ein Koulissenblick in
die Theaterwirtschaft der damaligen Zeit, der
uns die Ursache der Massenproduktion leb-
haft vor Augen führt, selbst wenn wir den
höheren Wert des Geldes zur damaligen Zeit
mit in Betracht ziehen.
Als 1793 die Stellung eines Kapell-
meisters an der Peterskirche in Rom
vakant wurde, erhielt Guglielmi diesen hohen
Ehrenposten. Er lieferte ihm Gelegenheit,
für die Kirche zu komponieren und die Werke,
die er jetzt schuf, werden allgemein zu seinen
besten gezählt. Zingarelli (1752—1837),
sein Nachfolger als Kapellmeister der Peters-
kirche in Rom (1804—1811), betrachtete das
— 364
Oratorium „Debora e Sisara" als Guglielmis
Meisterwerk und äusserte sich überhaupt über
seinen Amts Vorgänger : „In hohem Alter zum
Kapellmeister von St. Peter gewählt, hat
Guglielmi doch noch viel gearbeitet, und
zwar immer mit seiner bewundernswerten
Klarheit, denn sein Stil war sehr rein und er
verstand es mit wenig Noten harmoniereich
zu sein." In dieser letzten Zeit schrieb
Guglielmi noch 2 grosse Opern für Neapel :
„il trionfo di Camillo* und „rAdmeto.** Von
Kirchenkompositionen sind noch die doppei-
chörigen Werke »laudate pueri* und „in
convertendo" hervorzuheben.
Er starb in rüstigem Greisenalter, mit
den Vorbereitungen zu einer Jagdpartie be-
schäftigt — einem Vergnügen, das er sehr
liebte — im Alter von 77 Jahren am 19. No-
vember 1804 in Rom.
(Schluss folgt.)
&ie fscbecbiscbe ^as!l<.
Von
Dr. Karl Storek.
(Fortsetztmg.)
So sticlite sich das angeborene Theatertalent
des slavischen Stammes auf auswärtigen Bühnen
ein Betätigungsfeld. Diese erhielten nicht nnr
eine sehr grosse Zahl bedeutender Sänger nnd
Sängerinnen ans dem Böhmerlande, sondern auch
eine beträchtliche Zahl schöpferischer Meister;
über deren Anpassungsfähigkeit braucht man sich
freilich bei der Intemationalität des damaligen
Musikstils nicht zu sehr zu verwundem. Ich nenne
nur einige charakteristische Beispiele. Johann
Mysliweczek (1797—81), der bei den Italienern so
grossen Erfolg gewann, dass sie ihn zu den ihren
zählten und ihn, ähnlich wie unseren Hasse, den
„Sassone'^, il Boemo nannten. Johann Medricky
(etwa 1760—1880) leistete sich das schwere Kunst-
stück, sich so sehr in den Wiener Volkscharakter
einzuleben, dass er mit seinen Singspielen »Der
Schlosser«, .Die Rose", .Die Rekruten*, .Der
letzte Bausch^* lebhaften Beifall gewann. Er er-
leichterte dabei den Wienern die Aussprache seines
Namens, indem er ihn in Mederitsch umwandelte,
wobei er freilich keine so getreue Uebersetzung
ins Deutsche gab, wie mit der latinisierten Form
seines Namens, die er für Kirchenmusik wählte,
wobei er sich G-alluB (der Hahn) nannte. Böhme
war auch der als Theoretiker noch heute wirksame
Anton Reicha (1770-1836), der in Paris mit Sym-
phonien freilich mehr Erfolg hatte, als mit den
komischen Opern .Kagliostro'' (1810) und .Sappho^
(1822). Mehr als Seltsamkeit ist zu erwähnen, dass
an den böhmischen Schulen vielfach lateinische
Opern zur Aufiührung kamen. Diese reichen bis
in den Beginn des 18. Jahrhunderts hinauf.
Der Schwerpunkt der böhmischem Komposition
im 18. Jahrhundert aber liegt in der katholischen
Kirchenmusik. Es ist nun eine gan^ eigen-
artige Erscheinung, die nur auf dem Hintergrund
einer ausgedehnten Darlegung der Kulturverhält-
nisse völlig verständlich wäre, dass diese böhmische
Kirchenmusik nicht nur ein Hort des ernstesten
deutschen Kirchenstils, wie er durch J. S. Bach
seine höchste Entfaltung erlebt hat, darstellt,
sondern gleichzeitig ein festes Bollwerk gegen die
allgemeine Verwelschung durch die italienische
Musik ist und ein Vertreter des germanischen
Ideals einer individualistischen und nationalen
Musik wird. Es ist klar, dass diese nationalen
Momente in der eigentlichen Kirchenmusik weniger
sichtbar werden, aber es war wertvoll genug, dass
der allgemeinen Ueberwucherung mit dem
italienischen Opernstil entgegengearbeitet wurde.
Das geschah zunächst mit dieser, von deutschem
Geiste erfüllten Elirchenmusik, die sich lange Zeit
in Böhmen treulich überlieferte. Auch das Prager
Konservatorium wirkte in diesem Geiste, und die
Programme der 1803 gegründeten .Tonkünstler-
sozietät^ in Prag weisen bis 1843 fast nur deutsche
Werke auf. Aber es ist andererseits auch unver-
kennbar, dass dieses Betonen eines eigenen Cha-
rakters in einem geographisch eng umschriebenen
Gebiete der späteren tschechisch-nationalen Musik-
bewegung einen günstigen Boden geschaffen hat.
Das entspricht freilich nur der allgemeinen Wirkung
der Anregungsarbeit deutschen Geistes. Gerade
weil in ihm das Recht der Persönlichkeit vor
allem cmderen betont wird, zeigt sich deutscher
Einfluss bei fremden Völkern nicht in einer
sklavischen Nachahmung des deutschen Vorbildes,
sondern in Betonung der eigenen Art. Man braucht
nur an die Wirkung der deutschen Romantik anf
die Literatur der anderen Völker zu denken.
Gleicherweise hat ja auch die aus deutschem
Wesen entwickelte symphonische Dichtun^^ überall
das Erwachen nationaler Programmmusik znr
Polge gehabt.
Hier in Böhmen trugen allerlei religiöse
Stimmungen und kulturelle Beziehungen dazu bei,
der katholischen Kirchenmusik zu einer ähnlichen
Bedeutung in Oesterreich zu verhelfen, wie die
evangelische Kirchenmusik Sachsen-Thüringens sie
— 365 —
für den Norden gewonnen hatte. Allerdings brachte
diese böhmische Kirchenmusik keine so gewaltigen
Persönlichkeiten hervor, wie Bach und Handel.
Genies gibt es in keiner Epoche in grosser Zahl,
aber sicher lag das auch daran, dass die zu einer
gewissen Objektivität zwingende katholische
Kirchenmusik die Entfaltung der Persönlichkeit
nicht 80 begünstigte, wie der Protestantismus, der
auch für seinen Kultus den Komponisten damals
eine subjektive Freiheit Hess, wie später nie mehr.
Vermag doch heute die evangelische Kirche für
Bach keinen Platz in ihrer Liturgie zu erübrigen.
(Alle diese Prägen werden reiflich untersucht in
einer gedankenreichen, nur allzusehr mit philo-
sophischen Exkursen beschwerten Studie von
Otto Schmid „Musik und Weltanschauung"
Leipzig 1901).
Als Vater dieser böhmischen katholischen
Kirchenmusik wird gefeiert der Franziskaner
Bohnslav Gzernohorsky (1684—1740), der in
einem längeren Aufenthalte in Italien die klassische
Kirchenmusik der Niederländer und Palestrinas
sich zu eigen gemacht hatte, aber danach auch
durch Johann Josef Fuz in die Geheimnisse
deutscher Kontrapunktik tief eingedrungen war.
£r verdient seinen Ehrennamen umsomehr, als er
ein väterlicher Erzieher jüngerer Talente war. Von
seinen Schülern schlugen der Oeiger Tartini
und unser Gluck andere Wege ein als ihr Lehrer.
Auf dem Gebiete der Kirchenmusik aber bewährte
sich Josef Seeger (1716—82), ein glänzender Or-
gamst und vorzüglicher Lehrer. Der geniale
Johann Zach (1699—1773) dagegen endete nach
dnem zerfahrenen, von falschem Ehrgeiz und
äusserlichem Virtuosentum zerrütteten Leben im
Irrenhause zu Bruchsal, wohin er aus seiner Stellung
als knrmaiuzischer Kapellmeister verbracht worden
war. Der bedeutendste von allen war Franz
Tuma (1704—74), den der grosse Fax noch in
seine strenge Schule nahm. Als Kammerkomponist
der verwitweten Kaiserin Elisabeth schuf er mit
eistanniicher Leichtigkeit eine Fülle musikalischer
Werke, die weit über die blosse kontrapunktische
Künstarbeit hinausreichen und einen starken perw
sönlichen Uehalt eines mit den Problemen des
Daseins schwer ringenden Geistes bekunden. Zumal
die Messen in d-moU und e-moll machen es be-
greiflich, dass ein Mozart, als ihm in Leipzig
J. S. Bachs gewaltige Persönlichkeit aufging, be>
Bonders lebhaft an den heimischen Tuma dachte.
Ans der grossen Zahl der übrigen nenne ich nur
noch Franz XaverBrixi(1732— 71) und Johann
Disma Zelenka (1679—1745). Des ersteren
Messen werden noch heute in Böhmen aufgeführt,
und von Zelenka haben sich einzelne Kompositionen
bis in die letzten Jahre in der Dresdener Hof-
kirche, wo er als Organist wirkte, gehalten. Er
bewährte sich auch in weltlicher Musik, und eine
köstliche Trompetensuite in f , die bei Breit köpf
nnd Härtel neu herausgegeben worden ist, ver-
diente ihres sonnigen Hxmiors wegen in unseren
Konzertprogrammen einen ständigen Platz zu er-
halten«
Nach den Worten des in Böhmen geborenen
grossen Musikhistorikers Ambros (1816—76), der
eine Zierde des Prager Konservatoriums war, blieb
in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts in Böhmen
„Mozatts Ansehen und Einfluss unbegrenzt. Man
hätte nichts dagegen gehabt, mit Mozart abzu-
schliessen'. Der Einfluss Beethovens war da-
gegen mehr äusserlicher Art. Es blieb also, wie
es sich beim Gesamtstand der tschechischen Kultur
fast von selbst versteht, die formale Musikauffassung
vorherrschend. Wir werden sehen, dass auch
später, als das „Dichten in Tönen* zum Programm
gemacht wurde, die tschechischen Komponisten im
Grunde in der alten Art stecken blieben, wie sie
auch eigentlich nicht aus der Oper zum Musik-
drama gelangt sind.
In der Geschichte der Oper bedeutet Mozart,
trotz aller äusseren Verwandtschaft mit der
italienischen, die Besiegung dieser durch die
deutsche. Der Sieg musste auf diese Weise mit
den Waffen des Feindes errungen werden, wenn
in einem Lande, dem es, nach Goethes Ausspruch
in „Dichtung und Wshrheit^, „niemals an Talenten,
wohl aber an nationalem Gehalt fehlte", dieser zur
Vorherrschaft gelangen sollte. Man musste die
eigene Nationalität erst in der fremden Form lieben
lernen, bevor man für sie die ihr entsprechende
Form schuf. Wie man über Beethovens „Fidelio*,
über Weber und Marschner in Wagner zu
dieser Form kam, gehört nicht hierher. Aber wir
halten fest, dass sich ein bewusster nationaler
Gehalt in der Musik am ersten in der Oper aus-
sprechen kann, weil hier die Dichtung, und sei es
sclüiesslich nur mit der Sprache, das nationale Be-
wusstsein bekundet Das braucht da durchaus noch
nichts von separatistischen Bestrebungen an sich
zu haben, hat überhaupt nichts von jener politischen
Stimmung, die so leicht aus der Behauptung des
eigenen Wertes zur Bekämpfung Jedes anderen
wird. Auch ist diese Bewegung von Jener
Systematik frei, die geiade in der Kunst der
Musik, die als Seelensprache über alle nationalen
Grenzen ganz natürlich hinauswächst, von Unheil
wird, weil sie die Entwicklung hemmt. Es ist nun
einmal nichts daran zu ändern, dass die Ent-
wicklung der Musik zur Kunst das Verdienst
weniger Kulturvölker ist. Treten nun neue Nationen
in den Wettbewerb der Kulturarbeit ein, so wäre
es von ihnen umso wahnwitziger, das bei ihnen
im Ruhezustand liegende Material von vornherein
dem in langer Kulturarbeit gesäuberten für gleich-
wertig zu erachten, als ihre Art der Bearbeitung
Ja eben von diesen Kulturvölkern übernommen ist.
Was will es schliesslich bedeuten, dass slavische
Komponisten die Motive ihrer symphonischen
Dichtungen ihrem Volksliederschatz entnehmen,
wenn die ganze Art der Verarbeitung und Be-
366 —
arbeltang, durch die aus dem Marmorblock erst die
Statae wird, der deutschen symphonischen Dichtung
entlehnt ist? Erst wo der Geist dieser künst-
lerischen Arbeit national wird — es ist bei einzelnen
dieser Komponisten der Fall — wird man von
wirklich nationaler Knnstarbeit sprechen können.
Alles andere ist nnr änsserlich, ist nur Körper,
nicht Seele. Anf diese aber kommt es an. Hier
liegt der innerste Qmnd, weshalb der grösste Teil
der nenslavischen Mnsik nns nichts rechtes sagt,
jedenfalls nicht mehr gibt, als die Volkslieder and
Tänze der betreffenden Nation.
(Fortaetznng folgt.)
]^cfoFtt)^orscb1äge zuf ^!o1li)pädagogl1<.
Von
Dai^obert lidwenthal.
Der nachstehende pädagogische Vorschlag be- können wir
zweckt für nnsere Geigenlehrer die Erreichung
einer gewissenhafteren, energischeren Unterweisung
und Durchführung der technisch so schwierigen
Grundlagen des G^eigenspie1s. ( Bogenhaltung,
Bogenführung, Bogeneinteilung und korrekten
Fingersatz.)
Zur Ehre meiner Kollegen muss ich es aus-
sprechen, dass von unmusikalischen, unrhyth-
mischen und technisch vollständig mangelhaften
Leistungen bei Streichinstrumentisten gewiss sehr
selten die Rede sein wird. Es ist höchst dankens-
wert, dass in diesen Blättern so oft gegen die eben
erwähnten schlechten Eigenschaften beim Klavier-
unterricht in erfolgreicher Weise zu Felde ge-
zogen wird; die pädagogische Frage liegt aber beim
Geigenunterricht vielfach anders. Jemand, der
ein Streichinstrument spielt, ist schon von Anfang an
auf das Zusammenspieien mit anderen Instrumenten,
besonders Piano, angewiesen und wird dadurch
schneller und gründlicher musi-
kalisch; zweitens aber wirken die Orchester der
Jetztzeit, besonders in Deutschland, in musikivlischer
und technischer Beziehung durchaus erzieherisch.
Orchester ersten BAuges unter grossen Dirigenten,
in denen überhaupt nur vorzügliche Spieler ange-
nommen werden, brauchten hier eigentlich kaum
genannt zu werden. Nun bekommt man aber von
vielen unserer Theater-, Infanterie-, Stadt- und
Bade-Kapellen solch* b r a v e Leistungen zu hören,
dass wir heutzutage entschieden jedem guten
Orchesterspieler eine grosse Achtung ent-
gegenzubringen haben.
Das Orchester ist aber für die meisten Streich-
instrumentisten eine Notwendigkeit zu ihrem
Lebensunterhalt. Der Unterricht ist ihnen
nur eine, wenn auch nicht immer erwtlnschte.
aber notwendigeNebenbeschäftigung.
Wer eine lange Vormittags-Orchester-Probe oder
ermüdenden Militärdienst hinter sich hat und
abends wieder in die Arbeit muss, von dem ist
nicht immer zu verlangen, dass er dem Kratzen
verschiedener Anfänger gegenüber Freudigkeit und
Liebe zur Sache in die Stunde mitbringen soll.
Aber Gewissenhaftigkeit und Energie
entschieden verlangen, wenn der
ganze Stand des Lehrers, den auch wir
immer mehr zn heben wünschen, nicht darunter
leiden soll. Es sind daher wiederholentlich
Probe-Lektionen im Unterrichte für An-
fänger wie für Vorgeschrittene dringend erforder-
lich. Wer nur zu oft Schüler bekommen hat, die
schon früher einen oder sogar mehrere andere
Lehrer hatten, könnte eine Anzahl von Karrika-
turen zeichnen, die die Leutchen bei ihrer Bogen-
haltung und -führung bilden. Der Eine fasst den
Bogen wie eine Holzaxt an, der Andere zappelt
mit den 4 Fingern auf der Bogenstange hemm,
wie ein FJötenbläser auf seinen Klappen, und
glaubt, er spiele mit losem Handgelenk.
Von der Bogenrichtung, die dicht an der
rechten Hüfte oder am linken Auge vorbeiführt,
mag man schon gamicht weiter reden. — Die
Literatur für kleine Anfänger ist eine so hübsche,
musikalische und reichhaltige geworden, dass der
Lehrer nur die in diesen Blättern besprochenen
Sachen allein zu verfolgen nötig hätte, er würde
dann sehen, dass man den kleinen Schüler immer
von neuem anregen und doch mit eiserner Energie
die Fundamente des Geigenunterrichtes durchführen
kann. Es kommt ja vor, dass der Eine oder Andere
aus einer sog. Lehre oder kleinen Stadtkapelle
hervorgegangene Geiger seine Technik hauptsach-
lich im Orchester erlangt hat; dass solche Leute
ein Seminar besuchen müssen, ist vollständig ge-
rechtfertigt; man kann keinen vorgerückteren
Schüler unterweisen, wenn man das Studienmaterial
und die Musikstücke nicht selbst gründlich musi-
kalisch und technisch beherrschen kann.
Aber selbst Geigern, die früher einen wirklich
guten Unterricht genossen haben, würde ein Re-
petitionskursus im Lehrer-Seminar durchaus nütz-
lich sein. Es wäre zu wünschen, dass die Leiter
der an den deutschen Konservatorien bestehenden
Seminare, auf denen heut fast ausschliesslich
Klavierlehrer ausgebildet werden, ihr Augenmerk
auch der Ausbildung von Violinlehrern zuwen-
deten. Sie bedürfen der methodischen und päda-
gogischen Schulung und der vertieften musikwissen-
schaftlichen Bildung genau so wie der Klavierlehrer.
— 367 —
= Kritische Bückschan :
über Konsert und Oper.
Von
Dr. Karl Storek.
Die diesjährige Konzertsaison scheint in der
Masse der Darbietungen die früheren noch über-
bieten zu sollen. Die ersten vier Wochen brachten
durchweg 24 bis 90 Konzerte. £s ist allmählich
für den einzelnen, zumal noch ein neues Opernhaus
hinzugekommen ist, ganz unmöglich, dem öffent-
lichen musikalischen Leben in seinen Einzel-
erscheinungen zu folgen. Dies ist aUerdings auch
nicht notwendig, denn ein grosser Teil dieser Kon-
zerte — ich rede noch gamicht von denen, der
übeihanpt noch nicht konzertberechtigten Anfänger,
sondern ich meine Jene, die für das Publikum von
Interesse sind — gehen die Kritik nichts an. Es
sind das die zahlreichen Veranstaltungen aner-
kannter oder doch tüchtiger Künstler, die all-
jährlich ihr Konzert zu geben pflegen, ohne dass
sie sich bemühen, in ihrem Programm das neue
Schaffen so heranzuziehen, dass von diesem Ge-
sichtspunkt aus der Kritiker ihre Darbietungen
beurteilen müsste. In diesem Fall genügt es dann
eben zu sagen, dass die Betreffenden ihr Konzert
gegeben haben. Schlinmier als diese Ueberfüllung,
die ja in gewisser Hinsicht dem Bedarf an musi-
kalischen Veranstaltungen entgegenkommt, ist es
mit den zahlreichen Konzertnovizen bestellt. Die Art,
wie diese sich der Oeffentllchkeit vorstellen, ist so
unverantwortlich, dass man immer nur mit einem
geheimen Bangen In ein Konzert geht, dessen Ver-
austalter einem noch nicht bekannt ist. Die Pro-
gramme sind durchweg von furchtbarer Oede,
bringen nur das ohnehin allzu oft öffentlich Ge-
spielte und bringen dieses zumeist durchaus nicht
in der selbsterarbeiteten Auffassung des Konzert -
gebers, sondern in der seines Lehrers. Es lässt
sich also, selbst bei ausgiebigem Anhören eines
solchen Konzerts, in der Regel nur über die
äusseren technischen Pählgkeiten urteilen.
Und wie mühselig meistens diese Programme
zusammengeklittert sind, um nur die zwei Konzert-
stunden einigermassen anständig auüBzufüllen! Hier
sollte, da wir, wie mir scheint, uns doch einmal
dleseu Prüfungskonzerten nicht entziehen können,
eine Neuerung platzgreifen, die die Konzert-
direktion Hermann Wolff in grösserem Bahmen
bereits eingeführt hat, nämlich das Zusammen-
wirken mehrerer Künstler an einem Konzertabend,
wobei dann jeder nur ein oder zwei Nummern des
Programms zu bestreiten hätte. An den soge-
uannten ^Künstlerabenden'^ der genannten Konzert-
direktion treten in dem grossen Bahmen der Phil-
harmonie gleich mehrere, hier noch unbekannte
Solisten auf, die anderswo sich bereits Beachtung
▼orschafft haben. Durch Hinzuziehung eines
bereits bewährten Künstlers wird dafür gesorgt,
dass das Publikum sicher auf seine Kosten kommt.
Am ersten Abend war der Klavierspieler Baoul
Pugno dieser „sichere** Mann. Er bewährte seinen
Buf im glänzenden Vortrag des vor allem in den
zwei ersten Sätzen charakteristischen A-moll Kon-
zerts von Edvard Grieg. Enttäuscht haben da-
gegen die Schwestern Emllle und Gabriele
Christman von der Petersburger Hof oper. Keine
von beiden besitzt die ausreichende Koloratur-
technik, um solche VirtnosenstÜcke, wie die
„Wahnsinnsarie'* aus der „Lucia von Lanmiermoor*'
oder die „Glöckchenarie** aus „Lakme** vorführen
zu können. Der Triller ist sehr ungleich, die Stac-
catis setzen zu schwer an; die Stimme ist in der
Höhe sehr scharf, der besseren Mittellage fehlt
jeder Glanz. Das urteil gilt für beide Damen.
Ihre Stimmen haben eine merk würdige Aehnlichkeit,
ebenso wie die äussere Erscheinung — und darauf
beruht wohl der ganze Witz ihrer Berühmtheit.
Das Theater wäre aber eher der Ort, an dem ein
solcher Witz verstanden würde.
Ein sehr tüchtiger Violintechniker ist dagegen
Jaroslaw Kocian. Ich habe das virtuose Bei-
werk in Paganinis „D-dur Konzert" .noch nie so
gut gehört. Die Doppelgriffe waren glockenrein,
die Pizzlcati und Gllssandi u. s. w. vollendet.
Leider verdarb sich der Künstler die Wirkung
durch eine völlig unzulängliche Behandlung des
rein Musikalischen, was am schlimmsten in einer
endlos langen Kadenz zu Tage trat.
Das Ergebnis dieses ersten Künstlerabends
war trotz alledem immerhin noch besser als das
des „zweiten philharmonischen Konzerts*',
trotzdem diese Bewährtes bringen sollten. Aber
das war ein recht verlorener Abend. Für Beet-
hovens knorrige „Coriolan-Ouverture" ist Ni-
ki seh nicht der rechte Mann. Die Orchester-
neuheit „Istar" von Vincent d'Indy zeigte von
neuem, dass die französischen Komponisten der
Gegenwart die „symphonische Dichtung" sehr
äusserlich auffassen. Mendelssohns dagegen
reiche „italienische Symphonie*' ist doch nicht ge-
haltreich genug, um für einen sonst leeren Abend
zu entschädigen. Denn der Sollst Eugene Ysaye
leistete sich eine ganz unmögliche üebersetzung
des Bachschen E-dur Konzerts in französisches
Virtuosentum. Ausserdem spielte er zwei kleinere
Stücke von Ghausson und St.-Saens — das
letztere hatte er sich selbst bearbeitet, — die ge-
radezu bösartig flach waren. Dass Ysaye ein
glänzender Virtuose mit berückend schönem Ton
ist, zeigte sich übrigens auch dieses Mal. So blieb
dieses zweite philharmonische Konzert weit hinter
dem ersten zurück, das durch die Wiederholung
— 368 —
von Brackners gewaltiger „neunter Symphonie*'
seine Bedentang erhielt. Ich habe über das glän-
zende Werk im letzten Jahre an dieser Stelle aus-
führlich gehandelt, und möchte mich nicht wieder-
holen. Das aber müsste ich mit allerdings noch
gesteigertem Ausdruck der Bewunderung für den
tiefgehenden Eindruck, den mir das Werk bei
dieser zweiten Aufführung in noch viel stärkerem
Masse gemacht hat, als beim erstenmale. Die
breitere Zuhörerschaft scheint sich allerdings nur
sehr schwer zu dieser seltsam knorrigen und doch
wieder so harmlos kindlichen Natur hinanzuünden.
Daneben brachte das Konzert eine aus dem
Nachlass herausgegebene „Serenade*' von Hugo
Wolf. Ein niedliches, durch graziöse Feinarbeit
ausgezeichnetes Werk, das freilich durch die ge-
waltige Nachbarschaft mit Brückners Symphonie
erdrückt wurde, einen andererseits aber doch
wieder vor die Frage stellt, wie es denn nur mög-
ich ist, dass solche Werke anfangs durchaus
nicht den Weg in die Oeffentlichkeit finden können,
wo sie doch in keiner Hinsicht Schwierigkeiten
bereiten, weder für die Aufführung, noch ftLr die
Aufnahme. Aber das scheint nun einmal Geschick
unserer deutschen Komponisten zu sein, dass man
ihnen erst in der rechten Stimmung gegenübertritt,
wenn sie gestorben sind. Nun ist man nur allzu
eifrig dabei, die hinterlasseiien Werke Hugo Wolfs
für den Konzertsaal zu erobern. Ich möchte sogar
sagen, dass man damit manchmal dem Andenken
des Komponisten unrecht tut, denn es ist sicher,
dass er sein Bestes doch in den Liedern gegeben
hat. Ganz anders aber liegt die Sache, wenn man
sich fragt, was wohl dieser Komponist geleistet
hätte, wenn er bereits zu Lebzeiten diese eifrige
Förderung erfahren hätte. Sicherlich wäre da-
durch unsere symphonische Literatur, das beweist
die jyPenthesilea" ja mit jedem Takte, um wert-
volle Werke bereichert worden. Der Solist dieses
ersten philharmonischen Konzerts war Dr. Felix
Kraus, der für den erkrankten van Boy einge-
sprungen war und leider ebenfalls die von diesem an-
gekündigte Schlussscene aus Wagners „Walküre"
sang. Ich sehe nicht ein, weshalb man dieses so
durchaus auf die Bühne berechnete und nur dort zu
voller Wirkung gelangende Stück in den Konzert-
saal zerrt, wo doch allen die Möglichkeit geboten ist,
es an der Stelle zu hören, für die es bestimmt ist.
Von den übrigen orchestralen Veranstaltungen
gaben die beiden ersten Symphonieabende der
königlichen Kapelle zu keinen weiteren Bemer-
kungen Veranlassung. Es wurden nur erprobte
Werke gespielt und diese in der bei dieser Körper-
schaft fast selbstverständlich gewordenen Voll-
endung ausgeführt. Zu verzeichnen wäre, dass
das Publikum in fast leidenschaftlicher Weise kund
tat, dass es seinen Weingartner behalten will; die
Kritik ist in der angenehmen Lage, sich diesem
Wunsche von Herzen anschliessen zu können.
Sehr grosses Interesse weckten die beiden
Konzerte des Lamoureux-Orchesters aus Paris.
Die um die Verbreitung deutscher Musik, zumal
die Wagners, hochverdiente Kapelle bewährte sich
bei diesen Konzerten als eine der besten Ver-
einigungen, die es überhaupt gibt. Der Unter-
schied gegenüber unseren besten deutschen Ka-
pellen sprang dabei scharf in die Augen. Im
Gegensatz zu unseren Vereinigungen von Künstlern
haben wir hier eine Kunstvereinigung. Einzelne
der Mitglieder treten nirgends hervor. Die Schu-
lung ist von militärischer Exaktheit. Am ver-
blüffendsten wirkt der gleichmässige Strich der
Geiger, die auch bei stärkster Kraftentfaltung auf
Schönheit des Klanges bedacht sind. Ich glaube
gern, dass dieses Orchester einem Dirigenten das
denkbar willkommenste Werkzeug ist, denn es hat
keinen eigenen Willen. Der Dirigent des Or-
chesters, Camille Chevillard, ist nun allerdings
selber keiner von den Subjektiven; er ist eine ein-
fache Natur, die die Wirkung im wesentlichen
durch den Gegensatz der Dynamik anstrebt.
Beethoven wie Schumann blieb er viel schuldig,
indem er sie allzu sehr von der bloss formalen
Seite nahm, schlechthin vollendet dagegen waren
die Vorträge Wagnerscher Werke, bei dem die
grosse Linienführung des architektonischen Auf-
baues mit überzeugender Kraft in Erscheinung
trat. Ausserdem führte das Orchester eine grössere
Zahl von Werken neuerer französischer Kompo-
nisten auf, von denen aber auch nicht ein einziges
einen stärkeren Eindruck zu hinterlassen vermochte.
Die Darbietungen der Vereinigung wurden mit
reichem Beifall überschüttet, der wohl noch stärker
gewesen wäre, wenn nicht die ausserordentlich
schlechte Akustik des grossen Konzertsaales in der
Königlichen Hochschule dem Orchesterklang da-
durch gefährlich geworden wäre, dass bei starker
ELlangentwicklung die Töne solange nachhallen,
dass sie sich mit den folgenden verwischen und
vermengen.
Mitteilungen
von HoohBohulen und KonserYatorien.
Die Hochschule ftLr Musik in Mannheim, zu führen und wird in diesem Winter eine Folge
Direktor W. Bopp, hat es sich zur Aufgabe systematischer Vorträge über Fragen bringen,
gestellt, Meisterwerke alter und neuer Zeit dem welche zum Verständnis der Kunstwerke beitragen.
Verständnis des musikliebenden Publikums näher Unter dem Titel „Enzyklopädie der Musik^ werden
— 369 —
müfiikgeschichtliclie, theoretische und andere Fragen
der Tonknnst zur Erörterong kommen. In Aassicht
genommen sind folgende Vorträge: 1, Zur G^
schichte des Klaviers and der Klaviermasik. 2. Die
Bifite des italienischen Konstgesanges. 3. bis 8.
Die VereinigoDg der Pormen za grösseren Gebilden:
a) Messe, Oratoriam, Oper; b) Sonate, Symphonie,
Onvertäre. 9. Die Vereinigang der verschiedenen
Künste zom Qesamtknnstwerk: Falestrina, Seb.
Bach, Gluck, Wagner. Die Vorträge finden an
jedem Donnerstage im neuen Vortragssaal der
flochschule für Musik statt.
Die Eönigl. Musikschule zu Wtirzburg,
Direktor Hofrat Dr. Kliebert, hat ihre die»-
winterlichen Kammermusikvorträge mit einem
Konzert des böhmischen Streichquartetts eröffnet.
Ausser Mozart's d-moU und Schumann's A-dur
Streichquartett kam ein Qaartett von Josef Suk,
des zweiten Geigers der Böhmen, zum Vortrag, das
durch seine originelle Erfindung und fesselnde
Klangwirkungen grossen Beifall fand.
Die Itollfass'sche „Musik-Akademie für
Damen** zu Dresden, Direktor Gastav Schu-
mann, versendet ihren Bericht über die Schuljahre
1902—1904. Die Alcademie hat in diesem Jahre,
14. September, den Verlust ihres einstigen Be-
gründers, Prof. Bernhard HoUfuss zu beklagen,
der, wenn er auch die Leitung seiner Anstalt seit
11 Jahren Gustav Schumann übertragen hatte,
derselben doch stets als Berater zur Seite blieb und
ihr seine künstlerische Unterstützung bis zu seinem
Ende widmete. In dem Bericht wird dem Ver-
storbenen von dem Musikschriftsteller Otto
Schroid ein warmer Nachruf gewidmet — Die
Anstalt war in den letzten beiden Jahren von
155 Schülerinnen besucht, Unterrichtsfächer der
Anstalt sind E^lavier, Violine, Solo- und Chorgesang,
Theorie und Musikgeschichte. Die Auswahl der
in den 16 Vortragsabenden zu Gehör gekommenen
Kompositionen, deren Programme der Bericht ver-
öffentlicht, zeugte von echt künstlerischem
Geschmack; klassische und moderne Musik, letztere
in feinsinniger Auswahl, sind in gleicher Weise
vertreten.
Vermischte Nachrichten.
Professor Rudolf Palme Lat am 23. Oktober
zu Magdeburg seinen 70. Geburtstag in voller
körperlicher und geistiger Frische gefeiert. £r ist
seit Jahrzehnten in Magdeburg als Musikpädagoge
und Organist an der Heil. Geistkirche tätig. Mit
stiller, aber segensreicher Arbeit hat Palme der
Kunst und seinem Beruf gedient. Seine Sammel-
werke für gemischten Chor, Männerchor und
Schalen sind nicht nur weit über Magdeburgs
Maaem eingebürgert, sondern haben auch jenseits
des Ozeans viele Verehrer gefunden. Treffliche
Kompositionen, Chöre und namentlich Orgelwerke,
geben Zeugnis von seinem Schaffen rtnd Können.
Gross ist die Schar der Schüler, die Palmes strengen
nnd gewissenhaften Unterricht genossen haben
und die ihm dafür heute noch Dank wissen.
Aeossere Anerkennung und Ehrungen wurden ihm
zu Teil: 1880 wurde Palme zum königl. Musik-
direktor ernannt, 1899 erhielt er den Titel eines
Professors der Musik.
Im Musik-Salon Bertrand Both zu Dresden
waren die 53. und 64. Aufführung zeit-
genössischen Tonwerken gewidmet. Werke von
Hans xmd Ingeborg von Bronsart füllten den
einen Abend, der zweite brachte Schöpfungen von
Philipp Scharwenka, Bichard Strauss und
Hugo Kaun.
Wie verlautet hat Felix Weingartner seine
Entlassung als kgl. Kapellmeister und Dirigent der
äinfoniekonzerte des kgl. Orchesters nachgesucht,
80 dass wahrscheinlich die gegenwärtige Saison
die letzte sein wird, in der der geniale Dirigent in
Berlin tätig ist. Es braucht nicht gesagt werden,
dass Weingartners Bücktritt von der Leitung
der Sinfoniekonzerte im Opemhause einen un-
ersetzlichen Verlust bedeutet.
Prof. Wilhelm Weber, der Leiter des
Oratorien Vereins zu Augsburg, lässt den Auf-
führungen regelmässig eingehende Erläuterungen
der zum Vortrage kommenden Werke in den Tages-
zeitungen vorangehen.
Die Berliner Barthsche Madrigal-
Vereinigung brachte in ihrem ersten Konzert
am 20. Okt. klassische Madrigale des 16. und 17.
Jahrhunderts und zwei für Berlin neue Gesänge
aus den „Kim es italiennes** von Sweelinck für
drei Frauenstimmen mit Harfenbegleitung zu Gehör.
Die Beichsmusikbibliothek scheint nun
doch ihrer Verwirklichung entgegenzugehen.
Nachdem der Vorstand des Vereins der deutschen
Musikalienhändler prinzipiell sich für Errichtung
der von der deutschen Weltflrma Breitkopf n.
Härtel im Verein mit dem Oberbibliothekar
Dr. Wilhelm Altmann angestrebten Eeichsmusik-
bibliothek ausgesprochen bat, werden die Mitglieder
des Vereins jetzt aufgefordert, ihre Verlags werke
der zu errichtenden Bibliothek zur Verfügung zu
stellen. Da nach den bisherigen Verhandlungen sich
kaum eine Firma ausschliessen dürfte, wird der
Verein, deren Vorsitzender Kommerzienrat Felix
Siegel sich auch besonders für die Idee dieser
Einrichtung interessiert, baldigst die massgebenden
Stellen im Beiche ersuchen können, die Unter-
haltung der in freiwilliger Spende dargebrachten
Schätze zu übernehmen. Es ist kaum anzunehmen,
dass die Beichsregierung dieses grossartige
— 370 —
Geschenk aoBSchlagen wird, zamal da die Not-
wendigkeit einer Seichsmusikbibliothek als ein
Knltnrbedfirfnis seitens des deutschen Volkes
erfasst worden ist.
Am 25. Oktober starb zu Paris, 77 Jahre alfr,
Maria Teresa Milanollo, eine der berühmtesten
Violinvirtuosinnen ihrer 2^it, die mit ihrer lungeren
Schwester Maria Margher ita einst ganz Europa
bereiste und in Entzücken versetzte. Am
28. August 1827 in Savigliano in Piemont geboren,
begann sie, erst 8 Jahre alt, ihre Virtuosenlaufbahn
in Marseille. An Lafont in Paris empfohlen, ward
sie dessen Schülerin; nach verschiedenen erfolg-
reichen Konzerten, die ihr Lehrer mit ihr in Paris,
in Belgien, in Holland und in England veranstaltet
hatte, studierte sie weiter bei Mori, einem Schüler
Viottis, kehrte nach Frankreich zurück, wo sie mit
ihrer von ihr unterrichteten sechsjährigen Schwester
Maria Margberita öffentlich auftrat, weitere Studien
bei Habeneck betrieb und am 18. April 1841 mit
unerhörtem Erfolge im Konzert des Konservatoriums
spielte. Von da ab begannen die Triumphreisen
der beiden Schwestern durch Europa. Nach dem
plötzlichen Tode ihrer kaum 16 Jahre alt gewordenen
Schwester zog sich Teresa Milanollo auf längere
Zeit von der Oeffentlichkeit zurUck, konzertierte
dann aber wieder bis 1857, wo sie den damaligen
Hauptmann, jetzigen General Parmentier heiratete
und damit ihre öffentliche Karriere beschloss.
Die von der Genossenschaft Deut-
scher Tonsetzer im vorigen Jahr gegründete
Anstalt für musikalisches Auffüh-
rungsrecht ist bei ihrem ersten Auftreten in
der Oeffentlichkeit einem lebhaften Widerstände
begegnet, der indessen jetzt schon bei den ernsten
Elementen der deutschen Musikpflege einer ein-
sichtigen Würdigung der Bestrebungen der Ge-
nossenschaft Platz gemacht hat. Von den Musik-
instituten, die anfänglich das Bestreben der Ge-
nossenschaft als eine Schädigung der deutschen
Musikpflege angesehen hatten, haben nunmehr die
hervorragendsten erkannt, dass ihre Befürchtungen
auf einem Missverständnisse beruhten und dann
nicht gezögert, einen Pansch vertrag mit der Ge-
nossenschaft abzuschliessen. Aus dieser Gruppe
sind zu nennen: Die G^wandhauskonzertdirektion in
Leipzig, die Gürzenichgesellschaft in Köln, die
Königl. Kapellen in Berlin und Dresden, die
Konzertdirektion Wolff in Berlin, der Verein der
Musikfreunde in Lübeck, die Mannheimer Akademie,
die städtischen Orchester in Elberfeld, Barmen,
Magdeburg, Düren, Heidelberg, die Kur- und
Badeverwaltungen in Wiesbaden, Nordemey
ReichenHall, Kolberg, Wyck, Zinnowitz, Trave-
münde usw. Ausserdem haben eine grosse Anzahl
von Zivil- und Militärkapellen, Etablissements,
Theater- und Variötö-Direktoren, einzelne Künstler
und Künstlervereinigungen ein gütliches Abkommen
mit der Anstalt getroffen. Besonders ist hervor-
zuheben, dass auch die Gesangvereine der Anstalt
verständnisvoll entgegengekommen sind. Nachdem
schon der Schlesische Sängerbund mit dem guten
Beispiel vorangegangen war, für seine Mitglieder
eine korporative Verständigung mit der Genossen-
schaft zu treffen, hat nunmehr auch der Gesamt-
ausschuss des grossen Deutschen Sängerbundes den
Beschluss gefasst, seinen Vereinen zu empfehlen,
ihre bisherige abwartende Stellung aufzugeben und
sich mit der Genossenschaft zu verständigen.
Erfreulicherweise hat sich in den führenden Knagen.
der deutschen Muoikpflege der Umschwung zn-
gunsten der Genossenschaft Deutscher Tonsetzer
in überraschend kurzer Zeit vollzogen. Die Ent-
wicklung, welche die Wirksamkeit der Anstalt
genommen hat, lässt schon Jetzt einen günstägen
Jahresabschluss erwarten.
üeber „Eine neue Kinder-Musikzeitung'
wird aus Paris geschrieben: Dass der Pranzose
ein grosser Kinderfreund ist, erkennt man schon an
seiner Vorliebe für alles Spielerische im Kunst-
gewerbe und in der Musik. Menuett, Musiquette,
Operette — das sind spezifisch französische Musik«
gattungen. Es ist daher nicht zu verwundem,
wenn er auch auf dem Gebiet der Jugend-Musik-
Zeitung originelle Wege geht. Seit kurzem erscheint
ein neues „Journal des petits Musiciens^^ unter dem
Titel „Miousic" (bei Enoch & Cie, Paris, 27 Bou-
levard des Italiens). Die erste Seite der ersten
Nummer ziert die Imitation eines zeitgenössischen
Stiches, „Mozart als Kind an dem Spinett" dar-
stellend. Eine ganze Beihe von Artikeln sollen
die Kindheit grosser Musiker behandeln. Ferner
bringt das Blatt kleine Singspiele, Erzählungen,
Musikbeilagen (nur leicht spiel bar). Eine Spe-
zialität sind musikalische Bilderrätsel, deren richtige
Lösung einen Preis verleiht, und andere Preis-
bewerbungen. Eine originelle Rubrik, die der
Nachahmung in Deutschland za empfehlen wäre,
bilden Anweisungen zur eigenhändigen Herstellung
kleiner Musikinstrumente.
Aus London wird berichtet: Die Nachricht,
dass die seit Jahren verlorene Partitur von
Richard Wagner's Ouvertüre .Rule Bri-
tannia" von Herrn Cyrus Gamble in der Stadt
Leicester aufgefunden wurde, hat grosses Aufsehen
erregt, nicht nur in der musikalischen Welt sondern
besonders in Grossbritannien, wo der Verlast schon
seit Jahren beklagt und bereut worden ist. Der
ernste Wunsch des britischen Volkes, die schöne
alte Ode zur Ehre Grossbtitanniens endlich hören
zu dürfen, und zwar vom grössten musikalischen
Genius der ganzen Welt für Orchester komponiert,
wird nun Erfüllung finden. „Rule Britannia"* wird
jetzt dem britiscüen Volke zum zweiten Maie
gegeben werden. Ihre eigenen Wünsche, das
jugendliche Werk des Meisters der Oeffentlichkeit
zu entziehen, hat nun Frau Cosima Wagner mit
grosser Liebenswürdigkeit ausser acht gelassen,
und hat der Londoner Firma Metzler and Oo.
sämtliche Rechte der Anffüiirong and Veroffent-
— 371 —
iichang' für die ganze Welt Übertragen. Das Lied
,RnIe Britannla*^ wnrde im Jahre 1740 von
Dr. Arne für sein Maskenspiel „Alfred' zur Ehre
det Thronbeeteigangsfeier Georg's des Ersten kom-
poniert nnd wnrde bald die beliebteste britische
politische Hymne. Wagner soll selbst gesagt
haben, dass der ganze Charakter des britischen
Volkes in den ersten acht Noten derselben ein-
verleibt wäre. Die Geschichte der Wagnerschen
Partitur, insofern sie bekannt, ist sehr interessant.
Die Skizze ftlr die Ouvertüre, welche im Archiv
za Bayreuth lieg^, wurde im Jahre 183B entworfen,
nnd die Partitur erst März 1837 in Königsberg
komponiert. „Knie Britanuia*^ kam dort einmal
nnd später in Biga unter Wagners Leitung zur
Aufführung. Als Wagner London im Jahre 1839
zum ersten Male flüchtig aaf einer Beise von Biga
nach Paris besuchte, wurde die Partitur der
„Philharmonischen Gesellschaft^* London übergeben
in der Hoffnung, dass das Werk aufgeführt würde.
Diese Hoffnung fand leider keine Verwirklichung
und die Partitur wurde nach Wagner's Wohnung
geschickt. Der Wirt sandte das Manuskript un-
frankiert nach Paris, und da Wagner den teueren
Portobetrag nicht bezahlen wollte, nahm er das
Packet nicht an. Die weitere Geschichte der
abgewiesenen Sendung und wie die Partitur in
den Besitz des alten Musikers Thomas gelangt, ist
unbekannt. Bei der Versteigerung von Thomas'
Effekten im Jahre 1892 kaufte Mr. Cyms Gamble
einen Wagen voll Musikalien, worunter er erst im
Mai d. J das kostbare Original entdeckte.
Die Weltflrma Julius Blüthner in Leipzig,
die auf der Weltausstellung St. Louis sowohl im
Leipziger Musikzimmer als auch im Deutschen Hause
mit ihren Flügeln und Pianinos vertreten ist, hat für
ihre ausgezeichneten Leistungen auf dem Gebiete
des Instrumentenbaues den Grand prix erhalten.
Bücher und Musikalien.
loiitz Hoszkowskj: Schule der Doppelgriffe.
Eaoek A Co., Pftria.
Ein sehr anregendes Werk! Die Schule zer-
fallt in drei Teile, die zaerst die Doppelgriffskalen,
dann XJebungen, endlich vier grosse Originaletüden
bringen. Von Franz Kullak besitzen wir ein
ähnliches Werk: „Die höhere Elaviertechnik''
(F. E. C. Leukart, Leipzig), dttö theoretisch ein-
gehender ist. Moszkowsky gibt aber ganz neue,
eigene Fingersätze für Terzentonleitem , die
höchste Beachtung verdienen. Auch die XJebun-
gen sind sehr anregend, namentlich wenn Passagen
aas bekannten Werken Chopin's, Schumann's be-
natzt werden. Die Etüden sind, wie alle Kompo-
sitionen des bekannten Salonkomponisten :
pianistisch glatt, wohlklingend, oberflächlich.
Rafael Joseffj; „School of advanced piano playing".
▲. Sflktmer, New-Tork, und F. Hofmeister, Leipilff.
Eins der geistreichsten Studienwerke, die seit
Tansig und Liszt erschienen sind, hat Joseffy
in obiger Schule geschaffen. Sein Werk enthält
nicht nur vereinzelte geistreiche Kombinationen,
wie das Tausig'sche, sondern wie das Liszt'sche
eine vollständige Sammlung von allen Grund-
formen der Klaviertechnik in systematischer Ein-
teilang, aber weit ausführlicher als Liszt^s Werk,
das wir leider nur fragmentarisch besitzen, da
eine „gewissenhafte" Schülerin den Best — ver-
loren hat.
Joseffy zeigt wahrhaft erfinderischen Geist.
Fast alles ist neu — was nicht wenig sagen will
auf diesem Felde — und wenig ist unentbehrlich.
Die XJebungen sind inmier mit Scharfsinn ausge-
dacht, um ihren Zweck auf dem direktesten Wege
ZQ erreichen. Sehr wertvoll ist es, dass auch
solche Mittel der modernen Technik, die noch
Eigentum der Virtuosen sind, dem Schüler allge-
mein zugänglich gemacht werden, wie einige neue
Fingersätze für Terzen- und Legat-Oktaven. In
der vortrefflichen Uebung für Daumenuntersatz
könnte die Aufzeichnung plastischer sein, wenn
z. B. anstatt der Vorschlagsnote eine eckige Note
angewendet würde, zum Zeichen, dass der Daumen
stumm unterzusetzen sei. Auf dieselbe Art könnte
noch eine üebung für Arpeggien gemacht werden,
zum Beispiel :
unter den „rhythmischen Studien" ist manches,
das nur als Baffinemeot Bedeutung hat. Eine da-
von enthält in der r. H. eine Stimme in Quintolen,
eine zweite in Triolen, dazu Vi« ^ der 1. H. Für
die r. H. wäre folgende B,echnung nötig:
-12-13 — U- 15
1-2 — 3-f— 5 — 6-7 — 8 — 9-10 — 11-
' ' '
Und dann wären noch die 4 Noten der 1. H.
unter die 15 Zählzeiten zu verteilen! Selbst wenn
man die Geduld hätte, das zu studieren, wäre der
Nutzen doch zu gering. Anderes jedoch gerade in
diesem Kapitel ist nicht nur geistreich, sondern
auch fördernd. Unbegreiflich ist es, weshalb bei
den abgekürzten Modulationen der letzte Ton immer
— 372
dem letzten Akkord entnommen ist, anstatt den
Anfang des nfichsten zn bezeichnen, z. £. :
etc, ? anstatt As-dnr.
^^^
Dies ist so verwirrend, dass alle solche Stellen
unbedingt in einer künftigen Auflage verbessert
werden müssen.
Das Werk wird auch Künstlern Freude be-
reiten.
Leider wird der Einfühnmg dieses
gezeichneten Werkes in Deutschland der Preis im
Wege stehen. Für Amerika sind 3 Dollars fOr ein
Üebungswerk nicht hoch, aber in DentschlaLnd
wird Jeder Schüler davor zurückschrecken, 12 Mark
dafür auRzugeben. . Es w&re in seinem dgenen Inter-
esse, wenn der Verleger den Preis ermässigte, v^e
Eulenburg es für Eschmann-Dumurs Technik
getan hat.
J. Viatma da Motto.
Vereine.
Mvslkpädagoglscher Yerband.
Yorstandssitzung.
Donnerstag, den 20. Oktober 1904.
In der ersten nach dem Eongress statt-
findenden Sitzung fand zunächst eine Beratung über
den Modus der Veröffentlichung der auf dem
Kongrese gehaltenen Vorträge, Referate und
Diskussionen statt. Es wurde beschlossen, sie
gesammelt in Form einer Broschüre herauszugeben,
die allen Interessenten zum Preise von Mk. 1,35
bei franko Zusendung zur Verfügung steht. Es
schien dringend geboten, auch die Diskussionen,
die in anregender Weise vielfach neue Gesichts-
punkte boten, in gedrängter Fassung mit auf-
zunehmen. Um die Höhe der Auflage einiger-
massen bestimmen zn können, sind Voraus-
bestellungen bei unserer Geschäftsstelle sehr
erwünscht.
Die auf der General- Versammlung vorgeschla-
genen Persönlichkeiten zur Bildung des künst-
lerischen Vorstandes ausserhalb Berlins haben
Aufforderungsbriefe zur Annahme des Ehrenamtes
erhalten und hofft der Vorstand, seinen Mitgliedern
demnächst Mitteilungen über den Erfolg machen
zu können.
Der von Frl. Cornelie van Zanten auf dem
zweiten Kongresstage gebrachten Anregung, der
Vorstand möchte den Vertretern des Kunstgesanges
Gelegenheit geben, sich über grundlegende Fragen
aussprechen zu können, um eine allgemein gültige
Basis für die G^angsprinzipien zu finden, ist be-
reits Folge geleistet und eine Kommission hiesiger
hervorragender Gesangspädagogen zusammenbe-
rufen, die in den nächsten Tagen ihre erste Sitzung
abhalten wird. Eine Erweiterung dieser Kom-
mission durch Berliner und auswärtige G^sangs-
pädagogen hat sich der Vorstand vorbehalten. Die
Aufgabe der Kommission besteht darin, in ernster
gemeinsamer Arbeit strittige Fragen zu klären,
Probleme zu lösen, weiteren Kreisen von fest-
gestellten Tatsachen Mitteilung zu machen, An-
fragen in sachgemässer Weise zu beantworten und
die Forderungen der bereits im vorigen Jahre
aufgestellten Prüfungsordnung für den Kunst-
gesang näher zu präzisieren.
Sitzung der Schulgesangs-Kommission.
Montag, den 24. Oktober 1904.
In der ersten Sitzung der Schulgesangs-
Kommission wurde über eine zweckmässige
Fortführung der Arbeiten und Verteilnng
derselben unter die hiesigen und auswärtigen
Kommissionsmitglieder beraten. Folgender Arbeits-
plan kam zur Verlesung:
Die Arbeit der Schulgesangskommission umf asst
zwei Hauptaufgaben:
I. Die Beform des Gesangunterrichts an
höheren Schulen und die Ausbildung
der Fachlehrkräfte,
n. Die Beform des Gesangunterrichts an
Volksschulen und die Ausbildung der
Gesangslehrkräfte an den wissenschaft-
lichen Lehrer- und Lehrerinnensemi-
naren.
Aufgabe I gliedert sich in 5 Unterab-
teilungen, deren Bearbeitungen kleinen Kom-
missionen von Je 2 bis 8 Persönlichkeiten zu über-
tragen wäre.
1. Die Ausgestaltung der Stätten zur Aus-
bildung der Schulgesanglehrer und
-Lehrerinnen (Seminar für Schulgesangslehr-
kräfte.)
a. Aufnahmebedingungen.
b. Alter für männliche, resp. weibliche Stu-
dierende.
c. Forderungen bezüglich der Vorbildung.
d. Dauer des Studienganges.
e. Angabe der zu lehrenden Fächer.
f. Einrichtung der Uebungs- und Chorschulen.
2. Aufstellung des Lehrplans für das
Seminar.
8. Die Prüfung.
a. Aufstellung der Prüfungsordnung.
b. Abgangszeugnisse.
c Zusammensetzung der Prüfungskom-
missionen.
— 373 —
4. Ein richtang von F ortbildnngs-
nnd Ferienkursen.
a. Für Lehrer.
b. Für Lehrerinnen.
5. Anfstellang von Masterlehrplänen für
die höheren Knaben- nnd Mädchen-
schnlen. Desgl. von Mnsterprogrammen
für Schulfeiern.
Aufgabe II umfasst 8 Unterabteilungen,
die wie oben angedeutet zu bearbeiten wären.
1. Lehrplan für Ausbildung der Gesangs-
lehrkräfte an den bestehenden wissen-
schaftlichen Lehrer- und Lehrerinnen-Seminaren.
a. Angabe der Fächer.
b. Welche Forderungen sind für die einzelnen
Fächer zu stellen.
c Aufstellung der Prüfungsordnung für das
Examen beim Abgang aus dem Seminar.
2. Einrichtung von Fortbildungs- u. Ferien-
kursen für Volksschul- Gesanglehrer
und -Lehrerinnen, Pläne für Musterlektionen,
Themen für Wandervorträge, Vorschläge für
Ereislehrerkonferenzen.
8. Aufstellung von Musterlehrplänen für
die Knaben- und Mädchenschulen.
Die Aufstellung der Lehrpläne bedingt
zugleich eine
^Sichtung der einschläglichen Unter-
richtsliteratur**
und zwar:
a. Für die Seminare zur Ausbildung der Gesangs-
lehrkiäfte.
b. Für die Lehrpläne der höheren Schulen.
c. Für die Lehrpläne der Volksschulen. .
üeber die Verteilung der Arbeiten erfolgt
demnächst Bericht, der Vorstand ersucht jedoch
alle Interessenten dringend ihre Meinungen la
dem obigen Arbeitsplan zu ämsern« Ergänzungen
hinzuzufügen and sonstige Wünsche auszusprechen.
Zuschriften sind an den I. Vorsitzenden Prof.
Xaver Scharwenka, W. Blumenthalstr. 17,
zu richten.
Konservatorium der Musik
in Kassel
G^rr.issB. Direktion: L Beyer. G^gr. 1896.
EhreBTOrslts: B6gieninn-PriMiid«nt tob TroM ■■ Sali»
Bnf KSBlffidorff; Bzoellenc 0«n«raUn tob Colonby
Oberbürgermeister Hliller n. A.
Gnritorinm: Pfarrer Hau, Sohnldirektor Prof. Dr. Ktwb-
Bweber« Bankier Plaal, Jostiaraih Scheffer u. A.
Lehrer: DI« Damen : L. Beyer, BiasBi-FSnter, Königl. Opern-
säDfferin, Oieeae-rabroBl, A. TaadleB. Die Herren:
1. Hartder^a, Eammervirtuoe. ProC Dr. HSbel,
0. Kaletech, KgL Kammermneiker, K. KlettMaaa,
Kffl. Opernsänger. W. HOBhaapI, Kgl. Kammermusiker,
S4U Behmldt, Sgl. Kammermnsiker, H« BehBarbaseh,
KgL Elammerrnnsiker n. A.
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übrigen Orchesterinstramente. Oesang, Harmonie-
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(Juli -September). — Methodische Spezialkurse für Klavierlehrer. — Abtheilung für
brieflichen theoretischen Unterricht. — Jährliche Frequenz: 850 Schüler und Schüle-
rinnen aus dem In- und Auslande. — Lehrkräfte ersten Ranges.
-^ Prospeete fraaeo dereh die Instttatekaaslel, Wlea Vll/lb. ^-§»
— 375 —
Dlna Yan der Hoeven,
PUmtotU.
Konzert und Unterricht (Meth. CerrenoX
BerUn W^ Marborgeretr. 17 HI.
Anna Harmsen,
Klavier-Unterricht und Begleitung.
Wf Lfitzowstr. 63, Gartenhaus.
Die Geschäftsstelle der
Lebens-, Alterspensions-, Invaliditäts- und Kinder-
versicherung der Mitgiieder Deutscher Frauenvereine
„Friedrieb Wilbelm", Beriin W., Behrenttrasse 60/61,
Leiterin FtL Henriette €N>Meeiimidt, angesehloeeen 81 Franen- und gealMMe
Yereiae in Denteohland, bietet die nmfaMendete SioherstellaDg fttr das Alter
nnd gegen eintretende Brwerbflnnfähigkeit.
Treue 1e Beratung mttndlioh und aohriftlloh. — Spreohet. von 10—1 Torrn.
Olg« StieglitI,
KUTiemnterrioht, Hethodieohe Vor-
bereitnng fttr den Lehrberuf.
Berlin W^ Ansbactaerstr. 26.
aBterriebtS'Uenimeliiag der Ittwiiksnippe Berlia (▲ug.p.ii.-v.)
für Klavier-, Oeeang- u. Violinetuaden. Lehrerinnen mit guten 2Seugni8ien oder
Rmpfehluni^en <« erden kostenloe nachgewiesen durch die Vorsteherin Frau H. Bnrg-
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376 —
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aaf Qrandlage des blossen iBtervalllesens.
Gegen Einsendung von Mk. 1. — zn be*
ziehen vom Verfasser
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Für die Redaktion rerantwortlich: Anna Morsch, Berlin W., Ansbacherstr. 87.
Expedition und Yerlagr »yBer Klayier- Lehrer^, M. Wolff, Berlin W., Ansbacherstrasse 87.
Druck: J. S. Preuss, Berlin S.W., Eommandantenstr. 14.
DßP Klavier-IiehM.
Musik-pädagogische Zeitschrift für alle Qebiete der Tonkunst
Organ der Deutschen Musiklehrer-Vereine,
der Musik-Sektion des R. D. L-V. und der Tonkunstler-Vereine
zu Köln, Dresden, Hamburg, Leipzig und Stuttgart
Begründet 1878 von Professor Emil Breslaur.
Redaktion: Anna Morsch
Berün W.,
Ansbachentrasse 37.
• • Cft^tfnt monatlfd) iwcimtl. • •
^elt «icrtcliibrlitb bd allen Bud»* und
BhisIkaUcnbandlunacn, Pott • JInitallcii
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fOr die zwelgetpaliene Pelltzelle eni*
oeflcnaenommcn.
No. 23.
Berlin, 1. Dezember 1904.
XXVII. Jahrgang.
lakalt: Dr. Max Arend: Pietro Guglielmi. (Schiusa.) Dr. Karl Storck: Die tschechiache Musik. (Fortsetzung.) O. Cassius: Der
mensclüiche Stimmapparat und seine Behandlung nach A. Kuypers. Dr. Karl Storck: Kritische Kflckschau über Konzert und
Oper. Mitteilungen von Hochschulen und Konservatorien. Vermiachte Nachrichten. BQcher und Musikalien, besprochen von
Anna Morsch, Jos6 Vianna da Motta und Eugen Segnitz. Vereine. Anzeigen.
(t 19. November 1804)
Ein Qedenkblatt zu seinem hundertjährigen Todestage.
Von
Dr. Hax Arend*
(Schluss.)
Man hat Guglielmi vielfach für einen
Musiker zweiten Ranges gehalten, z. B. verficht
Stendhal in seiner Biographie Rossinis*)
diese Ansicht. Fetis tritt dieser Ansicht, die
er darauf zurückführt, dass nur 2 Opern
Guglielmis, wie schon erwähnt wurde, nach
Paris gelangten und sich dort nicht lange
hielten, mit Lebhaftigkeit entgegen und führt
an, dass Guglielmi gegen seine jüngere
Rivalen Cimarosa und Paesiello 20 Jahre lang,
ohne zu unterliegen, sich behaupten konnte,
und dass die Italiener ihn für jenen eben-
bürtig hielten. Wenn er weniger Ueberfluss
an glücklichen musikalischen Motiven habe
als Cimarosa imd ihm auch die Weichheit
und das Pathetische Paesiellos fehle, so be-
sitzt er doch gleichwertige Qualitäten, in denen
er jene übertreffe: Belebtheit des Ausdrucks
im buffa-Stile, Fröhlichkeit und die Fähigkeit
fortzureissen, zumal in seinen Ensemble-
stücken. Insbesondere sei in diesen bezüg-
lich der thematischen Arbeit die Wiederkehr
*) Seite 30.
der Themen stets so natürlich und glücklich,
dass jedes dieser Stücke wie aus einem Gusse
komponiert schiene. Femer sei Guglielmi
vielseitig, und dies sei das sicherste Anzeichen
wahren Talentes: in seiner Kirchenmusik
sei er erhaben und majestätisch. Wenn sich
unter seinen vielen (etwa 200) — Riemann
kennt die Titel von 115 Opern — auch
flüchtig gearbeitetes und minderwertiges finde,
so müsse dies durch die oft äusserst be-
schleunigte Arbeit erklärt werden.
Um nicht auf das Urteil von Fetis allein
angewiesen zu sein, habe ich einige hand-
schriftliche Sachen, die mir auf Bibliotheken
zugänglich waren, durchgelesen. Zunächst
fand ich die achtstimmigen Werke für die
Kirche „laudate pueri" und „in convertendo"
mit Orgel und continuo. Sie verraten sichere
Gestaltungskraft und völlige Beherrschung
des Stiles, sowie eine Erhabenheit und Würde
des Ausdrucks, die mich umsomehr über-
raschte, als ich mir von Guglielmi das Bild
eines leichtzunehmenden Komponisten von
buffa-Opem gemacht hatte. Dann sah ich
— 378 —
ein Terzett für 2 Soprane und Bass aus
„Le vicenda d'amore" (Rom 1784) in Partitur.
Das Orchester erscheint wie üblich als eine
„monströse Guitarre" wie Wagner sich aus-
drückt; ausser dem Streichorchester — bei
dem die Bratsche selbständig geführt ist -
treten Oboen und Homer auf. Die Be-
gleitung ist zurücktretend gegenüber dem
Glanz, den die Singstimmen entfalten sollen,
aber bei aller Einfachheit äusserst lebhaft,
ja unermüdlich. Von pikanter Wirkung muss
das staccato an der Bogenspitze sein, welches
der Komponist ausdrücklich für die Begleit-
achtel der 2. Geige und der Bratsche vor-
schreibt. Ich fand also die Urteile von Fetis
und Zingarelli vollkommen bestätigt. Gerne
\\1irde ich als Musikbeilage eine Probe von
Guglielmi veröffentlicht haben, jedoch müssen
sich zur Aufführung eines Terzettes schon
mindestens 4 Personen zusammenfinden, und
die 8 stimmige Chormusik ist vollends unge-
eignet für meinen Zweck. Eine Solo-Arie
aber, die sich wohl am besten hierzu eignen
würde, ist mir nicht ohne unverhältniss-
mässige Mühe zugänglich. So muss ich mich
denn damit begnügen, zu sagen, dass Fetis
und Zingarelli den alten Meister richtig be-
urteilt haben. Auch ein Bild von Guglielmi
habe ich mir vorlegen lassen, um meinem
Manne einmal sozusagen persönlich in die
Augen zu schauen: es ist der Scottische
Pamass nach Gerber, auf dem Guglielmi zu-
sammen mit Gasparini eine engere Gruppe
bildet. Der Kopf scheint der eines originellen
und phantasiereichen Menschen zu sein.
Von Guglielmi in seinem Verhalten den
Sängern gegenüber erzählt man einige hübsche
Anekdoten, die übrigens wertvoll sind, in-
sofern sie zeigen, dass die Forderungen eines
Gluck damals sozusagen in der Luft lagen.
In London sagte er der berühmten Mara,
die es für angemessen hielt, ihrer Rolle einige
Züge hinzuzufügen: „Meine Aufgabe ist es
zu komponieren, die Ihrige zu singen. Singen
Sie also und verderben Sie nicht, was ich
komponiere.* Bei einer ähnlichen Gelegenheit
sagte er zu dem berühmten Tenor B ab bin i:
„Mein Verehrtester, singen Sie bitte meine
Musik und nicht die Ihrige!" Der nicht minder
berühmte David weigerte sich, das Duett „al
mio contento il seno" aus dem genannten Ora-
torium „Debora e Sisara" wegen seiner über-
grossen Einfachheit zu singen ; Guglielmi aber
blieb fest und hatte die Genugtuung, dass diese
Nummer einen enthusiastischen Erfolg hatte.
Wenig löbliches weiss Fetis über das
Familienleben Guglielmi's zu erzählen. Dieser
soll sich jung verheiratet und von seiner Frau
8 Söhne erhalten, seine Frau aber verlassen
imd sich um seine Kinder nach ihrem Tode
gar nicht gekümmert, dieselben vielmehr der
Barmherzigkeit eines Kaufmanns in Neapel
eines alten Freundes, überlassen haben,
während er selbst als ein wahrer Don Juan
lebte und die bedeutenden Summen, die er
ausserhalb Italiens erworben hatte, mit seinen
Mätressen, zuletzt mit der durch ihre Schönheit
und ihre Abenteuer berühmten Sängerin Oliva,
durchbrachte. Im Alter von 60 Jahren habe
er noch jungen Männern ihre schönsten Er
oberungen streitig gemacht; er sei eine der
gefürchtetsten Klingen Neapels gewesen und
man habe ihn einst einige Strolche, die zu
seiner Ermordung gedungen waren und
geglaubt hatten, leichtes Spiel mit dem alten
Manne zu haben, auseinandertreiben, ver-
wunden und entwaffnen sehen.
Nur schade, dass diese Mordgeschichten
so wenig vereinbar sind mit dem, was uns
sonst von Guglielmi bekannt ist. Zwei der
Söhne Gugliemis haben sich als Musiker aus-
gezeichnet: der ältere, Pietro Carlo, wurde
1763 geboren, trat im Alter von 20 Jahren
(also 1783) mit seiner ersten Oper im Theater
Santo Carlo in Neapel auf, was, wie Fetis
sagt, „bis dahin ohne Vorgang war, denn an
jener Bühne liess man keine Erstlingswerke
zu**, und ahmte den Stil seines Vaters nach.
Sein Vater aber befand sich doch zu jener
Zeit in Neapel, und es ist mehr als wahr-
scheinlich, dass er seinem Sohne zu der
Aufführung verholfen hat. Der 8. Sohn
Guglielmi's wurde 1782 geboren. Bis dahin
also mindestens muss seine Frau gelebt und
mit ihrem Gatten zusammengelebt haben. Zu
jener Zeit aber war Guglielmi 55 Jahre alt.
Dieser 8. Sohn Chiacomo wurde Tenorist und
trat 1809 in Paris in seines Vaters ^Serva
innamorata" auf. Gegen Fetis sprechen noch
eine Reihe weiterer Bedenken: 1793 wurde
Guglielmi zum Kapellmeister der Peterskirche
in Rom gewählt, und das würde wohl nicht
geschehen sein, wenn er in Neapel ein stadt-
bekannter Raufbold gewesen wäre und den
Lebenswandel geführt hätte, den Fetis ihm
andichtet. Nun könnte man vermuten, er
habe seine Frau während seiner Kunstreisen
nördlich der Alpen in Italien gelassen. Es
wird uns aber ausdrücklich in Gerber's
„historisch-biographischem Lexikon der Ton-
- 379
künstler** (Leipzig, 1790) berichtet, dass er
mit seiner Frau nach London gekommen, und
dass diese dort als Sängerin aufgetreten sei.
Keine frühere Quelle — ausser der Bio-
graphie universelle (Michaud), aus der Fetis
offensichtlich geschöpft hat, denn der Schreiber
des Artikels Guglielmi in diesem Werke
erzählt, dass er den geschilderten Kampf
Guglielmi's mit den Strolchen gesehen habe
erwähnt der angeblichen Liebschaften
Guglielmi's, vielmehr wird uns erzählt, dass
er als Lehrer (des Gesangs und der Kompo-
sition) in Ansehen gestanden habe und dass
man ihn „als einen vortrefflichen Menschen
gerühmt* habe. Ich war aber in der glück-
lichen Lage, noch femer die Gedächtnisrede
aufzufinden, die am 4. Oktober 1806 von
Joachim Lebreton, dauemdem Sekretär
der „classe des beaux-arts" und Mitglied der
^classe d'histoire et litterature ancienne* des
^Institut national de France** in Paris, zu
dessen 8 auswärtigen Mitgliedem Guglielmi
gehörte — eine Ehre, die nur ein Musiker
mit ihm teilte: Joseph Haydn — gehalten
wurde. Sie findet sich gedruckt im „Magasin
encyclopedique", herausgegeben von Miliin,
Band 6, Seiten 98-105, Paris 1806. Hier
heisst es ausdrücklich: „Pietro Guglielmi war
ein guter Gatte, ein guter Vater und ein
guter Freund, gefällig und sowohl dem Neide
als den Schwächen künstlerischer Rivalität
unzugänglich." Wenn es schon heisst „de
mortuis nil nisi bene", so hätte doch Lebreton
es vor einer so erlauchten Gesellschaft und
bei offizieller Veranlassung nicht wagen dürfen,
ausdrücklich von Guglielmi als gutem Gatten
und Vater zu sprechen, wenn dieser ein no-
torischer Don Juan und Raufbold gewesen
wäre und sich in sträflicher Rücksichtslosigkeit
der Fürsorge für seine Kinder entzogen hätte,
abgesehen davon, dass Guglielmi — in
diesem Falle kaum die Auszeichnung erhalten
haben würde, zum auswärtigen Mitgliede des
Institut national de France emannt zu werden.
Nach Deutschland sind in deutschen Be-
arbeitungen eine ganze Anzahl der komischen
Opern Guglielmis — in der tragischen Oper
sind seine Leistungen nach dem einstimmigen
Urteile seiner Biographen schwach, was um
so auffallender ist, als er auf dem Gebiete
der Kirchenmusik zweifellos etwas geleistet
hat — gelangt, insbesondere die „schöne
Fischerin" (La bella pescatrice), die „adelige
Schäferin" (La pastorella nobile) und „Robert
und Calliste" (La sposa fedele). Auch deutsche
Klavierauszüge sind im Dmck erschienen,
was zu jener Zeit bedeutend mehr besagte
als heute.
Verklungen und vergessen scheint
Guglielmi zu sein. Man übersehe aber nicht,
dass Mozart sich auf die italienische opera
buffa stützt, dass er ihre musikalischen Mittel
genau kennt und dass uns also die. Lebhaftig-
keit und das Feuer der Guglielmischen
Ensemblestücke nicht verloren gegangen ist,
vielmehr noch auf unsem Bühnen klingt,
wenn sich etwa das Finale des Don Juan
vor unseren Ohren und Augen abspielt. Und
eben dämm hat es auch heute noch ein
Interesse des Mannes zu gedenken, von dem,
wie Fetis vorher sagte, heute kaum noch
irgend jemand mehr kennt als den Namen,
den Namen
Pietro Guglielmi.
@le tscbecbfscbe ^asi1<.
Von
Dr. Karl Storck.
(Fortsetznng.)
Auch in der tschechischen Musik haben wir
ZQ unterscheiden zwischen eii-er Periode, die
einfach das natürliche Recht der tschechischen
Sprache anf Mnsik betont, nnd einer zweiten, die
systematisch eine selbständige, von aller anderen
verschiedene national - tsci echische Tonkunst
scliaffen will. Diese letztere entsteht mit der poli-
tischen Selbständigkeitsbewegnug des Tschechen-
tQmB etwa 1848 nnd zeigt in mancher Hinsicht
äieaelhe unreife des Denkens. Der wichtigste
Name ans der ersten Periode ist Franz Skronp
(1801-62). Er hat bereits 1826 ein Singspiel in
tschechischer Sprache, „der Drahtbinder**, anf die
Bohne gebracht, diese später durch die Opern
„Udalrich nnd Bozena** nnd ,,Libnssas Hochzeit**
bereichert. Dass ihm dabei jegliche deutschfeindliche
Absicht fem lag, beweist die Tatsache, dass seine
Hauptarbeit als Kapellmeister in Prag der Ein-
führuDg der Wagnerschen Musikdramen galt, wie
er auch später die Leitung der dentschen Oper in
— 380
Botterdam übernahm. Auch sein Brader Johann
Nepomnk (1811—92) hat einzelne Opern ge-
schrieben, wenn anch der Schwerpunkt seines
Schaffens auf dem Gebiet der Kirchenmusik lag.
Franz Skuherskys (1830-92) Opern „Wladimir"
und ^Lora" mussten sogar erst aus dem Deutschen
ins Böhmische übersetzt werden, was wahrschein-
lich nie geschehen, wenn nicht 1862 in Prag ein
böhmisches Nationaltheater eröffnet worden wäre,
das für seinen Spielplan Opern in tschechischer
Sprache brauchte und natürlich nicht blos Ueber-
Setzungen, sondern auch die Neuschaffung solcher
anregte. Von diesen tschechischen Komponisten
verdienen Erwähnung Karl Sebor (geboren 1843)
und Josef Bozkosny (geboren 1833) mit roman-
tischen und historischen Opern, WilhelmBlodeck
(1834—74) und Zdenko Fibich. Während des
letzteren Opern, darunter auch die beliebteste
„Arkonas Fall", keinen höheren Wert beanspruchen
können, erkennt man in seinen Symphonien und
Kammermusikwerken eine warmblütige Musiker-
natur. Leider hält mit seiner reichen Erfindung und
seiner glücklichen Melodik die geistige Verarbeitung
nicht Schritt, so dass seine Werke über schöne
Einzelheiten nicht hinauskommen.
Von aUen diesen Komponisten ist kaum einer
auf die deutsche Bühne gekommen, der man doch
gewiss schroffe Deutschtümelei oder irgend eine
Voreingenommenheit gegen fremde Werke nicht
vorwerfen kann. Blodeks Operchen „Im Brunnen",
das gelegentlich aufgeführt wurde, erwies sich
schon mehr als TJnsinn, denn als Harmlosigkeit,
und wenn von Smetana und Dvo¥Äk einzelne
Werke sich auf der deutschen Bühne behauptet
haben, so haben sie das nicht ihren dramatischen,
sondern ihren ausgesprochen musikalischen Vor-
zügen zu danken, wie es bezeichnenderweise auch
bei diesen beiden hervorragendsten Komponisten
ihre Werke im alten Opemstil und nicht ihre
Musikdramen sind, die sich auf der deutschen
Bühne behauptet haben. Dass die Ursache dieser
Erscheinung an einem Mangel dramatischer Be-
gabung überhaupt liegt, soll damit nicht behauptet
werden; an Theatertalent fehlt es den Tschechen
bekanntlich nicht, aber zu einer tiefen Dramatik
ist das tschechische Volk auch in seiner Literatur
ja noch nicht vorgedrungen. Ueberhaupt bewegen
sich alle diese Werke im Bannkreis einer inmierhln
engen Heimatkunst. Es werden für die Texte
nationale Sagen, geschichtliche Vorgänge oder auch
Dichtungen aufgegriffen, die jedem Tschechen
bekannt sind. Der tschechische Zuschauer bringt
also ins Theater bereits die Kenntnisse des Stoffes
mit und verlangt vom Komponisten nunmehr die
musikalische Ausmalung einzelner Stimmungsbilder.
Dasselbe Verhältnis hat meines Erachtens auch
Tschaikowskys Opern schwer geschädigt.
Jedem Bussen ist z. B. „Eugen Onegin'' so in
Fleisch und Blut tibergegaugen, dass er es gar
nicht vermisst, wenn ihm der Komponist nur
einige Szenen aus dem Werke musikalisch illustriert,
ihm aber keineswegs das iseelische Drama tob
Oneglns Entwicklung vorführt. Diese Verhältnisse
schädigen auch das Schaffen des hochbegabten
jetzigen Kapellmeisters am tschechischen Theater
in Prag, Karl Kovarowic, dessen Oper ,Auf der
alten BJ eiche'* ungewöhnlich reich an musikalischen
Schönheiten ist, und vielleicht hat es der mit der
deutschen Musik wohlbekannte Oskar Nedbal
aus dieser Erkenntnis heraus vorgezogen, seinen
Siegfriedstoff „der dumme Hans" nicht zur Oper,
sondern zur Pantomime zu gestalten.
Es dürfte nach dem Gresagten leicht begreiüich
sein, dass die Bedeutung des Schaffens der beiden
hervorragendsten tschechischen Komponisten, Sme-
tana und Dvorak, auf instrumentalem Gebiete
liegt, so eifrig sich auch beide um die Oper
gemüht haben. Ihr Wirken verdient eine etwas
eingehendere -Betrachtung. Man hat Friedrich
Smetana als Vater der tchechischen Musik gefeiert.
Mit Recht; denn wenn, abgesehen von den oben
genannten Opemkomponisten, auch manche Sym-
phoniker, wie Tomascekin der Es-dur-, J. Fried.
Kittl in einer melodienreichen „Jagdsymphonie^',
aus dem reichsprudelnden Brunnen der böhmischen
Nationalmusik geschöpft haben, so war das doch
nie grundsätzlich geschehen. Oanz anders bei
Smetana, dem Verktinder des Jung-Hussitentums
in der Oper wie in der Symphonie. Für jene griff
er für den Text wie für die Musik in den
Schatz heimatlicher Ueberlieferungen, für diese
gaben ihm Geschichte, Leben und Natur Böhmens
die Anregung. Aber, und das ist das Wichtige:
das alles sind bei ihm positive Werte, nicht Be-
kämpfung eines Fremden, sondern Betätigung des
Eigenen. Man müsste sehr einseitig sein, wenn
man dem Tschechentum diese Betätigung seines
Volkstums verargen wollte. Wir sehen bei Sme-
tana, dass das auch dort, wo es programmmässig
geschieht, durchaus nichts mit Hetzerei gegen das
Deutsche zu tun zu haben braucht, sondern in sich
genug Werte trägt. Vielleicht sind diese solange
ungenutzten Volkswerte einstweilen so zahlreich
und so leicht greifbar, dass es daher rührt, dass
auch die beiden grössten tschechischen Komponisten
keine Seelenkünder geworden sind, dass sie mehr
die Aussen weit widerspiegeln, als die Linenweit
einer reichen Persönlichkeit, eines starken Erlebens
schildern.
Das gilt auch für Smetana, trotzdem er die
Tragödie des Menschen an sich selber schwer
genug erlebt hat. Er war am 2. März 1824 in
Leitomischl geboren und zeigte schon als Kind so
hervorragende musikalische Anlage, dass er sich
bereits mit sechs Jahren in Konzerten auf dem
Klavier hören lassen konnte. Er setzte auf dem
Gymnasium seine musikalischen Studien bei Josef
Proksch fort und entschloss sich bald, sich ganz
der Musik zu widmen. Aber trotz alles Eifers kam
— 381 —
er vor viel Schlechteren nicht zur Anerkennung.
In schrecklicher Notlage wandte er sich am
23. März 1848 in einem erschütternden Briefe an
Liszt um Hilfe, und Liszt half, wie er immer
^holfen hat. Dank ihr konnte Smetana in Prag
eine eigene Musikschule gründen, bis ihn 1856 die
Philharmonische Gesellschaft in Gothenburg
^Si'hweden) zu ihrem Dirigenten berief. 1866 wurde
er dann Kapellmeister am tschechischen Theater
in Prag und verblieb in dieser Stellung, bis ihn
1874 Taubheit zwang, sie aufzugeben. Er Hess sich
durch sein Unglück nicht beirren und schuf rastlos
weiter, bis ein böses Geschick dem in seinen Sinnen
geschwächten Künstler auch die Seele trübte. Am
12. Mai 1884 ist er im Prager Irrenhaus gestorben.
(Fortsetzung folgt.)
ßcF tt)ei)scb1icbe J$Htt)tt)appaFaf ai)d seii)e ]|ebai)dlai)S
Von
O. Cassliis.
„Es gibt keine vollendeteren Maschinen als
unsere Muskeln es sind.** — In der Tat, wenn wir
diejenige Maschine am vollkommensten nennen,
welche bei geringstem Kraftaufwand die meiste
Arbeit leistet, so müssen wir bewundem, was
beispielsweise die Muskeln unseres Stimmorganes
vermögen, wenn sie richtig gebraucht werden.
Viele Werke sind darüber geschrieben worden.
Von diesen ist „Die Stimmbildung" von A.
Kuypers unter den Kednern wohl bekannt und
anerkannt, und es soll hier meine Aufgabe sein,
auch die Aufmerksamkeit der Musiker resp. der
Sänger darauf zu lenken, indem ich versuche
darzulegen, wie diese Stimmbildung aus der Natur
des menschlichen Organismus herausgewachsen ist.
Beim Gebrauch der Stimme haben wir mit
zwei Kräften zu rechnen, mit einer senkrechten
treibenden und mit einer horizontalen
hemmenden. Der ersteren dienen zwei Muskeln,
von welchen der sichtbare kleinere, der Zungen-
muskel oder das Zungenband, von uns will-
kürlich bei der Artikulation in Bewegung gesetzt
wird, der unsichtbare grössere, das Zwerchfell,
ist dagegen unwillkürlich tätig. Beide Muskeln
stehen durch die Atmungsluft in engster Beziehung
zu einander. Ist daher die Arbeit des Zungen-
muskels eine energische gleichmässige, so wird es
auch diejenige des Zwerchfelles; arbeitet der
Zungenmuskel schwach und unregelmässig, so
verliert auch das Zwerchfell an Leistungsfähigkeit.
In diesem Falle übernehmen diejenigen Organe,
welche sich zwischen den in Frage stehenden
Muskeln befinden und lediglich als Luftwege ohne
willkärliche Tätigkeit funktionieren sollen, einen
Teil der Arbeit, und sofort ist eine falsche Muskel-
bewegung eingeleitet, welche die Stimme, wenn
auch nicht in jedem Falle an Kraft, so doch an
Leistungsfähigkeit beeinträchtigt, was sich früher
oder später bei anhaltendem G-ebrauch der Stimme
geltend macht.
Der horizontal wirkenden hemmenden Kraft
dienen zwei kleine Muskel im Innern des Kehl-
kopfes, die Stimmbänder. Dieselben üben eine
willkürliche Tätigkeit nur beim Gebrauch des
Glottisschlages aus, d. h. beim Anschlag eines
Vokales ohne vorhergehenden Konsonanten, indem
sie einen Augenblick gegen einander schlagen und
auf diese Weise in die tonerzeugenden Schwin-
gungen geraten. Der Glottisschlag kräftigt anfangs
die Stimmbänder, wird aber bei häufiger Anwendung,
wie aus der zarten Struktur der Stimmbänder er-
klärlich, der Stimme sehr gefährlich, weshalb er
nach Möglichkeit abzuschwächen oder zu ver-
meiden ist. Im übrigen haben wir willkürlich mit
der Bewegung der Stimmbänder nichts zu tun, sie
wird durch den Gedanken sprechen oder singen zu
wollen hervorgerufen und durch das Ohr modifiziert.
Beim ruhigen Atmen sind die Stimmbänder
untätig und lassen die Stimmritze in einer fast
dreieckigen Gestalt offen stehen. Erst wenn wir
sprechen oder singen wollen, veranlasst der Ge-
danke diese Tätigkeiten auszuüben, dass die
Stimmbänder sich gespannt nebeneinander legen
und die Stimmritze abschliessen. Die Atem-
bewegung gerät dadurch ins Stocken und wird
nicht eher frei, als bis die Artikulation geschieht
Die Atembewegung ist also beim Sprechen und
Singen eine Folge der Artikulation. Wollen wir
daher den für das Sprechen und Singen so wichtigen
Faktor, die Atembeweg ang, in unsere Gewalt
bringen, so müssen wir die Artikulation beherrschen
lernen. Da die Stimmbänder beim Sprechen und
Singen schon durch ein sehr geringes Quantum
Luft in Schwingungen versetzt werden können, so
kommt es bei der Beherrschung des Atems weniger
darauf an, grosse Mengen Luft in den Luftwegen
anzustauen, als vielmehr auf müheloses unmerkliches
Aufnehmen der Luft und unmittelbar darauf-
folgende richtige Verwertung derselben, indem
man für eine kräftige ungestörte Bewegung der
Luft durch richtige energische Artikulation
Sorge trägt.
Hier setzt die Stimmbildung von A. Kuypers
ein, indem sie den Zungenmuskel zu ausserordent-
licher Kraft und Beweglichkeit entwickelt und die
ganze Arbeit der Artikulation, sö weit sie bewusst
— 382
cL h. willkürlich geschieht, in den Vordermnnd
verlegt. Das ist für viele Schüler eine schwer zu
bewältigende Aufgabe, wenn ihnen kein gutes
musikalisches Gehör dabei zu Hilfe kommt. Aber
auch solche erreichen schliesslich das Ziel, da die
üebnngen nicht mit Worten beginnen, sondern
mit einzeln en Konsonanten und darangeschlossenen
Vokalen, z. £. la, le, li, lo, lü; tala, tale, tali, talo,
talü. Denn indem alle Konsonanten, auch die
gutturalen, im Vordermunde gebildet werden, ist
ein praktischer Weg gefunden, die Vokale gleich
dort anzuschlagen, wo sie erklingen sollen, nämlich
vorn am harten Gaumen hinter den oberen Vorder-
zähnen. Dem bewussten G^hÖr fällt alfidann nur
noch die Aufgabe zu, die Vokale dort festzu-
halten.
Dass das G, Ng, K, das vordere und hintere
Oh und J ohne Ausnahme am harten Gaumen ge-
bildet werden soll, will manchem Anfänger nicht
gleich einleuchten, da ihm die Aussprache dieser
Konsonanten mit dem Teil des Zungenrückens,
unter welchem sich der Zungenmuskel befindet,
anfangs sehr schwer fällt. Nach einiger üebxmg
aber überzeugt sich jeder, dass diese Konsonanten
sich allein durch ihre Geräusche unterscheider,
welche ebenso gut vom als hinten im Munde
erzeugt werden können.
Grundsätzlich werden alle Geräusche der Kon-
sonanten so unmittelbar wie möglich in den Vorder-
mund geleitet, da alle Konsonanten lediglich dazu
dienen, die Vokale an der richtigen Stelle, nämlich
vom am harten Gaumen, anzuschlagen. Hat der
Schüler hierin einige üebung erlangt, und kann er
die Vokale an den oberen Vorderzähnen festhalten,
dann wird es ihm auch nicht mehr schwer, sie mit
Hilfe des Glottisschlages richtig zu bilden, da das
Ohr sich bereits zu feinerer Arbeit entwickelt hat.
£s dauert dann auch nicht lange, bis er den
Glottisschlag beherrscht.
Durch fleissiges üeben der Konsonanten und
späteres Silben- und Wörterlesen entwickelt sich
die neue Sprache so weit, dass sie auch im gewöhn-
lichen Leben mit Leichtigkeit angewandt wird.
Dann hat sich die Muskeltätigkeit der Zunge von
der Wurzel derselben fort nach vorn gewöhnt und
der Kehlkopf ist vollständig von jedem Druck von
oben befreit. Auch von unten erleidet er keine
Störung mehr. Denn da bei der Artikulation im
Vordermund mit sehr wenig Luft gearbeitet werden
kann, brauchen wir keine willkürlichen Bewegungen
mit den Lungen zu machen. Die Organe des
Kehlkopfes können nun ganz ungehindert arbeiten,
und die klingenden Schwingungen der Stimm-
bänder entwickeln sich ungestört in dem ohne
willkürliche Bemühungen erweiterten Racfaeo.
Stundenlanges Beden und Lesen hat dann nicht
die geringste Ermüdung zur Folge, man fühlt im
(Gegenteil eine angenehme Freiheit und Kühle in
den Halsorganen. Dabei klingt durch die leichte
Behandlung des Tones die Stimme ganz natürlich
und ohne iede deklamatorische Beimischung, folgt
in der Modulation jeder Begung des Gemütes und
ist, auch wenn sie von Natur klein ist, im grössten
Baume deutlich vernehmbar.
Erwägt man, dass der Unterschied zwischen
Sprechton und Sington nur darin besteht, dass
die Stimmbänder bei ersterem unregelmässige,
bei letzterem aber regelmässige Schwingungen
machen, so ist wohl et sichtlich, welche Vorteile
dem Gesangs beflissenen aus der Ausbildung seiner
Sprechstimme erwachsen müssen. Sind die tiefen
Töne durch die Uebung beim Sprechen voller und
runder geworden, so sprechen die hohen leichter
an ; Brust- und Kopf resonanz gleichen sich in dem
erweiterten Bachen räum mit Leichtigkeit aus, aod
infolge der geringen Anstrengung erlangt die
Singstimme bald die Unermüdlichkeit, welcher die
Sprech stimme sich rühmen kann.
Kritische Rückschau
über Konsert und Oper.
Von
Dr. Karl Storek.
In fast überreichem Masse wird wieder die
Kammermusik gepflegt. Die hier ansässigen
Vereinigungen haben alle ihre Tätigkeit wieder
aufgenommen. Die von Joachim, Holländer
und Waldemar Meyer geführten Quartette hielten
sich dabei an erprobte Werke, ebenso bewegten sich
die Böhmen an ihrem „DvorÄk-Abend" auf dem
ihnen vertrautesten Felde. Ich möchte aber nicht
verschweigen, dass gerade diesesmal das etwas auf
Schaustellung berechnete Musikantentum der Herren
recht störend hervortrat. Ein sehr interessantes
Werk brachte dagegen das Halir-Quartett an
seinem ersten Abend zur Aufführung. Dieses
Jugend werk von Hugo Wolf, ein Quartett in
D-mol], weckte auch wieder das bittere Geföhi,
was uns wohl dieser Komponist unter besseren
Verhältnissen alles hätte werden können. Voll
starker persönlicher Kraft sind die beiden ersten
Sätze; „entbehren sollst du, sollst entbehren" ist
als Motto vorangesetzt, und das faustische Bingen
der Seele wie des Geistes gegenüber dem schweren
Geschick des in die Kleinheit irdischer Verhältnisse
eingebannten faustischen Menschen wird in ihnen
in gewaltigem Anlauf darzustellen versucht Man
wird sich nicht verhehlen können, dass der Kom-
ponist nicht voll erreicht hat, was er erstrebte.
383 —
Es ist ihm nicht gelangen, sich dorchzuriDgen, und
so läsat er gegen Schlasa der Sätze, wie ermattet,
immer vom £Lampfe ab. Vielleicht war damals der
noch nicht so oft enttäuschte Jüngling auch noch
helleren Stimmungen zugänglich, als dass er den
dfisteren Stoff so hätte bemeistem können. Jedenfalls
kommt auch dieses Quartett mit dem Beethovens
Geist atmenden Scherzo in eine andere Bahn, auf
der es in einem frischen glänzenden Schlusssatze
zuversichtlich zu Ende geht. Wir schulden den
Herren aufrichtigen Dank für die Vermittlung
dieser an sich ja keineswegs meisterhaften, aber
für die Erkenntnis der Persönlichkeit Hugo Wolfs
sehr wertvollen Neuheit.
Auch die bekannten Trio- Vereinigungen von
Arthur Schnabel, Professor Barth und Anton
Witek haben ihre Konzerte wieder aufgenommen.
Sie haben auch den gewohnten Erfolg wiederum
gefunden. Ob nicht die von Arthur Schnabel ge-
führte Vereinigung doch zu bewusst alles ins
Intime überträgt? Die Art, wie in dem letzten
Konzert Schuberts „B-dur Trio»* aufgeführt
wurde, konnte einen doch befürchten lassen, dass
das gesunde Musizieren, das der Natur Schuberts
am besten entspricht, auf diese Art zu kurz kommt.
Davon abgesehen verdiente auch dieseemal das
immer reifer und ausgeglichener werdende Zu-
sammeuspiel der drei Künstler die höchste An-
erkennung. Von fremden Vereinigxmgen war ausser
den schon fast hier heimischen Böhmen, das
Petersburger Streichquartett hier, das zeigte,
dass der Beifall, der ihm im letzten Jahre zu teil
wurde, vollauf berechtigt war. Der Vortrag des
Beethovenschen „B-dur Quartetts** Opus 130
zeigt die Herren als tief empfindende, dem klassischen
Stil voUauf gewachsene Künstler, was nach der
zweiten Nummer, einem „Klaviertrio D-moU" von
Arensky, überraschen konnte. Jedenfalls ver-
stehe ich nicht recht die Aufnahme der breiten
und allzu harmlosen Schöpfung zwischen Mozart
nnd Beethoven. In einem Privatsalon würde diese
Saite ja allenfalls am Platze sein, nicht aber in
einem ernsten Konzerte.
Im Zusammenspiel und in ernster Kunst-
aoffassung dieser ausländischen Vereinigung vollauf
ebenbürtig zeigte sich das „Münchener Streich-
quartett** (Kilian, Knauer, VoUnhals.Kiefer),
das gleich mit seinem ersten Konzert einen vollen
Erfolg gewann, und für das zweite das oben
besprochene d-moll Quartett von Hugo Wolf in
Aussicht stellt.
Die Solisten müssen diesmal noch zurücktreten,
da wir zunächst über einige Komponisten zu
reden haben, die mit eigenen Kompositionen Kon-
zerte veranstalteten. Die Konzertsaison wurde mit
zwei solcher Abende eröffnet; seither ist allerdings
nicht mehr sehr viel dergleichen versucht worden.
I^as Konzert Moritz Diesterwegs ist im „Kla-
vier-Lehrer" bereits besprochen worden. Ich habe
iiür leider dabei nicht verhehlen können, dass hier
ein ernster Musiker mit tüchtigem Können sich
umsonst bemüht, ein Eigenes auszudrücken. £s
fehlt ihm bei manchem schönen Einfall im Ein-
zelnen die überzeugende Kraft des Ausdrucks,
sowie überhaupt die persönliche Note. — Eine
ausgesprochene Persönlichkeit ist dagegen Ludwig
Hess, der sich als Tenorsänger längst allgemeiner
Wertschätzung erfreut. Von ihm wurden 14 Lieder
und drei Gesangsquartette mit Klavier aufgeführt.
Der Eindruck des Abends war für den Menschen
und den Künstler Hess sehr günstig, vermochte
aber nicht den Beweis zu erbringen, dass die ur-
sprüngliche schöpferische Kraft des Sängers aus-
reicht, sein grosses Wollen in gleichwertige Tat
umzusetzen. Wenn Sänger Lieder schreiben, pfiegen
diese gewöhnlich auf die äusserliche Wirkung be-
rechnet zu sein, sie haben aber gegenüber diesem
Mangel zumeist den Vorteil, dass sie echter Sanges-
lust entsprossen sind. Die Lieder von Hess, die
übrigens alle gedruckt vorliegen (im Verlag von
Lauterbach <Sb Kuhn, Leipzig), haben nichts
von solchen Sängerliedern an sich. Sie sind
einerseits nicht für den G-eschmack des Publikums
berechnet, andererseits sind sie aber auch nicht
Schöpfungen eines sangesfrohen Gemüts: der
Kunstverstand ist in ihnen mächtiger, als der
Schöpfungsdrang. Ich habe diesen Liedern von
Hess gegenüber das Gefühl einer ausgeprägten
Kultur. Hess wählt Texte, deren Art und deren
Wert nicht in ihrer lyrischen Sangbarkeit, sondern
in dem geistigen Gehalt oder in der Eigenart ihres
formalen Ausdrucks liegt; Konrad Ferdinand
Meyer, der grosseKulturpoet, Friedrich Hebbel,
der tiefe Seelengrübler, Gottfried Keller, der
Ziseleur feinster Kostbarkeiten, das sind seine
Lieblinge. Ihnen tritt er gegenüber, wie Hugo
Wolf es Mörike, Eichendorff und Goethe
gegenüber tat. Aber selbst wenn beide Kompo-
nisten wirklich gleichartig wären, Hugo Wolf's
Schöpfungen müssten musikalischer sein, da sie
aus Texten schöpften, in denen wirklich eine heim-
liche Musik lebt. Hess verschärft noch diesen
Abstand, indem bei ihm der Gtosamtgehalt des
Gedichts, in welchem so oft der eigentliche musi-
kalische Wert liegt, zurücktreten muss hinter der
Einzelheit. Er komponiert eigentlich nicht Ge-
dichte, sondern Verszeilen. Hierin bietet er aller-
dings oft Wunderhübsches, und wo das Gedicht
selbst sehr geschlossen ist, kommt auch er zu ge-
schlossenen Wirkungen. Der Chor „Nachtlied** ist
dafür vielleicht der beste Beweis. Aber im ganzen
löst er durch seine Musik ein Gedicht in seine
einzelnen Teile auf, während es doch umgekehrt
die eigentliche Aufgabe der Vertonung wäre, uns
den tiefen seelischen Urgrund ahnen zu lassen,
aus dem das Gedicht erst erwuchs. Ich wünsche
dem hochgeschätzten Künstler, dass es ihm einmal
auch beim Komponieren gelinge, ein rechter
deutscher Sangesbruder zu werden, der ruhig drauf
los singt, wie es ihm um's Herz ist, und der über-
— 384 —
haapt singt, weil er singen mass, unbekümmert
darum, ob er auch singen kann. Da bei Hess
dieses Können in hohem Masse vorhanden ist, da
er ein grosses Stück imserer literarischen Kultur
in sich aufgenommen hat, braucht er keine Äugst
zu haben, dass er als Sangesbruder trivial wird;
die Gegengewichte sind allzu schwer.
Alles in allem genommen war der wertvollste
der bisherigen Kompositionsabende der von
Eduard Behm. Allerdings ist seine Persönlichkeit
nicht so scharf ausgesprochen und so eigenartig,
dass es seinem Schaffen zugute kommt, wenn man
zu viel auf einmal davon hört. Seine Werke
sollten uns öfter einmal neben andern begegnen.
Dann würde man seiner zurückhaltenden, feinen
Natur, in der sich hohe Schätzung der Form in
architektonischer (an den Klassikern geschult), wie
in malerischer (Wohllaut der Orchestrierung) mit
modernem lyrischem Empfinden glücklich verbindet,
doppelt froh werden. Behm's Kompositionen fehlt
am meisten die Energie der Kürze, sie würden
durch Zusammendrängen alle gewinnen. Das„Vio>
linkonzert*', das Bernhard Dessau sehr gut
spielte, verdient ins Repertoir der Geiger, die „drei
Gesänge'» mit Orchester, für die Lala Mysz-
G mein er eintrat, in das guter Sängerinnen auf-
genommen zu werden. Jedenfalls ist Behm ein
sehr ernst strebender Künstler, der noch eine reiche
Entwicklung verspricht und die ernste Beachtung
aller ernsten Musikfreunde verdient.
^^egen ist es schwer, gegenüber dem „Con-
certo für Klavier^ Orchester und Chor, op. 39"
von Ferruccio Busoni nicht ins kritische
Henkeramt zu verfallen. Ein Amt, das ich hasse,
wo ich im Kritiker viel lieber den Gärtner der
Kunst sehe, der wohl mit scharfem Messer be-
schneidet und säubert, aber doch im Hegen und
Pflegen seine Aufgabe sieht. Ohne Messer geht es
dieses Mal freilich nicht. Denn je anspruchsvoller
ein Kunstwerk auftritt, umso anspruchsvoller
müssen auch wir sein. Busoni's Concerto dauerte
über eine Stunde; das Publikum bereitete dem
Künstler nach jedem Satze einen stürmischen
El folg. Da gilt es klar festzustellen, dass dieser
Erfolg der Person (nicht der Persönlichkeit) Basoni's
galt. Wir können uns dieser amerikanischen Art
der Begeisterung nicht freuen. Busoni sagt von
seinem Werke: „Es unterscheidet sich von der
Stammgattung zunächst durch die äussere Form,
die zum erstenmale auf fünf Sätze erweitert wird.
Das zweite Merkmal ist der Hinzutritt des Ge-
sanges, eines Männerchors; ein drittes Kennzeichen
liegt in dem stellenweise Anklingen an die Melodie
und die Rhythmen Italiens' . Was Busoni hier
so mitteilenswert flndet, sind ja lauter äusser-
liche Dinge. Mir ist es gleichgiltig, ob ein Werk
einen oder zwanzig Sätze hat, ob es für ein ein-
fältiges Klavier oder für Riesenorchester mit Wind-
maschine und dergleichen komponiert ist, wenn
nur die Form dem Inhalt entspricht, oder noch
besser, wenn die Form mit Inhalt gefüllt ist. Ba*
soni scheint nicht dieser Meinung zu sein, denn er
fasst die ganze Form des Konzerts in sehr äusserlich
formaler Weise als ein „Zusammenwirken ver-
schiedener Klangmittel" auf. Das war's zu Anfang;
aber wenn Beethoven Konzert mit Tonwettkampf
oder Tonstreit übersetzte, so gab er mit der üeber-
setzung gleichzeitig die Bereicherung. Ja, er
stellte der Form des Konzerts damit eine Aufgabe,
die noch immer nicht erfüllt, eigentlich kaum recht
versucht ist. Soloinstrument und Orchester im
Wettkampf mit einander. Wie herrlich gerade für
das Klavierkonzert. Das Klavier umf asst die ganze
Ton weit ebensogut wie das Orchester; aber in
einer Farbe gegenüber der Buntheit des Orchestern.
Das Klavier entspricht also dem Einzelmenschen
gegenüber der Welt des Orchesters. Diesen für*s
Geistige wie für's Formale gleich fruchtbaren
Gegensatz haben unsere Komponisten nur gele-
gentlich, nur in Einzelheiten erfasst. Bei Busoni
besteht der Gegensatz nicht einmal formal, indem
er die instrumentale Verschiedenheit nicht zum
Gegen wirken, sondern zum „Concerto", d. i. Zu-
sammenwirken ausspinnt. Daher denn auch das
Klavier trotz der virtuosen Behandlung des Satzes
kaum eine Wirkung tut. Es ist eben, rein instru-
mental genommen, zu minderwertig.
Leider reicht nun Busoni's rein musikalische
Erflndungskraft nicht für eine solche formale
Musikbehandlung aus. Jene Alten, die beim „Con-
certo* nur eine klangliche Wirkung erstrebten,
haben ganz andere Themen erfunden und haben
diese zu fein durchgearbeiteten Kunstformen auf-
gebaut, Busoni's Themen sind charakterlos, ihre
Entwicklung entbehrt der Logik. Das ist ein end-
loses Auf und Ab ; man erwischt viele Einzelheiten,
aber nirgends das Ganze.
Und doch geht — und damit kann ich endlich
das kritische Messer aus der Hand legen — ein
gewisser Zug von Grösse durch das Werk, der
einen immer wieder zur Aufmerksamkeit zwingt.
Es ist das grosse Wollen des Künstlers und li^
in einer gewissen rhythmischen Kraft, die sich in
der „Tarantella" zu einer packenden Wildheit
steigert. Der Komponist hat seinem Werke —
trotz der vielen schönen leeren Blätter im Fro-
grammbuch — keine erläatemde Führung mit-
gegeben. Aber ich glaube deutlich zu erkennen,
dass die drei Mittelsätze Bilder aus dem italienischen
Leben sind. Das „pezzo giocoso' stellt irgend ein
mannigfaltiges Jahrmarktstreiben dar; das darauf
folgende „pezzo serioso*' führt einen Leichenzag
durch die mit geschäftigen Menschen erfüllten
Strassen; die „Tarantella" gibt die bekannte wilde
Volksszene. Es wäre das Ganze ins Geistige zu
übertragen. So gliedert sich der Schluss logisch an
„Herzen erglüheten, Herzen erkalteten, Spielend
umwechselten Leben und Tod." Freilich brauchte
Busoni dazu nicht zur schlechten Uebertraguug
der dänischen Dichtung aus dem Orient zu greifen.
— 385 —
sondern liätte In Goethe's ,,Grenzen der Menschheit"
den gewollten Gregensatz zwischen dem Hasten des
Irdischen und der Daaer des Göttlichen schöner
und auch verständlicher ausgesprochen gefunden.
Also alles in allem ein Fehlschlag, aber doch
einer, der einen zur Auselnandersetzang mit dem
Komponisten reizt, weil man doch überall die Per-
sönlichkeit spürt. Dagegen fühle ich gar keinen
Anreiz, näher zu begründen, weshalb ichC Gold-
mark's Ouvertüre „In Italien" ablehne, die die
Neuheit des „3. philharmonischen Konzertes*' bildete.
Das ist weiter nichts, als gespreizte greisenhafte
Unfähigkeit. Die foimale Glätte und der sinnliche
Aufputz, den Goldmark ehedem zu geben hatte,
sind geschwunden ; geblieben ist der alte Kern, der
die Merkwürdigkeit hat, gehaltlos zu sein. Der
Wert des Goldmark 'sehen Schaffens beruhte eben
immer nur in der mit Flitter verzierten Schale.
Ein köstlicher Kern steckt dagegen In Paul
Scheinpflug, dessen „Worpsweder Stimmungen**
ja zuweilen eine recht rauhe und stachlichte Schale
zeigen. Noch ist hie und da der Ausgleich zwischen
Empfinden und formaler Aussprache nicht erreicht.
Dadurch, dass diese dem Gewöhnlichen aus dem
Wege geht, beanspracht sie zuweilen die Auf-
merksamkeit so sehr, dass man vergessen könnte,
dass sie auch an diesen Stellen dem Komponisten
nur Mittel zum Zweck ist. Aber Scheinpflug ist
ja noch so jung, er gehört zu den Wenigen, auf
die ich sehr grosse Hoffnungen setze. Die Auf-
führung im Konzert des „ Dessau-Quartetts' ' blieb
leider dem Werk das beste schuldig. Hofkapell-
meister Edmund von Strauss fehlt auch am
Klavier, wie am Dirigentenpult, jegliche Intimität,
und durchaus fehl am Orte war der Sänger Hei-
nemaun. dessen brutales Draufgängertum diesen
innigen Stimmungen völlig verständnislos gegen-
überstand.
Mitteilungen
von Hoohsohulen und Konseryatorieiu
Am 5. November fand in der Aula des Falk-
Realgj-'^mnasiums in Berlin die 16. Schüler-
Aufführung des Prof. Breslaur'schen Kon-
servatoriums, Direktor Gustav Lazarus, statt.
Die Leistungen des Abends waren durchweg aus-
gezeichnete, wir erwähnen u. a. die Klavier-
Vorträge der Damen Boeltje und Lasch und des
Herrn Lilienthal. Auch die Herrn Blum und
Friedewald boten in Violin -Vorträgen Hervor-
ragendes. Die bekannte Konzertsängerin und
Lehrerin des Konservatoriums Frl. Fanny Opfer
erfreute durch den prächtigen Vortrag von
Schubert's ^^Allmacht* und einer Reihe von
Kinderliedern von Gustav Lazarus. Die
Aufführung erbrachte wiederum den Beweis, in
welch' ernsthafter und künstlerischer Weise das
Konservatorium geleitet wird und wie hocherfreulich
die erzielten Resultate sind.
In das Konservatojium von Emil Olbrich
— Berlin W. Schöneberg, Apostel Paulusstr. 7 —
ist der viele Jahre in Petersburg tätig gewesene
Kapellmeister Franz Schröder, ehemaliges
Mitglied des Schröderschen Quartetts, als Leiter
des Violinunterrichts eingetreten.
Die Verwaltungskommission der von Rossini
in Pesaro gestifteten „Musikhochschule**, von
deren Leitung Mascagni aus bekannten Umständen
zurücktreten musste, hat als Leiter den Tonkünstler
AmilcareZanellafür dieses wichtige Amt berufen.
ZaneUa ist erst 29 Jahr alt, hat sich aber als
Klaviervirtuose, als Komponist und Dirigent bereits
einen bedeutenden Ruf erworben. Eine Oper von
ihm, „Osanna**, wird demnächst in Genua auf-
geführt.
Die Konservatorien von Petersburg und
Moskau veranstalteten am 20. November, zur
10jährigen Wiederkehr des Todestages Rubin-
stein's, Gedenkfeiern für ihren Begründer.
Vermischte
Josef Joachim wird demnächst auf eine
sechzigjährige Lehrtätigkeit zurückblicken
können. Da wird seinen zahlreichen Schülern ein
Werk willkommen sein, welches seine Anschau-
nngen vom Wesen des Violinspiels in ein metho-
disch geordnetes System bringt. Von diesem
Werk (Violinschule in 3 Bänden), welches der
Meister im Verein mit seinem früheren Schüler
und langjährigen Mitarbeiter Andreas Moser
fertig gestellt hat, erscheint der erste Band im
Anfang des nächsten Jahres bei N. Simrock,
6. m. b. H. in Berlin. Als Ziel ihrer Arbeit
Nachrichten.
haben die Verfasser sich gestellt: „Das Violinspiel
durch einen rationellen Lehrgang so zu fördern,
dass das erworbene technische Können der Musik
als solcher zu Gute komme!''
Ein prächtiges, lebenswahres Bild von
Brahms erscheint soeben in der bekannten „Por-
trätkollektion berühmter Personen", welche die
Münchener Verlagsanstalt F. Bruckmann heraus-
gibt. Es ist eine Heliogravüre auf Chinapapier
in Kabinettformat.
Die Barth'sche Madrigal - Vereinigung,
Berlin, veranstaltet Dienstag, den 27. Dezember in
386 —
der Singakademie ein popaläres Konzert zn Ein-
trittspreisen von 2 nnd 1 Mk, um auch den we^
testen Eieisen das Bekanntwerden mit den
schönen, klassischen Madrigalen za ermöglichen.
Professor Kichard Barth zu Hamburg
erhielt von der Marburger Universität den
Doktortitel, honoris causa. Prof. Barth war vor
seiner Uebersiedelung nach Hamburg in Marburg
üniversit ätsm usikdirektor.
Professor AlexisHolländer hat die Direktion
des Cäcilienvereins niedergelegt, der Verein hat
sich nach 41jährigem Bestehen aufgelöst. Wie
verlautet, plant Professor Holländer, als Epilog
seiner Dirigenten tätigkeit eine «Geschichte des
Cäcilienvereins'' zu schreiben, die einen Beitrag zur
Geschichte des Berliner Musikgeschmacks liefern
wird, an dessen Entwicklung der Verein und sein
rastlos tätiger Dirigent in unentwegtem Streben
ihren wohlverdienten Anteil beanspruchen dürfen.
Von Freunden und Verehrern des der Kunst
leider viel zu früh entrissenen Komponisten und
Musikschriftstellers Benno Horwitz sind eine
Beihe von „Gedächtnis-Konzerten'* geplant, welche
den Zweck verfolgen, seine nachgelassenen Werke,
die zum grössten Teil Manuskripte sind, zu Gehör
zu bringen. Das erste dieser Konzerte fand am
23. Oktober in der Singakademie statt und erfreute
sich der Mitwirkung von Frau Emilie Herzog,
Frau Antonie Stern, Frl. Marie E/Cimann,
der Herren Professor Dr. H. Eeimann, Violinist
Julius Ruthström und des Adolf Schulze-
schen Chores. Zur Aufführung kamen Adagio
für Violine und Orgel, Klavier- und Violin-Soli,
Lieder für Sopran und Alt, 2 fünfstimmige a capella-
Chöre und 2 Frauenchöre. Ganz besonderen Beifall
errangen sich die Vokalkompositionen, an ihrer
Spitze die Chöre, aber auch von den Solo-Liedern
hatten verschiedene durchschlagenden Erfolg, so
wurde u. A. das Lied für Sopran „Komme, ach
komme doch" und das Lied für Alt „Die Korn-
blumen*' lebhaft beklatscht und da capo verlangt.
In einem zweiten Konzerte kommt eine sinfonische
Dichtung „Dämonion" und ein „Quartett" in
F-moU zur Aufführung.
Das Herzogliche Hoftheater zu Dessau
hat ein neues Märchenspiel für Kinder: „Das
böse Prinzesschen" von Gabriele Reuter,
mit Musik von Max Marschalk, zur üraufführuDg
angenommen. Das feinsinnige Stück, das eine
wirklich poetische Bereicherung der einschlägigen
Literatur erhoffen lässt, weil hier die Moral restlos
Aesthetik geworden ist, soll womöglich schon in
der ersten Hälfte des Dezember an genannter
Bühne in Scene gehen.
Ein wichtiges Stück aus dem Brahms-
schen Nachlass wird in der Ende November
erscheinenden 3. Auflage des Werkes „Hermine
Spies" ein (Jedenkbuch für ihre Freimde,
(Leipzig, G. J. Göschen'sche Verlagshandlnng,^
veröffentlicht werden. Es handelt sich um den
gesamten Briefwechsel zwischen dem grossen Kom-
ponisten und der berühmten Sängerin.
Am 22. d. M. findet in Strassburg i. E. die
mit Spannung erwartete Uraufführung des musi-
kalischen Wald-Dramas „Die Vogesentanne" von
J. M. Erb, Oper in einem Akte, statt.
Von einer Anzahl grösserer Institute haben
sich die musikalischen Leiter zu dieser Vorstellung
bereits angemeldet.
Die „Geschäftsstelle der Lebens-, AUerspensions-
und Invaliditätsversicherung" der Mitglieder
deutscher Frauenvereine „Friedrich Wilhelm".
Leiterin Frl. Henriette Goldschmidt, befindet
sich seit dem 1. November d. J. wieder in ihrem
alten Heim, Berlin W., Behrenstrasse 60/61 p.
Frl. Goldschmidt ist dort täglich von 10— l üiir
vormittags anwesend, um alle Aufragen, mündliche
und schriftliche, zu erledigen
Bücher nnd Mnsikalien.
Max Uesse's „Deutscher Musiker-Kalender" 1905.
Max Hetse'f TerUf, Lelpilpr*
Der im 20. Jahrgang erscheinende Kalender
ist mit den beiden ausgezeichnet gelungenen
Portraits von Dr. Ed. Hanslick und Anton
DvolrÄk geschmückt. Beiden wird im Text eine
Skizze ihres Lebens und Wirkens gewidmet. —
Die innere Einrichtung des Kalenders ist im
übrigen die alte, durch die Praxis bewährte, ge-
blieben, das Postadressenmaterial der grossen
Städte wurde vermehrt; zu bedauern ist nur, dass der
Herausgeber mehr und mehr die kleineren Städte
verschwinden lässt. Hierin lag ein besonderer
Vorzug, der den Hesse'schen Kalender vor seinem
älteren Kollegen auszeichnete. Einen interessanten
Einblick in die Musikpfiege der heutigen Zeit
bietet der 53 enggedruckte Seiten umfassende
„Konzertbericht aus Deutschland", hier gewinnt
man einen genauen Einblick über dasjenige, was
aufgeführt wird, aber auch von wem es zu Gehör
kam. Ein alphabetisches Namensverzeichnis der
im Kalender angeführten Musiker Deutschlands
ist auch diesem Jahrgang wieder eingefügt.
Anna Morsch.
Kleine Partituren.
Immer häufiger erscheinen jetzt kleine Partitur-
ausgaben von Orchester werken: eine höchst dankens-
werte und auch dankbare Idee. In Eulenburg's
Sammlung erschien nun auch Bach 's Matthäas-
passion in gewohnter Ausstattung. Namentlich
die eingebundene Ausgabe mit der hübschen
Zeichnung auf der Decke und einer vorzüglichen
Wiedergabe des Portraits Bach's bildet ein kfinst-
— 387 —
lerisch wertvolles Bändchen. Hoffentlich folgen
ihr weitere Werke Bach's. Brahms' Sinfonieen
and dentsches Requiem - sind * ebenfalls dem all-
gemeinen Studinm erschlossen dnrch diese billigen
Ausgaben. Aach sollte dieser Verlag seiner vor-
trefflichen Aaswahi aus Berlioz' Werken dessen
Requiem und Faast, sowie das Te-Deum an-
schliessen, drei Werke, die man studieren muss,
wenn man wissen will, wer Berlioz ist. Dagegen
halte ich die Heraasgabe von Klavier werken in
Taschenformat für weniger wichtig, da die Klassiker
in so billigen Ausgaben erschienen sind, dass deren
Besitz jedermann zugänglich und das Nachlesen von
Klaviersolo werken eher nachteilig als fördernd ist.
Von Wagner besitzen wir nun den Bing,
die Meistersinger und Parsifal in kleiner
Aasgabe, B. Schottes Söhne, Mainz, die nur
durch das praktischen Bedürfnissen entgegen-
kommende Einfügen dreier Sprachen für den
Text leider an Klarheit verloren hat, aber in
der Ausgabe auf Chinapapier doch ein Kunst-
werk ist. Die zahlreichen Druckfehler müssen
künftig noch ausgemerzt werden. Breitkopf &
Härtel lassen leider noch immer auf Tristan
and Lohengrin warten in gleicher Form, dagegen
ist der Tannh&user bei Fürstner erschienen,
unbegreiflich ist es nur, dass der Verleger die
Aenderungen der Pariser Bearbeitung nicht auf-
genommen hat. Abgesehen davon, dass diese
nach Wagner*s Wille die definitive Form ist, die
er seinem Werke gegeben, sind auch diese nach-
komponierten Scenen orchestral vom allerhöchsten
Interesse für das Studium.*) Hier muss der Ver-
leger sich unbedingt zu einem Supplement ent-
schliessen. So fehlen also nur Holländer und
Rienzi (ausser Tristan und Lohengrin) zum
vollständigen Oyclns.
Leuckart's Verlag hat von R. Strauss'
Heldenleben eine reizende kleine Partitur durch
ein neues Verfahren hergestellt: nämlich auf
photographischem Wege. Dies hat den Vorteil,
dass die kleine Ausgabe der grossen genau gleicht
und also ganz frei von Druckfehlern ist.**) Sowohl
bei diesen Partituren wie bei der Sinfonia
domestica von R. Strauss bei Bote Sc Bock
ist das FoiTuat so gewählt worden, dass alle Seiten
immer in derselben Richtung zu lesen sind. Das
halte ich für einen grossen Vorzug. Die Sinfonia
domestica bietet die harmonischsten Verhältnisse
f&r ein bequemes Ueberschauen und leichtes Lesen.
Das kleine Taschenformat war ja ursprünglich für
Quartette bestimmt. Für moderne sinfonische
Werke sollte das von Bote & Bock als Vorbild dienen.
♦) Ja, der Venusberg allein ist in dieser Be-
ziehung reicher an Anregung als der ganze Tann-
häüser.
♦*) Die Notenköpfe sind freilich sehr klein ge-
worden, aber sehr deutlich, namentlich durch das
gute Papier. Sehr ungünstig und augenverderb-
Bch in beiden Beziehungen sind die Bruckner-
Bchen Sinfonieen, gedruckt bei Doblinger (Wien).
Otto Singer: „Das Heldenleben von Bichard
Strauss**, Bearbeitungen für Kla-
vier zu 2 und 4 Händen und für
2 Klaviere zu 4 Händen
r E. C. L«aekarl, Leipslir.
Besser als die früher besprochenen Ueber-
tragungen der Klassiker wurden die modernen
Komponisten übersetzt, trotz der weit grösseren
Schwierigkeiten.
Otto Singer, der fleissige Bearbeiter für
Bichard Strauss, hat das „Heldenleben** für
2 Klaviere, für ein Klavier vierhändig und sogar
zweihändig bearbeitet Letztere Aibeit ist die be-
wunderungswürdigste, denn da es sich hier nicht
um eine genaue Wiedergabe des komplizierten
Gewebes mit virtuosen Mitteln handeln konnte,
musste Singer die reiche Struktur vereinfachen.
Wie er hierbei Spielbarkeit erreicht hat, dabei
nicht ein blosses Skelett, sondern so zu sagen die
Badierung eines G^mälde;^ gibt, das verdient die
grösste Anerkennung. Am wenigsten befriedigt
die vierhändige Bearbeitung. Hierbei muss freilich
zugegeben werden, dass die Themenbildung bei
Strauss, die meistens von riesigem „Umfang** ist,
sich am wenigsten eignet für eine Ausführung,
wo jeder Spieler räumlich begrenzt ist. Hieraus
erwachsen fast unüberwindliche Schwierigkeiten
für den Bearbeiter, der nicht immer die Stimm-
führung einem Spieler vollständig überlassen
konnte (in der „Schlacht** beginnt der erste Spieler
das Thema, aber der zweite setzt es fort u. a. m.)*)
Sehr gelungen ist dagegen die Bearbeitung für
2 Klaviere. Nachahmenswert ist die Einrichtung,
die Takte zu numerieren.
Von Liszt's genialer Uebersetzung der Sin-
fonie fantastique von Berlioz, die nicht bloss
ein Klavierauszug, sondern eine Umbildung des
Orchesterklangs durch entsprechende pianistische
Mittel ist, hat dieselbe Verlagshandlung, F. E. C.
Leuckart, Leipzig, eine neue Ausgabe veranstaltet,
die gegenüber der älteren französischen von Liszt
verbessert worden ist und im Preis fast um die
Hälfte billiger. Dies Werk ist eine Fundgrube
für Virtuosen. Auch für den Vortrag von Original-
klavier werken lernt man hier viel.
«7. Vianna da Motta,
Felix Tom Rath, op. 9. Drei Tanzidyllen für
Pianoforte.
BBddeatieher MailkrerUf, StrMsbarg 1. B.
Felix vom Bath bietet in seinem op. 9 drei
sehr hübsche Stücke. Das erste in Mazurkenform,
das andere könnte vielleicht „in deutschei Weise"
überschrieben sein, ein Tanzlied mit einfach-lieb-
licher Melodik, das dritte entlehnt seine äussere
Umrahmung wohl dem Walzer, ist aber doch
wesentlich mehr. In den drei Tanzidyllen ist viel
*) Auch die hohen Lagen werden mehr als
nötig verwendet.
— 388 —
Stimmangf viel innige Masik, die eines leisen me-
lancholischen Anhauches nicht entbehrt nnd eben
darum um so anziehender erscheint Wir rechnen
vom Sath's Tanzidyllen zu den sehr schätzens-
werten Beiträgen der neueren Vortragsmusik, und
zwar umsomehr, als sie auch im Klaviersatz und
nobler Klangwirkung gleich vorzüglich geraten
sind. Sie stellen an den Ausführenden keine über-
grossen Anforderungen in der Technik, wollen in-
dessen fein und genau in jeder Vortragsnaance
ausgearbeitet sein. Dann aber werden sie samtlich
beste Wirkung tun.
Eugen Segnitz.
Vereine.
Musik-Sektion
des AUg, Deutschen Lehrerinnen- Yerelns.
Wir teilen unseren Mitgliedern hierdurch mit,
dass sich in Köslin und Bromberg zwei neue
Gruppen — die 30. und 31. unserer Sektion —
gebildet haben. Vorsitzende der Köslin er Gruppe
ist Frl. Anni Kuhn, Holzmarkt 2, der Brom-
berger Frl. Kosa Passarge, Rinkauerstr. 23.
Der Wortlaut der von der Königsberger
Gruppe gestellten Aufgabe ist: „Wie kann die
Musiklehrerin ihre pädagogische Bildung vertiefen?'^
Termin 1. Februar. Die Ausarbeitungen sind an
Frl. Streb, Darmstadt, Martinsstrasse 11^2
zu ssnden. ta -rr j. :>
• Der Vorstand.
I. A.
Sophie Henkd.
mr Einem Teil dieser Auflage liegt ein Prospekt der Edition Steingräber, Leipzig:
^Die Klavierunterrichtswerke der Edition Steingräber^ bei, auf welchen wir unsere Leser
besonders aufmerksam machen, D. E.
Konservatorium der Musik
in Kassel.
Gegr.i89B. Direktion: L Beyer. Gegr. 189B.
EhrenTOnltc : BeeiemneB-Präsident Tom TroM i« S«U,
6nf Köaiyfdorir, Ezcellens Generalin tob Colonb,
Oberbürgermeister MttlJer n. A.
Curatorinm: Pfarrer Bau, Sobaldirektor Prof. Dr. Kram-
maelier» Bankier Plaat, JuBtiarath Beheffer tu A.
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1. Bartdee:««a, Kammervirtuos. Prof. Dr. HSbely
O. Kaletsch, Kgl. Kammermusiker, K. KletsMaaa,
Kgl. Opernsänger, W. Moahanpl, Kgl. Kammermusiker,
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rickt (alle Stnfen); gleichzeitige Lehrbe-
fähignng für theoretische Fächer resp. für
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Stellenoernmitttig der IDuslksektioii
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Centralleitung: Berlin W., Lultpoldstr. 43.
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Stellenvermittlungs-Register.
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S^p Uila^iep-bebpcp
beginnt am 1. Janaar seinen 28. Jahrgang and wird, getrea seinem bei der (rründnug aufgestellten
Programm, auch im neaen Jahre an den bisher befolgten Tendenzen festhalten nnd nnentw^g^ an der
Fördemng und Hebang des Mnsiklehrerstandes weiterarbeiten.
Durch den im vorigen Jahre gegründeten „Mnsikpädagogischen Verband"*, zu dessen Organ der
„Klavier-Lehrer" gew&hlt wurde, als Organ der „Ma8ik-Sektion* des Allg. D. L.-V. hat sich der Arbeits-
kreis des „K1.-L/* beständig erweitert, da die Tendenzen beider grossen Verbände sich auf jenes Ziel
richten, welches der Begründer des „Klavier-Lehrer" und seine jetzige Leiterin seit länger wie 20 Jahren
als höchstes Kunstideal angesehen, nämlich die
Bildsagsziele des mNsiklebrerstaaaes
ZQ erweitern, und zwar durch die Macht der Erkenntnis, die den Lehrenden über die Schranken seines
beengten Kreises hinaus auf die Kunst und ihre Lehre in ihrem ganzen umfang führt, die sein Streben
auf das Wahrhafte in der Kunst richtet, ihn aber auch gewillt macht, das Erkannte treu zu vertreten.
Der hier in Berlin vom 6. bis 8. Oktober stattgefundene
II. masikpidagogiscbe Honnress,
dem aber 600 Teilnehmer aas ganz Deutschland beigewohnt, hat den Ernst der Bestrebungen des Musik-
pädagogischen Verbandes klar erkennen lassen, aber auch gezeigt, welche Sympathien seine Beformideen
in ganz Deutschland gefunden haben. Ausser seinem im vorigen Jahre aufgestellten Programm:
Rerorm aer masiklebrersemlaare
an den Konservatorien, die der „Klavier-Lehrer" durch fortlaufende Artikel aus dem Gebiet der
Pädagogik, Methodik und der übrigen Musikwissenschaften unterstützt und zur weitesten
Verbreitung der Prinzipien die eingereichten Lehrpläne in den als Beilage erscheinenden äeften
»»IDusikpjiaadediscbe Reformen''
Cebn^line — tebrxiele
veröffentlicht, hat der Musikpädagogische Verband auf dem diesjährigen Kongress sich zwei neue
Arbeitsgebiete erschlossen :
— 394 —
und
Dm KttttstgeiMg irna die Jliibiiawig der 6e$a««lebrkrjlfie
Referaieii auf den eeurm de$ S^HMgesMiies.
Für beide Gf'biete, — auf letzterem arbeitet die Musik-Sektion bereits seit Jahren — . sind
Kommissionen zur Fortfühnmg. der Arbeiten eingesetzt und wird der „Klavier- Lehrer" fortlaufend
Berichte über den Stand derselben bringen, gleichfalls aber auch eine Reihe von einschläglichen
Artikeln, die geeignet sind, die Kommissionsarbieiten zu unterstützen.
Die wissenschaftlichen, musikgeschichtlichen und ästhetischen Artikel, Biographien berühmter
Musiker, Gedenktage verstorbener Künstler erleiden dadurch keinen Abbruch ; sie erfolgen wie gewohnt
an erster Stelle als Leitartikel.
Die Redaktion.
@ie i'scbecbiscbe ^asil<.
Yon 1 ..
Dr. Karl S^torck.
Für das ts<'hechis<'lie National theater schuf
Smetana acht Werke und mit ihnen einetscliechische
Nationaloper. Freilicli j^elang ihm das in vollem
Masse nur für die komis<'he Oper. Hier, wo es
nicht schwere dramatische KonÜikte zu lösen ^alt,
wo es ^enü^te. den musikalischen Stinimun^s-
gehalt heiterer oder lyrischei- Szenen auszuschöpfen,
bevor er dann in den nationalen S<',hatz von Tänzen
xind Volksliedern ^riff. bot er Entzückendes. Seine
„verkaufte Braut*' (1866). die übrifi^ens von des
Komponisten Landsleuten zunächst ab^elelmt wurde,
ist eine Perle der komischen Opernliteratur. Sie
wirkte bei ihrem ei-sten Bekanntwerden in
Deutschland (1892) umso erquickender, als sie
gegenüber den schweren Musikdramen Wagners
eine Abwechselang, gegenüber dem italienischen
Verismo aber eine wahre Erfris<"liung darbot. Von
gleiclier Ai*t sind die anderen komischen Opern
Smetanas ,,der Kuss". ,,das Geheimnis'* und ..zwei
Witwen'*. Leider genügt keiner der Texte auch
nur bescheidenen dramatischen Ansprüchen. Wenn
man auf manchen Seiten diese Werke aber gar
y;egen Richard Wagner ausspielte, so handelte man
sicher niclit im (reiste des Komponisten, der
vielmehr in seinen grossen Schöpfungen dem
Bayreuther Meister nacheiferte. Er sah in diesen
komischen Opern nur Kleinigkeiten, auf die er
keinen Wert legte, wir dagegen werden gerade
sie immer lieben, wälirend uns sein „Dalibor*',
„die Brandenburger in Böhmen*'. „Libussa*' und
die ,,Teuf eis wand" nichts sagen. Es liegt das nicht
nur an den» im Bannkreis der grossen Oper oder
gar der hohlen Ritterromantik stecken gebliebenen
Textbüchern, sondern auch daran, dass der Musik
alle dramatische Schlagkraft abgeht. Die wunder-
vollste Kunstarbeit, einzelne Perlen ein-
schmeichelndster Melodik vermögen das Ganze
nicht zu retten. Die Natur in den komischen
(Schluss.)
Opern Smetana*; bleil)t uns viel lieber alü alle
Kuust. die er an seine grossen Werke in eifriirer
Arbeit verschwendet hat.
Auch als Symphoniker bekannte sieb Smetana
zum . Anhänger der Lisztschen Richtung. Das
zeigt sich am deutlichsten in den drei symphonischen
Dichtungen, die er 1856—61 in (TOthenbui*g *^-
schaffen hat. wie schon ihre Titel „Richanl 111".
,.Hakon ,Jarl" und ,.\Vallensteins Lager** zeigen.
Aber, bei aller Achtung vor der in ihnen ent-
haltenen Kunstarbeit - den echten Smetan.i
zeigen sie uns niclit. Dieser entdeckte audi als
Symphoniker erst sein Herz, als sich seine Musik
im Jungbrunnen der Heimat erneuert hatte. Als er
das Theater hatte aufgeben müssen, wandte er sich
der , InstmmentÄlkomposition zu und sclmf
„ma Vlast". das ist „mein Vaterland*', ein gi*os>
angelegtes und mit Grösse durchgeführtes WVrk.
das in seinen sechs Teilen gewissermassen das
musikalische Epos Böhmens ist: eine begeisterte
Verherrlichung seiner Geschichte, seiner Helden,
voll trunkener Liebe zu seiner Natur, ein vÖlligp>
Aufgehen in seinem Volkstum. Jeder dieser sechs
Teile besteht aus einem Satze, der verhältnismässiir
einfach angelegt ist uud kaum zu der Bezeiclmung
symphonische Dichtung bei*echtigt. Für das erste,
dritte, fünfte und sechste Stück schöpft er den
Stoff aus der heimatlichen (reschichte und Sagen-
welt. Ins sagenhafte Altertum reicht zurii<'k
„Vysehrad". Auf diesem Felsen stand die ln^h^
Burg der Premyslideu. der kriegeris<*,hen Herrscher
des alten Bcihmerlandes. Ihre lustigen Feste, ihiv
stolzen Heerfahrten, ihr letztes verawei fei tes Kämpfen
schildert uns der Künstler mit grosser Kraft. Viel
schwächer ist der dritte Teil ,,Sarka", der die
wenig sympathische, auch von Egon Ebert in
einer Dichtung verwertete .rudithsage behandelt,
wie diese Anführerin im böhmischen Jungfrauen-
395
kriege den Ritter tötet, der sie aus erheuchelter
Si'hmach hefreit hat. Voll echter Kraft, die sich
zuweilen bis zu grausamer Härte, an andern
Stellen aber auch zu hinreissender Leidenschaft
steigert, sind die beiden letzten Teile „Tabor" und
..Blanick'^, deren erster die Tapferkeit der Hussiten-
krieger feiert, während der zweite, nach einer Art
von Kyffhäusersage, das Wiedererstehen des alten
Hussitenreiches schildert. Fär uns Nichtböhmen
aber, überhaupt für den Freund einer üppig quel-
lenden, sinnigen und schönheitsseligen Musik viel
wertvoller sind der zweite und vierte Satz dieses
Zyklus: „Ultawa*^ das ifet ,,Moldau^S ^^^ ji^^^
Bölimens Hain und Flur". In beiden entroUt uns
der Komponist wie in langen Wandelpanoramen
eine Beihe köstlichster Bilder aus der schöuen
Landschaft und dem bewegten Leben seiner
Heimat. Man fühlt, dass er ein echter Sohn der
Natur war, dass er oft den schweren Fluten der
Moldau lauschte, dass er oft in den düsteren
Wäldern seiner Heimat die heiligen Schauer der
Einsamkeit erlebte, dass er manchmal von stiller
Höhe aus mit trunkenen Blicken sah, wie die
Sonne die reichen Kornfelder seiner Heimat ver-
goldete. Und doch gibt er vielleicht noch Besseres,
wenn er uns seine Laudsleute schildert. Hier er-
kennen wir, wie aus seinen komischen Opern, dass
Smetana, trotz seines schweren Leidens, sich das
heitere, sangesfrohe und tanzlustige Gemüt des
Böhmen bewahrt hat. Da waltet loderndes Tem-
perament, das zumeist in ausgelassener Lustigkeit
sich Luft macht, dem aber auch die heissen
Standen wilder Leidenschaftlichkeit nicht fremd sind.
Fehlt es mir so keineswegs an der grössten
Hochachtung vor diesem gewaltigen Werke Sme-
tana's, vor dem sich darin bekundenden musika-
lischen Beichtum, vor der Feinheit und Stärke
mancher £mpündung, vor der grossen Kunst der
Arbeit, in der dieser Böhme keinen Vergleich zu
scheuen braucht, so dass ich unbedenklich den
Zyklus „mein Vaterland'' in die allererste Eeihe
des symphonischen Schaffens der letzten Jahr-
zehnte stelle, so fühle ich mich umsomehr ver-
pflichtet, stark zu betonen, dass diese sympho-
nischen Dichtungen durch einen gewaltigen Ab-
stand getrennt sind von Beethoven's „Dichten in
Tönen''. Das alles ist und bleibt mehr ein Schil-
dern in Tönen, ein Verarbeiten von Eindrücken,
nicht ein Verkünden von Erlebtem; denn diese
Eindrücke kommen alle mehr von aussen, als dass
sie innen entstanden sind. Wir können alles dahin
zusammenfassen, dass das Seelische nicht stark
genug ist gegenüber dem bloss geistigen Erfassen
der Welt. Wenn trotz der herben Erlebnisse des
Komponisten diese Welt heiter und genussfreudig
bleibt, so ist das noch keineswegs Humor, denn es
lehlt der Kampf um den Frieden, das Hindurch-
nngen durch Leid zur Freude, es fehlt eben
überhaupt das Faustische, und darum haben wir
auf der anderen Seite wohl gewaltige Ereignisse,
aber kein tragisches Erlebnis. Einmal ninmit
Smetana den Anlauf dazu, innerstes Erleben zu
künden, in seinem Streichquartett „aus meinem
Leben** (1871), worin er die Tragik des Verlustes
seines Gehörs schildern will. Erreicht er das Ziel
auch hier nicht, denn die Mittel der Darstellung
bleiben zu äusserlich, und vielleicht ist ja auch
diese gewiss bedauerliche Heimsuchung, die einen
Abschluss von der Aussenwelt bedeutet, nicht mehr
als ein äusserer Eingriff in das Leben eines
Künstlers, dem innen eine Welt klingt. Auch
Beethoven hat das Schicksal erlebt und schwer
darunter gelitten; aber das Tragische lag bei ihm
vor dem Ereignis, in der Furcht, dass ihm da-
durch die Welt verschlossen würde, aus der er
künstlerisch schöpfte. Als er aber erkannte,
dass ihm die Gottesgabe, zu sagen was er leide,
vollauf verblieben war, schuf er sich eine Welt
von einer so überragenden seelischen Grösse, dass
aUes körperliche Leiden darin unterg^g, höchstens
ein Stachel blieb zu umso kühnerem Vordringen
durch die düstere Nacht zu jener Lichtwelt, der
der schöne Götterfunke, Freude, entsprüht.
Sehen wir in Smetana den höchsten Vertreter
eines geistigen Tschechentums, so ist Anton
DvorÄk die glänzendste Verkörperung des böh-
mischen Musikantentums. Darunter verstehe ich
das Vorwalten rein musikalischer Instinkte über
die geistige Kultur auch dann, wenn dieser In-
stinkt nicht, wie bei den Zigeunern, sich fessellos
austobt, sondern zu Gebilden von hoher formaler
Vollendung gelangt. Freilich, wo die Form zum
gebietenden Teil wird, wie in der mittelalterlichen
Kontrapunktik, wird man eher an schulmeisterliche
Pedanterie, als an freies Musikantentum denken.
Aber dass dieses umgekehrt eine Form von hoher
Begelmässigkeit nicht ausschliesst, beweist schon
die eine Tatsache, dass alle Tanzmusik naturgemäss
einem streng formalen Bewegungsgesetz unter-
worfen ist. Und aus diesem Gegenüber der ver-
schiedenartigen Bewegungsformen der Tänze haben
sich die höchsten Musikformen über Suite und
Sonate zur Symphonie entwickelt. Die Musik aber
hatte in diesem Formenspiel Gelegenheit, nicht nur
eine hohe sinnliche Schönheit, sondern auch ein
tiefes Empfinden auszudrücken. Letzteres blieb
freilich in den elementaren — ich sage besser all-
gemeinen — Empfindungen des Lebens stecken, —
Liebe, Freude, Leid, Trauer, Schmerz, jauchzende
Lust, Kampfesmut, hilfloses Zagen — o, es ist
eine lange Skala von Gefühlen, sie scheint fast
unerschöpflich, wenn man bedenkt, dass Mozart's
und Haydn's instrumentales Schaffen darin Platz
haben. Und doch, es ist sicher kein Zufall, wenn
Mozart's Symphonien im Konzertsaal immer weniger
wiederkehren. Viel zu wenig, — ich bedauere es
ehrlich, — aber doch gestehe ich auch, dass
Mozart's Symphonien allein uns nicht mehr aus-
zufüllen vermögen: wir fühlen unser Tiefstes erst
ergriffen beim Namen Beethoven. Das aber be-
396
deutet einen völligen Wechsel in der Anschaanng
vom Wesen der Mnsik, wenn er anch den Zeit-
genossen der beiden Meister nicht znm Bewnsst-
sein kam. Denn jene Musik ist beherrscht von
„der Triebkraft des zar Schönheit verklärten Uni-
versums", während wir hier den Menschen mit
all seiner Kraft, seinem Kingen und Streben,
seinem Scheitern und Vollbringen vor Augen
haben. Hier wogen die höchsten Leidenschaften
des Individuums, hier erscheinen Jauchzen und
Wehklagen, das furchtbarste Herzeleid, der tra-
gische Schmerz, die humoreske Verzerrung wie in
Shakespeare's Dramen nicht als allgemeine Stim-
mungszustände, sondern als Erleben eines persön-
lichen Individuums. (Kohler „Vom Lebensweg".)
Anton Dvorak hat, wie Viktor Jobs nach Ge-
sprächen mit ihm berichtet („Die Musik", Band 11,
S. 401 ff.), diesen Unterschied gefühlt. Er hat
erkannt, dass es der psychische Konflikt ist, der
der Beethoven'schen Symphonie Inhalt, Kraft und
Grösse gibt, und Dvorak hat sich zeitlebens nach
dieser Welt Beethoven's gesehnt. Es ist ihm aber,
trotzdem er das gelobte Land gesehen hatte, nicht
gelungen, hineinzukommen. Und so erscheint mir
Dvorak, trotz der Heiterkeit seiner Musik, als eine
im Gnmde tragische Erscheinung. Vielleicht ist
er ein Opfer seines Volkstums, vielleicht ist dieses
stärkste tschechische Musiktalent ein Beweis da-
für, dass die Kultur seines Volks noch nicht ent-
wickelt genug ist, um die kostbarsten Früchte am
Baum der Kunsterkenntnis pflücken zu können.
Dass der Komponist unter . diesen Verhältnissen
ständig gelitten habe, glaube ich nicht, wohl aber
erklären sie manches aus seinem Leben.
Er wurde am 8. September 1841 zu Mnhl-
hausen als Sohn eines Gastwirts und Eleischer-
meisters geboren. Nur unter unsäglichen Opfern
konnte der Knabe seinen Hang zur Musik be-
friedigen, da er dem Vater tagsüber in seinem
Gewerbe helfen musste. Als Sechzehnjähriger
machte er sich aber frei und kam nach Prag, wo
er im Orchester niedrigster Gattung sich ein karges
Brot verdiente. Endlich erhielt er 1862 eine An-
stellung als Bratschist im Orchester des eben
eröffneten Nationaltheaters, aber die mühselige
Lohnarbeit hinderte ihn nicht an einer eifrigen
schöpferischen Tätigkeit, die vor allem aus Smetana^s
Werken Anregung schöpfte. So war es natür-
lich, dass, trotzdem er die ältere klassische Musik
eifrig studierte, er ganz in diese tschechische
Richtung hineingeriet, der auch die erste von ihm
1873 aufgeführte Komposition, ein grosser Hymnus
für Chor und Orchester, „Die Erben des weissen
Berges", angehört. Der Erfolg dieses Werkes
änderte die Lebensverhältnisse des Komponisten}
der schon im Jahre darauf mit der komischen
Oper „Der König und der Köhler" einen neuen
Erfolg gewann. Wichtiger war für ihn, dass
durch diesen Erfolg Brahms auf ihn aufmerksam
wurde, dessen Empfehlung er eio vom Kultus-
ministerium bewilligtes Ehrengehalt in erster B.eihe
zu danken hatte. Brahms führte nun den Kom-
ponisten der von ihm selbst vertretenen IRiclitung
zu, und es ist auch ganz sicher, dass diese dem
Wesen von Dvorak am besten entsprach. In seiner
Bearbeitung „slavischer Tänze" für Klavier zn vier
Händen, denen bald «neue slavische Tänze^' und
„Rhapsodien für Orchester" folgten, bewährte er
sich als glänzender Bearbeiter des nationalen Meio-
dienschatzes, der sich den ererbten Kunstformen
leicht anpassen liess. In gleichem Geiste schuf
Dvorak auch fünf Symphonien und eine grosse
2iahl von Kammermusikwerken, die ihm einen
ersten Platz unter den Instrumentalkomponisten
der Gegenwart sichern. Es ist hier ein Schaffen
aus einer solchen musikalischen EüUe heraus, so-
viel gesundes Temperament, ein einfaches, aber
darum keineswegs untiefes Empfinden und letzter-
dings, bei manchen Härten und Kühnheiten im
einzelnen, eine so klare und durchsichtige Form,
dass der Erfolg leicht begreiflich erscheint, umso
leichter, als durch die Verwendung tschechischer
Volksmusik oder durch ein Neuschaffen innerhalb
der ihr eigenen Rhythmen und für sie charak-
teristischen Melodiengänge diese Musik einen aus-
geprägten Charakter erhielt, der im Gedächtnis
leicht haften blieb. Während so alle mit dem Er-
folg Dvoräk's zufrieden waren, war es der Kom-
ponist selber nicht. Er erkannte sehr wohl, wie
weit sein Schaffen hinter dem ihm als Ideal vor-
schwebenden Beethoven's zurückblieb, und es ent-
ging ihm keineswegs, dass er für die musikalische
Welt weniger als selbständiger Schöpfer bedeutete,
denn als bester Vertreter des Tschechentums in
der Musik. Da glaubte er seine eigene Persönlich-
keit schärfer zum Ausdruck bringen zu köunen,
wenn er musikalisch vom Volkssinn unberührte
Stoffe wählte, denen er erst aus eigener Kraft
die musikalische Gestaltung geben würde, und so
wurde er, der durch 23 Jahre als ein Hauptver-
treter der absoluten Musik gegolten hatte, zn
einem eifrigen Anhänger der Liszt'schen sym-
phonischen Dichtung. Es war Dvorak mit dieser
Abkehr von der formalistischen Kunst bitter ernst,
aber er vermochte das Gebiet der symphonischen
Dichtung nicht zu erobern. Er war dazu eine viel
zu naive Natur, die der schweren Gedankenarbeit,
der Verarbeitung der von ihm aufgegriffenen,
meist tragischen Vorwürfe seiner symphonischen
Dichtungen nicht gewachsen war, und so leicht
es seiner reichen Musiknatur fiel, sich das ganze
Hüstzeug des modernen Orchesters zu eigen zu
machen, so wenig wurde er frei von den ihin
völlig Wesens verwandten Gesetzen der geschlosse-
nen Musikform. So sind seine symphonischen
Dichtungen „Der Wassermann", „Die Mittagshexe",
„Das goldene Spinnrad", „Die Waldtaube", Zwitter-
schöpfungen, die, trotz ihrer reichen Schönheit im
einzelnen, nirgendwo eine seelische Entwicklung
des meist recht ausführlichen Programms erreichen.
— 397 —
Aehnlich erging es Dvorak anf dem Gebiet
der Oper. Preilich hatte er gar keinen Blick für 's
eigentliche Theatralische, geschweige denn für's
Dramatische. Aber wo er sich damit begnügt, zn
komischen oder doch heiteren Stoffen, die dem
Leben seiner Heimat entnommen waren, eine warm-
empfnndene nnd sehr feine Stimmungsmtisik zu
schreiben, erreichte er vorzügliche Wirkungen.
^Der König nnd der Köhler^, „Hartschädel^^ nnd
Tor allem „Der Bauer als Schelm" (1878) zeugen
dafür. Wo er aber nach der grossen Oper strebte,
wie in ,Wanda", „Dimitrj" and zuletzt in der
..Armida^^, da kam er über eine hohle Tbeater-
mache nicht hinaus. So ist Dvorak vielleicht das
überzeugendste Beispiel dafür, dass das Volkstum
einem Komponidten doch nur das Geringere, näm-
lich die stoffliche Welt, zu geben vermag, dass
das wirklich Grosse und Dauernde, das in seiner
Wirkung über alle geographischen Grenzen hinaus-
reicht, aus dem Gehalt der eigenen Persönlichkeit
geschöpft werden muss. Können wir da Dvor&k
nicht sehr hoch einschätzen, so wollen wir nicht
verkennen, dass er uns manche schöne Gabe ge-
boten hat, das Schönste in den Klavierstücken und
Liedern und jenen Abschnitten seiner Symphonien,
in denen er weiter nichts sein wollte, als ein vor-
züglicher, in formaler Hinsicht meisterhafter böh-
mischer Musikant.
Man darf wohl dasselbe für die gesamte
tschechische Mosik sagen, was von ihrem besten
Vertreter gilt.
Die ^usi1<äsi*bei'il< ut)d Ihre ppa1<Hscbe B^ofübruoS«
Von
Ol«» Stieslits.*)
Leitgedanken.
1. Der Wert der Musikästhetik als Lehrgegenstand
der Seminare.
2. Gliederung des Unterrichts in zwei getrennte
Disziplinen.
3. Form des Unterrichts.
4. Frage: Soll Musikästhetik als Prüfungsgegen-
stand betrachtet werden?
Als ich auf dem vorjährigen Musikpädagogischen
KoDgress das Wort ergriff und mir — als Stimme
aus dem Publikum — einen Einwand gegen die
provisorisch aufgestellte Prüfungsordnung erlaubte,
geschah es, um eine Lanze für die allgemeine
Bildung des Musiklehrerstandes zu brechen.
Damals plaidierte ich, der Musikpädagogische
Verband wolle für den Eintritt in die nach seinen
(irrundsätzen zu errichtenden Seminare den Nachweis
einer bestimmten Schulbildung verlangen, eine
Forderung, welche nachmals von der Majorität der
Kongressteilnehmer und interessierten Fachgenossen
als notwendig anerkannt worden ist.
Die kurze Auseinandersetzung, für die ich mir
in dieser Viertelstunde die Aufmerksamkeit der
verelirten Anwesenden erbitte, liegt in ähnlicher
Richtung. Ich bleibe in der Tonart, die ich
damals anschlug.
Wir sind uns wohl alle bewusst, 'dass jenes fest-
gesetzte Minimum, für die Damen die Absolvierun^
der Oberklasse einer höheren Mädchenschule, für
die Herren ein Schulabgangszeugnis, das die
Berechtigung zum einjährigen Dienst gibt, eine
höhere oder überhaupt nur eine abgeschlossene
Bildung irgend welcher Art nicht darstellt.
Gewährleistet wird damit höchstens eine
*) Vortrag, gehalten auf dem 11. Musikpäda-
gogischen Kongress, 6.-8. Oktober d. J.
gewisse Grundlage von Begriffen und allgemeinen
Kenntnissen, die zu der Hoffnung berechtigt, mit
Erfolg jene Schulung des Geistes vollziehen zu
können, deren jeder Lehrer bedarf, welcher nicht
nur als Techniker betrachtet werden soll. Wir
wissen alle, dass durch den Mangel an Kontrolle
heutigen Tages zahlreiche unserer Berufsgenossen,
den Anforderungen, die man an Kunstpädagogen
stellen darf, nicht entsprechen. Fehlt es oft am
Können, so häufiger noch am Wissen, an der
Fähigkeit, das Erlernte selbständig zu verwerten,
es in Freiheit und Gewandtheit anderen zu über-
mitteln. Die Schuld daran trifft kaum den einzelnen,
oder doch nur in beschränktem Masse. Die Ge-
legenheit zu einer umfassenden, künstlerisch
wissenschaftlichen Ausbildung war bisher nicht
ausgiebig oder, wenn ich so sagen darf, nicht
in konzentrierter Weise vorhanden. Wer sie erwarb,
eignete sie sich entweder auf dem mühevollen
Wege des Autodidaktentums an, oder es war ihm
vergönnt, verschiedenartige Lehrstätten zu besuchen.
Die Mehrzahl der bestehenden Musikschulen ver-
folgte entweder den Zweck, Dilettanten zu dienen
oder virtuose Sänger und Spieler, gelegentlich
auch Komponisten auszubilden. Die speziellen
Bedürfnisse des Lehrertums blieben unberück-
sichtigt. Diese Sachlage nötigt den Musik-
pädagogischen Verband nicht nur die eingeführten
Unterrichtsfächer umzugestalten, sondern auch
neue Lehrgegenstände hinzuzufügen. Hierzu ge-
hören Psychologie, Pädagogik, Akustik und
Musikästhetik. Von diesen Disziplinen steht
die letztgenannte den praktischen Zwecken des
Lehramts augenscheinlich am fernsten, und ich irre
daher wohl nicht in der Annahme, dass manche
der verelirten Anwesenden ihrer Einführung etwas
skeptisch gegenüberstehen, sie als überflüssigen
— 398 —
Ballast, Zeitverschwendung oder entbelirlicheii
Luxus betrachten. Im Geiste sehe ich zur Abwehr
ausgestreckte Hände, die vor einem „ne quid nimis^*,
einer üeberspannung des Wissensmasses warnen.
Bedenken dieser Art sind zwar nicht unberechtigt,
denn die bekannte Folge eines jeden „Zuviel" ist
Zersplitterung und Halbwissen, aber es lässt sich
dagegen einwenden — und das ist der Standpunkt,
auf dem ich stehe — dass jede nur auf praktische
Ziele gerichtete Fachbildung fast notwendig zur
Einseitigkeit führt. Nun ist es aber eine Tat-
sache, dass innerhalb der künstlerischen Berufs-
arten der Musiker am meisten zur Einseitigkeit
neigt, denn Musik ist nicht Freiluft- sondern
Kammer- oder Stubenkunst. Der Komponist
bedarf nicht wie der Bildhauer, Maler, Dichter der
Vorbilder in Natur und Menschenleben, sondern er
muss sich in sein Inneres versenken. Der ausübende
Musiker aber ist, so lange er studiert — und das
tut er oft sein halbes, ja sein ganzes Leben hindurch
— für viele Stunden täglich an den Platz vor seinem
Instrument innerhalb seiner vier Wände gebannt.
Dass hierdurch leicht eine gewisse Enge des
geistigen Horizontes entstehen kann, ist ausser
Frage. Aufgabe einer pädagogischen Ausbildung
ist es aber, dem rechtzeitig entgegen zu arbeiten.
Kann es doch nicht Ziel der Seminare sein, nur
korrekt geschulte Klavier-, Gesang-, Geigenlehrer
in die Welt zu schicken, sondern diese aUe sollen
doch auch zugleich — oder wohl sogar in erster
Linie — „Erzieher zur Kunst" sein. Nun
bilden aber weder die freien Künste mit einander,
geschweige irgend eine Einzelkunst eine in sich
abgeschlossene Sphäre, sondern sie stehen mit ihrer
jeweiligen Umwelt in lebendiger Verbindung,
Zwischen ihnen und den herrschenden Bildungs-
elementen, den Zeitideen, findet ein ununter-
brochenes Hinüber- und Herüberströmen von
Beeinflussungen und Beziehungen statt.
Diese Erkenntnis darf keinem Künstler ver-
schlossen bleiben, und für den künftigen Musik-
lehrer ist von besonderer Wichtigkeit, dass er
seine Kunst nicht isoliert, sondern im Zusammen-
hange mit Natur und Kultur begreifen lerne. Um-
fassender als Musikgeschichte erfüllt Musikästhetik
diese Aufgabe. Indem sie das innere Wesen der
Klangwelt von verschiedenen Seiten — vom
Standpunkt des Schaffenden, des N^chschaffenden
und des Geniessenden — zu erfassen und zu werten
sucht, gibt sie nicht nur dem Begriff der Tonkunst
weiteren Umfang und tieferen Inhalt, sondern vor
allem Einheitlichkeit.
Durch Einordnung der Musik in das Gesamt-
gebiet philosophischer Betrachtung des Schönen
schlägt sie auch theoretisch die Brücke hinüber
zu den sogenannten Greisteswissenschaften, wie zu
den übrigen Künsten.
Die Frage, wie die von diesem Gesichtspunkt
als wichtig erkannten, aber teilweise schwierigen
Lehren der Musikästhetik für einen Schüler-
kreis fruchtbar gemacht werden können, dessen
Durchschnitt nicht wissenschaftlich geschult,
an abstraktes Denken wenig gew^öhnt ist, läs^t
sich kurzer Hand nicht entscheiden. Ver-
mutlich w^ird erst eine Reihe praktischer Versuche
nötig sein, bis man unter verschiedenen Wegen
einen guten herausfindet — ich sage absichtlich
nicht den besten — da das Beste meiner Ansicht
nach stets etwas recht Eelatives bleibt. Einige
theoretische Erörterungen des Problems sind mir
jüngst in die Hände gekonamen, darunter ein Ar-
tikel „Musikästhetik als Unterrichtsgegenstand*'
aus der Feder des Herrn Dr. Schmidkunz, der
mir in Bezug auf die negative Seite der Sache
interessant war. Er gibt nämlich vortreffliche Be-
lehrung darüber, wie es nicht gemacht werden
muss, indem die Klippen aufgewiesen werden, an
denen der Unterricht zu scheitern vermag. Der
Verfasser betont mit Recht, dass sich Musikästhetik
als Unterricht wesentlich von den Vorlesungen
über diesen Gegenstand, wie sie an wissenschaft-
lichen Hochschulen, speziell den Universitäten ge-
halten werden, zu unterscheiden habe, sowohl in
der Auswahl des Stoffes, als dessen Behandlung.
Dem Lehrer aber, der die Gefahr vermeiden will,
über die Köpfe der Zuhörer hinweg zu dozieren,
drohen Fehler anderer Art. Entweder verfällt er
in eine populäre Schönrednerei, bei der nichts Po-
sitives herauskommt und der wissenschaftliche
Gehalt verloren geht, oder er will das Verständnis
hauptsächlich auf praktischem Wege erschliessen
durch Gehörversuche, musikalische Analyse etc.,
wobei unwillkürlich eine Verschiebung des Stoffes
zu Gunsten der Akustik, Kompositions- und
Formenlehre stattfindet.
Um letzteres zu vermeiden, möchte ich vor-
schlagen, dass die Musikästhetik den Schülern erst
in der zweiten Hälfte ihrer Seminarbildung ge-
boten wird, wenn sie in praktischen wie theore-
tischen Fächern schon einen Vorrat von Kennt-
nissen gesanmielt haben. Der Lehrer wird auch
dann gut tun, sich des Verständnisses seiner Hörer
zu vergewissem, aber er wird nicht nötig haben,
bei den Elementen so lange zu verweüen, dass es
zu ihrer Verwertung im eigentlich ästhetischen
Sinne nicht mehr kommt.
Bestimmt man nun für dieses Unterrichtsfach
ein Jahr, so würde sich meines Erachtens als na-
türliche Verteüimg des Lehrstoffs ergeben, das
eine Semester der Geschichte der Musikästhetik,
das andere ihrer systematischen Darstellung
zu widmen.
Der Lehrplan, den wir Herrn Professor
Hennig-Posen in einer der als „Musikpäda-
gogische Beformen" betitelten Beilagen zum „Kla-
vier-Lehrer" verdanken, berücksichtigt nur den
systematischen Teil. Er fusst auf des Ver-
fassers 1896 erschienenen „Aesthetik der Tonkunst*',
ein Werk, das vermöge übersichtlicher, gemein-
verständlicher Darlegung wohl geeignet sein dürfte,.
— 399 —
künftigen Liehrem der Musikästhetik an den Se-
minaren als Wegweiser zu dienen. Daneben halte
ich es aber für notwendig, dass auch die histo-
rische Entwickelung der Musikgeschichte im Zu-
sammenhang vorgetragen wird, denn der Schüler
dieser Stufe hat ein Anrecht zu erfahren, auf
welche Weise dieser oder jener Standpunkt der
gegenwärtigen Aesthetik gewonnen wurde.
Seit dem Auftreten des Aristoteles ist
niemand mehr imstande, ein philosophisches System
irß:end welcher Art frei zu erfinden, d. h. aus rein
originaler Denkkraft zu gestalten. Ein jeder stützt
sich auf Begriffe und Erkenntnisse, die vor ihm
gewonnen wurden, knüpft an frühere Errungen-
8<*haften an. Das gilt auch von der Aesthetik,
obwohl sie eine verhältnismässig junge Wissenschaft
ist indem erst ein Philosoph der Leibnitz-
Wolf fachen Schule, Alexander Baumgarten
1750 der Erkenntnistheorie des Schönen diesen
tarnen und den Rang einer selbständigen philo-
sophischen Disziplin verlieh. Immerhin liegt auch
hier, selbst wenn wir von den mannigfachen Vor-
arbeiten absehen, die von ältester Zeit her dafür
geleistet wurden, eine über 160 jährige Entwickelung
vor. Der Einblick in ein derartiges Werden und
sich Wandeln von Begriffen und Erkenntnissen ist
aber für den angehenden Kunstjünger äusserst
wertvoll, zur Entwicklung seines Denkvermögens
und zur Bildung selbständiger Auffassxmg.
Natürlich kann eine historische Uebersicht an
dieser Stelle nur in grossen Zügen, nur im Sinne
einer Einführung in die Geschichte der Aesthetik
im allgemeinen, der Musikästhetik im besonderen
gegeben werden. Befürworten möchte ich aber,
den Begriff der letzteren nicht zu eng zu fassen,
d. h. den Schwerpunkt nicht in eine Kritik der
neueren Fachmustkästhetiker zu verlegen. Es
erscheint mir richtiger, hier die eigentlichen Philo-
sophen zu bevorzugen, selbst auf die G-efahr hin,
gelegentlich über den Eahmen des ünterrichts-
gebietes hinauszugehen. Einiges Wissen um die
grossen Denker und die von ihnen formulierten
Begriffe, einschliesslich der dafür gebräuchlichen
Terminologie ist heutigen Tages fast notwendig für
jeden, der Anspruch auf höhere Geistesbildung
erheben will. Die Philosophie spielt zu mannigfach
in das Leben der Gegenwart hinein. Nicht nur
die fachwissenschaftliche, sondern auch die belle-
tristische und feuilletonistische Literatur ist von
ihr durchsetzt, und durch die Kunstkritik zieht
8ie Bich hindurch wie ein roter Faden. Es darf
daneben aber auch die tatsächliche Bedeutung
der eigentlichen Philosophen für die ästhetische
Wertung der Musik nicht unterschätzt werden,
denn sie haben stets die Grundpfeiler gelegt,
von ihnen stammt das Edelmetall, das nachmals
durch die ästhetischen Musikschriftsteller gemünzt
^nirde.
So unzulänglich, ja teilweise sonderbar uns
z- B. heute die Beurteilung erscheint, welche der
unmusikalische Kant der Tonkunst zuteil werden
liess, für die philosophische Betrachtung der Musik
ist er dennoch von grosser Bedeutung, indem er
durch seine 1790 erschienene „Kritik der Urteils-
kraft" der Begründer der gesaraten modernen
Aesthetik wurde. Ebenso erkennen wir in den
musikphilosophischen Lehren eines Her hart
mannigfache Irrtümer; trotzdem verdienen sie
besondere Beachtung, indem sie die Bichtung
anbahnten, welche in Eduard Hanslicks be-
kannter Erklärung, das Wesen der Musik bestehe
in „tönend bewegten Formen", ihren prägnanten
Ausdruck fand.
üeber Hanslicks weltberühmtes Buch „Vom
musikalisch Schönen" mag man urteilen wie man
will, das Verdienst, der Musikästhetik dadurch,
einen mächtigen Impuls zur Weiterentwicklung
gegeben zu haben, kann ihm nicht bestritten
werden.
Wie mannigfache Früchte Schopenhauers
Versuch einer metaphysischen Deutung der Musik
gezeitigt hat, bedarf wohl kaum der Erwähnung.
Bich. Wagners schriftstellerische, ja auch seine
dichterisch-kompositorische Tätigkeit legt beredtes
Zeugnis dafür ab. Aber auch die Philosophen von
gestern und heute — ein Nietzsche, Ed.
V. Hartmann, Wilhelm Wundt — sind so
eng mit dem Begriffe modemer Tonkunst im
schöpferischen wie kritischen Sinne verbunden,
dass sie in einer Geschichte der Musikästhetik
nicht übergangen werden dürfen. Es ist mithin
ein nicht unerhebliches Material direkt philo-
sophischer Kenntnisse, das dem Schüler hier zu
übermitteln wäre und für das ich dringend plai-
dieren möchte im Interesse der allgemeinen Bildung,
zur Erweiterung seines geistigen Horizontes.
In Bezug auf die Form des Unterrichts stimme
ich mit Herrn Dr. Schmidkunz darin überein, dass
sich der Seminarlehrer nicht darauf beschränken
darf, nur vorzutragen, es vielmehr seine Aufgabe ist,
die Schüler durch Fragen zum Mitdenken und Mit-
arbeiten heranzuziehen. Namentlich gilt dies von
der „systematischen Lehre", während für den
„historischen" Teil wohl die grössere Geschlossenheit
zusammenhängender Darstellung nötig ist. Vielleicht
wäre hier der Modus zu empfehlen, je einen der
Schüler zu Beginn der Stunde ein kurzes Referat
über den vorigen Vortrag des Lehrers abstatten
zu lassen, wodurch Gelegenheit geboten wird,
etwaige Irrtümer zu berichten, die gewonnenen
Kenntnisse zu befestigen.
Zum Schlüsse sei noch die Frage berührt, ob
Musikästhetik auch als Prüfungsfach zu gelten
hat. Aus zwei Gründen möchte ich für's erste
dagegen stimmen : einmal um dem Schreckgespenst
des Examens nicht noch grössere Dimensionen zu
geben, femer jedoch auch, weil das Mass unbedingt
notwendiger Kenntnisse sich auf diesem Gebiet,
das für die Seminare noch Neuland ist, zunächst
schwer abgrenzen lässt. Wünschenswert wäre
— 400 —
allerdings, dass den Prtifungszengnissen von Seiten
des Lelirers eine Note hinzugefügt wird, die über
äussere wie innere Teilnahme des Schülers an
diesem Unterricht Auskunft gibt.
Das ideelle Ziel des Lehrers kann durch den
Umstand, ob später in diesem Gegenstand geprüft
wird oder nicht, in keiner Weise verändert werden.
Die Hauptaufgabe jedweden Unterrichts darf doch
niemals darin bestehen, für ein Examen vorzu-
bereiten. Gilt es doch vielmehr, wichtige Ein-
sichten und Kenntnisse für das konmiende Berufs-
leben zu liefern. Mag nun auch für letzteres der
unmittelbar praktische Nutzen der Musikästhetik
ein geringer sein, der Grewinn, der durch sie
erzielt werden kann, ist darum nicht minder
wertvoll. Der Einblick in das innere Wesen der
Kunst, die Bekanntschaft mit anderen Wissens-
zweigen, die dadurch übermittelt werden, gereichen
der ganzen geistigen Persönlichkeit des künfti^n
Lehrers zum Vorteil.
Wenn Fichte gesagt hat: „Das Volk Tvird
am grössten und mächtigsten sein, das in seinen
Tiefen ganz von Bildung durchdrungen ist", so darf
ich, daran anknüpfend, wohl auch behaupten, der
Stand wird am grössten und mächtigsten sein, der
in seinen Tiefen ganz von Bildung durchdnm/^en
ist. Dass unser, der Musiklehrerstand aber gross
und mächtig werde im idealen Sinne, müssen wir
alle wünschen, denn in seinen Händen liegt die
Zukunft einer Kunst, die vor anderen berufen ist,
dem Materialismus entgegenzuarbeiten und auf das
Gtemüt des Volkes zu wirken, dieses zu veredeln
und zu vertiefen.
Kritische Bfickschau
über Konsert and Oper.
Von
Dr. Karl Storek.
Um den nächsten Bericht ganz für die Solisten
frei zu behalten, will ich einige Opernaufführungen
heute erledigen. Mit der Nichtigkeit der „kleinen
Lämmer^, die das „Theater des Westens" als
Neuheit brachte, werde ich meine Leser nicht
langweilen. Dagegen rede ich über Emma Cal-
ves Gitstspiel als „Carmen^* in der königlichen
Oper etwas ausführlicher, weil man, wohl aus
Kache dafür, dass die erwaitete Sensation ausblieb,
zu wenig daraus macht.
Nach dem ersten Akt sagte ich mir: sie ist
eine grosse Sängerin; nach dem zweiten: sie ist
eine grössere Schauspielerin; nach dem dritten:
sie ist durchaus Virtuosin. Zum Schluss gingen
alle diese Eindrücke zusammen und erhöhten den
Oesamteindruck. Trotzdem möchte ich nicht ge-
rade sagen : die Calvö ist eine sehr grosse Künstlerin.
Sicher war sie eine sehr grosse Sängerin, heute
ist sie dazu zu sehr Virtuosin. Es hört sich ja
ganz gut ai^, dieses „Beschränken auf ein kleines
Gebiet, hier aber Meister sein", das die Calve als
ihren Grundsatz verkünden liess. Jeder weiss,
dass die Pariser Primadonna nur ein sehr kleines
Bepertoir hat, und die Tatsache, dass sie auf ihrer
Gastspielreise durch Deutschland nur die „Carmen^«
singt, ist beredt genug. Eine solche Einseitigkeit
muss sich immer rächen, wenn nicht die gesamte
Öffentliche künstlerische Tätigkeit entsprechend
eingeschränkt wird. Das ist bei Fräulein Calvö
nicht der Fall, die die Carmen diesseits und jen-
seits des Ozeans schon mehrere hundert Male ge-
sungen hat.
Die Calvö ist eine grosse, üppige Erscheinung,
die eigentlich dem Bilde nicht entspricht, das man
sich gerade in Deutschland von dieser liebreizenden
Bestie macht. Das mag manche gestört haben,
ebenso wie die durchaus französisch-spanische Art
des Schminkens durch starkes Rotauftragen unter
die Augen. Für den Kenner spanischer Verhält-
nisse wirkt sie dadurch, wie durch ihr echtes
Kostüm, das auch vielen Zuschauem nicht spanist^h
genug war, gerade echt. Durchaus berechtigt., ja
vielleicht die einzig richtige, ist die Art, wie die
Calv6 den Charakter Carmens anlegt. Völlig aus-
geschaltet ist jede Sentimentalität, andererseits
auch eigentliche Dirnenhaftigkeit. Diese Carmen
liebt wahrhaft, wenn sie liebt, aber nur, so lange
sie noch etwas zu erobern hat, so lange sie in dem
Geliebten eine überlegene Kraft sieht. Im übrigen
ist sie das durchaus egoistische, in ihrer bewussten
Schönheit herrschsüchtige, immer nur sinnlich
begehrende, niemals hingebungsvolle VTeib.
Nietzsche begeisterte sich für diese Oper so, wahr-
scheinlich weil er in Carmen diese Mischung von
Herrennatur und von jener Bestie sah, zu der der
Mann nur mit der Peitsche gehen soll. Die Calv6
betont wiederholt den perversen Zug. Sie hat den
geschilderten Charakter vorzüglich angelegt und
führt ihn logisch durch. Etliche Posen, das Hin-
arbeiten auf den „ Applomb" neben dem sonst derb
realistischen Spiel mag den deutschen Beobachter
eigentümlich berühren ; aber wir dürfen nicht ver-
gessen, dass der Franzose immer bewusst Komödie
spielt, dass er auf der Bühne nicht Leben, sondern
Theater geben will. Nun aber bringt es das
Virtuosentum im Verein mit der mehr verstandes-
mässigen Natur der Künstlerin mit sich, dass sie
ein Zuviel gibt. Von der Kartenszene im dritten
— 401 —
Akt. abgesehen, wird man keinen Einzelzug nennen
können, der nicht berechtigt, der an sich nicht fein
ist. Aber wir erhalten eine solche Unmasse von
Einzelzüg^n, dass sie sich nicht mehr zu einem
«einzigen Gesammtbild zusammenfügen lassen.
Hierzu kommt ein stetes Spielen in's Publikum.
Also alle die Unarten, die das reisende Virtuosen-
tum, das Nichtauf gehen im Ensemble, mit sich
bringt.
Glücklicherweise hat sich die Sängerin Calv^
von allem Virtuosenhaften freier gehalten, als die
Schauspielerin — sie singt den fiizet'schen Noten-
text sehr getreu, und sie singt gut. Ihre umfang-
reiche, in der Tiefe wie in der Höhe gleich schöne
Stimme ist so wohlgeschult, dass sie, ohne gerade
stark zu sein, doch leicht durch den grössten
Haum trägt. Alles in allem bedeutet dieses Gast-
spiel für jene, die immer meinen, vom Ausland
müsse das Heil der Kunst kommen, eine gewisse
Enttäuschung. Derjenige, der auch dem be-
rühmtesten und teuersten Virtuosentom mit Miss-
trauen entgegensieht, wird froh gewesen sein,
durch all den Aufputz hindurch eine echte Künst-
lerin kennen gelernt zu haben. Aber dafür ist sie
auch Ausländerin und vertritt eine undeutsche
Kunst. Da ist der Standpunkt des Interessanten
gerade der richtige.
Mit völliger Herzensanteilnahme kann ich da-
gegen über die Neueinstudierung der „lustigen
Weiber" sprechen. Diese bedeutet in jeglicher
Hinsicht ein Verdienst der königlichen Oper. Seit
Mozart^s „Entführung" ist keine zweite deutsche
komische Oper geschaffen worden, die dem auch
leider unter den Opern ihres Schöpfers allein-
stehenden Meisterwerk Nicola i's gleichgesetzt
werden könnte. Dieses Werk erfüllt gleichzeitig
alle dramatischen und alle musikalischen Anforde-
nmgen. Was in Shakespeare's Gelegenheitsdrama
wirklich lebendig ist, hat es ausgeschöpft. Anderer-
seits will es nicht mehr geben. Boito, der Text-
dichter von Verdi's „Falstaff", hat den Fehler ge-
macht, dass er Ealstaff den Grossen in dieses
Spiel hineinzog, in dem nur Falstaff der Dicke
einen Platz hat. Gewiss ist der Italiener dadurch
dem genialen Urbild Fallstaff's näher gekommen,
aber was soll das Heidelberger Fass in einem
bürgerlichen Weinkeller? Aber Nicolai entgeht
trotzdem aller Philistrosität, der Lortzing durch
seine altberlinische Gemütlichkeit immer verfällt.
Nicolai ist viel zu sehr Weltmann, um sich gehen
zu lassen. Und dann besitzt er im Gegensatz zu
Lortzing die echte Opemmelodie. Lortzlng^s Musik
geht auf das Lied zurück, seine Werke sind ge-
hobene Liederspiele. Nicolai ist echter Dramatiker,
geht vom Rezitativ aus und innerer Natürlichkeit
an der musikalisch gehobenen Stelle zur Arie. £r
hat alles Gute der italienischen Opemform bei-
behalten, sie durch sorgsame deutsche Arbeit ver-
tieft und das Fehlende ergänzt und erfüllt nun
das Granze mit warmem deutschem Empfinden.
Seltsam, wie dieses Werk so ganz allein steht in
der deutschen Opernliteratur, xmd doch wundert
man sich gar nicht, es da zu finden, so natürlich
ist sein Wachsen. Es bedeutet die zweite Er-
oberung der italienischen Oper für Deutschland.
Mozart gab die erste. Nicolai schafft wie er mit
den Mitteln italienischer Kunst ein deutsches Werk.
Darin, dass trotzdem kein Zwiespalt zwischen Form
und Inhalt klafft, liegt die Meisterschaft. O, sie
sind selten, aber wir haben in Deutschland Maien-
tage, wo der ELimmel so blau und die Luft so
weich und die Erde so blühend ist, wie nur je am
Ufer des Gardasees. Und dann ist es gerade be-
sonders schön, dass es nicht bleiche Citronen-,
sondern rotbäckig gesunde Apfelblüten sind, scheint
der Himmel doppelt so blau, weil es gestern ge-
regnet hat, dringt die Luft balsamischer in unsere
Brust, weil diese noch vor wenigen Tagen vor
Kälte erschauerte. So entstand auch die höchste
Schönheit aller Melodie in deutschen Landen.
Dass wir Mozart haben und solch ein Werk von
Nicolai, das sind Wunder in unseren Breiten, und
es bedarf zu ihrem Entstehen einer viel höheren
göttlichen Kraft, als in südlichen Landen. Darum
strahlt auch aus ihnen ein stärkeres Licht gött-
licher Schönheit.
Die Aufführung im Opernhaus Hess diese
Schönheit in frischem Glänze erstehen. Eine vor-
zügliche Hegie, unübertreffliche musikalische
Leitung, eine prächtige Darstellung und sehr g^ter
Gesang. Schlechthin meisterhaft sind der Dirigent
RichardStrauss, unter dessen köstlicher Leitung
alle Einzelheiten der Partitur und ihre strotzende
rhythmische Kraft aufleben, Frau Herzog als
„Frau Fluth" und Herr Naval als„Fenton". Dicht
heran reichen die Herren Hoffmann "(Fluth),
Knüpfer (Falstaff), Mödlinger (Reich), Lieban
(Spärlich), die Damen Bothauser (Frau Reich)
und Dietrich (Anna). Alles in allem wieder ein-
mal ein Abend, an dem man sich aus vollem
Herzen freuen und ergötzen kann. O du goldiger
Humor, da kann einem an einem grossstädtischen
Winterabend werden, als wandert man an einem
Frühlingstage durch's schwarzwälder Wiesental,
in dem hunderttausend goldige Himmelsschlüssel
blühen!
^=S^--
— 402 —
Mitteilnngen
von Hoohsohalen und Konseryatorien.
Ein Lehrstuhl für Musikgeschichte Ist
an der Pariser Universität probeweise auf fünf
Jahre errichtet und Dr. Jules Combarieu über-
tragen worden. Durch verschiedene musikkrilische
und ästhetische Studien hat sich Combarieu vorteil-
haft in der musikalischen Welt bekannt gemacht.
Besonderes Aufsehen erregte sein Buch „LUnfluence
de la musique allemande sur la musique fran^aise".
Ein bekannter, reicher Eunstmäcen, Namens Mors,
hat zu dem Zwecke die Summe von 30000 Ffcs.
gestiftet.
Am Wiener Konservatorium hält Herr
Professor Adolf Prosnitz eine B«ihe von Vor-
trägen über die Klaviermusik Seb. Bach*s, zu
welchen auch auswärtige Hörer gegen vorherige
Anmeldung in der Schulkanzlei Zutritt haben. Die
Vorträge nahmen am 4. November d. J. ihren
Anfang.
Yermischte Nachrichten.
Frau Anna Saphse-Hofmeister, die einst
hochgefeierte dramatische Sängerin unserer Ber-
liner Hofbühne, ist, erst B2 Jahre alt, am 15. No-
vember gestorben. Sie war eine feinsinnige, sym-
pathische Künstlerin, die sowohl als Wagner-
Sängerin: Senta, Sieglinde, Elsa, als auch in
Mozart'schen und Verdi'schen Opern gleich vor-
zügliches leistete. Durch ihren geläuterten Kunst-
geschmack, ihr vornehmes Masshalten wusste sie
ihre Zuhörer nachhaltig zu fesseln. Sie trat schon
im Jahre 1889 von der Bühne zurück und wirkte
nur noch in Konzerten, hat sich aber bald ganz
von der Oeffentlichkeit zurückgezogen.
Die Städte Danzig, Königsberg und Ei-
bin g wollen sich zur abwechselnden Abhaltung
„altpreussischerMusikfeste^Wereinigen, deren
erstes zu Pfingsten 1905 in Königsberg statt-
finden soll und als Hauptwerk Mozart's grosse
C-moll-Messe in der A. Schmitt'schen Restau-
rierung in Aussicht stellt.
Eine illustrierte Chopin-Biographie er-
scheint noch vor Weihnachten dieses Jahres als
sechzehnter, in sich abgeschlossener Band der von
der Verlagsgesellschaft „Harmonie^^ in Berlin unter
der Bedaktion von Professor Dr. Heinrich Bei-
mann herausgegebenen Monographiensammlung
„Berühmte Musiker", welche auf den Weltaus-
stellungen in Paris und neuerdings auch in
St. Louis prämiiert wurde. Die Ausstattung und
Illustration wird, ebenso wie bei den früheren
Bänden, eine hervorragende sein. Der Verfasser
dieses Bandes ist der bekannte Musikschriftsteller
Dr. Hugo Leichtentritt.
Frau Emilie Herzog-Welti erhielt vom
Herzog von Anhalt anlässlich ihrer Mitwirkung im
m. Abonnements-Konzert der Herzoglichen Hof-
kapelle den „Anhaltinischen Verdienst-Orden für
Wissenschaft und Kunst".
Der Königl. Kammervirtuose Franz Pönitz,
erster Harfenist der KönigL Kapelle, feierte am
1. Dezember das Jubiläum seiner 40jährigen
Zugehörigkeit zur Königl. Kapeile. Bereits
mit 14 Jahren erhielt er vom Vater des jetzigen
Litendanten, Herrn v. Hülsen, seine Anstellung,
sodass der jetzt erst 54 jährige das älteste Mitglied
der Königl. Kapelle ist. Pönitz, der Meister der
Harfe, gilt gleichzeitig als einer der besten Har-
moniumspieler. Als Komponist ist er nicht so be-
kannt geworden, wie seine Schöpfungen verdienten.
Seine Tondichtungen bleiben breiteren Kreisen da-
durch verschlossen, dass sie zumeist der Haifen-
und Harmoniumliteratur angehören. Seine Sinfo-
nietta, sein Leander, Nordische Ballade, Todestanz
der Willis etc. sind Werke edelster Tonkunst, die
dem Komponisten eine grosse Ereundesschar er-
worben haben.
Das 18. Heft der „Mitteilungen'' für die
Mozart-G^emeinde in Berlin enthält einen
längeren Bericht über Mozart's erste italienische
Beise nebst dem Bilde des damals 14jährigen, das
in Verona gemalt wurde, und einen Satz ans
Mozart's erstem Streichquartett, das er zn
Lodi am 15. März 1770 komponierte. Ein zweiter
Artikel ist dem lOjährigeu Bestehen der Ber-
liner Mozart-Gemeinde gewidmet — ein Fest-
konzert fand aus gleichem Anlass am 7. Dezember
in der Königl. Hochschule statt — , dem Bückblick
sind 18 Künstlerproträts hinzugefügt, die Mit-
wirkenden bei den verschiedenen Musik -Anf-
führungen. Dr. Budolph Gen^e teilt bei dieser
Gelegenheit mit, dass er von der Leitung der
hiesigen Mozart-Gemeinde zurücktritt und dass
Herr Franz Bies sein Amt übernimmt Die
Bedaktion der „Mitteilungen" wird Dr. Gen^ vor-
läufig noch beibehalten.
Der „Evangelische Kirchenchor* zu Essen
veranstaltete am 27. November aus Anlass seines
1 0jährigen Bestehens eine geistliche Musik-
auf führung in der Kreuzeskirche zu £s8en unter
Leitung seines Dirigenten Gustav Beckmann
Es kamen eine grosse Beihe Werke von Altmeisteni
deutsch - evangelischer Kirchenmusik zu Gehör,
u. a. von Samuel Scheidt, Hans Leo Hassler,
Johann Eccard, Michael Frätorius, Hein-
rich Schütz u. 8. w. Die Neuzeit war durch
Albert Becker und Bob ert Badecke vertreten.
— 403 —
An der solistischen Mitwirkung war Frl. Otti
Müller-Brüggemann, Aachen (Alt), Kammer-
virtaoB £agen Sandow, Berlin (Cello), und
Gnstav Beckmann, Essen (Orgel), beteiligt.
Der dem Programm hinzagefügte „Greschichtliche
Rückblick*' gibt ein lebendiges Bild von der ansser-
ordentlichen Kührigkeit des Kirchenchors, der
angenblicklich 120 ordentliche und 77 ansserordent*
liehe Mitglieder zählt. Ganz besonders rühmens-
wert ist die vorzügliche Literatur, welche von dem
<^^hor gepflegt wird, wie ans den aufgeführten Pro-
grammen ersichtlich ist, und die die besten Namen
nennen, welche unsere alte und neue Kirchenmusik,
deutsch und italienisch, kennt.
Nummer 79 der „Mitteilnngen" der Musikalien-
handlung Breitkopf & Härtel ist erschienen.
Die Titelseite ist mit dem Bilde Peter Corne-
lius' geziert, der im Vordergrund des Interesses
steht. Die Veröffentlichung der Ersten Gesamt-
ausgabe seiner literarischen Werke, die im Auf-
trage derPamilte Cornelius erfolgt, beginnt im
1 und 2. Bande mit seinen Briefen, Tagebuch-
blättern und Gelegenheitsgedichten, heraus-
gegeben von seinem Sohne Carl Maria Corne-
lius. Der 1. Band, 799 Seiten stark, der die
Lebensperiode Mainz- Wiesbaden, Berlin, Weimar,
des Dichterkomponisten umfasst, liegt Im Druck
fertig vor; der 2. Band — München — erscheint
noch in diesem Monat. Ein 8. Band, „Aufsätze
über Musik und Kunst*, von Dr. Edgar Istel
herausgegeben, ist gleichfalls bereits erschienen
nnd darf, da die Sammlung dieser in schwer zu-
gänglichen Zeitschriften fast verschollen gewese-
nen Comelius'schen Aufsätze einem Bedürfnis der
Oegenwart entspricht, von den Freunden des sym-
pathischen Tondichters mit grosser Preude be-
grüsst werden. An musikalischen Schriften künden
die „Mitteilungen" femer an: Band 10 der Gesamt-
ausgabe der literarischen Werke von Berlioz (die
grosse Instrumentationslehre, herausgegeben von
Felix Weingartner), H. von Bülow's Briefe
Band 5, Franz Liszt's Briefe Band 8 (LaMara).
Bichard Wagner 's Briefe, nach Zeitfolge und
Lihalt verzeichnet von Dr. W. Altmann, wird im
Dezember ausgegeben. Besonders dürfte inter-
essieren, das« die Gloria-Symphonie von J. L. Ni-
cod^, die auf der letzten Frankfurter Tonkünstler-
versammlung allgemeines Aufsehen erregte, dem-
nächst im Druck erscheinen wird. Für den
Weihnachtstisch sind zwei Sammlungen der besten
geistlichen und weltlichen Lieder aller Zeiten be-
stimmt, das Geistliche Liederbuch und das
Weltliche Gesangbuch.
Eingehende Berichte über Werke von E. Uhl,
E. Istel, «Toh. Ev. Habert, sowie über musik-
geschichtliche Werke, musikalische Zeitschriften,
Nachrichten über einige bemerkenswerte Gregen-
stände des gegenwärtigen Musiklebens und eine
Zusammenstellung der in den Monaten Juli-Ok-
tober erschienenen Neuigkeiten des Hauses
Breitkopf & Härtel vervollständigen das Heft.
Anmerkung der Bedaktion. Herr Greneral-
oberarzt Dr. Steinhausen, der im letzten Mo-
ment verhindert wurde, den 2. Musikpädagogischen
Kongress zu besuchen, — sein Vortrag „Zur
Physiologie der Bogentechnik^' üel daher leider
aus — hat sich in gleicher Weise im Dienst der
Wissenschaft mit der Technik des Klavierspiels
beschäftigt, und ersucht die Bedaktion zur weiiteren
Förderung seiner Untersuchungen um ihre ünter-
stützuDg. Er sandte die nachstehende vorläufige
Notiz ein:
„Zur Feststellung, welcher Art die durch an-
gestrengtes Klavierüben entstandenen Schädigungen
der Muskeln, Sehnen und Nerven in besonderem
Grade und in besonderer Häufigkeit erkranken,
wird auf Anregung von Dr. F. A. Steinhausen
einer der nächsten Nummern des „EUavier-Lehrer*
ein Fragebogen beiliegen. Um Beteiligung aller
Interessenten, welche irgend in der Lage sind, zu
dieser bedeutungsvollen Frage einen Beitrag zu
liefern, wird freundlichst gebeten."
Selbstverständlich stimmten wir dem Vor-
schlage Dr. Steinhausen's, eine f üi unsere Klavier-
spieler so hochwichtige Sache fördern zu helfen,
mit grosser Freude zu; der von Dr. Steinhausen
entworfene Fragebogen erscheint schon mit der
1. Januar-Nummer des „Klavier-Lehrer.**
Bücher und Musikalien.
DoBenico Scarlattt: „11 Sonatensätze für Piano-
forte.** Bevidierte Neuausgabe von
Heinrich Germer.
Stephen Heller, op. 80. „Wanderstunden.^' 6 Cha-
rakterstücke. Neu - Ausgabe für den
Unterricht von Heinrich Germer.
Robert Schnniaiiii, op. 56. Studien für den Pedal-
Flügel für 2Pianoforte bearbeitet von
Aug. GrÜters.
Johaam Andr«» Offeabaeh •. H.
Die beiden erstgenannten Neuausgaben unter
der bewährten Feder Heinrich Germer's sind
für instruktive Zwecke ausserordentlich empfehlens-
wert. Von Scarlatti, dem Vertreter des strengen
Stils, liegt hier eine Auswahl seiner leichteren
Sonatensätze vor, die schon für Schüler der Mittel-
stufe verwertbar sind. Durch ihre frische Melodik
und lebendigen Rhythmus sind sie besonders
geeignet, den Studierenden in die klassische Lite-
ratur einzuführen. — Die reizenden „Wander-
stunden** von St. Heller finden durch diese Neu-
ausgabe und Bearbeitung vielleicht lebhaftere
— 404 —
Beachtnng, als ihnen, ebenso wie einer grossen
Anzahl anderer Heller'schen Kompositionen, bisher
zu teil ward. Sie bergen eine ganze Fülle fein-
sinniger, charaktervoller Musik. — Sehr will-
kommen dürfte allen Freunden des Ensemblespiels
die Bearbeitung der Schumann'schon „Pedal-
flügel-Studien für 2 Klaviere'' vierhändig sein, das
Werk wird dadurch erst weiteren Kreisen zugäng^g.
Der Bearbeiter hat der Originalpedalstimme freie
Füllnoten hinzugefügt, die aber nach Wahl zurück-
gelassen werden können. Das Werk ist eine wert-
volle Bereicherung der einschlägigen nicht zahl-
reichen Literatur.
Im gleichen Verlage erschieuen: „Vorstufe zu
Clementi's und Kuhlau^s Sonatinen", eine Aus-
wahl der leichtesten Sonatinen, Rondino*s, Uebungs-
stücke, geordnet und mit Fingersatz herausgegeben
von Paul Zilcher; „Klassisches Jugend- Alb um",
20 leichte Originalklavierstücke von W. Fr. Bach,
Beethoven, Händel, Haydn, Mozart und Schubert,
bearbeitet von J. 0. Armand. Beide Sammlungen
enthalten viel hübsches und wertvolles Studien-
material. — In einer durch Prof. Dr. H. Rie-
mann bearbeiteten Neuausgabe liegen auch Henri
Herz' weltbekannte „Gammes'' vor. Alle Aus-
gaben zeichnen sich durch ihre schmucke Aus-
stattung und tadeUosen Stich aus.
Anna Morsch.
0« Fr* Uftsdel: Der Messias. Klavieranszug mit
Text von Max Seiffert.
Breitkopf k Hirtel, LelpElff.
Der vorliegende neue Klavierauszug mit Text
ist nach der Partitur des Händel'schen „Messias",
wie sie Friedrich Chrysander bearbeitete und für
die Aufführung einrichtete, hergestellt worden.
Auch die (auf älteren Uebertragungen basierende)
deutsche Uebersetzung ist beibehalten worden. Max
Seiffert hat für einen trefflich ausführbaren Klavier-
satz Sorge getragen, dem Ganzen eine kurze
orientierende Einleitung vorangestellt und eine
Reihe von sehr brauchbaren Winken für die Auf-
führung selbst gegeben. Die letzteren beziehen
sich auf die, durch ein beigefügtes Schema ver-
anschaulichte Normal- Aufstellung von Dirigenten,
Solisten, Chor, Orgel und Orchester, auf die Be-
setzung des Orchesters, auf die Teilung des Streich-
orchesters in zwei Hälften, das Concertino für die
Begleitung von Arien, akkompagnierten B.esitativen
und Chören, und das Concerto grosso (die Hipieni)
bei Ritomellen und Chören als tonfüllende Er-
gänzung. Weitere kleinere Anmerkungen erstrecken
sich auf die Kadenzen, die begleiteten und die
Seccorezitative. Die hier angezeigte Neaansgabe
eines der berühmtesten Werke der Oratorien-Lite-
ratur präsentiert sich in einem durchaus ivürdigen
Gewände und sei Künstlern wie Kunstfreunden
gleicherweise empfohlen.
Y. F. Skop, op. 15. Suite für Streichorchester,
Klavier und Harmonium.
Chr. Friedrich Tlewegy Berlla-Grost-LlekterfleMe.
Wohl wird unter der Maske der Hausmusik
gar mancherlei minderwertiges Gut auf dem Mnsi-
kalienmarkte eingeschmuggelt, aber das oben ge-
nannte Werk verdient die Bezeichnung im besten
und vornehmsten Sinne. Denn es ist von freund-
lichen Stimmungen durchaus intimer Natur erfüUt
und ohne jegliches prätentiöses Verfahren dar-
gestellt. Die fünf Sätze, Präludium, Ländler,
Langsamer Walzer, Andante mit Variationen und
Finale, enthalten wirklich liebenswürdige, in feiner
Form dargebotene Musik von heiter und naiv
empfindender Art und reizender JOangwirkung.
F. Skop hat in seine Partitur ganz ausserordent-
liche Klangkombinationen und Tonmischnngen
niedergelegt, die aus der kenntnisreichen Behand-
lung aller beteiligten Instrumente herrühren. Nach
meiner Meinung darf man sich, zu Gunsten einer
zu ermöglichenden Aufführung, das Streichorchester
auf einen gewissen minimalen Bestand zurückge-
führt denken, ohne dadurch die treffliche Wirkung
des Ganzen zu schädigen. Der Autor stellt an die
Kräfte der Ausführenden ausnahmelos nur leicht
zu befriedigende Anforderung^en, und in der Haupt-
sache wird es sich um ein gutes und seelisch be-
wegtes Zusammenmusizieren handeln. Man wird
nicht vielen Werken wie dem in Bede stehenden
begegnen, die in allen Punkten so durchaus zu-
frieden stellen — Grund genug, alle Interessenten
an sein Vorhandensein recht angelegentlich zu
erinnern.
Bugen Segnitz.
Empfehlenswerte Bücher
Yerlag von Brellkopf k Härtel, Leipsig:
Hector Berlioz: Gesamtausgabe seiner literarischen
Werke. Band III „Vertraute
Brief e% Band IV „Neue Briefe',
Band IX .Die Musiker und die
Musik".
F. GiistaT Jansen: «Eobert Schumann's Briefe''.
Neue Polge.
für den Weihnachtstisch.
Rudolf Louis: „Hector Berlioz'*.
Arthur Laser: „Der moderne Dirigent**.
W. J. v, Waslelewski: .Die Violine und ihre
Meister". 4. Auflage.
Guido Adler: „Eichard Wagner**. Vorlesungen,
gehalten an der Universität zu Wien.
Hans T. B&low: „Briefe und Schriften^ Bd.V.
La Mara: „Franz Liszt's Briefe^ Band VHI.
405 —
Peter Comellns: ^Erste Gesamtausgabe seiner lite-
rarischen Werke". Bd. I „Aus-
gewählte Briefe''. Band m „Auf-
satze Über Musik und Kunst.
Verlag ron Hax Hesse, Leipslg:
Hugo Blemanii: „Katechismus der Musik**.
„ „Katechismus der Musikin-
strumente".
„ ,, , Katechismus des Musik-
Diktats*.
„ „ .Musik-Lexikon". 6. Auflage.
Liegt mit der 24. Lieferung ab-
geschlossen vor.
Libralrte anoienne et moderne Aug. Bertont, Paris:
Eigene Rapln: Histoire du Piano et des Pianistes.
J. G. Cotta'sche Bnchhandliuig, Stuttgart:
Otto Neltiel: „Eichard Wagner's Opern^ in
Text, Musik und Scene. 8. Auflage.
0. J. Gdsehen'sche Yerlagsbandlnng, Leipzig:
Hermine Spies: Ein Gedenkbuch für ihre Freunde
von ihrer Schwester. 3. verbesserte
und durch Briefe von Joh. Brahma
und Kl. Groth vermehrte Auflage.
Yerlag von Adolph Schomann, Leipzig:
Bobert HSyker: „Anleitung zum Vortrag Beet-
hoven'scher Klavierwerke*
von Adolf Bernhard Marx.
Neue Auflage.
Yerlag von C. Boysen, Hambnrg:
Emil Krause: „Die Entwickelung der Kammer-
musik".
Yerlag von Paul de Wlt, Leipzig:
Pänl de Wit: Katalog des Musikhistorischen Mu-
seums von Paul de Wit, Leipzig.
Vereine.
Mnaikpftdagogiscber Yerband.
Schulgesangs-Kommlssion.
Antrag Hiemann-Essen.
Für die Zukunft sollen nur solche Lehrkräfte
für den G^sangunterricht an höheren Schulen an-
gestellt werden, welche vor einer staatlichen
Prüfungskommission ihreBeföhigung nachweisen. —
Begründung.
Bezüglich der Anstellungsf&higkeiten bez<
•bedingungen der Gesanglehrer an höheren Schulen
li^ bei der preussischen Behörde keine ein-
heitliche Hegelung vor. Die Anstellung richtet
sich nach der Grösse der Anstalt und nach den
zar Gewohnheit gewordenen verschiedenen An-
nahmebedingungen in den einzelnen Provinzen,
d. h. man stellt Gesanglehrer an, welche nur mit
Gesangunterricht beschäftigt werden, oder semi-
naristisch gebildete Lehrer, die den Gesang-
xmterricht im Verein mit anderen Pächem zu er-
teilen haben. Zur ersten Kategorie gehören in der
Kegel Musikdirektoren, Organisten und Kantoren,
die zwar eine allgemeine musikalische Bildung ge-
nossen haben, aber eine besondere musikpäda-
gogische und gesangstechnische Ausbildung nur in
seltenen Fällen nachweisen können. Die zweite
Kategorie setzt sich aus seminaristisch gebildeten
oder akademisch gebildeten Lehrern zusammen, die
entweder keine besondere musikalische Vorbildung
hinter sich haben, oder an dem Königl. Institut
für Kirchenmusik in Berlin, seltener an Konser-
vatorien vorgebildet worden sind.
Die verschiedenen Anstellungsarten haben nun
Hissstände gezeitigt:
1. fehlt ein einheitlicher Lehr- und Stoffplan und
eine fachmännische Behandlung und Pflege der
Kindersingstimme.
2. liegen eine Beihe von AnsteUungen, besonders von
seminaristisch gebildeten Lehrern und Oberlehrern
vor, die keine staatliche Berechtigung zur Er-
teilung des G^sangunterrichtes besitzen. Dadurch
werden viele Lehrer, die z. B. das Listitut für
Kirchenmusik mit Erfolg besucht haben, in ihrer
Existenz geschädigt.
Aus diesen Gründen bitte ich den Musikpäd.
Verband, obigen Antrag der Regierung einzu-
reichen. Ich weiAS nicht, ob der Ausdruck ,,staat-
liche Prüfungskommission'* zweckmässig ist, da
wir eine solche noch nicht besitzen. Sollte darum
der Verband nicht gleichzeitig einen Antrag zur
Einsetzung der Prüfungs-Kommission einreichen,
bitte ich dafür zu setzen: akad. „Kircheninstitut,
Berlin^ oder staatlich anerkanntes Konservatorium.
Antrag Ziegler und Walk-Berlin:
Die Zulassung zur staatlichen Gesanglehrer-
prüfung soll nicht vom Besuche eines Konser-
vatoriums abhängig gemacht werden, vielmehr soll
die Art der Vorbereitung auf dieselbe jedem Be-
werber überlassen bleiben.
Dieser Antrag wurde veranlasst durch einen
andern, der die Zulassung zur Gesanglehrer-Prüfung
von dem Besuch des Kgl. Instituts für Kirchen-
musik oder eines vom Staate anerkannten Konser-
vatoriums abhängig gemacht wissen wollte.
Als Begründung des vorstehenden Antrags
sei Folgendes gesagt:
1. Das Königliche Institut für Kirchen-
musik stellt zwar Zeugnisse aus über Befähigung
als G^sanglehrer an höheren Lehranstalten, lässt
— 406
jedoch bei der Aasbildtmg der „Eleven* das
Wichtigste, nämlich den Sologesang, fast
unberücksichtigt: aas diesem Grande ist dies
Institut nicht die geeignete Stätte für die Aus-
bildung von Gesanglehrem.
2. Der Besuch des Egl. Instituts für Kirchenmusik
wird abhängig gemacht von einer nicht geringen
Eertig&eit im Orgelspiel; demnach bleiben
manchem die Pforten dieser Hochschule ver-
schlossen, weil er ein Instument nicht beherrscht,
das für ihn als Gesanglehrer unwesentlich ist.
8. Der Besuch eines Konservatoriums wird
manchem, der sich auf die Gesanglehrer-Prüfung
vorbereiten will, sehr erschwert und zwar
,a. weil in seinem Wohnort oder in der Nähe
desselben eine Anstalt dieser Art nicht
vorhanden ist,
b. weil die berufliche Tätigkeit während der
mehrere Jahre dauernden Ausbildung un-
möglich gemacht würde, was in vielen
Fällen gleichbedeutend wäre mit dem
Verzicht auf Erreichung des gesteckten Zieles.
4. Der Privatunterricht bei tüchtigen Lehrern be-
seitigt alle unter 1—3 angeführten Bedenken
und Schwierigkeiten.
Daher soll die Zulassung zur staat-
lichen Gesanglehrer-Prüfung nicht von
dem Besuch eines Instituts abhängig
sein; es soll vielmehr das „Wie* und „Wo*
seiner Ausbildung dem Bewerber über-
lassen bleiben.
Antrag Beckmann-Essen (Kuhr):
Mit Bücksicht auf die physische und psychische
Anstrengung dieses ünterrichtsgegenstandes ist die
Pflichtstundenzahl in angemessener Weise herab-
zusetzen.
Begründung: Dieser Antrag betrifft die-
jenigen Gesanglehrer, die neben dem Unter-
richt im Gesänge auch noch in anderen Fächern
an höheren Knabenschulen (Beal- und Oberreal-
schulen, Realgymnasien und Gymnasien) Unterricht
zu erteilen verpflichtet sind. Ihre Normalstundenzahl
beträgt 28 pro Woche, d. h. sie können also bis
zu 2d Stunden herangezogen werden. Diese
Stundenzahl ist schon mit Rücksicht auf diejenige
der Zeichenlehrer an höheren Knabenschulen, welche
nur bis zu 24 Stunden verpflichtet sind, zu hoch.
Nun ist es aber allgemein bekannt, dass der G^sang-
unterricht bedeutend anstrengender ist, als der
Zeichenunterricht. Das geben Professoren und
Oberlehrer unumwunden zu, die sich selbst einmal
im Leiten eines Schulchores versucht haben. Sie
sagen: Eine Chorgesangstunde wiege mehrere
andere Stunden reichlich auf. Wenn man bedenkt,
dass in einem solchen Schulchor 100—160 Schüler
der verschiedensten Klassen und Lebensalter
meistens dichtgedrängt nebeneinander sitzen, die
alle mehr oder minder zu stören geneigt sind und
woza ihnen das Nahebeieinandersitzen willkommene
Gelegenheit bietet, so wird man die erhöhte und
darum anstrengendere Aufmerksamkeit des Ijehrers
vollauf verstehen. Dazu kommt noch, dass de^
G^sanglehrer in vielen Fällen nicht diejenig^e Au-
torität — beispielsweise — eines OberlehrerR besitzt.
Dass häng^ aber damit zusammen, dass die Schüler
den Gesang — mit den anderen Fächern verg^lichen
— nicht für ebenbürtig halten. Auch den Zensoren,
die sie in diesem ünterrichtsfache davontrag^en,
stehen sie ziemlich gleichgültig gegenüber. H&ngt
doch von ihnen für sie gar nichts ab, da die
Zensur im Gesänge bei der Ausrechnung der Wert-
ziffer fürs ganze Zeugnis vollständig ausser Acht
gelassen wird. Wäre dieses anders, würde der
Gesang, wie das Zeichnen gewertet, sässe der
Gbsanglehrer wie der Zeichenlehrer in der Prüfungs-
kommission und hätte wie dieser darin auch das
Becht der Abstimmung, so würde sich die Auto-
rität des Gesanglehrers mit einem Male heben und
die körperliche Anstrengung wäre um ein nicht
geringes herabgemindert worden.
Wollte man aber auch eine tadellose Auf-
merksamkeit der Schüler und ein mustergültiges
Betragen derselben voraussetzen, so wäre doch der
Gesangunterricht immer noch aufreibender, als
Jeder andere UnteiTicht. Denn bei keinem Fache
wird die Seele so stark tangiert und in Mit-
leidenschaft gezogen, wie gerade im Gesang-
unterricht. Ein Gesang ohne Gemütsbewegung
lässt sich gar nicht denken, und wo ein solcher
gegeben wird, da fehlt ihm schliesslich das beste
und heiligste. Aber auch die vielen Armbewegungen
und der volle, wuchtige und fast ununterbrochene
Klang in den Ohren strengt sehr an. Während
der Zeichenunterricht meistens im Unterhaltungston,
oder gar im Zwiegesprächston erteilt werden kann,
muss der Gesanglehrer zu dem ganzen Chor
sprechen und diesen vorspielen und vorsingen.
Von den Schulfeiern und Schülerauf fühmngen, bei
denen der Chor stets mitzuwirken hat, von den
vielen Proben und Generalproben dazu, soll hier
weiter nicht gesprochen werden. Alles ist auf-
reibend.
Der E^lassengesang ist im Gegensatz zum
Chorgesang nicht so anstrengend. Aber auch er
erfordert weit mehr physische und psychische
Kräfte wie Jeder andere Unterricht.
Schliesslich ist es auch ein Akt der Ge-
rechtigkeit, wenn der Gesanglehrer in der Stunden-
zahl dem Zeichenlehrer mindestens gleich-
gestellt wird. Letzterer hat denn immer noch
ein höheres Einkommen voraus, obgleich die
Ausbildung beider Lehrkräfte, was die Zeit
ihrer Ausbildung betrifft, fast dieselbe ist.
1. Antrag Ast-Berlin:
Da Jeder Volksschullehrer auch im Ge-
sänge Unterricht erteilen muss, so ist es
nötig, dass in den Lehrer- und Lehrerinnen-
seminaren Unterricht in der Stimmbildung gegeben
407
wird. Zu diesem Zweck muss die Zeit für die
Aasbildnng der Seminar > Mnsikleiirer auf min-
destens zwei Jahre aasgedehnt and am Institut
für Kirchenmusik in Berlin der Stimmbildnngs-
nnterriclit obligatorisch gemacht werden.
Begründung:
Die JBIrfahrung lehrt, dass eine grosse 2jahl der
Volksscliiillehrer beim Eintritt ins Amt mit leich-
teren oder schwereren Hals-, bezw. Kehlkopf-
kranklieiten zu kämpfen hat. Das liegt zum
grössten Teile daran, dass die Lehrer ihr Stimm-
organ beim Sprechen und Singen nicht kunst-
gerecht gebrauchen. Alles dies wiirde verhindert,
wenn jeder Lelirer als Seminarist Stimmbildungs-
unter rieht genossen hätte. Der zweite und
nicht minder hoch anzuschlagende Vorteil wäre
dann auch die Fähigkeit, das für Sprechen und
Singen Gewonnene nun auch zum Wohle der
Schuljugend verwenden zu können. Die Ausbildung
der Lehrer nach dieser Seite hin liegt naturgemäss
in der Hand des Seminar-Mnsiklehrers.
Im Institute für Kirchenmusik, dem Aus-
bildnngsorte der Masiklehrer, ist aber unter den
heutigen Verhältnissen eine Ausbildung der Stu-
dierenden in diesem Sinne nicht möglich.
Zunächst wäre dazu die Studienzeit von einem
Jahre, wie sie jetzt üblich ist. zu gering, sodann
sind es zu viel Disziplinen, die heute neben dem
Sologesang in wöchentlich 6 Stunden — für
sämtliche Studierenden in Summa — Platz haben
müssen. Deshalb ist es wünschenswert, dass die
Zeit für die Ausbildung der Seminar-Musiklehrer
am Institute für Kirchenmusik auf mindestens
2 Jahre ausgedehnt und Stimmbildungsunterricht an
diesem als obligatorisches Pach eingerichtet werde.
2. Antrag Ast-Berlin:
Auch in mehrstufigen Volksschulen ist
für den Gresangunterrlcht das Fachlehrersystem
anzustreben. Deshalb möge der Staat Kurse für
die gesangliche Weiterbildung der Lehrer ein-
richten.
Begründung:
In mehrstuügen Volksschulen sind die An-
forderungen an die Gesanglehrer der Oberstufe
ziemlich hohe, da hier ein Chor gebildet werden
muss, mit dem 8- oder gar 4-stimmige Chöre
eingeübt werden sollen. Nun ist aber ein er-
spriessliches Arbeiten auf dieser Stufe nur möglich,
wenn die Ausbildung schon auf der Unter- und
Mittelstufe die richtige war. Da nun nicht
alle Lehrer allgemein mnsikalisch und speziell
gesanglich auf der erforderlichen Höhe stehen,
so ist es wünschenswert, dass der G^angunter-
richt möglichst einer nach dieser Richtung hin
ausgebildeten Lehrkraft übertragen werde. Da
zur Zeit wohl kaum eine genügende Anzahl von
solchen Lehrkräften vorhanden sein dürfte, so em-
pfiehlt es sich, dass man, wie für die Zeichenlehrer,
Fortbildungskurse für Gesanglehrer ein-
richte, in denen neben Stimmbildung auch
Theorie, musikhistorische und ästhetische
TJebungen Platz haben müssten.
Mit dieser Hummer sohiiesst das i¥, Quarta/, und bitten wir um reo/itzeitige Erneuerung
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Das Inhalts^ Verzeichnis des Jahrganges 1904 wird der Hummer ¥om /. Januar 1905
beigefügt Die Ezpedition.
Anzeigen.
tftatf^H
Karl REenseweiii
Schule der Klavier-Technik,
(Sohool of Piano Toohnio).
Empfohlen durch E. d'Albert, C. Ansorge, Prof.
Dr. J e d 1 i c z k a und andere Meister des Klavierspiels.
Heft I— V. je Mk. 1,50 netto. In einem Band ge-
heftet Mk. 6,-— netto, gebunden Mk. 7,50 netto.
Verlag der Freien Muelkallaohen Vereinigung,
BERLIN W^ Nfimber^erstr. 69a.
Deutschlands T^nkflnstlerlnnen.
Von
Anna Morsch.
Dsfi obige Werk wnrde im Anftrage des
Deutschen Pranencomitö's für die Welt-
anssteUung in Chicago verfasst nnd enthält
die biographischen Skizzen von ca. 125 Tonkunst-
lerinnen: Koniponistinnen, Musikschriftstellerinnen,
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Veriag „Der Klavier-Lehrer'' (M. Wolff), Beriln W. 50.
— 408 —
Konservatorium der Musik
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Gegr. 1895. Direktion: L Beyer. Gegr. 1895.
EhrenTOrsitz: B«>ffienin|i;8-Präsident tob TroM m Smli,
8nf EÖBlytdorff, Exoellens Generalin tob Colomb,
OberbürgermeiBter Miller o. A.
Cnratoriam: Pfarrer Hsm, Sohnldirektor Prof. Dr. Knm-
maehery Bankier Plaat^ Jnatizrath Scheffer o. A.
Lehrer : Die Damen : L. Beyer, Biassl-FSrsler, Königl. Opem-
BftDgerin, OleMe-Fabronl, A. Taadlea. Die Herren:
A. Harideg^m. Kammervirtaos. Pro£ Dr. H5bel,
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Pro»p. itrstial I ^£Of.^- M- S— « bonntod M. S.M.
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VI. S.T6; Sto^n, SliA. ilBagncc u. \int &A'6pfunatn
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SR I — i eitOcnit;, Stl^arb 8Bagn c in f.
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VI. S.T6; Sto^n, SliA. ilBagncc u. Unt&Mpiu
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to be-
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Krön, Der Weihnachtsengel 0,Ä)
Reincdie, O Sanctissimo l,2ü
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8artono, O selige Weihnachtszeit . . . .1,20
— Stille Nacht 1,-
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Döbeln-Dresden) vod Juni bia einschL September
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Herren und Damen vom Lehrfach, sowie susabende Künstler, die Unterricht
nehmen wollen, sind gebeten, event. vorher sciiriftliche Klarlegung ihrer stimmlichen
Versnlagung, sowie emes von einem Arzt ausgestellten Berichtes über ihren allge-
meinen Gesundheitszustand einzusenden.
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Klassen ffir höheres Klayierapiel.
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Institut
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Gegründet 1882.
Brfortf Sohilleretraeee 27.
Helene Nöring,
Gesanglehrerin. Tonbildung (Luise Ress),
Gehörbildung (Methode Chev6).
KSnigeberg I. Pr., Traghetm-Passage 3.
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KlnsaBf GMithlaantr.
Klavierunterricht, Theorie. Ensemblespie],
Anleitung zum Lehrberuf. Einzelunter-
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Methode A. Eaypers.
Gesang- und Kiavierunterricbt
BERLIN W., Ansbacherstr. 40.
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gegründet 1807.
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•tS)^ ^yr. 1886 i»
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biete einen Namen gemacht hat, sucht Engage-
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Schülerin von Sistermann, sucht geeigneten Wir-
kungskreis.
''Eine VorzügHcb^; sehr eifahrene Klavier-,
lehrerin und -Spielerin (Methode Riemann), die
über sehr gute Zeugnisse verfügt, wünscht ge-
eigneten Wirkungskrei«. Sehr erwünscht wäre
selbständige Leitang oder dergl.
Meldungen sind zu richten an die Central-
leltung der Stellenvermittlung der Musiksektion.
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Oberklasse; ; gleichzeitige Lehrbefähigung für
theoretische Fächer resp. für Anfangs- Violin-
unterricht bevorzugt;
2. eine Lelirkraft f&r Tiolinamter-
rieht (alle Stufen); gleichzeitige Lehtbe-'
fähigung für theoretische Fächer resp. für
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Fttr die Redaktion Terantirortlich: Anna Morsch, Berlin W., Ansbacherstr. 87.
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Druck: J. S. Preuss, Berlin S.W., Kommandantenstr. 14.
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«1
Per
Musikpädagogische Zeitsclirift für alle Qebiete der Tonkunst.
Organ der Musiklehrer- und Tonkünstler -Vereine
zu Köln, Dresden, Hamburg, Stuttgart, Leipzig,
der Musik-Sektion des A. D. L.-V.
und des Musikpädagogischen Verbandes.
Begründet 1878
von
Professor Emil Breslau r.
Redaktion: Anna Morsch.
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Achtundzwanzigster Jahrgang
1905.
■■5 V
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BERLIN.
Verlag „Der Klavier-Lehrer" (M. Wolfif).
t^-^i ^
-id
3nhdts°VerzeiGhnis 1905.
Seite
6rS$$ere Jlufiitxe.
Arend, Dr. M. Gluck-Cyklus unter A. Nikisch,
Leipzig 374
Bässler, K. M. Neue Tonschrift- Vorschläge 343, 361
Berliner Singakademie auf Reisen 221
Beckmann, Gustav. Robert Radecke .... 325
Bieler, G. Ein angedrucktes Schreiben Mey er-
beers 346
Capellen, G. Tonschrift- Reform -Capellen 24,
38, 56, 71, 89, 106
Da Motta, J. V. Hans v. Bülow Briefe und
Schriften 4
Wagner-Literatur 88, 105
Peter Cornelius' literarische Werke . . 265
Neue kleine Partituren 282
— Matthis Lussy und Hugo Riemann . . 309
— - Von Bach bis Wagner 347
— — Neues über Beethoven 375
Der 18. Deutsch-evangelische Kirchengesang-
vereinstag 267
fearius- Sieber, A. Das 7. Kammermusikfest
in Bonn 201
Oermer, H. Pädagogische Lesefrüchte . . . 239
^Trell, Fr. Leber's Lehrgang im Notensingen 284
(rninsky, Dr. K. Tristan und Isolde in der
grossen Oper in Paris . . 5
Haass, C. Virtuosen und Dilettanten der römi-
schen Kaiserzeit .... 200, 216, 232
Hermanny, M. Ivan Knorr's Marienlegende . 73
Herter, Dr. G. Ueber die Mechanik der dem
Klavierspiel dienenden Be-
wegungen 85, 101
Hiller, G. Schillerfeier bei Augusta Götze . 251
Jaell, Marie. Das Pedal 233
Klauwell, Dr. 0. Wer ist musikalisch? 120,
135, 152
Löwenthal, D. Violinschule von J. Joachim
und A. Moser .... 169, 184
Mecklenburg, A. Liszt in seinen Beziehungen
zu Robert Schumann 117,
133, 149, 165, 181
Moi-sch, Anna. Robert Eitner f 108
5. Gen.-Vers. der Musik-Sektion . 202, 218
Musikp'ädagogischer Verband 42
Niemann, Dr. W. John Field 197, 213, 229, 245
0. B. Zur Schulgesangsreform 283
Seite
Riemann, L. Der akustische Einfiuss der alten
und heutigen Klaviere auf die
Kompositionstechnik 247, 263,
280, 298, 328
Rischbieter, W. Vereinzelte Gedanken eines
alten Musikers . 183, 250, 378
Schaub, H. Zur Reform des theoretischen
Unterrichts auf unseren musi-
kalischen Lehranstalten . 296, 311
Schmitz, E. Hugo Wolfs Penthesilea . 53, 69
Segnitz, E. Ueber Franz Liszt's „Ann^es de
Pelerinage« 1, 21, 37
Felix Draesecke 293
— — Jean Paul und die musikalische Er-
ziehung 341, 357
Steinhausen, Dr. F. A. Ueber Zitterbew^egungen
in der instrumentalen
Technik 167
Storck, Dr. K. E. Humperdinck's „Die Heirat
wider Willen" . . ... . . 154
— — Die Einheit in R. Wagner's Schaffen
261, 277
— — Die Bedeutung der komischen Oper . . 359
Krftiicbe Klchicbau.
Seite 7, 27, 40, 58, 74, 91, 121, 137, 300, 312,
330, 348, 364, 376
Künttler - Uerxef cbnii.
d'Albert, Eugen 58
Ansorge, Konrad 122
Bauer, Harold 122
Bellincioni, Gemma 377
Behm, Eduard a32
Behr, Therese 75
Berger, Hr 76
Berliner Singakademie 139, 330
Blech, Leo 58
Bluhm, Marie 348
Boehe, Ernst 92
Böhmisches Streichquartett 12.3
Bramsen, Henry 332
Brüsseler Streichquartett 122
Burmester, Willy 122
Seite
Busoni, Ferruccio 92, 122, 331
Cleve, Halfdan 331
Culp, Julia 75
Dehmlow, Hertha 75
Dessoir, Susanna . . , 75, 332
Destinn, Emmy 8, 137
Dolores, Antonia 75
Dreyer, Arnold 378
Dreyer-Wolff, Martha 349, 378
Dröscher, Hr 8
Dyk, Hr. van 76
Ekleblad, Frl 315
Ekman, Ida 331
Erler, Klara 331
Fano, Alberto 92
Fischer, Gertrud 75, 139
Fleischer-Edel, Fr 93
Flesch, Karl 332
Fried, Oscar 137
Friedmann, Ignaz 122
(xodowsky, Leopold 122
Götze, Maria 315
Gregor, Hans 364
Griswoold, Hr 314
Grunicke, Franz 8, 94, 139
Grüning, W 8, 315
Gunning, Nella 348
Halir, Karl 331
Hambourg, Boris 332
Hansen, Christian 377
Hausmann, Robert SM
Heinemann, Alex 332
Hempel, Wine 314
Herzog, Emilie 93
Hess, Ludwig 75
Hessert, Hans von 377
Heyse, Carl 9
Hoeven, Cato van der . , 349
Hoffmann, Hr 8, 315
Joachim, Joseph 331
Jörn, Hr 315
Irrgang, Bernhard 9, 348, 349, 378
Juon, Paul 92
Kahn, Robert 331
Koenen, Tilly 75
Komische Oper, Berlin: Hoffmann's Erzäh-
lungen von Offenbach .... 364
Königl. Oper, Berlin:
Der Roland von Berlin v. Leoncavallo , 7
Rübezahl u. d. Sackpfeifer v. H. Sommer 75
Wasserträger v. Gherubiui 318
Das Fest auf Solhaug v. Stenhammer . 314
Leonore v. Beethoven 364
Königl. Sinfoniekapelle, Berlin 331
Knüpfer, Paul 8, 76
Kothe, Robert 93 i
Kraft, Edwin Arthur 8, 94 .
Kratz, Walter 9 I
Kraus, Ernst 76
Kubelik. Jan 122
Labauve. Gertrud 9
Lederer-Prina, Felix 349
Mahler, Gustav 91, 122
Marteau, Henri 122 I
Marx-Goldschmidt, Berthe 122
Maschek, Julius 349
Mauen, Joan 122
Messchaert, Johannes 93, 138, 139
Meyrowitz. Walter 92
Miles, Gwilym 94 ;
Moran, Dora 332
Morris, Hr 364
Muck, Dr. Carl 8. 315 ;
Mülilfeld Richard 123, 331 '
Münchlioff, Mary 75 I
Seit**
Mysz-Gmeiner, Lula 75, 331, 332
Nagel, Cliristian 8
Nationaltheater, Berlin:
Dornröschen v. August Weweler . . . 4<>
Die Zauberglocke v. Saint-Saens ... 41
Die neugierigen Frauen v. Wolf-Ferrari 58, 31 -i
Nikisch, Arthur 9:i
Ochs, Siegfried las
Oratorien verein, Berlin 13H
Philharmonischer Chor 92, 138, 331
Philharmonische Konzerte 27, 331
Plaichinger, Thila 76. i)3
Pohlig, Hofkapellmstr 9:5
Reimers, Paul 75, 331
Reinhold, Eva :Ui*
Reisenauer, Alfred 12:^
Reske, Hr 378
Rosenthal, Moritz VJ-J
Rückbeil-Hiller, Emma 138, 139
Rüdiger, Hans 7r>
Ruthström, Julius 139
Sager, Hr 37H
Sänger, Bertrand 40
Sarasate, Pablo de 122
Scamoni, Gertrud 122
Scherrer, Heinrich 93
Schmidt, Elsa 139
Schnabel, Ai-thur 75, l*Jii
Scholander, Sven 75
Schorys, Franz 122
Schubert, Ludwig JMt*
Schumann, Georg :J31
Sembrich, Marcella 3i^2
Seret, Maria 75
Sommerfeld-Kröning, Martha 9, 349
Stapelfeldt, Martha 13«
Stephan, Anna 75
Stem'scher Gesangverein 137
Strauss, Richard 27
Suter, Hermann 3^50
Szarka- Ahlers, Agnes H
Theater d. Westens, Berlin : Die neugierigen
Frauen von Wolf -Ferrari . .313
Der Opemball von Heubei^er .313
Traviata, Feodora, A Santa Luoia 377
Tiecke, Franzi 75
Tillson, George, R 139
Wagner- Verein Berlin ... 9H
Waldemar Meyer-Quartett 3'{2
Walter, Georg 139
Wi<*kham, Florence . . 377
Wolzogen's Komische Oper, Berlin . . . . 31'-<
Wüllner, Ludwig 75, 332
Zur Mühlen, Reinhold von 7ö
Bocbfcbttlei ntd KOMiervatorie«.
Augsburger Musikschule 300
Augsburger städtische Singschule 349
Beyer'sches Konservatorium, Kassel .... 333
Birminghamer Universität 9
Bologneser Musik-Lyceum 109
Bonner Konservatorium 333
Brandenburgisches Konservatorium, Berlin . 157
285, 315
Braunschweiger Konservatorium . . .171, 365
Breslauer Musikschule, E. Simon 172
Breslaur*8 Konsei*\'atorium, Berlin . 140, 285, 341»
Bromberger (resangschule 2K)
Brünner Musikschule 124
Charlottenburger Konservatorium des Westens 300
Darmstädter Akademie der Tonkunst . . . 315
Darmstädter Ferienkurse für Schulgesanglehre-
rinnen 171
Diesterweg- Akademie, Berlin 315
Seite
Dortmunder Konservatorium 316, 333
Dresdener Kgl. Konservatorium 60, 236, 253, 365
Dresdener Musikschule 349
Düsseldorfer Musik- Akademie 9
Ferienkurse von D. v. d. Hoeven 109
Ferienkurse füf Chordirigenten pp., Leipzig . 204
Fi:>oher'sche Musikschule, Magdeourg .... 124
Fis<:her'sche Musikschule, Stettin 140
Frankfurter Musikschule . . - 157
Freibuij^r Konservatorium 253
Freie Mochschnle, Berlin ........ 76
(lesan^chule von ^iga Garso, Berlin . . . 285
(4rr>ssherzogl. Musiklehrereeminar, Eisenach 59
Halle'sches Musikinstitut 124
Hanauer Musik-Akademie , . 285
Heidelberger Konservatorium . 27U
Hoch* sc lies Konservatorium, Frankfurt a. M. 94
123, 140, 236
Int)wrazlawer Musikschule 109
Kaiser' sehe Musikschulen, Wien 315
Karlsmlier Grossherz. Konservatorium . 188, 253
Klindworth-Scharwenka-Konservatorium 123, 188,
204, 253, 269, 332
Koblenzer Chorgesangschule 349
Kölner Konservatorium 83^5, 365
Kiinigl. Hochschule f. Musik, Berlin 42, 139,
236, 315, 349
Kr»iner*sches Musikinstitut. Giessen .... 157
Krain'sches Konservatorium, Breslau . . 109, 157
Krakauer Musikschule 188
Krefelder Konservatorium . . . 29, 42, 60, 300
Leipziger Konservatorium 29, 254
Manchester, Royal College of Music .... 365
Mannheimer Hochschule für Musik 42, 139,
269, 365
Meisterschule für Gesang, Rob. Weiss, Berlin 9
Mimi Pinson- Konservatorium, Paris .... 156
Münchener Akademie der Tonkunst . . 29, 270
Musikhistorisches Seminar, Berlin 42
Musik Wissenschaf tl. Vorträge an Universitäten
109, 333, 365
iVew-Yorker Konservatorium .... 9, 236, 285
Paderborner Kirchenmusikschule 236
Pariser Konservatorium 110, 204
Pariser Rubinstein-Preis 270
Petersburger Konservatorium 140
Pfälzisches Konsen-atorium 270
Pf)hrsches Konservatorium, Schöneberg-Berlin 157
Raff -Konservatorium, Frankfurt a. M. ... 236
Riemann-Konservatorium, Stettin 140
Rollfuss-Musik- Akademie, Dresden .... 333
Schlesisches Konservatorium, Breslau .... 333
Schweriner Musikschule, Berlin 77
Stem'schee Konservatorium 94, 171, 204, 222,
235, 264, 800, 332
Strassburger Konservatorium 76
Stuttgarter Königl, Konservatorium . . 285, 816
Tokio'er Konservatorium 222
Uppinghamer Musikschule 171
Violinschule von Prof. Heermann, Frankfurt a.M. 60
^Veima^er Grossh. Musik- und Orchester-
schule . . 171
Wiener Konservatorium 188
Würzburger Königl. Musikschule 29, 76, 139,
171, 188, 253
Ueniif cbte nacbrlcMfi.
Seite 9, 29, 43, 60, 77, 94, 110, 124, 140, 157, 172,
188, 204, 222, 236, 254, 270, 285, 300, 316,
333, 350, 366, 379.
Büthtf una mmikaliem
A/i^ghäzy, Carolus, Ungarische Stimmungen 190
Alexander Friedrich v. Hessen, op. 2. Phan-
tasiestück. . 159
Seite
Allg. Deutscher Musiker-Kalender für 1906 . 353
Ansorge, Conrad, op. 1. Sonate 367
Armand, J O , op. 20. Zehn Phantasiestücke 367
Barmötine, 8., op. 1. Thema mit Variationen 174
— — op. 2 Drei Lieder ohne Worte . . . 301
Becker, Albert, Werke f. Viol. u. Klav. . . . 159
Beethoven, L v. AUegro und Menuetto . . 207
Berlioz, Hector. (Gesamtausgabe seiner Werke i)84
Biehl, Albert, op. 166. 3 Salon-Etüden ... 318
Birkedal-Barfod, L., op. 21. (^inq Tableaux . 287
Ol). 22. Oktaven-Etüde 287
Blumer, Theodor, op. 12. Erinnerung . . . 303
Bölsche, Franz. Frühlingswehen 96
Borregaard, Ed. Adoration f. Klav 224
Brodersen, von. op. 1. Symphonische Suite . 62
Brüll, Ignaz. op. 93. Berceuse 302
Buhle, Edward. Die musikal. Instrumente in
den Miniaturen des frühen
Mittelalters 12
Bülow, Marie v. Hans v, Bülow Briefe und
Schriften 384
Casimir, Heinrich. Abendstinmiung .... 318
C'hop, Max. Vademekum f. d. Klavierspiel . 207
Chopin, Fr., op. 22. Andante und Polonaise 159
Cornelius, Peter. Gesamtausgabe seiner Werke 384
Deutsch, Wilhelm, op. 5. 2 Walzer . . . . 3a5
op. 6. Harlekin 336
op. 7. 2 Stücke i\m
Deutscher Musiker-Kalender für 1906 ... 353
Dohndnyi, E. v., op. 10. Serenade für Klav.,
Viol. u. Cello ... 12
— — — op. 5. Konzert 335
— — -— op. 11. 4 Rhapsodien 335
Döring, C. H, op. 255. Lenzknospen .... 46
Dvorak, Anton. Walzer f. Klavier 224
Edition Litolff, Neuausgaben 208
Eggeling, Georg, op. 82. Valse Impromptu . 143
op. 87. Valse Capriccio 148
— — op. 88. La Fontaine 143
op. 91. Die Mühle im Tale 143
op. 90. 18 mel. Okt -Etüden .... 382
Enna, August. Drei Klavierstücke .... 302
Fibich, Zdenek. 5. Symphonie 207
Filiasi, Fr. Orgel-Präludien u. Fugen von Bach
f. Kl. bearbeitet 191
Friese, Karl. op. 8. Tonleiter u. Akkord-
Studien 78
Glazounow, A. Pizzicato 301
Golther, W. Wagner als Dichter 225
Gura, Eugen. Erinnerungen aus meinem Leben 384
Haas, Joseph, ou. 1. 3 Lieder 141
op. 2. 6 Klavierstücke 191
Hacke, Heinrich. Lerne singen 384
Hasse, Max. Peter Cornelius u. sein Barbier
V. Bagdad 174
Hess, Ludwig, op. 14. Lied lein aus der Heimat 141
Hopf, Waldemar. op. 14. 2 melod. Kinderstücke 45
Horwdth, Gt^za. op. 48. 3 Morceaux .... 367
Jacques Dalcroze, E. op. 44. 3 Stücke f. Kl. 302
op. 45. 8 Stücke f. Kl 302
op. 46. 3 Stücke f Kl 302
— — — op. 47. Polka enharmonique . . . 302
Jahn, Otto. W. A. Mozart 384
Jansen, F. Gustav. Rob. Schumann's Briefe . 30
Joachim, J. Beethoven's Sonaten f. Kl. u. Viol. 238
Kahn, Robert, op. 18. 7 Klavierstücke . . 352
Karlowicz, Souvenir inMits de Chopin . . . Ml
Kann, Hugo. op. 56. 3 Klavierstücke ... 383
Kienzl, Wilhelm, op. 30. Kinderliebe u. Leben 367
Kirchner, Th. 20 Charakterstücke 173
— — op. 70. 5 Sonatinen ........ 352
Kiengel, Paul. Sarabande u. Tambourin f. V. 111
Klob, Carl Maria. Beitrage z. Geschichte d.
deutschen komischen Oper 383
Krentzlin, R. op. 9. Die ersten Blüten . . 45
Seite
Krentzlin, R. op. 15. Hunte Bilder .... 45
Kuiler, Kor. op. 26. 6 Klavierstücke .... 318
op. 27. 6 Klavierstücke 190
Lacombe, Paul. op. 112. Feuilles volantes . 13
La Mara. Aus der Grlanzzeit d. Weimarer
Altenburg 384
Lamprecht, Kai-1. Zur jüngsten deutschen Ver-
gangenheit 256
Lazarus, Gustav, op. 89. Fantasiestücke . . 46
Levy, Gustav. Richard Wagner's Lebensgang
in tab. üebersicht . ... 31
Liek, A. op. 26. Dramatische Phantasie . . 207
Litzmann, Berthold. Klara Schumann II B. . 384
Louis, R. Anton Brückner 383
MalJing, Otto. op. 80 Quartett, C-moU . . 189
M anderscheid, P. Klassische Chorgesänge . 224
Melcer, Henryk. Klavier- Konzei-t 383
Mendtner, N. op. 5. Sonate f. Kl 174
Möricke, Eduard. Gesammelte Schriften . 384
Moszkowski, Moritz, op. 69. Valse de Conzert 303
Neal, Heinrich. Deutsche Khapsodien . . . 174
Neitzel, Otto. Richard Wagner 's Opern . . 384
Niggli, Friedrich, op. 7. bonate f. Kl. u. V. 110
Parlow, Edmund, op. 76. Bunte R«ihe . . 45
Petersen- Berger. Lyrisches Album f. Kl. . . 224
Popper, David, op. 74. Streichquartett . . 302
Prochäzka, Jos. Frühlingsmotive 126
Rath, Felix vom. Im Mai 883
Reger, Max. op. 81. Variationen u. Fuge . . 62
— — Romanze f. Harmonium 190
op. 76. Schlichte Weisen 141
Reinhold, Hugo, op. 52. Klavierstücke ... 96
— — op. 58. Jugenderinnerungen .... 287
op. 53. Auf der Wanderschaft .... 96
— — op. 59. Arabesken 96
— — op 60. Silhouetten 96
Reitlinger, A. Exercises chromatique ... 13
Riemann, Hugo. Musik-Lexikon 30
Handbuch der Musikgeschichte . . . 384
Ritter, Hermann. Viola-Schule 190
Rose, Alfred. 40 Sonatinen pp 126
Sauer, Emil. Grosse Sonate 334
Schäfer, Dirk 4 kleine Klavierstücke . . . 224
Scheinpflug, Paul. op. 5. W^orpswede . . . 271
op. 6. 5 Gedichte .... 351
Schering, A. Geschichte des Instrumental-
konzert« 303
Schlegel, L, op. 13. Phantastische Studien . 13
— — op. 15. Phantasiestücke f. Kl. . 13
Schmidt, Leopold. Die moderne Musik . . . 384
Schmitt, Hans. op. 66. Drei sonnige Phan-
tasiestücke ....... 287
Schreyer, Joh. Harmonielehre . . . . . 382
— — Von Bach bis Wagner . . . 384
Schule des Triospiels. Bearb. v. M. Reger
und K. Straube 13
Schutt, Edouard, op. 68. Pages intimes . . 239
Schwartz, Rudolf. Jahrbuch d. Musikbibliothek
Peters 159
Schytte, Ludwig, op. 3. Impromptu .... 224
op. 133. Phantasien u. Bilder 62
Scriabine, A. Kompositionen f. Kl 11
Singer. Otto. 6 Stücke von P. Tschaikowsky 79
Sitt, Hans. op. 87. Menuett und Gavotte für
Violine und Klavier 12
Suite 382
Sjögren, Emil. op. 35. Sonate e-moll . . . 126
— op. 38. Präludium u. Fuge . 126
Smetana, B. Polka f. Kl 207
Seite
Steinhausen, Dr. F. A. Die physiologischeii
Fehler und die Umgestaltung der
Klaviertechnik 367
Stiehl, H. Abendstimmung 111
Storck, Dr. Karl. Geschichte der Musik 381, 3^4
Streicher, Theodor. 6 Lieder und 30*Lieder aus
des Knaben Wunderhom. 141
Szäntö, Th. 4 Bach'sche Choralvorspiele von
der Orgel f. Kl. übertragen . . 206*
Wagner, Kichard. Fantasie fis-inoU .... 2SS
Briefe und Ta^gebuchblätter es3
Wasielewski, W. J. v. Die Violine und ihre
Meister 3-^4
Weiss, Jos. op 23. 6 kleine Klavierstücke . 19<>
Wittenbecher, O. op. 11. Miniaturen. Für
Cello und Klavier 12
Wolf, Erich, J. op. 4. Sechs kleine Tänze . 28«
— — op. 5. 12 slavische Volksweisen 28b
Wolf, Hugo. Lieder aus der Jugendzeit . . 78
Wolf-Ferrari, op. 11. Vier Rispetti .... »j
Woyrsch, Felix, op. 60. Skaldische Rhapsodie 79
€npfebleft$werte BilcDer fir ac« OleifenacMstiscb«
Seite 383.
meinungiaustaufck
Wethlo, F. Zur Methodik des Unterrichts in
der Harmonielehre 191
üereiae.
Berliner Gymnasiallehrer- Verein 3^jS
Deutsch evangelischer Kirchengesang - Verein 208
Dresdener Toäcünstlerverein 303
Essener Musik-Lehrer- und -Lehrerinnen- Verein 336
Internationale Musikgesellschaft 209
Musikp'ädagogischer Verband
14, 63, 80, 111, 126, 143, 175, 240, 288, 318, 337, 384
Musiklehrerinnen- Verein f Mähren u. Schlesien 14
Musik-Sektion d. A. D. L. V.
31 46, 81, 127, 144, 159, 192, 208, 272, 337, 368, 384
Musik-Gruppe Berlin 127
„ Breslau 32, 3^
„ Braunschweig .... 81
Hagen 272
„ Hamburg 31
„ Hannover 81
„ Hildesheim 337
„ Iserlohn ..:.... 144
„ Kreuznach 1^»2
„ Leipzig 31, 368
Mainz 192
„ Nordhausen li^2
„ Osnabrück 192
„ Potsdam U>2
„ Wiesbaden 192
Zittau 144
Posener Musik-Lehrer- und -Lehrerinnen- Verein 176
Schulgesangs-Kommission des Musikpädagogi-
schen Verbandes 63, 80, 111, 126, 143, 175, 240
Stuttgarter Tonkünstler- Verein 208
Verein der Musiklehreriimen in Wien . . . 209
Verein der Wiener konzessionierten Musikschul-
Leiter und -Leiterinnen 176
Briefkasten.
Seite 14, 128.
-(?>^®®>^-
*
Druck von J. S. Preass, Berlin S.W., Kommandautenstr. 14.
Der UlavieMiehreF.
Musik-pädagogische Zeitschrift für alle Qebiete der Tonkunst
Organ der Deutschen Musiklehrer- Vereine,
der Musik-Sektion des K D.« L-V. und der Tonkünstler-Vereifie
zu KöIHi Dresden, Hamburg, Leipzig und Stuttgart.
Begründet 1878 von Professor Emil Breslaus
Redaktion: Anna Morscli
• • Cncbcinl monatUd) iwcfmal. • •
PTcIt vicridiJibrlid) bei allen Bud>« und
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(unter Do. 4170) 1,50 mk.» bei dircliter
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i1nsbad)ertlr. 37. zum Preise von 30 PI.
für die zweigrtpaiienc Petitzeile ent'
fledcniieiiommCB.
No. 1.
Berlin, 1. Januar 1905.
XXVIII. Jaiirgang.
Inhalt: Eugen Segoitz: Ueber Franz Liszt*« „Annöes de P6lerinage*. J. Vianna da Motta: Hang von Bülow. Dr. K. Grunsky:
.Tristan und Isolde" in der grossen Oper in Paria. Dr. Karl Storck: Kritische KQckschau aber Konzert und Oper. Mitteilungen
von Hochschulen und Konservatorien. Vermischte Nachrichten. Bacher und Musikalien, besprochen von Eugen Segnitz und
J. Vianna da Motta. Vereine. Briefkasten. Anzeigen.
^ebcr f^raoz biszfs 9,Ani)ees de pclerloa^e''.
Von
EnKeii ISSen^mltss.
»Wäre es nicht erlaubt**, fragte Ludwig
Tieck einmal, „in Tönen zu denken und in
Worten und Gedanken zu musizieren?
0, wie schlecht wäre es dann mit uns
Künstlern bestellt! O, arme Sprache, ärmere
Musiki Denkt ihr nicht so manche Gedanken
so fein und geistig, dass sich diese in
Musik hereinretten, um nur endlich Ruhe zu
finden?" In den Werken der grössten
Dichter atmet nicht selten der Geist einer
anderen Kunstjund die Romantiker waren es,
welche die „wunderbaren Affinitäten aller
Künste und Wissenschaften" darlegten, die
Künste einander wieder zu nähern suchten
und sich bestrebten, Uebergänge aus einer in
die andere zu finden. In diesem Sinne ge-
hört auch Franz Liszt, der grosse Begriffs-
bildner einer neuen Zeit, zu den Romantikern.
Denn wie jene, suchte er ebenfalls das Ge-
meinschaftliche in den verschiedenen Künsten
darzustellen, auch in seinem romantischen
Charakter fanden sich jene sonderbaren
Mischungen, Dämmerungen und Rätsel, auch
seinem Geiste belebten sich Bildsäulen zu
Gemälden, Gemälde wurden für ihn Gedichte,
Gedichte aber zu Musik.
Liszt's dreiteiliges Klavierwerk „Annees
de Pelerinage** enthält nun solche in Musik
umgesetzte Gedichte, die an sich wieder die
Ergebnisse tiefer Eindrücke aus Natur, Kunst
und Leben waren. Dieses Wanderbuch zeigt
uns den Meister als lyrisch-musikalischeri
Poeten, es berichtet, wie dieser Künstler die
Welt sah, wie sie seiner individuellen
Phantasie erschien und sein schöpferisches
Vermögen befruchtete. Echte Gelegenheits-
gedichte im Goethe'schen Sinne, halten die
Tonpoesien der in Rede stehenden Sammlung,
alle Eindrücke fest, welche Liszt auf seiner
langen Lebenspilgerschaft empfing, denn sie
dehnen sich über die Zeit senies ersten
Aufenthaltes in Italien (1839) bis in das letzte
Jahr der römischen Zeit (1869) aus, um-
spannen also ein ganzes Menschenalter und
sind so recht der Abglanz alles dessen, was
des Tondichters grosse Seele bewegte und
begeisterte. Poesie und Musik stehen hier
einander gegenüber und verbinden sich doch,
erstere repräsentiert das Bewusste, letztere
das Unbewusste, und man kann auch hier
beobachten, wie Poesie Musik werden will
und die Musik Poesie: die Poesie bemächtig
— 2 —
sich dunkler Stimmungen, die allgemein wie
Ton, Farbe und Geruch auf unser Wesen
einwirken, die Musik hingegen erregt wie
das Wort unserem Geiste bestimmte Vor-
stellungen.
Der erste Teil (^Premiere Annöe**) des
nun eingehender zu betrachtenden Werkes
enthält jene Stimmungen und Eindrücke, die
Lizst auf seiner denkwürdigen Reise durch
die Schweiz empfing, und beginnt mit der
»Tellskapelle". Wie in den meisten
Liszt*schen Kompositionen gelangt auch hier
ein höchst bedeutsames, religiöses Moment
zum Durchbruch und der Inhalt des Stückes
wird dann weit verständlicher, wenn an sein
früheres Motto „Einer für alle, alle für einen*'
erinnert wird. (Leider sind in der uns vor-
liegenden Ausgabe der „Ann^es de P^lerinage"
von B. Schott's Söhne, Mainz, zum Teil die
Motti ausgelassen worden.) Liszt schuf hier
einen Hymnus, worin die höchsten mensch-
lichen Güter, Freiheit und Licht, gefeiert
werden, von jener ursprünglichen Gewalt
und Kraft des musikalischen Ausdrucks, die
des Künstlers titanischem Wesen entspringt.
Auch hier tritt uns Liszt als Romantiker ent-
gegen, als Entdecker des Unbewussten,
Dämonischen in der Natur des Menschen.
Die das ganze Stück beherrschenden breiten,
stark accentuierten Akkordfolgen offenbaren
sicherlich den unumstösslich festen Willen
nicht allein des Einzelnen, sondern des ganzen
Volkes, und es darf als treffliches Beispel
Liszt'scher Charakterisierungskunst angesehen
werden, mit wie relativ einfachen Mitteln
hier der Hörer in den Bann einer Situation
hineingezwungen wird. Frei aus sinnigem
Naturgenusse herausgeschöpfte Bilder sind
die vier folgenden Stücke. „Au Lac de
Wallenstadt" ist ein Poem von wunderbar
beruhigter Stimmung, eine Zeichnung in
zartesten Linien und von bewunderungs-
werter Einheit dichterischer Stimmung, ein in
Wahrheit tönendes Gemälde, worüber ein
unsäglich feiner Duft gebreitet ist. Ein
stilles Träumen, Insichverlorensein und Hin-
aufblicken zum Aether tritt hier an Stelle
jeder markanten Ausdrucks weise; es ist eine
Zwiesprache der Dichterseele mit der sie um-
gebenden Natur, ja ein Stück tiefsinniger
Naturreligion selbst. lieber der wellen-
kräuselnden Bassfigur zieht die Melodie
lieblich sanft dahin: ein Bild der im tiefsten
Urgründe träumenden Menschenseele. Rein
und echt lyrischen Charakters ist das
„Pastorale**, ein Vorläufer seiner Gattung,
worin Liszt im Rahmen verschiedener Kom-
positionen, z. B. „Pr^ludes" und „Christus*-,
so überraschend Schönes gegeben hat Köst-
lich einfach in Melodie, Rhythmus und
Modulation kommt hier ein freiempfundenes,
inniges Gefühl zum Ausklingen, ein ent-
zückender Gedanke, in aller Naivität liebens-
würdig ausgesprochen und vom Hörer auf-
genommen. Die gleiche tiefgründige Be-
obachtungsgabe zeigt das folgende, „Au bord
d'une source" überschriebene Stück, ge-
wissermassen eine in*s Musikalische über-
tragene Naturstudie, deren Farben klingen,
deren Töne malen. Es ist in der Tat hierin
eine merkwürdige Analogie der Farben und
Töne zu finden und Liszt war hier schon der
Symboliker des Tons, als welchen er sich im
Laufe der Zeiten immer erweisen sollte. Ein
gä/izlich Neuer, tritt der Tondichter dem
Hörer in der folgenden Studie, „Orage*, ent-
gegen. Wie man Liszt den Meister des
modernen Pastorales nennen darf, so auch
des Sturms. Eine michelangeleske Kraft
bricht da aus, ein Stürmen, Toben und
Wüten, wie es zu damaliger Zeit noch kaum
für möglich erachtet >Aurde. ,Orage" möchte
ich ebenfalls nicht allein als eine Studie nach
der Natur angesehen wissen, sondern viel-
mehr recht nach der innerlichen Seite hin
deuten, nämlich als Symbol der Kämpfe und
Stürme, die des Menschen Seele, zumal die-
jenige des Künstlers, aufrühren und mit un-
geheurer, unbezwinglicher Kraft durchbrausen.
Zu den wertvollsten und anziehendsten
Nummern des Heftes gehört die „Vallee
d* Obermann** bezeichnete Komposition, eine
Tondichtung von grösserer Ausdehnung, als
die vorangegangenen. Sie ist nach Stellen
aus dem Brief- Roman „Obermann" von
Senancourts komponiert. Der genannte fran-
zösische Autor (1770—1848) hat mit «Ober-
mann*" eine Selbstbiographie in Briefen ge-
geben, deren Held, Obermann, die Ent-
deckung macht, dass die Menschen weder so
fühlen wie er, noch dass die ihn umgebenden
Verhältnisse seinen Anschauungen nach
irgend einer Seite entsprechen. Eine dem
Werther ähnliche Gestalt, sieht er schliesslich
ein, dass zwischen ihm und der menschlichen
Gesellschaft eine üebereinstimmung irgend
welcher Art nicht möglich ist. Vor allem
scheint mir der 58. Brief für Liszt's Tonpoem
von Interesse zu sein: „Que veux — je? que
suis — je? que demander a la nature? ....
— 3
Toute cause est invisible, toute fin trompeuse;
toute forme change, toute duree s'epuise . . .
je sens, pour me consumer en disirs
indomptables, pour m'abreuver de la s^duction
d'une monde fantastique, pour rester attere
de sa voluptueuse erreur.** — Auf die
Konzeption dieses, wie der übrigen vor-
liegenden Stücke wirkten auch Byron'sche
Dichtungen, insbesondere »Childe Harold",
und es ist von Interesse, zu hören, wie Liszt
bereits hier sich über programmatische Musik
einmal George Sand gegenüber mit den
Worten äussert: „Da des Musikers Sprache
mehr wie jede andere sich unbestimmten und
willkürlichen Auslegungen leiht, so ist nicht
unnütz und vor allem nicht „lächerlich", wenn
der Komponist in einigen Zeilen die geistige
Skizze seines Werkes angibt, wenn er, ohne
in kleinliche Auseinandersetzungen und ängst-
lich gewahrte Details zu verfallen die Idee
ausspricht, welche seinen Kompositionen zur
Grundlage gedient hat." Und gerade „Vall^e
d'Obermann", diese tiefsinnig tonphilosophische
Studie, bedarf sicherlich zu eindringendem
Verständnisse eines Kommentars durch das
Wort. Wesentlich leichter zu erfassen sind
hingegen die beiden folgenden Stücke,
„Eglogue" und „Le mal du pays", denn hier
entspringen alle Stimmungen wiederum der
den Tondichter umgebenden Natur, hier ist
es, wie Liszt selbst sagt, „insbesondere der
Musiker, welcher sich an der Natur begeistert,
ohne sie zu kopieren", er haucht vielmehr
nur die zartesten Geheimnisse seiner Be-
stimmung aus, indem er durch die Natur
denkt, fühlt und spricht. Gleichfalls als
Naturstudie in weiterem Sinne möchte ich die
Schlussnummer des Schweizer-Albums „Les
cloches de Geneve" bezeichnen: ein
wundervoll zauberhaftes Landschaftsbild bei
sinkender Abendsonne, in das hinein plötzlich
die tiefen Glocken aus der entfernten Stadt
nur das Gefühl inneren und äusseren Friedens
noch vertiefen und stärker zum Bewusstsein
bringen. —
Der zweite Teil (Seconde Annee)
unseres Werkes entstand unter den mannig-
fachen Eindrücken, welche Liszt Italien
verdankte. Er hat es selbst niemals ausge-
sprochen, dass der begeisterte Mensch, sei er
Dichter, Künstler oder Philosoph, immer die
brennende Sehnsucht nach Italien wie ein
geheimes Weh in sich trage, und dass das
Heimweh nach Italien das Heimweh edler
Geister sei. „Bei meinem Entschlüsse",
schreibt Liszt an Berlioz, „die Hauptstädte
Italiens nacheinander kennen zu lernen, ohne
mich irgendwo auf länger niederzulassen,
musste ich, wenn ich nicht töricht sein wollte,
auf Ausübung eines dauernden Einflusses
verzichten. Es wäre Wahnsinn gewesen,
auf Andere einwirken zu wollen und mir
selbst dabei eine Aufgabe vorzubehalten^ die
nur dazu gedient hätte, mich nach aussen zu
zersplittern, ohne ein Resultat zu ermöglichen.
So beschränkte ich mich denn auf eine kleine
tägliche Ration von Studien und persönlichen
Arbeiten. Da ich in der Gegenwart Italiens
nichts zu suchen wusste, so machte ich mich
daran, in seiner Vergangenheit zu blättern,
und da ich nur weniges von den Lebenden
erlangen konnte, wandte ich mich an die
Toten."
Und so war es in der Tat. Der zweite
Teil von Liszt's Wanderjahren entstand unter
den Anregungen der Werke von grossen
Toten Italiens: Dante, Petrarca, Raffael,
Michelangelo und Salvator Rosa! Von den
hier näher zu betrachtenden Klavierpoesien
entstand zuerst die Fantasia quasi Sonata.
„Apres une Lecture du Dante" am Gestade des
Comer Sees, wo Liszt von seinem Wohn-
hause aus die melancholische Klage der am
steinigsten Ufer ersterbenden Wogen vernahm
und die letzten bergvergoldenden Strahlen der
untergehenden Sonne sah. Hier hielt der
jugendliche Meister, von der Gräfin d'Agoult
begleitet, 1837 Villegiatur. „Vor der ärgsten
Tageshitze flüchten wir uns oft unter den
Platanenschatten der Villa Melzi und lesen
die „Göttliche Komödie" zu Füssen von
ComoUi's Bildsäule „Dante, geführt von
Beatrice". Welch ein Stoff!" Liszt war in
Dante's Werk tief eingedrungen. Er studierte
es unablässig, führte es auf allen seinen
Reisen mit sich und schöpfte daraus immer
neue Anregung. Die Dante-Phantasie, in
gewissem Sinne eine Vorstudie zur Dante-
Symphonie, spiegelt nur einen kleinen Teil
dessen wieder, was Liszt während der
Lektüre des gewaltigen, ganze Welten um-
spannenden Gedichtes empfand. Aber über-
all empfindet man in dieser Komposition das
stille, untrügliche Walten eines wahrhaft
dantesken Geistes, überall macht sich des
Tonpoeten Neigung für Zustände asketischer
Stimmung, mystischer Verzückung und tief
religiöser, glaubensinniger Andacht mit der
ganzen Kraft einer starken Persönlichkeit
geltend. Vor allem tritt uns auch hier Liszt's
4 —
Fähigkeit entgegen, den Kreis einer einmal
gefassten Stimmung völlig auszuleben und
dem Hörer mit wenigen Strichen ein Bild vor
die Seele zu zaubern, dessen glühende
Farben und wundervolle Zeichnung unaus-
löschliche Eindrücke hinterlassen. Wohl ist
diese Fantasia quasi Sonata nur eine Skizze,
kein in den Einzelheiten ausgeführtes Werk,
aber die Skizze eines Meisters von be-
deutendstem Werte und wichtig als Markstein
seiner Weiterentwicklung.
(Fortsetzung folgt.)
f{at}s ^01) üälo^.
Briefe mid SCftrifteil, e. Band, heransgegeben von Wiätit 0011 BlIO».
(Breitkopf M Hirtel» Lelpslg.)
Besproclien von
J. Tlanna da Motfta.
Nach längerer Pause ist nun wieder ein Band
(der vorletzte) der Briefe Bülow's erschienen, die
in jeder Beziehung das höchste Interesse erregen:
kQnstlerisch, menschlich, historisch. Mit be-
wunderungswürdiger Energie, Ausdauer und Ge-
schicklichkeit hat sich Frau von Bülow der
grossen Aufgabe gewidmet. Wenn auch zu Anfang
sich Stimmen gegen das Unternehmen an sich und
gegen die Art der Durchführung desselben erhoben,
so müssen heute, wo wir fast das gesamte Werk
übersehen können, alle Einwände schweigen. Es
war eine edle und eine notwendige Tat, durch Her-
ausgabe dieser Briefe das Bild einer der markantesten,
aber am meisten missverstandenen und entstellten
Persönlichkeiten des 19. Jahrhunderts festzulegen.,
„ecce homo, so war er, nun beurteilt ihn.^ Und
gerade jetzt musste das geschehen, da Bülow's An-
denken noch lebendig in allen ist und weil niemand
später eine so erschöpfende Auswahl des Materials
hätte treffen können, mit soviel warmer Anteil-
nahme imd soviel Kenntnis des Wesentlichen und
Charakteristischen, ja weil das Material später über-
haupt nicht mehr in solcher Vollständigkeit zu be-
schaffen gewesen wäre. Auch gegen die Auswahl
kann keinerlei Vorwurf bestehen. Bülow's Leben
zieht lückenlos an dem Leser vorüber, jede Seite
seines Lebens kommt zum Ausdruck, jeder cha-
rakteristische Zug ist mit historischer Treue und
Unbefangenheit beibehalten^ Sowohl seine anfäng-
liche Abneigung gegen Brahms (s. den vorigen
Band), wie seine spätere Abwendung von den
Werken Liszt's (s. gegenwärtigen Band) kommen
ganz zur Aussprache. Wir mögen diese Wendung
in Bülow's Sympathien beklagen, dass aber die Her-
ausgeberin hier aus Parteinahme für Brahms iigend
etwas verschwiegen hätte, ist ein Vorwurf, der
angesichts der beiden letzten Bände ganz hinfällig
geworden ist. Von dem unschätzbaren Material,
das diese Sammlung für die Kenntnis einer der
wichtigsten Epochen der Masikgeschichte liefert,
die uns alle am meisten aufregt, weil wir alle
etwas davon erlebt haben und doch — nicht so
recht hinter die Kulissen gucken konnten, brauchen
wir nicht zu reden. Dafür sind wir alle der Heraus-
geberin dankbar. Ihr Werk wird auch bereits von
den Forschern benutzt.
Auf niemand wie auf Bülow kann man Hattens
Wort besser anwenden: „ich bin kein ausgeklügelt
Buch, ich bin ein Mensch mit seinen Wider-
sprüchen.* Man wird Bülow's tiefleideDSchaft-
liebes, liebebedürftiges, rücksichtslos idealistisches
Wesen nie verstehen, wenn man die Widersprüche,
die in j e d e r Persönlichkeit stecken, bei ihm aber
durch Schicksalsschläge noch viel stärker ent-
wickelt wurden, nicht zugibt. Wer Bülow in den
letzten Lebensjahren gekannt, dem flösste er eine
mit Furcht gemischte Bewunderung ein, wenn
man nicht gar, in einem „unglücklichen^^ Augen-
blick, sich an ihm „ärgerte*^ Man nahm seine
Beizbarkeit als seinem Charakter eigen ohne weiteres
an, hielt ihn für einen despotischen Künstler.
Von seiner verschwenderischen Orossmut und
seiner wahrhaft ritterlichen Gesinnung wusste man
nichts und fragte nicht: Wie ist dieser Mann so
geworden? Die Antwort geben diese Briefe, und
wer hart über den Lebenden urteilte, muss dem
Toten im Geiste Abbitte tun. Denn nach Kenntnis
seines Lebens, seines äusserlichen, wie seines inner-
lichen, nach Kenntnis seiner unaussprechlichen
Leiden, wie seiner reichen, allseitigen, sehr, nur zn
sehr gehemmten Tätigkeit, wächst diese Gestalt
zu wahrhaft tragischer Grösse empor.
Der vorliegende Band beginnt mit den
Konzertreisen, die Bülow als Heimatloser, um sich
ein Kapital für seine Kinder zu erspielen, in
Deutschland, Russland und England unternahm,
vom Sommer 1872 bis Herbst 1875. Wie der
äusserst sensitive, körperlich schwache, wenn auch
zähe Mann herumgehetzt worden ist, spottet aller
Beschreibung. Es erweckt Grausen, zuzusehen,
wie er, gleichsam von einem inneren Dämon ge-
trieben, sich verzehrt. Fleissiges Studium (täglich
7 Stunden), lange Beisen, verlorene Nächte, die
unglaublichsten Anstrengungen, wie z. B. Nachtr
fahrt nach dem Konzert, am nächsten Morgen
Probe, oder zwei Konzerte an einem Tage (in
— 5 —
England : eins um 3, das andere um 8, dazwischen
schreibt er einen langen Brief), Spielen nach
27 stündiger Fahrt, zahllose Besuche und — Briefe,
deren Schreiben seiner Hand so schädlich ist, wie
er sich, oft beklagt. Auf den langen Eisenbahn-
fahrten lernte er neue Stücke auswendig! Buonamici
konnte trotz seiner Jugend und kräftigen Eonsti-
tntion das Leben mit Bülow so wenig aushalten,
das er auf einige Zeit fortreisen musste, um „mal
12 Stunden auszuschlafen^^ Hierauf folgt die
grosse, mit Enthusiasmus begonnene, totkrank
abgebrochene Heise in Amerika, 1875—76, auf der
er in 8 Monaten 139 Konzerte gibt. Und mit
welchen Programmen! Eine rührende Liebesepisode
zei^ uns Bülow hier in einem neuen Licht,
Sein warmes Herz, seine Verehrung der Schönheit,
die Jugendlichkeit bei seinen 45 Jahren („Alter
schlitzt vor Jugend nicht", sagt er ein anderes
Mal) wirken mit entzückender Erische.
Dann kommen die erschütternden Briefe von
der schwel en Krankheit im Jahre der ersten
Bayreather Festspiele. Hier bricht der in der
Tiefe seines Wesens bohrende Schmerz durch:
^Ich allein unter so manchen noch Unwürdigeren,
bin durch Schicksal und Welttücke als ein Ver-
dammter ausgeschlossen, dem wichtigsten Eunst-
gesehichtsereignisse des Jahrhunderts beizuwohnen.'
Immer blieb er Wagner in künstlerischer Ver-
ehrung zugetan: „Wenn Bayreuth nicht zustande
käme, wäre es eine National schände^*, hatte er
Bronsart geschrieben. Einer Freundin schenkt
er 1000 Mark zum Besuch der Festspiele. Im
Jahre 1878 nimmt er sich vor, durch „Vorlesungen
von Beethoven's Testament^^ (die 5 letzten Sonaten)
10000 Mark für Bayreuth zu „erklimpern*'. Das
Endresultat betrug nahezu 17000 Mark.
Dieser eine Grundzug in Bülow's Wesen genügt,
ihn für immer verehrungs würdig zu machen, sein
Bedürfnis, zu bewundern. Keiner wie er empfand
so warm die innigste Freude des Menschen, von
der Carlyle spricht, „zu bewundern wo er kann;
uichts hebt ihn über alle kleinlichen Einschrän-
kungen so hinaus, wie wahre Bewunderung."
Der Adel seiner Gesinnung kommt auch in
seinem Verhalten Bubinstein gegenüber zur
Geltung, seinem einzigen Kivalen, den er trotz
allem bewundert in Schutz nimmt. Er spricht
offen aus, dass ihm manches fehle, was Bubinstein
in stärkerem Masse besitze — wie allerdings auch
umgekehrt.
Nachdem er sich langsam von der Krankheit
erholt, die ihn an Grabesrand gebracht hatte, be-
ginnt 1877 wieder die fieberhafte Tätigkeit, dies-
mal unter so glänzenden Auspizien in Hannover,
in Gemeinschaft mit dem edelsten, ihn ver-
stehenden, liebenden Freunde: Hans von Bronsart,
ein ebenso enthusiastischer, aber nicht so rück-
sichtsloser Idealist. Aber schon 2 Jahre darauf
zerschellt das edle Streben des Beformators an
seiner eigenen Ungeduld und an dei Unzulänglich-
keit und Eitelkeit der anderen. Der Humor verlies
ihn freilich nie. Als ein Sänger, der sich beleidigt
fühlte, ihn forderte, soll er geantwortet haben: er
nehme die Forderung an, aber nur auf Kanonen.
Was die heftigen Szenen zwischen Bülow und
dem Theaterpersonal hauptsächlich hervorrief, war
nach Dr. Fischer's interessanter, leider in einem
hilflos ungeschickten und oft trivialen. Stil ge-
schriebenen Broschüre: H. von Bülow in
Hannover (Hahn'sche Buchhandlung in Hannover),
dass Bülow Nichtkönnen für Nichtwollen
nahm. Ich glaube, dass die Aufregung, in die
Bülow durch die Talentlosigkeit geriet, aus der
Tiefe seines künstlerischen Gefühls stammte; er
fühlte sich dann quasi beleidigt als Vertreter einer
höheren Macht.
Und so hinterlässt uns der 640 Seiten starke,
inhaltsreiche Band mit dem deprimierenden Ge-
fühl: wieviel von der Saat, die grosse Männer
ausstreuen, geht auf? Wenn man auch mit
Liszt^s genialem Ausspruch sich trösten wollte:
Les obstacles deviennent des moyens, hier haben
die „obstacles^* doch gar zu viel Grosses und
Schönes im Keime zerstört.
Ans dieser Zeit stammen zwei Werke Bülow's,
die geeignet tind, noch heute Interesse zu erregen
und wieder belebt zu werden verdienten: das
feine, graziöse, pianistisch vollendete Impromptu
„Lacerta^^ und die entzückenden Bearbeitungen
von Tanzweisen aus Gluck's Opern. Erstes
ein gutes Konzertstück, letztere köstliches Unter-
richtsmaterial, die steh wie Originale spielen.
Beide sind in die Universaledition Wien, auf-
genommen worden.
,,^r\slat} at)d Isolde'' ii) dep gFOSsct) ®pcF it) ^aris.
Nachdem „Lohengrin" 1891, „Walküre" 1893,
„Tannhänser" 1895, „Meistersinger" 1897, „Sieg-
fried" 1902 in die Pariser Oper eingezogen sind,
ist nun am 14. Dezember auch „Tristan" aufge-
führt worden.
Von
Dr. K. Oronsky.
Es geschehen wahre Wunder. Deutsch ge-
sungene Lieder von Schubert, Liszt, Brahms, Wolf
sind in Pariser Konzertsälen keine Seltenheit mehr.
Sogar in einem Variete beklatschte man die
deutsche Einlage. Gestern herrschte eine gehobene
— 6 —
Stimmuiig in der Grossen Oper. Nichts mehr von
der KampfesschwiÜe des Jahres 1861, als anstatt
Tristan's der Tannhänser — niedergepfiifen wnrde ;
keine Spur jener blinden Volkswut, welche die
ersten Lohengrinaufführnngen zu verhindern suchte.
Ganz das Gegenteil: während sich der Pariser
im Theater fast wie im Salon geberdet, war am
Mittwoch Kühe und Stille, und die Claque hatte,
wie im Siegfried, Anweisung, vor offener Szene
zu schweigen. Lamoureux gab im Nouvean Theatre
1898 bei der ersten Pariser Tristanaufführung das
2jeichen zu solchen Reformen, die bei uns einge-
bürgert sind oder nicht erst eingebürgert zu werden
brauchen, aber mitten im Trubel der französischen
Hauptstadt auffallend genug enscheinen. Selbst die
2^it des Beginns der Vorstellung ist unerhörter-
weise auf 7V2 statt 8 Uhr festgesetzt, um das
Ende nicht viel über Mittemacht hinauszuschieben.
Nur 2 kleine Striche im 2. und 3. Akt hatte man
für nötig erachtet.
Dass ein Grossstadtpublikum keine ganz reine
Darstellung des Tristan zulässt (den Wagner an-
fangs gamicht freigeben wollte!), das ist in Paris
deshalb besonders bedauerlich, weil die aufge-
wendeten Mittel aussergewöhnlich reich sind und
tatsächlich dem Dienst des Kunstwerks mit einer
Sachlichkeit zugeführt werden, die von deutschem
Ernste nicht zu übertreffen ist. Unsere Leser
interessiert vor allem das Musikalische. Meister
Taffanel hatte sich die Partitur nicht bloss nach
seinem Sinne zu eigen gemacht, sondern in Deutsch-
land die genauesten Erkundigungen über jede
l^uance eingezogen. Wenn der herrliche Vollklang
des Orchesters manchmal den Singstimmen eher
ein Damm als die tragende Welle war, so lag dies
am eigentümlichen Temperament der französischen
Musiker, die z. B. den Wiener Philharmonikern
vielleicht etwa« an Wärme nachstehen, aber ge-
wiss nichts an Feuer und Glanz nachgeben. Auch
nichts an leidenschaftlichem Gesang! Und vom
Gesang aus findet der Franzose den erprobten Weg
zur feinsten Kunst der Phrasierung. Lussy war
vor Riemann.
Am vorzüglichsten schienen die Holzbläser be-
setzt zu sein ; ihre Stimmen kamen dem wirklichen
Gesang stellenweise fast ununterscheidbar nahe.
Aus dem reichen sinfonischen Gewebe Wag^er's
traten besonders Mittelstimmen hervor, die man
sonst kaum je vernimmt. De Musiker vom ersten
bis zum letzten Pult spielen mit einer Hingabe,
als hinge das Schicksal des Werkes von jedem
einzelnen ab, ich beobachtete dies auch im Konzert
Colonne letzten Sonntag, als ich vor der Haupt-
probe zum Tristan Beethoven 's 7. Sinfonie und
Bach 's 21. Kantate hörte.
Mit unsern Begriffen von Disziplin ist das
Verhalten der französischen Orchestermusiker nicht
vereinbar, aber es verleiht, wie mir scheint, dem
Gesamtklang die eigentümliche, freudig bewegte
Energie.
Die Hauptrollen wurden von den Damen
Grandjean (Isolde) und Föart (Brangäne) und
von Alvarez (Tristan), Delmas (Knrwenal),
Gresse (König Marke) gesungen; Ernst'sUeber-
Setzung, die 6. französische, hfitte man mit pein-
lichster Sorgfalt verbessert, sodass nun die dichte-
rische Schönheit der Sprache und die Einheit der
sprachlichen und musikalischen Betonung dem
Originale so nahe wie möglich gebracht worden
sind. Die französischen Singstimmen haben, trotz
der Neigung, zu tremolieren, eine unvergleichliche
Art, musikalisch zu phrasieren, selbst über Atem-
pausen weg die melodische Linie zu wölben. Mehr
als irgendwo sonst scheint mir in Paris für die
Wahl derZeitmasse der natürliche Fluss der Sing-
stimmen entscheidend zu sein. Das meiste, was
uns durch Langsamkeit oder !Raschheit auffallen
muss, erklärt sich aus gesanglichen Bedürfnissen
der Melodieführung. In beiden Hauptpartieen.
auch in der Bolle der Brangäne, traten für meine
Wahrnehmung oft neue Schönheiten der Melodie
hervor. Der majestätischen Grandjean als Isolde
wäre augenblicklich höchstens die Mildenburg in
Wien au die Seite zu stellen; Alvarez als Tristan
vielleicht nur Ernst Kraus. Ferner beneide ich
die französischen Zuhörer um das rhythmische
Gefühl ihrer Sänger; man achte in deutschen
Landen einmal darauf, wann eigentlich die Sing-
stimmen genau mit dem Orchester zusammen-
gehen — es ist oft eine Qual, dieses Ungefähr er-
tragen zu müssen. Von der eigenartigen französi-
schen Auffassung einen Begriff zu geben, ist nicht
leicht; man empfindet so etwas deutlicher, als man
es aussprechen kann. Der französische Sänger ist
ein geborener Schauspieler. Er löst auch die fdr
uns fast nnmögliche Aufgabe: die innere Handlaug
des Tristandramas dem Auge anschaulich zn
machen. Alle Bewegungen werden mit einzig-
artiger Schönheit und Anmut ausgeführt. In der
Liebesnacht, da, wo der Deutsche gerne die Augen
schliesst, um sich ganz der Musik hinzugeben,
wurden die Charaktere der beiden Liebenden klar
unterschieden. In Rücksicht auf diese Angenkunst
war die Pariser Aufführung vielleicht das Höchste,
was bis jetzt geleistet worden ist.
Die G^taltnng der prächtigen Bühnenbilder
verriet Wissen, Können und Geschick genug; ncr
was wir Deutsche Stimmung nennen, war nicht
immer erreicht. Könnten nur solchen bedeutsamen
Erstaufführungen (od. Wiederaufnahmen des Tristan,
wie in Wien 1903) alle einflussreichen Persönlich-
keiten anwohnen, um neue Anregungen zu schöpfen.
In Paris hatte man reichlich Gelegenheit, zn be-
obachten und Beobachtungen auszutauschen.
Noch etwas: die komische Oper bringt in den
nächsten Tagen zum erstenmal den , «Fliegenden
Holländer"; so sieht das Ende des „Wagnerkultas'*
aus, das Herr Welt rieh, liebevoll um seine „geistig**
verirrten Mitmenschen besorgt, sehnlichst herbei-
wünscht.
— 7
Kritische Bückschan
über Konzert und Oper.
Von
Dr. Karl Storek.
£iidlich. hat die diesmalige Mnsiksaison ihre
zwei grossen Abende gehabt. Im Königlichen
Opernhaose wurde „Der Boland von Berlin '^i Oper
in vier Akten, Dichtung upd Mnsik von K.
Leoncavallo, nach lOjährigem Warten aufgeführt.
Ich brauche mich auf die äussere Entstehungs-
gescliichte nicht einzulassen, sondern wende mich
ohne alle Nebenrücksichten znr Besprechung des
Werkes.
„Unter Benutzung des gleichnamigen Bomans
von Willibald Alexis'^ steht auf dem Textbuch,
wie das bei solchem Verhältnis Sitte ist. Anders
konnte sich der Textdichter auch nicht gut ans-
drücken. In Wirklichkeit war die ihm vom Kaiser
gestellte Aufgabe, den Gehalt des Bomans in ein
Drama zu bringen. Diese Aufgabe war kaum zu
lösen. Denn der wertvolle, dauernde Inhalt des
Romans ist der Kampf der verschiedenen Gesell-
schaftsklassen einer Stadt untereinander und der
Kampf dieser Städte gegen die ihnen feindlichen
Gewalten: „Adel und Fürstentums^ Ein solcher
Vorwurf kann auch an sich schon dramatisch sein.
In Schiller's „Wilhelm Teil'' haben wir das Bei-
spiel dafür. Aber hier, in diesem Kampfe der
märkischen Städte wider ihren Kurfürsten oder
gar im kleinlichen Zank zweier Nachbargemeinden
liegt nichts dramatisches. Das alles kann kultur-
geschichtlich unterhaltsam sein, es ist auch von
geschichtlicher Bedeutung, dass der Kurfürst der
Herr wird, — aber dramatisch ist hier nichts. Die
Güter, um die gekämpft wird, sind zu nichtig ; wir
fühlen dabei immer, dass es den Beteiligten so
oder so ganz gut ergehen kann. Mit eiuem Wort,
es fehlt der Kampf um ein begeisterndes Ideal.
Es ist doch schade um jeden Blutstropfen, wenn
ein Bürgermeister gegenüber einer befreundeten
Heeresmacht auf ein Stadtrecht pocht, wodurch
alle Einquartierung verboten ist. Darum wirkt
denn auch der Tod Hennings, den Leoncavallo
entgegen dem Dichter einführte, als tückischer
Zufall, darum verletzend und keineswegs
tragisch. Leoncavallo hat selber wiederholt auf
Wagner's „Bienzi" hingewiesen. Aber dieser Stoff
besitzt, was dem „Boland'' fehlt. Bienzi kämpft
für die Freiheit wider wirkliche Tyrannen. Und
sein Tod ist tragisch, weil er die logische Folge
des Widerstreites zwischen seinen Idealen und der
Beschränktheit seines Handelns ist. Es treten hier
dauernde Werte in Handlung. Trotzdem vermag
der „Bienzi'' nur wenige Teilnahme zu wecken,
weil für unser Empfinden diese Greschlechterkämpfe
zu fem liegen. Und er würde noch weit weniger
wirken, wenn es Wagner nicht gelungen wäre, die
menschliche Teilnahme dadurch zu wecken, dass
der Sohn des erbittertsten Feindes von Bienzi die
Schwester des Tribunen liebt. So erhalten wir
wenigstens seelische Konflikte.
Wo diese eintreten, da genügt freilich ein noch
viel kleinerer politischer Hintergrund. Aus dem
xmi kindischer Ursachen willen ohne jedes Ideal
geführten Geschlechterkampf der Montechi und
Capuletti erwächst die Tragödie von „Bomeo und
Julia". Dazu brauchte es allerdings einen Shake-
speare, um das leichte Histörchen Boccaccio*s
zur welterschütternden Historie von der Gewalt
junger Liebe zu steigern. Dass Leoncavallo kein
Shakespeare ist, sei willig hingenommen. Aber er
besitzt auch leider nicht das rohe dramatische
Zimmermannstalent eines Scribe. V/enn Scribe
diesen Boman zur Dramatisierung erhalten hätte,
würde er sich etwa folgendes gesagt haben : Diese
ganzen Städtekämpfe und dickköpfige Verfechtung
städtischer Gerechtsame kümmern uns heute keinen
Deut. Solche Zankereien haben wir viel schöner
in unseren Parlamenten. Das einzige, was. uns in
diesem Boman dramatisch-menschlich packen kann,
ist die Liebe zwischen dem Tuch w irker Henning
und der vornehmen Patriziertochter Elsbeth.
Schön; hier muss also so lange der Gegensatz deiw
Mächte gehäuft werden, bis ein rechter Wall
zwischen die beiden Liebenden kommt. Denn wir
Heutigen empfinden ja wiederum den Abstand
zwischen einem tüchtigen und wohlhabenden Tuch-
fabrikanten und einer Bürgermeisterstochter nicht
80 unüberbrückbar. Dem Dramatiker aber fehlt,
entgegen dem Bomanschreiber, die Zeit, uns klar
zu machen, weshalb damals das ein grosser Gegen-
satz war. Wenn wir dagegen diesen Henning und
den Bürgermeister Bathenow, den Vater der
Elsbeth, zu den Führern der entgegenstehenden
Parteien machen, jenen als Mann des befreienden
Fortschritts, diesen als starren Vertreter des be-
stehenden Bechts, so ist der Untergrund für den
dramatischen Konflikt geschaffen. Der lässt sich
nicht allzu schwer durch wechselseitige persönliche
Verpflichtungen der beiden Männer verschärfen,
für den j ungen Henning entsteht aber die schwere
Wahl zwischen der Pflicht und des für sein Ideal
kämpfenden Mannes und seiner Liebe.
„Aber wo bleibt da der Kurfürst?" würde der
Mitarbeiter, den Scribe auch ia diesem Falle sicher
gehabt hätte, eingeworfen haben. „Der Herr Kollege
hat wohl ganz vergessen, dass das Werk für ein
Königliches Opernhaus bestimmt ist". Darauf
Scribe: „Nein, mein junger Freund. Aber sehen
Sie, Verehrtester, ich weiss aus alter Erfahrung,
dass Fürsten, die wirklich gelebt haben, auf der
Bühne am besten wirken, wenn sie möglichst
— 8 —
dekorativ verwendet werden. Denn sehen Sie,
mein Lieber, es ist In diesen engen mittelalter-
lichen Kämpfen immer sehr schwer zn beweisen,
wo das Becht ist. Ich meioe das kleine Becht,
das sich schreiben lässt, nicht das grosse Becht
der geschichtlichen Entwicklang. So bedürfte es
auch langer Weitemngen und Erklärungen, um
zu beweisen, dass der Kurfürst aus dem grossen
Becht heraus die Pflicht hatte, über die kleinen
Bechte hinwegzuschreiten. Lassen wir also alle diese
Bechtsgeschichten möglichst zurücktreten und be-
tonen wir das Menschliche, den KurfiSrst be-
kommen wir doch auf die Bühne. Denn sehen
Sie, feindliche Partelen der Stadt rufen seinen
Schutz an. Er kommt, erkennt in der Sache
Hennings das Becht der Entwickelung, in der des
alten Bathenow aber auch ein gesundes Bechts-
gefühl, — er verbindet die Liebenden und damit
die feindlichen Parteien zu gemeinsamer Tätigkeit
für den höheren Gedanken der Arbeit, für das
grössere Gemeinwesen des Staates/^
So ungefähr hätte nach meinem Gefühl ein
Mann wie Scribe gesprochen, der kein grosser
Dramatiker, aber ein ausgezeichneter Theatraliker
war. Und auf diese Weise hätte selbst in
schwächeren Händen ein wirksamer Text entstehen
können. — Leoncavallo ist kein Scribe, sondern
ein blosser Versemacher. Wenn ein Stoff in sich
bereits dramatisch fertig ist, wie die „Bajazzi^S so
i*eicht sein Yerstalent aus. Zu mehr nicht. Beim
^,Boland vonBerlin^^ war das nicht der Fall, Leon-
cavallo hat mit einer gewissen kecken „Wurschtig-
keit^, die die italienischen Opern textdichter von
altersher besassen, geholfen. Er nahm die Per-
sonen und etliche wirksame Szenen aus dem Bo-
man und reihte sie aneinander. Die Musik und
die Kulissen halten nachher die Geschichte schon
zusammen. Eine bitterböse Stunde war es mir,
als er den Tragiker in sich zu entdecken vermeinte
und den guten Henning am Ende so ganz neben-
her erschlagen Hess. Ja, warum denn? Das
müsste jetzt noch geändert werden. Auf allge-
meines Verlangen des Pablikums, des Schattens
des ehrlich verstorbenen Wilhelm Härin^, ge-
nannt Willibald Alexis und des heute üblichen
dramatischen Anstands, wonach auf der Bühne
Leute nur aus dramatischer Notwendigkeit ge-
tötet werden, müssen Henning und Elsbeth ein
Paar werden.
Man darf es mir nicht verübeln, wenn ich die
ganze Bolandgeschichte etwas leicht nehme. Man
hat viel zu viel Lärm darum gemacht. Warum
soll unser Kaiser nicht auch einmal eine Oper be.
stellen? Wenn über jede Denkmalsbestellung so-
viel gesprochen würde, die Zeitungen reichten ja
nicht aus. Und doch ist ein Denkmal wichtiger,
weil es, einmal aufgestellt, gewöhnlich auch stehen
zu bleiben pflegt, während unsere Opernhäuser
eine Versenkung haben, in der eine Unmenge
grosser Opern Platz haben.
Auch LeoncavaUo's „Boiand von Berlin'^ ivird
bald dorthin gelangen. Denn auch die Musik be-
sitzt keine lebengebenden Kräfte. Das wird man
bei den Wiederholungen bald erfahren. DieMnsik
klingt immer gut, packt aber nirgends tiefer, ist
weder eigenartig, noch auch nur in einem Stack
80 italienisch-melodiös, dass man es, wie den Prolog
der „Bajazzi", mit nach Hause nehmen könnte.
Das einzige dazu geeignete Stück, die Liebes^w^eise
Henning's, besitzen wir leider schon im ^Fata
morgana"-Walzer, der bereits dem älteren „Sei
nicht bös'^ des Obersteigers nachempfunden war.
Dieser Anklang, der dem Italiener vielleicht gar-
nicht zum Bewusstsein gekommen ist, kann dem
Werk ernstliche Gefahr bringen. Siegfried's
„Schwertmotiv" begrüsst man dagegen mit ver-
ständnisinnigem Dank für die Verbreitung der
Werke Wagner*s jenseits der Alpen. Auch dass
drei Berliner Batsherren sich zum Bhythmns einer
Polonaise unterhalten, wird uns nicht stören
dürfen, da wir uns Goethe 's „Mignon" in der
Thomas'schen Verarbeitung auch so gefallen
lassen.
Vor diesen Dingen wären wir wohl bewahrt
geblieben, wenn der Kaiser seinen Auftrag einem
deutschen Komponisten erteilt hätte. Ob sonst
das Werk besser geworden wäre? Ich glaube
kaum, oder doch nur durch den glücklichen Zu-
fall, dass der betreffende Komponist den mensch-
lichen Gehalt im Bomanstoff entdeckt hätte. Sonst
wäre ebenfalls eine solche „grosse'^ Oper der Art
Meyerbeer entstanden. Diese Gattung aber ist
tot und nicht mehr zu wecken.
Die Aufführung im Opernhause war sehr gut.
Die Herren Grüning, Knüpfer, Hoffmann
und Fräulein Destinn sind mit besonderen Ehren
zu nennen, ebenso der Begisseur Dröscher und
Kapellmeister Dr. Muck. Die erste Aufführung
hatte einen starken Erfolg. Der Komponist erhielt
nach jedem Aktschlüsse mehrere Hervorrufe, am
Ende grosse Lorbeerkränze und den Kronenorden
zweiter Klasse. Kur die Musikgeschichte geht
ganz leer aus.
Zu wohltätigem Zwecke fand am Mittwoch,
den 7. Dezemberin der St Georgenkirche, Berlin,
ein Konzert statt, welches die treffliche Gesangs-
meisterin Frau Agnes Szarka- Ahlers mit ihren
Schülerinnen veranstaltete. Die wohlgelungenen
Vorträge zeugten von regem Fleiss und erbrachten
den Beweis, dass die Damen ihre Kunst ernst
nehmen, die Schülerinnen machten ihrer Lehrerin
alle Ehre. Ausser dem mitwirkenden Violinisten
Herrn Christian Nagel machte sich Herr
Edwin Arthur Kraft, ein hochbegabter Schüler
des bekannten Organisten Herrn Franz Grnnicke,
sehr verdient. Er leitete das Konzert mit der
g-moll-„Fantasie und Fuge* von J. S. Bach ein
und verschaffte den Hörern durch sein klares
künstlerisches Spiel grossen Genuss. Ferner brachte
— 9 —
er ^Allegretto graziöse' von B. Tours, „Inter-
znesBzo" von J. Calla er ts und .Fiat Lax" von
T. Dnbois zu Gehör nnd beschloss das Konzert
mit dem „Marche Triomphale" .von G. P. Hägg.
^Wir lernten Herrn Kraft nicht nar als tüchtigen
Orgelspieler, sondern auch als äusserst gewandten
Begleiter schätzen; er hatte die Begleitung sämt-
licher Gesänge Übernommen. Möge Herr ELraft
auf dem schwierigen Wege der Oeffentlichkeit
fortschreiten und weitere schöne Erfolge erzielen.
Af. DUU.
Herr Musikdirektor Irr gang hatte in seinem
Orgelkonzert am Donnerstag, den 1. Dezember, in
der Heilig-Kreuz- Kirche wiederum Herrn Carl
Heyse aus Dresden seinen Platz an der Orgel
überlassen. Bereits im Frühjahr hatten wir Ge-
legenheit, in anerkennendster Weise des Orgelspiels
des Dresdener Künstlers zu gedenken. Herr Heyse
liess sich diesmal besonders als Bach-Spieler
hören, denn er hatte zwei der grössten Orgelwerke
Bach*s, „Präludium und Fuge'' in a-moll und
„Toccata** in f-dur, auf s Programm gesetzt. Beide
Werke führte Herr Heyse mit einer Klarheit und
technischen Vollkommenheit durch, die manchem
Orgelspieler als Muster zu empfehlen wäre. Be-
sonders anzuerkennen ist seine klare Gliederung
der einzelnen Sätze durch kunstsinnige Hegistrie-
rung, ein Vorteil, der auch der Liszt'schen Fan-
tasie über die Buchstaben des Namens Bach zu
gute kam. £s regt sich allenthalben, auf dem Ge-
biete des Orgelspiels sowohl, als auch auf dem Ge-
biete der Orgelliteratur. Die Zeit der angenehmen
Beschaulichkeit scheint vorüber zu sein, es weht
ein frischer, lebendiger Geist durch die Organistea-
welt, und so begprüssen wir mit Freuden jede neue,
wertvolle Erscheinung auf diesem Gebiete, das so
lange brach gelegen hat. — Ausser Herrn Heyse
wirkten Frau Gertrud Labauve (Sopran), Frau
Marta Sommerfeld-Kröning (Alt) und Herr
Walter Kratz (Violine) mit und bereicherten das
Programm auf's vorteilhafteste. Die Begleitung
lag in den Händen des Konzertgebers.
Mitteilungen
von Hoohaohulen u
Thaddens von Hanitzky, der früher in
Berlin als Musiklehrer und Musikschriftsteller
tätig gewesen, grtlndete im vorigen Jahre mit
Bewilligung des russischen Ministeriums in
Kamenetz (Podolien) eine Musikschule, die sich
in erfreulicher Weise entwickelt hat. Sie zählt
bereits über 100 Schüler; Lehrfächer sind Klavier-
und Violinspiel, Solo- und Chorgesang, Theorie
und Komposition. ESine Schauspielschule ist vor
Kurzem neu angegliedert worden, das Institut
verspricht ein Mittelpunkt für die Pflege guter
Musik in dem Gouvernement zu werdeu.
Für einen Lehrstuhl der Musik an der
Universität zu Birmingham sind von einem
muaikllebenden Engländer 225000 Mk. gestiftet
worden. Er knüpfte nur die Bedingung daran,
dass der auch bei uns wohlbekannte Komponist
Edward Elgar der erste Professor werde. Der
Senat der Universität ging auf diese Bedingung ein.
In New- York wird demnächst ein neues
Konservatorium für Musik „The Webster and
Pirani Musical-Institute" eröffnet werden. Be-
gründer und Leiter sind der bekannte Komponist
und Klaviervirtuose Eugenio Pirani und Mrs.
Webster-Powell.
Eine Meisterschule für Gesangskunst,
nd KonBeryatorien*
anlehnend an die traditionelle Stimmerziehungsart
der klassischen Italiener, hat der Kammersänger
E. Robert Weiss, hier, Bambergerstrasse 15, be-
gründet. Der Ktlnstler, als vortrefflicher Sänger
aus den Berliner Konzertsälen bekannt, hat die
systematische Ausbildung des Stimmorgans bis zur
höchsten technischen Vollendung in Sprache und
Gesang zu seiner Spezialität ausgebildet.
Der Königl. Sachs. Hofopemsänger Zarko
Savitsch eröffnet am 1. März 1905 eine „Musik-
Akademie" in Düsseldorf, deren Statuten und
Schulordnung sich auf die Prinzipien des „Musik-
pädagogischen Verbandes** stützen werden. Die
Akademie gliedert sich in eine „Vorschule für
schulpflichtige Bender", eine „Abteilung für
Dilettanten'^ und die eigentliche .Akademie**, die
eine „Geeangsschule**, eine „Opemschule**, die
„Schule für Musikwissenschaft', die „Schule für
Instrumentalmusik'* und „das pädagogische Seminar"
umfasst. Die Prüfungen der Lehramtskandidaten
des letzteren sind genau der von dem musik-
pädagogischen Verbände aufgestellten Prüfungs-
ordnung angepasst. Die Lösung des ernsten
Unterrichtsprogrammes wird nur Spezialfach-
lehrern anvertraut sein.
Vermischte Nachrichten.
In Nizza starb im Alter von 80 Jahren ein Instrumente hinterlassen hat. Die von dem Ver-
Kunst- und Musikfreund, Antoine Gautier, der storbenen in seinem Heim regelmäseig veran-
eine kostbare Sammlung altitalienischer Saiten- stalteten Kammermusikaufführungsn, in denen
— 10
Küostler wie Hugo Heermann, Ysaye, Thomson,
Diömer, Pogno, Harold Baaer u. a. m. auftraten,
genossen an der ganzen Kiviera eines grossen
Rufes. Seine schöne InstrumeDten-Eoliektion be-
steht aus Lauten, Lyren, Violes d'amour, Gamben,
Violinen, Bratschen und Violoncellos der besten
italienischen Meister.
Die letzten musikalischen Matineen des Musik-
Salon Bertrand Roth in Dresden waren zeit-
genössischen Tondichtem gewidmet. Eine Auf-
führunggalt den Werken Alexander Fr iedrich's
Landgraf von Hessen, und zwar kamen zu G-ehör:
op. 1 „Streichquartett", op. 2 „Phantasiestück" für
Klavier, op. 4 „Fatthüme", Gesangsszenen für
Bariton und Orchester. Die zweite Auffühmng
war Werken von Kurt Striegler gewidmet,
Liedern, Klavierstücken und Duo's für Klavier und
Violine. Den pianistischen Teil führte der Kom-
ponist selbst aus.
Henri Marteau, der ausgezeichnete Violin-
virtuose, wurde vom Herzog von Sachsen-
Coburg-Gotha zum Kammervirtuosen ernannt.
Li Paris soll im Mai 1905 auf dem Trocadero-
Platz ein Beethoven-Denkmal errichtet werden,
dessen Ausführung dem jungen Bildhauer Josä
de Charmoy übertragen ist. In Verbindung mit
der Enthüllung findet ein Musikfest statt, zu
dem hervorragende Beethoven-Dirigenten ver-
schiedener Länder gewonnen sind. Die „Grosse
Oper** bereitet für den Vorabend des Festes eine
besonders sorgfältige „Fidelio" -Aufführung vor.
Als eines der reizendsten Werke Gluck's, eine
der wenigen heiteren Kompositionen des grossen
Meisters, galt bisher das vielgespielte, graziöse
Schäferspiel „Die Maienkönigin". Wie sich
jetzt aber herausgestellt hat, ist das Werk über-
haupt nicht von Gluck. Text und Musik sind
französischen Ursprungs. In der Brüsseler Kon-
servatoriumsbibliothek fand sich das Original-
textbuch, und aus diesem hat sich ergeben, dass
Gluck das Werk um die Mitte des 18. Jahr-
hunderts als Kapellmeister in Schönbrunn für eine
Aufführung vor der kaiserlichen Familie wohl
instrumentiert und eingerichtet hat, aber nicht
selber komponierte. Es war eines von den
Werken, die der kaiserliche Hof sich aus Frank-
reich verschrieb und von Gluck bearbeiten Hess,
wodurch sich der Bibliothekar der Wiener Hof-
bibliothek veranlasst sah, Gluck als ihren musi-
kalischen Autor zu nennen. Die Musik zu der
Oper dürfte aus französischen Gesängen und
Volksliedern zusammengestellt sein.
Der Musikschriftsteller Dr. Karl Grunsky in
Stuttgart wird von 1905 an als Nachfolger
Dr. R. Batka's die musikalische Abteilung der
Zeitschrift „Der Kunstwart" redigieren.
Die Genossenschaft Deutscher Ton -
Setzer (Anstalt für musikalisches Aufführungs-
recht) in Berlin hat, dank der gedeihlichen, stetig
fortschreitenden Entwicklung ihrer Tätigkeit
wiederum einen erheblichen Erfolg errangen, der
ihre Wirksamkeit für alle Zukunft sicher stellt.
Die bedeutendste und älteste aller Autorengesell-
Schäften, die im Jahre 1851 gegründete Societe
des auteurs, compositeurs et ^ditears de
musique in Paris hat nunmehr ein Abkommen
mit der Genossenschaft Deutscher Tonsetzer ge-
troffen, wonach beide Gesellschaften sich gegen-
seitig die ausschliessliche Verfügung über ihre Auf-
führangsrechte übertragen. Durch dieses am
1. Dezember d. Js. in Kraft getretene Abkommen
hat die Genossenschaft Deutscher Tonsetzer die
Verfügung über die Aufführungsrechte aller der
Pariser Gesellschaft angeschlossenen Komponisten
und Musik Verleger erlangt, zu denen ausser den
namhaftesten französischen, belgischen, italienischen
und anderen ausländischen Komponisten und
Musikverlegem auch namhafte Deutsche und
Oesterreicher gehören, so z. B. die Komponinten :
Drescher, Einödshofer, Komzak, Kremser, Li^har,
Paul Lincke, Millöcker, Reinhardt, Strauss, Sappe,
Felix Weingartner, Zeller, Ziehrer u. s. w., sowie
die Verleger: Benjamin, Blaha, Bosworth & Co.,
Chmel, Aug. Cranz, Doblinger (Herzmansky),
Eberle & Co., Robitschek, J. Schuberth & Co.
(Felix Siegel), Weinberger u. s. w.
In Bielefeld ist unter Leitung des Musik-
direktors Traugott Ochs eine Künstlerver-
einigung in's Leben getreten, die den Weg der
Reorganisation des Streich-Quartetts auf
der Basis zur Durchführung bringen will, dass an
Stelle der ü. Violine die 5 saitige Altgeige gesetzt
und die bisherige Tätigkeit der Bratsche von der
Tenorgeige übernommen wird. Grundlegend hier-
für sind die Ideen Hermann Ritter's gewesen,
die indes durch den Umstand eine Modifizierung
erfahren mussten, dass der Besitzstand unserer
klassischen und modernen Quartett- und Orchester-
literatur nicht gefährdet werden durfte, sondern
auch durch das neue Quartett reproduzierbar sein
und erhalten werden musste. Es gelang mit An-
wendung aller Energie, Hindemisse, die in der
Sache selbst lagen, zu beseitigen; die Quartett-
vereinigung trat am Donnerstag, den 10. No-
vemberin Barmen zum erstenmal an die Oeffent-
lichkeit. — Es wurden nur Werke von Felix Wein-
gartner aufgeführt; der gefeierte Komponist war
selbst anwesend und hatte in seinem „Sextett",
op. 38, den Klavierpart übernommen. Ueber den
Erfolg und die Klangschönheit des neuen
„Ritter'schen Streichquartetts* äusserte sich
die Tagespresse in durchweg lobender Weise.
In Amsterdam wird der Wagnerverein
Anfang Juni Wagner's «ParsifaP ohne Kürzung
zur Aufführung bringen. Die Proben sollen bereits
im Januar beginnen und für die Aufführung die
besten Solisten Deutschlands herangezogen werden.
Die Dekorationen sind für 70000 Mk. in Wien be-
stellt. Frau Cosima Wagner hat Protest gegen
die Aufführung des Weihefestspiels eingelegt, die
— 11 —
Amsterdamer Bind aber überzeugt, dass sie damit
nichts erreichen wird.
Aus Mainz wird nns berichtet, dass der
Kaiser dernenen Kaiserin Friedrich-Stiftung
der Mainzer Liedertafel sein Interesse durch eine
Zuwendung von 1000 Mk. zum Stiftungskapital
praktisch betätigt hat. Das Schreiben, in dem der
Protektor der Stiftung, der Grossherzog von
Hessen, die Genehmigung des Kaisers zur ge-
wählten Benennung derselben erbittet, ist von
diesem in folgender Weise beantwortet worden:
Durchlauchtigster Purst,
freundlich geliebter Vetter und Bruder!
Euere Königliche Hoheit haben die Freund-
lichkeit gehabt, Mir mittelst Schreibens vom
23. Juni d. J. davon Mitteilung zu machen,
dass der Verein „Mainzer Liedertafel und Damen-
gesangverein^ unter dem Protektorate Euerer
Königlichen Hoheit eine „Kaiserin Priedrich-
Stiftnng^^ zu begründen beabsichtigt, welche die
mustergültige Aufführung und tunliche Ver-
breitung der Werke Händeis, sowie anderer her-
vorragender Werke der Musik-Literatur be-
zweckt. Ich habe mich über das pietätvolle
Gedenken Meiner in Gott ruhenden Prau Mutter
und Ihrer Verdienste um die Händel-Auf-
führungen sehr gefreut und spreche Euerer
Königlichen Hoheit Meinen verbindlichsten
Dank aus. Die erbetene Genehmigung zu der
Benennung der Stiftung will Ich hiermit gerne
erteilen. Meine wärmsten Wünsche und Mein
lebhaftes Interesse begleiten die neue Kaiserin
Friedrich-Stiftung, und Ich zweifle nicht, dass
es derselben unter dem Schutze ihres Erlauchten
Protektors gelingen wird, der gestellten Auf-
gabe, der Pflege Händel'scher Musik, in
glänzender Weise gerecht zu werden. Als
Zeichen Meiner Teilnahme an diesen Be-
strebungen habe Ich zu dem Stiftungskapital
einen Beitrag von Mk. 1000 bewilligt und die
Zahlung desselben an den Verein „Mainsser
Liedertafel und Damengesangverein" angeordnet.
Mit der Versicherung der wahren Hoch-
achtung und Freundschaft verbleibe ich
I^^eues Palais, den 7. November 1904.
Euerer Königlichen Hoheit
freund williger Vetter und Bruder
{gez.) Wilhelm R.
An des G-rossherzogs von Hessen
und bei Hhein Königliche Hoheit.
Die Uraufführung des neuesten Chorwerkes
„Meine Göttin-' op. 21, für Bariton-Solo, ge-
mischten Chor und Orchester von A. von Othe-
graven hat am 6. Dezember v. J. im Gürzenich
zu Köln — unter Leitung des G-eneralmusik-
direktors Pritz Steinbach — mit grossem nach-
haltigem Erfolg stattgefunden.
Die Oper „König Drosselbart^^ von Max
Burkhardt, die im Januar vor. Jahres mit so
grossem Erfolg im neuen Stadttheater in Köln in
Szene ging, wird im Januar 1905 unter Direktor
Lohse daselbst neu einstudiert wieder zur Auf-
führung kommen. Ausserdem ist die Oper zur
Aufführung in dieser Saison von der Direktion des
Stadttheaters in Erfurt erworben worden.
Anmerkung der Bedaktion. Den bereits
in voriger Nummer des „Kl L." angekündigten
von Generaloberarzt Dr. Steinhausen entworfenen
Fragebogen fludeu die Leser dieser Nummer
beigelegt und ergeht die herzliche Bitte
an alle Interessenten, denselben recht genau nach
Vorschrift auszufüllen.
Bücher und Musikalien.
Ä. Skriäbine : Kompositionen für Pianoforte zu zwei
Känden.
H. P. Belaleff, Leipsig.
Es liegen mir dreizehn Hefte von Pianoforte-
kompositionen aus der Feder des rassischen Kom-
ponisten A. Skriäbine vor. Für sehr wertvoll er-
achte ich die acht Etüden (op. 42), ausserordent-
lich gut zu verwendende Studien, sehr wohl ge-
raten in der Erfindung und gar manche schwierige
Probleme für die Technik bietend. Die Sachen
sind besonders interessant und verdienen die all-
gemeine Beachtung, weil sie nach beiden Seiten
hin, der rein technischen und spezifisch musika-
lischen, von grossem Nutzen sind. Ueber die
Fis-dur-Sonate (op. 30) werden die meisten Leute
mit gutem Hechte die Köpfe schütteln; die zwei-
sätzige Komposition verdient diese Bezeichnung
durchaus nicht, denn sie bietet lediglich zwei von
sich unabhängige Stimmungsbilder, aufgeregten,
fast erotisch zu nennenden Inhaltes, der aber auf
die Dauer infolge seiner Gedankenleerheit kaum
fesseln wird. W* sentlich höher schätze ich fünf Hefte
Präludien (op. 31, 33, 35, 37 und 39) ein. Sie
enthalten, oft in denkbar kleinstem Rahmen, un-
gemein viel des üeberraschenden und Interessanten
und verraten dem Spieler ohne weiteres, dass er
einem grossen Talente gegenüberstellt. Dass hin-
gegen dieses ausgesprochene Talent auf das ent-
schiedenste der Klärung bedarf, bezeugen hin-
wiederum die Dichtungen (op. 32), Poem (op4l).
Satanische Dichtung (op. 36) und Tragödie
(op. 34) benannten Klavierwerke. Hamlet fordert
einmal mehr Stoff und minder Kunst, ich möchte
fürderhin umgekehrten Falls von A, Skriäbine
minder Stoff und mehr Kunst verlangen. Minder
Stoff insofern, als er übersichtlicher geordnet und
als Gedankenmaterial kritischer gesichtet sein
müsste. A Skriäbine verfügt allem Anschein nach
— 12
über eine ganz ungewöhnlich stark fliessende Ue-
dankenquelle, nnd so handelt es sich in vielen
Fällen um ein bedenkliches Zuviel auf einmal.
Und „minder Kunst^* sollte der begabte Tonsetzer
auf den harmonischen Teil anwenden. Er geht in
der Harmonisierang mit seinen Modulationen
geradezu sinnlos verschwenderisch um. Solches
interessiert nicht mehr, sondern verblüfft anfangs
und enttäuscht schliesslich hinterdrein. Dass
A. Skriäbine hierin wohl auf Mass und Ziel bedacht
sein könne, gibt er in den zweiMazurken(op. 40)
nnd den Walzern (op. 38) selbst ge Wissermassen
zu. Diese beiden Werke sind ganz trefflich ge-
raten, vornehm im Ausdruck, von ungewöhnlich
stark entwickeltem melodischen Heize und von
einer, in gewissen Grenzen bleibenden Harmoni-
sierungs- und Modulationskunst. A. Skriabine's
Klavierkompositionen sind übrigens auch ohne
Ausnahme von einem höchst lobenswerten Satz,
der dem Wesen des Instrumentes durchgehends
entspricht. Jedenfalls verdient dieser russische
Komponist, dass man seiner weiteren £ntwickelung
aufmerksamst folge.
£• T* DohnÄnyl, op. 10. Serenade für Violine,
Viola und Violoncello. Partitur
und Stimmen.
Ludwig Dobllmger« Wien.
Was wir früher in diesem Blatte von dem
jungen Komponisten Ernst von Dohnänyi gesagt
haben, trifft ein. Seine künstlerische Physiognomie
nimmt nunmehr bestimmtere, fester umrissene
Züge an, seine musikalischen Gedanken gewinnen
an Originalität und seine Ausdrucksweise erscheint
weit individueller gefärbt denn Je. Dies alles ist
auf seine Serenade für Streichtrio in vollem Um-
fange anzuwenden, ein sehr feines und liebens-
würdiges Werk, das in Partitur und Stimmen, so-
wie im Klavierauszuge zu vier Händen (von
J. Brandts-Bujs) vorliegt. Ein kurzer Marsch
leitet die Serenade ein, dem eine melodisch sehr
anziehend geformte und auch im harmonischen
Teile überaus interessante !Romanze folgt. Breiter
angelegt und mit musikalischem Witz durchgeführt,
ist das Scherzo auf ein stark chromatisiertes Motiv
aufgebaut und reich ausgestattet durch interessante
Ueberraschungen in der thematischen Arbeit. Ein
gesaugvoUer Zwischensatz in heUem D-dur bietet
einen wirkungsvollen Kontrast zu dem unruhigen
Hauptthema in D-moll. Den Variationensatz ver-
mögen wir leider nur gering einzuschätzen und
halten ihn für die Achillesferse des Ganzen.
Dohnänyi lässt sich durch das eigene, an sich
wohl recht prägnante Thema zu wenig zu Umbil-
dungen und NeuBch äffen anregen, und es kommt
kaum über leichtes Ansetzen und Versuchen hin-
aus. Das Finale mit seiner Grazie und dem
leichten melodischen Flusse hingegen entschädigt
die Hörer wiederum reichlich und verleiht dem
sehr empfehlenswerten Werke einen trefflichen
Abschluss. Der vierhändige Klavierauszng ist sehr
gut gearbeitet und ungemein brauchbar.
Hans Sltt, op. 87. Menuett und Gavotte for Vio-
line und Pianoforte.
Otto Forberr, Lciyslir*
Die beiden oben genannten Kompositionen
sind ganz treffliche, in Inhalt und Form liöchst
anziehende Vortragsstücke, denen altfranzosische
Melodien zu Grunde liegen. Sie sind von reizender
Wirkung, für Studium und Vortrag in g:leicber
Weise geeignet und unschwer ausführbar. Der
Violinpart ist sehr genau bezeichnet, die Klavier-
stimme trefflich gesetzt, und so empfehle ich diese
zwei allerliebsten Sachen recht angelegentlich.
0* Wlttenbectaer: Op. 11. Miniaturen. 4 Stücke
für Violoncello und Pianoforte.
Otto Forbery, L«lpslf .
Otto Wittenbecher's vier Stücke für Violon-
cello und Pianofortebegleitung sind infolge ihrer
liebenswürdigen melodischen Keize und der ihnen
eigenen Klarheit der musikalischen Struktur mit
bestem Erfolge für Unterricht und Vortrag zu
verwenden. Die vier, Fröhlingslied, Barcarole,
Elegie und Walzer überschriebenen kleinen Stim-
mungsbilder empfehle ich sehr gem. Die Violon-
cellostimme ist überdies auf das genaueste bezeich-
net, wodurch die Arbeit des Lehrers und des
Schülers wesentliche Erleichterung findet. Be-
sondere Schwierigkeiten bieten Wittenbecher's
Miniaturen kaum und können darum schon ver-
hältnismässig frühzeitige Benutzung erfahren.
Edward Buhle : „Die musikalischen Instrumente in
den Miniaturen des frühen Mittel-
alters.** Ein Beitrag zur Geschichte
der Musikinstrumente. I. Die Blas-
instrumente.
Breltkopf ä mUUl, Lelptlff«
Die vorliegende, auf eingehende gründliche
Studien und umfassende Untersuchungen funda-
mentierte Arbeit bietet einen sehr wertvollen Beitrag
zur Geschichte der Instrumentalmusik. Während
die Streichinstrumente mehrfach in älterer und
neuerer Zeit behandelt wurden, sind die Blas-
instrumente und ihre Entwickelungsgeschichte
bisher wenig beachtet worden. Dies sowie der
Umstand, dass für die vorliegende Darstellung die
Quellen weniger reichlich flössen, lassen das von
Ed. Buhle Geleistete um so anerkennens- und
schätzenswerter erscheinen. Der erste Teil des
Werks zieht die Hominstrumente, die Vorläufer
unserer heutigen Blechinstrumente, in den Kreis
der Betrachtung, der folgende beschäftigt sich mit
den Pfeifeninstrumenten, die als Ureltern der mo-
dernen Holzblasinstrumente zu gelten haben. Das
hier mit grossem Fleisse Gesammelte und in in-
teressanter und abgerundeter Form Gebotene ist
als grundlegendes Material für weitere Arbeiten
— 13 —
za betrachten. Der dritte Teil bietet Beiträge zur
Literatur, G^chichte nnd Konstruktion der Orgel
in der Zeit des frühen Mittelalters, also eigentlich
ihre Vorgeschichte, wie sie in solcher Ausführ-
lichkeit eben so neu als auch willkommen sein
dürfte. Mit Recht hat Buhle die Orgel mit in den
Kreis der Blasinstrumente hineingezogen, da es
doch, allein auf die Art der Tonerzeu^ng — in
diesem Palle also die Schwingungen der Luftsäule —
ankommt. Mit vorzüglicher Fachkenntnis hat Buhle
das vorhandene Material gesammelt und zu über-
sichtlicher Darstellung gesichtet und damit endlich
m«hr Licht über dieses, bislang, noch recht im
Dunkel liegende musikwissenschaftliche Forschungs-
gebiet Terbreitet. Zahlreiche Textfiguren und Bilder-
tafeln tragen in reichem Masse das ihrige zur Ver-
anscbaulichung bei.
Paul Lacombe, op. 112. Feuilles volantes. Kleine
Stücke für Pianoforte.
Breltkopf «ad Härte], Leipsiy.
Vornehme, fein klingende und melodisch
sinnige Stücke, die ihren Verfasser als Meister der
musikalischen Miniaturmalerei erkennen lassen.
Diese acht allerliebsten Stucke sind ohne Aus-
nahme auf ^8 beste geraten und zeichnen sich nach
allen Seiten hin aus. Sie können bereits auf der
unteren Mittelstuf e des Unterrichts benutzt werden
und haben neben dem rein dichterisch-musikalischen
Inhalte ganz unvermerkt einen erzieherischen, ge-
schmackbildenden Hintergrund, der sie besonderer
Hinweisung in den Spalten dieses Blattes würdig
erscheinen lässt. Lacombe's kleine Sachen sind
ausserordentlich anziehend, mögen sie viele und
recht gewissenhafte Spieler finden. Das verdienen
sie in^der Tat.
8€hvle des Triospiels: „J. S. Bach's 2stimmige In-
ventionen für Orgel bearbeitet** von
M. Beger und K. Straube.
L»Bl«rbaeh k Kahm« Leipilf.
Zweck der oben genannten, von den beiden
excellenteu Kennern des Orgelspiels Max Beger
und Karl Straube herausgegebenen Sbhule des
Triospiels ist zunächst ein rein technisches Ziel,
nämlich die absolute Unabhängigkeit der beiden
Hände sowohl von einander, wie von der Führung
des Pedals, zu erreichen. Auf dem ersten Manual
ist stets mit der rechten Hand die Bach'sche Ori-
ginaloberstimme, im Pedal stets die Originalunter-
stimme zu spielen. Die von den Bearbeitern neu
hinzugefügte Mittelstimme bleibt der linken Hand
auf dem zweiten Manual auszuführen überlassen-
Es bedarf kaum mehrerer Worte, um die Nütz-
lichkeit des Beger-Straube*schen Unternehmens
noch besonders dem Leser darzulegen, sie liegt
klar zu Tage, da es dazu dient, den Sinn für Poly-
phonie als Eigentümlichkeit des echten und wahren
Orgelspiels zu erwecken und zu beleben. Es sei
lediglich noch erwähnt, dass die neue (Mittel-)
Stimme mit grösatem m\isikalischen Verständnisse
und künstlerischer Feinfühligkeit dem Ganzen ein-
gefügt und die Finger- und Pedalapplikatur mit
peinlichster Akkuratesse und Gewissenhaftigkeit
gegeben sind — alles in allem ein ausgezeichnetes,
sicher zum gewünschten Ziele führendes Studien-
werk, das strebsamen Orgelspielern hier in die Hand
gegeben wird.
L* Schlegel) op. 13. Phantastische Studien für
Pianoforte.
op. 15. H. 1. Phantasien für Pianoforte.
88dde«tieher MntikrerUr» Htratibvrv I. E.
Leander Schlegel's vorliegende Phantasien
dürfen sich allerorten hören lassen. Der Kompo-
nist, ein schon seit langen Jahren in Holland
wirkender Deutscher, spricht hier eine vernehm-
liche, charakteristische Sprache, seine Ausdrucks-
weise ist innerlich ausgereift und der Gedanken-
inhalt seiner Klavierkompositionen neu und eigen-
artig. Die erste der Phantastischen Studien
(op. 13) ist mehr gemütvollen, erzählenden Genres,
die andere ein wenig aufgeregt, ja hier und da
fast unwirsch, beide aber sind aus dem Vollen
geschöpft und sehr musikalisch. Das erste Heft
des op. 15 enthält drei Stücke („Vivos voco,
mortuos plango^, „Mondscheingänge" und „Nach
hohem Ziele^^), auf die das eben Gesagte gleich-
falls ohne irgend welche Einschränkung wieder-
holt werden dürfte. In diesen Charakterstudien
offenbart sich eine vornehme Musikematur, die nur
das allein an die Oeffentlichkeit stellt, was sie
wirklich dichterisch empfindet, und die durch sehr
tüchtiges Können in ihren künstlerischen Be-
strebungen starke Unterstützung findet. Mit den
allen Stücken beigegebenen Ueberschriften versetzt
der Tondichter seine Hörer zugleich immer in
einen gegebenen und ziemlich genau beg^nzten
Stimmungskreis und hält dann auch sein Wort,
indem er eben diese Stimmungen in erschöpfender
Weise auszubeuten und klar zu macheu versteht.
Nach untrer Meinung ist L. Schlegel als Ton-
setzer noch durchaus nicht nach Verdienst bekannt
und gewürdigt worden. Möchten diese Zeilen
dienen, ihn vielen Musikfreunden näher zu
bringen! —
Eugen Segnitz^
A. Beitliuger: „Exercises chromatique^.
Coitallst A Co., ParU.
Als eine sehr geistreiche Arbeit sind die Exercises
chromatique zu bezeichnen. Aus der chromatischen
Fünffingerfolge bildet der Verfasser gegen 150
Udbungen mit und ohne Stützfinger, für Triller,
Untersetzen u. s. w. Nur vom musikalischen Stand-
punkte aus mnss man diese Kombinationen nicht
betrachten, es kommen oft solche vor, die man
nicht gern hört. Technisch müssen sie sehr förder-
lich sein. Pädagogisch nicht richtig ist es, dass
sie vollständig ausgeschrieben sind. Man muss es
— 14 —
dem Schüler nicht 6o leicht machen und ihn zom
selbständigen Denken zwingen. Wäre von jeder
Uebang nur der Anfang angegeben, wie es seit
Tansig üblich, würde auch mehr als die Hälfte
an Ranm erspart
J. Vianna da Motto.
Vereine.
Muslbpädagogischer Yerband.
Die Kommission für ^Reformen auf dem Ge-
biete des Kunstgesanges und der Gesangspadogogik**
hat sich in zwei Sitzungen jetzt fest konstituiert,
mit Vorbehaltung der Erweiterung, und wird
regelmässige Monats Versammlungen abhalten. Auf
der Tagesordnung der zweiten Sitzung stand „Die
Besprechung der besten technischen Uebungen zur
Vorbereitung des Kunstgesanges". HerrDr. Gutz-
mann legte zunächst vom medizinischen Stand-
punkt aus klar, welche Muskeln bei der natür-
lichen Atmung in Funktion treten, — er bediente
sich zur Erläuterung einiger Zeichnungen, — und
plaidierte für Feststellung der notwendigen Be-
nennungen. Dann sprach Frl. van Zanten über
die „Vorbereitungen des Atmens" zum Singen.
Die Schüler haben in fast allen Fällen eine ver-
kehrte Einsicht in die Tätigkeit der einzelnen
Muskeln, und ohne Vorübungen wird der Atem nie
die Stütze der Stimme, oder, nach dem Ausspruch
der Altitaliener ,^ «La sedia della voce". Die Kunst
verlangt von der Muskulatur weit mehr als die
Natur. Darum sind Uebungen der einzelnen
Muskeln notwendig. Das Thema wird in der
nächsten Sitzung noch näher erörtert werden,
ausserdem stehen „Beratungen über eine feste
Nomenklatur in der Gesangspädagogik" auf der
Tagesordnung.
Der Vorstand.
I A.:
Xaver Schanctnka.
Der MnglUlehrerinnenTerein für Mähren und
Schlesien, Vorsitzende Frl. Wally Finger, ver-
sandte seinen E«chenschaftsbericht über das abge-
laufene H. Vereinsjahr, der über die erfreuliche
Weiterentwicklung des Vereins Auskunft gibt.
Der Verein zählt mit Einschluss der unterstützenden
Mitglieder insgesamt 112 Mitglieder, besitzt eine
Bibliothek, einen Pensionsfond, einen ünter-
stützungs- und einen Reservefonds, deren Bestand
im letzten Jahre durch Konzertveranstaltungen -
es wurden u. a. zweimal die Kinder-Tanz- und
Volkslieder von £. JaquesDalcroze aufgeführt —
und sonstige Spenden erheblich vermehrt wurde.
Die Verdienste der Gründerin und I. Schriftführerin
des Vereins. Frl. Anna Werner, deren uner-
müdeter Tatkraft der Verein das überraschende
Aufblühen verdankt, erfuhren durch ihre ein-
stimmige Ernennung zum Ehrenmitglied die gerechte
Würdigung, der Ausschuss überreichte ihr bei
dieser Gelegenheit ein kunstvoll ausgeführtes
Diplom mit schönem Bahmen.
Briefkasten.
Auf vielfache Anfragen teile ich mit, dass von
den auf dem 2. musikpädagogischen Kongress auf-
genommenen Photographien - Gesamtbild im
Plenarsaal, und Sonderbild des Vorstandes — Ab-
zöge ä Stück 3 Mk., von der Bedaktion des Lokal-
Anzeiger, Klichee- Abteilung, Berlin, SW., Zimmer-
strasse 87 — 41, zu beziehen sind.
Konservatorium der Musik
in Kassel.
Gegr.i89B. Direktion: L Beyer. Gegr. 1896.
EhrenVOrsitz : Begjemnn-Präsident tob TroM t« Salt,
Qnf Kdatgsdorir, Bxoellens Generalin rom Coloak,
Oberbürgermeister MflUer n. A.
Caratorinm: Pfarrer Haas, Sohuldirektor Prof. Dr. Kran-
fliaeher, Bankier Plaal, Jastiarath SchelTer o. A.
Lehrer : Die Damen : L. Beyer, BlasBl-Pönter, Königl. Opern-
Sängerin, Gleaae-Fabronl« A. Taadlea. Die Herren:
A. HartdegAa, Kammervirtaos. Pro£ Dr. USbel,
0. Kaletach, Kgl. Kammermusiker, K. Kletensaa,
Kgl. Opernsänger, W. Moahaaply Kgl. Kammermusiker,
Bd. Sehaildl, Kgl. Kammermusiker, H. Sehaarbasi^
KgL Kammermusiker n. A.
Unterricht fächer: Klavier, Violine, GeUo, Harfe und alle
übrigen Orchesterinsti-umente. Oeaang, Harmonie*
und Kompositionslehre. Musikgeachichte. Italienisch.
Orchesterspiel. Oehörübung. Muaikdiktat.
Organisation: Concertklassen. Seminarklaaaen. Ober-,
Mittel- und Elementarklassen.
Statuten sind kostenfrei zu beziehen durch die SohrifUeitung
des Konservatoriums Kassel, Wilhelmshöher Allee 48.
Fehlende Nummern
des ^Klarier -Lelirer^^ können ä 30 Pfg. durch
jede Buchhandlung nachbezogen werden.
— 15
Adressen-Tafel.
K Zellea lO Mk. Jfthrlleh, weitere 5 Zellea 5 Mk.
Prof. €. Bmlaiir's Hons^i^atoHttm und Seminar.
Direction: Gustav Lazarus.
Berlin N.W., Lulsen-Str. 36. Berlin W., BQIowstr. 2 (am Nouendorfputz).
Spreohstmiden : 6—6, Mittwochs n. Sonnabenda 10—12. Spreohstanden: 8—10 u. 1—2.
— — ^ Aufnahme jederaeit. _-^— — ^
Erste Lehrkrftfte, vollständige musikalische Hnd pädagogisclie Ausbildung. Eiementarkiassen.
Prof. Siegfried Ochs.
Diris«nt des .Philharm. OhorM**.
Berlin W., Bendier-Strasse 8.
Sinreohst nur t. 11—12 Uhr Vorm.
Franz Grunicke,
Orgel, Klavier, Harmonielehre.
Berlin W., Stelnmetzstr. 49^
Marttfa Remmert,
Hofpianistiii, Kammervirtaosin.
Berlin W.» Tanenzienstr. 6.
JSznma .Kooli,
Pianistin.
Beriln W., Neue Winterfeldstr. 15.
Konzert-Vertr.: H. WollT, Berlin.
Flora Scherres-Friedenthal
Pianistin.
Berlln-Ciiariottenburgf
Kantstr. 160a.
Prof. Jui. Hey'S Cesangschule.
Berlin W., Eisholzstrasse 5U,
am Botanischen Garten.
Gresangxmterricht erteilen:
Frau Felix Schmidt-KOhne
Goncertsfingerin - Sopran.
Sprechstande: 8—4.
Prof. Felix Schmidt.
Berlin Wn Taaenzieutruse 21.
eiisabetb Calaiid
Chartottenburg-ßerün
Goetbestrasie $0-
Huebtldung Im höheren
KlaTtersptcl nach Dcppe'schen
Grundsätzen.
Ottilie Lichterfeld
jpianifttn
BerUn W.^ Sehaperser, 35.
emilie o« gramer
Gesangunterricht (Meth. Marcbesi).
Berlin, Bayrentiierstr. 27«
30$^ UiatiHa da mottai
Pianist.
Berlin W., Passanerstrasse 26.
Käte Freudenfeld,
Koniert- tu Oratoiiena&ngerln (Alt)
fl osanglahrerin, Athemgymnastik.
Berlin W.. Passanerstrasse 22".
Jlugttste BShme-KSbler
erteilt in Leipzig, Ueblprstr. S I, und in Llndhard-Naunhof (Bahnlinie Leipzig-
DSbeln- Dresden) von Juni bis einschl. September
fiesangstimerrlcbt
Herren und Damen vom Lehrfach, sowie ausübende Kfinstler, die Unterricht
nehmen wollen, sind gebeten, event vorher scliriftliche Klarlegung ihrer stimmlichen
Veranlagung, sowie emes von einem Arzt ausgestellten Berichtes Ober ihren allge-
meinen Gesundheitszustand einzusenden.
Prof. Franz Kullak.
Klassen ffir höheres Klarlerspiel.
Berlin W., Habsburger Str. 4
Atemgymnastik - Gesang.
Mathilde Paraaentier
(Alt- und Mezzosopran).
Berlin W., filsenacherstrass« lao.
/Vlusil(«Institut
und Seminar für Musiklehrerinnen
von Jlnsa momb« Berli« Ul.» JIn$bad)er$tr. 37.
== Prospekte gratis, auf Olunsd) aud) brieflid). ===
Prof. Ph. Schmitf s
Akademie für Tonkunst
gegründet 18B1
. Elisabethenstrasse 86.
Direktion: Pn>f. Ph. Schmitt.
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Vorsteherin der
Schweriner Musikschule
Schule far höheres Klavierspiel und flusbildung von Lehrkräften nach
dem preisgekrönten Rnschauungsunterricht der Vorsteherin.
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Erzieh- und Lehr -Methode ffir
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Anna Harmsen,
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Olga Stieglitx,
Klaviemnterrioht, Methodische Vor-
bereitang fOr den Lehrberuf.
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anterrictots-Qeraiimiiiiig der in«slKflnipve Bern« (aiis.ixi..v.)
fOr Klavier-, Gesang- u. Violinstunden. Lehrerinnen mit guten ZeuRninen oder
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hanea-Leebinolier, Berlin W.BO, Luttpoldstr. 4& Sprachst: Montag Nachm. 3»/s-&
Frankftirter
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Leitnng S. HenkeL
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Jonghofstrasse, Saalban.
Stenenpermittlung der IRusiksekfion
des Jlllgeneitteii Deiitscbeii CeDrerinttettvereins«
Centralleitung Berlin W., Luttpoldstr. 43.
Fran Helene Bnrghansen-Lenbnscher.
Yorsflglloh ausgebildete und empfohlene Lehrarinnen (Klavier, Gesang, Theorie)
ffkr Institute, Pensionate und Familien, für Li- und Ausland. Spraohkenntnisse
Schule
für höheres Klavierspiel
nebst Vorsehule.
gegrOndet 1878
Elisabeth Simon
BRESLAU, Teichstr. 6i-
Institut
f. human. -erzieht. Musik-
unterricht
mit Lehrerinnenausbildung
nach Ramann- Volckmann
von Ina LShner,
Nürnberg, mittl.Pirkheimer8tr.a4in.
Erlangen, Luitpoldstr. 1&
und
Anna Hesse.
Gegründet 1882.
Erfurt, SohillorstraMe 27.
Helene Nöring,
Gesanglehrerin. Tonbildung (Luise Hess),
. Gehörbildung (Methode Ch6v6).
Königsberg I. Pr., Iragheim-Passage 3.
Valeska Kotsehedoffy
BEBIilM W^ litttaow-Ufer 1 !▼.
Elasang Oesthiiicntr.
Klavierunterricht, Theorie. Ensemblespiel,
Anleitung zum Lehrberuf. Einselunter-
richt. Klauenunterricht.
Koasertslagerla Meaaoaopran.
Sesaaglekrerla, akademisch icepr&ft.
Berlin N.W., Clandineetr. 16IL
Olga ü. Helene Casslus
Stimmiiildung
fflr Redner, Schauspieler u. Sänger
Methode A. Kuypers.
Gesang- und Klavierunterricht.
BERLIN W., Ansbacherstr. 40.
Hermann Oppenhelnier,
Hameln an der Weser.
Musikalienhandlung und Verlag
gegrOndet 1867.
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'^&^ gegr» 18S6 41^
Berlin W.* Fofsdamerstr.lia.
Mason & Hamlin,
L amerikan. HArmomlninsy
Vertreter: Paul Koappen,
S.W., Friedrtohstr. 286 (Tel. VI, 8897).
SCHLE81NG£R'8ehe
Musikalienhandlung, Leih-Anstalt
Berlin W., Französischestr. 23.
Paul Koeppen,
PlamlBM»
SWn Friedriohstrasaa 9SS
(Chami8SO-Hans>
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No. 1. fa j( . -.80 No. 2. La . . -.80
24 Fremdes .... Gomplet 8.—
Separement.
Gabler I (No. 1-6) 1.20
Gahier II (No. 7—12) .... l.'iO
Gahier III (No. 13—18) ... 1.20
Gahier IV (No. 19-24) . . . . 1.—
Op. 12. 2 Impromptus . . . Gomplet 1.40
Separement.
No. 1. Fa J( . -.80 No. 2 si t' . -.60
13. 6 Pr^Indes 1.40
14. 8 Impromptus . . . Gomplet 1.20
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No. 1. Si . . —.60 No. 2 fajf . -.60
15. 5 Prdludes 1.40
16. 5 Prtfludes 1.40
17. 7 Pr^iudes 1.60
18. Aliegro de Concert 1.40
Op.
Op.
Op.
Op.
Op.
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Op. 21. Polonaise en si t^ 1.40
Op. 22. 4 Pr^ndes 1.— _
Op. 28. Sonate No. 3, en fa | . . . . 2.- |f
Op. 25. 9 Maxnrkas .... Gomplet 3.— '
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No. 2. Ut. . -.60 No.7 BA . -.80
No. 3. mi . . -.40 ' No. 8. Si . . -.40
No 4 Mi . . -.80 , No 9. mi 7 . -.60
No 5 ut jl . - .60 ,
Op. 27. 2 Pr^ludes -.80
Op. 28. Fantaisie 1.40
Op. 30. Sonate (No. 4, Fa Jf) 1.40
Op. 31. 4 Pr^ludes -.80
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Das erste Stück im italienischen Wander-
buche ist unter dem Eindrucke von Raffaers
„Sposalizio" entstanden. Von den Kom-
positionen des italienischen Wanderbuches
könnte Wilhelm SchlegeFs Wort gelten: „In
den Werken des grössten Dichters atmet nicht
selten der Geist einer anderen Kunst. Sollte
das nicht auch bei den Malern der Fall sein?
Malte nicht Michelangelo in gewissem Sinne
wie ein Bildhauer, Raffael wie ein Architekt,
Corregio wie ein Musiker?" So decken sich
auch Raffael's Bild und Liszt's Kom.position in
wunderbarer Weise; in beiden ist der gleiche
Wohllaut und lyrische Stimmungsgehalt; hier
wie dort finden sich die warmen, goldigen,
klaren Töne, jene ersten Morgenstrahlen einer
Schönheitssonne und etwas knospenhaft Ge-
schlossenes, halbträumend in sich Ver-
sunkenes ist ohne Zweifel beiden Kunst-
scböpfungen in hohem Grade eigen. Auch
beide Künstler standen, als sie die genannten
Werke schufen, in ähnlichen Lebensverhält-
nissen. Beiden gelang es, Leben und Liebe
zu gemessen und künstlerisch zu gestalten,
in der Ausübung der Kunst zugleich die volle
Lebensfreude zu finden. Beide Werke
sind fernerhin lyrische Gedichte zum Aus-
drucke von Stimmungen und slillen Ge-
danken, und aus ihnen beiden spricht zu uns
jener wundersame Ton, der nach Weise des
Genies den Uebergang aus dem kirchlich
Herkömmlichen in das Weltwirkliche angibt.
Ein Wort Michelangelos kann man leicht auf
Liszt beziehen: „Die rechte Kunst ist edel
und fromm durch den Geist, in dem sie
arbeitet. Denn für die, welche es begreifen,
macht nichts die Seele so fromm und rein, als
die Mühe etwas Vollendetes zu schaffen;
denn Gott ist die Vollendung, und wer ihr
nachstrebt, der strebt dem Göttlichen nach."
Und, da wir uns nun der zweiten Kompo-
sition, „II -Penseroso" überschrieben, zu-
wenden, wie Michelangelo war auch Liszt
damals bereits fest, in sich abgeschlossen,
dem Gemeinen feind. Ein Schöpfer neuer
Formen, ein Träger neuer Ideen, gross an-
gelegt, stand er schon in jener Zeit einsam
da wie alles Erhabene. „U Penseroso **
konzipierte Liszt unter dem Anschauen von
Michelangelo* s Grabmal des Herzogs Lorenzo
— 22 —
in der neuen Sakristei von San Lorenzo in
Florenz. Sicher hat hier des italienischen
Meisters wundervoller Vers auf unseren Ton-
künstler eingewirkt: „Wohl mir, dass ich
schlafe, mehr noch, dass ich von Stein bin,
solange die Schmach und Schande bei uns
dauern; nichts zu sehen, nichts zu hören, ist
das glücklichste Schicksal, deshalb wecke
mich nicht, bitte, sprich leise." In diesem
Tonstücke schon spricht sich Liszt's durch
keine Ueberlieferung beschränkte Eigenart
aus; er erfindet und gestaltet wie der Geist
ihn antreibt, das Werk ist aus seiner Seele
herausgeboren, die allein Bestimrnungsgrund
und Mass seines Tuns bildet. Hier spricht
das Leiden und Ringen einer edlen grossen
Seele zu dem Hörer und es ist unschwer
empfindbar, wie bereits die Umgebung in
Leben und Kunst mit ihren schroffen und
unvereinbaren Gegensätzen auf Liszt's An-
schauung und Empfindung gewirkt hatten.
Ueber diesem Tonstück liegt eine ungeheuer
ernste, tiefe, fast niederdrückende, dunkel-
geheimnisvolle Stimmung ausgebreitet. Was
noch den beiden Stücken „Sposalizio" und
„II Penseroso" gegenüber ins Gewicht fällt,
ist der Umstand, dass Liszt hier mit aller
Nachdrücklichkeit die Verwandtschaftsidee der
Künste betonte und der Musik ein durchaus
neues Stoffgebiet eröffnete und ihr neue
Ideen zuführte. Ob diese Ideen, kann man
ferner mit L. Ramann bemerken, aus der
Geschichte, aus der Religion, aus der Natur,
aus der Zeit, aus der Poesie, aus der Malerei,
aus der Skulptur oder der Architektonik dem
Komponisten zufliessen, wird bezüglich der
Tatsache, dass die Musik Gefühle zu ihrer
Voraussetzung haben muss, sich ganz gleich
bleiben. Nur das bleibt sich nicht gleich —
und hierauf beruht der wesentliche Gewinn
für die Musik — , dass der Ausgangspunkt
dieses Gefühlskreises auf die Charakteristik
und musikalische Formgebung einwirkt,
wodurch er stofferweiternd und form-
gebend wird. —
Die folgenden vier Klavierstücke ent-
sprangen der Fühlung Liszt's mit der italieni-
schen Literatur. Wie sich der Künstler in
das Studium Dante's versenkte, so wurde seine
Phantasie auch durch die Poesien eines
Salvator Rosa und Francesco Petrarca be-
fruchtet. Die ,,Canzonetta del Salvator
Rosa" ist ein heiteres, frohgemutes Stück
über den Text: „Vado ben spesso cangiando
loco ma non so mai cangiar disiro" etc. und
charakterisiert aufs treffendste den wunder-
lichen italienischen vielseitigen Maler, Musiker
und Dichter (1615 — 73), einen lustigen Ge-
sellen, der abwechselnd in Rom und Florenz
lebte, mit vielen Spassvögeln gut Freund war
und auch gelegentlich als Schauspieler vor
das Publikum trat. Ganz anders stimmen uns
natürlich Liszt's drei Sonette nach
Petrarca' s Dichtungen, worin das Rauschen
des Quells von Vaucluse und der flutende
Wohllaut der poetischen Gedanken von zwie-
facher Wirkung ist! Liszt hatte die Sonette
(Nr. 47, 104 und 123) für eine Singstimme mit
Klavierbegleitung komponiert. Indessen war
es mehr bei der blossen Skizze geblieben, als
zu reicher künstlerischer Aus- und Durch-
führung gekommen, und erst die nun hier
vor uns liegenden drei Klavierübertragungen
stellen sich in der notwendigen, ihres
Schöpfers allein würdigen Abrundung und
Vollendung als Kunstwerke dar. Von diesen
drei heissblütigen tief empfundenen und von
italienischem Lebensgefühl durchglühten Kom-
positionen geht der Zauber der reinen klaren
Form aus. In ihnen ist die Liebe als Genuss
der Schönheit aufgefasst, die Liebe als un-
mittelbarer Aushauch der verschiedenen
Seelenstimmungen, die Liebe mit ihrem
Sehnen und Dürsten, mit ihrem heissen Ver-
langen und ihrer demütigen Resignation.
Ueber dieser Art von Kunstbetätigung scheint
wirklich die Sonne des Lebens, deren Urquell
der Enthusiasmus der Liebe ist, und die Seele
des Dichters wie des Musikers stellt sich
hier ganz und gar als geistige Einheit dar.
Das, was allein das Auge des Liebenden an
der Geliebten sieht, das Gefühl, dass die
Lösung aller Rätsel im Geheimnis der Liebe
liegt und zu unermüdlichem Fluge antreibt —
dieses mystische Element wirkt in Liszt's
Tondichtungen und bildet das Thema für die
Variationen eines und desselben Gedankens,
der im Sonett ausklingt. Die drei Sonette
Liszt*s, die schon an sich, was die äussere
Form anbelangt, auf Satz, Gegensatz und
Vermittlung hinweisen, ragen durch
Originalität und Wahrheit des Gefühls heraus
über die Unmenge gleichzeitiger Klavierwerke
und beweisen die Richtigkeit des Satzes der
romantischen Zeiten, dass nur zu häufig
Poesie zu Musik und Musik zu Poesie wird.
Im wechselvollen irdischen Dasein war es
Liszt wie Wenigen vergönnt, das Bleibende,
göttlich Schöne der mittelalterlichen Liebes-
poesie zu erkennen, mit allen ihm zu Gebote
— 23 —
stehenden Mitteln zu fixieren und zu einem
Freudenhymnus auf ein Idealbild der weib-
lichen Natur auszugestalten.
Eine Reihe von Jahren liegt zwischen
dem z>veiten und dritten Bande der „Ann^es
de Pelerinage". Der zweite Teil („Troisieme
Annee") entstand in des Meisters reiferen
Jahren. Gelegentlich seines Aufenthaltes in
Rom unternahm Liszt in der Sommerzeit
einige Ausflüge in die Umgebungen der
ewigen Stadt und besuchte auch den Erz-
bischof (späteren Cardinal) Gustav Fürst
Hohenlohe, in dessen herrlicher Besitzung,
der Villa d'Este (dem Kardinal Hohenlohe
vom Herzog von Modena auf Lebenszeit ab-
getreten und überlassen) er alljährlich Wochen,
ja Monate hindurch ungestörter Ruhe und
stillen Friedens gemessen sollte. In ihrer
Einsamkeit, in der schönen Wildnis ihrer
Laubengänge, bei dem träumerischen
Rauschen ihrer Wasser und Springbrunnen
und unter ihren alten Cypressen war es
Liszt oft vergönnt. Stunden der Erholung
und Sammlung zu verleben und Eindrücke
hochpoetischer Natur zu gewinnen. Ein Ge-
sang der Schutzengel, „Angelus", eröffnet
den dritten Band der Wanderjahre. Die
Komposition ist eigentlich für Streichquartett
komponiert und wurde erst in der Folgezeit
für Klavier bearbeitet. Nach August
Göllerich's Mitteilung hängt in Villa Wahn-
fried zu Bayreuth ein edelgedachtes Bild des
russischen Malers und Freundes Wagner's
und Liszt's, des Barons Joukowsky, die heilige
Familie darstellend, wie sie musizierend Gott
lobsingt. Die einzelnen Gestalten tragen die
Gesichtszüge der Bewohner Wahnfried's.
Liszt aber hat jenen Teil des Bildes, welcher
die musizierenden Engelsgestalten seiner
Enkelinnen Eva, Isolde und Daniela zeigt,
dem Titelblatte der ersten Ausgabe des
„Angelus'' beigegeben. Man wird bald
empfinden, dass das in Rede stehende Stück
von vornherein für Streichinstrumente gedacht
ist und dass die Klavierbearbeitung manches
von dem Reize vermissen lässt, welchen es
in sich birgt. Seine Melodie ist von grösster
Eindringlichkeit und von wunderbarer Ruhe
erfüllt, seine Harmonien denklich einfach und
doch von weitgehendster Wirkungskraft. —
Die folgenden drei Kompositionen, „Aux
Cypres de la Villa d'Este" (No. 1 und 2)
und „L es jeux d'eaux ä la Villa d'Este**,
spiegeln durchaus den Stimmungsgehalt der
in der Villa verlebten Zeit aufs treuste
wieder. Es ist genügend bekannt, dass Liszt
sich während seines zweiten römischen
Aufenthaltes vorzugsweise kirchlichen Arbeiten
hingab und dass er, nachdem die auf eine
eheliche Verbindung mit der Fürstin Sayn-
Wittgenstein abzielenden Pläne scheiterten,
sich allmählich mit seinem gesamten Denken
und Fühlen auf geistliches Gebiet hinüber-
rettete. In den beiden erstgenannten Stücken
sind nun ganz entschieden durchaus welten-
flüchtige, teils in sich gekehrte, teils in hohe
religiöse Begeisterung ausbrechende Empfin-
dungen niedergelegt und zum Ausdruck ge-
kommen. Auch die „Wasserspiele der Villa
d'Este" sind keineswegs lediglich äusserem
Anlasse entsprungen oder geschrieben, um
etwa ein landschaftliches Stimmungsbild zu
fixieren, sondern haben ihren eigentlichen
Grund und Boden gleichfalls in des Meisters
tiefem religiösen Gefühle. Dies beweist die
(S. 35 als Fussnote gegebene) Schriftstelle:
„Wer aber trinket von diesem Wasser, soll
nimmermehr dürsten; das Wasser, das ich
ihm geben will, wird ihm zur Quelle ewigen
Lebens" (Joh. 4, 14). Um den Ideengehalt
gerade dieser Stücke klar zu machen, sei ge-
stattet, auf die Worte aus Liszt*s, am 14. Sep-
tember 1860 der Fürstin Sayn-Wittgenstein
zugesandten Testamentsentwurf hinzuweisen,
aus denen sich Liszfs religiöse Gesinnung
ergibt. Der 14. September ist der Festtag der
Kreuzerhöhung. Liszt schreibt: „Die Benennung
dieses Festes ist auch die des glühenden
und geheimnisvollen Gefühls, welches mein
ganzes Leben wie mit einem heiligen
Wundenmale durchbohrt hat. Ja — Jesus
Christus am Kreuze — , das sehnsuchtsvolle
Verlangen nach dem Kreuze und die Er-
höhung des Kreuzes: das war immer mein
wahrer, innerer Beruf; ich habe ihn im
tiefsten Herzen empfunden seit meinem
siebzehnten Jahr, wo ich mit Tränen und
demütig bat, man sollte mir erlauben, in das
Pariser Seminar einzutreten. Damals hoffte
ich, es würde mir vergönnt sein, das Leben
der Heiligen zu leben und vielleicht selbst
den Tod der Märtyrer zu sterben. — So ist
es leider nicht gekommen, aber doch ist nie
in mir — ungeachtet der Vergehen und Ver-
irrungen, die ich begangen habe und wegen
deren ich eine aufrichtige Reue und Zer-
knirschung empfinde, — das göttliche Licht des
Kreuzes ganz entzogen worden. Manchmal
sogar hat der Glanz dieses göttlichen Lichtes
meine ganze Seele überflutet." (Schluss folgt.)
— 24 —
^oi)scbi"ffNRcfoFii) @apellet)^
umtnA auf aen Prinxfp der eiiiDeitllcDReit «na Kelativitat der Zekbeft,
oDiie Jlcnaerttttg an noteii' und £iiikii$y$tetii.
Von
GeoriC Capellen-OsnabrAck. *)
H^ Zur Orieatierang. •+*? ^ «> /^ ßsis gis g fis f e
Das bisherige System der zafälligen Ver- ge^^^^er:
setzimgszeicLeii leidet an nicht weniger als drei-
zehn Mängeln.
Figur 1. '
e.w: "
^ e-auf fis fis'auf gis äb'gis fis ab-fis e
OS a b h c ces b bb OS
genauer:
OS as-auf b b-auf c ab'C b ab-b as
t^m
'.;;;; NB. Handschriftlich werden ans den Keilen
* 1^ l||ii U l|o I Striclie.
^-H
Figur 2.
Figur 3.
Dieselben chromatisclien Tonleitern nunmehr Ein Muster von Kompliziertheit des Notenbildes!
einheitlich so zu schreiben:
Tonarten-Variaoteo
o^o^OfOfO^^ einer Stelle aus „Mit Myrten und Rosen"
c eis d dis e es d des c ^otl R. Sch.umann.
genauer: Klavierbegleitung bei der Stelle: .Doch aufs
c c-auf d d-auf e ab-e d ab-d c Neu' die alte Glut sie belebt": '
Alte Notierungen.
1/« ^UtA/.
'^^''^im^%mi^i^
7w 7 Vtr 5:
Pes.X
"•' ' ;J U j J ü i;i^
ZU Berlin. Die dem Vortrage h.ler vorangeschickte
*) Vortrag, gehalten auf dem IL Musik- .Orientierung^ war auf dem Kongress in einem
pädagogisclien Kongress, 6.-8. Oktober 1904 Sonderabdruck unter die Zuhörer verteilt worden.
— 25 —
H.i
- 4I.U^.
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X) . i>vl^. <
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Neue Notierung dieser (um einige Takte vermelirten) Stelle,
für alle 4 Tonarten passend.
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C^WA. I^*flr 'M^ltri^jOA^ 3!7/M«t/ XtA , ^tt 4** .»WvnV 4m4 -t« . . l*MAiti4«^
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■I 'I J .1
SjUrt Ait 4i . JM>t,^jt*v*\^c^ I^ie Vorsetzung der Oktavziffem vor die zweite und
die folgenden Zeilen ist Sache des Stecherfaktors, nicht
des Komponisten.
Anzahl der Tonversetzungsstriche in diesem Liede
bisher 472, jetzt nur 128; Noten hilf sstriche bisher 276,
jetzt nur 164.
^ ')- i 4==^
— 26 —
Figur 5,
Stereotype Pussnote bei Instramenten mit
Doppelliniensystem (Für Solo- und Gesangssttlcke).
Ausser in der im Liniensystem nach dem
Eröffnungstaktstricli angezeigten Originaltonart
kann das Stück auch in den übrigen dargestellten
Tonarten mit entsprechender Oktav Versetzung der
normalen Schlüssellagen (s. die Oktavziffern
oben und unten!) direkt abgelesen werden. Im
weiteren Verlaufe zeigen die „Oktavstriche''
Richtung und Sitz der folgenden Note im Ver-
hältnis zur vorhergehenden an. Total Verzeichnung
und Oktavstriche gelten fort bis zu ihrer Abänderung.
Die vorgezeichnete Tonart (Tonleiter), in
welcher jeweils gespielt wird, ist für alle Ton-
versetzungen massgebend. Die Keile rechts auf-
wärts und links abwärts an den Noten bedeuten,
dass rechts bezw. links die unmittbar nächste (bei
etwaigen Doppelkeilen die zweitnächste) Taste des
betreffenden Tonleitertones gegriffen werden soll.
Noten ohne Keile sind stets Tonleitertöne der ge-
wählten Tonart. (Notenstiele ohne Notenköpfe
zeigen Ton- oder Akkord Wiederholungen an.)
-J— h
JPiguT 6.
Theoretische Darstellung
des bisherigen des neuen Doppelviolin-
Violin- Systems und Doppelbass-
Basssystems: Systems:
i
o *
s
C. ^
^. I.
\.9f
c.»
Figur 7.
Die Vorzeichnung der neaen
Einheitspartitur.
Meyerbeer: ^Hugenotten',
4. Akt, Cavatine.
^
Figur 8.
Beethoven, 7. Symphonie, aus Satz 11 (mit Weg-
lassung der Streichinstrumente).
<axu 31»AtU/UuH^.
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(SU.
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Ausgeschriebene Stimmen dazu:
»u "■ if LJiffi
Stereotype Eussnote zu Partituren:
Die über und unter die Klammer gesetzte
— 27 —
Takt- nnd Tonartvorzeiclinnng bezieht sich anf
alle Inetrumente, welche daher ihrem wirklichen
Klange nach notiert sind, nnd zwar einheitlich
im ik. Die absolate Höhenlage der Instrumente
ist bei jeder Klammer herausgesetzt. Relative
Höhen Verschiebungen im Verlauf der Zeile sind
durch Oktavstriche angezeigt, welche Richtung
und Sitz der folgenden Note im Verhältnis zur
vorhergehenden angeben.
Die vor gezeichnete Tonart ist für alle Ton-
versetzungen massgebend. Die Keile rechts auf*
wärts und links abwärts an den Noten fordern
Versetzungen der betreffenden Tonleitertöne (nach
oben bezw. unten) um einen Halbton, etwaige
Doppelkeile Versetzungen um 2 Halbtöne. Noten
ohne Keile sind stets Tonleitertöne der vor-
gezeichneten Tonart.
(Fortsetzung folgt.)
= Kritische Rückschau :
über Konsert und Oper.
Von
Dr. Karl Htorck.
Wenn man von den immer prickelnd wirken-
den „Wunderkinderkonzerten'' absieht und die
Aufregung über den Fall Rosenthal in seiner
stammverwandschaftlichen Begrenztheit erkannt
hat, so war das fünfte ^^philharmonische Konzert**
der er8<:e sogenannte grosse Abend dieser Saison.
Dass g^leich der darauf folgende Dienstag mit
Leoncavallo sofort die zweite Sensation brachte,
war in Anbetracht derer, die überall dabei ge-
wesen sein müssen, etwas rücksichtslos.
Im. übrigen hat Berlin sich bescheiden gelernt.
Vor bald einem Jahre durfte Amerika die „Sym-
phonie Domestica** unseres Hofkapellmeisters
Bichard Strauss geniessen. Im Juni kam sie beim
Frankfurter Musikfest zur Aufführung, und erst
mehr als ein halbes Jahr später, nachdem bereits
kleinere Städte in die häuslichen Verhältnisse eines
modernen Musikers einblicken durften, wird Berlin
dieses Vertrauens gewürdigt. Und siehe da, kein
Groll, keine Klage. Berlin W. zeigt eine nie ge-
ahnte Grösse der Besignation, füllt in der so
koQzertfeindlichen Weihnachtszeit die Philharmonie
in der Hauptprobe, wie bei der abendlichen Auf-
führung bis auf den hintersten Winkel nnd be-
reitet dem Komponisten einen stürmischen Erfolg.
Ich sage mit Absicht dem „Komponisten' und nicht
der neuen symphonischen Dichtung. Denn auch
dieses, wie behauptet wird, die Rückkehr zur Ein-
fachheit ankündigende Werk, ist eine so schwierige
Aufgabe für den Hörer, dass dieser beim erst-
maligen Hören es gar nicht voll erfassen kann.
Das Ist durchaus kein Tadel, weder für den Kom-
ponisten, noch für die Hörerschaft. Die letztere
ist freilich vielfach in so unverantwortlich naiver
Weise hochmütig und von sich eingenommen, dass
sie, wenn sie ein Werk nicht gleich versteht, dies
verurteilt. Gegenüber dem einfachsten technischen
Kechanismns ist man bescheidener, als gegenüber
der verwickeltsten künstlerischen Schöpfung. Wie
können wir denn verlangen, dass die künstlerische
Arbeit von Jahren ims in Minuten völlig zum
Eigentum werde.
Manchmal, wenn ich eiaen mit dem Urteil
schnell fertigen Freund vor einem Kunstwerk zu
dieser ganz natürlichen Bescheidenheit mahne, er-
widert er mit dem Hinweis auf Beethoven: „Das
verstehe ich doch alles sofort". Ich erlaube mir
ja auch zu solchen Behauptungen ein Fragezeichen
zu machen. Und zwar mit dem völlig ruhigen
Selbstbewusstsein, mit dem ich mein musikalisches
Auffassungsvermögen doch immerhin auf den
besseren Durchschnitt einstelle. Ich aber gestehe
iür meine Person gern, dass mir Beethoven mit
jeder neuen Aufführung mehr wird. Also habe
ich ihn seinerzeit doch nicht in allem verstanden,
nehme das nicht einmal heute in Anspruch, hoffe
vielmehr, in Zukunft immer tiefer in diese Kunst
einzudringen. Aber abgesehen davon: die Zeit-
genossen Beethoven*s haben seine Werke auch für
masslos, für ungesund, für geistige Missgebnrten
erklärt. Uns hilft die 2^it zur tieferen und leich-
teren Erkenntnis. Das gilt für die neuere Musik
in noch höherem Masse, als die geistigen und
seelischen Probleme, die sie sich zur Aufgabe stellt,
immer verwickelter und schwerer werden. Dass
sie vielfach gleichzeitig zu individuell, zu sehr nur
für eine einzige Person berechnet sind, dass ihnen
die Erhöhung ins Typische fehlt, ist dabei sicher
ein grosser Mangel. Und es ist der stärkste
Fortschritt in Richard Strauss' Tonschaffen, dass
er weit über „Heldenleben" und „Tod und Ver-
klärung" hinaus in dieser „Symphonia domestica''
ein allgemein menschliches Lebensproblem in all-
gemein gültigen und verständlichen Verhältnissen
behandelt hat.
Ein zweites, was bei Richard Strauss Schwierig-
keiten macht, ist sein Orchester. Ich sehe nach
dieser Aufführung ein, dass man das erweiterte
Orchester für Richard Strauss als fertiges In-
strument ansehen muss. Bislang konnte man die
Erweiterung, die Vergrösserung des Orchesters als
Ausdrucksmittel für den einzelnen Zweck ansehen,
jetzt zeigte sich, dass Strauss auch für den ver-
hältnismässig sehr einfachen Vorwarf dieses riesige
— 28 —
Ansdmcksmittel braucht. Das ist kein das Wesen
der Dinge beeinflossender Umstand. Das Orchester
Beethoven's ist gegenüber dem Haydn's gewaltig.
Trotzdem gelingt es Beethoven, innerhalb seines
Orchesters dieselbe Zartheit und Feinheit auszu-
drücken, wie Haydn. Alle künstlerischen Aus-
drucksmittel haben an sich keine absoluten Werte.
Sie erhalten sie erst durch das Verhältnis unter-
einander. Das hat Böcklin für die Malerei am
schönsten dargelegt, wenn er das Wesen der
Earbigkeit eines Bildes nicht im unmöglichen Wett-
eifer mit der Farbigkeit der Natur sah, sondern in
der Ausnutzung der auf der Palette gebotenen
Gegensätze innerhalb des Bahmens eines Bildes.
Also an die Vergrösser nng des Orchesters
haben wir uns einfach zu gewöhnen, und wir
werden uns daran gewöhnen. Dabei bleibt be-
stehen, dass sich nicht für jeden diese Vergrösser ung
schickt. Und zwar nicht bloss für Akademiker,
such ganz Moderne können durch ihre Natur
zu kleineren Ausdxucksmiiteln angewiesen sein.
Richard Strauss aber kann das grosse Orchester
nicht entbehren. Das äussert sich auch darin, dass
die Wirkung seiner Werke nicht auf der Kraft
des thematischen Materials und dessen formaler
Aasnutzung besteht, sondern auf der Farbe, der
instrumentalen Charakteristik. Wenn er dasselbe
Thema von verschiedenen Instrumenten weiter-
führen lässt, so geschieht es nicht, um dieses
Thema zu entwickeln, sondern um durch die
Verse biedenartigkeit ih. der Farbenzusammenstellung
zu charakterisieren. Ich glaube, dass hier auch
der innerste Grrund für die grosse Ausdehnung der
Werke von Kichard Strauss liegt. Andererseits
aber auch jene überraschende Tatsache, dass, was
bei anderen als Wiederholung wirken würde, bei
ihm als neu erscheint. Es wird einem eben zuletzt
gleichgültig, dass er wieder und wieder dasselbe
Thema sagt, man hört garnicht mehr, dass es
dasselbe Thema ist, und man sieht bloss die Neu-
artigkeit der Aussprache. Wenn eine Serpentin-
tänzerin ihre stets gleichförmigen Bewegungen bei
gleichmässigem Tageslicht machen würde, so wäre
das ermüdend; bei der stets wechselnden Be-
leuchtung offenbaren sich immer neue Schönheiten.
Dass dieser Farbenwechsel bei Strauss gleichzeitig
seelischer und geistiger Stimmungswechsel ist,
darin liegt der grosse Wert.
Es kommt hinzu, dass Strauss erkannt hat,
wie die Kontrapunktik sich zu einer gedank-
lichen Bereicherung ausnutzen lässt. Er besitzt
eine kontrapu aktische Kunst, wie ein Josqain und
die anderen niederländischen Meister. Aber er hat
diese Kontrapunktik aus dem Formalen ins Ge-
dankliche übertragen und in ihr so das wesent-
lichste Ausdrucksmittel für den geistigen Gehalt
der symphonischen Dichtung gefunden. Ein so
grosser Künstler, wie Richard Strauss, schafft eben
aus der Not immer eine Tagend. Bei Strauss
bleibt die seelische Entwicklung Immer hinter der
geistigen zurück. Es fehlt ihm für die Gesamt-
g^talt des Werkes — für Einzelheiten, insbesondere
die Liebesinbrunst, hat er es — jene höchste
Schöpferkraft, die nicht aus gedanklicher Ueber-
zeugung, sondern aus innigster Notwendigkeit
schafft. Sein Erkennen bleibt induktiv, ist nicht
intuitiv. Daher fehlt ihm auch die Ruhe des Zu-
ständlichen in der Stimmung. Alles bleibt in
steter Bewegung nach einem Zustand hin, dieser
wird aber nie erreicht. Niemals en eicht Straoss,
was Beethoven in seinen Schlusssätzen immer be-
sitzt, die göttliche Heiterkeit des Vollendetseins,
des über allem Werden Stehens, des Seins. Bei
Strauss bleiben wir immer in der Beweg^nng.
Strauss sucht nach diesem Höhezustand. Das
beweisen auch seine Schlusssätze. Aber die Kraft
derselben beruht auch im Emportragen, das hier
die Hast verloren hat und alle Kräfte eint. Aber
Bewegung bleibt es doch, im günstigsten Falle
haben wir die Hoffnung, die Höhe zu erreichen.
Darum bringt bei Strauss der Schluss so gern den
Verzicht, den Tod, das Ende. Bei Beethoven ist
der Schluss immer der Besitz, die Lebenshöhe.
Ich sehe in der „Symphonia domestica^ einen
grossen Fortschritt In zwiefacher Hinsicht. Ein-
mal gerade darin, dass alle Entwicklung in höherem
Masse als früher nach dem Erreichen eines Zu-
ständlichen strebt. Noch ist das Ziel nicht er-
reicht, und vielleicht war es gerade im vorliegen-
den Falle nicht zu erreichen, weil es das Ergebnis
ja schliesslich ist, dass die Eltern sich entsch Hessen,
ihr Kind sich ruhig entwickeln zu lassen. Der
zweite Fortschritt beruht darin, dass Strauss das
Wesen der „symphonischen Dlchtung^^ noch nie
so tief erfasst hat, wie hier. Es zeugt für die
jämmerliche Oberüächlichkeit der kritischen Be-
trachtungsweise, wenn dieses Werk als eine Art
Rückkehr zur Symphonie alten Stils (also nicht
Beethoven's, die mit der Art Haydn's, Mozart's oder
gar der Nachklassiker nichts, aber auch gar nichts
gemein hat) bezeichnet wurde. Nur, weil der
Komponist sagt, es bedürfe zu ihrem Verständnis
keines Programms. Ja, du lieber Gott, es bedarf
keine symphonische Dichtung des Programmführers,
wenn wir ihren Stoff so beherrschen, wie im vor-
liegenden Falle, wo das Verhältnis der Eltern
untereinander und zum Kinde dargestellt wird.
Doch an diese Frage darf ich nicht rühren. Ich
müsste sonst die Entwicklung der Symphonie znr
symphonischen Dichtung schildern und die innersten
Wesensmerkmale beider aufdecken. Das wäre eine
lockende Aufgabe; sie ist aber im Rahmen einer
Besprechung nicht zu lösen. In dieser habe ich
nur noch zu sagen, dass ich jedem Musikfreund
rate, die Gelegenheit, die neueste Schöpfung von
Richard Strauss kennen zu lernen, zu benutzen.
Er wird dabei die bedeutendste Leistung der
neueren symphonischen Literatur kennen lernen.
29 —
Mittellungen
von Hoohsohulen nnd Konseryatorien.
I>as Leipziger Konservatoriiim erhielt
durch den Geh. Kommerzienrat Julias Blüthner
zar Stärkung des Pensionsfonds für die Lehrer
and Beamte der Anstalt die Snmme von 15000 Mk.
als Geschenk.
Max Reger ist als Lehrer für Kontrapankt,
Kompositionslehre und Orgel von der König].
Akademie der Tonkunst in München ge-
wonnen worden.
An das Konservatorium der Musik zu Krefeld,
Direktoren Herren Th. Müller-Keuter und
C. Pieper, ist Herr Franz Kösler aus Berlin
als Lehrer für Klavierspiel der Oberklassen, Theorie
und Chorgesang berufen worden.
Die Königl. Musikschule zu Würzburg,
Direktor Hofrat Prof. Dr. Kliebert, führte
Liszt's Oratoriam „Die Legende der heiligen
Elisabeth" in würdigster Welae auf. Die vor-
züglichen Chor- und Orchesterleistungen der Anstalt
wurden durch die trefflichen solistischen Leistungen
der Münchener Kammersängerin Frl. LiliDressler
und Frl. Auguste Gerstorfer wirkungsvoll
unterstützt.
Yermlschte Nachrichten.
Herr Gustav Kulenkampff, Berlin, Kom-
ponist und Dirigent, erhielt den Titel alsKönigl.
Professor.
Die beiden letzten historischen Konzerte des
Bohn'schen Gresangvereins zu Breslau,
Dirigent Prof. Dr. E. Bohn, brachten interessante
Programme. Das 97. Konzert war dem „Hamor
in der deutschen Oper** gewidmet, es kamen Arien,
Lieder, Duette, Kavatinen, Ensembles aus Opern
von Reinhard Keiser, J. Adam Hiller,
Wenzel Müller, Mozart, Schubert, Fesca,
Weber, Marschner und Nicolai zum Vortrag.
Das Programm des 93. Konzertes lautete „Deutsche
Kinderlieder aus alter und neuer Zeit". Neben den
Altmeistern unserer Tonkunst wie Sethus Cal-
visius, Antonius Scandellus, Laurentius
Lemlin (16. Jahrhundert) sind auch unsere le-
benden Komponisten E. Bohn, E. Humperdinck,
C. Reinecke, C. Ansorge, Max Reger und
manche Andere durch das Programm zu Wort ge-
kommen.
Aglaja Orgeni, die berühmte Dresdener
Gresangsmeisterin, feierte im Dezember ihren 60. Ge-
burtstag.
Unter dem Titel „Recht verlangen wir, nichts
als Recht," hat das Präsidium des Allg.
Deutschen Musikerverbandes, Präsident
Ernst Vogel, eine Broschüre erscheinen lassen,
welche in eingehendster Darlegung die Schäden
beleuchtet, welche den deutschen Zivilmusikern
durch die Koukurrenz der Militärkapellen erwächst.
Insonderheit wird die Konkurrenz hervorgehoben,
welche durch eine, der militärischen Musikerorga-
nisation unwürdige Reklame hervorgerufen wird.
In der Broschüre sind eine grosse Reihe belastender
Konzertankündigungen zusammengestellt, die Ma-
terial für die Klagen der Zivilmnsiker liefern. Eine
Erwägung dieser hier klargelegten Uebelstände an
kompetenter Stelle, eine Prüfung der Zustände
scheint dringend geboten.
Eine neue Elsässische Volksoper „Die
Vogesentanne", ein „musikalisches Walddrama",
Dichtung und Musik von M. J. Erb, kam am
Strassburger Stadttheater zur Erstaufführung
und errang einen glänzenden Erfolg. Die Dichtung
behandelt eine Sage aus dem Vogesenwalde in der
Nähe des Odilienberges.
Von dem auf dem Gebiete der geistlichen Musik
tätigen Pfarrer Hermann Barth in Ruhls-
dorf-Niederbarnim ergeht ein Preisaus-
schreiben an Theologen und Fachmusiker zur
Gewinnung neuer eigener Melodien für eine
Reihe Kirchenlieder, die heut nach wenig pas-
senden Paraliel-Melodien gesungen werden. Text
und Melodie decken sich bei unseren Chorälen oft
recht wenig. So wird z. B die Melodie „Was
Gott tut, das ist wolgetan" zu 19 Gesangbuchliedern,
deren Stimmungsgehalt in sich so verschieden wie
möglich ist, gesungen. Es ist ein verdienstliches
Unternehmen, einen Preis für neue passende Me-
lodien auszuschreiben Bedingung ist, dass die
Melodien den kirchlichen Ansprüchen genügen, für
den Gemeindesang geeignet sind und sich dem
Gredankeoinhalt des Textes anschmiegen. Als
Preisrichter sind gewonnen: Pastor Lic. Breest
in Berlin, Prinz Heinrich XXIV. Reuss j. L.,
Konsi stör ial rat Professor D. Knoke in Göttingen,
Professor Theodor Krause in Berlin, Musik-
direktor Lubrich in Sagan, Superintendent N eile
in Hamm, Pfarrer Dr Orphal in Dobbrikow und
Professor Rad ecke, Direktor des Kgl. Akadem.
Instituts für Kirchenmusik in Berlin. Die die
leitenden Gedanken des Preisausschreibens ent-
haltende Broschüre ist für 45 Pfg. in Brfm. fko.
von Paul Pitt ins Verlag, Berlin SW., Alte Jakob-
strasse 13, zu beziehen
Von der leitenden Kommission der „Denkmäler
der Tonkunst in Oesterreich", Vorsitzender: Prof.
Dr. G. Adler, wurde Dr. Walter Niemann-
Leipzig in Anerkennnng seiner Bemühungen um
— 30 —
die Volksausgaben aus diesen „Denkmälern^* zum
wirkenden Mitgliede ernannt. Einige dieser gleich
der „Frobergerlana" von ihm besorgten praktischen
Auswahlen werden in einiger Zeit in Breitkopf
& Hart eis „Meisterwerken deutscher Tonkunst"
erscheinen.
Der „ Totentanz* , ein dreiaktiges „Tanz- und
Singspiel* nach Dichtung Max Morold's, Musik
von Josef Reiter, Komponist des „Bundschuh",
eines „B^quiems" etc, wurde vom Herzoglichen
Hoftheater in Dessau zur alsbaldigen Urauf-
führung angenommen.
Bücher und Musikalien.
Dr. Hngo Rlemaim: „Musik-Lexikon^S 6. Aufl.
Max Hesie'fl VerU^, Lelpilf.
Wie schon in No. 24 v. J. berichtet wurde,
trafen die Schlusslieferungen der Neuauflage von
.H. Biemann's Lexikon" noch rechtzeitig zum
Weihnachtsmarkt ein. Es erübrigt einige Worte
den bereits früher gewürdigten Lieferungen hinzu-
zufügen. Man darf es ohne jeden Vorbehalt aus-
sprechen, dass das Biemanu'sche Lexikon alle
übrigen Musiklexiken überholt und in den Schatten
gestellt hat, schon aus dem Grunde, weil es, auf
den letzten Quellenforschnngen beruhend, bei den
sich in kurzen Zeitabschnitten wiederholenden, not-
wendigen Neuauflagen stets zum Neuen das Neueste
fügt, so dass der Suchende die G-egenwart mit
allen ihren Erscheinungen aufs vollständigste ver-
treten findet In gleicher Weise ist aber auch auf
die ältere Zeit Bücksicht genommen. Der gewaltige
Umschwung, den die musikalische Forschung in
den letzten Jahren genommen, das Erscheinen des
Eitner'schen ^Quellen-Lexikons", das eine Fülle
bibliographischen und biographischen Materials zu
Tage förderte, verur-sachten eine Darcharbeitung
des Materials, das die Neuauflage allerdings zu
einer aasserordentlich schwierigen, aber auch desto
vollkommeneren machte. Eine besonders hervor-
zuhebende Bereicherung erfuhr die 6. Auflage durch
die von Herrn Oscar v. Biesemann in Moskau
durchgeführte Bearbeitung der Biographien russi-
scher Komponisten, welche dem Lexikon durch
die im Verlage von P. Jurgenson, Moskau, er-
schienene russische Uebersetzung zugebrekcht
wurde. Man erhält dorch diese Einfügung ein
Bild von der hohen Blüte nationaler Masikpflege
in Bussland. Der Vermehrung der Biographien
neuerer Tonsetzer hält die durchgreifende Um-
arbeitung einer grossen Zahl von historischen und
ästhetischen Fachartikeln die Wage. Auch nur
annähernd hier die Namen der eingefügten Künstler
oder die Umarbeitung früherer Artikel zu nennen,
ist im Bahmen dieser Besprechung völlig ausge-
schlossen, es möge genügen, darauf hinzuweisen,
dass trotz Kürzung älterer, minder wichtiger Artikel
die Neuauflage den Umfang von 1508 Seiten nebst
XX Seiten Nachtrag erreicht hat, gegen 1284 Seiten
der 5. Auflage, — Biemann's Musiklexikon ist, um
es kurz zusammenzufassen, ein unentbehrliches
Vademecum für jeden Musiker.
Anna Morsch,
Hasikerbriefe.
Schluss aus Nr. 21, 1904.
Robert Schnmann'g Briefe. Herausgegeben von
F. Gustav Jansen. Neue
Folge. 2. Auflage.
Breltkopf ft Hirtel, Lelpslf.
Von einer weniger grossen, aber ebenfalls
liebenswürdigen Künstlernatur, von BobertSchu-
mann, ist der 2. Band der Briefe in stark erweiterter
Auflage (590 gegen früher 312 Briefe) erschienen.
Schumann gehört zu den „guten" Briefschreibern.
Seine Briefe, namentlich aas der Jugendzeit, ent-
halten wahre Poesie, wenn auch in deutlicher
Nachahmung des üppigen Stiles Jean Paul*s, die
aus den späteren Jahren weitvolle Urteile Über
Kunst und Künstler und äusserst interessante Ein-
blicke in seine eigene PersöaÜchkeit. Wir stimmen
dem Herausgeber vollkommen zu, wenn er Schu-
manns auf Schunk bezügliche Worte auf ihn
selbst anwendet: ein hoher Künstler und ein noch
höherer Mensch — nur kein Genie. Darüber ist
man heute wohl bei aller Verehrung, die Schumann
verdient, einig. £s zeigt sich nicht nur in seineu
Werken, sondern namentlich in seiner Kunst-
anschauung, die revolutionär anfängt und fast
konservativ endet. Der in der Jugend mit Be-
geisterung für L i s z t und Chopin eintrat, betete den
glatten Formmenschen Mendelssohn an (bis zu
dem Grade, dass er einen Sohn Felix taufen Hess), ver-
stand nicht das Neue an Wagner, bei dem er
„vierstimmige Choralgeschicklichkeit* (!) vermisste
und glaubte dagegen in dem von Vorgängern so
stark beeinflussten Brahms den Propheten einer
neuen Welt zu erkennen. Aber wenn auch die
spätere Entwickelung Schumann's Urteile oft nicht
bestätigt hat, so enthalten seine Briefe doch eine
Fülle feinster Bemerkungen, sie sind für die Kenn-
zeichnung des modernen Musikers unschätzbar,
wenn et z. B. „von den Schmerzen und Freuden,
die die Zeit bewegen^^, der Musik erzählen will.
Von grosser biographischer Bedeutung sind die
Briefe, die neues Material zu der unerquicklicheo
Af faire mit Wieck liefern. Schumann's wanne,
rührende Natur zeigt sich aufs schönste in diesen
Briefen. Erschütternd sind die Briefe aus Endenich,
wohin er zur Heilung seiner Geistesumnachtung
gegangen war.
— 31 —
SoüTenirs Inödits de Chopin^ heransgegeben von
Karlowicz.
H* Welter, Paiii.
Das Bach, bereitet einige Enttäaschung. Es
enthält Briefe Chopin's an seine Familie, die Briefe
seines Vaters, seiner Brant, seiner Schüler (bei
diesen verständigerweise nnr ein B^sum^ des
Inhalts) nnd einiger Freunde. Chopin^s Briefe
sind Inhaltlich wenig bedeutend. Er erzählt seiner
Familie ausführlich von seinem äusseren, wenig
Yon seinem inneren Leben, ausgenommen von dem
Bruch mit George Sand, auf den durch diese
Briefe neues Licht geworfen wird, nnd fast nichts
von seinen Kompositionen. Sie dienen also nur
zur Erkenntnis des liebenswerten Charakters
Chopins, seiner rührenden Anhänglichkeit an die
Familie, seines Lebens in den Jahren 1832—49.
Auch über seine Differenz mit Liszt fallen be-
zeichnende Worte. Der Vater rät ihm, die Sachen
so zu führen, dass die Schuld ganz auf Liszt
zurückfalle. Dieser „rächte^^ sich nach Chopin*9
Tode durch sein enthusiastisches Buch : „F. C h o p i n^M
Immer der unerschütterlich Edle. Sehr interessant
ist es, die Art des Verkehrs zwischen Chopin and
seinen Schülern zu verfolgen.
Lnmerhin ein interessantes Buch, das wichtiges
biographisches Material enthält. Sehr bedauerlich
ist der Mangel eines Registers und der schlechte
Druck: ein zu den kleinen Typen disproportioniertes
Format, schlecht broschiert, Papier, das oft den
Druck durchscheinen lässt und nicht immer ge-
lungene Wiedergabe von Portraits Chopin's und
seiner Familie. Den Druck der Briefe George
Sand 's verboten ihre Erben. Sie stehen aber in
der polnischen Ausgabe desselben Buches.
J. Tianna da Motta.
Gnstar Levj: Richard Wagner^s Lebensgang in
tabellarischer Uebersicht.
TerlAiriyeMlliehafl „Harnoale*', Berlin.
Gustav Levy hat seine Darstellung des Lebens-
gangs Richard Wagner's in tabellarischer Ueber-
sicht fundiert auf des Meisters Schriften und Brief-
wechsel, ferner auf die Biographien von Houston
Stewart Chamberlain und Carl Fr. Glasenapp.
Auch wurden Schriften von Lichtenberger, von
Wolzogen, Nohl, Tappertu. A. aufs Förderlichste
in Betracht gezogen. Der Heraasgeber hat alles
zu Gebote stehende Material mit Fieiss und Gründ-
lichkeit benutzt und in höchst übersichtlicher
Kürze und bester Anschaulichkeit geordnet und
zur Darstellung gebracht. Das kleine, mit einem
wohlgetroffenen Brustbilde des Bayreuther Meisters
gezierte Buch wird für den Zweck schneller und
sicherer Informierung gute Dienste tun, umso-
mehr, als Fussnoten bibliographischen und histo-
rischen Inhalts, Zitate aas Wagner's Munde und
wissenschaftliche Hinweise seinen Wert zu erhöhen
imstande sind.
Eugen Segnitz.
Vereine.
Musik-Sektion
des Allg. Dentschen Lehrerinnen-Yereiiis.
Die Ende September v. J. gegründete Musik-
gruppe zu Hamburg, deren Mitgliederzahl bereits
auf 72 gestiegen ist, bestätigte in ihrer letzten
Versammlung die Satzungen und den bisher provi-
sorisch gewählten Vorstand. Die idealen Zwecke
des Vereins sind: Förderung und Hebung des
Masiklehrerinnenstandes nach jeder Richtung, um
dem in keinem Berufe so wie in dem Lehrfach
der Musik auftretenden Proletariat, mit Ent-
schiedenheit entgegenzuwirken. Nach dem Vor-
gehen des Musikpädagogischen Verbandes in Berlin
liat sich die Hamburger Musikgruppe entschlossen,
eine ernste Prüfung für alle diejenigen zu
verlangen, die die Unterrichts Vermittlung in
Anspruch nehmen wollen. In eingehender Aus-
fährong wies die vom Verein gewählte Prüfungs-
kommission, die Herren Prof. Emil Krause
(Theorie und Musikwissenschaft), Herr Julius
Levin (Klavier und Klavierpädagogik] und Herr
Üichard Dannenberg (Gesang und Gesangs-
pädagogik), auf die Vorbedingungen für das ab-
zulegende Examen hin. Die genannten Künstler
stellen im Interesse der idealen Bestrebungen des
Vereins demselben ihre Kräfte bereitwilligst zur
Verfügung. Um auch den minder Bemittelten den
Weg zur Fortbildung oder zum Examen zu ebnen,
werden die Herren vom 1. Januar ab Kurse ein-
lichten, die es jedem ermöglichen sollen, das Ziel
zu erreichen.
In der Leipziger Musikgruppe hielt Herr
Dr. A. Schering einen äusserst fesselnden Vortrag
über die .Entwickelung der Instrumentalmusik*
im 17. und zu Anfang des 18 Jahrhunderts. Von
den frühesten Anfängen instrumentaler Tonkunst
ausgehend zeigte er, wie diese allmählich aus ihrer
dienenden Stellung als Gesangsbegleiterin zur
Seil ständigkeit erwuchs. Von solcher zeugen
schon die „Sinfonien" zu den Oratorien eines
Carissimi, Bartali u. a. (1660—1684), mehr noch
die Serenaden für Violine mit Orchester begleitung
von Vivaldi. Vivaldi dürfte auch der' erste
Programm-Musiker gewesen sein. Einee seiner
Werke versinnbildlicht die vier Jahreszeiten in zum
Teil recht ansprechender Weise. Es scheint sowohl
Haydn, wie dessen Vorgänger im Esterhazi-
Orchester, Greg. Jos. Werner, zu verwandten
Schöpfungen angeregt zu haben. Werner schrieb
1748 einen Zyklus von 13 Instrumentalstücken, die
er „Neuer und sehr kurioser Jahreskalender" be-
nannte. Die Proben, die Dr. Schering auch aus
diesem Werke gab, erregten durch ihre Naivetät
aligemeine Heiterkeit. Ungleich poetischer hat
Joh. Jakob Walther seine Aufgabe in einer
ähnlich angelegten Komposition: „Das Blumen-
firtlein" erfasst. Um 1700 entstand als neue
unstform das „Pastorale*', deren sich bald alle
Komponisten der damaligen Zeit bedienten. Es
war ein wiegender %-Ilhythmus alla Siciliano, der
den Hirtengesang und das Schaukeln der heiligen
Wiege nachahmen sollte. Der Vortragende nannte
als solche, die einer Wiederbelebung wert wären.
— 32 —
die Weihnachtssymphonjen von Valentin i, Man-
fredini, Corel )i nnd wies anf den deatlich
erkennbaren Einfio^s ;hin, den diese Ton werke
anf das allbekannte Hirtenspiel in Bach 's , Wei-
nach tsoratorimn gehabt haben.
Die Bestrebungen Frl. Elisabeth Simonis,
der Vorsitzenden der Mnsikgrnppe Breslau, zur
Gründung eines „Musiklehrerinnen -Altersheims"
für die Provinzen Schlesien und Posen sind
ie le näher gekommen :
im Dezember wurde der Neubau des in Pöpelwitz
im Bau begriffenen Altersheims unter Dach ge-
bracht. Der Akt der Schlusssteinlegung war mit
einer kleinen Feier verbunden. Sie wurde durch
den Gesang des „Engelterzetts'' aus dem £ 1 i a s
eröffnet, Hr. Oberkonsistorialrat Dr. v H a s e hielt
die Festansprache, in der er den Verlauf des Liebes-
werkes schilderte, dann folgte die Verlesang der
Urkunde, die mit dem Schlussstein dem Bauwerk
eingefügt werden sollte, — mit dem Choral „Lobe
den Herrn^* nahm die kurze, aber würdigte Feier
ihren Abschluss. Die Einweihung des Heimes ist
im FrUhjahr zu erwarten.
Konservatorium der Musik
in Kassel.
Gegr. 1895. Direktion: L Beyer. Gegr. 1896.
EhreilTOrsiti : Begienuifcs-Präsident tob Trott i« Smli,
6nf KdBigtdorff, Bzoellens Generalin tob Coloaiby
Oberbürgermeister Müller n. A.
CliratOliain : Pfarrer Baaa, Sohnldirektor Prof. Dr. Krui-
■laeher, Bankier Plaat, Jnstdarath Scheffer u. A.
Lehrer : Die Damen : L. Beyer, BUiil*F5nter, Königl. Opern-
Bäneerin, OleMe-fabronl, A. Taadiea. Die Herren:
A. Hartdeg««. Kammenrirtuos. Pro£ Dr. USbel»
0. KaletMb, Kgl. KammermuBiker, K. Kletsaiaaa,
Kgl. Opemsänffer, W. Moabaapty Kgl.KammermaBiker,
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Organisation: ConcertklaBsen. SeminarklasBon. Ober-,
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des Konservatoriums Kassel, Wilbelmshöher Allee 4S.
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Soeben erschienen:
Zweiter
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6.-8. Oktober 1904
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von dem Vorstande
des
Mnsikpadagogischen Verbandes.
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durch schriftstellerische Arbeiten auf diesem Ge-
biete einen Namen gemacht hat, sucht Engage-
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lehrerin und -Spielerin (Methodo Kiemann), die
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Ausgabe I (Mit deutsch-f ranzösisch-englischem Text).
Ausgabe II (Mit italienisch-spanisch-portug. Text.)
Preis jeder Ausgabe Mk. 6.40.
Ein Werk, das in kürzester Zeit das Interesse
aller ernsthaft strebenden Ciavierspieler erregt hat
und sowohl durch seinen pädagogischen Wert als
durch seinen musikalischen Gehalt dazu bestimmt
scheint, einen dauernden Platz in der Ciavier-
Literatur zu behaupten. Eine Reihe der bedeutendsten
Virtuosen wie M. Rosenthal, J. L^vinne, M. Ham-
bourg, L. Diemer, S. Stojowski, H Bauer, Clotilde
Kleeberg, Marie Panthes, Berthe Marx etc. haben
die den dritten Teil des Werkes bildenden Concert-
Etuden bereits ihrem Eepertoire einverleibt.
Per aspera
15 Stades de Tirtaosite
op. 72.
Preis Mk. 6.60.
In diesen Etüden hat der Autor alle Haupt-
zweige der Ciaviertechnik behandelt und eine mög-
lichst gleichmässige Ausbildung beider Hände an-
gestrebt.
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Heft I. Die Tooleitem in einfachen Noten (Les
Gammes en Notes simples)
Preis: Mk 2.40.
Heft IL Die Tonleitern in Doppelgriffen (Les
Ganmies en Doubles-Notes)
Preis: Mk. 3.20.
Sowohl im ersten als im zweiten (der Schule
des Doppelgriffspiels entnommenen) Hefte giebt
der Autor eine grosse Anzahl von gänzlich neuen
Eingersätzen, deren rationelle Begründung in der
Vorrede dargelegt ist.
Henry Litolff s Verlag in Braunschweig«
(Enocb & Cie,, Paris).
— 36 —
Erschienen ist:
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gestiftet durch VermächtniB des Herrn Dr. Josef Faul Hoch, eröffnet im Herbst 1878 unter der
Direktion von Joachim RalT, seit dessen Tod geleitet von Prof. Dr. Bernhard Schols, beginnt am
1. M&rs dg. Js. den Sommer-Knrsns.
Der Unterricht wird erteilt von den HH. L. Uzielli, £. Engesser, 0. Hegner. Mnsikdir. A«
Glttck. Frl. L. Mayer, Herrn Chr. Eckel, Frl. M. Gödecke, Frau E. Yeldkamp, Frl. J. Fiflgge. Frl. fl. Schaltae
nnd Herrn H. Golden (Pianoforte), H. Gelhaar (Orgel), den H.H. Ed. Bellwidt, S. Bigntini, Frl. Cl.
Sohn, Frl. Marie Scholz und Herrn A. Leimer (Gesang), den H.H. Prof. J. Naret-Koning, F. Baasermann,
Konzertmeister A. Hess, Konzertmeister A« Bebner, Frl. Anna Hegner und F. Kfichler (Violine bezw.
Bratsche), Prof. B. Cossmann. Prof. Hugo Becker, J. Hegar nnd Hngo Schlemfiller (Violoncello),
W. Seitrecht (Kontrabass), A. KSnitz (Flöte), 11. Müns (Oboe), L. Mohler (Klarinette), F. Türk (Fagott),
C. Prensse (Hom), J. Wohllebe (Trompete), Direktor Prof. Dr. B. Scholz, Prof. J. Knorr, C. Breidenstein,
B. Sekles nnd K. Kern (Theorie nnd Geschichte der Musik), Prof. C. Hermann (Deklamation und
Mimik), Herr Prof. Dr. R. Schwemer (Literatur), Fräul. del Lnngo (italienische Sprache).
Prospekte sind durch das Sekretariat des Dr. Uochschen Konserratorioms, Eschershelmer Land-
strasse 4, gratis und franco zu beziehen.
Baldige Anmeldung ist zu empfehlen, da nur eine beschränkte Anzahl von Schülern angenommen
werden kann.
Die Administration: Der Direktor:
Bmil Sulzbaeh. Professor Dr. B. Scholz.
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Flügel- und Planlno- Fabrikant.
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Sr. Maj. des Kaisers von Deutschland und Königs von Preussen,
Ihrer Maj. der Kaiserin von Deutschland und Königin von Preussen,
Ihrer Maj. der Kaiserin Friedrich,
Sr. Maj. des Kaisers von Russland,
Ihrer Maj. der Königin von England,
Ihrer Maj. der Königin Regentin von Spanien,
Sr. Königl. Hoheit des Prinzen Friedrich Carl von Preussen,
Sr. Königl. Hoheit des Herzogs von Sachsen-Coburg-Gotha,
Ihrer Königl. Hoheit der Prinzessin Louise von England (Marchioness of Lome)
I. Pabrik: 5-7 Jotaannis-Str. u. 27 Ziegel-Str.
n. Fabrik: 21 Qrfinaner-Str. u. 25 Wiener-Str.
ni. Fabrik: 124 Reichenberger-Str.
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Für die Redaktion yerantwortllch: Anna Morsch, Berlin W., Ansbacherstr. 87.
Expedition und Verlag ^^Der Klarier -Lehrer^^ M. Wolff, Berlin W., Anebaeherstraase 87.
Dmck: J. S. Freuss, Berlin S.W., Kommandanteustr. 14.
Der Rlatfier-IiehreF.
Musik-pädagogische Zeitschrift für alle Qebiete der Tonkunst
Organ der Deutschen Musiklehrer-Vereine,
der Musik-Sektion des K D. L-V. und der Tonkünstler-Verelne
zu Kölrii Dresden; Hamburg^ Leipzig und Stuttgart.
Begründet 1878 von Profeseor Emil Breslaur.
Redaktion: Anna Morsch
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acgcnacn«mmen.
No. 3.
Berlin, 1. Februar 1905.
XXVIII. Jahrgang.
Inhalt: Eugen Segnltz: Ueber Franz Liszt*t „Ann6es de Pelerinage*. (Schlusa.; Georg Capellen-Osnabr&ck: Tonachrift-Reform
Capellen. (Fortsetzung.) Dr. Karl Storck: Kritische Kflckachau über Konzert und Oper. Mitteilungen von Hochschulen und
Konservatorien. Musikp&dagogischer Verband. Vermischte Nachrichten. BOcher und Musikalien, besprochen von Anna Morach.
Vereine. Briefkasten. Anzeigen.
3^ber f^Faoz biszf s ,,Ant)^es de ^elerioaä^''-
Von
Engen 8egnits
(Schloss.)
Ich finde auch inn folgenden Stücke, „En lebens.
Mode Hongrois* bezeichnet und „Surt
lacrymae rerum" überschrieben, immer
wieder Liszfs religiöses Wesen zum Durch-
bruch kommen.
Wie alle Kunst von der Religion ausgeht,
so bildeten auch Liszt*s Wünsche und Neigun-
gen in Jugend und Alter einen, sein ganzes
Leben umschliessenden Ring. Das in Rede
stehende fünfte Klavierstück ist wiederum
jener Liszt'schen redenden Kunst und jenem
eigentümlich packenden deklamatorischen
Klavierstil entsprungen, der unseres Meisters
Werke so auszeichnet. Die Stimmung,
energisch festgehalten und mit Ausnahme des
kurzen Zwischensatzes von besonderer Herbe
und Schärfe des musikalischen Ausdrucks,
könnte gewissermassen einem Klag- und
Busspsalm entnommen sein. Nur leise wird
hierin ein gewisses versöhnliches und be-
ruhigendes Moment zur Andeutung gebracht.
Ein Trauermarsch grossen Stils, dem
Andenken des (am 19. Juni 1876 erschossenen)
Kaisers MaximUian I. von Mexiko gewidmet,
ist die sechste Nummer. Es ist ein er-
greifender Epilog auf das Ende eines reichen,
edlen, wenn auch irregeführten Menschen-
Diese seine Meinung deutete Liszt
auch an durch Vorsetzung des Mottos:
„Grosses auch nur gewollt zu haben, genügt.^
Einen schönen und versöhnenden Abschluss
findet der in Rede stehende Band der
„Annees de Pelerinage**, der in Wahrheit dem
Hörer den Inhalt einer Anzahl von Kapiteln
aus Liszt's Lebensgeschichte mitteilt, mit dem
„Sursum Corda" („Erhebet euere Herzen**)
überschriebenen Tonstück. Auch hier möge
eine, allerdings schon 1862 niedergeschriebene
Rriefstelle des Meisters als Führer dienen.
Denn seine Worte sind der beste Kommentar
für seine Werke. Er schreibt, die beiden
verstorbenen Kinder, Daniel und Blandine,
verblieben ihm als ^ Fürbitter mit dem Zurufe
„Sursum Corda**! „Wenn einst der Tod heran-
naht, soll er mich nicht unvorbereitet oder
zagend treffen. Unser Glauibe hofft und harrt
nach der Erlösung, der ^r uns zuführt So-
lange wir aber auf E;fden sind, müssen wir
unser Tagewerk ve;iTichten. Das meine soll
nicht brach liegen^/ So wenig man auch da-
von halten mag.^ es ist für mich unerlässlich.
Für meine Se^ientränen muss ich mir gleich-
sam Lacrymeatorien anfertigen, für meine
lieben Lebaf^^en Flammen anzünden und
- 38 -
meine lieben Toten in geisteskörperlichen
Urnen aufbewahren. Dahin stellt und deutet
sich die Kunstaufgabe für mich." Wie
nur eine so hohe und reine Seele als die-
jenige Liszt's so gross und edel empfinden
und seine Gemütsstärkung und Nahrung
allein auf dem Boden tiefer und wahrer
Religiosität finden konnte, so wurde auch
ihm, ähnlich wie Goethe, jegliches innere,
seelische Ergebnis zu einem künstlerischen
Gelegenheitsgedichte höherer Art, so suchte
und fand auch er, ein Vorbild für uns alle,
Trost und Stärkung in seinem künstlerischen
Berufe. Indem er alles, was sein Inneres be-
wegte, in dem ihm eigenen Idiom zur Sprache
brachte, schuf er seiner oft bedrückten
Seele Freiheit und erlöste sein Ich von den
Bürden, die so häufig und schwer darauf
lasteten.
^Sind Sie jemals**, fragte Liszt in einem
seiner Reisebriefe Heinrich Heine, „in Venedig
gewesen.^ Sind Sie jemals in dunkler Gondel
über die schlafenden Gewässer des Canalezzo,
an den Ufern des Giudecca dahingeglitten?
Haben Sie das Gewicht des Jahrhunderts bis
zum Erdrücken auf Ihrer Einbildungs-
kraft liegen gefühlt? Haben Sie die
blassen Mondstrahlen fahle Lichter auf die
Kuppel von Sankt Markus werfen sehen?"
— An diese Worte sei der freundliche Leser
erinnert, wenn er die Gondoliera aus
„Venezia e Napoli'*, dem Supplementbande
zum zweiten Bande der „Annies de Pelerina^^e*',
studiert. Das im höchsten Glänze
schimmernder Liszt'scher Klaviermusik auf-
tretende Stück ist eine Paraphrase einer
Canzone des Cavaliere Peruchini „La bion-
dina in gondoletta", eine Komposition von
feiner poetischer Stimmung und lauterstem
Wohlklange, ein Erinnerungsblatt an Liszt's
Aufenthalt in der Lagunenstadt im April und
Mai 1838. Die beiden folgenden Stücke,
Canzone und Tarantella, sind Reflexe des
italienischen Volkslebens, wiewohl der Meisler
seinen lange gehegten Wunsch, nach dem
sonnendurchfluteten Kampanien zu gelangen,
nie zur Ausführung zu bringen vermochte
Die Canzone ist eine, Meister Rossini dar-
gebrachte Huldigung, denn ihre Melodie über
die Dante'schen Worte ,,Nessün maggior
dolore" ist Rossini's Oper „Othello" ent-
nommen. Auch die Tarantella ist auf einer
volkstümlichen Melodie aufgebaut, ein Bravour-
stück von bedeutendster Wirkung, in den
Gegensätzen des Tarantella-Themas und
des lyrischen Zwischensatzes, einer ein-
schmeichelnden neapolitanischen Canzone,
von ganz besonderem Reize. — —
Wir sind zu Ende mit unserer Wanderung
durch einige von Liszt's Lebenskapiteln. Die
vorstehende Arbeit hatte zweierlei im Auge.
Sie wollte die Leser dieses Blattes auf Liszt's
Original werke hinlenken, auf diese wunder-
vollen Tonpoesien, die noch längst nicht die
ihrer würdige Beachtung in weiteren Kreisen
von Lehrern und Schülern, von Künstlern
und Kunstfreunden gefunden haben. Zum
andern war hier der Versuch einer Aus-
legung ihres tondichterischen Inhaltes gemacht
worden von Einem, der von des Meisters un-
endlich hoher Bedeutung für unser ganzes
modernes Kunstleben tief durchdrungen ist.
Sollte aber dem Schreiber dieser Zeilen der
Versuch nicht zu allgemeiner Zufriedenheit
gelungen sein, so findet er in den Worten
eines Liszt congenialen deutschen Dichters,
Göihe, dennoch eine gewisse Beruhigung:
„Die Kunst ist eine Vermittlerin des Unaus-
sprechlichen, darum scheint es eine Torheit,
sie wieder durch das Wort vermitteln zu
wollen. Doch indem wir uns darum bemühen,
findet sich für den Verstand so mancher
Gewinn, der dem ausübenden Vermögen auch
wieder zugute kommt."
^oi)scbFifN|^efopii) (3apellei)f
»eruDena duf dem Prinzip aer EinDeitlicblceit nna Relativität der Selcben,
9hm Jlenderung am Hoteit- und Ciniensysteii.
Vortrag. \
Es sind im Laufe der Zeit ailin|llilicli so viele
Vorschlüge zur Verl>essening unserer Tonschrift
Von (Fortsetzung.)
Ci^eort: Capellen-Osnabrfiek.
hervorgetreten, dass eine offizielle Stellungnahme
dazu dringend nötig ist. Diese muss meines Br-
ach tens davon ausgehen, dass die bisherigt
Tonschrift an Anschaulichkeit, Charakte-
- 3fl -
ristik und Srhönheit nichts zu wünsduMi
übrig lässt, wie ja ihr langer Bestand und ihre
internationale Greltun^ hinlänglich beweist. Ver-
fehlt sind daher von vornherein alle Eeformver-
siiche, w^elche das Noten- und Linienbild antasten,
aeue Schlüssel, neue Tonartvorzeii'lien und Takt-
einteilungen einführen.
Sehr diskutabel ist aber die Fra^e, ob die bis-
lierige Tonschrift bereits das Ideal an Einheit-
lichkeit, Logik und Konsequenz ist. Ist
diese Frage zu verneinen, so muss die Berechtigung
von Keformen, die jenes Ideal zu erreichen suchen,
prinzipiell anerkannt werden. Aussicht auf prak-
tische Durchführung hat aber eine Tonschriftrefonn
um- bei Erfüllung folgender Bedingxingen :
1. Sie muss eine wesentliche Vereinfachung
der bisherigen Schrift sein, ohne deren An-
schaulichkeit und Schönheit einzubüssen.
2. Sie muss alle Verwechselungsmöglichkeiten
mit schon vorhandenen Zeichen meiden imd
darf letzterem keine neue, abweichende Be-
deutung geben.
3. Sie muss eine bequeme Handschrift zulassen,
die zudem mit dem Notendruck im wesent/-
lichen übereinstimmt.
4. Sie darf keine dem Faclunann unannehm-
bare Konzessionen an Laien und Dilettanten
machen.
Prüfen wir nunmehr unsere Tonschrift im
einzelnen, so erscheint vor allem das bisherige
System der zufälligen, d. h. der im Verlauf
eines Musikstückes nötig werdenden Ver-
setzungszeichen als sehi' verbesseningsbedürf tig,
<la es Einheitlichkeit und Konsequenz durchaus
vermissen lässt und den Anforderungen der mo-
dernen Praxis in keiner Weise genügt. Ich glaube
dies in meiner Abhandlung in der Zeitschrift „Die
Musik" (erstes Aprilheft 1904) durch Aufzählung
von 13 IJebelständen unwiderleglich nachgewiesen
zu haben.*) tim die Eigenart des Tonversetzungs-
wesens recht zu würdigen, bedarf es einer kurzen
theoretischen Darlegung der drei prinzipiellen
Möglichkeiten des Verhältnisses der Tonarten zu
C-dur als Normaltonart:
I. Totale Unselbständigkeit der Tonarten.
Das ist mit kurzen Worten die Charakteristik
der üblichen absoluten, d. h. alle Tonarten auf
(.'-dur beziehenden und demgemäss die Tonver-
setzungen handhabenden Methode. Nicht nur für
die wesentlichen, die Tonartvorzeichen, sondern
auch für die zufälligen Versetzungszeichen ist
C-dur als Grundtonart allein massgebend. Bei-
*) Ein längerer Briefwechsel mit Dr. H.
Stephani-Sonderburg gab dem Verfasser die An-
regung zu nicht unerheblichen formalen Ver-
^)es8erungen, die in der vorliegenden Sclirift und
auch bereits in dem Aufsatz des Dr. Stephani
..Einheitlichkeit in unser Notenbild!" (Neue Zeit-
schrift f. Musik, Heft vom 15. Juni 1904) ver-
wertet sind.
spiele ; In E-dur sind tis und gis Haupttfine, deren
Erniedrigungen F und g aber Nebentöne, analog
d und e, des und es in C-dur. Der Notierung und
Benennung nach sind aber F und g in E-dur
wiederhergestellte C-d ur tinie, also keine Neben-
t()ne, sondern Haupttöne. Weiter: In As-dur sind
a und h nach Notiening und Benennung ebenfalls
wiederhergestellte C-durtcme, also Haupttöne,
während sie doch im Bereiche der As-durtonart
Nebentöne, Erhöhungen von Tonleitertönen sind,
analog eis und dis in C-dur. Endlich: In E-dur
wird die Erliöhung der zweiten Stufe nicht durch
ein einfaches Versetzungszeichen (^ vor fis)
kenntlich gemacht, sondern durch ein doppeltes
( X vor F), ebenso in As-dur die Erniedrigung der
zweiten Stufe nicht durch l? vor b, sondern durch
W vor h. Alles Beweise, dass die Tonartvor-
zeichen nur scheinbar wesentliche, in Wirklich-
keit aber zufällige Bestandteile der Töne sind, so-
dass die Heraussetzung der Vf)rzeichen nur die
Bedeutung einer Ersparune: der steten Wieder-
holung vor jeder Note, also einer rein handwerks-
mässigen Erleichterung hat. Dieser Zustand zieht
als letzte Konsequenz die Alleinherrschaft der
0-durtonart und die Aufhebung des Unter-
schiedes zwischen wesentlichen und zufälligen Ver-
setzungszeichen nach sich; denn wie kann man
noch von verschiedenen selbständigen Tonart-en
reden, wenn alle Töne derselben foiixiauemd von
C-dur aus, also absolut bestimmt werden?
Einheitlich und konsequent ist zwar diese
absolute Methode, aber dieser Vorzug wird erkauft
durch die Opferung der Symmetrie der chromatisch-
enharmonischen Tonleitern, wie die Vergleichung
der Skalen-Ausschnitte in Fig. 1 beweist. Die
Markierung der analogen Versetzungen ist hier
nichts v«reniger als übereinstimmend, trotz gleicher
Intervallverhältnisse in allen Tonarten! Wie sehr
dieser Uebelstand das Transponieren erschweren
muss, ist ohne weiteres klar.
IL Totale Selbständigkeit der Tonarten.
Das Ideal der tonalen Schreibweise ist die
alleinige Verwendung von C-dur in dem neuen
Sinne, dass von dort aus alle anderen Tonarten
durch eine mechanische Verschiebung der ganzen
Klaviatur gewonnen werden, sodass man immer in
C-dur spielt und das Transponieren durch das In-
strument selbst besorgen lässt, wie bei dem En-
harmonium von Tanaka imd mittels der Stimm-
bögen bei Hörnern und Trompeten. Durch dieses
mechanische Transponieren würde der Forderung
der musikalischen Logik, dass die Grleicliheit der
Verhältnisse in allen Tonarten auch in der Gleich-
heit der Vorzeichnung imd der zufälligen Ver-
setzungen zum Ausdruck kommen muss, voll ent-
sprochen werden. Jede Tonart würde dann auf
sich selbst bezogen werden und gleichen EAng
neben C-dur behaupten, der Unterschied zwischen
Haupt- und Nebentönen träte in allen Tonarten
- 40 -
deutlich hervor. Leider sind die technischen
Schwierigkeiten eines solchen Mechanismus bisher
nicht überwunden und vieD eicht überhaupt nicht
gänzlich zu überwinden. Aber selbst wenn dies
(Fortsetzung folgt.)
einmal geschehen sollte, so würde doch bei der
Verschiedenheit der Instrumente eine einheitliche
Durcliführung der C-dumotierung nicht niöglich
sein, das Transponierproblem also bestehen bleiben.
= Kritische Rückschau :
über Konzert und Oper.
Von
Dr. Karl dtorck.
Die zweite Hälfte der Saison scheint, im (Gegen-
satz zur ersten, uns ein reicheres Leben in der
Oper zu bringen. So habe ich jetzt über drei
neue Opern zu berichten. Die erste derselben
sollte allerdings noch gewissermassen als Weih-
nachtsgeschenk unserer Bevölkerung dargebracht
werden, die ab6r leider für August Weweler's
vieraktige Märchenoper „Dornröschen" keinen
rechten Geschmack zeigte. Ich sage leider und
befinde mich damit in Widerspruch zur gesamten
Berliner Kritik. Nicht als ob ich ihr gegenüber
eine „Rettung" an diesem Werke versuchen wollte
und nun zu einer Meisterschöpfung zu stempeln
gedächte, was so vielen urteilsfähigen Richtern als
minderwertig erschien. Aber ich glaube doch, dem
Werke ist schwer Unrecht geschehen. Einmal,
weil man ausschliesslich die Schwächen betonte
und nicht das viele Grute, das vor allem der Musiker
in ihm bietet; auf der anderen Seite, weü man
wieder einmal erkannt hat, dass für den Spielplan
gerade einer Volksoper, wie sie doch schliesslich
das Nationaltheater sein will, manches Werk auch
dann sehr wohl sich eignet, wenn es den mehr
theoretisch-kritischen Ansprüchen an die Gattung
„Musikdrama" nicht vollauf genügt. Endlich aber
liess man auch das Werk viel zu selir eine ihm
durchaus nicht gerecht werdende Auffüliining
büssen. Das Nationaltheater, das sonst so eifrig
arbeitet, hat bisher mit seinen zwei Premieren
kein Glück gehabt. Ich halte es für meine Pflicht,
zu sagen, dass ich die Hauptschuld daran dem
ersten Kapellmeister dieses Theaters beimesse.
Herr Bertrand Sänger hat dui'chaus ke in Gef ülü
für eine feinere leichte Musik. Er ist im höchsten
Masse, aber auch im bösesten Sinne Routinier. Ich
glaube, er würde sehr gut den Platz eines vor-
bereitenden Kapellmeisters ausfüllen, nimmer aber
vermag er einem mehr auf lyrischen Stimmimgs-
gehalt, als auf rhj^thmisches Draufgängertum ab-
zielenden Werke zu einer wirklich gerecliten Auf-
führung zu verhelfen. Dann aber lässt man es im
Nationalthtater an der genügenden Zahl von Proben
felilen. Gerade bei der Dornröschenaufführung
merkte man fast den ganzen Abend über die Un-
sicherheit, die ja immer ein zu lautes Gebaren zur
Folge hat. Bei einem Werke, das nun gerade in
etwas stillen Tönen gehalten sein müsste, schadet
das doppelt. So - ist es gekommen, dass dies«*s
durchaus gesunde und bei einigen nicht schwer-
eingreifenden Aenderungen lebensfähige Werk, da«
an mehreren auswärtigen Bühnen eine sehr freudige
Aufnahme gefunden hat, hier nach den üblichen
drei Aufführungen vom Spielplan verschwand.
Die Oper hat, wie von vornherein zugegelx'n
sei, bedenkliche Schwächen, Schwächen, die auf
der Bühne viel greller und scliroffer hervortreten,
als im Klavierauszug (erschienen bei Bote& Bock
in Berlin), den ich allen Freunden einer heiteren,
sinnfälligen Hausmusik warm empfehlen kann.
Die Grundschwäche liegt im Text. Sein Dichter.
Hans Eschelbach, hat sich als Lyriker von ge-
fälligem Formtalent und gesunder Sinnliclikeit
einen guten Namen gemacht. Seiner zur etwas
abgeschwächten Romantik neigenden Natur mochte
eine Bearbeitung des Domröschenmärchens wirklich
entsprechen. Leider felilt ilini auch das letzte
Tröpfchen jenes Theaterblutes, von dem in ganz
besonderem Masse Mephisto's Wort gilt „Blut ist
ein besonderer Saft". Sonst hätte er unmöglich
einerseits auf die vielen humoristischen Wirkungen
verzichten können, die in dem Märchenstoff liegen,
andereraeits dafür die abgebrauchtesten Requisiten
eines Vereinstheaters, als da sind, Kukuksruf und
Storchenbiss, Wassennänner, Zwerge, Elfen und
dergleichen mehr ausgenutzt, um in unglaublicher
Redseligkeit dem Königspaar die Ankunft eine^i
Kindes zu verkünden. Schon in diesem Akte zeigt
sich auf's verhängnisvollste die Redseligkeit des
Textdichters, dessen gewiss ja meistens recht
schöne und klangreiche Worte sich, zumal wenn
man an das Deutsch früherer Opemtexte denkt,
recht gut lesen, einen wohl gar als dichterisch
anmuten mögen, die dagegen dem Komponisten
fast unüberwindliche Schwierigkeiten bieten. Dann
hat Eschelbach zwar auf jede tiefe Symbolik ver- •
ziehtet, arbeitet dafür aber in breitester Allegorie,
die so dekorativ bleibt, dass er nicht einmal den
von üim schön empfundenen Gegensatz von Liebe
und Sorge und von der Bedeutung dieser Sor^
für den Wert der Liebe tiefer aixsfülu-te. Im
letzten Akte endlich spielt dem Dichter die philo-
logische Erinnerung an die Verwandtschaft des
Dornröschenstoffes mit der Siegfriedsage einen
bösen Streich, indem die Szene ein fast unfreiwillig
— 41 —
humoristisches Seifehstück zu Siegfried's Begegnung
mit Woten und zum Flammen ritte im 3. Akt des
WaßTier'schen „Siegfried" zeigt. Noch Schimmer
ist, class auch, hier wieder im letzten Augenblick
der Dichter davor zurückschrickt, das Gelingen des
ITutemehmens von der persönlichen menschlichen
Tüchtigkeit des Prinzen abhängig zu machen und
statt dessen die reichlich abgenutzte Wirkung des
Kreuzes gegenüber bösem Zauber zu Hilfe ruft.
Ich hielt es filr nötig, die Schwächen des, wie
srlioii einmal gesagt, im einzelnen manche dichte-
risi'hen Schönheiten bietenden Textbuches scharf
hervorzuheben, -weil vielfach dieses Textbuch auf
Kosten des Komponisten gelobt wurde und dem
letzteren mehr oder weniger allein die Schuld am
Misslingen des Werkes zugeteilt wurde. Li Wirk-
lichkeit scheint im Gegenteil der Komponist ein
Opfer seines Textes zu sein, dessen dauernde
Wiederholungen von Stimmimgssituationen ihn
ebenfalls zu einer verhängnisvollen Gleichmässigkeit
zwang. So tritt uns Weweler hier fast ausschliess-
lii'h als Stimmungslyriker entgegen. Zum Schaden
seines Werkes, aber doch auch zur Steigerung
unserer Hoffnung, dass wir in ihm einen Künstler
haben, der bei günstigen Vorbedingungen einer
j;eeigneten Textunterlage den rechten Ton für eine
leichte deutsche Spieloper finden kann. Weweler
ist vüllivi^ frei von einer direkten Beeinflussung
Wa^i^ner's. Trotzdem schreibt er keine altmodische
Musik. Er kennt das Orchester von heute und
verzichtet keineswegs auf die Mitwirkung der ge-
steigerten Instrunientationskunst. Noch wichtiger
ist, dass er ein Gefühl hat für die dramatische
Wahrheit der Musik. Denn so sehr er der ge-
sclilossenen Porm zustrebt, so behandelt er diese
doch nirgendwo als für sich stehend, sondern ent-
wickelt sie folgerichtig aus dem dramatischen Zu-
sammenhang. Einzig und allein seine Chorsätze
s<.heinen mir weniger auf die Bedingungen der
Huhne berechnet zu sein, insofern sie in ihrer be-
wegten Stinnnführung unsern Chorsängern so viele
Schwierigkeiten machen, dass diese nicht mehr auf
•las He r\-or bringen dramatischer Wirkungen be-
da(!ht sein können. Was er dagegen im Ensemble-
satz an dramatischer Ausdruckskraft zu leisten ver-
steht, das beweisen die entzückenden Szenen
zwischen Dornröschen und ihren Gespielinnen im
dritten Akt. Im übrigen knüpft Weweler unver-
kennbar an Mozart an, verfällt nur ganz gelegent-
lich in den Stil Lortzing's und fällt damit dann
auch gleich aus seinem eigenen, ilim entsprechenden
Stil. Tn der Melodie hat er unverkennbar eine
«:likkliche Hand. Die Gesangsnielodie klingt fast
immer sinnfällig und doch keineswegs hergebracht,
der Klaviersatz im Klavierauszug klingt ebenfalls
vorzüglich; über die Klang\'erhältnisse des Or-
chesters steht mir nach der hiesigen Aufführung
kein Urteil zu, denn bei der tatsächlich brut-alen
r^rauflosgängerei desselben und den rohen akus-
tischen Verhältnissen des Nationaltheaters konnte
man von jener feineren Stimmführung des Orchesters,
die uns auswärtige Berichte rühmen, nichts unter-
scheiden. Aber das eine glaube ich denn doch
nach diesem Erstlingswerke sagen zu dürfen, dass
wir zu reichen Hoffnungen auf die weitere Ent-
wicklung des Komponisten allen Grund haben.
Dass das Nationaltheater sich durch diesen
Misserfolg nicht von dem schönen Streben, uns mit
für Berlin neuen Werken bekannt zu machen, ab-
halten lässt, verdient warmes Lob. Leider ist auch
der Versuch, „die Zauberglocke" von Saint-
Saens bei uns einzubürgern, misslungen. Zwar
kann auch von dieser Aufführung nicht verschwiegen
werden, dass sie, zimial im Orchester, wiederum
nicht auf wünschenswerter Höhe stand; aber ich
nehme zur Entschuldigung an, dass man bereits
bei den Proben das Gefühl hatte, dass hier ein
Erfolg nicht zu gewinnen sei. Mir ist es über-
haupt unbegreiflich, wie man dieses Werk jetzt
zur Auf fülirung annehmen konnte, nachdem es be-
reits vor einem Menschenalter seine Wirknng ver-
sagt hat, und auch in Frankreich, wo man gerade
in den letzten Jahren so sehr bestrebt ist, die
nationale Musik nach Möglichkeit zur Geltung zn
bringen, für „le timbre d'argent" ein Erfolg nicht
herauszuarbeiten war. Auf deutschen Bülinen war
er umsoweniger zu erwarten, als der Stoff der
Oper eine grosse Aehnlichkeit mit Offenbach's
reizender komischer Oper „Hof fmann's Erzählungen"
hat, leider aber für die Romantik dieser köstlichen
Schöpfung eine sehr unglückliche Lösung dadurch
findet, dass sich zum Schluss alles als ein böser
Traum zeigt. Die Musik von Saint-Saens zeigt
natürlich den erprobten Meister, gehört aber doch
als Ganzes nicht zu den wertvolleren Schöpfungen
des ja so sehr ungleichen Komponisten. Wirklich
wertvoll sind eigentlich nur die Tänze, und es
Hesse sich durch ihre Zusammenstellung unter
Hinzunahme einzelner lyrischer Stücke allenfalls
eine sehr hübsche Konzertsuite gewinnen, wie das
auch aus Bizet-Daudet's „Mädchen von Arles"
(rArlesienne) gelungen ist. Hoffentlich lässt sich
das Nationaltheater auch durch diesen zweiten
Misserfolg nicht entmutigen. Es ist ja ganz klar,
dass eine zweite Oper sich auf das Experimentieren
verlegen muss, um dem sonst allzu eintönigen oder
zu bekannten Spielplan neue Anziehungskraft zu
verleihen. Wenn ich mir einen Hat erlauben
dürfte, so wäre es der, doch Goldmark's „Götz
von Berlichingen", der uns auch im Theater am
Weinbergsweg in Aussicht steht, nicht aufzuführen.
Der Erfolg, den diese«?, die ganze Altersschwäche
des Komponisten verratende Werk, das überdies
im Text eine ganz bösartige Bearbeitung der
Goethe'schen Dichtung ist, bei der Uraufführung
in Prankfurt gefunden hat, war von jener Art, die
für jeden Theaterkenner nur eine durch günstige
äusserliche Verhältnisse herbeigefülu'te Verhüllung
einer Niederlage ist. Dabei macht die Oper grofise
Arbeit und venirsacht bei würdiger Ausstattung
— 42 —
"beträchtliche Kosten. Beides lässt sich viel l)esser
verwenden. Leo Fall's „Irrlicht" wäre eine viel
günstigere Erwerbung, und in noch nachdrück-
licherer Weise möchte ich die Direktion auf ein
Werk aufmerksam machen, das ich im Manuskript
kennen gelernt habe, nämlich „die Nazarener** von
Viktor Hans mann. Ich halte es für meine
Priiclit, hiei- «iffentiich auf ein noch nicht ver-
öffentlichtes Werk hinzuweisen, das ich zufäl li;j
kennen und schätzen lernte: denn Angebot und
Annahme von Opernmanuskripten sind und bleiben
ein Lotteriespiel. Wenn man da eiji klein bischen
mehr ,.corriger la fortune" spielen könnte, so wa«.^
das ein Verdienst.
Mitteilungen
von Hoohsohulen nnd Konser vatorien
Das Krefelder Konservatorium der Musik,
Direktoren Herren Müller-Beuter und Carl
Pieper, hat seinen Bericht über das 8. Unter-
richtsjahr veröffentlicht. Es wurden in demselben
415 Schüler und Schülerinnen unterrichtet, denen
ein Lehrkörper von 82 Herren und Damen gegen-
überstand. Seit Herbst 1904 ist dem Konservatorium
eine „Opera schule" angegliedert, die die Aus-
bildung von Elementarbegriffen der G-esangskunst
bis zur vollständigen Bühnenreife bezweckt. Es
fanden 5 öffentliche Prüfurgsaufführangen für die
Schüler der Anstalt statt, auf Grund derselben
wnrden 4 Preise, 2 an Klavierschüler, je einen für
Violine und Violoncello, in Noten bestehend,
verteilt. Ausser diesen Prüfungskonzerten fanden
19 Vortrags- Abende und 5 Kammermusik-Konzerte
statt. Das Konservatorium gewährte 5 ganze und
21 halbe Freistellen beanlagten Schülern, welche
die Musik zum Lebenslauf erwählt haben.
Die Hochschule für Musik in Mannheim,
Direktor Wilhelm Bopp, wurde im Unterrichts-
jahre 1903/4 von 410 Studierenden und Schülern
besucht, die von 40 Lehrern unterrichtet wurden
Der Lehrplan umfasste 81 Fächer. Als neue Lehr-
kräfte wurden gewonnen: Frl. Amalie Inghoff
aus Baden-Baden, Herr Albert Hieber aus
Freiburg und Herr Karl Julier für Q^sanglehre,
Herr Pianist Fritz Häckel und Herr Musik-
direktor Fritz Vögely für Klavierspiel und
Theorie, Herr Musikdirektor Arthur Berg für
Theorie, Herr K. C. Bühler als Solorepetitor. Die
Hochschule für Musik veranstaltete 8 üeb angs-
auf führungen, 17 Vortragsabende, 3 Prüfungs-
abende, 6 Prüf nngsauf führungen ; unter letzteren
1 Schauspiel auf führung und 1 vollständige Opem-
auf ftihrung (Figaros Hochzeit von Mozart). 9 öffent-
liche Vorträge wurden von 4 Vortragenden erstattet
über Literatur- und Kunst-Geschichte, über
Händel, Bach, Berlioz, Wagner sowie über
verschiedene masikwissenschaftliche Fragen.
Die Begründung eines Musikhistorischon
Seminars, das den Studierenden der Musik-
wissenschaft selbständiges Arbeiten und Unter-
sachen ermöglichen soll, ist an der Universität
Berlin in Aussicht genommen. Zur Bestreitung
der sächlichen Ausgaben desselben sind im neuen
Etat jährlich 800 Mk vorgesehen, zur Beschaffung
von Unterrichtsmitteln bedarf es der Aufwendang
eines einmaligen Betrages von 4000 Mk. — Seit
11K)1 stellt bekanntlich der preussische Staat jährlich
80(XX)Mk. zu den Kosten der Veröffentlichung'
der bedeutendsten Werke der deutschen Ton-
kunst vom 15. bis 18. Jahrhundert zur Ver-
fügung; auch für das kommende Jahr ist eine
gleiche Summe zn dem Zwecke in den Etat ein-
gestellt.
An Stelle des infolge Krankheit beurlaubten
Prof. Hertel hat der hier lebende bekannte Kom-
ponist und Theorielehrer Paul Jnon den Unter-
richt in der Harmonielehre und dem Kontrapunkt
ander Kgl. Hochschule für Musik übernommen
MuslkpSdagogischer Verband.
Der Vorstand beschäftigte sich in seinen letzten
Sitzungen, neben anderen geschäftlichen Angelegen-
heiten, mit Beratungen über den inneren Ausbau
der Musiklehrerseminare, mit Festsetzung der
obligatorischen Fächer, der Stundenzahl für die-
selben und ihres systematischen Lehrganges, d. h.
der Verteilung des Lehrstoffes auf die für die
Ausbildung in Aussicht genommene Studienzeit.
An der Hand eines vorliegenden Entwurfes, der
für die Hauptfächer die Jahrespensen bereits
detailliert hatte, konnten die Beratungen zu einem
vorläufigen Resultat geführt werden, das jetzt
zunächst in einem Auszage dem auswärtigen
künstlerischen Vorstande zur Begutachtung vorliegt.
— DiB Einteilung ist in grossen Zügen folgender-
massen gedacht : 1. Praktisches Hauptfach (Klavier,
Gresang, Violine pp ), wöchentlich 2 Unterrichts-
stunden, 2 Theorie, Harmonielehre, Kontrapnnkt.
1 Wochenst., 8. Formenlehre, 1 St., 4. Musik-
geschichte, 1 St., 5. Pädagogik und Methodik, l
bis 2 St., 6. Gehörbildung und Musikdiktat, 1 Si ,
7. Ensemblespiel, 1 St., 8. Chorgesang, 1 St.
Diesen auf die draijährige Studienzeit bereih-
neten Fächern würde sich noch im 2. Jahr ein
43 -
halbjähriger Knrsus in Akustik und im 8. Jahr
ein einjähriger in Aeethetik einfügen
Das geforderte Pensum lägst sich, je nach der
Be^^abung des Studierenden, mit Einschluss der
Unterrichtsstunden, in einer täglichen B bis 8-
st findigen Arbeitszeit bequem absolvieren. Zwei
bis drei Stunden tägliches Ueben sind für das
praktische Fach in Aussicht zu nehmen, 2 bis H-
stündiges Arbeiten für die wissenschaftlichen
Fächer; ihnen würden sich noch mehrere Wochen-
st linden Hospitieren in den verschiedenen Lehr-
stunden anreihen.
Der Stundenplan eines Seminarschülers würde
demgemäss für das 1. Studienjahr ungefähr
folgendermassen aussehen:
sich selbst seine Tageszeit für die verschiedenen
Arbeiten einzuteilen hat Auch werden die
natürlichen Veranlagungen der Seminaristen eine
Verschiebung der für die einzelnen Fächer ange-
nommenen Arbeitszeiten zar Notwendigkeit machen.
Es wäre nun erwünscht, wenn dem Vorstande
aus Berufskreisen, besonders von den Konser-
servatoriensleitern. Urteile über den vorstehenden
Plan eingesendet würden, etwaige Wünsche aus-
gesprochen, Ergänzungen hinzDgefügt — wir
stehen am Beginn einer Neueinrichtung, einer
Umgestaltung des Bestehenden,, das seine Un-
zulänglichkeit durch die herrschenden Missstände
erwiesen —, da ist jeder ans der Erfahrung ge-
schöpfte Beitrag willkommen zu heissen.
1. Seminarjahr.
Montag
Dienstag
Mittwoch Donnerstag
Freitag
Sonnabend
2 Stunden
praktisches
Ueben
Theorie,
Harmonielehre
Pädagogik
Arbeit
Yormittag ^stttndige Arbeltsielt.
2 Stunden
praktisches
Ueben
Theorie,
Formenlehre
2 Stunden
liraktisches
Ueben
UBterrickt
in
Hauptfach
2 Stunden ' 2 Stunden
praktisches praktisches
1 Ueben Ueben
Metbodlk. ""*«""«
1 ""••''»'^"' H.»'p«.cU
,, .^. Theorie
Hospitieren » ^ ..l
^ Arbeit
1
2 Stunden
praktisches
Ueben
Mnsiiidiktat.
Gehörbildung
Arbeit für
Musik-
geschichte
Arbeit
für
Musikdiktat
Hospitieren
Theorie
Arbeit
Arbeit
für
Musikdiktat
Arbeit
für
Formenlelire
Praktisches
Ueben oder
Wissenschaft!.
Arbeiten
Nachmittag 2-49tfindige Arbeitfize
Arbelt für Arbeit
Musik- für
geschichte Formenlehre
_i '__ __ _^
Ensemblespiel Musikgeschichte
Praktisches Praktisches
Ueben oder Ueben oder
, Wissenschaf tl. wissenschaftl.
Arbeiten Arbeiten
it.
Pädagogik
Arbeit
Methodik
Arbeit
Methodik
Arbeit
Hospitieren
Cborgesang
Praktisches
Ueben oder
wissenschaftl.
Arbeiten
Praktisches
Ueben oder
wissenschaftl.
Arbeiten
Praktisches
Ueben oder
wissenschaftl.
Arbeiten
Die fettgedruckten Fächer bezeichnen die Unterrichtsstunden,
die übrigen die häuslichen Arbeitsstunden.
Der vorstehende Entwurf verfolgt selbst-
verständlich nur den Zweck, eine planmässige
Arbeitseinteilung anzudeuten ; es muss jedem Eon-
servatoriumsleiter überlassen bleiben, den Stunden-
plan für sein Seminar, der Zeit und dem Raum
angepasst, aufzustellen, ebenso wie jeder Studierende
Ueber die Arbeiten der Schulgesangs-
Kommission, die bereits tüchtig gefördert sind.
folgt ein ausführlicher Bericht in der nächsten
Nummer. y *
1. A.:
Xaver Schmioenka,
I. Vorsitzender.
Vermischte Nachrichten.
Kapellmeister C. Kassier in Lübeck, der am
1 Januar das 25jäbrige Jubilänm als Dirigent der
dortigen „Liedertafel^^ feiern konnte, ist in An-
erkennung seiner Verdienste um die Musikpflege
— 44 —
and speziell um das Männergesangwesen in Lübeck
vom Senate der Stadt Kum „Professor* ernannt
worden.
Der Prinzregent von Bayern verlieh dem
Professor Hermann Bitter an der Königl.
Masikschule in Würzbarg die goldene Medaille
für Konst and Wissenschaft.
Der Kheinisch - Westfälische Orga-
nistenverband liielt seine Jahresversammlang
Ende Dezember in Bielefeld ab. Der noch jonge
Verband, dessen Vorsitzender Organist Gustav
Beckmann-Essen ist, zählt schon über 200 Mit-
glieder, seine Tendenz ist „Weckang des Interesses
für Kirchenmusik', speziell Orgelmusik in Stadt
und Land. In der öffentlichen Versammlang
sprach Hr. Beckmann über das Thema „Der
Organist im Hauptamt', Hr. Superintendent
Elingemann-Essen über „Der evangelische
Gottesdienst als Dienst und Werk der Gemeinde*.
Einen Vortrag über den .Orgelton" hielt Hr.
Kektor August Grosse aus Weischede-
B och um auf der General- Versammlung des Ver-
bandes. Ln Anschluss an den Verbandstag fand
in der Neustädter Kirche eine geistliche Musik-
aufführung statt, auf deren Programm nur Werke
von J. S. Bach und Max Beger standen. Von
ersterem kamen Präludium und Fuge in a-moll
und G-dur, Adagio und Sarabande für Violine und
Orgel, Air aus der D-dur Suite, und eine „Sinfonia"
aus der Kantate „Ich hatte viel Bekümmernis''
für Streichquartett, Oboe und Orgel zu Gehör.
Ausserdem 3 geistliche Lieder für Mezzo-Sopran.
Von Eeger kamen zur Aufführung: Toccata op.
65 für Orgel, 2 Choralvorspiele, die grandiose
„Symphonische Fantasie und Fuge op. B7 für Orgel
und das geistliche Lied „Wenn in bangen trüben
Stunden". Mitvrirkende waren die Herren Gustav
Beckmann, Wilhelm Kipp und Friede-
mann Meyer und die Konzertsängerin Frau
J. V. Fossard- Bückeburg. Ausserdem das
Ravensberger Streich-Quartett und Hr. Lausch-
mann-Bückeburg (Oboe).
Jos6 Vianna da Motta, der geschätzte Mit-
arbeiter des „Kl.-L.", ist am 6. Januar zu einer
mehrmonatlichen Konzerttournee nach Amerika
abgereist.
Eugen d'Albert hat sich mit seiner Gattin
nach Amerika eingeschifft. Das Künstlerpaar
wird in den Vereinigten Staaten und Mexiko
in einer Beihe von Konzerten auftreten.
Die „Neue Bachgesellschaft hat, wie aus
Eisenach berichtet wird, das Geburtshaus
Joh. S eb. Bach's in Eisenach für 26000 Mk.
angekauft. Die Absicht, das betreffende Haus zu
erwerben, um es für alle Zeiten zu erhalten und
ein „Bach-Museum" darin zu errichten, bestand
seit langem, und es ist erfreulich, dass sie nun zar
Tatsache geworden ist.
Hervorragende Berliner Künstler und
Kunstfreunde sind zu einem Komitee zusammen-
getreten, um zum Gedächtnis des Geigenmeisters
Heinrich de Ahna's zur Gründung einer
„Heinrich de Ahna- Stiftung '^ anzuregen, deren
Zinsen zu wohltätigen Zwecken verwandt -werden
sollen.
Die Einladung des Komitees lautet:
„Prof. Heinrich de Ahna hat während 30 Jahren
im Mittelpunkt des Berliner Musiklebens gestanden
und durch sein unvergleichliches Violinspiel
Tausende erfreut. Er war als Solist wie als Inter-
pret der Kammermusik gleich hervorragend.
An unserem Hofe erfreute er sich sowohl aU
Künstler, wie als Mensch einer ganz besonderen
Beliebtheit, und zu seinen zahlreichen Schülern
zählt auch Se. Kgl. Hoheit der Kronprinz.
Es dürfte kaum in Berlin ein durch Wohltatig-
keits-Veranstaltungen entstandenes gemeinnützlg^es
Unternehmen geben, zu welchem de Ahna mit
seiner Kunst nicht helfend beigesteuert hätte.
Darum hoffen wir auch, dass es nur diesem
Kufes bedarf, um zu einem freudig gewährten
Beitrag zu der geplanten Stiftung zu veranlassen,
und bitten wir, die Spenden einem der unterzeich-
neten Komiteemitglieder gütigst zu übersenden.
Die Namen der Geber werden in eine der Witwe
zu überreichende Adresse eingetragen werden.**
Prof. Wal de mar Meyer ist Schriftführer
des Komitees, demselben gehören an: E^oellenz
Becher, Greneralleutn. z. D., Prof. Heinrich Barth,
Baron G. de Crano, Porträtmaler Fedor Encke,
Amtsgericlitsrat Dr. Felix Friedmann, Pastor Richard
Hassencamp, Dr. med. Paul Heubach, Excellenz
Bolko Graf von Hochberg, Prof. Gustav Holländer,
Excellenz von Hülsen, Prof. Dr. Joseph Joachim,
H. Kretzschmar, August Meisemann, Gebeimer
Kommerzienrat Ernst von Mendelssohn-Bartholdy,
Prof. Paul Meyerheim, Prof. Waldemar Meyer,
Geheimer Ober-Reg.-Rat Miessner, Prof. Arthur
Nikisch, Prof. Siegfried Ochs, Prof. Xaver Schar-
wenka,Prof. Oskar Schubert, Hauptmann Schweder,
Baron Wilhelm v. Stransky-Greiffenfels, Geheimer
Baurat Prof. Fritz Wolff.
Professor Hans Schmitt, der berühmtfc
Musikpädagoge, feierte am 14. Januar in seinem
Heim in Wien seinen 70. Geburtstag. Haus
Schmitt, zu Koken in Böhmen geboren, studierte
am Prager Konservatorium die Oboe, hatte
Stellung an der Bukarester Bühne und dem Wiener
Burgtheater, wurde aber durch ein Halsleiden ge-
zwungen, sein Instrument zu verlassen, studierte
von 1859 ab Klavier und Komposition am
Wiener Konservatorium und erhielt schon 1862
an demselben eine Anstellung als Lehrer. Bis zimi
Jahre 1900 hat er dort segensvoll gewirkt und
eine grosse Anzahl ausgezeichneter, grundlegender
Studienwerke geschaffen. In den letzten Jahres
wirkte Prof. Schmitt als Lehrer des Gesanges am
Mozarteum in Salzburg, ist aber jetzt wieder
nach Wien zurückgekehrt. Zahlreiche Ehrungen
wurden ihm zu seinem 70. Geburtstage dargebracht
— 45 —
Eine Deputation des Konservatoriums unter Führung
Direktor von Perger ^s, bestehend aas den Herren
Professoren Epstein, Bauch, Scheiner und
Zottmann, ferner Musikverleger Herzmansky,
Dr. Schiff, die Damen Schnabel - Stand-
h artner, Miksch-Exner, Mautner u.a., erschien
am Mittag in seiner Wohnung, um ihm ihre
Glückwünsche darzubringen. Direktor v. Ferger
hielt an den Jubilar eine schwungvolle Ansprache,
in der er einen fiückblick auf die langjährige ver-
dienstvolle Tätigkeit auf musikalischem und speziell
auf musikalisch-pädagogischem Gebiete warf, und
beglückwünschte ihn sodann im eigenen wie im
Namen des ans zahlreichen Freunden, Kollegen
und ehemaligen Schülern des Jubilars zusammen-
gesetzten Komitees aufs herzlichste. Herr
Dr. Schiff verlas hierauf die ihm gewidmete
kunstvoll ausgestattete, in den wärmsten Aus-
drücken abgefasste Glückwunsch adresse. Ausserdem
kam eine Fülle von Geschenken, Blumengrüssen
und Kränzen. Die „Gesellschaft der Musikfreunde"
in Wien beglückwünschte Professor Schmitt in
einem vom Vizepräsidenten Herrn Regenhart
von Zapory und dem Generalsekretär .Regierungs-
rat Ludwig Koch unterzeichneten längeren
Schreiben.
Theodor Thomas, der hervorragendste
deutschamerikanische Dirigent, ist am 4. Januar in
Chicago gestorben, kurz nachdem er sein
Lebenswerk durch die Vollendung der neuen
prachtvollen Musikhalle in Chicago und die Sicher-
stellung seines Orchesters durch eine beinah eine
Million betragende Spende des amerikanischen
Volkes gekrönt sah. Thomas ist im Jahre 1835
zu Esens in Ostfriesland geboren, kam aber
schon in jungen Jahren nach Amerika und
giündete dort, nachdem er in den besten Orchestern
als erster Geiger gewirkt, im Jahre 1864 das
„Thomas-Orchester", durch welches er seinen
Namen der ganzen musikalischen Welt bekannt
machte. Im Jahre 1872 wurde er Leiter der
„Cincinnati-May-Festivals", von 1878-1880 war er
daneben Direktor der „Musikschule in Cincinnati^S
leitete die Konzerte des „New-Yorker und
Brooklyner Philharmonischen Orchester", dirigierte
von 1885 bis 1887 die „grosse Oper in New- York"
und liess sich endlich 1891 in Chicago nieder.
Sein Herzenswunsch, seinem Orchester ein Heim
und eine gesicherte Existenz zu schaffen, hat sich
noch erfüllt, nicht aber sein Wunsch, „unter den
neuen Verhältnissen noch ein paar Jahr tätig sein
zu können". Das Andenken jedoch, das er sich
als ein unermüdlicher Pionier der deutschen Kunst
im Fremdlande erworben, ist ein bleibendes, un-
auslöschliches.
Bücher und Musikalien.
Tortragsstfleke ffir die Jagend.
B. KreBtaliii, op. 9 „Die ersten Blüten",
op. 15 „Bunte Bilder".
H. B« EraatBlia, Berlin.
Beide Werke enthalten Je 4 Stückchen und
zwar treffen wir in op. 9 auf die leichtesten
Vortragsstückchen für Anfönger, beide Hände im
Violinschlüssel gesetzt. Die kleinen Satze: „Marsch
ins Freie", „Im frischen Grün", Tänzchen" und
, Kinderspiel* bauen sich auf den natürlichsten
Harmonien auf, 'sind schlicht, heiter, aber immer
melodiös erfunden und bieten eine erfrischende
Unterbrechung im strengen Studiengang der
Schule. Die „Bunten Bilder", op. 15 „Kinder-
Polonaise", „Hasche-Mann", „Tanz der Zwerge",
„Erntefest", sind ein wenig schwerer, aber immer
noch für die Unterstufe zu benutzen; auch in
ihnen ist der kindliche Standpunkt durch Ver-
wendung einfacher Harmonien, leichtf asslicher,
sangbarer Melodien zum Ausdruck gekommen,
sodass sie sich trefflich eignen, bei der Jugend die
Lost am Studium wach zu halten.
Wtldemar Hopf, op. 14 Zwei melodiöse Kinderstücke.
H. B. KromtillB, Berlin.
„Tumerlied** und „Puppentanz" sind die Titel
dieser beiden Stückchen, die sich in der Schwierigkeit
dem oben besprochenen op 9 von Krentzlin an-
reihen. Es sind einfache, hübsch klingende, im
Auffassungsvermögen und Empfinden des kleinen
Anfängers geschriebene Stückchen, die gut in
den Unten ichtsplan der Unterstufe einzuschieben
sind.
Edmund Parlow, op. 76. „Bunte Eeihe'^ 6 leichte
Vortragsstücke für die Jugend.
Fr. Klitaer, Leipilf.
In diesen 6 Yortragsstückchen empfangen wir
ein sehr empfehlenswertes Material für den Jagend-
Unterricht. Verbunden mit fliessendem Tonsatz
baut der Autor auf originell erfundenen, frischen,
rhythmisch lebendigen Motiven seine kleinen Ton-
stückchen auf, meist heiteren Inhalts, wie das
„Singvögelchen", mit seinem lockenden Motiv,
„Schelmerei" und „Lustiges Spiel**, in welchem ein
lastiges Triolenmotiv durch Ober- und ünter-
stimmen neckend flattert. Die gewandte Durch-
arbeitung der Motive, die immer natürlich und
fliessend ist, die Verwendung einfacher, aber stets
wohlklingender Harmonien, sind ein besonderer
Vorzug der Par low 'sehen Stücke, die sie wertvoll
und trefflich geeignet für den Jugendunterricht
machen.
— 4B —
Carl Heinrich DcJ^rin?, op. 256. „Lenzknospen".
J. Sehnberth k Co.» I.olpily.
Der Autor bat. es in seinen vielen, bekannten
und weitverbreiteten Werken stets verstanden, den
Ton der Jagend zq treffen und zur Jagend zu
sprfcben, die kindliche Pantasie anzuregen und
seinen kleinen Stimmungsbildern einen charak-
teristischen Inhalt zu geben. Wir linden alle
diese für die Jugendliteratur so schätzenswerten
Eigenschaften auch in diesen 5 „Frühlingsstücken*'
wieder, in denen die heitere I^ust der sorglosen
Kindheit geschildert ist, wenn nach dem Winter-
schlaf der Natur der Frühling mit seinem Sonnen-
schein und Blütenduft die frohe Schar in Wald
und Wiese lockt. Döriug's Schreibweise ist
bekannt, er verfügt über einen unversiegbaren
vSchatz melodiöser Motive, die er geschickt zu form-
schönen Tonstückchen auszugestalten weiss. Auch
die „Lenzkuospen" weisen diese Vorzüge auf nnd
dürfen warm empfohlen werden.
GastaT LazarnSy op H^> „Fantasiestücke*^ 2 Hefte.
Chr. Fr. Vleweir, GrosM-Llehlerfelde.
Diese „Fantasiestücke'' gehören gleichfalls noch
zur Jugendliteratur und finden ihren Platz auf den
Pulten musikalischer Schüler der Mittelstufen. Es
sind kleine sinnige Sätzcheu: „Elfen im Mond-
schein** mit feinem zierlichen Stakkato-Motiv, ela
^.Kleines Scherzo^' im Schubert'schen Stil, ein sehr
sinniges , .Schlummerlied**, ferner noch „Walzer".
„Serenade'^, „Kleine Ballade*' und „Humoreske*',
letztere pikant und flott mit hübschem Mittelsatz
in Dur. Das ganze Werk eine empfehlenswerte
Bereicherung unserer Jugendliteratur.
Anna Morsch.
Vereine.
Mugik-Sektloii
des Allg. Deatschen Letarcrinnen-Yereins. 15. März an die Unterzeichnete einzusenden. Der
Wir teilen unseren Mitgliedern mit, dass die Wortlaut der Tagesordnung erfolgt zum satzungs-
General-Versammlung der Musik-Sektion zu gemässen Termin. TA*
Pfingsten d. J. in Bremen stattfindet Anträge o i- tt ? i
j 1 j An ^ ,j u. -i. i. Sophie Eenkel,
dazu sind von den (iruppenvorstanden bis spätestens j Vorsitzende
Briefkasten.
Auf viele Anfragen. Die Vortrage und
Referate des II. Musikpäd. Kongresses sind er-
schienen und gegen Einsendung von Mk. 1,35,
Ausland 1,60, von der Greschäftsstelle des Musik-
pädagogischen Verbandes, W. 50, zu beziehen. Die
Anzeige stand bereits in No. 2.
_ Dieser Auflage liegen die Prospekte von: C. F. Kahnt Machfi., Leipzig: ^Rudolf
M. Breithaupt, Die natürliche K lavier te chnik'' , und Ernst Euhnburg, Leipzig: „Kleine
Partitur-Ausgahen*^ bei, auf die ivir unsere Leser besonders aufmerksam machen. D. E.
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Gegr. 1895. Direktion: L Beyer. Gegr. 18%.
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Gnf K5Bl^dorff, Bzoelleni Oeneralin tob Coloab,
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Berlin W*. Paasaoerstrasse 22".
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Döbeln- Dresden) von Juni bii einschL September
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op. 7. Quartett (A-dur) für zwei Violinen, Viola und Violonoell.
Partitur 8^ netto M. 2.— Stimmen „ 8.—
Dasselbe für Klavier zu vier Händen bearb. von «/. Brandts-Bu/s . . . „ 8. —
op. 10. Serenade für Viotine, Viola und Violonoell.
Partitur 8® netto M. 2.— Stimmen , 8.—
Dieselbe für Klavier zu vier Händen bearb, von J. Brandts-Bu/s . . „ 8.—
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und Violonoell, Partitur 8® netto M. 2.~ ... Stimmen „ 8.—
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Für die Redaktion Terantwortlich: Anna Morsch, Berlin W^, Ansbacherstr. 87.
Expeditton nnd Terlag ^er marler-Lehrei^, M. Wolf f , Berlin W., Ansbacheratrasse 87.
Druck: J. S. Preuss, Berlin S.W., Kommandantenstr. 14.
Der Rlatfier-Iiehrer.
Musik-pädagogische Zeitschrift für alle Qebiete der Tonkunst
Organ der Deutschen Musiklehrer-Vereine,
der Musik-Sektion des R. D. L-V. und der Tonkünstler-Vereine
zu Köln, Dresden, Hamburg, Leipzig und Stuttgart.
Begründet 1878 von Professor Emil Breslaur.
Redaktion: Anna Morsch
Berlin W.,
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acyeniicnommcn.
No. 4.
Berlin, 15. Februar 1905.
XXVIII. Jahrgang.
Inlinlt: Eugen Schmitz: Hugo Wolfs ^.Penthesilea". Georg Capellen-OsnabrOck: Tonschrift-Rerorm Capellen. (Fortsetzung.)
Dr. Karl Storck: Kritische Kückschau über Konzert und Oper. Mitteilungen von Hochschulen und Konservatorien. Ver>
atischte Nachrichten. Bücher und Musikalien, besprochen von Eugen Segnitz und Anna Morsch. Musikpidagogischer Verband.
Anzeigen.
Eine hermeneutische Studie
liOfl^en Slehmitz.
Das grosse Interesse, welches m^n in den
letzten Jahfen dem genialen Liederkomponisten
Hugo Wolf entgegenbrachte, hatte naturgemäss
die F'olge, dass nun auch die anderen Ton-
schöpfungen dieses Meisters der unverdienten
Missachtung, der ja vor nicht allzu langer
Zeit auch die Lieder noch verfallen waren,
entrissen und zum tönenden Leben erweckt
wurden. So hat Wolfs bedeutendstes Instru-
mentalwerk, die sinfonische Dichtung „Penthe-
silea", im Laufe der vorigen Konzertsaison
zahlreiche Aufführungen erlebt und überall
lebhaftes Interesse hervorgerufen; die Urteile
über das Werk freilich fielen recht zwiespältig
aus. Während die „Wolfianer** — man darf
heute bereits von solchen sprechen — in be-
geisterten Hymnen das Lob der „genialen
Schöpfung" sangen, wollten skeptischere Be-
urteiler in der „Penthesilea** einen zwar von
Genie zeugenden, im grossen und ganzen aber
doch misslungenen Versuch auf einem dem
Komponisten ferner liegenden Gebiet erkennen.
Die Wahrheit dürfte, wie in so manchen Fällen,
auch hier in der Mitte liefen; um jedoch ein
selbständiges und möglichst richtiges Urteil
über das Werk zu gewinnen, muss man es
einer gründlichen musikalisch-technischen und
ästhetischen Prüfung unterziehen ; dies soll nun
im folgenden unsere interessante Aufgabe sein.
Die „Penthesilea** ist Programmmusik;
Wolf lehnt sich in seiner sinfonischen Dich-
tung an das bekannte gleichnamige Drama
von Heinrich von Kleist an. Kleist war
Wolfs Lieblingsdichter und zahlreiche Anek-
doten kursieren darüber, auf welch seltsame
Weise der Komponist oft diese seine Neigung
betätigte. Dass im übrigen der Penthesilea-
stüff ungemein passend als Grundidee einer
sinfonischen Dichtung war, konnte dem an
dem Vorbilde Liszt's geschulten Künstler
ebenfalls nicht entgehen. So machte er sich
mit voller jugendlicher Begeisterung ans Werk
und in den Sommermonaten des Jahres 1888
wurde die Partitur im grossen und ganzen
fertiggestellt; mit Ausarbeitungen der Details
war Wolf allerdings noch längere Zeit be-
schäftigt, und wohl erst im Herbst 1884 kam
die Tondichtung zum definitiven Abschluss.
Wolf, der damals als Musikkritiker in Wien
lebte, bemühte sich nun verschiedene Male
vergebens, eine Aufführung der „Penthesilea"
durchzusetzen; weder auswärts, noch in Wien
— 54 -
wollte es damit glücken. Nur zu einer ver-
unglückten Probe bei den Wiener Philharmo-
nikern kam es; sonst hat der Meister sein
Werk nie gehört. Doch beschäftigte er sich
noch in seinen letzten Jahren mit diesem
seinem Schmerzenskind. Im Herbst 1897, als
der unglückliche Komponist bereits in der
Nervenheilanstalt sich befand, hat er noch
einen langsamen Zwischensatz in den Schluss-
teil seines Werkes hineinko t poniert; später
hat er jedoch dieses Einschiebsel wieder ver-
nichtet. Nach dem Tode Wolfs hat der
Wiener „Hugo Wolfverein" die im Nachlass
vorgefundene Partitur, nachdem sie einer,
namentlich bezüglich der Instrumentation not-
wendigen Ueberarbeitung von Hellmes-
berger unterzogen worden war, veröfTent-
licht. --
Das Programm zu seiner Tonschöpfung
hat Wolf also dem bekannten Trauerspiel
»Penthesilea" von H. v. Kleist entnommen;
sein Anschluss an diese Dichtung ist jedoch
ein sehr freier; um zur Wiedergabe durch ein
sinfonisches Werk tauglich zu sein, musste
die Idee des Penthesilea-Stoffes erheblich ver-
einfacht werden. Bei Kleist ziehen die Ama-
zonen unter ihrer Königin Penthesilea den
Trojanern wider die Griechen zur Hilfe. Die
gefangenen P'einde werden nach Themiscyra
zur Vermählung am Rosenfeste gebracht.
Penthesilea sehnt sich, den herrlichen Helden
Achilles zu gewinnen. Sie unterliegt ihm
zwar im Kampfe, aber man verheimlicht ihr
dies. Als sie schliesslich doch die Täuschung
erfährt, und nun Achilles, der ebenfalls in
Liebe zu ihr entbrannt ist, sie abermals zum
Kampfe herausfordert, fest entschlossen, sich
diesmal von ihr besiegen zu lassen, da sieht
sie voll Verblendung in dieser Herausforderung
nur Spott und Hohn, ihre heisse Liebe ver-
wandelt sich in wahnwitzige Rachsucht und
sie tötet den unvorsichtigen Helden im Zwei-
kampf und zerfleischt seinen Leichnam.
Wieder zur Besinnung gelangt, sieht sie das
ganze Schreckliche ihrer Untat ein und stirbt
nun aus Gram und Reue an dem Grabe des
Geliebten, mit dem Tode ihre Schuld sühnend.
Wolf hat sich im Wesentlichen darauf
beschränkt, das Gemütsleben Penthesileas in
Tönen wiederzugeben; nur im ersten Teil
seiner sinfonischen Dichtung geht er etwas
genauer auf das Kleist'sche Drama ein, indem
er es unternimmt, hier den „Aufbruch der
Amazonen nach Troja" vorzuführen. Mit
einem stürmischen Synkopenmotiv, begleitet
von rollenden Sechzehntelläufen der Bässe be-
ginnt der Satz:
man sieht förmlich die mutigen Schlachten-
jungfrauen ihre Rosse tummeln. Nach einigen
Takten Steigerung verlangsamt sich die Be-
wegung; Trompetenfanfaren ertönen, die
Hörner blasen zum „Sammeln**, ein fein
realistisches Bild, dessen Wirkung durch den
mannigfachen Wechsel der Tonarten, in
welchen die Fanfaren gehalten sind, noch
gesteigert wird (edur, es dur, fdur, hdur,
c dur); ein markanter punktierter Rhythmus
setzt ein, die Itttel Bewegung der Bässe ver-
dichtet sich zu regelmässigen straffen Triolen;
dann abermals ein Ruhepunkt: einige Takte
leise Paukenrhythmen; hierauf beginnt der
eigentliche „Aufbruch". Dieser Ruhepunkt ist
wie wir später sehen werden, auch für die
reinmusikalische Gliederung unseres Satzes be-
merkenswert. In hübscher Polyphonie er-
klingen nun gleichzeitig zwei marschartige
Melodien: in den Violinen eine lebhafte Folge
von Triolen:
— 55 —
führt uns die kühnen Reiterinnen vor Augen;
eine gewisse Stilähnlichkeit dieses Gedankens,
wie überhaupt mancher Teile des ersten Satzes
der „Penthesilea»' mit Woirs „Feuerreiter" (für
Chor und Orchester) lässt sich nicht ver-
kennen. Die Fagotte und Homer bringen
eine ruhig schreitende melodische Tonfolge:
man*) hat sie auf das Fussheer der Ama-
zonen gedeutet:
r>Vi> j'^ j'u. 1 K^^'ifi
Ä
^v i 1 ri
^^^ä^
1
ein kleines Holzbläsermotiv, das in der Folge
den beiden Marschmelodien an die Seite tritt,
i^,^[*^grirQ'f^^^^
lässt das drängende Verlangen der Reiterinnen
nach dem Ziel und dem Kampf durchblicken.
Eine schöne As-dur Kantilene
^
;;[^lrJII
bringt einen angenehmen Kontrast gegen das
vorherige Stürmen und Drängen Sie wird
zuerst vom Streichquartett gebracht, dann von
den Holzbläsern übernommen; aber von langer
Dauer ist dieser Ruhepunkt nicht; der erste
Takt erfährt alsbald eine Umbildung, wodurch
er einen drängenden und treibenden Charakter
erhält. ^ ^
m
!u ^Ln r i
Die Triolenbewegung macht sich im Orchester
in immer steigendem Masse geltend, energisch
aufstürmende Läufe der Violinen führen zu
einer kräftigen dynamischen Steigerung, mit
der ein Motivglied aus der gangartigen Marsch-
melodie (vgl. Beispiel 3, den eingeklammerten
Takt) in den Violinen einsetzt und von diesen
abwechselnd mit der ersten Posaune einige
Takte durchgeführt wird mit stetiger Trans-
position auf höhere Stufen. Nach einem
dynamischen Höhepunkt, der namentlich durch
einen mächtigen Unisono-Takt kraftvoll mar-
kiert ist, schwächt sich der Tonstrom rasch
ab und pp. wie zuerst treten wieder die
beiden Marschmelodien (oben Beispiel 2 und 8)
*l R. Baüca in seinem kleinen MusikfQhrer zur
Penthesiiea.
ein. Die nun folgende Partie ist eine genaue
Repetition des „Aufbruchs**; man vergleiche in
der Partitur die Stelle von Buchstabe H bis K
mit Seite 11 bis 16 (dritter Takt); dann aber
wird statt des Eintretens der As dur Kantilene
das Marschtempo 8 abermals von den Violinen
aufgenommen; in den Holzbläsern flimmern
Teile von Thema 4, verlieren sich jedoch all-
mählich: Die Amazonen sind ermüdet, ihr
vorwärtsslrebender Eifer hat sich verloren, die
Natur fordert ihre Rechte und man macht sich
daran das Lager aufzuschlagen, um zu ruhen.
Das Marschthema 3 sinkt in immer tiefere
Tonregionen herab, schliesslich bleibt nur noch
der erste Takt davon übrig, der von den
Streichern einigemale noch pp und pizzicato
gebracht wird; wie aus weiter Ferne erklingt
ein leiser Posaunenakkord und mit leisen
Paukenwirbeln, unterstützt vom Pizzicato der
Kontrabässe, tönt der Satz aus: nächtliche
Stille hat sich auf das Lager gesenkt. —
Werfen wir nochmal einen Rückblick auf den
betrachteten Satz, so sehen wir, dass er eine
auch rein musikalisch wohlverständliche Form
aufweist. Die Partie bis zum Eintritt der
beiden Marschmelodien kann als Einleitung
betrachtet werden; diese beiden Melodien selbst
bilden das „erste Thema", in der As dur-Kan-
tilene (Beispiel 5) tritt ihnen ein kontrastierendes
„zweites Thema" gegenüber, das auch „vor-
schriftsmässig in der Paralleltonart, der Grund-
tonart (f moU), gehalten ist. Nach der Verar-
beitung desselben tritt die Reprise des ersten
Teiles ein, welche mit einer neuen Coda
endigt. Würde statt dieser Coda nochmal
das Thema 5 kommen, so hätten wir im
Wesentlichen die Form des ersten Sinfonie-
satzes, wie sie sich bei Haydn*s Vorgängern,
den Mannheimer Sinfonikern, findet. Zwar
bedarf die Programmmusik im allgemeinen
überhaupt keiner reinmusikalischen Form, und
es ist der bedeutsame historische Fortschritt
Liszt*s, dass er diesbezüglich über Berlioz, der
stets noch an der Sonatenform haftete, hin-
ausging. Allein je logischer, ohne Wider-
spruch mit dem programmatischen Vorwurf,
auch der reinmusikalische Aufbau einer sinfo-
nischen Dichtung ist, desto vorteilhafter wird
das für das Werk sein, denn desto leichter
vermag es dann das Verständnis des Hörers
zu gewinnen. Es ist daher ein grosser, nicht
zu übersehender Vorzug des ersten Teils der
»Penthesiiea", dass er auch reinmusikalisch so
fest umrissen ist.
(Schltae folgt.)
— 56 —
^oi)scbFifNRefoFii) (Sap^Het),
berabena auf «en Prittsfp der einbeitlicDReit wA Helativit» «er Zeltbett,
Ohne Jtettdenittg aai Dotett' «ttd Eittiettsystem.
Von
^eBvg Capellen-Osnabraek.
(Fortsetzung.)
m. Partielle Selbständigkeit der Tonarten.
Mit dieser dritten Methode betreten wir die
goldene Mittelstrasse, die wie überall der beste
Weg 25um Ziel ist. Wir nehmen die variable Ton-
artvorzeichnung, bezogen auf C-dur, als notwendiges
üebel hin, sehen aber die Heraussetzung der Vor-
zeichen nicht mehr als rein handwerksmässige
Erleichterung an Stelle der steten Wiederholung
vor den Noten an, sondern betrachten jene Vor-
zeichen als unauflösliche Bestandteile der
davon betroffenen Noten und Töne und ver-
dichten so die Akzidenz zur Lnmanenz. Jetzt
werden die Tonarten nur noch als G-anzes, als
Tonleiterkomplex von C-dur aus als dem musika-
lischen Meeresspiegel bestimmt, dagegen werden
die Erhöhungen und Erniedrigungen der Ton-
leitertöne auf das Niveau der speziellen Tonart
bezogen, also nicht mehr absolut, sondern relativ
bestimmt. Nunmehr sind f und g in E-dur nicht
Haupttöne (im Sinne von C-dur), sondern Neben-
töne (im Sinne von E-dur), ebenso a und h im
Sinne von As-dur. Femer ist in E-dur und As-dur
die Erhöhung bezw. Erniedrigung der zweiten
Stufe hinfort durch ein einfaches Versetzungs-
zeichen kenntlich zu machen, da ja die zweite
Stufe gemäss der Tonartvorzeichnung in E-dur
nicht = f, sondern ^ fis, in As-dur nicht ~- h,
sondern = b ist.
Die jeweilsj vorgezeichnete Tonart (Tonleiter)
ist also für die Qualifizierung der Noten als Haupt-
oder Nebentöne, sowie für die Tonversetzungs-
signatur allein massgebend.
Die beste praktische Durchführung der neuen
relativen Methode geschieht bei strikter Befolgung
der nachstehenden drei Begeln:
1. Haupttöne der jeweils vorgezeichneten
Tonart bleiben stets ohne Versetzungs-
zeichen, auch nach vorhergehender
Versetzung im selben Takt. Alle Wieder-
herstellungszeichen fallen also fort.
2. Jede Veränderung von Haupttönen der
jeweils vorgezeichneten Tonart wird
stets von Neuem angezeigt, auch im
selben Takt.
ii. Alle zufälligen, Versetzungen von Haupt,
tönen der jeweils vorgezeichneten Ton-
art werden djurch ein einziges Zeichen
ausgedrückt.
Welches ist nun das vorzuschlagende ein-
heitliche ^Versetzungszeichen ? Im Notendruck der
Keil, der in der Richtung^der Längsdiagonale an
die Note angefügt wird und rechts aufwärts die
Erhöhung, links abwärts aber die Erniedrigung
des betreffenden Tonleitertones um einen Halbton
anzeigt (Fig. 2, 4, 5). Handschriftlich kann sich
der Keil zum Schrägstrich verflüchtigen.
Die Vorteile der „Keilschrift" in Verbindung
mit der relativen Methode sind folgende:
1. Die Keilschrift stellt sich als natürliche Ent-
wicklung des bisherigen Versetzungswesens dar.
Bisher wurden nämlich je nach den Tonarten Ton-
erhöhungen durch jf^ ll)) X) Tonemiedrigongen
durch 1?, i), bt^ angezeigt. Es ist daher gerecht-
fertigt, das diesen 2ieichen Gbmeinseune, ihr Sub-
strat, als neues Einheitszeichen zu benutzen. Da»
(gemeinsame ist aber der Schrägstrich, der somit
gar nicht einmal etwas Neues ist.
2. Die alte und neue Tonschrift können unge-
stört neben einander bestehen ; denn das neue Noteu-
bild hebt sich von dem alten so deutlich ab, dass
der Leser sofort sieht, ob er nach der bisherigen
absoluten oder nach der neuen relativen Methode
Töne und Akkorde aufzufassen hat. Es entsteht
also kein schädliches, unerträgliches Uebergangs-
stadium imd die bisherige Notenliteratur braucht
vorläufig nicht zum alten Eisen geworfen zu
werden. Aber noch mehr: Die alte Tonschrift wird
gar nicht radikal beseitigt, sondern möglichst bei-
behalten. Nicht nur das Noten- und Liniensystem
bleibt unversehrt, sondern auch die herausgesetzten
wesentlichen Versetzungszeichen werden über-
nommen, da sich die Eeform nur auf die zu-
fälligen Ton Versetzungen im Verlaufe des Musik-
stücks bezieht. Es bleiben also ^ und t^ (eventuell
auch X und W) nach wie vor in der Tonartvor-
zeichnung bestehen, mithin auch die Tonnanien
auf -is und -es Diese Namen sind nicht nur bei
der nackten, von Harmonie und Tonalität losge-
lösten Tonnotierung zu verwenden, sondern auch
bei den innerhalb eines Musikstücks vorkommenden
Tonversetzungen. Es bleibt also die absolute,
alle Töne auf C-dui' beziehende Methode bei
den Tonbenennungen bestehen? Jawohl; denn
es kann oft zweifelhaft sein, ob ein Ton Haupt-
ton oder Nebenton ist. Es werde z. B. in Edui-
nach G-dur moduliert, dann würde angesichts
der 4 Ä- Vorzeichnung der Ton g Nebenton sein,
im harmonisch-tonalen Sinne aber Hauptton von
G-dur. Ein solcher Konflikt zwischen Notienmg
und Auffassung findet sich auch bei der Do-
minantterz in Moll, z. B. bei gis in A-moU.
Diese Terz ist nämlich nicht, wie es nacli der
- 57
Toiiartrvorzeichnung scheint, Nebenton, sondern
Hauptton, wie hier nicht näher auseinander-
zusetzen ist. Diese Fälle genügen, um zu be-
weisen, dass wir auch fernerhin Tonversetzungen
allgemein durch die üblichen absoluten Namen
kemuseichnen dürfen.
Dass aber in Fällen, wo die Charakterisierung
als Hauptton oder Nebenton unzweideutig ist, die
bisherige Methode nicht imstande ist, die Ton-
qualität in der Benennung auszudrücken, ist ein
entscldedener Mangel. Der neunfach verschiedenen
tonalen Bedeutung ein und derselben Taste ent-
sprach, bisher nur eine dreifache Benennung.
Nehmen wir die Taste g! Dieses g kann erstens
Hauptton sein, z. B. in C-dur, zweitens erhöhter
Hauptton (also Nebenton), z. B. in Ges-dur, drittens
erniedrigter Hauptton (also ebenfalls Nebenton),
i.. B. in E-dur. Die Taste g kann femer als Fisis
oder asas zu verstehen sein. Auch dieses Fisis
kann erstens Hauptton sein, z. B. in Gis-dur»
zweitens erhöhter Hauptton (Nebenton), z. B. in
E-dur, drittens doppelt erhöhter Hauptton (Neben-
ton), z B. in C-dur. Endlich kann auch asas
erstens Hauptton sein, z. B. in Eses-dur, zweitens
erniedrigter Hauptton (Nebenton), z. B. in Ges-dur,
<lrittens doppelt erniedrigter Hauptton (Nebenton),
z. B. in B-dur. Indem es der absoluten Methode
versagt ist, in der angegebenen Weise zu speziali-
sieren, haben die Benennungen g, fisis, asas nur
^^ Bedeutung von Sammelnamen, ebenso wie
alle sonstigen Tonbenennungen.
Dagegen vermag die relative Methode der ver-
schiedenen tonalen Bedeutung der Töne gerecht
zu werden, indem die Töne genauer so benannt
werden, wie Fig. 2 zeigt. Die Taste g würde jetzt
im Vergleich zu oben so charakterisiert werden
können: „g" (Hauptton), „ges-auf" (Nebenton),
„Ab-gis" (Nebenton); das enharmonisch identische
Fisis so: „Fisis" (Hauptton), „fis-auf" (Nebenton),
,.F-doppelauf" (Nebenton); endlich asas so: „asas"
(Hauptton^ „Ab-as* (Nebenton), „Doppelab-a"
(Nebenton). Notenbild und Name würden sich
also vollständig decken.
Ausdrücklich sei aber nochmals hervorgehoben,
dass nur die Möglichkeit, dagegen kein Zwang be-
steht, sich der genaueren relativen Tonnamen an
Stelle der absoluten Sammelnamen zu bedienen.
3. Die neue relative Keilschrift bedeutet eine
;?anz wesentliche Vereinfachung des Versetzungs-
wesens, ohne der Anschaulichkeit und Schönheit
der bisherigen Schrift verlustig zu gehen. An
Stelle der bisherigen 8 Versetzimgszeichen (j(, [?,
S' ><» t^j i}k[j ijjf? i)!') tritt ein einziges, der Keil,
der sich deutlich von der Note abhebt (Fig. 4).
Man hat jetzt weiter nichts zu tun, als sich die
jeweils vorgezeichnete Tonart (Tonleiter) genau
vorzustellen und die im Laufe des Musikstücks
vorkommenden Versetzungen stets im Verhältnis
'/'U jener Tonart-, also relativ abzulesen. Ob die
Versetzung in Erhöhung oder Erniedrigung eines
Tonleitertones (Haupttones) besteht, zeigt sowohl
die Richtung, wie die Stellung des Keils plastisch
an. Rechts- und LinkssteUung des Keiles ent-
sprechen dem Rechts- und Linksgefühl bei Klavia-
turen.
Erhöhungen und Erniedrigungen um einen
Granzton sind bei der relativen Methode selten
(s. vorstehend No. 2). Wenn aber Versetzungen
um einen Ganzton anzuzeigen sind, z. B. in G-dur,
fisis oder heses, so ist die Note mit einem Doppel-
keil zu versehen.
4) Das ganze Notenbild wird bedeutend ein-
facher und übersichtlicher; denn einmal wird da-
durch, dass die Haupttöne der vorgezeichnet^n
Tonart stets ohne Keil, die Neb^ntöne aber stets
mit Keil erscheinen, das Wesentliche gegenüber
dem Unwesentlichen hervorgehoben, indem die
Haupttöne sich scharf von den Nebentönen ab-
heben; sodann fällt die Kompliziertheit des modem-
chromatischen Notenbildes, verursacht durch die
Häufung von Versetzungszeichen, fort, insbesondere
sind Sekundintervalle viel leichter lesbar.
Ein Muster von Kompliziertheit ist Fig. 3, die
ein beredtes Zeugnis für die Reformbedürftigkeit
des bisherigen Versetzungswesens ablegt. Wie
einfach und lichtvoll nimmt sich dagegen die neue
Notierung in Fig. 4 aus, die zuweilen sich von
selbst in allen 4 Tonarten (D-, Des-, H-, B-dur)
für das Auge \ind Ohr richtig einstellt! (Näheres
darüber weiter unten.)
Ebenso fallt in Fig. 5 der Vergleich zwischen
alter und neuer Notierung durchaus zu gunsten
der letzteren aus.
5. In das Versetzungswesen wird jetzt endlich
Logik und Konsequenz gebracht. Gleichen Inter-
vallverhältnissen in den Tonarten entspricht jetzt
überall gleiche Versetzungsbezeichnxmg (Fig. 2
gegenüber Fig. 1!). Nebensächliche Versetzungen
haben nicht mehr die Macht, folgende Haupttöne
im selben Takt oder gar noch über den Taktstrich
hinaus auszulöschen, wie ebenfalls Fig. 2 gegen-
über Fig. 1 beweist. (In Fig. 1 erhalten in C-dur
die Haupttöne d und c wegen des vorhergegangenen
dis und eis Wiederherstellungszeichen!) Femer
kommt jetzt das Prinzip der gegensätzlichen
Gleichheit zur Greltung, indem jeder Hauptton
(z. B. d in G-dur) bei Erhöhung und Emiedrigping
gleichmässig verändert wird, ebenso wie analoge
verschiedene Töne, z. B. in A-moll die erhöhte
Septime g und die erniedrigte Sekunde h.
6. Bisher wirkten zufällige Versetzungszeichen
im selben Takt weiter, mussten also im Gedächtnis
behalten werden, obwohl dieses nur zu häufig ver-
sagt. Dieser Uebelstand fallt jetzt fort, da zu-
fällige Versetzungen stets von neuem bei jeder
Note angezeigt werden. Zugleich kann jetzt jede
beliebige aus einem Takt herausgegriffene Note
prima vista richtig abgelesen werden.
(Fortsetzung folgt.)
— -68 —
= Kritische Rfickscliau
über Konsert und Oper.
Von
Dr. Karl titorck.
Viel glücklicher als das Nationaltheater war
endlich einmal das Theater des Westens mit der
Aufführung eines neuen Werkes. Ermanno
Wolf-Ferrari's musikalisches Lustspiel in drei
Aufzügen „Die neugierigen Trauen" hat einen
vollen Erfolg errungen, über den sich einmal die
Kritik noch viel mehr freuen muss, als das Publi-
kum. De^n wenn wir theoretisch längst einsehen,
dass die Weiterentwicklung des Musikdramas,
oder sagen wir bescheidener ein glückliches Schaffen
auf diesem Gebiete nur dann möglich ist, wenn
wir uns dem überwältigenden Einfluss Richard
Wagner's zu entziehen vermögen, so ist doch das
lebendige Beispiel unendlich wirksamer, als die
theoretische Darlegung. Grerade wir Deutschen
brauchen eigentlich gar nicht so weit zu suchen,
um zu fühlen, was uns fehlt. Die Wundertaten
Mozart's, das eine herrliche Werk Otto Nicolai*s
sind fast ohne Nachfolge geblieben. Nur zwei
Komponisten sind auf diesem Wege zum musi-
kalischen Lustspiel weiter fortgeschritten: Her-
mann Götz in „der Widerspänstigen Zähmung"
und Peter Cornelius in seinem „Barbier von
Bagdad". Beiden Werken pflegte man immer als
stilwidrig eine allzuschwere Orchestrierung vorzu-
werfen. Bei Hermann Götz nicht ohne Berech-
tigung, bei Peter Cornelius, wie sich jetzt durch
den Nachweis Max Hassels herausgestellt hat, mit
schwerem Unrecht. Vielleicht ist die schwere
Wucht, mit der das ungeheure Kunstwerk Wagner's
auf dem zeitgenössischen Musikschaffen liegt, nie
deutlicher gezeigt worden, als dadurch, dass man
einer in durchaus eigenem Stile sich leicht hin-
bewegenden komischen Oper nicht anders durch-
helfen zu können glaubte, als indem man sie im
bösesten Sinne wagnerisierte. Die herrliche Wirkung,
die „Der Barbier" von Cornelius seit nunmehr einem
halben Jahrhundert hätte tun können, ist für uns
so verloren gegangen. Dabei hat sich im Rück-
schlag gegen die Alleinherrschaft des schweren
musikdramatischen Stils, im Rückschlag femer
wider den brutalen Verismus Jungitalien's in immer
weiteren Kreisen die Ueberzeugung durchgerungen,
dass die Wiederbelebung der Oper für uns auf
jenem Gebiete zu suchen sei, das von Wagner
nicht bearbeitet worden ist, also in der komischen
Oper, im musikalischen Lustspiel. Hätten wir
noch offenere Augen für Wundererscheinungen
auf künstlerischem Gebiete, so hätte des greisen
Verdi „Falstaff" uns schon länger den Weg ge-
wiesen. Oder ist es etwa nicht ein Wunder, dass
dieser Mann, der durch ein ganzes Leben hindurch
alle Strömungen auf dem G«biete der Musikdramatik
in sich aufnimmt, sie dabei stets innerhalb seiner
Persönlichkeit neu helebt und als ein durchaus
Eigenes neu gestaltet, dass dieser fruchtbare Kom-
ponist am Ende eines schier unbegreiflich reichen
Lebens uns endlich die völlig ihm gehörige Tat
schuf und im „Fabtaff " der Welt das musikalisclie
Lustspiel der Neuzeit gab. Woher kommt es wohl,
dass dieses gerade von den Musikern der ganzen
Welt so tief bewunderte Werk nicht eindringlicher
wirkt, vor allen Dingen die Schaffenden nicht
stärker befruchtet? Zeigt sich hier wieder einmal
die in der Kunstgeschichte oft zu beobachtende
Erscheinung, dass ein wirklich vollendetes Meister-
werk keine nachhaltigen fruchtbaren Anregungen
für das künftige Schaffen hinterlässt, da sein Ein-
druck so gewaltig ist, dass er diejenigen, die sich
ihm hingeben, zu Nachahmern macht, nicht aber
zu selbständig Weiterstrebenden. Jedenfalls können
wir bis heute in der deutschen Opemprodoktion
kaum von einer stärkeren Nachwirkung des Meister-
. Werkes des greisen Verdi sprechen. Vielmehr haben
jene unserer Komponisten, die erkannten, dass die
nächste Zukunft unserer Opemproduktion auf dem
Gebiete der komischen Oper liegt, sich ihre eigenen
Wege gesucht. Am ehesten zeigt sich Umlauft
in „Das Unmöglichste von allem" von Verdi beein-
flusst. Leider ist der Komponist ein Deutscher,
und so hielten es unsere Bühnen nicht für not-
wendig, die gewiss ungewöhnlich grosse Arbeit,
die dieses für die Sänger ausserordentlich schwie-
rige Werk verlangt, daran zu wenden.
Die stärksten Hoffnungen hege ich immer von
Eugen d'Albert und Leo Blech. Wenn der
letztere zu der Erkenntnis durchdringt, dass ein
leichter Stoff auch eine leichte Orchestrierung ver-
langt, wenn er sich von der grossen Linie des
Wagnerischen Orchestrierungsstils frei macht and
erkennt, dass der Stil einer kleinen Verhältnissen
angepassten Kunst vor allem Kleinarbeit verlangt
so wird er nach meinem Dafürhalten uns wert-
volle komische Opern zu geben haben. Engen
d' Albert hängt nach meiner festen Ueberzeugung
durchaus vom Textbuch ab. Wie er als Klavier-
spieler trotz seiner starken Persönlichkeit mit ge-
radezu intuitiver Sicherheit den Stil jedes Werkes
trifft und sein Persönlichstes nur in der ansser
ordentlichen Kraft, mit der er das Beste eines
Kunstwerkes erfasst, zur Geltung bringt, so lässt
er sich auch von dem ihm gebotenen Stoff und der
Darstellungsweise des von ihm komponierten
Textes so völlig durchdringen und erfassen, dass
er sich den der Dichtung entsprechenden Stil
schafft. Das ist dann für den oberflächlichen
Blick ein unsicheres Herumtasten und Versuchen,
während doch der Künstler durchaus im Zwange
— 59
seiner Persönlichkeit handelt und gerade diese
Persönlichkeit im höchsten Masse sich für das
musikdramatische Grebiet eignet. Allerdings zeigt
sich bei ihm, wie vielleicht noch nie, das Tra-
tsche im Wesen der Opemkomposition, dass zur
wirklichen Erzielung eines echten Musikdramas
die völlige üebereinstimmung zweier künstlerischer
Persönlichkeiten notwendig ist. Man sehe einmal
daraufhin d*Alberts Opern an. Wie er in „Grernod"
m.it der schweren Ritterrüstung des „Tristan und
l8olde"-Stils einherschreitet, wie er in „Rubin"
dem eigentümlichen Gremisch von Pathos und
barockem Märchenhumor, der seltsamen Mischung
von Komantik und philosophischem Klassizismus
wiederum, wenn auch wahrscheinlich unbewusst,
dadurch gerecht wird, dass sich hier die für ihn
charakteristische Mischung Wagner-Brahms an-
bahnt. Wie er dann in der „Abreise" zur Ueber-
raschung Aller geradezu einen vornehmen Ope-
rettenstil geschaffen, während der „Kain" infolge
der reichlich epigonenhaften Dichtung kein neues
Moment erbringen konnte. Freilich leidet auch
die „Abreise" unter allzu schwerer Orchestrierung.
£s ist, als ob das Orchester, wie es nun Wagner
einmal geschaffen hat, in seiner Zusammensetzung
für unsere Komponisten bereits ein fertiges In-
strument darstellen wollte, während doch gerade
der ungeheure Wert gegenüber aller andern Art
der Instrumentalmusik darin beruht, dass der
Komponist in jedem Augenblick durch die völlig
in sein Belieben gegebene Zusammensetzung der
mitwirkenden Kräfte imstande ist, sich ein neues
Instrument zu schaffen. Grerade wir, die wir den
hohen Wert des Kammermusikstils wiederum zu
schätzen wissen, sollten die Freiheit, die sich hier
in der Kammermusik der Komponist unbedenklich
nimmt, kecklich auf die Oper übertragen. Für
den Stilbildner d' Albert aber am allerbezeich-
nendsten ist seine letzte Oper „Tiefland". Wie
er hier vermocht hat, zu einer Dichtung, die an
sich der Musik gamicht mehr bedarf, im Orchester
eine Art instrumentaler Deklamationsbegleitung
zu schaffen, zeigt, dass d' Albert nunmehr vom
Wagnerorchester völlig frei geworden ist, dass er
also nur einen Text zu finden brauchte, der die
echte Lustspielorchestration verlangt, um uns ein
wahres musikalisches Lustspiel zu geben.
Während dieser unermüdliche Sucher mit
seinem hochentwickelten Stilgefühl infolge dieser
ungünstigen Umstände bis heute ein rein musi-
kalisches Lustspiel noch nicht zu schaffen ver-
mochte, fand Ermanno Wolf -Ferrari mit keckem
Zugreifen, trotz viel geringerer musikalischer Kräfte,
dje für ihn glückliche Lösimg. Jedenfalls kam
ihm dabei zu statten, dass er Deutsch-Italiener ist.
Denn so hatte er einerseits ein Grefühl für die
deutsche Musik Mozart*s, deren üeberlegenheit über
die verwandte ital ' »nische Opemmusik er sehr
richtig in der orchestralen imd musikalischen Ar-
beit erkannte — ich spreche hier natürlich nur
von der technischen Seite dieser Musik; die gött-
liche Seele Mozarts ist ein unwägbarer Wert — ,
andrerseits aber lebte in ihm noch, wie in jedem
Italiener, das echte, rechte Verständnis für die
ungeheuer erhöhende Kraft der Musik gegenüber
einer Dichtung, wie sie uns die opera buffa
hundertfältig bestätigt. So schuf er also eine neue
opera buffa, bei der der Geist Mozart's Pate ge-
standen hat, bei der des ferneren die technische
Errungenschaft des modernsten, selbst an Richard
Strauss' geschulten Orchesterstils einer möglichst
zerteilten und individualisierten Behandlung jedes
einzelnen Instruments aufs glücklichste aus dem
grossliniegen Stil der schweren sympho-
nischen Dichtung in die Kleinkunst des
leichten Lustspieltons übersetzt wurde. Iq dieser
Uebersetzung liegt das wesentliche, selbständige
Verdienst Wolf-Ferrari*s, der im übrigen keine
starke schöpferische Persönliclikeit ist. Wohl aber
verfügt er über hohe künstlerische Intelligenz.
Und wenn seine motivische und melodiöse Erfin-
dung von Mozart, Hossini, Verdi überall beeinflusst
erscheint, so zeugt die Art, wie er mit den kleinen
Motiven arbeitet, alles mehr andeutet, als ausführt,
zahllose kleine Einfälle geschickt und unaufdringlich
verwertet, nicht nur von grossem Können, sondern
auch von vollendetem Geschmack und vor allem
von sicherem Stilgefühl. Möge er in dieser Hin-
sicht Schule machen ; dann wird ihm unsere Kunst
immer zu Dank verpflichtet sein.
Mitteilungen
von Hoohsohulen nnd KonserYatorien.
Professor Hermann Thureau zu Eisenach
feierte am 19. Januar in vollster körperlicher und
geistiger Frische sein 40j ährig es Dienstjubi-
läum als Musiklehrer des Grose herzoglichen
Lehrerseminars und als Leiter d s Eisenacher
Musikvereins. Geboren am 21. Mai 1836 in Claus-
thal, besuchte er dort das Gymnasium, studierte
auf dem Konservatorium zu Leipzig und genoss
daselbst noch Privatunterricht bei dem bekannten
Komponisten Dr. Moritz Hauptmann. Dann siedelte
er nach Dresden über und wurde von dort 1863
als Organist nach EiseDach und zwei Jahre später
als Musiklehrer an das Grossherzogliche Lehrer-
seminar als Nachfolger Mtillerhärtuog's berafen.
Die von dem Seminar in den letzten 89 Jahren
entlassenen Lehrer des Weimarischen Landes haben
ihre musikalische Ausbildung sämtlich von ihm
erhalten. So blickt der Jubilar auf einen Schüler-
60 -■
kreis zurück, der oach vielen Hunderten zählt.
Professor Thnreaa ist als feinfühliger Musiker, als
Komponist stimmungsvoller Motetten, sowiegrösserer
Chorwerke und als ganz vorzüglicher Chor- und
Orchesterdirigent weit über die Grenzen Thüringens
hinaus bekannt.
Das Eönigl. Konservatorium für Musik
zu Dresden hat mit seinen öffentlichen Prtifnngs-
Aufführungen begonnen; der erste Musik- Abend
fand am 2. Februar im Saale des Musenhauses
statt und brachte Klavier-, Violin- und Gesangs-
vorträge. Das neue Semester des Konservatoriums
beginnt am 1. April.
Herr Prof. Heermann in Frankfurt a. M.
hat Herrn HugoKortschak als Hilfslehrer und
Leiter der technischen Vorbereitung für seine
Violinschule engagiert und sich damit einer sehr
schätzbaren Hilfskraft versichert. Herr Kortschak
hat seine Ausbildung bei 0. Sevcik in Pragr, dem
Lehrer von Knbelik, Kocian, Ondricek u. a. erlangt
und wird von diesem selbst als der geeig^netste
Vertreter seiner Schule bezeichnet
In den Lehrerverband des Konserva-
toriums der Musik zu Krefeld, — Direktorium
Königl. Musikdirektor Th. Müller-Reuter, Karl
Pieper — , ist als Lehre:- für Sologesang Herr
Richard Huhn, eingetreten, der neben Frau
Craemer-Schleger, Herrn Gustav Pielken.
Fräulein Gerda Loock vom l Februar ab unter-
richten wird. Herr Hahn, der schon eine erfolg-
reiche Tätigkeit als Konzert- und Opernsänger
hinter sich hat, widmete sich in letzter Zeit be-
sonders dem Stimmbildungsstudium.
Yermischte Nachrichten.
Professor Philipp Scharwenka erhielt ge-
legentlich des diesjährigen Ordensfestes den Roten
Adlerorden IV. Klasse.
Für April 1906 wird in Berlin ein grosses
dreitägiges Händelfest geplant. Ein Komitee
ist in der Bildung begriffen, an dessen Spitze Graf
Hochberg steht; Josef Joachim, Siegfried
Ochs und Georg Schumann haben ihre Be-
teiligung an den Aufführungen zugesagt.
Professor Robert Eitner, der hochverdiente
Musikschriftstellcr, ist am 2. Februar zu Templin
im Alter von 72 Jahren aus dem Leben geschieden,
kurz nach Vollendung seines epochemachenden
„Qnellenlexikons der Musiker und Musikgelehrten ^*.
Eine eingehendere Würdigung des Wirkens und
Strebens des unermüdlich tätigen Schriftstellers,
dessen Feder stets nur idealen Zielen diente, folgt
in nächster Zeit.
Dr. Alfred Dorf fei, der verdienstvolle
Musikhistoriker und ehemalige Oustos der musi-
kalischen Abteilung der Leipziger Stadtbiblio-
thek, ist am 20. Januar, kurz vor seinem 84. Ge-
burtstage gestorben. Der Verstorbene hat sich
durch seine 1884 erschienene „Geschichte der Leip-
ziger Gewandhauskonzerte^^ grosse Verdienste er-
worben; die philosophische Fakultät der Univer-
sität Leipzig verlieh ihm auf Grund dieser Arbeit
1886 den Doktorgrad.
Ans Prag wird berichtet, dass Professor Gu-
stav Kraus auf einer Studienreise durch Schwe-
den in Gotenburg eine Anzahl unbekannter Ma-
nuskripte Friedrich Smetana's, des Kompo-
nisten der „Verkauften Braut", aufgefunden habe.
Da Smetana in den Jahren 1856—1861 Dirigent
des dortigen Musikvereins war, so ist die Echtheit
der Werke wohl anzunehmen.
Der Kaiser von Oesterreich hat dem Rechts-
anwalt Faisst für seine Verdienste um Hugo
Wolf das Offizierkreuz des Franz Josef -Ordens
verliehen.
Der „Rühl'sche Gesangverein" fährte
am 16. Januar zu Frankfurt a. M. ein grösseres
Chorwerk, „Marienlegende" von Prof. Iwan
Knorr zum ersten Mal mit grossem Erfolge auf.
Der Frankfurter „Herold" schreibt darüber:
„Der Komponist ist kein Massenproduzent, was er
aber aus der Hand gibt, trägt den Stempel einer
eigenartigen, reifen musikalischen Persönlichkeit
und einer ungewöhnlich hohen Virtuosität der Or-
chesterbehandlung. — Das Ganze machte einen
sehr erfreulichen Eindruck. Trotzdem Knorr über
alle Mittel des modernen Orchesters frei verfügt,
erhält man nirgends den Eindruck der Ueber-
treibung, es ist Musik in des Wortes wirklicher
Bedeutung. Das Publikum war derselben Ansicht
und bereitete dem Musiker sehr schmeichelhafte
Ovationen. Das Werk bedeutet eine Bereicherung
der Oratorienliteratur und wird sicherlich im Kon-
zertsaale seinen Weg machen.
Der Mozart-Verein zu Düsseldorf veran-
staltete Anfang dieses Monats ein Konzert, dessen
Programm aus Kompositionen von Joh. Seb.
Bach und seinen 4 Söhnen: Wilhelm Friede-
mann, Friedrich Emanuel, Johann Chri-
stoph und Johann Christian bestand. Dem
Konzerte ging ein Vortrag über die Werke der
Söhne Bach's und ihre kulturelle Bedeutung voraus.
Prof. Dr. Bernhard Scholz in Frankfurt a. M«
hat für die im Mai d. J. dort stattfindende
Schillerfeier das Schillersche Gedicht „Nänie"
für Männerchor komponiert. Die vereinigten
Männerchöre Frankf nrt*s werden das Werk singen.
Der berühmte Gesanglehrer Manuel Garcia,
der Bruder von Pauline Viardot-Garcia, wird
am 17. März d. Js. in London seinen 100. Ge-
burtstag feiern. Manuel Garcia hat bekanntlich
61
im Jahre 1855 den Kehlkopfspiegel erfunden, nnd
am dieser epochemachenden Erfindung willen
haben die Laryngolog^schen Gesellschaften Europas,
an der Spitze die Londoner, beschlossen, dem
greisen Gesangsmeister zu seinem 100. Geburtstage
eine £h reo gäbe zu überreichen.
Der Casseler Verein „Mnsica sacra'^ der im
Jalire 1894 von dem Königl. Musikdirektor Lorenz
Speng-ler ins Leben gerufen wurde, hat sich, wie
sein Name andeutet, die Pflege der „klassischen
Kirchenmusik'* zur Aufgabe gestellt. Seit seinem
ersten Konzerte, 27. März 1895. kann der Verein,
der aach ausser Cassel in Göttingen, Arolsen,
Hersfeld, Marburg Kirchenkonzerte veran-
staltete, auf ca 50 wohlgelungene historische
Kirchenkonzerte zurückblicken. — Jede
Epoche der Musikgeschichte, vom 12 Jahrhundert
an, ist durch die künstlerisch geschulte Sänger-
vereinigung in reinster, edelster Form zur Auf-
führung gebracht und so die Neubelebung der
klassischen Kirchenmusik älterer und neuerer
Meister mit grossem Erfolge durchgeführt. —
Der Verein hatte die Freude, im August 1903 in
einem zum Besten des Vaterländischen Frauen-
vereins gegebenen „Wohltätigkeitskonzerte" in der
GamisoDkirche die Ksiseria mit den jüngbten
kaiserlichen Kindern und dem Hofstaate unter
»einen Zuhörern zählen zu dürfen und hohes Lob
von seinen fürstlichen Gästen zu ernten. Das
letzte Konzert der ,.Mu8ica sacra*, als Nachfeier
des Weihnachts festes, brachte eine Reihe ans-
erwählter Gaben ; von älteren Gesängen J. 8. B ac h ' s
„Ich steh' an Deiner Krippe hier", Hans Leo
Hasler's dreistimmiges „Benedictus", von neueren
ein „Benedictus* für Frauenchor von Fr Lux,
„Uns ist ein Kind geboren*" von CarlMengewein,
das durch seine feine Stimmenführung und
charakteristischen Harmonien einen besonders
tiefen Eindruck hinterliess. Ausserdem eine Reihe
alter Weihnachtslieder, Satz von LorenzSpengler
und eine „Weihnachtskantate" von demselben für
Sopransolo, Frauenchor, Violine und Orgel.
In der St. Petersburger Deutschen Zeitung
erschien Ende v. J. folgende Bekanntmachung:
„Glinka- Prämie". Wir endesunterzeichneten
Testamentsvollstrecker M. P. Beljajew's (Belaieffs)
— N. A. Bimsky-Korssakow, A. K. Ljadow und
A. K. Glasunow — bringen zu allgemeiner Kenntnis,
dass weü. M. P. Beljajew ein Kapital von
75003 Rbl. hinterlassen hat, aus dessen Zinsen
alljährliche Prämien denjenigen Komponisten
rassischer Untertanenschaft ausgezahlt werden
sollen, deren Werke als die besten im Druck er-
schienen anerkannt werden. Die Prämien sind
vom Erblasser „Glinka-Prämien** benannt worden
nnd ihre Auszahlung hat alljährlich am 27. No-
vember — dem Datum der Er.«*taufführung beiJer
Opern Glinka's — zu erfolgen. Mit der Zu-
erkennung der Prämien hat der Erblasser uns als
Testamentsvollstrecker betraut, und in der Folge,
nach Bestätigung der Statuten des Kuratoren-
konseils zur Unterstützung rassischer Komponisten
und Musiker, — den ersten Mitgliedern desselben.
Die Prämien zerfallen — je nach der Art der
Kompositionen — in fünf Kategorien, und ihre
Höhe ist vom Erblasser in dem von ihm aus-
gearbeiteten Projekt der Statuten des Kuratoren-
komitees genau festgesetzt worden, wobei alljährlich
Prämien im Betrage von nicht mehr als 3000 Rbl.
zur Verteilung gelangen.
Der ersten Zaerkennung der „Glinka- Prämien*'
am 27. November 1904 wurden gewürdigt:
A.S. Arenski's Klaviertrio D mollOp.32 500 Rbl.
S. M. Ljapunow^B Klavierkonzert
EsmoU 500 „
S. W. Rachmaninow's Klavierkonzert
C moll 600 „
A. N. Skrjabin's Klaviersonate No. 3
Fis moll Op. 23 300 „
A. N. Skrjabin's Klaviersonate No. 4
Op. 30 200 „
S. J. Tanejew*s Symphonie in Cmoll
Op. 12 1000 „
Zugleich halten wir es für unsere Pflicht mit-
zuteilen, dass wir Testamentsvollstrecker Beljajew's,
solange wir Mitglieder des Kuiatorenkonseils
bleiben, unsere Kompositionen von dem Bewerb
um die Glinka-Prämie ausschliessen und das uns
im Pkt. 14 der Stataten zuerkannte Recht hierauf
ablehnen. N. Rimski-Korssakow.
An. Ljadow.
A. Glasunow.
Es wird berichtet dass die Direktion der
„Vatikanischen Bibliothek" in Rom jetzt
endlich die seit Jahrhunderten verweigerte Er-
laubnis znm Studium der musikalischen Hand-
schriften der Capeila Sistina Interessenten
gewährt habe. Die gesamte musikalische Welt
wild diese Nachricht, wenn sie sich bewahrheitet,
mit grosser Freude begrüssen.
No. 80 der Mitteilungen der Musikalienhandlung
Breitkopf A Härtel in Leipzig trägt das Bild
von Peter Cornelias im Titel. Die Veröffent-
lichung der ersten kritischen Gesamtausgabe seiner
musikalischen Werke beginnt mit der bisher noch
nicht gedruckten ersten Ouvertüre in H moll zum
„Barbier von Bagdad", den unveröffentlichten
Liedern, Duetten undChören und wird binnen Jahres-
frist abgeschlossen sein. Sie wird eine beträchtliche
Anzahl zum erstenmal erscheinender Werke von
Cornelius enthalten, ebenso wie die erste Gesamt-
ausgabe seiner literarischen Werke (4 Bände Briefe,
Aufsätze und Gedichte) viel Neues gebracht hat.
Joh. Hermann Scheines Werke (heraus-
gegeben von A. Prüfer) sind jetzt bis zum 2. Band
(Musica boscareccia und weltliche Gelegenheits-
kompositionen) gediehen. Professor Robert Eitner
veröffentlicht als 29. Band seiner Publikationen
den zweiten Teil der „kurtz weiligen guten frischen
teutschen Liedlein" von Georg Forster.
— 62 —
Die Neue Bachgesellscliaft hat ein Bach-
Jahrbuch 1904 heraustiiegebeii. Dasselbe enthält
alle kirchlichen Ansprachen, Vorträge und Ver-
handlungen, die am zweiten deutschen Bachfest
in Leip ig(l.— 3. Oktober 1904)gehalten worden sind.
Aus dem Inhalt der „MitteiluDgen" seien ferner
hervorgehoben die Abschnitte über .Japanische
Musikus v^6i^^^^i^lft6>^ d^ evangel. Kirchen-
gesangvereines für Deutschland^* und „Werke er-
lauchter Tonsetzer", sowie Werke von L. Bonvin,
H. Cleve, H. Kann, J. Knorr, F. Volbach
und Edward Mac DowelL Den Orundbeetandteil
der ^Mitteilungen'' bilden die Verzeichnisse und
Listen der ueuerschienenen und vorbereiteten
Werke des Breitkopf & Härtei^schen Verlages.
Diesen ist ein kurzer Musik- Verl agebeficht über
das vergangene Jahr 1904 vorangeschickt, sowie
die Ankündigung des neuen vollständig^en Ver-
zeichnisses des Musikalien Verlages von Breitkopf
& Härtel, nach Gruppen geordnet, welches auf
Wunsch zu eingehender Benutzung unentgeltlich
geliefert wird.
Bücher und Musikallen.
T. Brodersen, op. l. Symphonische Saite (E dur)
für Pianoforte.
Nordiieher MvtikTerlag, Kop«Bhmrea«
Wohl ist V. Brodersen's £-dar- Klaviersuite
eine Anfängerarbeit. Auch ohne Beifügung des
op. 1 wäre es unschwer zu erkennen. Aber wir
weisen darauf hin, weil wir glauben, dass der
Autor über kurz oder lang Tieferes und Bedeuten-
deres zu geben imstande sein wird. v. Brodersen
beweist darin zunächst formales Verständnis, ferner
lebendiges Empfinden für warme und sympathische
melodische Linienführung. Die 5 Sätze des Werkes
legen hierfür lebhaft Zeugnis ab. Anderenteils
wünschten wir gar manches kräftiger, männlich
bestimmter empfunden und zum Ausdruck ge-
bracht — mehr Dissonanz im musikalischen Sinne!
Der Klaviersatz des Autors ist dem Instrumente
angepasst und .gemäss. Eine Ausnahme hiervon
bilden die fast zu reichlich in Anwendung ge-
brachten weiten Akkordlagen, womit der Kompo-
nist die Ausführung, vollends bei nicht selten ver-
langter schneller Temponahme, in beinahe unüber-
legter, jedenfalls gänzlich unnötiger Weise er-
schwert. Auch grossen, grifffähigen Händen wird
es häuüg unmöglich sein, die verlangten Span-
nungen ohne gewaltsames Arpeggieren auszuführen,
da sie nicht klaviermässig gedacht, sondern dem
Orchestersatz entnommen sind. Die Suite aber
ist zweifellos ein anziehendes und auch harmonisch
nicht uninteressantes Werk, dessen nähere Be-
kanntschaft gemacht zu haben uns nicht reute.
Gut technisch vorbereiteten und musikalischen
Spielern wird sie bei genauerer Kenntnisnahme
ebenfalls zusagen.
Max Rfger, Op. 81. Variationen und Fuge üb-er
ein Thema von J. S. Bach für Klavier
zu zwei Händen.
Lnterbteh nrnd Kaha, Lelpsly.
Max Reger ist zweifelsohne eine der disku-
tabelsten künstlerischen Erscheinungen der Gegen-
wart. Mag sein musikalisches Schaffen die ent-
gegengesetztesten Meinungen hervorrufen, mag es
immerhin nur teilweise Anerkennung oder auch
gänzliche Verarteilung finden — immerhin wird
man es genau beachten und in seinem Forfgaaige
verfolgen müssen, keinesfalls aber unbeobachtet
lassen dürfen. Das neue Opus für Pianoforte zu
zwei Händen halte ich für einen der Höhepunkte
seiner kompositorischen Tätigkeit. In ganz
modernem Sinne ist hier das Thema in mehr oder
minder hohem Grade nur der Keim, woraus der
Tondichter seine eigensten Anregungen entnimmt
Oft geht das Thema im persönlichen Nachschaffen
beinahe ganz unter, häufig erscheint es nur als
ein An- und Nachklang. Aber immer ist alles,
was Max Heger zu geben hat, interessant in jeder
Note. Es läs«t weder Mühsal noch Nachlassen der
starken Produktivität verspüren und verrät eine
künstlerisch formende Hand, eine Einsicht und
Kenntnis des Wesens der Variationenform., die
ihresgleichen suchen dürften in der gesaunten
neueren Pianoforteliteratur. Beger's neues Werk
ist von immenser Schwierigkeit, es stellt durcliweg
aussergewöhnliche Ansprüche Im die Technik und
ist, wie dies bei den meisten seiner letzten Arbeiten
der Fall ist, von unglaublichen Komplikationen in
Ehythmus und Modulation erfüllt Man wird sehr
langer 2ieit bedürfen, um sich vollkommen in die
Eigenart dieser Musik hineinzuversetzen und
hineinzuleben, aber man lasse es darauf ankommen
und wird eine selten reiche Ernte neuer Anregungen
mit da vonnehmen. Max Reger's gesamte Künstier-
schaft ist meines Erachtens lediglich aus dem
Wesen der hochstehendsten und absolut be*
herrschten Kontrapunktik zu begreifen. Auch das
in Bede stehende Werk bezeugt mir dieses. Es
sind Variationen über Bach aus Bach heraus
geboren, altes und neues in geradezu wimder-
barer Weise verbunden.
Eugen SegniU.
Ludwig Schjtte, op. 133. „Phantasien und Bilder".
8 Klavierstücke.
Arthur P. SokaMt, LeIptSf.
In ihrem kleinen Rahmen sehr wertvolle
Klavierliteratur. Die Stückchen geben sich als
feine, vornehme Vortragsstücke, enthalten aber
— 63 —
eine ganze Fülle instraktiver Werte durch mannig-
fachen, wechdelvoUen Rhythmus, durch An-
forder angen an den Vortrag in Bezog auf dyoa-
mi»chen Auibau, reiche Nüanzierungen und Not-
wendigkeit eines fliessenden Spiels. No. 1, 2 und
4 Terwerten nationale Weisen, schwedische, spa-
nische, maurische, No. 8 „Einsame Stunde", No. 5
„Sonimertränme^S ^o. G „Waldgeister" sind fein
empfandene Stimmungsbildchen voll Poesie, Anmut
und Sinnigkeit, in No. 8 „Fest im Dorf" entfaltet
der Antor einen frischen, fröhlichen Humor, bei
aller Lust imd Sorglosigkeit immer die feine
Grenzlinie des Vornehmen innehaltend. Die Stück-
chen eignen sich hinsichtlich der technischen
Schwierigkeiten insgesamt für Schüler der Hittel-
stafen, sie wollen Jedoch fleissig studiert sein,
tragen dann aber zur Bildung des Geschmacks
und Förderung des musikalischen Empfindens ein
Wesentliches bei.
Karl Friese, op. 8: „Tonleiter- und Akkord-Studien*.
3 Hefte.
TklMs'sche HofmulkaUealiMdUAffy Dtrautadt«
Tonleiter- und Akkordstudien besitzen wir in
Unmenge; neue Werke, die den gleichen Stoff be-
handeln, sind für den Pädagogen nur dann von
Interesse, wenn sie neue Gesichtspunkte bieten
oder von solchen ausgehen. Das ist in vorliegendem
Werke der Fall. Der Autor briugt das Tonleiter-
materiai in rhythmischer Fassung und mit Akkord-
bogleitang. Die rechte Hand beginnt mit der
C-dur-Tonleiter durch eine Oktave, achtel Noten
und 4/4 Takt sind notiert, die beiden hohen Töne
h, c werden wiederholt, um den zweiten Takt aus-
zufüllen und zugleich zur Stärkung der beiden
schwachen Finger beizutragen. Die linke Hand
begleitet mit dreistimmigen Akkorden, erster Takt
Tonischer Dreiklang, zweiter Takt Dominant-Septi-
menakkord, Schluss im dritten Takt auf der Tonika.
Der Dnrtonleiter schliessen sich sofort die beiden
parallelen Mollreihen in gleicher Behandlung an.
Mit wechselnder Hhythmik wird in dieser Weise
der ganze Quintenzirkel durchgearbeitet. Dann
bekommt die linke Hand die Tonleiterpassage, die
rechte Hand die akkordliche Begleitung. Aehnlich
werden im 2. Heft die Dreiklänge undDom.-Sept.-Ak.
behandelt; zuerst werden sie von der rechten Hand
in Einzel töne zerlegt, beide kombiniert gebracht
und von der linken begleitet, später umgekehrt.
Die Hände verlassen die Oktavenspannung nicht,
die üebungen fangen jedoch in den verschiedenen
Lagen des Dreiklanges an, ebenso sind sie in
mannigfachster Figurierung au^-geführt. Diese
beiden Hefte sind durchaus originell und nützlich
zum Studium, werden beim Schüler die Lust am
Tonleiterspiel wach erhalten, da durch Rhythmik
und Begleitung das mechanische Einerlei abgestreift
ist. Weniger befriedigt uns das 3. Heft. Es ent-
hält die gesamten Tonleitern, mit beiden Händen
zugleich zu spielen nnd durrh zwei Oktaven durch-
geführt. Allerdings ist jeder eine kleine Studie
nachgeschickt, aber einerseits ist das Ausschreiben
der gesamten Tonleitern überflüssig und unpäda-
gogisch, da der Schüler dadurch gur nicht zum
eigenen Nachdenken angehalten wird, anderer-
seits sind die begleitenden Studien von grosser
Einförmigkeit ->, nur 2 Varianten treten bei den
gesamten Eeihen auf, im übrigen laufen sie, beide
Hände unisono, in gleichmässigen Achteln immer
im Umfang von 7 Takten fort. Das füllt, da auch
die Tonleitern in einfachen Teizen und Sexten in
gleicher Breite mit denselben Studien ausgeschrieben
sind, einen Kaum von 45 Seiten, nnd damit schliesst
das Heft. Dem Titelblatt zufolge scheint der Autor
noch 3 Hefte anschliessen zu wollen, es wäre zu
wünschen, wenn er die Fortsetzung des Materials
im Sinne der beiden ersten Hefte bearbeitete, die,
neu und instruktiv behandelt, in der Tat zu
empfehlen sind.
Anna Morsch,
MusikpSdagogischer Verband.
Sehulgesangs- Kommission.
Die Arbeiten der „Schulgesangs - Kom-
mission^* erfahren an der Hand des aufgestellten
und veröffentlichten Arbeitsplanes ihre weitere
Förderung. Es ergingen Schreiben an alle aus-
wärtigen Eommissions-Mitglieder mit der Auf-
forderung, sich zu dem Plane zu äussern und sich
mit Spezialausführungen der einzelnen Punkte zu
betätigen. Die Antworten liefen prompt und mit
erfreulichem Inhalt ein, der Arbeitsplan hatte all-
gemeine Billigung gefunden; einzelne Punkte
wurden von den besonders dafür Interessierten er-
gänzt und Vorschläge für ihre Durcharbeit^^hg
gemacht. — Im Nachstehenden kann nur ^ eine
Skizze geboten werden, die aber den Zweck ver-
folgt, den leitenden Gedanken des fortschreitenden
Ganges in der Bewältigung des Arbeitsmaterials
klar zu legen und die Interessenten der Frage auf
dem Laufenden zu erhalten. — Erwähnt sei vorher
noch, dass sich der hiesige, seit mehreren Jahren
bestehende „Verein der Gesanglehrer der
höheren städtischen Schulen'^ dem „Musik-
pädagogischen Verbände" korporativ angeschlossen
hat und aus ihm die Herren Professor Cebrian,
Prof. Alexis Hollaender und Musikdirektor
Wiedermann von der Kommission zu Mitgliedern
kooptiert sind. ~ Der Kongress hat gleichfalls
Anregung gegeben, dass sich die Gesanglehrer der
hiesigen Kommunalschulen zu einem Verein unter
— 65 —
seit InngerZeit getroffen, er dispensiere nur solche
Schüler, die während des Gesaagonterrichts in der
Sexta und Qairta sich als vollständig unmusi-
kalisch erwiesen hätten oder krank seien. Die mu-
tierenden Schüler dispensiere er nicht, sondern
diese seien durch Zuhören oder theoretische Ar-
beiten zu beschäftigen. Die Willkür im Gesang-
nnterricht, hervorgerufen durch die mangelnde
Kontrole, trägt einzig die Schuld, dass derartige
Einrichtungen nicht allgemein getroffen sind.
Allerdings stehen im Schulplan für jede Klasse
2 wöchentliche Gesangsstunden, aber auf sehr
vielen Anstalten, besonders schwach besuchten,
ist die Zahl der Gesan^stunden eine so geringe,
dass nicht jeder Schüler 2 solche Stunden erhält.
Herr Direktor Handwerg beklagt es, dass der
Gesangunterricht bereits in Qaarta aufhört;
die Unwissenheit der grösseren Schüler, die nach
der Mutation wieder am Gesang teilnehmen, ist
erschreckend. Dasselbe betont Herr Musikdirektor
Wiedermann. Bei dem Chorgesang in den hohen
Klassen bleibt keine Zeit für theoretische Unter-
weisung, für Stimmbildung u. s. w., die Ueber-
gangszeit könnte trefflich nach diesem Sinne aus-
genutzt werden. Jedenfalls müssen die hier ange-
deuteten Mängel und Schäden bei einem späteren
Herantreten an die Regierung kräftig betont
werden. (Fortsetzung folgt)
m^ Dieser Auflage liegt ein Prospekt von F, E. C. Leuckari, Leipzig: „ Beethoven^ s
sämtliche Symphonien bearbeitet von Otto Dreser bei, auf den wir unsere Leser besonders
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— 64 —
dem Namen „Vereinigung zur Förderung des Volks-
■chnlgesanges" zasammengeschlossen haben, der
gleichfalls bestrebt ist, die Arbeit dt r Kommission
aaf seinem Spezialgebiete kräftig zu fördern.
Es folgen nachstehend Auszüge aus den Zu-
schriften.
Herr Professor £d. Engel-Dresden betont
die Notwendigkeit bei Feststellung eines zweck-
mässigen Lehrplanes die technische Seite vor
der formalen zu erörtern, die Frage: ,Was soll
gelehrt werden"^ dem Wo und Wie voranzustellen.
Die Grundlage muss eine Stimmbildungslehre
sein, die auf unantastbarer Basis ruht und iu ihren
Gesetzen die Gewähr leicht fasslicher Uebert ragung
und dauernder Wirkung mit sich trägt. Herr
Professor Engel wird sich nach dieser Eichtung
aktiv an den Arbeiten beteiligen.
In ähnlicher Weise, die Wichtigkeit der
Stimmbildung betonend, äussert sich der Grossh.
Seminarmusiklehrer Franz Zureich-Earlsruhe,
der seit längeren Jahren an Badenser Lehrer-
hlldungsanstalten als Musiklehrer beschäftigt ist,
in seiner Tätigkeit der besseren stimmlichen
Ausbildung der Seminaristen durch Einführung
der Stimmbildung vor Beginn des Gesangnnterrichts
seine Aufmerksamkeit zuwendet und seine Aufgabe
durch Ausgestaltung derselben praktisch zu lösen
sucht. Herr Zureich wiid seine Ansichten über
Stimmbildungslehre gleichfalls näher präzisieren.
Er schreibt ferner: Dringender Erwägung bedürftig
ist die für den Gesangunterricht an den Schulen
zugemessene Zeit. Sie ist an vielen Anstalten viel
zu knapp bemessen und entbehrt jeglicher Ein-
heitlichkeit. Es wäre zu verlangen: „Eine der
Wichtigkeit des Gesaugunterilchts entsprechende
angemessene Stundenzahl, die für alle Anstalten —
der Grösse angemessen — gleichmässig festgesetzt
wäre und die es ermöglicht, wenigstens im Anfang
die Ausbildung des einzelnen Schülers zu über-
wachen und ihn zum richtigen Gebrauch seines
Sprach- und Gesangsorgans anzuleiten.^* Ebenso
wären Vereinbarungen über die mutierenden Schüler,
ihre musikalische Fortbildung zu treffen, sowie
dem Missbrauch der gar zu leicht zu erlangenden
Dispensationen vom Gesangunterricht zu steuern.
— Auch über diese Punkte wird Herr Zureich
Ausarbeitungen einreichen.
.Herr Ernst Paul -Dresden, Seminarober-
lehrer, fügt Aufgabe II des Arbeitsplanes „Die
Beform des Gtesangunterrichts an Volksschulen
und die Ausbildung der Gesangslehrkräfte an den
wissenschaftlichen Lehrer- und Lehrerinnen-
seminaren** einige Bemerkungen hinzu, welche in
grossen Zügen die Hauptaufgaben des Musik-
unterrichts an den wissenschaftlichen Lehrer-
seminaren skizzieren und a) die zu erlangenden
Musikkenntnisse und Fertigkeiten, b) das gesangs-
technische Rüstzeug der Seminaristen feststellen,
c) die Art der Einführung in Methode und Praxis
klarlegen. Seine sehr wichtigen Ausführungen
kommen nebst einem „Lehrplane für den Ge-
sangunterricht in der Üebungsschnle des
Dresdener König!. Seminars** in dem heutigen
Beiheft „Lehrpläne— Lehrziele** zum Abdrack.
Von Herrn Gustav Beckmann-Essen lag
folgender Antrag vor:
„Die nicht zum Schulchor herangezogenen
Schüler der Klassen Qnar^a bis Prima inkl. haben
wöchentlich 1-2 Stunden einstimmigen Gesang.**
Begründung. „Nach den aufgestellten Lehr-
plänen für höhere Schulen soll jeder Schaler der
Klassen Quarta bis Prima 2 Stunden Gesang
haben. Nun besteht aber in den allermeisten
Schulen die Einrichtung, dass nur die mit gutem
musikalischen Gehör und schöner Stimme be-
gabten Schüler zum Chorgesange herang^ezogen
werden. Schon vielfach ist dem Direktor meiner
Anstalt der Wunsch von Eltern ausgesprochen
worden, dass auch die oben bezeichneten Schüler
im Gesänge unterrichtet werden möchten. Um
nun diesen berechtigten Wünschen zu entsprechen,
hat Direktor Dr. Steinecke Vorsorge getroHen,
dass diese musikalisch weniger begabten Schüler
von Ostern 1905 ab wöchentlich 2 Stunden ein-
stimmigen Gesang haben. Zur Einübung sollen
nur leichtere Sachen liedmässigen Charakters ge-
langen. Das Kunstlied und die Eunstgesänge
sind, da sie sich weniger oder gar nicht zum
Klassengesange eignen dürften, grundsätzlich aus-
geschlossen. Dem Inhalt nach müssten besondere
Wander-, Soldaten-, Turn-, Natui-, Vaterlands-
und Heimatslieder gehörsmässig zur Einübung ge-
langen. Auch gute und fröhliche Studentenlieder
sollen in der 1. Gruppe (Obersekunda - Oberprima'
Berücksichtigung erfahren. Die oben angegebenen
Lieder sind mehr für die Schüler der unteren
Klassen (Quarta - Untersekunda) bestimmt. Um
auch hier einen einigermassen reinen Gesang zu
erzielen, sind die Schüler, die noch nicht mutiert
haben, streng von den anderen zu scheiden. Im
wesentlichen trifft dieses bei der obigen Teilung
der Klassen schon zu.
Bei der Einrichtung dieser Kurse wird nun
zweierlei erreicht. Einmal wird dadurch dem Ge-
sanglehrer die Sichtung des gesamten Stimm-
materials wesentlich erleichtert, da kein Schüler
sich mehr am Gesang vorbeidrückeu kann, und
zum anderen werden die zum einstimmigen Gesang
bestimmten Schüler vor sogenannten Gasaenhaaern
mehr oder weniger bewahrt, ganz abgesehen na-
türlich von der gesunden Lungengymnastik, die
jeder Gesang im Gefolge hat* —
In der Kommissionssitzung, in der der vor-
stehende Antrag zur Beratung kam, erinnerte Herr
Domsänger Georg Rolle -Berlin daran, dass er
ähnliche Ansichten bereits in seinem Beferat aof
dem Kongress ausgesprochen und für die allge-
meine Einrichtung von Klassen für unbegabtere
Schüler zu einstimmigem Gesang plaidiert Ef
selbst habe diese Einrichtung an seiner Realschule
seit Innrer 2jeit getroffen, er dispensiere nur solche
Schüler, die während des Gesaagunterrichts in der
Sexta und Qainta sich als vollständig nnmnsi-
kalisch erwiesen hätten oder krank seien. Die mu-
tierenden Schüler dispensiere er nicht, sondern
diese seien durch Zuhören oder theoretische Ar-
beiten zu beschäftigen. Die Willkür im Gesang-
Unterricht, hervorgerufen durch die mangelnde
Kontrole, trägt einzig die Schuld, dass derartige
Einrichtungen nicht allgemein getroffen sind.
Allerdings stehen im Schulplan für jede Klasse
2 wöchentliche Gesangsstunden, aber auf sehr
vielen Anstalten, besonders schwach besuchten,
ist die Zahl der Gesangstunden eine so geringe,
65 —
dass nicht jeder Schüler 2 solche Stunden erhält.
Herr Direktor Handwerg beklagt es, dass der
Gesangunterricht bereits in Qaarta aufhört;
die Unwissenheit der grösseren Schüler, die nach
der Mutation wieder am Gesang teilnehmen, Ist
erschreckend. Dasselbe betont Herr Musikdirektor
Wiedermann. Bei dem Chorgesang in den hohen
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Die Aufnahme-Prüfung findet an den Tagen Mittwoch und Donnerstag^, den
26. und 27. April 1905 in der Zeit von 9—12 Uhr statt. Die personliche An*
meldung zu dieser Prüfung hat am Dienstag, den 25. April im Bureau des
Conservatoriums zu erfolgen. Der Unterricht erstreckt sich auf alle Zweige der
musikalischen Kunst, nämlich Klavier, sämmtl. Streich- und Blasinstrumente,
Orgel, Concertgesang und dramatische Opernausbildung, Kammer-, Orchester-
und kirchliche Musik, sowie Musikgeschichte und Theorie.
Prospekte in deutscher und englischer Sprache werden unentgeltlich aus-
gegeben.
Leipzig, Januar 1905.
Das Directorium des Königlichen Conservatorium der Musik.
Dr. Röntsch.
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BERLIN N.
5—7 Johannls-8tr.
Für die Redaktion Terantwortlich: Anna Morsch, Berlin W., Ansbacherstr. 87.
Expedition und Verlag ^Der Klarier- Lelirer^«, M. V^olff, Berlin W., Ansbacherstrame 37.
Dmclc: J. S. Preuss, Berlin S.W., Kommandantenstr. 14.
Der Rlavier-Iiehrer.
Musik-pädagogische Zeitschrift für alle Qebiete der Tonkunst
Organ der Deutschen Musiklehrer-Vereine,
der Musik -Sektion des J\. D. L-V. und der Tonkünstler-Vereine
zu Köln; Dresden^ Hamburg, Leipzig und Stuttgart.
Begründet 1878 von Professor Emil Breslaur.
Redaktion: Anna Morsch
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XXVlil. Jahrgang.
lahalt: Eugen Schmitz: Hugo Wolfs „Penthesilea". (Schluss.) Georg Capellen-Oanabrack: Tonachrift-Reform Capellen. (Fort-
setzung.) Max Hermanny: Iwan Knorr*s Marienlegende. Dr. Karl Storck: Kritische KOckschau Über Konzert und Oper.
Mitteilungen von Hochschulen und Konservatorien. Vermischte Nachrichten. Bücher und Musikalien, beaprochen von Prof.
Arno Kleffel, Eugen Segnitz und Dagobert LÖweothal. Vereine. Anzeigen.
Ha&o Wolfs „^eotb^^sllea**.
Eine hermeneutische Studie
von
ISni^eii SehmltsB.
(Schlass.)
Der zweite Teil unserer Tondichtung trägt
die Ueberschrifl: ,Der Traum Penthesilea's
vom Rosenfest**. Wie ungemein dankbar diese
Idee namentlich für einen musikalischen
Lyriker ist, leuchtet auf den ersten Blick ein.
In diesem — leider recht kurzen — Teil, gab
denn auch Wolf sein Bestes; diese Musik
steht ebenbürtig neben seinen besten Lied-
schöpfungen. Das Thema, in klangvollem
As dur gehalten, ist eine wunderbare Eingebung,
wie sie nur Genies ersten Ranges zuteil wird.
Violinen, Flöten und Klarinetten bringen
es zuerst. Der Charakter des weich Hin-
schmelzenden, Sehnsüchtigen, wie er in dem
abwärtsschreitenden, chromatischen Tongang
des 2. und 3. Taktes sich ausspricht, findet
in der zwar sanft (— wie ganz anders würde
hier eine grosse Septime wirken! — ), aber doch
energisch auftretenden, kleinen Septime einen
wirksamen Gegenpol, der das Thema vor der
Gefahr, in's Weichliche zu verfallen, schützt.
Unter fortwährenden leisen Arpeggien der
Harfe wird das Thema von den verschiedenen
Instrumenten übernommen. Die holdesten
Bilder weisen sich in hehrster Ahnung der
schlafenden Königin. Da plötzlich tritt in den
Bässen, wie ein feindlich drohendes Unheil,
eine Gruppe von wuchtig abwärts schreitenden
Tönen ein:
^
^
UUi:^4^
1
die Bewegung wird lebhafter, die Posaunen
bemächtigen sich des drohenden Motivs, indem
sie ihm eine noch breitere und wuchtigere
Fassung geben:
E^
m
^
^m
I
in den hohen Streichern fängt es an zu
schwirren, die Hörner mischen klagende Seuf-
zer hinein (man denkt dabei unwillkürlich an
die berühmte Fagottstelle in der Einleitung der
Freischützouvertüre.) Die wonnigen Traum-
bilder sind verschwunden, unruhig wälzt sich
- 70 -
Penthesilea auf ihrem Lager, ein kräftiger
Sechfcehnt^Uauf der Violinen: sie fährt vom
Lager auf, sie ist erwacht.
Unmittelbar anschliessend beginnt nun der
dritte und längste Teil der sinfonischen Dich-
tung. „Kämpfe, Leidenschaften, Wahnsinn,
Vernichtung" hat Wolf ihn überschrieben; er
verschmäht es, irgendwelche malerische De-
tails zu bringen. Das Seelenleben der un-
glücklichen Königin schildert er uns in einem
erschütternden Gemälde. Mit voller Kraft
setzt das Orchester in fmoU ein; zu einer
bleibenden Motivbildung kommt es zunächst
noch nicht, nur Bruchstücke und Ansätze
bringen die verschiedenen Instrumente. In
den Holzbläsern taucht dann zunächst ein
Thema auf:
i%2 «
m
^
-4r_
^
^
das namentlich durch seinen dritten Takt für
die weitere Entwickelung von Bedeutung ist;
einige zwanzig Takte lang beherrscht es aus-
schliesslich die Flöten, Oboen und Klarinetten,
während die Violinen sich in mkchlvoU auf-
wärts drängenden chromatischen Gängen, die
teilweise in wuchtigen J gehalten sind, dazu-
gesellen. Im Blech und in den Bässen kün-
digt sich mit immer wachsender Entschieden-
heit der Rhythmus: J #1 J J an, in welchem
das neu einsetzende eine Hauptthema unseres
Satzes gehalten ist:
2gEeig^iP^
±
Das Wilde Aufbäumen der kraftvollen Viertel-
triolen verleiht dieser melodischen Phrase mit
eminenter Charakteristik den Typus des
Leidenschaftlichen, gemischt mit einem Zuge von
kampfesfrohem Heroismus. Den einen Gegen-
pol dazu bildet ein gleichzeitig in den Cellis
erstmalig auftretendes längeres Melodiegebilde :
aus dem resignierender Unmut spricht, wobei
jedoch der . kraftvoll aufstrebende Schluss
nicht zu überseheri ist. Ein zweiter und noch
wichtigerer Gegenpol ist dagegen das ebenfalls
in den Oboen eintretende Liebesmotiv:
U\' r I r^Ji-fU^p^^m
das einen Hauch Tristan'schen Geistes ver-
spürt hat und das sehnsuchtsvoll liebende
Weib Penthesilea charakterisiert. In der nächsten
Folge der Entwicklung reisst die Triolenbe-
wegung vom Beispiel 11 die Herrschaft an
sich; in den Hörnern zeigen sich Ansätze zu
dem aus dem zweiten Teil bereits bekannten
drohenden Thema 9, bis sich die ISlemente
der Themen 11, 12 und 9 in den Violinen zu
einer neuen Melodie vereinen:
i
fe
es
±
r_aULiJ ]
i
fe^
m
^^^i^-^i
=i=
1
in der alle bisherigen Affekte zu einem Auf-
schrei wutvoller Verzweiflung vereinigt er-
scheinen; plötzlich bricht die hochleidenschaft-
liche Stimmung ab : das fT geht in ein unver-
mitteltes pp über, in einer Solovioline ertönt
das Thema des Liebestraumes aus dem
zweiten Teil (Beispiel 7) und Klarinette und
Oboe lassen dazu die sehnsüchtige Liebesme-
lodie, Beispiel 18 (diesmal in Viertelbewegung)
hören. Doch das ist nur ein momentaner
Ruhepunkt vor dem furchtbarsten Ausbruch
des Sturmes. Eine Art Umkehrung von Bei-
spiel 12 erscheint in den Bässen, abgelöst von
wild stürmenden Rhythmen der Bläser und
Streicher :
I
bis auf den Gipfel der Leidenschaft Therna 9
mit vernichtender Kraft in den Posaunen er-
tönt; in den Holzbläsern und Violinen aber
erscheint der zur Grimasse verzerrte erste
Takt des Motivs des Liebestraumes:
Abermals legt sich der Sturm; wie eine
rührende Klage ertönt ein rezitalivisch dekla-
miertes Bratschensolo, dann folgt wieder un-
- 71 -
entstellt das Motiv des Liebestraumes, aber
diesmal im 4teUigen Rhythmus. Den ersten
und zweiten Takt desselben greifen alsbald
die Violinen auf, ihn einigemale auf immer
höhere Stufen transponierend; ein wilder
Triolenrhythmus erfasst das ganze Orchester,
aus dem nun die markigen chromatischen
Viertelgänge der Blechbläser herausiönen.
Nun folgt in den Bässen ein genaues Citat
der rollenden, stürmischen Sechzehntelfiguren
aus der Einleitung unserer sinfonischen Dich-
tung (vgl. Beispiel 1 den Bass), während in
den Violinen Thema 14 mit kleinen Ab-
weichungen und auf die Hälfte reduzierten
Werten erscheint; im Drange der Entwicklung
bleibt schliesslich nur das Motiv:
^^
übrig, welches atemlos hin und her gehetzt
wird. Die nun folgende Partie ist eine fast
ganz genaue Repetition der Einleitung zum
ersten Teil (Aufbruch der Amazonen), nur im
Einzelnen viel wilder und stürmischer noch
gehalten. An der Stelle jedoch, wo im ersten
Teü der „Marsch" beginnt, tritt hier ff mit
mehrmaliger Steigerung das Thema 16 ein,
die Verzerrung des Motivs des Liebestraumes,
dann einige Ansätze zu Thema 11, schliess-
lich in denkbf^r grösstem dynamischen Auf-
wand Thema 9: der endgültige Vernichtungs-
schlag. Wie ein ermattendes Zusammenbrechen
ertönt es in Hörn und Posaune:
^^ftöi
dazu dumpfer, ersterbender Paukenwirbel. In
reinem Glänze strahlt aber nun noch einmal
das Auge der sterbenden Königin. Das Motiv
des Liebestraumes erklingt nochmals in unge-
trübter Klarheit; mit einem versöhnenden Ein-
druck wird der Hörer entlassen.
Wir haben zuletzt bei Besprechung der
melodischen Kombinationen es nicht mehr für
nötig erachtet, die jeweiligen Affekte aus-
drücklich zu kennzeichnen, einmal weil sie
keinesmal zu verkennen sind, und dann, weil
sie, im Grunde genommen, sich stets gleich-
bleiben. Und darin liegt ein nicht zu ver-
kennender Mangel dieses letzten und längsten
Teils unserer sinfonischen Dichtung. Wolf
geht hier allzu einseitig auf die Darstellung
der stürmischen Leidenschaften in ihren ele-
mentarsten Erscheinungen aus. Das Thema
der Liebessehnsucht (Beispiel 13) hätte viel
ausführlicher und eindringlicher in dem thema-
tischen Aufbau verflochten werden sollen, wo-
durch nicht nur die Entwicklung der Affekte
eine menschlich logischere, sondern auch die
rein musikalische Offenbarung eine viel kon-
trastreichere geworden wäre.
Wolf hat das selbst sehr wohl gefühlt
und deshalb noch in seinen letzten Jahren
einen langsamen Mittelsatz für diesen Schluss-
teil nachkomponiert, den er aber dann, wie
schon eingangs erwähnt wurde, später wieder
vernichtet hat. Auch der rein musikalische
Aufbau dieses Schlussteils ist trotz der kunst-
vollen Motivarbeit nicht so geschlossen, wie
der der beiden anderen Teile; allein das kann
dem Charakter des Ganzen keinen Abbruch
tun, und ausser allem Zweifel besitzen wir in
Wolfs „Penthesilea** einen wertvollen neuen
Bestandteil unseres instrumentalen Konzert-
repertoires, der nicht nur als Werk eines
genialen Liedermeisters, sondern auch kraft
seines eigenen künstlerischen Wertes sich
wohl behaupten kann. —
^oi)scbFlfNRcfopif) (Sap^llei)^
»enibeiia awf de« Priiuip der EiRbeitlUAReit URd KelatiMtat der ZeicDeR,
ohne JlenderNiig m noteii- uad £iiiieii$y$teiR.
Von
Georg; Oapellen-Osnabrllek.
(Fortsetzung.)
7. Für den Komponisten fällt die Kalamität
des Vergessens von Verse tzungszeiclieii nnd die
Peinlichkeit des Korrekturlesens fort, da die strikte
Befolgung der Regel: Hauptt^ne der vorgezeioli-
iieteu Tonart stets ohne, versetzte Haupttr>ne
(Nebentöne) stets mit Keil (Schrägstrich!) eine
viel grössere Sicherheit der Handschrift gewährt,
als die übliche Schrift mit ihren weiterwirkenden
nnd Wiederherstellungszeichen.
8. Durch die relative Methode wird das Trans-
72 —
ponieren ganz bedeutend erleichtert, wegen der
G-leichlieit aller chromatisch-enharmonischen Ton-
Leitern (Fig. 2 gegenüber Fig. 1, Fig. 4 gegentiber
Fig. 3!). Nur sehr wenigen wird es gelingen, in
Fig. 3 die Notierung in D-dur mühelos direkt
nach Des-, H-, B-dur zu übertragen, da die ab-
solute Methode je nach den Tonarten eine Aenderung
der Versetzungszeichen erfordert.
9. Auch der Harmonie-, Klavier- und GJesang-
unterricht muss von der gleichen Notierung aller
Tonleitern, von der Hervorhebung der Haupttöne
gegenüber den Nebentönen, also des Wesentlichen
gegenüber dem Unwesentlichen den grössten Nutzen
haben.
10. An Zeit und Baum wird durch die neue
Tonschrift erheblich gespart.. Handschriftlich er-
fordern Jl und ll} 4 Striche, während die Haupt-
sache, die Note, mit 1 oder 2 Strichen (Bogen)
fertig wird. Dagegen verlangt die neue hand-
schriftliche Signatur nur einen Strich. Dass dem-
gemäss die 2ieiterspamis durchschnittlich eine
vierfache ist, wird durch die Untersuchungen be-
stätigt. So ist in dem Myrten- und Bosenliede
von B.. Schumann die Anzahl der Tonversetzungs-
striche bisher = 472, jetzt dagegen nur r= 128. (Für
^ und X sind 2 Striche gerechnet.) Noch mehr
wird an Zeit und Baum gewonnen, wenn die Ton-
artvorzeichnung nur einmal bei Beginn jeder
Seite gesetzt wird. Die Wiederholung der Vor-
zeichen vor jeder Zeile ist nicht nur unbequem,
sondern auch unlogisch, da sie der Taktfort-
schreibung, wie 6ie bei endloser Zeile sein würde,
widerspricht. (Wird ein Takt zur einen Hälfte
auf die endende, zur anderen Hälfte auf die neu
anfangende Zeile gesetzt, so empfiehlt sich vor
letzterer ein gestrichelter Taktstrich).
Auch dadurch wird an Baum gespart, dass
die Keile (Schrägstriche) sogar bei Terzintervallen
unter einander gesetzt werden können, während
bisher ttv t[r t^ wegen ihrer Höhenausdehnung nicht
einmal bei Quart- oder Quintintervallen unter
einander treten konnten (Figur 4 gegenüber
Figur 8!).
11. Das Stecherhandwerk wird, ebenfalls er-
leichtert, da ein einziger Stahlstempel für die
Note und den mit ihr fest verbundenen Keil aus-
reicht und jeder Stempel sowohl für Erhöhung wie
Erniedrigung gebraucht werden kann.
Gegen die 11 aufgezählten Vorzüge der Keil-
schrift lassen sich 3 Einwände erheben, die aber
leicht zu widerlegen sind:
a) Man kann sagen, es sei umständlieh, gleiche
Tonversetzungen im selben Takt immer aufs neue
zu kennzeichnen; z. B. müsse in C-dur bei 4 dis-
Tönen innerhalb eines Taktes jede Note den
Schrägstrich (Keil) erhalten. Ganz recht! Jedo<-h
bedenke man, dass die viermalige Strichanbringong:
nicht mehr 2jeit beansprucht, als ein einmal ge-
setztes jl mit ebenfalls 4 Strichen.
Fühlbar würde die Umständlichkeit erst l)ei
Achtel-, Sechzehntel- etc. Noten w^erden; daher
empfiehlt es sich hier, die Notenstiele ohne die
Köpfe als Vertreter identischer Noten und Akkord«-
zu setzen. (Fig. 5.) Diese „Bepetierstriche" verun-
stalten, wenn sie zu mindestens zwei aufeinander
folgen, das Notenbild durchaus nicht, ja, sie sind
sogar eine Erleichterung für das Auge, daher aucli
für den Notendruck geeignet.
2. Es fragt sich, ob bei Se kun d no ten die Keile
immer deutlich anzubringen sind. In der Tat kann
dies bei entsprechender Ordnung der Sekimdnoten
stets geschehen, wie folgende Beispiele zeigen:
^uk»\'»\L iid.l.^-^KJ \^''^^''f I jf/^
Handschriftlich würde die hier erforder-
liche Ueberleg^ng stören; daher kann mit Beib«»-
haltung der üblichen Notenstellung und der Strich-
richtung ausnahmsweise die Bechts- und Links-
stellung der Striche geopfert werden, wie tolfrt:
i
w^
^-*
i
^f''#ri4<
Ob nicht auch für den Notendruck diesen
Ausnahmeverfahren sich eignet, darüber mag die
Praxis entscheiden.
3. Schliesslich ist dem Einwand der Gewohn-
heit einfach durch den Hinweis zu begegnen, dass
ihre Macht schon einmal auf dem Gebiete der
Tonschrift gebrochen wurde, indem noch bis in;«
18. Jahrhundert hinein |? das Auflösungszeichen
des jl und ^ oder ll| das Auflösungszeichen des ^
war. (H. Biemann, Musiklexikon sub „Versetzungs-
zeichen'*). Wenn es gelang, denselben Zeichen
einen anderen Inhalt einzuimpfen, so muss es doch
erst recht gelingen, einem unähnlichen, also nicht
stöi'enden Zeichen, wie es der Keil ist, Eingang zu
verschaffen, zumal angesichts der enormen Ver-
einfachungen und Erleichteiningen, welche dir
neue Schrift und Methode mit sich bringt.
(Fortsetzung folgt.)
— 73 —
i^Qt) ]4i)0i*p's ^ai*iei)leS^i)d«.
Nicht häuüg sind heute solche Kunstwerke,
die einen tiefen, bleibenden Eindruck hinterlassen,
die wert sind des stillen, eindringlichen Sinnens,
des leisen, verständigen Nachwandelns der heim-
lichen Wege des Künstlers, das allein zu seelischem
Begreifen führt. Wir haben ein solches tüchtiges»
fertiges Werk in der „Marienlegende" für Soli,
Chor und Orchester von Iwan Knorr, die am
17. Januar d. Js. in Frankfurt a. M. durch den
KüM'schen Gresangverein zum ersten Mal aufgeführt
wurde, vor uns.
Wenn man die sechs Volkslieder liest, die der
Komponist ausgesucht und zusammengestellt hat
und die ihn verlockten, den ganzen gewaltigen
Apparat der modernen Ausdrucksmittel zu be-
nutzen, nur obenhin liest, möchte man versucht
sein zu fragen:
„Wie kann man mit so einfachen Dingen
solchen Aufwand treiben?"
Sieht man jedoch genauer zu, liest man die
(redichtchen in ihrer schlichten Einfalt so, wie sie
gelesen sein wollen, wie G-oethe zu lesen wusste,
dann vertieft sich die Frage schnell. Es wächst
das Einfache aus zu einem wundersam Vielfältigen,
bloss Angedeutetes gewinnt Bedeutung, Verstecktes
kommt zu Tage. Scheinbar lose nebeneinander
stehende Begebenheiten reihen sich zu einem ge-
schlossenen Schicksale des Lebens der Mutter
eines göttlichen Sohns, eines Lebens mit Almung
und Erfüllung, Freude und Sorge, Leid und Ver-
klärung.
„Wir verehren die Götter, als wären sie
Menschen."
Das ist dafi unsäglich Bührende dieses Lebens
der Maria, dass es ein Menschendasein ist. Li
tausendfacher Crestalt wird immer wieder ihr Los
erlebt von Müttern, auch wenn sie keinen Gott
geboren haben.
Einen GK>tt! warum einen Gott? Auch des
Gottessohnes Erdenwandel ist Menschenschicksal.
Welcher Bessere fühlte nicht die Beschränkt-
heit des vergänglichen Lebens, die Enge, die Not?
welcher nicht die inbrünstige Sehnsucht, sich und
die Menschheit darüber hinauszutragen?
Und wenn ein Guter dahingegangen und sein
sterblich Teil im Schosse der Erde geborgen ist,
erhebt sich dann nicht das Unvergängliche und
zieht uns nicht die von den Schlacken des Lrdischen
gereinigte Gestalt nach sich in die Gefilde des
Seligbefreiten?
Ich meine, man braucht nicht Katholik, nicht
Christ zu sein, um das Kunstwerk zu verstehen;
man braucht nur Mensch zu sein.
Der Komponist, welcher dieser hohen Idee
eines Kunstwerks gerecht werden wollte, in dem
Von
Max HermaiiBj«
Menschliches zu göttlicher Grösse und Schönheit
sich steigert, bedurfte in der Tat der ganzen
Mittel. Schon bei der grossen Disposition über
die Verwendung dieser Mittel, in der Wahl der
Form, zeigt sich die natürliche Weisheit und der
feine Sinn des Künstlers.
Die Lieder sind das Führende, das Orchester
gibt den Grund.
Was für Lieder? Wie wunderbar hat Knorr
den Ton getroffen. Volkston wird man ihn
nennen können, wiewohl eine solche scheinbare
Einfachheit das Ergebnis einer künstlerischen
Oekonomie ist, die nur der fertige Meister besitzt.
In ihrer Geschlossenheit und Schlichtheit sind die
Melodien Muster, in Wohlklang und Fülle suchen
sie ihresgleichen. Man meint, sie entstammten
entlegenen Zeiten, und in der Tat sind hier und
da alte Motive benutzt, aber dabei ist alles auf
die eigenartigste Weise neu.
Das Orchester gibt den Grund. Es ist damit
nicht gemeint, dass ihm die Bolle eines simplen
Begleiters zufiele; im Gegenteil, es ist durchaus
selbständig, soweit nicht das feste Gefüge der ein-
zelnen Tonsätze in dem Ganzen es bindet. Die kontra-
punktisch geführten Motive durchziehen in mannig-
faltiger Vermischung das Werk und geben ihm einen
ausserordentlichen Beichtum an Stimmungen und
Klangwirkungen, alles ohne den Gesamtchar^ter
des Satzes und den Gang der leitenden Melodie
zu stören. Das Werk ist im schönsten Sinne
polyphon.
Ueber Einzelheiten zu reden, liegt ausser-
halb meiner Absicht, aber eine kurze Charakteri-
sierung der einzelnen Sätze wird wenigstens einen
gewissen Begriff von der Anordnung und Ent-
wicklung geben.
1. „Mariae Traum" (Baritonsolo). — Der Gottes-
mutter träumt die Geburt des Heilandes, dessen
Ende hier schon vorwegerzählt ist: „Mit seiner
bittem Marter hat er uns all* erlöst."
Der Satz bildet gewissermassen die Exposition.
Er ist traumhaft geheimnisvoll, andeutend dunkel.
Die im Ganzen vorkommenden musikalischen
Motive, die sich später an ihrer Stelle frei zeigen,
sind hier sozusagen versteckt eingewoben.
2. „Des Heilands Geburt" (Mit Benutzung der
Choralmelodie: „Uns ist ein Kindlein heut ge-
boren.") — Chor. — Ein Gesang der Freude und
jubelnder Lust über die Geburt des Erlösers.
3. „Maria an der Wiege". (Altsolo.)
Ein innigsüsses Wiegenlied. All* die warme
Güte der Mutterliebe- und -sorglichkeit scheint es
mir zu erschöpfen. Von unbeschreiblicher Wirkung
ist der gedämpfte Befrain des Chors: „Jesulein,
schlafe ein!"
~ 74 —
4. „Mariae Meerwandening.*' (C>hon)
„Maria, die miisst' wandern weit.
Um Jesnm trug sie bitter T^eid."
Sie kommt ans Meer. Der Schiff smann macht
zur Bedingung der Ueberfahrt die Eh'. Da geht
die Grottesmutter unter überirdischen Zeichen über
das Wasser. Die Grlocken auf Erden und im
Himmel läuten. Das Hohe darf durch das Ge-
wöhnliche nicht entweiht werden! Dem Schiffs-
mann bricht das Herz. — Auch dieser Satz ist \in-
endlich zart und lieblich. Der abgerissene Schluss
ist ganz im Sinne der Volkspoesie.
5. „Maria vor dem Kreuze." (Chor, Sopran-
solo, Baritonsolo (Jesus), Tenorsolo (Johannes.) —
Der Satz ist dramatisch bewegt; Trauer der Maria,
zur Verzweiflung gesteigert; übermenschliche Liebe
des Sohnes im Tode; er empfiehlt die Mutter dem
Johannes; Versprechen des Johannes; Tod des Hei-
landes, düster, gewaltig.
Wegen ihrer Tiefe und klassischen Einfachheit
erwähne ich zwei Stellen, die auch der Komponist
bewältigt hat, aus den Worten Jesus' :
^Nimm's <die Mutter ) bei der Hand und führs
hin tau.
,.Dass sie nicht seh' meine Leiden an.
Aus des Johannes' Erwiderung :
„Ich will sie trösten also sclKin,
„Wie'n Kind seine Mutter trösten soll.
So etwas spricht für sich selbst.
6. „Mariae Tröstung." (Erauencbor, die Engt^l,
Soloquartett; Chor. Mit Benutzung der Choral -
melodie: Christus ist erstanden.) — Eine Hymne
von grösster Wucht und Stärke. —
Es ist ohne weiteres klar, wie in diesem
Werke Mildes und Zartes mit Erhabenem und
Grrossartigem sich mischt luid, wenn ich sage, dass
Knorr an keiner Stelle das Mass des Gegebenen
überechritt, so ist das das höchste Lob, welches
man einem Künstler erteilen kann.
Ich weiss, dass die besten Worte über ein
Kunstwerk die Wirkimgen nicht ersetzen, die in
ilun selbst liegen; aber anregen können sie viel-
leicht und Lust zur Aufführung erregen.
= Kritische Biickschau =
über Konsert und Oper.
Von
Dr. Karl »torck.
Wir stehen jetzt im Höhepunkt der Konzert-
saison, indem meistens Beachtenswertes geboten
wird. Die Neulinge, die die Wiedereröffnung der
Konzertsäle nicht abwarten konnten, sind nun in
die ersehnte Oeffentlichkeit eingeführt und haben
allen Grund, auf die Kritik zu schimpfen, die in
ihnen das Genie nicht zu entdecken vermochte,
an das sie selber so fest glaubten. Nun kommt
erst wieder gegen Schluss der Spielzeit ein ganzer
Schwann halb unfiügger Konzertvögel, die wie-
derum nicht bis zur nächsten Spielzeit zu warten
vermögen und jetzt schon mit dem vom Lehrer
überkonmaenen künstlichen Flugapparat fliegen zu
können glauben. Aber von der zweiten Hälfte
Januar ab und im Februar beherrschen die bereits
Bekannten und Erprobten das Feld. Auch da ist
sehr viel falscher Schein. Auch von diesen Kon-
zerten könnte man die grösste Hälfte gern ent-
behren. Zumal seitdem es bei jedem Konzertgeber,
der etwas bedeuten will, Gewohnheit geworden
ist, mehrere Konzerte zu veranstalten. Künstler,
die man an einem Abend reichlich genug kennen
lernt, die mit der Zusammenfassung aller Kräfte
für ein einzelnes Konzert auch wirklich Beachtens-
wertes zu leisten vermöchten, veranstalten drei,
oft noch mehr Abende, bei denen dann na-
türlich auch mancherlei FüDsel unterläuft. Wir
Kritiker haben es in dieser Zeit besser; denn da
die Mehrzahl der erprobten Künstler sich nur mit
erprobten Werken abgibt, genügt es eigentlich.
wenn wir sagen, dass der und der sein Konzert
gegeben habe. Erst recht trifft das für die
Wiederholungsabende zu. Hin und wieder a!)er
darf nun auch der Kritiker bloss Empfangender
sein, und das ist selbst dann ein angenehmer Zn-
stand, wenn das Gebotene einen geistig nicht mehr
tiefer aufzuregen vermag, weil man es oft, allzu
oft bereits genossen hat.
Ich besitze eine selir elastische Natur, aber es
fällt mir doch, offen gestanden, recht scrhwer.
selbst Werken von Beetlioven gegenüber sofort in
die richtige Weihestimmung des Geniesseuden zu
konmien, mich von Vergleichen fernzuhalten oder
nicht mit einer gewissen Uebersättigiuig mir ein
Konzert, das ich in dieser Saison vielleicht schon
zwauzigmal hören musste, inmier wieder vorspielen
zu lassen. Und gerade, dass man es so oft in un-
zulänglicher Weise si)ielen luiren musste, stört
einen auch bei der nun wirklich vollendeten Vor-
führung. Das ist die unglücklichst« Mode in im-
serem Musikleben, dass nur inmier die Werke
dieser ganz Grossen vorgeführt werden: das sieht
so grossartig aus und mag auch Uneingeweihten
den Eindruck einer hochstehenden Musikkultiu-
machen. In Wirklichkeit wäre es viel besser,
wenn die Anfänger uns die grosse Literatur zweiten
Ranges vorführen wollten. Es wäre das nicht nur
abwechslungsreicher luid belehrender für den Kon-
zertbesucher, sondern wäi'e auch für die Konzert-
geber von hohem Gewinn, sofern diese eher auch
— 76 —
die Kritik befriedigende Leistungen zustande
bräoiiten, weil man natürlich dann nicht immer
die durgebotene Leistung mit der vollendeten der
^n issteil Künstler vergleichen würde. Vor allen
Dingen aber niüsste auch in den grösseren Kon-
zerten Mozart einen viel breiteren BÄum im
Spielplan einnehmen. Danach wäre vor allen
Dingen die Mozartschule (Hummel, Henselt
u. s. w.) für Darbietungen jüngerer Künstler ge-
eignet. Jetzt spielen sie alle immer und immer .
wietleir Bach, Beethoven, Brahms, und immer
wieder dieselben gewaltigen Werke. Es ist, als
würden an unseren Theatern immer nur die
jLrnissten Tragödien Shakespeare's gespielt, aber mit
.stets wechselndem Darstellerpersonal, wobei dann
jede Auffühning Öffentlich gewürdigt werden
sollte. -
In der Berichtszeit hörte ich von bereits be-
kannten Sangeskünstlern Lula Mysz Gmeiner,
Therese Behr, Anna Stephan, Antonia Do-
lores, Julia C-ulp, Hertha Dehmlow, Tilly
Koenen, Maria Seret, Mary Münchhoff,
Susanna Dessoir, die Herren van Dyk, Lud-
wig Hess. Wüllner, von zur Mühlen und
Sven Sc holander. Ich will wenigstens einige
rharakterisiei'ende Worte zu geben versuchen.
Frau Mysz hat ihre feste Gemeinde, was bei
der schönen Stimme und der prächtigen Schule
derselben leicht erklärlich ist; aber ich glaube, die
Dame wird doch stark überschätzt. So Vollendetes
sie in der G-attung des Neckischen, Leichten bietet,
sc» versagt sie doch überall doit, wo es in die
Tiefen der Gefühlswelt geht. Da bietet sie iiuu
Mthöne Fonn, aber keinen starken Inhalt. Therese
Behr ist tiefer; aber sie erfasst mehr mit den
Nerven als mit starkem Gefühl. Ihre Darbietungen
haben deshalb, trotz aller scheinbaren äusseren
Ruhe, leicht einen Stich ins Nerviise, mitimter
sogar Krankhafte. Aber die Art, wie sie mit
ihrem Begleiter, Arthur Schnabel, Schumann's
..Dichterliebe" vorführt, ist wirklich ergreifend.
Kine reife Künstlerin ist Anna Stephan, deren
Darbietungen von einem starken Innenleben zeugen.
Leider sind bei der Ausbildung der Stimme so
schwere Mängel, zumal in der Atmung, geblieben,
dass es der Sängerin schon heute schwer fällt, einen
Saal zu füllen. Glücklichste Ausbildung des Organs
zeigt dagegen Antonia Dolores, deren ganzes
Wesen gesunde Lustigkeit ist. Julia Culp und
Hertha Dehmlow, beide im Besitze herrlicher
Stimmen, dringen immer tiefer ein ins wahre
Reich der Kunst, in dem Tilly Koenen nun
festen Stand gewonnen hat. Darum dürfte die
letztere auch bereits uns mehr vom Glück des be-
ruhigten Besitzes fühlen und braucht nicht bei
jeciem Liede das strhwere Ringen um die Höhen-
kunst uns miterleben lassen. Aber zu den er-
freulichsten Erscheinungen des Konzertsaales ge-
lüjren diese drei Künstlerinnen. Von der ihnen
allen eigenen vollen Hingabe an die Aufgabe wäre
Maria Seret etwas zu wünschen. Sie würde
dann zu einer volleren Ausnutzung ihrer herr-
lichen Mittel gelangen. Mary Münchhoff und
Susan na Dessoir wirken als bei uns recht
seltene Erecheinunp'en einer bewussten Schönheite-
kultur. Die ei'stere verlegt dabei den Nachdruck
auf die spielende Beherrschung schwieriger Formen,
die letztere adelt das einfache Gebilde durch sin-
nigen Liebreiz.
Von den genannten Herren ejittäuschte van
Dyk in jeder Hinsicht schwer: fast hätte man nur
von einem Routinier sprechen mögen. Ludwig
Hess und Ludwig Wüllner sind Meister der
Vergeistigung und glänzen darum dort, wo die
geistige Erfassung der Aufgabe den Ausschlag
gibt, versagen leicht, wo die rein sinnlichen Mittel
der Musik zur Lösung der Aufgabe berufen sind.
Von zur Mühlen, ein Nervenkünstler ersten
Ranges, hat es durch riesige Arbeit vermocht,
seine Stinmie zu gewaltigen Leistungeli zu zwingen
und alle Grade sinnlichen Ausdrucks seinen gei-
stigen Absichten dienstbar zu machen. Sven
Sc holander endlich, ja das ist doch der einzige,
dem ich immer noch einige Stunden länger zu-
hören möchte, als seine durch Zugaben ohnehin
sehr gedehnten Konzerte dauern. Da wird eben
jedes Lied zum Erlebnis. Es ist nicht mehr Kunst-
werk, das ins Leben tritt, sondern Blüte eines Er-
lebens. Die ganze Situation ersteht vor einem,
aus der das Lied erstand: die Personen, denen es
gehört, werden aus der allgemeinen Unbestimmtheit
zum Individuum verdichtet. Scholander singt
nicht sclum, aber es gibt wenig Menschen, bei
denen man so an ein Singen müssen glaubt, wie
bei ihm. Und so tut er, wie sein halbgöttlicher
Landsmann, der uralte Nöck: ,.mit Singen kann
er lachen und selig weinen machen."
Unter den Neulingen der Gesangskunst, die
sich voi-stellten, war keine geradezu zwingende
Persönlichkeit. Allenfalls könnte man das von
dem Tenoristen Paul Reimers behaupten, nur
dass dieser Künstler gai* zu sehr auf den einen
Ausdruck des weich Lyrischen festgelegt erscheint.
Sonst lindet man gerade bei Tenören selten eine
so feine Schulung. Hätte Hans Rüdiger nur die
Hälfte derselben, er würde einem viel Preude be-
reiten. Unter manchen schönen Frauenstimmen,
die ich bei Anfängeriimen hörte, sind mir die von
Gertrud Fischer und Franzi Tiecke am ange-
nehmsten in Erinnerung geblieben. —
Von den Instrumentalsolisten soll das nächste
Mal die Rede sein; heute gelte der Rest des
Raumes einer neuen Oper.
Die Königliche Oper brachte zur ei*sten Auf-
führung „Rübezahl und der Sackpfeiffer von
Neisse", Dichtung von E])erhard König, Musik
von Hans Sommer.
Das Werk hat eine ehrende Aufnahme und
eine ehrfurchtsvolle Ablehnung erfaliren. Ein
seltsames, aber im letzten Jahrzehnt bei ähnlich ge-
— 76
arteten Werken nicht seltenes Verhältnis. Hohes
Streben, bedeutendes Können, künstlerisches Ver-
mögen, vielfache Schönheiten im einzelnen und
schliesslich auch eine alle Vorzüge ins Licht
stellende Aufführung bringen bei der Erstauf-
führung jene achtungsvolle Stimmung zuwege, die
auf keinen Fall eine deutliche Ablehnung zulässt,
überdies aber auch den Beifall einer Minderheit
ruhig sich aussprechen lässt. Diese Stimmung
kann den Erfahrenen nicht trügen. Nach etlichen
Wiederholungen wird auch dieses Werk vom
Spielplan verschwinden und nicht wieder aufge-
weckt werden können. Mir tut's herzlich leid,
diese Ueberzeugung haben zu müssen; wie gerne
hätte man dem, dem Greisenalter nahen Kompo-
nisten, schon um seiner idealen Gesamthaltung
willen, einen daueniden Erfolg gegönnt.
Das Werk scheitert am nichtvei-standenen
Wagnerianertum. Sonmier ist bis zur Verleugnung
seiner im Kern volkstümlichen Nattu» Wagner-
jünger. Aber ach, wie die meisten, hat er nicht
erkannt, dass das Wesen der Kunst Wagner's Stil
ist. Stil aber heisst das. innige, innerlich be-
gründete Verhältnis von Wort, und Ton, ist das
gesunde Verhältnis der aufgebotenen Ausdrucks-
mittel zum Inhalt. Sommer aber übernimmt die
Musiksprache Wagner's und redet in ilu* von
Dingen, die viel zu klein und nichtig, um diese
schwere, grosslinige Ausdrucksweise zu recht-
fertigen. Man wird die Dichtung von Eberhard
König zumeist loben hören. Dennoch vei-schuldet
sie das Misslingen. Es ist von vornherein zu-
gegeben, dass Sprcbche und Charakteristik besser
sind als bei der Mehrzahl der Textbücher. Aber
die Sprache ist unmusikalisch, für die Vertonung
widerharig. Die Charakteristik aber verleitet den
Dichter zu plötzlichem Wechel zwischen idealisti-
scher und realistischer Sprechweise, der der
Musiker — vor allem aber der Wagnerianer —
nicht folgen kann. Das Schlimmste aber ist, dasfe
der Dichter nicht recht weiss, ob er eine Komödie
oder ein Trauerspiel beabsichtigt. Er endigt mit
dem Tod eines tyrannischen Landvogts, und die
Toten müssen auferstehen, um ihn Lüge zu strafen.
Wozu das alles? Damit das Pflegekind des Land-
vogts einen jungen Maler heiraten darf. Weiter:
der Landvogt ist ein Tyrann, das Volk empört
sich gegen ihn. Das Volk hat also eigentlicK
recht. Aber der Dichter verachtet mit dem Land-
vogt den wetterwendischen Pöbel und macht ihn
lächerlich. Bis zum Ende des dritten Aktes kann
man auf heitere Fortfühi-ung rechnen. Derdritt*
vei-spricht sie eigentlich sogar. Denn als Rübe-
zahl-Sackpfeiffer ins Gefängnis abgeführt wird, sagt
er: „Jetzt geht der Spass erst recht los." Ich
danke, wenn das Spass sein soll. Dabei hat dieser
Sackpfeiffer eine so köstliche Pfeife. Wer einen
auf rühreiischen Volkshaufen so schnell zum Tanzen
bringen kann, sollte doch auch ohne Grespenster-
spuk mit einem störrischen Landvogt fertig werden.
Nein, nein, da ist leider nichts zu retten. Audi
Sommer findet kein Mass. Sind denn Bauern
W^alhallbe wohner? Ist ein hübsches schlesisches
Maidlein eine W^alküre, ein unreifer, aber braver
Maler Siegfried? Man lacht daiüber, wenn dieser
dün*e Sclineider Kürassierstiefel anzieht, aber in
unserer Musik gibt's überhaupt keine kleinen
Schuhmasse mehr. Sie können alle auf der Bühne
weder recht stehen noch gehen. Noch einmal: es
ist schade um die schöne, vortreffliche Arbeit, das
elirliche Streben. Aber so ehrfurchtsvoll es ge-
schieht, wir müssen das Werk doch ablehnen.
Die Aufführung war gut. Obenan standen
die Herren Knüpf er und Berg er und Frau
Plaichinger. Kraus wäi-e hierbei ein rechter
Siegfried gewesen.
Mitteilungen
von Hoohsohulen n
An der „Freien Hochschule" zu Berlin
liest Hr. Dr. R. Hohenemser über „Die Ent-
wicklung der Tonkunst bis Beethoven." Klavier-
und G^sangsvorträge erläutern seine Darstellung.
Eine zweite Vortragsreihe über „Beethoven" wird
sich dem ersten Cyklus anschliessen.
DasKonservatorium der Musik zu Strass-
burg konnte am 6. Februar auf ein oOjähriges
Bestehen zurückblicken. Es wurde im Jahre
1855 von der Munizipalkommission der Stadt be-
gründet, der aus der „ApffeTschen Stiftung",
die von ihi*em Erblasser zur „Pflege der di-ama-
tischen und musikalischen Kunst" bestimmt war,
damals ein Zinsenertrag von 53000 Frcs. zur Ver-
fügung stand. Die Anstalt wurde mit 43 Zög-
lingen eröffnet, ilxr Leiter war der KapeDmeister
Hasselmans.
nd Konservatorien.
Die Königl. Musikschule zu W^ürzburg.
Direktor Hof rat Dr. Kliebert, veröffentlicht eine
Festschrift „Die zweiten 100 Konzei-te der Königl.
Musikschule", 1891-1906. Die kleine Schrift liefert
zugleich einen Beitrag zur C^hronik der Anstalt,
sie berichtet über die seit dem Winter 1875 einge-
richteten Konzerte der Musikschule, die den Zweck
verfolgen, Lehrern und Schülern der Anstalt eiue
anregende Ausübung ihrer Kunstfertigkeit zu
bieten. Sie haben sich im Laufe der Jahre l)e-
wähi't und bilden jetzt einen festen Kern iiu
öffentlichen Musikleben Würzburgs. Es finden iu
jedem Jahre 3 Orchesterkonzerte, 2 Kammermusik-
abende und je eine Oratorienaufführung und ein
Kii'chenkonzert statt. Die vorliegende kleine Fest-
schrift veröffentlicht die Programme der 2. hundert
Konzert/e mit ihren Ausführenden und bringt, zum
— 77
Srlilnt» noch eine systematische Zusammenstellung
der aufgeführten Werke.
Neue Ausbildungskurse in dem preisgekn'mten
Anschauungsunterricht von Fr. Dr. Luise Krause
Leiterin schon jetzt in ihrer Wohnung, Berlin W. ,
Marburgerstrasse 15, Anmeldungen entgegen.
Die Methode gewinnt immer mehr Boden, wie aus
zahlreichen Zuscliriften, die an Fr. Dr. Krause
beginnen im nächsten Quartal, und nimmt die gelangen, ersichtlich ist.
Vermischte Nachrichten.
Herr Gustav Lazarus- Berlin gab am
11. Februar in Wien im Saale Ehrbar ein Konzeil
mit eigenen Kompositionen. Zur Aufführung
kamen: »Trio* op. 56, E-moll, , Sonate ** op. 56, D-moU
für Violoncello und Klavier, bei denen ausser dem
Komponisten die Herren Karl Prill und Wil-
helm J^ral mitwirkten, eine Reihe Solo-Klavier-
stücke: ,3 Litermezzi", aus op. 15, „Air* aus op.
53; „Am Waldquell* aus op. 64 und ein «Sonaten-
satz- aus op. 73. Von Frl. Ella Koleit wurden
8 Sololieder gesungen. Herr Lazarus erntete so-
wohl als Komponist, als auch als Klaviei-spieler
reichen Beifall.
Der Herzog Friedrich von Anhalt hat den
Betrag von 1000 Mk. aus dem Erlöse der „Meister-
singer-Vorstellung* seines Dessauer Hoftheaters
vom 13. Februar ds. Js. (dem Todestage des
Meisters) dem „R. Wagner-Stipendien-Fonds
(Jubiläums- Stiftung") in Bayreuth überweisen
lassen.
Die von Oberbibliothekar Dr. Wilhelm Alt-
mann, Berlin, in seiner Broschüre ^Oeff entliche
Musikbibliotheken, ein frommer Wunsch" gegebene
Anregung zur Gründung einer Reichsmusik-
bibliothek, der auch im „Kl.-L. "eingehende Würdi-
gling zuteil ward, ist auf fruchtbai*en Boden ge-
fallen. Der Vorstand des Vereins der
deutschen Musikalienhändler in Leipzig
hat sich mit einer Eingabe an den Reicliskanzler
gewendet, in der er die Gründung einer Reichs-
musikbibliothek empfiehlt und mitteilt, dass
eine stattliche Reihe von deutschen Musikverlegeru
sich bereit gefunden hat, für eine zu begründende
Reichsmusikbibliothek ihi-e Verlagserzeugnisse
völlig kostenlos zur Verfügung zu stellen. Es
heisst in der Eingabe: Wenn es im allgemeinen
auch nicht als Aufgabe des Reichs gilt, für Kunst
und Wissenschaft zu sorgen, und dei-aitige Be-
strebungen bisher den Einzelstaaten überlassen
worden sind, so stellt das Reich doch andererseits
beachtenswerte Mittel für die Monuinenta Germa-
niae historica, für das Germanische Museum in
Nürnberg, für die archäologischen Institute zu
Rom und Athen, für das deutsche kunstlüstorische
Institut zu Florenz, für Vollendung des Gi-inmi'schen
Wörterbuchs, ja sogar für die ., Internationale Biblio-
graphie der Naturwissenschaften" zur Verfügung.
Hiemach wird es auch die für die Unterhaltung und
Verwaltung der Reichsmusikbibliothek erforder-
lichen Mittel nicht versagen und sii*h der An-
nahme der gewiss beachtensweiten Spende, die
den weitaus grössten Teil der musikalischen Welt-
literatur umfasst, nicht entziehen dürfen. Die
Bitten an den Reichskanzler werden schliesslich
folgendermassen formuliert: 1) den der deutschen
Nation seitens der deutschen Musikalienverleger
hiermit unentgeltlich dargebotenen Grundstock für
eine Reichsmusikbibliothek namens des Reiches
annehmen zu wollen, und 2) dem deutschen Reichs-
tage baldmöglichst eine Vorlage zugehen zu lassen,
durch die die Mittel zur Unterhaltung und Ver-
w^altung der Reichsmusikbibliothek gefordert
werden. Oberbibliothekar Dr. Wilhelm Alt-
mann wird als Organisator der Reichsmusik-
bibliothek empfolilen.
Die Kammersängerin Fanny Moran-Olden
Ist in Schüneberg im „Maison de sant^*" ihren
langen Leiden erlegen. Die Künstlerin hat ihr
50. Lebensjahr nicht voll erreicht. Als Schülerin
von Auguste Götze begann sie 1877 unter dem
Pseudonym Fanny Olden ihre künstlerische Lauf-
bahn in Leipzig, Dresden und Frankfurt a. M.
Als hervorragende Wagner-Sängerin wurde sie 18iH
für die Münchener Hofoper verpüichtat, an der
sie bis 1896 tätig war, sich aber durch ausgedehnte
Gastspieli'eisen, die sie durch Europa und Amerika
fülirten, ihren gi-ossen Ruf erwarb. Ihre ausser-
gewöhnlichen Stimnmiittel und ihre hervorragende
Gestaltungskraft machten sie zur vollendeten Ver-
körperung der verschiedensten Rollen der heroischen
Oper ganz besonders geeignet, ihre Ortrud,
Fidelio, Isolde, Brunhilde, Eglantine,
Nornia u. v. a. leben im Gedächtnis ihrer Höi-er
fort. Frau Moran-Olden ist im Jahre 1903 in
Breslau zum letzten Mal aufgetreten.
Herr Ludwig Riemann-Essen hielt in
Köln im dortigen Tonkünstler -Verein einen in-
teressanten Vortrag über ^den akustischen Ein-
tiuss der alten und heutigen Klaviere auf die
Kompositionstechnik", der mit praktischen Er-
läuterungen auf dem Virginal, Klavichord. Cembalo
und Hammerklavier begleitet war. Herr Riemann
stellte die Forderung auf, dass die alte Klavier-
musik auf den Instrumenten ausgefttlirt werden
solle, für die die Komponisten sie geschrieben. Er
fügte seinen Ausfühiningen eine kurze Uebersicht
über die Entwicklung der Klavierkomposition bis
auf unsei-e heutigen Tage hinzu.
Die „Deutsche Gesellschaft für Kunst und
\Viss<^ns<'hnft-^ zu Posen, Abteilung für Musik,
— 78 —
führtf^ am 3. Fehrmir nntor l^eitunpf ihres Diri-
genten, Professor ('. i\. IlcMuiift-, das Oratorium
,. Pranziökiis" von Ed^ar Tijiel auf. Solisten
waren Frl. Fromm und die Kammersänger
Lndwi«^ Hess und Franz Fitzau. Das ^'oss-
ai-tige Werk, vorzüglich einstudiert, errang einen
tiefgehenden Erfolg, das Publikum bereitete dem
Dirigenten und den Ausführenden begeisterte.
Ovationen.
Die Konzeit4lirekti(»n „J^eonard", Berlin,
schreibt einen Preis von KKX) Mk. für ein dank-
bares und musikalisch wertvolles Violinkonzert
mit Orchester aus, das eventl. anc^h mit Klavier-
begleitung wirkungsvoll zum Vortrag gel)racht
werden kann. Die Manuskrij)te sind unter den
üblichen Formalitäten bis zum 1. August d. Js. an
die genannt!» Konzertdirektion, Berlin \V.,
Linksstrasse 2(), einzui-eichen. Das Preis-
richteramt hal)en die Herren Willi Bnrmester,
Pn>f . G e r n s h e i m und Prof, P h i 1 i pj) S c h a r -
wenka übernommen. Das preisgt» krönte Werk
soll in einem Orchesterkonzerto in der Saison
1^105 — 1JM)6 in Berlin zur »Aufführung gebracht
werden. An der Preisbewerbung können sich
Komponist« Ml aller Länder bet4»iligen.
Der Verein , Beethoven- Haus* in Bonn
veranstaltet in den Tagen vom 28. Mai bis L Juni
d. Js. w ieder ein K a m m e r m u s i k f e s t. Es sol 1
auf demselben u. a. ältere Musik in Original-
besetzung durch die Pariser ,,Societe des instni-
ments anciens** nnd die ^.Societe des instruments
a vent (Bläservereinigung am l'uriser Conservatoire)
zum Vortrag gebracht werden. Pn»f. Joachim
hat seine Mitwirkung bei dem Feste zugesagt:
auch <r Albert hofft man für dasselbe zu ge-
winnen.
Hofkapellme ister Max v. Krdmannsdörf fer
zu München ist am 14. Februar an Blinddarment-
zündung gestorben. Eine Operation, der er sich
am 9. Februar unterzog, war anscheinend gilii^stiu
verlaufen, sodtiss Hoffnung auf Erhaltung seine^
Ijebens war; dejinoch trat der Tod 5 Tage später
ein. Wir kommen auf das Wirken des verdienst-
vollen Künstlere noch eingehender zurück.
Am 19. Febniar konstituierte sich liier eine
„Franz Liszt-Ge Seilschaft*, welche sich nai-h
den einstimmig aogenommenen Statuten die Auf-
gabe gest<dlt, Jieben künstlerischer Betätigung
Verbesserungen in der sozialen Lage der Musiker
anzustreben. Das Protektorat hat die Frau Prinzes>
Heinrich VH. Beuss übernommen. Ihr leb-
haftes Interesse und ihre Zusage für tätige Mit-
hilfe haben bis jetzt unter anderen verspn»rlieii
die Frau Fürstin 11 oben lohe- Schillings fürst,
die Hoftheater-lntendant^nv. Hülsen, v. Possart.
V. Puttlitz und der Meffe Franz Liszt*s, Herr
( reheimrat Professoi- v. L iszt- Berlin, die Freiherren
Ernst und Hans v. Wolzogen, die Professoren
Door-Wien, Epstein- Wien, Kellermann-
München, Carl Klindworth, Waldemar
Meyer, Arthur Nickisch, E. E. Taubert-Ber-
lin, Cäsar Cui-Petersburg etc.
Berichtigung. Prof. Kobert Eituer'>
Todestag ist in der letzten Nummer irrtümlich
angege})en. Er starb am 22. Jan. d. Jahres.
Bücher nnd Musikalien.
Hugo Wolf; Lieder aas der Jugendzeit. Tiefe Aus-
gabe. Herausgegeben von Ferd. Foll.
LaaterbMli ä KbIiii, Leipilf.
Wir sind leicht geneigt, nachgelassenen und
erst nach dem Tode bedeatender Komponisten
edierten Werken etwas skeptisch und misstrauisch
gegeoüber zu stehen, denn wir wissen aus £r-
fahmng, dass die Hinterlassenschaft sogar mancher
unserer grossen Meister — wir nennen nur Chopin
und Mendelssohn — zum Teil aus minderwertigen
Schöpfungen besteht. Sobald wir uns aber er-
innern, dass sich im Nachlass eines Franz Schubert
aach Perlen von so nnvergleichlicher Schönheit
wie das D-moll-Quartett, die C-dar- und die un-
vollendete H-moU-Symphonie vorfanden, so werden
wir gut ton, in Zukunft Jede Veröffentlichung
nachgelassener Kompositionen bedeatender Meister
mit aufrichtigster Teilnahme zu begrüssen, wenn
uns dadurch nur die Möglichkeit geboten wird,
jedes bedeutende Werk vor der Vergessenheit zu
bewahren. Die vorliegenden Lieder werden den
Freunden der Wolf sehen Muse schon deshalb will-
kommen sein, well sie von dem künstlerischen Ent-
wicklungsgang des unglücklichen Komponisten ein
interessantes and anschauliches Bild bieten. Die
ersten zwei Nummern stammen ans dem Jahre 1877
und sind in Windischgräz komponiert, die übrigen
zehn ein Jahr darauf in Wien, seinem späteren,
bleibenden Wohnort. Der bemerkenswerteste Zug
dieser Jugend lieder ist der tiefe, melancholische
Ernst, der fast jedes einzelne durchzieht. Gleich
die erste Nummer beginnt mit den Lenau'schen
Worten:
O wag' es nicht, mit mir zu scherzen,
Zum Scherze schloss ich keinen Bund,
O spiele nicht mit meinem Herzen;
Weisst Du noch nicht, wie sehr es wund?
Hat der damals erst 17jährige Jüngling, "^
drängt sich uns die Frage auf, schon so tiefes Leid
erfahren und ist es nicht merkwürdig und er-
greifend, dass ihn gerade die Poesien jenes Dichters
zuerst zur Vertonung anregten, über den dasselbe
furchtbare Geschick hereingebrochen war, das anch
ihn in kurzer Frist in der Fülle seines Lebens da-
79 —
hin raffen sollte? Von Jagendliedern wird Niemand
billigerweise schon Meisterwerke erwarten, nmso-
znehr mnss es ttberrasclien, dass sich in den ersten
Nummern bereits eine fest geschlossene Indivi-
daalität ansprSgt nnd das vierte Lied „Nächtliche
Wanderung^ zu einer Höhe emporsteigt, wie sie
nur Anserwählte in glücklicher Stunde zu erreichen
vermögen. Schon der Anfang mit dem verminderten
Septakkord in tiefer Lage und den zwei dröhnenden
Hammerschlägen, die wie Scliicksalsrafe in den
verschiedensten Tonarten und Wendungen wieder-
kehren, dann die eigenartige und doch festgegliederte
Form, vor allem aber die äusserst charakteristische,
oft wie stnrmdnrchbebte Klavierbegleitung mit
dem prachtvollen Zwischenspiel in Cis-dur, das
dann in A-dur zum düsteren Schlnss hintiberleitet,
dies alles verleiht diesem Lied eine nnmittelbar
und tief ergreifende Wirkung. Erreicht auch keines
der daraoffolgenden mehr diese Höhe, so ist doch
kein einziges Lfed unbedeutend und physiognomie-
los, vielmehr ist in jedem schon der Stempel Wolf-
scher Eigenart unverkennbar ausgeprägt. Da das
ganze Heft, wie man annehmen sollte, vom Ver-
leger wie vom Herausgeber mit grösster Sorgfalt
vorbereitet worden, so ist es verwunderlich, wie
mehrere störende und im ersten Moment sinnver-
wirrende Druckfehler stehen bleiben konnten. Vor
allem wird sich Über das falsche Fes im ersten
Takt auf Seite 34 und über das ungeheuerliche
Ges in der Singstimme im 12 Takt auf Seite 30
wahrscheinlich schon mancher Dilettant den Kopf
zerbrochen haben. Eine lahme und mattwirkendo
Stelle auf Seite 36 gibt mir zu einer Bemerkung:
Veranlassung. Der C-dur- Akkord zu Anfang des
seclisten Taktes raubt zumal als Niederschlag der
darauffolgenden Schlusskadenz G C jede Kraft und
Bedeutung, und zwar umsomehr, als dieser C-dur-
Akkord in der ersten Lage kurz vorher schon ein-
mal erklingt. Verändert man aber, wie es natür-
licher wäre, das ominöse C in G als Grundton des
{-Akkordes, so verlieren wieder die beiden darauf-
folgenden Quartsextakkorde ihren Glanz und ihre
Schlagkraft. Man kann die Stelle drehen wie man
will, es bleibt immer ein Satzverstoss übrig, den der
sonst 80 gewissenhafte Komponist vor der Ver-
öffentlichung seiner Jagendlieder ohne Zweifel
entfernt haben würde. — So wie das erste Lied be-
gonnen, ebenso schwermütig klingt das letzte aus;
es ist ein Heine^sches Gedicht und beginnt mit den
Worten , Ernst ist der Frühling, seine Träume sind
traurig". Kein Freund Wolf scher Lieder wird dieses
Jagendheft ohne Ergriffensein aus der Hand legen.
Arno KUffeL
Felix Woyrsch: Op. 50. Skaldische Rhapsodie.
Konzert (D-moll) f. Violine u. Orchester.
€hr. Friedrieh Yiewef, BerllB-Orots-Lfeliterfelde.
Die Violinkonzerte von Mendelssohn und Broch
sind für das vorliegende Werk Felix Woyrsch's
vorbildlich gewesen, womit ihm keineswegs die
Daseinsberechtigung abgesprochen werden soll.
Im Gegenteil, die drei Sätze der ,Skaldischen
Khapsodie^ enthalten sehr viel schöne und vor
allem auch charakteristische Musik, so ein gewisses,
ganz unverkennbares lokales Kolorit, eine Herbheit
und Strenge des Ausdrucks, die frisch belebend
auf den Hörer einwirkt und die Erwartung, die
durch die Hinweis geben den üeberschriften „Helden-
sage', „Ballade^^ und „Heimfahrt^' erregt wird,
durchaus erfüllt. Die in Rede stehende Komposi-
tion zeichnet sich durch ihren rein tondichterischen
Gehalt vor vielen anderen ihrer Gattung aus und
bereitet auch insbesondere durch schöne formale
Ausgestaltung Wohlgefallen. Felix Woyrsch ist
im musikalischen Ausdruck immer treffend und
scharf, dabei kurz und bündig und gibt dankens-
werterweise hierbei niemals zu viel oder zu wenig.
Sein Konzert ist auch besonders im bekannten
Sinne für den Geiger dankbar und bietet, mit er-
schöpfender Kenntnis des Soloinstrumentes ge-
schrieben, technische Schwierigkeiten genug, die
einen ganzen Mann (und tüchtigen Musiker dazu !)
erfordern. Die orchestrale Begleitung (mir liegt
der gut gearbeitete Klavierauszug vor) ist durchaus
symphonisch gehalten, lässt aber der Solovioline
überall genügend Spielraum, sich frei und künst-
lerisch zu betätigen. In der Charakterisierung ist
Woyrsch ungemein glücklich gewesen und hat es
verstanden, das Ganze zwar mit einer bestimmt
umgrenzten Stimmung zu umkleiden, andemteils
hingegen eine reiche Fülle von verschiedenen, leise
differierenden und doch der Gefühlshaupttonart
eng verwandten neuen Empfindungen, gewisser-
massen durch jene wachgerufen, zu Worte kommen
zu lassen, also Gegensätze in der Thematik zu
schaffen, welche ohne weiteres Bürgen einer be-
deutenden und vornehmen Wirkung sein müssen.
Dem trefüichen Werke ist Eingang und Verbreitung
in allen musikalischen Kreisen bestens zu wünschen.
Eugen Segnitz.
Otto Singer: Sechs Stücke von Peter Tschai-
kowsky für Viol mit Klavierbegl.
No. 1. Chant sans paroles, op. 2 No. 8.
„ 2. Mazurka de Salon, „ 9 » 3.
, 3. Nocturne (F-dur), „ 10 „ 1.
F. K. ۥ Leaeksrty Lelpsiir.
Wiederum greifen wir, wie schon so oft bei
Schubert, Schumann und Chopin, für die Geige zu
arrangierten Sachen. „Chant sans paroles'' ist schon
lange in Sammlungen beliebter Geigenstücke er-
schienen; es ist jedenfalls von grossem Werte, dass
jüngere Schüler diesen bedeutenden russischen
Komponisten schon frühzeitig kennen und schätzen
lernen. Tschaikowsky's Violinkonzert wie seine
Kammarmusikwerke sind Dilettanten überhaupt
kaum zugänglich Wir können diese Arrangements
seiner beliebtesten Klavierstücke von Singer daher
nur freudig begrüssen. Wer Schumann „Aus-
gewählte Stücke'* (Edition Peters; gespielt, Talent
80 —
für Vortrag und einen ^uten Bogenstrich hat. dem
können diese Sachen sogleich in die Hand gegeben
werden, die technischen Schwierigkeiten in der
linken Hand sind nicht gross. Ich glanbe aber,
dass anch Künstler einzelne dieser Stücke in ihr
Programm aufnehmen werden, da sie ebenso dank-
bar sind wie verschiedene viel gespielte Werke
von Schumann. Deshalb heben wir die 3 ersten
Nummern besonders hervor. Tsch/s Kompositionen
haben, wie die meisten russischen und slawischen,
immer einen melancholischen Anstrich, daher trägt
No. 2, trotz des Titels „Mazurka de Salon*, keinen
so brillanten Charakter, wie wir es z. B. bei
Chopin's Mazurken gewöhnt sind; man möchte da
vielleicht an Schnbert's „Ländler* erinnern, die
auch selten eine fröhliche Stimmung anfkommen
lassen. Die liebliche, innige Melodie von No. 3
wird jeder Geiger gewiss gern zum Vortrags wählen;
ab und zu geht durch diese Komposition eine dem
„roten Sarafan* ähnliche Stinmiung.
Dagobert Löioenthal.
MusikpSdagogiscber Verband.
Sehulgesangs-KommiMion.
(Fortsetzung.)
Zu dem Punkt des Arbeitsplanes „Sichtung des
Unterrichtsmaterials für die höheren Lehranstalten"
wollte Herr Gustav Beckmann noch eine Unter-
scheidung gemacht wissen zwischen den Lehr-
plänen für die 6stufigen und denen der 9 stufigen
Anstalten. Für die ersteren müsbe der Stoff we-
sentlich beschränkter sein. Er sandte für die
9 klassigen höheren Anstalten folgenden Ent-
wurf ein:
Stoffauswahl für 9 stufige höhere Anstalten.
1. Im grossen und ganzen dürfen nur 4 stim-
mige a cappella-Chöre berücksichtigt werden.
2. Diese dürfen nicht zu schwierig und müssen
Perlen der Chorliteratur sein.
3. Die Chöre müssen möglichst geringen Um-
fangs sein und dem Stimmenumfang der jugend-
lichen Sänger entsprechen.
4. Es sollen im grossen und ganzen nur
Originalchöre von anerkannten Meistern be-
rücksichtigt werden; muss die Stimmführung
geändert werden, so geschieht das durch kleine
Noten, damit man gleich das Original klar er-
kennen kann.
6. Gute Tonsätze von Chorälen und Liedern
dürfen berücksichtigt werden, doch soll die Bear-
beitung von Kunstliedern möglichst unterbleiben.
6. Bei der Auswahl sollen nach Möglichkeit
viele musikalische Formen berücksichtigt
werden.
7. Die Anordnung und die Auswahl des Stoffes
nach dem Inhalt der Lieder und Gesänge (z. B.
Heimats-, Abschieds-, Wanderlieder etc.) soll fort-
fallen; auf die Schulfestlichkeiten soll nicht
wie bisher ausschliesslich Rücksicht genommen
werden.
8. Die Anordnung und Auswahl des Stoffe«
soll vielmehr nach musikgeschichtlichen Ge-
sichtspunkten erfolgen, sodass das Chorbnch für
den Schüler gewissermassen eine Skizze der Muäik-
geschichte bildet. Der Stoff gruppiert sich eben
um die Komponisten, die Träger der Musik-
geschichte sind. Diesen würden sich andere tüch-
tige Komponisten anreihen. Das Chor buch be-
ginne also mit italienischen Meistern und schüesse
mit neudeutschen Komponisten, soweit sich das er-
möglichen Hesse
Zu diesem Plan haben sich die Herren Pro-
fessor Cebrian, Domsänger Rolle, Musikdirektor
Wiedermann in nachstehender Weise geäussert:
Zu 1. Es sind vorwiegend 4 stimmige a cap-
pella-Chöre zu berücksichtigen; es müssen in 9 stu-
figen höheren Lehranstalten aber auch Chorwerke
mit Instrumentalbegleitung eingeübt werden.
Zu 8. Erste Hälfte des Satzes streichen.
Zu 4. Bei Abänderungen des Tonzatzes genügt
es, wenn die Originalgestalt In der Partitur des
Gesanglehrers steht.
Zu 5. Beethoven's: „Die Himmel rühmen*,
Schumann's: „So sei gegrüsst^, Mendelssohn's : „Der
Frühling naht** sind verbreiteter in der Gestalt von
Bearbeitungen, als in der Originalform. In solchem
Falle z. B. sind Bearbeitungen wohl verwendbar.
Zu Punkt 7 und 8, die sich auf Sammlungen
(Chorbücher und dergleichen) beziehen .-
Die chronologische Anordnung der G^esänge
hat gewiss manches für sich; sie wird aber zwei-
fellos auch viele Lücken in der musikhistorischen
Entwickelung aufweisen. Diese Frage mögen die
Verfasser derartiger Sanmilungen selbst entscheiden,
zumal sehr viel davon abhängt, wie ein Autor ein
solches Buch gestaltet.
Weitere Meinungsäusserungen der Kommissions-
mitglieder sind dringend erwünscht. Jj]s ergeht
überhaupt die Bitte an die Mitglieder, sich zu allen
Publikationen der Schulgesangsfrage, die teils im
redaktionellen Teile des ,K1. L.", teils in den
Beiheften, ev. auch durch direkte Zuschriften
erfolgen, zu äussern und Zustimmungen, Zusätze
oder auch Bedenken in druckreifer Form einzu-
senden Sie kommen dann in rascher Folge zur
Veröffentlichung und zur Kenntnis aller Inter-
essenten. Der vorigen Nummer des „Kl. L.'' war
als Beiheft 15 eine Arbeit von Herrn Seminar-
oberlehrer Ernst Paul- Dresden über den
„Lehrplan der Uebuiigsschule am Dresdener Königl.
— Hl —
Seminar** beigegeben, in der diesmaligen folgea
Arbeiten von den Herren Professor Ed. Engel -
Dresden nnd Franz Zureich-Karlsruho,
welche Vorschläge für Lehrpläne zur „Stimm-
bildnng" enthalten. Ferner beginnt eine grössere
Abhandlung über die Au.sbildung und Prüfung der
Gesanglehrer und Lehrerinnen an den höheren
Schulen. Mit der Sichtung und Prüfung der
zahlreich der Berliner Kommission eingereichten
Literatur für den Schulgesang ist Herr
Musikdirektor Wiedermann beschäftigt.
L A.;
Xaver Scharwenka.
Musik -Sektion
des Alliir« Dentsclien Lelirerinnen-Yereius.
Wir teilen unseren Mitgliedern mit, dass sich
in Hannover und Braun schweig zwei neue
(fruppeii gebildet haben Vorsitzende der Han-
noverschen Gruppe ist Frau Professor Gtircke,
Friesenstr. 24 a, der Braun Schweiger Frl. Bertä
Bastian, Campestr. 38.
Der Vorstand.
L A.:
Sophie Henkel,
_ Dieser Auflage liegt ein Prospekt von Heinrichshofen's Vorlag, Magdeburg: ^Aus-
gewählte Klaviermusik zu 2, 4, 6 und 8 Händen'' bei^ auf den wir unsere Leser besonders
aufmerksam machen, D. E.
mi^mmmmmmmmmmmmmm
Konservatorium der Musik
in Kassel.
Gegr. 1895. Direktion: L. Beyer. Gegr. 1896.
ElirenTOraitz : Beffieninn-Präaident toh Trott lo 8als,
Qrftf KSmlgMorlTy Ezoelleni Generalin toh ColOMb,
Oberbürgermeister Mfiller u. A.
Coratoriam: Pfarrer Haas, Sohnldirektor Prof. Dr. Krasi.
maoher» Bankier Plaat, Jnstixrath Scheffer n. A.
Lelirer : Die Damen : L. Beyer, Blasal-Förster, Königl. Opem-
süDgrerin, Olesse- fabronl, A. Taadlea. Die Herren:
A. Harlde>«a, Kammervirtuos. Prof. Dr. Udbel,
O. Kaletscb, KgL Kammermusiker, K. KleUmana,
Kgl. Opernsänger. W. Moabsapl, Kgi. Kammermusiker,
Bd. 8ebBildl, Kgl. Kammermusiker, H. Sebnarbosfh,
Kgl. Kammermusiker u. A.
Unterrtchtfächer: KUvier, Violine, OeUo, Harfe und alle
übrigen Orchesterinsti-umente. Oesang, Harmonie-
und Kompo^tionslehre. Musikgesohiohte. Italienisch.
Orchesterspiel. Oehörabung. Musikdiktat.
Organisation: Ck>ncertklassen. Seminarklasson. Ober-,
Mittel- und Elementarklassen.
8tatalea sind kostenfrei su bestehen durch die Schriftleitung
des Konservatoriums Kassel, Wilhelmshöher Allee 48.
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Veranlagung, sowie eines von einem Arzt ausgestellten Berichtes Ober ihren allge-
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Fflr die Redaktion verantwortlicli: Anna Morsch, Berlin W., Ansbacherstr. 87.
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Drock: J. S. Preuss, Berlin S.W., Kommandantenstr. 14.
Der Klavier-ltehFer.
Musik-pädagogische Zeitschrift für alle Qeblete der Tonkunst
Organ der Deutschen Musiklehrer-Vereinet
der Musik-Sektion des K D. L-V. und der Tonkünstler-Verelne
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Begründet 1878 von Professor Emil Breslaur.
Redaktion: Anna Morsch
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licflentfenonmcn.
No. 6.
Berlin, 15. März 1905.
XXVIII, Jahrgang.
Inhalt: Dr. G. Heiter: Ueber die Mechanik der dem Klavierspiel dienenden Bewegungen. J. Vinnna da Motta: Wagner-Literatur.
GeoiK Capellen-QanabrQck: Tonachrift-Refonn Capellen. (Fortsetzung.) Dr. Karl Storck: Kritische Kflekschau über Konzert
und Oper. Mitteilungen von Hochschulen und Konservatorien. Vermischte Nachrichten. Bacher und Musikalien, besprochen
von Prof. Arno Kleffel und Eugen Segnitz. Anzeigen.
@cber die ^ecbanil^
dei0 dcif) Kla^iepspkl diet)et)dci) HeiS^cguoSen.
Von
Dr^ O. Herter.
Wozu ein gelehrter Aufsatz über eine so
einfache Sache .^ Lernt das Kind nicht spielend
seine Glieder bewegen.? Treiben wir nicht
täglich alle möglichen Hantierungen, ohne
lange zu überlegen, wie wir es anfangen, den
Fuss hierhin oder dorthin zu setzen, den Kopf
zu wenden oder die Augen zu erheben? Ist
der Anblick einer Tänzerin darum weniger
anmutig, weil sie niemals über die Gesetz-
mässigkeit ihrer Bewegungen nachgedacht
hat, oder rührt uns ein Schlummerlied we-
niger, weil die Mutter sich der mechanischen
Bedingungen ihrer Stimme nicht bewusst
wird? Spottet Mephisto nicht mit Recht?
„Dann lehret man Euch manchen Tag,
Dass, was ihr sonst auf einen Schlag
Getrieben, wie Essen und Trinken frei.
Eins! Zwei! Drei! dazu nötig sei."
Bei oberflächlicher Betrachtung möchte es
so scheinen, indes ist doch eine wissen-
schaftliche Untersuchung der Körperbewe-
gungen nicht nur, wie jeder Einblick in die
Werkstatt der Natur, von allgemeinem Inter-
esse, sondern auch von bestimmtem prak-
tischen Wert für denjenigen, welcher eine
schwierige Bewegungstechnik, wie sie das
Klavierspiel darstellt, beherrschen will. Was
dagegen zu sprechen scheint, sind eben nur
Scheingründe. Gewiss erlerntauch der Natur-
mensch vieles unbewusst aus sich heraus
oder durch Nachahmung Anderer, aber wie
unvollkommen oft und aufweichen Umwegen!
Und wenn wir an den täglichen Bewegungen
eines Kindes oder an den urwüchsigen
Lebensäusserungen eines nur von der Natur
unterrichteten Menschen unsere Freude haben,
so liegen dem Vorstellungen auf ganz anderem
Gebiet zu Grunde: der Anblick des Unbe-
holfenen, Ungekünstelten gewährt uns die
wohltuende Empfindung des Gegensatzes zu
den angespannten Anforderungen abgemes-
sener Berufstätigkeit. WiU man aber hohen
Ansprüchen genügen, dann muss man me-
thodisch vorgehen. Dass das Marschieren im
Sinne einer möglichst schnellen Fortbewegung
gelernt sein will, weiss jeder Rekrut; und wie
hier, so müssen wir auf allen Gebieten, wo
technische Leistungen verlangt werden, die
grundsätzliche Forderung jeder Technik be-
achten: Erfüllung einer bestimmten Aufgabe
86
in möglichster Vollkommenheit, in möglichst
kurzer Zeit und mit möglichst kleinem Kraft-
verbrauch.
Von diesem Gesichtspunkt aus lohnt es
auch, die Mechanik des Klavierspiels ins Auge
zu fassen, nachdem einige allgemeine Be-
merkungen vorausgeschickt sein werden.
Die Bewegungsmöglichkeit des mensch-
lichen Körpers ist durch die beweglich mit
einander verbundenen Teile des Knochen-
gerüsts gegeben, deren anatomische Anord-
nung Stellungsveränderungen der einzelnen
Knochen gegeneinander bis zu einem gewissen
Grade gestattet. Nehmen wir als einfachstes
Beispiel den Fall zweier stabförmiger Knochen,
welche mit ihren zugekehrten Enden, von
denen das eine abgerundet, das andere ent-
sprechend ausgehölt ist, durch elastische
Bänder so unter einander verbunden sind,
dass sie gegen einander in einer bestimmten
Ebene chamierartig bewegt werden können.
Bewirkt wird diese Bewegung durch meist
langgestreckte, spindelförmige Muskeln, deren
sehnige Enden mit je einem der beiden
Knochen verwachsen sind. Diese Muskeln
besitzen nun die Fähigkeit, sich unter gleich-
zeitiger Dickenzunahme zu verkürzen, wodurch
ihre beiden Ansatzpunkte einander genähert
und die vorher in geradliniger Fortsetzung
an einander stossenden Knochen in eine
Winkelstellung gebracht oder aus einer
solchen Winkelstellung in die geradlinige
Stellung zurückgeführt werden. Solcher Mus-
keln gibt es nun an allen Gliedmassen eine
grosse Menge. Sie umgeben, einzeln oder zu
Gruppen vereinigt, die Knochen und Gelenke
und bilden in ihrer Gesamtheit das, was man
im gewöhnlichen Leben Fleisch nennt. In An-
ordnung und Ansatz sehr verschieden, bringen
sie je nach Umständen einzeln oder in ge-
meinschaftlicher Betätigung alle die mannig-
faltigen Bewegungen hervor, welche gemäss
dem Bau der Knochen und Gelenke überhaupt
möglich sind.
Ausserordentlich vielseitig ist in dieser
Beziehung der Arm ausgestattet, den wir nun-
mehr näher betrachten wollen. Man unter-
scheidet am Arm drei Abschnitte: den aus
einem Knochen bestehenden Oberarm, den
Unterarm (auch Vorderarm genannt) mit zwei
neben einander liegenden Knochen und die
Hand. Diese setzt sich ihrerseits zusammen
aus acht kleinen, die Handwurzel bildenden
Knochen, fünf röhrenförmigen Mittelhand-
knochen (von denen vier ziemlich fest und
dicht nebeneinander liegen, während der dem
Daumen zugehörige fünfte freier beweglich
ist) und 14 Fingergliedern (am Daumen 2, an
den übrigen Fingern je 3) Das oberste, an
der Stelle der sogenannten Knöchel an den
betreffenden Mittelhandknochen stossende
Fingerglied heisst Grundglied, das nächste
Mittelglied, das letzte Endglied; dem Daumen
fehlt das Mittelglied.
Am Schultergelenk hängt der Oberann-
knochen mit einem kugeligen Gelenkkopf in
einer entsprechend ausgehöhlten Gelenkpfanne
des Schulterblatts, mit deren Rand er durch
ein weites Kapselband verbunden ist. Die
Schlaffheit dieses Bandes und der Umstand,
dass die Gelenkpfanne den viel grösseren Ge-
lenkkopf nur zum kleineren Teile umfasst,
hat zur Folge, dass die Bewegungen im
Schultergelenk nach allen Richtungen in
grosser Ausgiebigkeit möglich sind, so dass
wir z. B. mit der Hand jeden Punkt unserer
Körperoberfläche erreichen können.
An der Bildung des Ellenbogengelenks
beteiligen sich der Oberarmknochen einer- und
die beiden Unterarmknochen andererseits. Von
diesen liegt die Speiche an der Daumenseite,
die Elle an der Kleinfingerseite; beide zu-
sammen bilden mit dem unteren Ende des
Oberarmknochens ein Charniergelenk, in dem
der Unterarm bis zu einem Winkel von 180®
gestreckt und bis zu einem solchen von etwa
400 gebeugt werden kann. Eine darQber hin-
ausgehende Bewegung wird durch Knochen-
vorsprünge an der Vorder- und Rückseite des
Gelenks gehemmt. Daneben ist aber im Ellen-
bogengelenk noch eine andere Bewegung
möglich, und zwar unabhängig von dem Grad
der Beugestellung des Gelenks. Die Speiche
kann nämlich mit ihrer Längsachse um die
feststehende Elle im Halbkreise herumgeführt
werden, wobei die Hand dem sich drehenden
unteren Ende der Speiche folgt, während das
obere Ende seinen Platz nicht verlässt. Bei
parallel neben einander liegenden Unterarm-
knochen eines am Körper herabhängenden
Armes ist der Handteller nach vom gerichtet,
während er durch die fragliche, einen Bogen
von 180° umfassende Drehung nach hinten zu
liegen kommt. Soll die Drehung noch über
die bezeichnete Grenze hinaus gesteigert
werden, so ist dies zwar ausführbar, aber
nicht mehr im Ellenbogengelenk, es muss
vielmehr eine ergänzende Bewegung im
Schultergelenk zu Hilfe genommen werden.
Das Handgelenk (Handwurzel) ist aus
— 87 —
einer grösseren Anzahl kleiner, unter einander
in Verbindung stehender Gelenke zusammen-
gesetzt, die in ihrer Gesamtheit eine ziemlich
ausgiebige Beweglichkeit ermöglichen. Die
Bewegungen im Handgelenk bestehen
einmal aus Beugung und Streckung (beides zu-
sammen in einem Winkel von 120^) und dann
in einer massigen Seitenwendung (Zuziehung
nach der Seite der Speiche, Abziehung nach
der Seite der Elle). Die beiden Ebenen, in
denen diese verschiedenen Bewegungen er-
folgen, liegen senkrecht aufeinander. Indem
man beide Bewegungsarten vereinigt, kann
man die Hand die Oberfläche eines Kegels
beschreiben lassen, dessen Spitze dem Hand-
gelenk entspricht. Auch hierbei ist die Stel-
lung des Ellenbogengelenks und ebenso der
Grad der Drehbewegung der Speiche ohne
Einfluss.
Die Mittelhandknochen des 2. bis 5.
Fingers liegen ungefähr in einer Ebene neben
einander und bilden den unbeweglichsten Teil
der Hand, insofern die Form der Mittelhand
nur im Sinne einer leichten Wölbung und
Wiederabflachung in querer Richtung verändert
werden kann. Eine Ausnahmestellung nimmt
hierin der zum Daumen gehörende Mittelhand-
knochen ein, der, mit dem entsprechenden
Handwurzelknochen durch ein sattelförmiges
Gelenk verbunden, allseitiger Bewegungen
fähig ist. Bei ihm kann man wie beim Hand-
gelenk einerseits Beugung und Streckung
(d. i. bei flach aufgelegter Handfläche Senkung
und Hebung), andererseits Zuziehung (nach
dem Zeigefinger zu) und Abziehung (vom
Zeigefinger fort) unterscheiden, deren Ver-
einigung auch hier zu einer der Oberfläche
eines Kegels folgenden Bewegung führt.
Findet gleichzeitig Beugung und Zuziehung
statt, so erfolgt eine Bewegung des Daumens
nach der Hohlhand zu, was der Anatom Gegen-
stellung (gegenüber den anderen Fingern), der
Klavierspieler Untersetzen des Daumens nennt.
Hierbei kommt unwillkürlich und unvermeidlich
auch eine leichte Drehung des Daumens um
seine Längsachse zustande. Während nämlich
bei flach aufgelegter Hand die Kuppen des 2.
bis 5. Fingers abwärts gerichtet sind, wird die
Unterlage vom Daumen ohnehin nur mit
seinem äusseren Rand berührt, und dieser
dreht sich beim Untersetzen des Daumens
noch mehr nach abwärts. Soll der Daumen
wieder aus der Hohlhand entwickelt und neben
den Zeigefinger gestellt werden, dann muss
Streckung und Abziehung des Mittelhand-
knochens zusammenwirken.
Auch die Mittelhandfingergelenke des 2.
bis 5. Fingers seigen Beugung und Streckung
(jene bis zum rechten Winkel, diese soweit,
dass das 1. Fingerglied mit dem Mittelhand-
knochen eine gerade Linie bildet), femer Zu-
und Abziehung (Spreizung) und im Zusammen-
wirken eine kreisförmige Bewegung des
Fingers. In engen Grenzen lässt sich auch,
wie beim Daumen, eine Gegenstellung (Unter-
setzen) jedes dieser Finger erzielen.
Die Gelenke zwischen den einzelnen
Fingergliedern sind einfache Charniergelenke
und gestatten daher lediglich Beugung und
Streckung, und zwar erstere bis zu einem
Winkel von 90», letztere soweit, dass die
Finger eine gerade Linie darstellen.
Von Wichtigkeit ist es nun, diejenige
Stellung der Gelenke zu kennen, die sie
eirmehmen, so lange keine besondere Bewe-
gung auf sie ausgeübt wird, so dass lediglich
ihr anatomischer Bau und die natürliche Span-
nung der Gelenkbänder und der Muskeln zur
Geltung kommt« Diese sogenannte Ruhe-
stellung nimmt der Arm an, wenn man ihn
schlaff am Körper herabhängen lässt. Dann
hängt der Oberarm senkrecht nach unten,
während der Unterarm kaum merkbar gebeugt
und soweit nach innen gedreht ist, dass die
Hohlhand nach hinten und etwas dem Rumpf
zugewendet ist. Das Handgelenk steht in
einer Mittelstellung zwischen Beugung und
Streckung, die Fingergelenke befinden sich in
leichter Beugung, die Finger selbst berühren
einander eben.
Erhebt man den Unterarm um 90®, dann
bemerkt man, dass die Hand, ihrer Schwere
folgend, in Beugestellung herabsinkt, wobei die
Kleinfingerseite noch etwas tiefer zu stehen
kommt, als die Zeigefingerseite.
(SchlnsB folgt.)
— 88 —
Von
Jo»e TiaiiBa da llotta.
Die deutsche Literatur ist jüngst um eines
ihrer schönsten und ergreifendsten Bücher ver-
mehrt worden. Es ist: Wagner's Briefe und
Tagebuchblätter an Mathilde "Wesendonk
(bei Duncker in Berlin). Wagner's menschliche Per-
sönlichkeit erschien bisher noch nicht in ihrer
ganzen Grösse und Reinheit, wie in diesen Briefen,
die an Intimität des Inhalts, B.ückhBlt8lo8igkeit
und Leidenschaftlichkeit des Ausdrucks alle bisher
veröffentlichten Briefe des Meisters übertreffen.
Aber nicht nur die menschlich ergreifende Grösse
Wagner's und des Ehepaares Wesendonk gegen-
über ihrem wunderbaren Schicksal tritt uns aus
diesem Buche entgegen, es hat eine ungeheure Be-
deutung auch durch die Aufschlüsse, die Wagner
über sein künstlerisches Wesen gibt und die höchst
bedeutenden Aeusserungen, die er über jede Er^
Bcheinung des Lebens und der Kunst macht. Denn
wieGroethe der Frau von ^tein, teilt Wagner der
geliebten Prau alles mit, was sein Inneres bewegt
und seinen G^ist beschäftigt. So treffen wir auf
tiefgehende Analysen seines eigenen Wesens, die
an die Art HebbePs mahnen, Pläne zu den Siegern^
dem Parsifal; die Musik zu „Tristan imd Isolde"
sehen wir gleichsam entstehen (dieser Teil des
Buches bietet fast den grössten Heiz), hören sein
(Scharfes Urteil über seine frühere j„ Kulissen- Venus",
die die Pariser Umarbeitung nötig machte, schliess-
lich taucht auch die Meistersinger-Dichtung auf. Es
war die fruchtbarste Zeit in Wagner's Schaffen. Er
selbst sagt: ^Portan brauche ich nur in meinen
eigenen Vorrat zurückzugreifen." Ich weiche der
Versuchung nicht aus, einige Stellen anzuführen,
aber der Leser glaube ja nicht, dadurch der Pflicht
entbunden zu sein, das Buch selbst zu lesen. Von
höchstem Interesse ist sein Geständnis, dass er
um das 30. Lebensjahr (die Zeit des „Holländers")
noch Zweifel an seiner Begabung hegte, weil er
noch so viel Einfluss und Nachahmung in sich
spürte. Dagegen vergleiche man sein Erstaunen
über die unerhörte Neuheit der Musik zum „Tristan"
bei den Proben in den Pariser Konzerten, wobei
ihm erst klar wurde, welchen Weg er in den
letzten 8 Jahren zurückgelegt habe. Wenn er von
den „Extremen der Stimmung" spricht (S. 188),
wer dächte da nicht an „Tannhäuser"! (vgl. Be-
merkungen zur Aufführung des Tannhäusers in
den „Schriften", 5. Band.) Noch oft, wenn er von
sich spricht, wird es uns klar, wieviel von seinem
eigenen Wesen jede seiner Gestalten enthält.
Was er von seiner Kunst der feinen Ueber-
gänge sagt, klärt den Blick für die Erkenntnis
des tiefen Pormgefühls dieses „Freiheits*'-Apostels.
Wie man den Dichter beim Schaffen hier be-
lauschen kann, das ist von wundersamer Wirkung.
Noch eine Seite in Wagner's Wesen, die in
seinen Schriften wenig hervortritt und nur in
Briefen mehr durchbricht, erscheint hier in
grösserer Breite: sein sprudelnder Humor.
Prächtig äussert sich des Künstlers Freude über
seine eigene Schöpfung, z. B. beim dritten Akt
des Tristan: ^Ich habe keinen Menschen, micli zu
loben, gerade wie's dem lieben €h>tt damals — vor
circa 6000 Jahren — ging, und so sagte ich mir
denn unter anderem : Richard, Du bist ein T—kerl!^
Schade ist es, dass uns nicht die zwei Stellen aus
dem 2. Akt mitgeteilt werden, die nur in der
Skizze komponiert w^orden und von grosser musi-
kalischer Schönheit sein sollen.
Eine Stelle ist besonders bedeutsam und weist
auf seine Hans-Sachs-Natur hin. Nachdem er vom
Witz des Weltverächters gesprochen, f üg^ er hinzu :
„Auch ich fühle mich nach Leiden immer erst
genesen, sobald dieses Lächeln mir wieder durch
den G^ist zieht, das unter umständen, wenn die
Enttäuschung über besonders grosse Illusionen
mit hinzu tritt, bis zum herzlichen Lachen arten
kann.^* Nur dass bei Hans Sachs das Lächeln
der Enttäuschung die ganze Milde einer ruhigen
Heiterkeit erreicht hat (vgl. das Programm zum
Vorspiel des 3. Aktes der Meistersinger im Nach-
lassband.)
Auch von Wagner's Tierliebe erfahren wir
entzückende Züge. Mit aller Zartheit .der ent-
sajg^nden Liebe verspricht ihm die Freundin ein
Hündchen zu erziehen, wenn es sie dann recht
lieb habe, will sie es ihm schicken. Von dich-
tericher Schönheit erfüllt sind die Stimmungsbilder
aus Venedig.
Erschütternd wirken seine Klagen, seine
Kämpfe um die Liebe zu der edlen Frau, die er
besiegen will und nicht kann.*) (Tristan: „im
Sterben mich zu sehnen, vor Sehnsucht nicht zu
sterben!") Welch furchtbares Schicksal dieses rast-
lose Wandern von Ort zu Ort, ohne Heim, ohne
Hoffnung, ohne Verständnis für seine höchsten
Ziele zu finden, trotz vereinzelter „Erfolge", trotz
Opfer seiner Freunde, unter denen Wesendonk der
edelste war!
Der Briefwechsel bricht ab, als der Meister
den König findet, der dem Künstler endlich Ruhe
verschafft und zum Teil Verwirklichung seiner
Pläne und das weibliche Gemüt, in das er „rück-
haltlos untertauchen konnte",**) die grosse und
*) Einmal stand er auf dem Balkon seines
Palastes in Venedig, in der Absicht, sich in den
Kanal zu stürzen!
**) Welches Liebebedürfnis in diesem „herri-
schen* Menschen! „Wenn man mich liebt, kann
man mit mir machen was man will!**
— 89 —
geuiale Frau, nach, der er so lange sich, geselmt
hatte und die ihm selbst die edle Freundin nicht
^ranz sein konnte, weil „Pflichten" sie noch,
fesselten.
Die Fülle tiefsinniger Bemerkungen über
Philosophie, Kunst, Leben, Menschen ist über-
^rältigend und bestätigt vollständig ein wunderbar
schönes, schmerzlich intimes Wort des Meisters:
^^'Wie mit heiligem Grauen vor meiner eigenen
Herrlichkeit durchschauert mich das Bewusstsein,
von Dir in so ganzer Fülle, so süss zärtlich
luid doch so innig keusch geliebt worden za
sein!"
Wie beschämt von solcher Hoheit müssen die
stehen, die an der Entsagung Tristan's gezweifelt
und gemeint haben, das sei eben gewöhnliches
Liiebespaarschicksal : nach genossenem Liebesglück —
Todessehnsucht! Die Briefe sind höchst dankens-
werter Weise ohne jede Auslassung wiedergegeben.
Im Anhang folgen 14 Briefe Frau Wesendonk's»
aus denen eine stete, warme, aber unterdrückte
Liebe und ein feiner Geist herausspricht.*)
Zur Ergänzung sind die Briefe Wagner 's an
Otto Wesendonk (Verlag der Allgemeinen
Musik-Zeitung) und Glasenapp's Wagner-Bio-
graphie (Breitkopf und Härtel) heranzuziehen.
Letztere erscheint soeben in 3. erweiterter Auflage
und ist bis zur ersten Hälfte des dritten Bandes
gediehen. Es ist ein wundervolles Werk, das für
sich als literarisches Produkt genossen werden
kann. Mit bewunderungswürdigem Fleisse hat
Glasenapp aus allen schriftlichen und mündlichen
Mitteilungen das Leben Wagner*s rekonstruiert
und mit peinlichster Sorgfalt die Zuverlässigkeit
der Quellen geprüft, sodass sein grosses Werk ein
historisches Dokument ohne Grleichen bilden wird.
Wie der Biograph die Geschichte. Wagner's zum
Leben wiedererweckt, das ist erstaunlich.
Von Glasenapp ist ebenfalls ein weniger be-
kanntes Werk: ^Wagner-Encyclopaedie* (C. F.
Siegel, Leipzig). Wagner's Aeusserungen über Er-
scheinungen der Kunst- und Kulturgeschichte, wie
sie in den ,.gesammelten Schriften" und Briefen
zerstreut sind, hat Glasenapp zu kleinen Abhand-
lungen zusammengezogen, sodass sein Werk nicht
nur ein vorzügliches Nachschlagebuch und Register
zu Wagner's Schriften bildet, sondern sich wie
ein Original Wagner's liest, das selbst den Kennern
der „Schriften" Neues bietet durch die Zu-
sammenfassung der einzelnen weitgetrennten
Stellen über denselben Gegenstand. Diese mit
grossem Geschick und einer Kenntnis, der nichts
Wichtiges entgeht, ausgeführte Arbeit ist nicht
nur die beste Einführung zu den Schriften des
Meisters, sondern auch für den, der diese bereits
studiert, ein höchst bedeutendes Mittel zu besserer
Erfassung imd Durchdringung der Weltanschauung
W^agner's. Leichter als aus den einzelnen Schriften
gewinnt man hier einen imponierenden Eindruck
von der Einheitlichkeit und der Universalität des
Wagnerischen Geistes. Also nicht als Surrogat
der Schriften (obgleich sie „Fauleren" auch als
solches dienen kann), sondern als Ergänzung sollte
man die Encyclopaedie benützen. Aber vollständig
wird sie erst durch das Wagner-Lexikon von
H. Stein (bei Cotta, Stuttgart), der die Ethik
und Aesthetik Wagner^s darstellt (ebenfalls in
wörtlichen Anführungen), somit die Grundbe-
griffe der Wagnerischen Weltanschauung be-
handelt.*)
*) Das Begister müsste zu einem Sachregister
erweitert werden.
*) Wagner's Aeusserungen über die Ent-
stehung und den CJharakter seines „Fliegenden
Holländers" hat H. von Wolzogen vereinigt in
einer höchst interessanten Brochüre zur Bayreuther
Aufführung dieses Werkes.
(SchluPS folgt.)
^oi)scbr!ft'1^cfoFtt) @apellct)i
»eriiDeiia auf aeii Priiueip der eiiitoeltiicbkeit iiiia Kelativit» der Seicben,
ototie Jleiiaeriing a« note»- md £iiiien$y$teM.
Von
Georg: Capellen-Osnabraek.
(Fortsetzrmg.)
Nicht nur die Versetzungszeichen, sondern
auch die Schlüssel- und Oktavzeichen sind reform-
bedürftig, da es auch hier an Einfachheit und Ein-
heitlichkeit mangelt. Wir kommen damit zu den
Partituren, dem Schmerzenskinde der bisherigen
Tonschrift. Dass die Partituren, die wohl jedem
einzelnen Instrumente, nicht aber dem Leser
Eechnung tragen, eine verständlichere Sprache
reden als bisher, wäre im Literesse der Kompo-
nisten, Dirigenten, Kunstfreunde und Verleger sehr
zu wünschen. Sollten Musiker hier einwenden,
dass ihnen das Ablesen auch modemer Partituren
mit ihren oft mehr als 20 Liniensystemen keine
Schwierigkeiten mache, so vergessen sie, welche
unermüdliche geisttötende Uebung dazu gehört hat,
um Auge und Geist zur augenblicklichen Be-
— 90 —
herrscliimg so vieler Systeme, Schlüssel nnd
Stimmiingen geschickt zu machen ; denn mau wird
doch unmöglich behaupten können, dass ein Meister
im Partiturenlesen sozusagen vom Himmel fällt.
„Liegt der Wert eines Dirigenten etwa in seiner
staunenswerten Kunst zu transponieren, in seiner
immensen Fähigkeit, Partituren zu entziffern?"
ruft Dubitzki mit Hecht in seinem beherzigens-
werten Aufsatze im Musikalischen Wochenblatt
(1904, No. 35—37) aus. Unsere heutige ZiCit drängt
dahin, alles Zunftmässige in der Kunst zu be-
seitigen, ihre Exklusivität aufzuheben, durch Aus-
lieferung ihrer Geheimnisse imd Heiligtümer an
die empfängliche, begeisterungsfähige Allgemein-
heit. Mit dieser Zeitrichtung hängt das Streben,
das Technisch-Handwerksmässige möglichst ein-
fach, einheitlich und rationell zu gestalten, aufs
engste zusammen.
Das Ideal wäre, dass die Partituren in gleicher
Weise Gremetngut aller (gebildeten würden, wie die
Aufzeichnungen der übrigen Künste, dass in den
Begalen der Hausbibliothek neben Shakespeare,
Goethe und Schiller auch Beethoven. Mozart und
Wagner angetroffen würden. Dieses auch für die
Verleger höchst willkommene 2jiel ist nur erreich-
bar, wenn alle Instrumente in der effektiven
Tonart, wie sie durch die Bässe und Streicher
angezeigt wird, mittels eines einheitlichen
Schlüssels notiert werden. Das anstrengende,
unablässige Aufmerken auf die verschiedenartigen
Schlüssel im Beginn und Verlauf eines Tonstücks,
auf die bunte Heihenfolge der Stimmungen und
Spezialtonarten der Instrumente fiele dann von
selbst fort, der Komponist würde sich freier fühlen
und auch dem Kunstfreunde wäre geholfen, da
er nunmehr ohne das trockene und zeitraubende
Studium einer Instrumentationslehre den flüchtigen
Konzertgenuss durch eine verständnisvolle Lektüre
der Partitur vertiefen könnte.
Massgebend für die Einrichtung der Zukunfts-
partitur sind folgende wissenschaftliche Gesichts-
punkte :
1. Dem angeborenen Gefühl der Einheitlich-
keit und Symmetrie entspricht die Verwendung
und vergleichsweise Zugrundelegung eines einzigen
Schlüssels, der nur der am meisten gebrauchte.
also j
sein kann.
2. Die sofortige Erkennung der richtigen
Tonhöhen im Sinne eines einzigen Schlüssels
ist viel wichtiger, als die sofortige Erkennung der
richtigen Oktavhöhen im Sinne verschiedener
Schlüssel.
3. Die Vorstellung der richtigen Oktavhöhe der
nach dem wirklichen Klange notierten Noten
ist viel leichter, als die Entzifferung der vom
Standpunkt des Einheitsschlüssels aus nach Ton-
sitz und Tonbedeutung unterschiedenen
Noten.
Es ist doch offenbar weniger beschw^erlicb,
ein auf der Mittellinie stehendes h eine Oktave
tiefer abzulesen, als sich vorzustellen, dass gemäss
dem vorgezeichneten Altschlüssel diese Note nicht
h ist, sondern eine Septime tiefer liegt, also eist.
Unvereinbar mit unserer Devise: Gleicher
Tonsitz —gleiche Tonbedeutung! ist die Aufrecht-
erhaltung der C-schlüssel. Die Erkenntnis von
der Ueberflüssigkeit der C-schlüssel ist bereits in
so weite Kreise gedrungen und so oft betont
worden (neuerdings auch von Dubitzky), dass es
nur eines offiziellen Machtspruches bedarf, um. jene
antiquierten Gebilde vollends wegzublasen. Sind
doch jene Schlüssel zum Glück bei Vokal-
stimmen schon fast völlig ausgemerzt 1 Und kommen
etwa die Bratschisten und Cellisten mit ihrem
Alt- bezw. Tenorschlüssel aus? Keineswegs, da
nur zu oft für die höheren Töne der Violinschlüssel
gebraucht wird. Wenn der Cellist sogar mit drei
Schlüsseln: Q*, ^ ^^ arbeiten muss, so kann ihm
dieser Wechsel der Notenbedeutung doch unmög-
lich Vergnügen machen. In meinem Aufsatz in
der „Musik" habe ich bereits hervorgehoben, dass
alle C-schlüssel vollkommen einwandfrei durch ifc
ersetzt werden können, indem an Stelle der bis-
herigen Notierung mit Alt- oder Tenorschlüssel
alle Noten eine Oktave höher geschrieben werden
als sie klingen, ein Verfahren, das früher bereits
vielfach im Cello beim (gebrauch von
geübt
wurde. Als Beispiel für die Unbedenklichkeit der
neuen Notierung wählen wir den ausgebreiteten
C-durakkord auf der Bratsche:
Früher: Jetzt:
Fig. ?a.
m
Wie soll nun die Oktavversetzung angezeigt
werden? Etwa durch einen neuen Schlüssel oder
Sinnänderung der alten C-schlüssel? Beides wäre
verfehlt, da im Interesse der Einheitlichkeit aus-
schliesslich
zu gebrauchen ist und eine Um-
wertung der C-schlüssel von Tonhöhenzeichen zu
Oktavhöhenzeichen (Dubitzky) den gewohnheits-
mässigen Gedankenassociationen »zuwiderlaufeii
würde. Das einfachste und praktischste ist die
Heraussetzung der Oktavlage mittels derZif fern
8, 16 (24), die je nachdem über oder unter das
Liniensystem gestellt werden, während die normale
Höhenlage durch eine längliche 0 te xLer Mitte des
Systems gefordert wird, die als selbstverständlich
jedoch fehlen kann. Durch dieses Verfahren ist
eine vollkommene Analogie zur Tonartbezeichnung
geschaffen, die ja auch herausgesetzt wird.
91 —
Ein Bild der neuen „Einheitspartitur" bietet
Fig. 7. Der i^ ist hier als selbstverständlich überall
fortgelassen, Takt- und Tonartvorzeichnung sind der
Bequemlichkeit halber über und unter die Klammer
fl^esetzt. Die verkürzten Instrumentalnamen sind
auf jeder Partiturseite zu wiederholen, ebenso die
über- und untergesetzte Tonartvorzeichnung.
TJeberall ist in Fig. 7 die vorgezeichnete Ziffer
eine tiefstehende 8 (16), nicht nur bei den nicht
transponierenden Instrumenten mit Alt- oder Tenor-
Bchlüssel (bei Meyerbeer: Bratschen, Fagotte, Raoul
und Cello), sondern auch bei einigen transpo-
nierenden Instrumenten (Clar. in A, Homer in H,
Kontrabass). Die 8 bedeutet, dass alle Noten eine,
die 16, dass sie 2 Oktaven tiefer abzulesen sind.
In Normallage notiert sind Englisch-Hom und
Clar. in B, sowie die Violinen, die Nullsignatur
ist weggelassen. Die Wahl der Oktavlage ist keine
ein- für allemal feststehende, sondern geschieht
nach Bequemlichkeit: Wie bei Flauto picc. eine
hochgestellte 8 oder 16, so kann auch bei der ein-
fachen Flöt« und bei den Violinen eine hoch-
gestellte 8 vorgezeichnet werden, um viele Hilfs-
ßtriche an den Noten zu vermeiden. Aber soll
nicht wenigstens Q für die Bässe beibehalten
werden? Gewiss kann das geschehen. Indessen
sprechen für die Ausmerzung auch des Q in
Partitur und Stimmen 3 Gründe: a) Die gute
üebersichtlichkeit und Lesbarkeit der Partituren
bei konsequenter Durchführung der Schlüssel-Ein-
heitlichkeit, b) die Ersparnis an Hilfsstrichen bei
den tiefen Bassnoten, indem z. B. das Kontra-F
im ^ 4 Hüfsstriche, im ^^ dagegen nur drei er-
fordert, c) die Vereinfachung, welche für die
Notierung die schlüssellose Partitur (Fig. 7) be-
deutet, deren Voraussetzung ebenfalls Schlüssel-
Einheitlichkeit ist.
In welcher Weise sollen angesichts der Ein-
heitspartitur die ausgeschriebenen Stimmen
notiert werden? Auch hier sind Alt- und Tenor-
schlüssel durch den Violinschlüssel mit Oktavziffer
zu ersetzen. Bei transponierenden Instru-
menten muss dagegen aus instrumental-tech-
nischen Gründen die bisherige transponierende
Schreibweise in den ausgeschriebenen Stimmen
beibehalten werden, denn bekanntlich bleiben
Fingersatz und Lippendruck in den verschiedenen
auf c bezogenen Stimmungen unverändert, sodass
die Transposition der Skalen nicht vom Spieler,
sondern vom Instrument selbst besorgt wird.
Notieren somit Partitur und Stimmen bei trans-
ponierenden Instrumenten verschieden, so ge-
raten dennoch Dirigent und Kopist keineswegs in
eine missliche Lage; denn bei Anwendung, der
Keilschrift und der relativen Methode muss wegen
der Gleichheit aller chromatisch-enharmonischen
Tonleitern die ausgeschriebene Stimme, abgesehen
von der fortlaufend gleichen Notendistanz, dasselbe
Aussehen haben, wie die Originalstinmie in der
Partitur. Fig. 8 bringt eine Stelle aus der
7. Symphonie von Beethoven in alter und neuer
Notierung und die ausgeschriebenen Stinmien der
transponierenden Instrumente (Clar. in A und Comi
in E). Die A-Clarinetten sind in der Einheits-
partitur dem Klange nach in A-moll notiert, aus-
geschrieben dagegen, wie bisher, in C-moU, jedoch
mit Verwendung der Keilschrift. Würde das gis
in A-moll, wie üblich, durch tt gefordert werden,
das entsprechende h in C-moU dagegen durch i|,
so ginge die Gleichheit des Tonversetzungsbildes
sofort verloren. Die relative Methode leistet also
auch bei Partituren die besten Dienste. Nötig ist
aber auch bei Hörnern und Trompeten die
Heraussetzung der Tonartvorzeichen, an Stelle der
üblichen konsequenten C-durvorzeichnung und An-
bringung der Versetzungszeichen vor den jeweiligen
Noten. Offenbar spielen doch Hömer und Trom-
peten nur dann in C-dur, wenn die Stimmung des
Instruments der effektiven Tonart entspricht.
Differieren dagegen Stimmung und Tonart, so
spielen jene Instrumente nicht in C-dur, sondern
in einer Tonart, die um soviel höher (tiefer), als
die effektive Tonart liegt, wie die Stimmung tiefer
(höher) als C-dur ist. Steht z. B. das Tonstück in
Es-dur, so spielt ein F-Horn nicht in C-, sondern
in B-dur. Die bisherige Methode der steten
Wiederholung der Horntonartvorzeichen vor den
Noten ist eine ebenso grosse Umständlichkeit
und Inkonsequenz wie unwürdige Konzession an
die Bläser, wie auch Gevaert bereits hervor-
hebt (Instrumentenlehre § 80, Schluss, und § 129
Anm.). In den ausgeschriebenen Homstimmen
Fig. 8 sind die Vorzeichen der Tonart F-moll, in
welcher die E-hömer spielen, herausgesetzt; in-
folgedessen ist auch bei den Hörnern das Noten-
büd dasselbe wie in der Einheitspartitur.
(SchlusB folgt.)
= Kritische Mckscbau =
über Konsert und Oper.
Von
Dr. KmI ütorck.
Ueber Gnstay M ahler U fünfte Symphonie
fasse ich mich so kurz wie möglich. Ich habe bei
der Aufführung der dritten Symphonie Mahler's an
dieser Stelle gesagt, dass ich über diese Musik
— 92 —
nicht urteilen könne, weil ich kein Verhältnis zu
ihr finde, betonte aber gleichzeitig, dass mir das
äussere Einfachtnn in Verbindang mit einer ins
Virtuosentnm gesteigerten Effekthascherei der
Orchestertechnik im höchsten Grade bedenklich er-
scheine. Nach dieser fünften Symphonie wage
ich zu nrteilen, zq — verurteilen. Das ist keine
Musik, das ist Noten-Mathematik. Dabei arbeitet
diesesmal die Rechenmaschine noch nicht einmal
verblüffend. Die Technik ist so aufs äusserste an-
gespannt, dass sie überspannt wird und versagt.
In dieser entsetzlich grossen Wüste war keine
Oase, höchstens einmal ein ganz kümmerliches
Bltimlein. Das aber war fremd in dieser Welt.
Es ist erstaunlich, wie unbekümmert der Herr Hof-
kapellmeister von Wien von Mendelssohn bis
Johann Strauss, von Haydn bis Wagner sich seine
musikalischen Gedanken zusammenholt. Aber
vielleicht treibt er nur seinen Ulk mit uns, hält in
souveräner EünstlMlaune uns blödes Publikum zum
Narren. Das ist ja auch anderswo Mode. Nun
wohl, so müssen wir einmal sackgrob werden und
gehörig darauf losklopfen; vielleicht kommt dann
der wahre Kerl zum Vorschein. Wenn der was taugt,
will ich gern pater peccavi sagen für meine jetzige
Meinungsäusserung, dass Maliler's Begabung allen-
falls für kleine Formen ausreicht, dass alles andere
künstlicher Aufputz, hohle Mache ist. Vor allem
haben wir uns mit Mahler erst dann auseinander-
zusetzen, wenn er uns wahrhaft entgegentritt und
die kokettierenden Mätzchen mit künstlerischer
Einfachheit beiseite lässt.
Solche Werke müssten schweigend abgelehnt
werden; ich denke, der Beifall galt Niki seh und
den Philharmonikern, die mit Einsatz aller Kräfte
sich an die undankbare Aufgabe machten. Unter
diesen Umständen ist die Ablehnung hart, aber
schliesslich doch auch vom Dirigenten, der gleich-
zeitig Wähler der Neuheiten ist, verdient. Jeden-
falls entsteht bei dieser Trennung von Werk und
Aufführung, wo dann die Zischer dem Beifall ant-
worten, ein falsches Bild, eine Art von künstleri-
schem Wettstreit,' wo es nichts zu streiten gibt.
An neuen Kompositionen wurde vielerlei ge-
boten, aber nichts, was als dauernde Bereicherung
zu erscheinen vermöchte. Das Oktett von Paul
Juon lässt den geistigen Untergrund dieser Wahl
von Instrumenten so stark vermissen, dass die
Instrumente nicht einmal ihre rein tonalen Fähig-
keiten zu erweisen vermögen. Auch der musikali-
sche Inhalt an sich ist dürftig, und die Formen-
gebung beharrt mit einer übel angebrachten Starr-
köpfigkeit auf der Wiederholung bestimmter
rhythmischer Gänge. Hoffen wir, dass der für die
Kammermusik sehr begabte Komponist das nächste
Mal mehr Glück hat
Völlig bedeutungslos war der Kompositions-
abend Guido Alberto Fano's. Das ist musikalische
Massenfabrikation, charakterlos wie solche, aber
überdies ohne jede technische Vollendung. Der
Eindruck, den die Kompositionen Fini Henriques
machten, war insofern besser, als hier ein starkes
Bemühen um Grösse hervortritt und der Komponist
als Spieler lebhaftes Temperament zeigte. Im
übrigen war auch hier nachhaltige Anreg^ong nicht
zu holen. Da ist denn Ernst Boehe's ^Insel der
Kirke^, der zweite Teil des umfangreichen Werkes
„Aus Odysseus' Fahrten**, inmier noch die bedeu-
tendste Leistung. Und die charakteristiscliBte, denn
sie zeigt, dass unsere Komponisten inmier mehr in
ein Orchestervirtuosentum hineingeraten, das
musikalisch in keiner Hinsicht reicher ist, als das
der Beproduzierenden. So fühlt man einem Mann
wie Walter Meyrowitz gegenüber geradezu
Dankbarkeit. Er hat einem nichts Bedeutendes
zu sagen, aber er tut auch nicht so. Diese Kunst
ist innerlich vollauf berechtigt und an ihrem Platze
sehr wertvoll. Freilich ist dieser Platz sicherlich
nicht die Oeffentlichkeit des Konzertsaales.
Noch habe ich über den dritten Orchesterabend
Busoni's zu berichten, bei dem der Veranstalter
ganz bescheiden im Hintergrund blieb. Die drei
Komponisten dirigierten ihre Werke selber. Es ist
schade, dass Busoni mit seinen von echtem
Idealismus eingegebenen Veranstaltungen nicht
mehr Glück hat. Wenn uns wirklich keine
besseren Werke zur Verfügung stehen, so steht es
um unser zeitgenössisches Musikschaffen sehr
schlimm. Eine Symphonie von Alberic Magnard
war eitel Tönegebraus. Hans Pfitzner^s Scherzo
st eine Jugendarbeit, gut gemacht und nett, aber
unbedeutend und ohne Jeden persönlichen Gesichts-
zug. Wozu es also hervorkramen? Glücklicher war
der Abschluss. Des Finnen Jean Sibelius zweite
Symphonie ist trotz der etwas verworrenen zwei
ersten Sätze ein wertvolles Werk. Heimatkunst,
wie alles, was dieser KtLnstler schafft. Ich glaube,
seinen Landsleuten klingen auch die beiden ersten
Sätze verständlicher, als uns. Was wissen wir
heute noch viel vom Wind und den Geschichten,
die er erzählt? Aber die blauäugigen Kinder im
Land der Seen stecken noch voll Märchengeist
und lauschen ahnungsvoll hinaus in stürmische
Nächte. Konmit dann solch wilder Stoss, so fängt
einer im Kreise an, erzählt aus Kalewala von
Kalewa's Söhnen, wie sie ins Nordland fuhren,
sich Bräute zu holen; ein altes Mütterchen singt
Aino's Hochzeitslieder dazu, bis ein ernster Mann
von Kulervo's Taten berichtet, aus der Zeit, die
der „verkörperte Fluch der Knechtschaft** war. Da
trifft dann die graue Vergangenheit mit der on-
mittelbaren Gegenwart zu scharfem Klang zu-
sammen, und lauter, klarer und fester wird auch
des Komponisten Lied. Ich glaube noch lange
nicht an den Untergang dieses Stammes, der noch
so von seiner Heimat singt.
Auch das dritte Konzert des ,phil har-
monischen Chors** galt zum grösseren Teil
neuen Werken. Bei Karl Neff müssen wir leider
selber mit ihm in die Klage der Toten mit ein-
— 93 —
atimmen. Als jungen Baum hat ihn der Tod ge-
fallt, noch ehe es dem schlank emporwachsenden
Stamm gelang, ans dem dichten Untergehölz recht
heransznkommen und sich frei zu entwickeln.
Schade. Dieser Mann konnte sehr viel and empfand
«ehr stark. Die beiden Chöre, die von ihm ge-
sungen wurden, stehen gewiss im Banne Wagner's,
zeugen aber andererseits von eigenem Erfassen der
Welt Bach's. Neben dem Formalen aber steht
ein Geistiges von eigener Art, das sich wahr-
scheinlich stärker darchgerongen hätte, wenn der
Komponist nicht in so jangen Jahren gestorben
wäre. -* Danach kam J. S. Bach's köstliche
„Operette": „Der zofriedengestellte Aeolus", deren
spnidelnder Humor umso erquickender ist, als ein
recht ernsthaftes kontrapunktisches Zöpflein sich
umsonst bemüht, den £mst zu wahren. Nun folgte
zum Schluss Bichard Strauss' „Taillefer'*. Dass
Straussauf seinem Orchester spielt, ist klar. Das
ist sein Instrument, darum ist nicht zu rechten.
Nimmt man dieses Biesenformat an, so muss man
sagen, dass Strauss diesen „Taillefer** ganz echt
im Stile der Volksballade komponiert hat. Wäre
die Philharmonie dreimal so gross, sodass der
angebotene Künstlerkörper Platz zur Entwicklung
hätte, man sollte über die monumentale Wirkung
staunen. Unter den jetzigen Verhältnissen ver-
schwimmt zu viel. Der Chor ist bereits zu gross.
Seine Leistungen standen übrigens wieder auf der
Höhe. Unter den Solisten waren zwei Meister-
sänger: Frau Herzog und Professor Messe haert.
Man hätte wenigstens für den Tenor einen eben-
bürtigeren Vertreter wählen müssen.
An der anderen Grenze einer höchsten Einfach-
heit stand der Vortrag „Deutscher Volkslieder und
Balladen zur Laute'^ von Bobert Kothe. Die
Veranstaltung an sich ist prächtig. Kothe ist kein
grosser, aber ein sympathischer Säoger. Lächerlich
ist's, ihn den deutschen Scholander zu nennen. Er
ist etwas ganz anderes, viel einfacher und darum
für die Kunsterziehung wertvoller. Er singt die
köstlichen alten Stücklein, wie man sie zuhause
singen soll. Ueber sein Unternehmen sagt er selber
gute Worte, die hier einen Platz haben sollen.
„Die Laute und ihre heute meist gebräuchliche
Abart, die Guitarre, hat viel Schicksale gehabt.
Von der Königin der Instrumente sank sie herab
zur Dienerin von virtuosen Künsteleien, denen
ihre klangschöne, aber zarte Stimme nicht ge-
wachsen ist, und diese äusserliche, ungesunde Ent-
wicklung führte notwendig zu einem inneren Ver-
fall, aus dem sie sich erst in unseren Tagen wieder
zu erheben beginnt. Die Laute denkt nicht daran,
mit dem Klavier einen Wettstreit zu beginnen,
sie will nur das kleine Gebiet, das ihr von Natur
aus zukommt und das nie dem Klavier hätte an-
vertraut werden soUen, zurück haben. Der K. B.
Kammermusiker Heinrich Scherrer in München,
ein grauer Kenner der Guitarrd, hat die alte.
hochentwickelte Lautenmusik eingehend studiert
und zu einer grossen Anzahl von Volksliedern Be-
gleitungen geschaffen, die auf dieser alten Lauten-
musik beruhen und die der ziemlich gleich klingen-
den Spielart der Guitarre angepasst sind. Sie sind
im guten Sinne volkstümlich, trotzdem aber in
vorteilhafter Weise verschieden von den mehr als
einfachen Liedbegleitungen der Guitarre, welche
wir aus Grossvaters Zeiten noch kennen. Die
Lieder und ihre Weisen sind den herrlichen Samm-
lungen deutscher Volkslieder entnommen, die unser
Volk bereits seit langem — leider meist nur in
staubigen Bibliotheken — besitzt. Ich nenne nur
die Sammlungen von U bland, Hoffmann von Fallers-
ieben, G. Scherer, Bochus von Liliencron (in
Kürschner's deutscher Nationalliteratur), Erk und
Böhme (8 Bände). Laute und Volkslied gehören
zusammen, beide aber nicht eigentlich in den Kon-
zertsaal; wenn sie dahin gehen, so tun sie es nur,
um sich weiteren Kreisen wieder in Erinnerung
zu bringen. Wir haben verlernt, traute häusliche
Feste wirklich zu feiern. Was ist aus unserer
Hausmusik geworden? Einen der köstlichsten
Schätze, dessen goldene Klänge einst laut wurden
in den Weihestunden des Abends, im Dunkel ver-
schwiegener Wälder, auf lachenden Fluren, haben
wir in Winkeln verstauben lassen. Und doch
wäre gerade die ursprüngliche Kraft, die diese
Dichtungen aus warmem Volksherzen aufspriessen
Hess, berufen, auf den überreizten Menschen unserer
Tage verjüngend und stählend einzuwirken. Ge-
länge es dem Sänger, die Liebe zum deutschen
Volksliede neu zu beleben, so wäre dies sein
schönster Lohn.'^
Sehr schön verlief das zweite Wagnerver-
einskonzert. Liszt's „Faustsymphonie" wirkte
unter des Stuttgarter Hofkapeilmeisters^ Pohlig
Leitung hinreissend. Ebenso grosszügig kam das
Vorspiel zu „Tristan und Isolde" zum Vortrag,
und den Liebestod habe ich im Orchester über-
haupt noch nie so schön gehört. Uebrigens be-
währte sich hier wieder Frau Pia ich ing er in be-
deutsamer Weise; ihr Weggehen wäre für imsere
Hof bühne ein Verlust, für den ich zunächst keinen
Ersatz wüsste. Frau Fleischer-Edel, die acht
Tage zuvor an gleicher Stelle dasselbe Werk sang,
liess trotz ihrer prächtigen Stimmmittel infolge
der geistigen Bedeutungslosigkeit des Vortrags
völlig kalt. Leider kam auch dieses Mal wieder
ein Stück „Parsifal" zur Aufführung. Wem soll
dieses Beginnen nutzen ? Ich für meinen Teil schaffe
mir in stillen Abendstunden am Flügel ein viel
treueres Abbild des hehren Werkes, weil da die
Phantasie zur Mitarbeit frei ist. Bei diesen Kon-
zerten aber ist trotz des riesigen Apparates überall
Unzulänglichkeit; das Wesentliche zum Festspiel
fehlt: das Spiel und leider auch die Festlichkeit.
Die Wagnervereine haben wirklich Besseres zu
tun, als offene Türen einzurennen.
— 94 —
Am 25. Februar fand in der Lntherkirclie,
Berlin, wieder eines der beliebten Orgelkonzerte
des Organisten Franz Grnnicke statt. Das
Fnbliknm fand hier Gelegenheit, das wahrhaft
künstlerische Spiel des in letzter Zeit viel genannten
hervorragenden Schülers Franz Grnnicke's, Arthur
Edwin Kraft, zu bewundem. Als Einleitungs-
nummer stand das grosse ,, Präludium" und die
lyFuge** in e-moU auf dem Programm, die Herr
Kraft mit gewohnter Sauberkeit und Klarheit zu
G^hör brachte. Tiefen, nacbhaltigen Eindruck
hinterliess der junge Künstler mit dem Vortrage
der Max Reger'schen „Fantasie und Fuge*^ über
B-A-C-H, diesem wunderbaren Tongebilde, das in
der Orgelliteratur den wertvollsten Kompositionen
eingereiht zu werden verdient und an das sich nur
fertige Orgelspieler heranwagen dürfen Ausser
einer .Toccata" v. Bartlett und einem „Inter-
mezzo** V. Callaerts machte uns Herr Kraft noch
mit zwei Stücken französischer Schule, dem „Prä-
ludium** aus der VI. und der „Toccata** aus der
V. Orgelsymphonie v. Widor bekannt. Auch
diese höchst ansprechenden Orgelwerke wurden
von Herrn Kraft geschmackvoll vorgetragen. In
dem mitwirkenden Baritonisten Mr. Gwilym
Miles, welchem ebenfalls ein grosser Anteil des
glänzend verlaufenen Konzerts gebührt, lernten
wir einen Sänger kennen, der ein höchst sym-
pathisches, sorgfältig ausgebildetes Organ besitzt
und über bedeutende Stimmmittel verfügt. Mr.
Miles sang die Arie aus M endeis so hn*s Elias
„Es ist genug", femer „Gloria** v. Bussi-Peccia
und „ConfutatiB maledictis*' aus dem Requiem von
Verdi und erregte mit der künstlerisch vollendeten
Wiedeigabe dieser Stücke berechtigtenEnthnsiasmos.
Herr Kraft begleitete die Gesänge aufs sorgföltigvte.
Wir hätten dem Konzert, dessen Ertraf^ für die
Armen der Gemeinde bestinmit war, nur einen
noch regeren Zuspruch gewünscht, die Zuhörer-
schaft bestand wohl meist aus Amerikanern. Pie
Luthergemeinde sollte stolz sein, wenn zu ihren
Gunsten sich solche Künstler in den Dienst der
Wohltätigkeit stellen. if. />.
Mitteilungen
▼ on Hoohsohulen nnd KonservatoriexL
Das Hoch'sche Konservatorium zu
Frankfurt a, M. -— Direktor Prof essor B. Scholz —
hat Prof. Johannes Messchaert als ersten Ge-
sanglehrer für die Anstalt gewonnen.
Prof. Gustav Hollaender, Direktor des
Stern'schen Konservatoriums, feierte am
15. Februar zugleich mit seinem 50. Geburtstage
das 10jährige Jubiläum als Leiter der be-
rühmten Anstalt in festliaher Weise. Es fand
eine Matinee im Beethovensaal statt, die mit dem
Beethoven'schen Chore: „Die Himmel rühmen
des Ewigen Ehre** eröffnet wurde. Professor
E. E. Taubert hielt die Ansprache, in der er der
Verdienste des Jubilars gedachte, er überreichte
eine Adresse, die Stiftungsurkunde einer aus An-
lass dieses Jubiläums begründeten Krankenunter-
stützungskassa für das Lehrerkollegium des Stern-
scheu Konservatoriums. Es folgten Aufführungen
Hollaender'scher Kompositionen für Gtesang,
Violine und Orchester. Zum Schluss dankte Prof.
Hollaender mit bewegten Worten allen Beteiligten
für die ihm bereiteten Huldigungen.
Yermischte Nachrichten.
Der Königl. Musikdirektor Hermann Prüfer,
Direktor des Berliner Königl Hof- und Domchors,
erhielt den Titel als Königl. Professor.
Professor nnd Musikdirektor Alexis Hol-
laender zu Berlin erhielt den Boten Adlerorden
vierter Klasse.
Die Königliche Bibliothek zu Berlin ist
durch eine namhafte Bewilligung aus dem aller-
höchsten Dispositionsfonds in den Stand gesetzt,
die wertvolle i^Bach-Sammlnng'* zu erwerben, die von
Franz Hauser (f 1870) angelegt worden ist und
sich Buletzt im Besitz seines Sohnes, des im Vor-
jahr verstorbenen Kammersängers JosefHanser,
befand. Die Sammlung umfasst nach dem „2jen-
tralbl. für Bibliothekswesen** xmter anderem 194
Kantaten, die Originalhandschrift der Lukas-
Passl«" ^ ^chiedene Instrumental werke, im
ganzen 282 Blätter von der Hand Johann Se-
bastian Bach's und 21 von Emannel Bach,
femer Originaldrncke, zum Teil von Bach selbst
in Kupfer gestochen, nnd alte Abschriften von
Walter und Penzel. Die Kgl. Bibliothek, die
bereits einen unvergleichlichen Schatz Bach'scher
Originalwerke besitzt, hat mit der eben beschriebenen
diejenige Bach-Sammlung hinzuerworben, die nach
ihrer eigenen als die grösste und bedeutendste an-
erkannt war.
Der Bohn'sche Gesangverein zn Breslao,
Leiter Prof. Dr. Emil Bohn, gab am 19. Februar
und 5. März sein 99. und 100. „Historisches
Kon z ort**. Auf dein Progranun des ersten standen
>,Gesänge aus Shakespeare's Dramen", Kompo-
sitionen von altenglischen Komponisten wie T hom sb
Morley, John Wilson, Benjamin Cooke,
— 95 —
Matthew Locke, John Stevens, Th. A. Arne,
Henry Pnrcell nnd anderen niederländischen
nnd deutschen Komponisten; das zweite war dem
ydenttchen weltlichen Liede vom 15. bis 19. Jahr-
hundert* gewidmet. Es fährte von Heinrich
Finck, Ludwig Senfl, Jakob Regnart, Hans
Leo Hasler, Heinrich Stein, Joh. A. P.
Schulz hinüber zu Mozart, Beethoven, Weber»
Schubert bis zu unseren neuesten Brahms und
Hugo Wolf. Ein Epilog ^Das alte Lied vom
Scheiden" von Emil Bohn beschloss das 100*
Konzert. Eine Festschrift wird dieser letzten Auf-
führung folgen.
In der Ortsgruppe Leipzig der Int. Mus.-Ges.
führte Prof. Dr. Kiemann zum erstenmal die
Leistungen seines akademischen „CoUegium
musicnm^^ (historische Kammermusikübnngen) einer
grösseren Zuhörerschaft vor. Ein kleines Orchester
von ca. 20 Mitwirkenden brachte eine Reihe von
Riemann bearbeiteter und im Verlage von Breit-
kopf & Härtel herausgegebener Werke aus der
ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts zum Vortrag
und erregte nicht geringe Verwunderung über die
Fülle ergreifender Wirkungen, welche diese lange
ganz vergessene Literatur birgt. Es wurde gespielt
je eine Triosonate von E. F. dairAbttCO(1675 bis
1742), Joh. Fr. Fasch (1688-1758), G. B. Per-
golese (1710-1736), J. Chr. Gluck (1714-1887),
Ph. E. Bach (1714-1788) und zwei von Johann
Stamitz(1717-1757),denRiemannalsden Begründer
des Stils der Wiener Klassiker vorstellte. Freunde
älterer, wertvoller Kammermusik seien bei dieser
Gelegenheit nochmals auf die Rlemann'schen Ver-
öffentlichungen besonders aufmerksam gemacht.
Am 18 Februar ist Arrey v. Dommer, der
hervorragende Theoretiker nnd Historiker, seinen
langen Leiden im Krankenhause Hephata bei
Treysa erlegen. In ihm verliert die Musikwissen-
schaft einen ihrer vornehmsten Vertreter. Am
9. Februar 1828 zu Danzig geboren, ging er 1851
zum • Studium der Musik nach Leipzig, war dort
Schüler von Richter, Lobe und Schellenberg
und studierte an der Universität die schönen
Wissenschaften. 1863 siedelte er nach Hamburg
über, hielt dort Vorlesungen und war 7 Jahre lang
als Musik-Referent am Hamburger Gorrespondenten
tätig. Von 1873—89 wirkte er als Sekretär der
Hamburger Stadtbibliothek, die ja mit ihrem
reichen Bestände an wichtigen älteren Manuskripten
neben den Sammlungen des Vatikans, des Britischen
Mosenrns, der Münchener, Wiener, Berliner, Dres-
dener und Wolfenbütteler Bibliotheken eine Haupt-
Stätte für musikhistotische Quellen - Forschung
bildet und für einen musikalischen Fachgelehrten
wohl einen zusagenden Wirkungskreis bieten
konnte. Die äusseren Spuren von Dommer's Mit-
arbeit in der Stadtbibliothek traten in dem von
ihm angelegten Katalog der musikalischen Werke
hervor. Seine Hauptverdieuste bestehen jedoch in
der Herausgabe des von ihm völlig neubearbeiteten
„Koch'schen Musik-Lexikons (1865) und des
grossen „Handbuches der Musikgeschichte^^
(1868). Beide Werke sind jedem Musik-Studierenden
heute noch unentbehrlich. Besonders das letztere,
das in streng wissenschaftlicher Methode in schöner
Sprache eine knappe und erschöpfende Darstellung
der musikalischen Kunst und ihrer Meister von
der Blüte der altgriechischen Tonkunst an bis ein-
schliesslich Beethoven bietet. Es wäre sehr zu
wünschen, dass das vortreffliche Buch, das sich
durch seine lichtvolle Klarlegung und Stoffgrup-
pierung vorzüglich zum Selbststudium eignet, bald
eine Neuauflage erfülire, es ist seit Jahren ver-
griffen. Dommer veröffentlichte ausser diesen
Werken noch: „Elemente der Musik«" (1862), einen
achtstimmigen Psalm, vierstimmige Melodien von
Joh. Wolf gang Franck« sowie ^ Lutherdrucke aus
der Hamburger Stadtbibliothek.'' Seine letzten
Lebensjahre hat Dommer seinerleidenden Gesund-
heit wegen in völliger Zurückgezogenheit in Mar-
burg und Thüringen verbracht.
Zum Besten des Fonds zur Erhaltung von
J. S. Bach's Geburtshaus in Eisenach, das,
wie in No. 8 des Kl.-L. berichtet, von der „Neuen
Bach-(>esellschaft'* angekauft ist, veranstaltete der
studentische (xesang verein „Friedericiana" zu
Halle unter Leitung des Königlichen Musikdirektors
Otto Richter-Eisleben ein Konzert, das in
seinem Programm eine Reihe der wertvollsten
Graben bot. Orchester-, Chor- und Solosätze waren
ausgewählt nach ihren Beziehungen zum aka-
demischen Leben und zur studentischen
Musik. Brahms' , Akademische Festouvertüre"
eröffnete das Konzert, dann führten Solo- und
Chorgesänge von HeinrichAlbert (Königsberger
Studentenmusik zur Begrüssung Martin Opitz** —
über Joh. Herm. Schein, Adam Krieger bis
in die neue und neueste Zeit hinein zu Rein ecke,
A. Becker, R. Schumann, Rheinberger und
Fr. Liszt, der mit seiner so gut wie unbekannten
Humoreske «Gaudeamus igitur!^* für grosses
Orchester, Ohor und Solo das Programm ausser-
ordentlich wirkungsvoll abschloss. Sehr interessant
gestaltete sich der historische Teil des Konzertes,
umsomehr, als tiier wirklich frische und ursprüng-
liche Musik zu G^ör gebracht wurde, die heute
die Herzen noch so empfänglich stimmt, wie vor
Jahrhunderten. Besonders die Studentenlieder
Adam Krieger's (geb. 1634), die nicht öffentlich
zu haben sind und die demnächst^ wie das an
Umfang und lohalt einer musikalischen Doktor-
dissertation gleichende Programm bekundete, in
den „Denkmälern deutscher Tonkunst*' erscheinen,
hatten ihre zündende Kraft so trefflich unter dem
Staube der Archive bewahrt, dass sie lauten Beifall
weckten. Auf diese Komposition Adam Krieg er 's,
des grössten Liedermeisters vor Franz Schubert,
sei hier besonders hingewiesen.
Am Bremer Stadttheater ist ein Zyklus,
der die „geschichtliche Entwicklung der deutscher
— 96 —
Spieloper*' veranscbaolichen soll, mit der Auf-
führangvon Job. Ad. Hiller 's 1770 entstandener
„Jagd*' eröffnet worden. Die in der ürgestalt
hente nicht mehr bühnenfähige Oper wurde zam
erstenmale wieder seit 75 Jahren in der durch-
greifenden Neubearbeitung gegeben, die einst
Albert Lortzing für das Hoftheater in Detmold
hergestellt hatte, wo sie 1830 unter lebhaften
Ovationen für den damaligen Fürsten in Szene
ging. Die hochinteressante Partitur hat seit dieser
2^t still verborgen geruht, bis sie durch Georg
Richard Kruse, der auch das Textbuch bei
Reclam herausgab, wieder zutage gefördert wurde.
Das reizvolle und musikgeschichtlich zwiefach
bedeutsame Werk fand bei guter Darstellung anter
4er Spielleitung Gustav Burckard's eine iusaerst
freundliche Aufnahme.
Bücher und Musikalien.
E. Wolf-Ferrari, op. 11, „Vier Rispetti", für Sopran.
D. Bmbter» Himbarg «nd Lelpily.
Wolf-Ferrari ist der glückliche Komponist der
komischen Oper ^Die neugierigen Frauen", die fast
allabendlich im Theater des Westens zum Ent-
zücken des Publikums gegeben wird und somit
einen Erfolg errungen, wie seit Jahren keine Oper
auf der deutschen Bühne. Wenn man nun fragt,
worin das Geheimnis dieses Erfolges liege, so gibt
es nur eine Antwort: In der Natürlichkeit, darin
dass der Komponist den Mut hatte, wieder einmal,
unbekümmert um alle tiefgründigen Probleme, so
zu schreiben, wie ihn das Herz bewegte. Man
wird vielleicht einwenden: die Rispetti sind aber
nicht originell. Nun gut, antworte ich, dann ist
auch das Kauschen des Waldes und das Rieseln
der Quelle nicht originell, denn wir haben sie
schon unzähligemale gehört und hören sie noch
alltäglich. Aber wie wir uns immer wieder an
ihnen aufs Neue erquicken, so wird uns auch
immer wieder jedes wirkliche Kunstwerk von
Neuem erheben und begeistern, sofern es nur wahr
empfunden und natürlich gestaltet ist, aber Grübelei
und Künstelei haben noch niemals ein Kunst-
werk, und sei es auch das kleinste Lied, hervor-
gebracht. Deshalb werden auch die kleinen
Rispetti, ebenso wie die neagierigen Frauen, überall
wo sie erklingen, durch ihre lachende Lebens-
lust und ihren frohen üebermut Freude und
Behaglichkeit verbreiten, und zwar umsomehr, als
sie ausserordentlich sanglich geschrieben sind. Es
w&re nicht mehr wie billig gewesen, auch den
Namen des gewandten Uebersetzers zu vermerken,
dem die Uebertragung ins Deutsche meisterhaft
gelungen.
FrsBi Bölsche, „Frühlingswehen''. Für eine Sing-
stimme.
N. Siaurocky Berllm«
Ein «chwungsvolles Lied, das sich vermöge
seiner reich harmonischen Gestaltung und der
frisch hinausjubelnden Führung der Singstimme
ganz besonders für den Konzertvortrag eignet.
Dass der Komponist kein Klavierspieler ist, brauchte
er aber nicht mit so ruhender Offenherzigkeit zu ver-
raten, das hätte jeder Eingeweihte schon von
selbst herausgefunden. Er ging vielleicht von
der Ansicht aus, dass der Klavierbegleiter sich die
vier Takte der linken Hand auf Seite 5 nach Art
der früheren Konzertkadenzen je nach dem C^rad
seiner Gewandtheit und Fertigkeit selbst mn-
ändem und ausschmücken wird. Der Sicherheit
halber und weil unsere 2jeit nicht dazu angetan ist,
künstlerische Ehrlichkeit und Anspruchslosigkeit
nach ihrem Werte einzuschätzen, wird Herr
Bölsche gut tun, seinen feurigen Weisen in Zukunft
eine ebenso feurige Begleitung doch lieber selbst,
und zwar mit möglichster Genauigkeit unterzu-
legen.
Arno KUffd.
Hogo Keinhold, op. 52. „Klavierstücke*.
op. 53. „Auf der Wanderschaft"
op. 69. „Arabesken."
op. 60. .Sühouetten.«
Lmdwif Doblimrer, Wlem.
Die hier angezeigten vier Klavier werke von
Hugo Reinhold bewegen sich ihrem inneren musi-
kalischen Gehaltenach in aufsteigender Linie, allen
gemeinsam aber ist sehr wohlklingender Klavier-
satz und unschwere Spielbarkeit, Grund genug,
ihnen eine Stelle in der ünterricbtsliteratur einzu-
räumen. Von den Werken des op. 52 wünschte
ich nur das dritte („Fhantasiestück^*) übergangen
zu wissen; sein Hauptgedanke wiegt gar so leicht
und erscheint auch knapp salonfähig. Hingegen
finde ich die Novellette sehr frisch, die „Etüde'
recht brauchbar und das abschliessende Scherzo
sehr hübsch erfunden und an inneren Gegensätzen
reich. Die Charakterskizzen ,.Auf der Wander-
schaft" enthalten sehr viel Anerkennenswertes,
z. B. die „Merkwürdige Begegnung" mit dem
scharfen Rhythmus, die lyrische Szene „Im Rosen-
garten", die Geschichten vom „Zigeunermädchen'
und an der „Lieben Stelle", endlich auch die beiden
letzten Stücke «Bei der Hochzeit' und „Rascher
Entschluss". Sehr viel ^ianistische Anregung
bieten die Arabesken (op. 59), die ich zugleich als
vorzüglich wirkende und auch fördernde Studien
betrachten möchte, weil darin vielfach ein und
dasselbe Motiv Verwendung findet und in W^ahr-
heit Nützliches mit Angenehmem leicht verbunden
werden kann. Höchst angenehm berührte mich
die Bekanntschaft mit Reinhold's op. 60. Diese
— 97
„Silhonetten* sind fein entwarf ene, mit schöner
TüTSOTge in allen Einzelheiten ausgeführte Minia-
toren, zweifellos anch nach Seite der Erfiindang,
Melodik und Harmonik unter den in Rede befindlichen
Werken am höchsten stehend. Sämtliche vier
Klavierhefte Itago Keinhold's kann man bereits
gnt vorbereiteten Schülern der Mittelstafe in die
Hände geben. Sie sind mit ihrem mannigfachen
Inhalte durchgängig geeignet, Lust und Liebe an
gut musikalischem Vortrage mit wecken zu helfen
und können insbesondere als Yortragsstücke immer
gute Verwendung finden. Eugen Segnite,
Konseryatorium der Musik
in Kassel.
Gegr. 1895. Direktion: L Beyer. G«gr. 1896.
EhreBTOniti: lUffiemnM-Präsident tob Trott ■■ SmIi,
Gimf KSaltMorfl; BxoellenB Generalin tob Golomby
Oberbürgermeieter MSller n. ▲.
CaratOliam: Pfarrer Haeo, Soholdirektor Prof. Dr. Kram-
, Bankier Plaaty JnflÜsrath Seheffer n. A.
I^lirer : Die Damen : L. Beyer» Blassl-FSrttery KönigL Opern-
sänsrerin, CMeese-FabroBl» A. Ta««leB. Die Herren:
A« Hartder««. Kamxnerrirtaos. Pro£ Dr. USbel»
0. Kaleleei» KgL Kammermosiker, E. KletsaiaBBt
Kffl. Opemsänffer, W* Hoahaapty Kgl. Kammermusiker,
B«. Be^mlät, Kgl. Kammermusiker, H. BehBarbaidi,
KgL KammermnBiker n. A.
UnteiTlehtfftcher: KUTier, VicUne, OeUo, Harfe nnd alle
übrigen Oroheeierinstmmente. Gesang, Harmonie-
ondKompoAitionslelire. Mnsikgeschiohte. Italienisch.
QroheoterspieL GehOrttbong. Mnsikdiktat.
Organisatioii: Conoertklassen. Seminarklassen. Ober-,
Mittel- und Elementarklassen.
Stataten sind kostenfrei su besiehen durch die Scbriftleitnng
des KonserTatorioms Kassel, Wilhelmshöher Allee 4&
Soeben erscheinen:
Drei reizende Klavierstücke
von
Ausunl Hlustaard«
1. Grossmütterchen spinnt.
2. Grossmutter erzählt Märchen.
3. Wie Grossmütterchen tanzt.
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Niederlage und Magazin in Berlin:
W., SchillstraMe 9
Generalvertreter: Dr. Richard Stern.
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«: Noten-Werke, «:
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Expedition und Verlag y^Der Klavier- Lehrer<<y M. Wolff , Berlin W., Ansbacherstrasse 87.
Druck: J. S. Preuss, Berlin S.W., Kommandantenstr. 14.
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Musik-pädagogische Zeitschrift für alle Qebiete der Tonkunst
Organ der Deutschen Musiklehrer-Vereine,
der Musik-Sektion des K D. L-V. und der Tonkunstler-Vereine
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Begründet 1878 von Professor Emil Breslaur.
Redaktion: Anna Morscli
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Literatur. (Schluas.) Georg Capellen-Osnabrack: Tonschrift-Reform Capellen. (Schlnaai) Anna Morsch: Robert Eitner. Mit-
teilungen von Hochschulen und Konservatorien. . Vermischte Nachrichten. BQcher und Musikalien, besprochen von Eugen
Segnitz und Dagobert Löwenthal. Musikp&dagogischer Verband. Anzeigen.
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Von
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(Schluss.)
Sehen wir vom Ellenbogengelenk ab, so
ist die Ruhestellung zugleich diejenige Stellung,
die etwa in der Mitte zwischen äusserster
Beugung und Streckung u. s. w. liegt, daher
mit der vergleichsweise geringsten Anstren-
gung innegehalten werden kann und für die
Bewegungen nach allen Richtungen hin den
bequemsten Ausgangspunkt bildet. Das Ellen-
bogengelenk gewinnt diese Mittelstellung
durch Erhebung um 90® zum Oberarm, die ihn
in wagerechte Lage bringt. Da er sich nun
mit dem Tätigkeitsfelde des Spielers, der
Tastatur, in gleicher Höhe befinden muss, so
ist hiemach die sehr wichtige Regelung des
Sitzes vorzunehmen. Für die Stellung der
Hand ergibt sich die Vorschrift, dass der
Handrücken mit der oberen Fläche des Unter-
arms in einer wagerechten Ebene liegt. Denn
wollte man das Handgelenk sinken lassen,
dann könnten die Finger nicht zu der ge-
nügenden Höhe gehoben werden; wollte man
es aber hochstellen, dann würde die Anschlag-
bewegung weniger ausgiebig und weniger
kräftig ausfallen. Es ist ferner zu beachten,
dass die Kleinfingerseite der Hand aus ihrer
natürlichen, etwas gesenkten Lage soweit ge-
hoben werden muss, dass der Handrücken
auch in querer Richtung eine wagerechte
Ebene bildet, weil anderenfalls der 4. und 5.
Finger sich nicht ebensoweit über die Tasten
erheben Hessen wie die übrigen Finger. Diese
Hebung der Kleinfingerseite kann durch Ein-
wärtsdrehen der Speiche im Ellenbogengelenk
bewirkt werden; da man damit aber bis an
die Grenze dieser Drehbewegung gehen
müsste, was bald als gezwungen und er-
müdend empfunden werden würde, kommt
man ihr durch eine leichte Hebung des Armes
im Schultergelenk entgegen, so dass der
Ellenbogen nicht mehr dem Körper anliegt,
sondern ein klein wenig von ihm absteht.
Während der mit seinem äusseren Rande
auf den Tasten ruhende Daumen in seinen
Gelenken nur soweit gebeugt wird, dass sein
2. Glied senkrecht zur Vorderkante der Tasten
steht, und der Daumenballen durch Abziehen
des Mittelhandknochens aus der Hohlhand
herausgebracht wird, muss die Stellung des
— 102 —
2. bis 6. Mittelhandfingergelenks in der Mitte
zwischen Beugung und Streckung so gewählt
werden, dass Mittelhand und 1. Fingerglied
in einer wagerechten Ebene liegen. Für das
Gelenk zwischen 1. und 2. Fingerglied ergibt
sich aus demselben Gesichtspunkte eine einen
rechten Winkel nicht ganz erreichende Beuge-
stellung. Hierbei das Endglied zum Zweck
einer festeren Hammerwirkung des Fingers
vollends zu strecken, so dass es mit dem Mittel-
glied eine gerade Linie bildet, geht wegen der
eigentümlichen Muskel Verhältnisse nicht an.
Diese scheinbare UnvoUkommenheit wird aber
insofern ein Gewinn, als der Anschlag durch
eine gewisse Federung des Endgliedes eine
grössere Weichheit erhält. Die Beugung
des (kürzesten) kleinen Fingers wird üb-
rigens etwas geringer, diejenige des (längsten)
Mittelfingers etwas grösser sein müssen, als
die des 2. und 4. Fingers, da die Kuppen
aller 4 Finger annähernd gleich weit von den
Obertasten entfernt nebeneinander liegen sollen.
Die Beugestellung der Finger kann indess
nur so lange aufrecht erhalten werden, als es
sich um das Spiel auf den unteren Tasten in
enger Lage handelt. Bei gleichzeitigem Spiel
auf unteren und oberen Tasten werden immer
einzelne Finger mehr oder weniger gestreckt
werden müssen; und bei weiten Lagen muss
die Beugung aufgegeben werden, weil die
Spannweite durch Streckung der Finger
wächst, und zwar nicht etwa nur der nächst-
beteiligten Finger, sondern beispielsweise beim
OktavengrifT mit Daumen und kleinem Finger,
auch durch Streckung des 2., 3. und 4. Fingers.
Die für die Spannweite erforderliche Spreizung
der Finger kann durch Uebung allmählich ge-
steigert werden, weniger durch Betätigung der
beteiligten Muskeln, als durch Dehnung der
hemmenden Bänder, gewiss aber nicht durch
die erstere allein.
Dass, wie jeder weiss, die Streckung des
4. Fingers nur zugleich mit der des 3. und 5.
Fingers leicht und vollständig gelingt, zu-
sammen mit nur einem von beiden aber
schwieriger und für sich aUein am alier-
schwierigsten ist, wird allgemein richtig damit
erklärt, dass die Strecksehne des 4. Fingers
Verbindungen mit den Strecksehnen des 3.
und 5. Fingers besitzt, die seine Einzel-
streckung hemmen. Fleissige Uebung vermag
auch hier (durch Dehnung der Verbindungen)
viel zu bessern.
Für das Spiel in hoher und tiefer Lage
ist eine entsprechende Bewegung im Schulter-
gelenk in Verbindung mit einer Streckung im
Ellenbogengelenk unentbehrlich, um die wach-
sende Entfernung der Tasten zu überbrücken.
Zugleich muss eine Zuziehung im Handgelenk
erfolgen, um der Hand die senkrechte Haltung
zu der Tastatur zu wahren. Eine entgegen-
gesetzte Bewegung im Schulter- wie im Hand-
gelenk ist natürlich erforderlich beim Ueber-
setzen des einen Armes über den anderen.
Wir kommen nun zur Erörterung des
Anschlags, der ja für den Wohlklang, für die
Deutlichkeit und den geistigen Eindruck des
Vortrags von der allergrössten Bedeutung ist
Er soll gleichmässig und bestimmt, dabei
weich und nach Bedarf leise oder kräftig sein.
Nur die vollkommene Beherrschung aller
Stärkegrade und ihrer Uebergänge befähigt
den Anschlag, als Ausdrucksmittel mannig-
falliger künstlerischer Empfindungen zu dienen.
Der Anschlag kann durch Bewegung ver-
schiedener Gelenke erfolgen, nämlich 1. der
Gelenke zwischen Grund-, Mittel- und Endglied
des 2. bis 5. Fingers, 2. der Mittelhandfinger-
gelenke (Knöchelgelenke, beim Daumen des
Gelenks zwischen Mittelhandknochen und
Handwurzel), 3. des Handgelenks, 4. des Ellen-
bogengelenks und 5. des Schultergelenks, wobei
zunächst jedesmal die Feststellung aller übrigen
Gelenke vorausgesetzt wird, kombinierte Be-
wegungen aber ebenfalls möglich sind. Jede
dieser Anschlagsarten hat ihre besondere
Klangwirkung und findet danach ihre Ver-
wendung beim Spiel. Allerdings ist dabei zu
beachten, dass für schnelle Bewegungen (Läufe)
nur der Fingeranschlag in Betracht kommen
kann, weil denanderen Anschlagsalten wegen
der Länge des beanspruchten Hebelarms die
nötige Schnelligkeit der Bewegungen fehlen
würde, und weil im Gegensatz zu ihnen beim
Fingeranschlag stets 5 Finger zu schnellster
Aufeinanderfolge bereit sind.
Was zunächst die Kraft des Anschlags
betrifft, so wächst diese mit der Länge des
bewegten Hebelarms und der Stärke der be-
wegenden Muskulatur. Demgemäss ist der
Fingeranschlag der wenigst kräftige, während
der Schulteranschlag die grösste Kraft zu ent-
wickeln vermag; Handgelenk- und Ellenbogen-
gelenkanschlag stehen in der Mitte. Wissen
wir ja doch auch, dass der Uhrmacher für seine
feinen Arbeiten die Finger- und Handgelenke,
der Schlosser für die schwereren Arbeiten die
Ellenbogen- und Schultergelenke bevorzugt
Die so sehr geschätzte Weichheit des An-
schlags wird erreicht, indem man die Tasten
- 103 -
nicht heftig, sondern mit gemässigter Ge-
schwindigkeit sanft niederdrückt. Die Weichheit
ist nicht an ein bestimmtes Gelenk gebunden,
es leuchtet aber ein, dass Bewegungen mit
kurzem Hebelarm und zierlicher Muskulatur
sich besser beherrschen und massigen lassen,
als unter entgegengesetzten Verhältnissen,
dass also der Fingeranschlag unter sonst
gleichen Umständen leichter weich zu halten
ist, als die anderen Anschlagsarten. Es muss
aber hervorgehoben werden, dass auch der
Schultergelenkanschlag durchaus weich erfolgen
kann und dann etwas besonders charakteris-
tisches bekommt Um sich diesen eigentüm-
lichen weichen Schultergelenkanschlag zu ver-
anschaulichen, denke man an einen der
grossen Stahlhammer in Eisenwerken, die
trotz ihres mächtigen Gewichts so fein ge-
steuert werden können, dass der Arbeiter sie
nach seinem Willen an jeder Stelle mit
Sicherheit und durchaus „weicher" Hemmung
anzuhalten vermag. So lässt sich durch
Uebung auch* die Bewegung des Armes zur
Erzielung des weichen Schulteranschlags
(Portamento) beherrschen.
Welchen Anschlag man aber auch wählen
mag, immer muss das Anschlagsgelenk frei
und lojker beweglich bleiben, im wesentlichen
nur durch die natürlichen Elastizitätsmomente
der Bänder und Muskeln gehalten. Erscheint
das Anschlagsgelenk nicht völlig entspannt,
so ist das ein Zeichen störender und zu ver-
meidender Mitbewegungen, von denen noch
weiter die Rede sein wird. Sie lassen keine
Geläufigkeit zustande kommen und führen
um so eher zur Ermüdung, je weniger Zeit
den Muskeln zu ihrer Erholung gelassen wird.
Der Anschlag soll endlich bebtimmt und
entschlossen, nicht zögernd, und gleichmässig,
d. h. genau mit der beabsichtigten Kraft und
nach dem vorgeschriebenen Zeitmass erfolgen.
Das GegenteU würde zu einem unsauberen,
verschwommenen und unruhigen Spiel führen.
Als letzter Punkt bleibt nun noch die Be-
teiligung des Nervensystems an den Muskel-
bewegungen zu erörtern. Diese Beteiligung
ist eine geradezu beherrschende, denn ohne
sie kommen Bewegungen wie die, von denen
hier die Rede ist, - überhaupt nicht zustande.
Insbesondere ist zum Auslösen einer willkür-
lichen Bewegung nötig, dass in unserem
Gehirn der Wille dazu entsteht, und dass
dieser Willensreiz zu dem betreffenden Muskel
auf dem Wege der Nervenbahnen hingeleilet
wird. Der Muskel beantwortet diesen Reiz
dann mit einer Zusammenziehung. Zur
sicheren Uebertragung des Willens und zu
einem diesem Willen genau entsprechenden
Ablauf der Bewegung gehört nun vor allen
Dingen die scharfe Richtung der Aufmerk-
samkeit auf die gewollte Bewegung und die
Beschränkung des Bewegungstriebs auf die-
jenigen Muskeln oder diejenigen Muskelgruppen,
welche in Tätigkeit treten sollen. Wird hier-
gegen gefehlt, dann läuft der Antrieb leicht
auf Nebenbahnen über, deren Beteiligung gar
nicht beabsichtigt war; und dann kommt es
neben der willkürlichen Bewegung zugleich
zu verschiedenen unwillkürlichen Bewegungen,
die unzweckmässig, wenn nicht sogar störend
sind. So vermögen viele Menschen nicht
einen einzelnen Finger zu strecken oder zu
beugen, ohne mit den anderen Fingern ähn-
liche Bewegungen zu machen; manche
Menschen bewegen, während sie schreiben,
regelmässig Zunge oder Lippen; der Anfänger
im Reiten oder Schlittschuhlaufen setzt ausser
den willkürlich bewegten Muskeln unwill-
kürlich einen grossen Teil der übrigen Körper-
muskulatur in Spannung, ohne damit etwas
anderes zu erreichen, als vorzeitige Ermüdung.
Ist es schon eine Aufgabe der Erziehung im
allgemeinen, den unbewussten Drang zu der-
artigen Mitbewegungen zu unterdrücken, so
gUt dies vollends für den Klavierspieler, der
den Bewegungsreiz in ganz bestimmten Nerven-
bahnen isolieren und dadurch jede seiner Be-
wegungen beherrschen lernen muss.
Es gibt nun aber ausser und in gewissem
Gegensatz zu den Mitbewegungen andere Be-
wegungs-Verknüpfungen, die nicht wie jene
störend und verpönt, sondern durchaus zweck-
mässig und ge>^ oUt sind, man nennt sie asso-
ciierte Bewegungen. Wie die Unterdrückung
der Mitbewegungen, so muss die Ausbildung
associierter Bewegungen durch zielbewusste
Uebung gefördert werden, gleichviel, ob die
associierten Bewegungen gleichzeitig nebenein-
ander verlaufen, oder in schneller Folge an-
einander gereiht werden sollen. So sahen
wir oben, dass zur Erreichung der richtigen
Handhaltung mehrere Bewegungen nötig sind:
Geraderichtung des Handgelenks und der
Mittelhandfingergelenke, Hebung der Klein-
fingerseite, Entwicklung des Daumenballens.
Der Ungeübte wird sie einzeln wollen, aus-
führen und mit Bewusstsein festhalten müssen,
der Geübte dagegen alle mit einem Schlage asso-
ciieren. Eine musikalische Figur, eine chro-
matische Tonleiter gelingt um so leichter, je
— 104 —
fester die Associationen eingeübt sind. Ja es
genügt oft schon die Richtung des Willens
auf ein einzelnes Glied der Reihe zur Hervor-
rufung aller übrigen. So brauchen beim
Spielen eines Trillers nur die ersten Schläge
durchaus willkürlich ausgeführt zu werden,
alle folgenden sind dann zwar beabsichtigt,
aber nicht jeder erfordert einen besonderen
Willensakt. Associierte Bewegungen erfolgen
sogar bisweilen schon auf die blosse Vor-
stellung hin (z. B. bei einem Triller, einem
Doppelschlag), und ihre Verkettung kann so
fest werden, dass man behaupten darf, eine
besondere WiUer stätigkeit sei dann eher zu
ihrer Unterbrechung, als zu ihrer Fortsetzung
erforderlich.
Die Bahn, welche unser Wille auf seinem
Wege zum Muskel im Nerven beschreibt, ist
einem Waldpfade vergleichbar, von dem viele
andere Pfade in verschlungenen und ge-
kreuzten Windungen sich abzweigen. Auch
der Wanderer wird aufmerken müssen, um
nicht vom rechten Wege abzuweichen; ist er
ihn aber oft gegangen, läuft er kaum noch
Gefahr, ihn zu verlieren. Wie der kundige
Wanderer auf ausgetretenem Wege, so läuft
der Bewegungstrieb auf „ausgeschlifTenen"
Nervenbahnen leicht und sicher dahin, so
sicher, dass er sogar seiner treuen Führerin,
der Aufmerksamkeit, streckenweise entraten
kann.
Und das ist gut, denn wir müssen auch
lernen, wUlkÜrliche Bewegungsreihen für ganz
verschiedene Zwecke gleichzeitig auszuführen,
z. B. für das Spielen mit beiden Händen, für
das Treten des Pedals oder für den selbst be-
gleiteten Gesang. Je mehr wir uns bei alledem
bezüglich der einfacheren Bewegungen in
«ausgeschliflenen*' Bahnen finden, desto unge-
teilter kann die Aufmerksamkeit auf die Be-
achtung alles Ungewöhnlichen und Schwierigen,
auf Zeichen und Vortrag verwendet werden.
Der Lehrer soll jede Uebung leiten, ihren
Erfolg im Auge behalten und Fehler undUn-
vollkommenheiten rügen. Aber auch der
Schüler selbst ist imstande, das Mass der er-
langten Ausbildung einigermassen zu beur-
teilen, vorzugsweise natürlich durch das Ohr,
aber auch durch das Gefühl, nicht so sehr
durch das Tastgefühl seiner Fingerspitzen,
als durch das Musketgefühl, welches uns über
die Anspannung unserer Muskeln und die
Lage unserer Glieder in jedem Augenblick
genaue Rechenschaft gibt. Das befähigt ihn
in gewissem Grade zu einem Urteil, wie wät
er den Anforderungen eines guten Anschlags
genügt und sich ein so ausgeglichenes Spiel
zu eigen gemacht hat, wie es nur durch gleich-
massige Uebung und völlige Beherrschung
aller Teile ermöglicht wird.
Damit sind wir an der Grenze dessen
angelangt, was wir uns mechanisch vorzu-
stellen vermögen. Es würde den Rahmen
unserer Aufgabe weit überschreiten, wollten
wir den unendlich komplizierten Bewegungs-
reihen im Einzelnen nachgehen oder gar die
lebhaften geistigen Vorgänge und seelischen
Regungen verfolgen, aus denen sich ein voll-
endetes Spiel zusammensetzt
Wenn Jemand durch viele verschlungene
Strassen zu einem Freunde geht, unterwegs
in Gedanken so vertieft, dass er zwar Hinder-
nissen ohne besondere Ueberlegung aus dem
Wege geht, auch Grüsse Bekannter erwidert
aber sonst des Weges und der Mensche
nicht achtet, und wenn er, innerlich leiden-
schaftlich bewegt, schliesslich das erstrebte
Ziel doch anstandslos erreicht, so ist es er-
staunlich, wie sich die Orientierung im Gewirr
der Strassen und zu gleicher Zeit ein innerer
Gedankenwechsel durch ein wiederholtes
schnelles Abspringen von einer VorsteUungs-
reihe zur anderen behauptet Aehnlich der
Tonkünstler, welcher am Klavier zugleidi
singend sich begleitet: Jede Note, jedes Zeichen,
jedes Wort wird mit Blitzesschnelle nachein-
ander aufgefasst und gleichzeitig in Bewe-
gungstriebe für Stimme und Sprache umgesetzt
Daneben läuft unter der Schwelle der durch
den Gesang gefesselten Aufmerksamkeit und
nur durch blitzschnelles Abspringen von jener
Vorstellungsreihe in Gang erhalten, unentwegt
die Begleitung in harmonischer Verbindung.
Und das alles beherrscht von der Höhe musi-
kalischen Verständnisses, durchflutet und
belebt von den Schwingungen der Seele, ohne
welche höchster künstlerischer Genuss weder
empfunden, noch vermittelt werden kann!
Dergleichen lässt sich nur bewundernd
erleben, nicht verstandesmässig in seine
letzten Bestandteile zergliedern.
„Wenn ihr's nicht fühlt, ihr werdet*s nicht
erjagen.
Wenn es nicht aus der Seele dringt
Und mit urkräftigem Behagen
Die Herzen aller Hörer zwingt*
— 105 —
Von
Jos^ TlABBa da Hotta.
(Schloss.)
Unmittelbar an die Periode, die den Brief-
wechsel mit Frau Wesendonk unifasst, schliesst
sich an:KichardWagner und KönigLudwigll.
von Sebastian Röckl (Beck'sche Verlags-
bachhandlnng, München.) Mit grossem Fleiss
gibt der Verfasser eine wertvoUe Sammlung aller
schriftlichen und mündlichen Aeusserungen, die
sich auf Wagner*s Leben und Schaffen in den
Jahren 1864—65 beziehen in fliessender Dar-
stellung. Namentlich sind die Briefe an den König
und von diesem höchst merkwürdig und ihi-e Zu-
sammenstellung von grossem Wert. Das Büchlein
bietet wichtige biographische Dokumente.
Eine Eeihe fnsch geschriebener Artikel an-
regenden Inhalts bringt Erich Kloss in seinem
Wagner-Lesebuch (nur dieser Titel ist fürchter-
lich!) „Volkstümliches über Wagner und Bayi-euth".
Es sind namentlich Besprechungen der jüngst ver-
öffentlichten Briefe Wagner's, in denen der Autor
Jedesmal ein treffendes Charakterbild der be-
treffenden KoiTespondenz zeichnet Besonders in-
teressant sind die Kapitel über Wagner's Tierliebe
(die in einer Broschüre H. von Wolzogen's;
Wagner und die Tierwelt, bei Härtung in
Leipzig, höchst anmutig geschildert worden ist),
über Bülow, die Fürstin Wittgenstein u. A. Mit
Begeisterung tritt der Verfasser für Bayreuth ein.
Sein Buch ist durchaus volkstümlich gehalten.
Sehr amüsant sind die parodistischen Auszüge aus
dem Kladderadatsch, der bekanntlich schon um
1856 für Wagner eintrat.
Dieses letzte Kapitel führt uns zu einem
kleinen, köstlichen Buch, das ein Stück tragi-
komischer Kulturgeschichte enthält: es ist
Tappert's „Richard Wagner im Spiegelder
Kritik", zweite vermehrte Anfiage des „Wagner-
lexikons*^ das vor etwa 25 Jahren als „Wörterbuch
der [JnhÖflichkeit gegen R. Wagner" erschien (C. F.
Siegel). Es ist eine ebenso amüsante als
beschämende Lektüre. Selbst wenn diese uner-
hörten Rohheiten sich nicht gegen einen solchen
Meister richteten, wären sie beschämend, weil sie
den Tiefstand zeigen, bis zu dem der menschliche
Greist herabsinken kann. Denn aui die Namen
muss man achten und auf das Datum. Selbst
aus jüngster Zeit stehen da Aussprüche, die un-
würdig sind in ihrer Form. Wenn man das liest,
an das Berliner Wagner-Denkmal denkt, das in
seinen Gruppen die krauseste Unkenntnis der
Werke des Meisters verrät und das allein durch
das Fehlen der Gestalt Hans Sachsens (^^ Ehret
Eure deutschen Meister!*) sich selbst verurteilt —
an die Entweihung des „Parsifals" in Amerika —
und was noch schlimmer ist, an die Haltung der
deutschen Künstler dieser Schändung gegenüber
und eines grossen Teils der Presse zu der
hochherzigen Frau, die sich für das Festhalten des
Ideals ihres Gatten mutig opfert - - so könnte man
daran zweifeln, ob die Genies zum Heile der
Menschheit gelebt haben, wenn man nicht an
Ibsen's Wort: „Die Majestät hat immer Unrecht"
Trost fände. Glücklicherweise trat eine Minorität
der Fresse gegen solche Kunstschändungen auf,
aus der ich nur den Klavierlehrer, den
Kunst wart und die Jugend nenne. Es gibt
nichts Traurigeres in der Geistesgeschichte, als
wenn ein grosser Mann anföngt ^populär^^ zu
werden. Dieses Verhängnis für Wagner herbei-
geführt zu haben, ist Conried*s Verdienst, wozu
er selbst sich naiv bekennt.
Ein vorzügliches Büchlein, das viel Missver-
Ständnisse aufklärt und das Gefühl für Wagner's
Kunst vertieft, ist Golther's Monographie über
Bayreuth in der unter dem Titel „Theater" bei
Schuster <&Löffler erscheinenden Sammlung.
Mit Recht tritt der Verfasser, der wie wenige
Wagner*8 Gedanken darchdrangen, der noch immer
weitverbreiteten Autfassung Wagner's als eines
blossen .Opemkomponisten^' entgegen. In kurzen,
aber inhaltreichen Kapiteln schildert er die Ent-
stehung und Bedeutung des Wagnerischen DramAs
und der Bayreuther Festspiele. Es ist höchst
erfreulich, dass in letzter Zeit so viele vorzügliche
Schriften erscheinen, die im besten Sinne populär
gehalten, die Gedanken Wagner's in die Allgemein-
heit tragen. So wird die würdige Popularität
Wagner's angebahnt. Hübsche Abbildungen
schmücken das Bändchen, unter denen namentlich
die schöne Wagnerbttste hervorragt, die neben
Egusquiza's Radierung das beste Portrait if|.
Aber warum fehlt ein Inhaltsverzeichnis?
Golther's Buch wird ergänzt durch Wol-
zogens gleichnamige Monographie in der Samm-
lung „Musik'' (Marquardt, Berlin). Wolzogen
gebt noch tiefer ein aaf die gan2 einzigartige
Wirkung Bayreuth's und erörtert in erschöpfender
und klarster Weise, weshalb Wagner den Parsifal
für die eine Stätte reservieren wollte' and wie an
irgend einer anderen niemals der Eindruck der
Weihe zu Stande kommen könnte. Sehr interessant
wird dann die Geschichte der Festspiele behandelt
und der Künstler, die daran mitgewirkt haben.
Noch reichere, schönere Illustrationen als bei
Goither schmücken diesen Band. Im gleichen Ver-
lag gab Wolzogen ein „Wagnerbrevier" heraus,
das in kurzen Auszügen aus den Schriften in fein-
geordneter Auswahl ein knappes aber plastisches
Bild von Wagner's Gedankenwelt und PersÖnlicli
106
keit bildet. An diesen warm zn empfehlenden
Monographien ist nur zweierlei auszasetzen. Trotz
der Kürze jeden Bandes wäre wenigstens ein In-
haltsverzeichnis der einzelnen Kapitel notwendig.
Man mnss doch selbst bei einem kleineren Werk
eine üeberticht haben über den Anfbau. Ferner
ist die Ausstattung za tadeln, die zwar elegant,
aber un&sthetisch ist: das Format ist fast viereckig,
die Letten! sind so kraus, dass man sie ungern
sieht und mühsam liest. Die gothischen Charaktere
sollten überhaupt nicht mehr benutzt werden, da
sie weder schön, noch durch die Eigentümlichkeit
der Sprache bedingt dind.
Obgleich niclit zu diesem Thema gehörig, sei
doch hier hingewiesen auf Bruneau's Geschichte
der französischen Musik in derselben Samm-
lung, ein unerschrockenes und gutes Buch, bei dem
nur die schlechte Uebersetzung voller Gallicismen
zu bedauern ist.
Eine hochinteressante und schöne Publikation
ist das Facsimile der Meistersingerdichtung,
die B. Schot t's Söhne in Mainz herausgegeben.
Nicht nur wegen der wundervollen Schrift Wagner^s,
die ein französischer Graphologe als eine der
schönsten, die alle Merkmale des Genies tr^^, an-
führt, sondern auch wegen einiger Abweichungen
von der komponierten Fassung. So ist z. B. der
Choral der Gemeinde im Anfang nachträglich im
Bande hinzugefügt und Walther's Lied im IIL Auf-
zug (infolgedessen nattlrlich auch Beckmesser's
Parodie) ganz verschieden von der späteren Fassung.
Bemerkenswert ist Wagner's Aeusserung an Frau
Wesendonk: er habe diese Verse nach der Melodie
gemacht, die er im Kopfe hatte.
Zum Schluss noch ein literarischer Hinweis.
Wer sich mit Wagner's Werken beschäftigt^
wird auch angeregt werden, die gewaltigen
deutschen Sagen zu studieren, und da kann er dann
kein vorzüglicheres Werk benutzen, alsHerrman n's
„Deutsche und Nordische Mythologie^
(Engelmann, Leipzig), das alles Wissenswerte
in anziehender Form auf wissenschaftlicher Ghrund-
läge bietet. Die geniale Konzentrationskraft des
Dichters Wagner wird dann erst ganz offenbar.
4Fot)scbHfl'']^efopif) @apellef)i
»eriiDeiia aiif ae« Prfnsip aer Einbeitticbkeit tina KelAtlviMt der Seicbe«»
oDne Jlcnaening m ßoten- UMd tinientystcM.
Von
Georg Capellen-OsnabrOek.
(SchluBS.)
Wie sollen etwaige im Verlaufe der Noten-
zeile notwendig werdenden Oktavversetzungen
angezeigt werden? Das bisherige 8«^^ ist wegen
der fortlaufenden Schlangenlinien umständlich und
würde ausserdem bei der neuen Methode störend
sein; denn bisher zeigte S***' stets die Veränderung
der normalen Höhenlage an, während jetzt im
Hinblick auf eine bereits vorgezeichnete Oktav-
ziffer 'S. in Fig. 7 denKontrabassI), eine 8**^ auch
die Aenderung einer bereits versetzten Oktavlage
anzuzeigen, also dann nicht absolut, sondern relativ
zu wirken hätte. Dieser zwiespältige Grebrauch
der Oktavziffer als Vorzeichnung und als zufälliges
Oktavversetzungszeichen wäre entschieden ver-
wirrend. Es empüehlt sich daher, die relative
Natur des letzteren unzweideutiger und anschaulicher
zum Ausdruck zu bringen. Das geschieht durch
den „Oktavstrich" in Fig. 9.
Cellonotierung bisher:
^
-»-»-
^
jetzt:
I
oder bei Verteilung auf zwei Zeilen:
I
i
-#— «^
Die Oktavstriche zeigen hier (ohne Schlüssel-
änderung!) sinnfällig sowohl die Richtung nach
oben an, welche die vorhergehende Note ninunt,
als auch im Verhältnis zu ihr den Sitz der
folgenden Note. Zweckmässig wird der Strich
besser durch einen pfeilartig gebrauchten Keil (mit
oder ohne Pfeilspitzen) ersetzt, um e1)waige Ver-
wechslungen des isolierten Schrägstrichs mit den
bisherigen Abbreviaturen für Pausen, Tremolo,
Ton- und Notengruppenwiederholungen radikal
auszuschliessen.
Die theoretische Begründung des neuen Oktav-
strich Verfahrens ist folgende: Nachdem man ein-
mal sich in der vorgezeichneten Oktavlage einge-
stellt hat, werden alle Noten nach den Intervallen,
also relativ gelesen und gegriffen. Es genügt
daher, die absolute Hohe vor jeder 2jeile durch
die Oktavziffer anzuzeigen, im Verlauf der Zeile
~ 107 —
aber Höhen Verschiebungen lediglich relativ kennt-
lich zu machen. Nunmehr ist die Behandlung der
Ton- und Höhenversetzungen eine ganz gleiche
«evsrorden: Die wesentlichen Oktavhöhen-
zeirhen werden ebenso herausgesetzt wie
die wesentlichen TonhÖhenzei<!hen, zu-
fällige Höhenveränderungen werden eben-
so relativ angezeigt wie zufällige Tonver-
änderungen. Zur Vorzeichnung sowohl von
Oktav- wie Tonhöhen werden bisher üb-
liche Signaturen verwendet (8,16 — jj^ b;,
zur Kenntlichmachung zufälliger Hohen-
und Tonveränderungen dagegen die neuen
Keile (handschriftlich Striche). Also überall
schönste Einheitlichkeit und konsequente Durch-
führung der relativen Methodel*»
Noch einige Winke für die Beformieruug der
Partituren :
1. £s ist eine ein- für allemal international
festgelegte Reihenfolge der Instrumente anzu-
streben.
2. Die Holz-, Blech- und Streichinstrumente
sind durch nur in der betreffenden Gruppe durch-
gezogene, sonst aber intermittierende Taktstriche
der bessei-en Uebersicht halber zusammenzufassen,
während die Generalklammer als ununterbrochene
Linie fett vorzudrucken ist.
3. Keine Auflösung der Tonartvorzeichen beim
Cebergang zu einer neuen Tonartvorzeichnung!
Die Auflösung ist ja selbstverständlich.
4. Die Töne sind stets korrekt so zu sclireibeu,
wie sie in die herrschende Tonart gehören. In
der citierten Kavatine von Meyerbeer ist daher
innerhalb G^sdur das Geigentremoio nicht als
h ^ d zu notieren, sondern als ces ^ eses.
5. Wird für 2 Instrumente das gleiche Linien-
Ävstem gebraucht und schweigt eins von ihnen, so
kann man sich eine lange Folge von Pausenzeichen
ersparen durch die konsequent durchgeführte Noteu-
stielrichtung nach oben bezw. unten.
6. Bei dieser Methode tritt auch die Be-
schränkung eines Oktavstriches auf die Stimme,
bei der er steht, deutlich hervor.
7. Für tiefe Homnoten ist hinfort kein Bass-
ächlQssel zu verwenden, sondern es bleibt beim
Violinschlüssel, indem die Höhenveränderung durch
den Oktavstrich anzuzeigen ist.
8. Die italienische Sprache ist. als inter-
nationales Verständigungsmittel möglichst beizu-
behalten.
Es ist nunmehr -noch der Nutzen nachzu-
weisen, den das Prinzip der Einheitlichkeit und
Relativität der Zeichen ftirKlaviaturent Klavier,
Orgel, Harfe) hat, also für Instrumente mit
doppeltem Liniensystem. Nehmen wir zunächst
*) Nur insofern besteht ein Unters« hied. als
Ton Versetzungskeile nur für die betreffenden Noten
;^lten, Oktawersetzimgskeile dagegen bis zu ihrer
Abänderung fortwirken (Fig. 9).
an. dass. wie bishei\
als Schlüssel im oberen,
Q als Schlüssel im unteren System vorgezeichnet
sei. Die im Interesse der Einheitlichkeit imd
Uebersichtlichkeit zu stellende Forderung, dass
jedes System stets im Sinne ein und desselben
Schlüssels zu lesen, ein Hinüberwandern des ^^
in das Q-system und des 9 in das ^^syslem
daher zu vermeiden ist, kann durch die bisherige
Tonschrift nicht erfüllt werden, wohl aber durch
das neue Oktavstrich verfahren. Im oberen Klavier-
system der Fig. 4 wechselt bei der alten Notierung
inH-dur von ,,totengleioh" .au ^^ mehrmals mit
^. In der neuen Notierung mit Oktavschlüssel
ist dieser Schlüssel Wechsel vermieden, die Einheit-
lichkeit der Tonauffassung also gewahrt, üeber-
haupt wird mit Hilfe der herausgesetzten Oktav-
ziffem und der Oktavstriche die Mögliclikeit
gewährt, stets in bequemster Weise, mit Ver-
meidung vieler Hilfsstriche, die Noten einzu-
zeichnen und die Höhenverschiebungen für weitere
Strecken fortwirken zu lassen, in Würdigung des
Trägheitsgesetzes (Fig. 4 . Wie kompliziert bisher
durch fortwährenden Schlüsselwechsel ein Musik-
stück werden konnte, zeigt das Lied „Frühlings-
nacht" von R. Schumann mit seinem 40maligen
Schlüssel tausch im Basssystem. — Aber nicht nur
Einheitlichkeit wird durch die neue Methode in
das Doppelsysteni gebracht, sondern es wird auch
ein sofortiges, müheloses Transponieren jeder Ton-
art in die chromatisch gleichstufige ermöglicht,
was bisher äusserst ei-schwert war ( vergl. in Fig. 3
D- und Des-dur, H- und B-dur!). Es kann jetzt
jedes Tonstück mit mehr als 8 Vorzeichen in der
leichteren Tonart mit höclistens 3 Vorzeichen abge-
spielt werden, z. B. Fis-dur (6jJ) als F-dur (1 t^),
Ges-dur (6 t^) als G-dur (1 p. Soviel über das
Violinbasssystem !
Man kann aber noch weiter gehen und das
Doppelliniensystem einheitlich im
oder* Q
schreiben, mit KektiUzierung der Oktavlage durch
die herausgesetzte Ziffer, wie es Fig. 6 zeigt. In
Fig. 6 ist das bisherige Violinbasssystem und das
neue Doppelviolin- und Doppelbasssystem theore-
tisch dargesteUt, mit Einzeichnung gestrichelter
Linien. Der Unterschied ist, dass im theoretischen
Elfliniensystem der Uebereinstimmung zwischen
Notierung und effektiver Oktavhöhe die Symmetrie
der Schlüssel, im theoretischen Zwölfliniensystem
dagegen der Symmetrie der Schlüssel die Ueber-
einstimmung zwischen Notierung und effektiver
Oktavlage geopfert wird. Um den Vorzug der
Schlüsseleinheitlichkeit zu würdigen, muss man
sich in die Seele des Anfängers hinein versetzen.
Einem Anfänger ist es viel leichter, Noten in eine
— 108 —
anderen Oktavlage bei gleichen Schlüsseln zu
lesen, als in der effektiven Oktavlage bei ver-
schiedenen Schlüsseln. Die bisherige Nicht-
übereinstimmung zwischen Tonsitz und Ton-
bedeutung in beiden Liniensystemen Ist in der
Tat ein Mangel und kann nicht durch den Hin-
weis auf die theoretische Konstruktion des Violin-
basssystems in Fig. 6 gerechtfertigt werden,
da in der Praxis wegen des unvermeidlichen
grösseren Raumes zwischen den Systemen jedes
derselben selbständig für sich nach Massgabe des
vorgezeichneten Schlüssels abgelesen wird. Die
Einführung des neuen Einheitsystems hat daher
Alles für sich und ist umso weniger zu bean-
standen, als ja bereits /S^ bezw. Q häufig genug
als einheitliche Vorzeichnung beider Liniensysteme
vorkommt. Nunmehr wird Fig. 4 erst in ihrer
ganzen Tragweite klar. Die eine Darstellung des
Liedes gentigt für alle Stimmumfänge, da sich die
Noten von selbst in 4 Tonarten richtig einstellen,
je nachdem man das Ganze einheitlich im J^
oder Q abliest. Die Verleger können sich also
hinfort eine zweifache oder gar dreifache Stich-
auQgabe von Liedern mit Klavierbegleitung er-
sparen, indem stets 4 oder 5 Tonarten zur Ver-
fügung stehen und so genügend Spielraum für die
16
Stimmentfaltiuig bleibt. (Q ist stets für hohe
Stinmien zu verwenden). Auch der Komponist
und der Wissenschaftler kommen bei dieser No-
tierung zu ihrem Recht, indem die Original-
tonart (in Fig. 4 D-dur) stets ersichtlich ist an
der Vorzeichnung nach dem eröffnenden Takt-
sti-ich. Die Totalvorzeichnung ist der Ueber-
sichtlichkeit halber bei Beginn jeder Seite zu
wiederholen ; die Oktavzif fem vor der zweiten und
jeder weiteren Zeile hat der Stecherfaktor als
Eesultate etwaiger zufälliger Höhen Verschiebungen
zu bestimmen und ihrer Anfangsstellung ent-
sprechend links und rechts vom Taktstrich zü
setzen, wie es in Fig. 4 geschehen ist. Die Wieder-
holung der Ziffern vor jeder Zeile dient dazu, um
dem ausser Zusammenhang Spielenden sofort die
effektive Oktavhöhe bei Beginn der Zeile bemerk-
lich zu machen. Für den im Zusammenhang
Spielenden ist diese Orientierung nicht nötig, da
er nach dem IntervaDgefühl von selbst die Noten
in richtiger Höhe ablesen wird.
Fig. 4 ist eine sehr gute Veranschaulichung
von dem Nutzen der Einheitlichkeit und Eelativität
der Tonschrift. Ohne die relative Wirkung der
neuen zufälligen Ton- und Oktawersetsningszeichen
würde ihre richtige Selbsteinstellung in allen vier
Tonarten unmöglich sein.
So einleuchtend indessen auch die neue Ton-
schrift jedem denkenden, vorurteilslosen Musiker
sein muss, so ist dennoch bei der Schwerfälligkeit
und Untemehmungsunlust gegenüber Neuerungen
nichts zu erreichen, wenn nicht ein g^sserer
Verband tatkräftig für die Reform durch ein Gut-
achten eintritt, das als Flugblatt möglichst in den
Hauptsprachen abzufassen ist, wegen der inter-
nationalen Greltung der Tonschrift. Greschehen
muss endlich einmal etwas, um der Mindest-
forderung zu genügen, dass musikalische Gredanken
in einer möglichst vollkommenen Schrift ausge-
d nickt werden können. Kann dieses Schriftideal
ohne Antastung des Noten- und Linienbildes er-
reicht werden, um so besser für die Eeform!
Robert Eltner
t 22. Januar 1905.
Die Nachricht von dem Ableben des verdienst-
voilen Musikforschers wurde bereits in No. 4 des
„Kl. L." gebracht, es sei gestattet, in Nach-
stehendem noch etwas eingehender auf das Wirken
und die Verdienste des Verstorbenen liinzuweisen.
Robert Eitner gehörte zu den wenigen Menschen,
die in selbstloser Hingabe ihr ganzes Leben, ihre
ganze Tatkraft ideellen Zielen widmen ; er hat das
Arbeitsfeld, das er sich in früher Jugend erkor,
die „Musikbibliographie", mit nie ermüdender
Sorgfalt gepÜegt und ihr erst durch seine Vor-
arbeiten die wissenschaftliche Grundlage ge-
schaffen, der sie bisher noch gänzlich entbehrte.
Es geschah hauptsächlich auf seine Veranlassung,
dass im Jahre 1868 — Eitner lebte damals als
Muslklchrer in Berlin — die „Gesellschaft für
Musikforschung'* mit Franz Commer an der
Spitze, gegründet wurde. Die redaktionelle und
geschäftliche Leitung der von der Oesellschaft
herausgegebenen „Monatshefte für Mnsik-
geschichte" wurde in Eitner's H&nde gelegt; er
hat sie bis zum Janaarhefte d. J. geführt, sie
liegen in 36 Bänden vor. Wenige Jahre nach der
Gründung wurde von der Gesellschaft, haupt-
sächlich wieder auf Eitner's Veranlassung, mit der
Herausgabe von .Publikationen älterer praktischer
und theoretischer Musikwerke^^ begonnen, sie
bergen in 23 Bänden eine Fülle wertvollen Ma-
terials ans der älteren Mnsikgeschichte. Erw&hnt
seien u. a. nar die Liedersammlangen von Joh.
Ott (1544), H. L. Hassler (1601), Oeglin (1512).
Heinrich und Hermann Finck, Joh. Walter
u. 8. w. Ferner eine Reihe alter Opern von
Orazio Vecchi, Caccini, Gagllano, Cavalli,
Cesti u. s. w., musiktheoretische Werke von Vir-
dung, Schlick, Prätorius, Agricola nnd viele
— 109 -^
andere zur £rfor8chang der Mnaikgeschichte hoch-
bedeatuDgsvolle Dokamente. Eitner ist aaBserdem
der Heraasgeber folgender Werke: „Bibliographie
der Masiksammelwerke des 16. und 17. Jahr-
hnnderts", .Verzeichnis neaer Ausgaben alter Ma-
sikwerke von der frühesten Zeit bis zam Jahre
1800*, n^as deutsche Lied des 15. und IB. Jahr-
hunderts in Wort, Melodie nnd mehrstimmigem
Tonsatz*^, „Qaellen und Hilfswerke beim Studium
der Musikgeschichte/* — Ausser verschiedenen
kleineren Arbeiten, z. B. einer Beihe Kataloge
älterer musikalischer Bibliotheken, die zum Teil
als Beilagen zu den Monatsheften für Musik-
geschichte erschienen, ist aber Eitner's Lebenswerk,
sein „Quellenlexikon der Musiker und Mu-
sikgelehrtender christlichen Zeitrechnung
bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts*, als ein
bis jetzt einzig dastehendes Werk deutschen
Sammelfleisses zu nennen. Li 10 starken Bänden,
von denen der erste 1899 erschien, liegt hier vor,
was der Verfasser im Laufe einer mehr wie SOJäh-
rigen Tätigkeit zusammengetragen hat. Das Werk
steht in seiner Weise bis jetzt einzig da, es fasst
den Inhalt aller dem Verfasser zugänglichen
Bibliothekskataloge und alle sonstigen Nachrichten
aber noch vorhandene Musikalien in einem ein-
zigen Lexikon zusammen, es bringt biographische
Notizen über die Komponisten von der frühchrist-
lichen Zeit an bis zum Anfang des 19 Jahrhunderts,
es gibt vor aUem Aufschluss über die noch vor-
handenen Werke, über, die Bibliotheken, in denen
sie sich heut befinden u. s. w.
Eitner hat mit diesem Werke der zukünftigen
Musikforschung einen unschätzbaren Dienst ge-
leistet, sein Werk ist das erste dieser Art, und
wenn es ihm auch von Beginn an selbst bewusst
war, dass er keine lückenlose Arbeit schaffen
könne, so ging er doch von der Ansicht aus, dass
einmal ein Anfang gemacht werden müsse, weil
ohne ein derartiges Hilfsbuch der Fortschritt der
musikhistorischen Arbeiten unmöglich sei. Seinen
Nachfolgern wird es vorbehalten sein, in seinem
Sinne ergänzend weiterzuarbeiten. Bobeft Eitner
hat die letzten 20 Jahre seines Lebens in dem
kleinen Städtchen Templin in der Uckermark zu-
gebracht und dort in stiller Zurückgezogenheit
ganz seiner Wissenschaft gelebt. Ln Jahre 1902
erhielt er den Titel als königlicher Professor. Der
Schlussband seinesQuellenlexikons erschien im Herbst
1904. und schon trug ersieh mit dem Plan, das Werk
durch Bearbeitung und Hinzufügung des 19. Jahr-
hunderts zum Abschluss zu bringen. Da nahm
der Tod dem Bastlosen die Feder aus der Hand
und die Wissenschaft trägt Trauer um einen ihrer
selbstlosesten idealsten Vertreter.
Anna Maraeh.
Mitteilungeil
von Hoohsohulen und Konservatorien.
Frl. Dina van der Hoeven, die bekannte
Pianistin und langjährige Assistentin Teresa
Carreno*s, richtet auch in den Osterferien in
ihrer Wohnung, Berlin, W. Marburgerstr. 17,
wieder „Ferienkurse" für solche Lehrer und
Lehrerinnen ein, die sich in technischer Hinsicht
fortbilden wollen. Meldungen unter obiger Adresse
werden schon jetzt entgegengenommen.
Das Musik-Lyceum zu Bologna, eines der
angesehendsten Institute Italiens, feiert sein 100-
jähriges Bestehen. In Vorbereitung zur Jubelfeier
ist eine Ausstellung von Antographen, Manuskripten.
Instrumenten und dergleichen. Am 2. April findet
eine grössere Festversammlung statt, bei der Ga-
briele d'Annunzio die Festrede hält. Für die
Zeit vom 1. bis 10. April sind eine Beihe von
Konzerten geplant, u. a. ein Orchesterkonzert
unter Leitang von Toscanini, ein geistliches '
Konzert in der Kirche San Jakobe unter Leitung
von Galloti, in welchem der Mailänder Dom-
chor alte Vokalkompositionen bolognesischer Ton-
setzer singt, ein zweites geistliches Konzert in
San Giovanni in Monti, In welchem ein Be-
quiem a cappella aufgeführt wird, an dem ver-
schiedene italienische Tonsetzer, u. a. Maestro
Torchi gearbeitet haben. Verschiedene Schtiler-
auff ührungen reihen sich diesen grossen Konzerten
an. —
Die Musikschule Anderlik in Inowraz-
law errang sich mit ihrem letzten Pnlfungs-
konzert einen beachtenswerten Erfolg. Das Pro-
gramm zeigte, besonders in der Auswahl der Lite-
ratur für die Kleinen, eine sehr hübsche Zusammen-
stellung, es waren Werke von Gurlitt, Klein-
michel, Baff, Bossi, Ph. Scharwenka u. A.
vertreten. Von tüchtigem Studium legten die
Ensemblestücke — 2 Klaviere und Streichinstru-
mente — Zeugnis ab.
Ein Schülerkonzert des Oscar Krain'schen
Konservatoriums zu Breslau, welches im
Saale des Gräil Saurma'schen Palais stattfand,
stellte dem ernsten Streben des Leiters aufs Neue
ein treffliches 2jeugnis aus. Die Leistungen glngeli
weit über das Durchschnittsmass hinaus. Er-
freulich wirkte die Auswahl der Stücke, die die
ausgetretenen Pfade vermied, und u. a. eine Violin-
sonate von Tartini, eine Polonaise von Xavet
Scharwenka, Lieder von Grieg und Lowe's
seltener gehörte Ballade „Kaiser Otto, Weinachts-
feier* aufwies.
Dozent Dr. Dietz hält in Wien 3 Vor-
en über: «Das europäische. .Ton-
— 110 —
drama bis Händel'^, in denen sonst nie ge-
hörte Stücke ans Opern der berühmten Meister
des 17. nnd 18 Jahrhunderts, von Monteverdi,
Cavalli, Gesti, Legrenzi, Scarlatti, Leo, Kaiser,
Lnlly. Campra, Destouche nnd Händel als Hin-
Btrationen zum Vortrag gelangen.
Prof . Dr. Theodor Dnbois, der greise Leiter
des Pariser Konservatoriums, wird, wie gemeldet,
ans seinem Amte scheiden, um einer jöngeren
Kraft den Platz einzuräumen. Als Nachfolger
werden genannt Saint Saens, Reyer und Linep-
veu.
Giovanni Battista Lamperti, der Sohn
des berühmten Mailänder Gesangsmeisters Fran-
cesco Lamperti, beabsichtigt von Dresden na^h
Berlin zu übersiedeln.
y ermischte Nachrichten.
Musikdirektor Otto Dienel, der hochverdiente
Leiter der Konzerte in der Marienkirche, ist am
Freitag nach längerem schwerem Leiden gestorben.
In ihm verliert Berlin einen seiner volkstümlichsten
Organisten, der durch seine, Woche für Woche
stattfindenden freien Orgelkonzerte in weitesten
Kreisen bekannt geworden ist und sich mit seinen
Bestrebungen den Dank vieler Tansende erworben
hat. ZehnJahie hindurch hat er diesen Konzerten
den besten Teil seiner Kraft gewidmet, und er
durfte es erleben, wie sich neben den vielen ge-
legentlichen Besuchern allmählich eine feste Ge-
meinde bildete, die selbst die weitesten Wege und
das schlechteste Wetter nicht scheute, um an den
Konzerten teilzunehmen. Als nach seiner Er-
j
krankung kurz vor Weihnachten die Orgelvorträge
ausgesetzt werden mussten, war das Bedauern
allgemein und die Teilnahme grosä. Otto Dienel
wurde am 11. Januar 1839 in Tiefenfiirth (Kreis
Banzlau) als Sohn des Kantors Wilhelm Dienel
geboren. Seit 1869 war er Organist an der Marien-
kirche, hat somit dieses Amt über 35 Jahre
verwaltet.
Manuel Garcia, der berühmte Gesangs-
meister, der am 17. März seinen 100. Geburtstag
feierte, erhielt vom deutschen Kaiser in Würdigung
der Bedeutung seiner Erfindung des Kehlkopf-
spiegels die grosse goldene Medaille für
Wissenschaft verliehen. Sie wurde ihm im
Auftrage des Kultusministeriums von Geheimrat
Prof. B. Franke 1 persönlich überreicht.
Musikdirektor Irgang, seit langen Jahren
als Organist und Musiklehrer am Pädagogium zu
Züllichau tätig, tritt am 1. April in den Ruhe-
stand und siedelt nach Bremerhaven über. Seine
„Allgemeine Musiklehre^* und eine „ Harmonielehre^
haben in weiten Kreisen Verbreitung gefunden.
Hof kapellmeister Franz Mikorey in Dessaa,
der kürzlich im Bückeburger Hofkapellkonzert
seine Sinfonie „An der Adria* mit grossem Erfolge
dirigierte, wurde anlässlich dieser Aufführung vom
Fürsten von Schaumburg-Lippe durch Verleihung
des „Ordens für Kunst und Wissenschaft*^ aus-
gezeichnet.
Die Verlagshandlungen Breitkopf A Härtel
und P. Pabst in Leipzig veröffentlichen Ver-
zeichnisse von Chor-, Orchester- und Solowerken,
die zur Aufführung bei den bevorstehenden
Schillerfeiern geeignet sind. Die Verzeichnisse
werden Interessenten auf Verlangen kostenfrei zn-
gesandt
Prof. O. W ermann führte am 11. März mit
dem Chor der Kreuzkirche zu Dresden zwei
fünf stimmige Motetten von Benno Horwitz.
. dem so früh Dahingeschiedenen, auf. Beide Chöre.
„Gott ist die Liebe* und „Er hat den, der von
keiner Sünde wusste", hinterliessen einen tiefen
Eindrack.
Der ..Oratorien- Verein" zu Stolp, — Dirigeot
Musikdirektor Boenig — , veranstaltete am 15. Man
eine wohlgelungene Auffahrung von Max Bruch'i^
„Gustav Adolf". Die Solopartien waren vertreten
durch die Herren Dr. Robert Mannreich und
iludolf Scheffler, Berlin, und Frl. Klara Höhne.
Stettin. Orchester: die Mitzlaff'sche Kapelle.
Bücher und Musikalien.
Frifdrieh Niggll, op. 7. Sonate für Klavier
und Violine, E-dur.
Gebrflder Eng k Co.» Leipxiir ■nd ZBrIeh.
Friedrich Niggli gehört zu den jüngeren Ta-
lenten, denen künstlerisch und musikalisch sich mit-
zuteilen Lebensbedürfnis ist. die, was sie auch
immer zu sagen haben, als tatsächliches inneres
Erlebnis erfahren haben und sich gewissermassen
durch Fixierung ihrer Gedanken selbst befreien.
Man lasse sich nicht, wie zuweilen wohl geschehen
mag, durch die niedrige Opuszahl als vor einem
Anfängerwerk zurückschrecken, sondern greife za
Niggli's E-dnr-Klavier- Violinsonate und man wird
einen sehr erfreulichen Genuss haben. Die Vor-
länferin des obengenannten Werkes war eine Sooare
für Pianoforte und Violoncello (op. 6) von dunklerem
und ernsterem Ton; diese hier ist von heiterer
Stimmung und atmet eine unverkennbare Freude
an schönem und liebenswürdig-gefälligem Wesen
Unverkennbar ist zweierlei, nämlich: ein natürlicher
- 111 —
Schaffensdrang, der ebenso wahrhaft als nnwider-
stelLlich scheint, dessen innere Notwendigkeit sich
zudem in scharf nnd knapp gefasster Ansdrncks-
weise dem Hörer öberzengnngsvoli knndtnt, und
anderenteils des Komponisten streng künstlerischer
Ernst, womit die Aufgabe erfasst und gelöst erscheint.
H« Stiehl: „Abendstimmung/* Melodie f ür Pianoforte.
B. Sekotl'i 85hme, MaiBi.
Ein Salonstück, dem zwar keineswegs besondere
Erfindung« aber doch Wohlklang nnd Anstand in
der Form der äusseren Erscheinung nachgesagt
werden kann. Vielleicht ist die Wirkung desselben
noch grösser, wenn die Ausführung dem Violon-
cello, der Violine oder Flöte — auch in diesen
Bearbeitungen liegt es vor — übergeben wird.
Eugen Segnitz,
Paul Klengel: Sarabande und Tambourin für
Violine. Von Leclair für Violine
und Pianoforte bearbeitet.
F. B. C. LeaekAFt, Lei^itf .
Ein Musikstück, das Jedem besseren Geiger
schon lange aus der hohen Schule des Violinspiels
▼on David bekannt ist; es ist heute noch jedem
strebenden Violinspieler zum Studium für Finger-
und Bogentechnik bestens zu empfehlen. Ein so
tüchtiger Musiker wie P. Elengel hat denn auch
den Ansprüchen an eine volltönende charakteristische
Klavierbegleitung Genüge getan. Mögen dieser
Bearbeitung noch andre alter Geigen-Kompositionen
folgen; es ist In diesen Blättern schon einmal aus-
führlich darauf lilngewiesen worden.
Dagobert LöwenthaL
MusikpSdagogIscher Verband.
Schulgeaangs-
Zu dem Entwurf „Sichtung des Unterrichts-
materials für die höheren Lehranstalten'* von
Herrn Gustav Beckmann (Vergl. „Kl. L." No. 5,
S. 80) hat Herr Ludwig Rlemann nachste-
hende Bemerkungen eingesandt:
ad. 1. Die Beschränkung des Stoffes für
Bstnfige Anstalten im Gegensatz zu9stuflgen kann
sich nicht auf den Klassengesang, sondern nur auf
den Ghorgesang beziehen. Die unterschiedlichen
Lehrpläne sind übethaupt schwer aufzustellen,
denn der Gesangunterricht tritt in folgender
äusseren Gestaltung auf:
Klassengesang: a) bloss in Sexta und Quinta,
b) in mehr oder sogar allen Klassen, c) 2 Stunden
wöchentlich, d) 3 Stunden wöchentlich.
Chorgesang; a) von stimmfähigen Schülern der
Quarta bis Prima, b) Trennung einer 1. und 2.
Chorklasse (Berlin), c) 8- und 4stimmiger Männer-
chor als Unterabteilung des gemischten Chores.
Nach diesen ünterscheldangen würde meines
Erachtens der ünteirichtsplan besser eingeteilt
werden können, als nach dem Klassensystem. Die
Stoffauswahl dürfte z. B. für 63tufige Anstalten
dieselbe bleiben, nur in dstimmlger Bearbeltang
Twie sie z. B. Lorenz und Kriegesko tten bringen).
Die Forderung: im grossen und ganzen nur
a cappella Chöre einzuüben — deckt nicht die Be-
dürfnisse. Die 4st]mmige Vokalform ist unbe-
stritten als schönste Musikausübung fQr die
Schüler anzuerkennen, denn sie veredelt das Gemüt
und schärft und bildet das musikalische Gehör,
abgesehen von den historischen Vorzügen. Die
Chorwerke mit Instrumentalbegleitung bieten aber
auch Vorteile:
1. erweitem sie die Pflege des Gemütslebens
durch Darstellung reicherer akustischer Mittel:
z. B. wirkt ein vaterländischer Gesang mit
-Kommission.
Instrumental-Begleitung ungleich kraftvoller, im-
posanter und deshalb eindringlicher. Die Literatur
ist nach dieser Itichtung viel reicher bedacht, als
die Zahl der a cappella- Vaterlandsgesänge;
2. wird dem Schüler dadurch ein grösserer
Umfang musikalischer Formen geboten. Für
den a cappella-Gesang dürften nur drei Formen:
1. strophische, 2. durchkomponierte, 3. historische
in Frage kommen;
8. hekommt der Schüler eine grössere Literatur-
kenntnis.
ad. 4. Für Schüler passende Originalchöre
anerkannter Meister kann man zählen. Die Aus-
wahl scheitert in der Regel an dem erotischen
und kirchlichen Charakter. Ja, wenn wir die
4stimmigen volksmässigen Gesänge früherer Zeiten,
z. B. von Ott, Regnart, Forster, Hassler mit
hineinbringen könnten! Wir können die Bearbei-
tungen nicht entbehren.
Die Herren Cebrian etc. wollen die Gegen-
überstellung des Originals mit der Bearbeitung
nur in der Partitur vorgesehen wissen. Dieser
Wunsch kann sich nur auf Ausgaben von Einzel-
stimmen beziehen, nicht auf die stets in Partitur
gebrachten „Chorbücher*. Meiner Ansicht nach
genügt ein Vermerk des Originals stets als »Fuss-
note** (in ähnlicher Art wie bei den Germ er 'sehen
Klavierausgaben), das Auge des Schülers wird
durch die kleinen Noten an Ort und Stelle
gestört.
ad. 5. Das Kunstlied im Chor:' Der Unter-
schied zwischen Lied und Kunstlied ist aus dem
Entwurf nicht klar ersichtlich und darum eine
genaue Formulierung der Gegengründe schlecht
möglich.
Die Bearbeitung der Kunstlieder kann nicht
umgangen werden
— 112
1. aus dem von den Herren Gebrian etc. ge-
brachten Grande,
2. infolge Mangels von passenden profanen
Originalcbören,
8. infolge der in ad 6 anfgesteUten Forderung
des Beckmann*schen Entwurfes.
b) Das Kunstlied im Klassengesang: Die
Ausscbliessang der einstimmigen Kunstlieder
bezw. Kunstg-esänge würde ich als eine bedauer-
liche Beschränkung der Stoffauswahl auffassen.
Ich kann nur annehmen, dass gesangstech-
nische Gründe diese Aufstellung veranlasst haben.
Prof. Eriedländer, der feine Kenner des ,,deutschen
Liedes", würde sich wahrlich gegen die Aus-
schliessung einfacher, der Scbülerintelligenz ent-
sprechenden Kunstlieder wehren. Und ich auch.
Warum sollen wir der begeisterten Jünglingswelt
z. B. die Balladenform (natürlich mit Auswahl)
vorenthalten? Drängen nicht eine ganze Eeihe
von Liedern grösseren Genres geradezu auf die
Wiedergabe im Chorgesang hin?! Ich betreibe
diese Gesangaform seit Jahren und freue mich
jedesmal über die lebhafte, ehrliche Beteiligung
der grossen Schüler. Kleinere Schüler würden
selbstverständlich diesem Kunstzweig verständnislos
gegenüberstehen. Ich gehe sogar noch weiter.
Zum Entsetzen einzelner Gesanglehrer (Herr Beck-
mann war nicht zugegen) habe ich in einem
Schülerkonzert vor mehreren Jahren ausländische
Volksgesänge gebracht, z. B. chinesische, japa-
nische, indische, arabische, schottische etc. etc.
G^esänge. Warum soll man den Schülern nicht
einmal einen, wenn auch nur schwachen, Begriff
geben, wie die anderen Völker singen? Eine Regel
daraus zu konstruieren, wäre natürlich Unsinn.
Der Gegengrund, dass wir Gesanglehrer genug mit
der Erschliessung deutscher Volkslieder zu tun
hätten, scheitert an der geringen Auswahl in den
Chorbüchera. Der Forderung, eine grössere Aas-
wahl zu schaffen, wird wohl kein Gesanglehrer
entgegentreten.
ad 8. Der Ansicht der Herren Gebrian etc.,
dass eine chronologische Anordnung viele Lücken
aufweisen würde, kann ich nur zustimmen. Wo
würde z. B. das 4stimmige weltliche Lied der 2.
Hälfr« des 18. Jahrhunderts bleiben? Die rapide
Entwickelung der Monodie hat das Wachstum des
volksmässigen 48tinmiigen Vokalsatzes bis zum
Beginn der altromantischen Zeitepoche äusserst
ungünstig beeinflusst. Dazu die notwendige, be-
schränkte Auswahl ftlr Schülerchöre. — Die Ein-
teilung des Inhaltes nach den Lebensgewohnheiten,
Sitten, Jahreszeiten, Schulfestlichkeiten dürfte
doch wohl als die natürlichere gelten. Aber
eine reichere Auswahl an Weihnachtsliedern,
frischen, fröhlichen Natur-, Marsch- und Wander-
liedern wäre mehr willkonmien. — Der Antrag,
für dieQaarta bis Prima 1—2 Stunden wöchentlich
Klassengesang zu fordern, kann nicht eindringlich
genug unterstützt werden, wenn ich auch mehr
der Einführung der Theorie und Musikgeschichte
das Wort rede, als dem Singen. Die G^ahr, in
der Mutation die Stimme anzustrengen, liegt
zu nahe.
L A.;
Xaver Sehanoenka.
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StelletioernmiHiig der musiksektioti
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Der Klavier-Itebrer.
Musik-pädagogische Zeitschrift für alle Qebiete der Tonkunst.
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der Musik-Sektion des R. D. L-V. und der Tonkunstler- Vereine
zu Köln, Dresden, Hamburg; Leipzig und Stuttgart.
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Redaktion: Anna Morsch
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iflr die zweiaetpaltcne Pctittclle cni-
oe«|cn4«nonimeii.
No. 8.
Berlin, 15. April 1905.
XXVIII. Jahrgang.
Inkalt! A. Mecklenburg: Liazt in aeinen Beziehungen zu Robert Schumann. Profeasor Dr. Otto Klauwell: Wer iat muaikaliach?
Dr. Karl Storck : Kritiache Rflckachau aber Konzert und Oper. Mitteilungen von Hochachulen und Konaervatorien. Vermlachte
Nachrichten. Bücher und Muaikalien, beaprochen von Eugen Segnitz und Anna Morach. Vereine. Briefkaaten. Anzeigen.
\9\sxf ii) scioei) K^2iebut)Sci) zu l^obcFl" )icban)at)t).
Von
Am Hecklenbarg.
Es war unstreitig Liszt*s Verdienst, als
erster den schöpferischen Genius Robert
Schumann's erkannt und ihm den Weg in
die Oeffentlichkeit geebnet zu haben. Eine
der liebenswürdigsten und der Verehrung
wertesten Eigenschaften, die wir an dem
Wesen des Künstlers und Menschen Liszt be-
merken, war die, überall da, wo er nur ein
ursprüngliches Talent fand, diesem auf jede
Weise ein fördernder Freund und Bahnbrecher
gewesen zu sein. Man könnte hier eine
ganze Reihe von Künstlern aufzählen, die
ihren ersten Erfolg in der Oeffentlichkeit, das
Einheimsen ihrer ersten Ruhmeskränze ganz
allein Franz Liszt zu verdanken haben. So
darf Liszt auch mit Fug und Recht das hohe
Verdienst in Anspruch nehmen, als erster die
Aufmerksamkeit der gesamten musikalischen
Welt, sowohl der Berufs-Musiker und -Kritiker,
als auch des Laienpublikums auf Robert
Schumann's Kompositionsgenie hingelenkt zu
haben. Liszt war es vorbehalten, Schumann,
dem Klavierkomponisten, als erster das
volle Verständnis für die aus seinen frühen
Klavierwerken hervorstrahlende Eigenart ent-
gegengebracht zu haben.
Es war im Jahre 1837, als Liszt die
Klavierwerke von Robert Schumann op, 5, 11
und 14 in einer der bedeutendsten musikali-
schen Zeitschriften der Welt, in der „Gazette'
musicale**, No. 46, einer eingehenden kritischen
Besprechung unterzog und ihre Bedeutung mit
ebensoviel inniger Wärme als tiefgehendem
kongenialen Verständnis an's Licht stellte*).
In der Einleitung dieses Aufsatzes teilt Liszt
die Werke der Kunst ganz im allgemeinen
in 8 Kategorien ein; in solche, welchen die
Popularität wohl anfangs schnell liebkosend
entgegenkommt, die sie aber bald, vielleicht
schon in der nächst kommenden Generation,'
fallen lässt, sobald diese ihren unter dei
schimmernden AussenhüUe verborgenen Un-
wert erkennt, sodannrin solche, „welche von
Dunkelheit lange umhüllt sind und deren ver-
schleierte Schönheiten sich nur dem aufmerk-
samen, sie mit Liebe und Ausdauer suchenden
Auge entdecken, während die rauh dahin-
eilende Menge zerstreut an ihnen vorübergeht*,
*) Der damalige Eigentümer der „Qazette
masicale'S Maurice Schlesinger, ersachte Liszt,
einen Aufsatz über irgend eine neue Erscheinunft
der Kunstwelt in sein Blatt einzurücken. Zu
diesem Behufe schickte ihm Schlesinger monatelang
allerlei Nova, worunter Liszt aber nichts zu finden
vermochte, was ihm lobenswert erschien. Endlich
am Comer-See bekam er Schumann's erste Klavier-
werke in die Hände, die ihn dann zu dem elogieuseu
Aufsatz in der Gazette begeisterten.
- 118 -
endlich in solche, die sich wie im Fluge die
Bewunderung der Menge und der Kritiker er-
ringen, weil ihre auf der Wahrung allge-
mein gültiger Kunstgesetze beruhenden Schön-
heiten auch leicht erkennbar sind und allge-
mein empfunden werden können. Die Klavier-
werke Schumann's nun, soweit sie Liszt vor-
liegen, weist dieser der zweiten Gruppe zu.
Liszt sieht auf den ersten Blick, dass die in
op. 5, 11, 14 liegenden Schönheiten sich nur
dem mit höherer musikalischer Intelligenz
Ausgerüsteten enthüllen können; den ober-
flächlich musikalisch Gebildeten, den Geistern,
die nur an der Oberfläche haften, rauschen
die Zauberbronnen des Schumann*schen
Genius vergeblich, sie sind hörbar und ver-
nehmlich nur dem in die Tiefe Dringenden;
nur der Genius versteht den Genius ganz.
Liszt will nicht die Frage untersuchen, ob
Schumann der neuen oder der alten Schule
angehöre, „der Schule, die anfängt zu sein,
oder der, die nichts mehr zu tun hat.** —
Aussprüche, die aus dem Aufsatz von Fetis
„DieHerren Thalbergund Liszt" herstammen,
mit denen Liszt F^tis ironisiert, wie überhaupt
in unserem Aufsatz die Thalberg-Polemik
nachklingt. — Auch will Liszt nicht die künst-
lerische Richtung Schumann's irgendwie
schematisieren oder in irgend ein System hin-
einzwängen, wie man Gegenstände der Natur
in einem Naturalienkabinet klassifiziert, — nur
dies Eine will Liszt herausstellen und der
allgemeinen Würdigung unterbreiten, dass
dem Autor das Zeugnis eines höchst originellen
und tiefen Geistes auszustellen sei. Zu diesem
Urteil kommt Liszt einzig und allein auf
Grund einer Analyse der wenigen ihm vor-
liegenden Werke von Schumann. Ohne
Schumann das Patent auszustellen, „als Be-
gründer einer Schule oder als Erfinder eines
Systems** zu gelten, kann Liszt unter dem
Eindruck der Werke 5, 11, 14 nicht umhin,
Schumann „die meiste Individualität, die meiste
Neuheit, das meiste musikalische Wissen*"
unter den Autoren der jüngsten Zeit zu vindi-
zieren. Liszt lässt in dieser Beziehung aus
der Reihe der letzteren vor dem Forum seiner
musikalischen Kritik fast nur einen Einzigen
neben Schumann bestehen - nämlich Chopin.
In einem Briefe Liszt's ohne Datum an Schu-
mann, den dieser am 5. Mai 1888 empfing,
gelangt Liszt zu demselben Urteil, das wir
keineswegs als Ausdruck einer konventionellen
Schmeichelei anzusehen haben, da solche der
W«*MBhBitsliebe Liszt's vollkommen fern lag.
Er sagt in diesem Briefe unumwunden: ^Pour
parier franc et net, il n'y a absolument que
les compositions de Chopin et les vötres qui
soient d'un puissant intöret pour moi: Le
reste ne vaut pas Thonneur d'etre nomme
ä peu d'exceptions.**
Das Impromptu über eine Romanze von
Clara Wieck, op. 5 von Schumann, stellt
Liszt auf eine Stufe mit den „Es-dur Varia-
tionen** Beethoven's über ein Thema der
Symphonie „Eroica*", ja sogar mit seinen 33
Variationen über ein Thema von Dia belli,
von denen einst Hans von Bülow sagte,
dass sie in nuce die ganze Welt der musika-
lischen Formen, sowie einen Auszug der ge-
samten Klaviertechnik enthielten. Erscheint
uns die künstlerische Bewertung des Impromptu
durch diesen Vergleich von selten Liszt*s
etwas zu hoch gegriffen, so bleibt doch das
andere ohne Zweifel bestehen, was in dem
Urteil Liszt's hervorgehoben ist, dass das
Impromptu hochbedeutsame musikalische
Schönheiten enthält und förmlich überschäumt
von rhythmisch und melodisch neuen Kom-
binationen, wobei Liszt auf die Seiten 4, 8,
9, 10 und 19 hindeutet. Und nun die gerechte,
bei aller subjektiven Begeisterung doch objek-
tive Würdigung, welche die Fis moU-Sonate
bei Liszt gefunden hat!
Als Verfasser dieser Zeilen vor Jahren
diese Sonate studierte und zum erstenmale
dem kurzen Eingang nahe trat, hatte er die
Empfindung, als träte er in die Vorhalle eines
heiligen Doms, in der ihn die Schauer der
Ewigkeit anfassten! Auch heute kann ich
dieses einleitende Adagio, besonders die Stelle:
welche auch das melodiöse Fundament zu
der Arie auf Seite 14 und 15 bildet, nicht
spielen, ohne das Regen einer andachtsvollen
Wehmut in der entzückten Seele zu verspüren.
Wie war ich überrascht, als ich bei der
Lektüre unseres Liszt'schen Aufsatzes ent-
deckte, dass der grosse Tonmeister darin der-
selben Empfindung Ausdruck verlieh! Nach
Liszt ist der Eingang von einer einfachen^
traurigen Feierlichkeit Liszt vergleicht das
^ IIÖ -
einleitende Adagio jenen Pronaonen, die den
Griechen entlehnt, von den ersten christlichen
Baumeistern den Basiliken vergebaut wurden,
und die den Eintritt in den Tempel vorbe-
reiteten.
Die Charakterisierung, welche die ein-
zelnen Sätze der Sonate bei Liszt linden, ist
durchaus richtig, wie es ja bei einem Liszt
als Kritiker selbstverständlich sein muss, der
in reproduktiver und produktiver Hinsicht auf
so stolzer Höhe thront. Denn nur der Kri-
tiker kann unserer Ueberzeugung nach ein
objektiv richtiges Urteil fallen, der zugleich
ausübender und schaffender Künstler ist Was
dem ersten Satz der Fis-moU Sonate be-
sonders eigentümlich, ist die energische Hand-
habung der kontrapunktischen Form, der un-
erbittlichen Logik, mit der die musikalischen
Ideen hier nach unbeugsamem Gesetz ent-
wickelt sind, und diese Festgeschlossenheit
der musikalischen Formen, die gesetzmässige
Entfaltung der von kräftigem Leben pulsieren-
den musikalischen Gedanken ist es gerade,
die Liszt an diesem ersten Satz lobend her-
vorhebt. Der folgerechte Aufbau der musika-
lischen Ideen, der die Fülle der Originalität
keineswegs ausschliesst, so wie hinter den
mannigfachen, oft originellen, ja phantasti-
schen Gewinden der Epheuranken die festen
Linien klassischer Säulen hindurchschimmern,
ist nach Liszt überhaupt ein Charakteristikum
Schumanh'scher Komposition. — Die Arie
auf Seite 14 und 15 trägt Liszt kein Bedenken,
»eines der vollendetsten Stücke" zu nennen,
die er überhaupt kennt. Es gibt wohl kaum
ein Stück unter den Schumann*schen Gebilden,
das diesem, was den Ausdruck der tiefsten
sehnsuchtsvollen Schwärmerei betrifft, gleich-
käme. Der Eusebius-Charakter mit seinem
phantastischen Traumleben — die zweite Seite
in Schumann's Doppelnatur neben der ersten,
dem Florestan - Charakter, der mehr das
heroisch - pathetische Element vertritt, —
kommt hier zur schönsten und reinsten
Geltung. Nach Liszt ist der Charakter dieser
Arie, obwohl der Autor an den Rand „senza
passione** geschrieben hat, voll leidenschaft-
lichster Hingabe, die sich allerdings mehr
verrät als ausbricht Und fürwahr, wer
Stellen wie die folgenden:
^*
s^
mZ
[t*ii'-^P/^^ I J j' ^ J3
sinngemäss und inspiriert von dem Hauche
der Sehnsucht, der das Ganze belebt, spielt,
wird von dem wahren und tiefen Gefühl, das
hier unverfälscht zum Ausdruck kommt, im
Innersten ergriffen werden. An dem Scherzo
rühmt Liszt die Originalität des Rhythmus und
der harmonischen Effekte. Obwohl in dem
Finale die Logik in der Entwicklung der Haupt-
idee nicht ganz fehlt, wird nach Liszt „die
allgemeine Wirkung dieses Satzes oft unter-
brochen". Aber wer Hesse sich solche dem
leitenden Grundgedanken allerdings femer
stehende Intermezzo's :
nicht gefallen, besonders da sie in der Folge
transpositorisch als Bausteine zur Aufrichtung
des Ganzen echt künstlerisch verwertet wer-
den! Wir stimmen jedoch Liszt darin bei, dass
es i\n manchen Stellen notwendig gewesen
wäre, den poetischen Gedanken besonders an-
zugeben. Nach einer geistreichen Exkursion
über die Berechtigung der sogenannten Pro-
grammmusik, wobei Liszt sich der kurz vor-
her in der Gazette musicale niedergelegten
Ansicht von Berlioz anschliesst, wird noch
op. 14 als ein Werk gewürdigt, das, „in ein-
samer Begeisterung" empfangen, hie und da
viel mehr die freie Form der Phantasie vor-
herrschen lässt, als es sich mit dem strengen
Charakter einer Sonate verträgt; die Triebkraft
der unerschöpflichen Phantasie Swhumann's
sprengt eben hie und da die überlieferten
Klassischen Formen. — Wir haben uns die
kleine Mühe genommen, hier etwas eingehend
die Beurteilung der Schumann'schen Werke
ö, 11, 14 durch Liszt wiederzugeben, allein in
der Absicht, um zu zeigen, wie wahr und tief
Liszt die Schumann'sche Muse bei ihrer ersten
- 120 —
Offenbarung begriffen und wie sehr er es
verstanden hat, §ich mit sinnendem und akko-
modationsfähigem GemQt in die sich ihm vor
allen anderen zum erstenmale enthüllenden
Tiefen des Schumann'schen Genius zu ver-
senken, um dort die verborgenen Perlen
musikalischer Schönheit zu suchen, zu finden
und an die Oberfläche des allgemeinen Ver-
ständnisses zu schaffen. —
(Fortoetziing folgt.)
Von
Brmfemimr Dr. Otto Klanwell.
Das Wort „Mtisikalisch" tunfasst einen Begriff,
mit dem in unserem stetig anwachsenden Musik-
leben ein leider in gleichem Masse asunehmender
Missbranch getrieben wird. Es ist wohl nicht
zn weit gegangen, wenn ich behaupte, daes,
wenn alle die Menschen, die sich für musikalisch
halten und dafür ausgeben, es wirklich wären,
unsere heutigen Musikzustände wesentlich andere
sein wünlen, als sie iu Wirklichkeit sind. Es dürfte
dann wohl manches Werk, das heute gerade von
der grossen Masse des Publikums mit lärmenden
Beifallskundgebungen und anscheinender Begeiste-
rung aufgenommen und gefeiert wird, sich mit
einem bescheideneren, weniger geräuschvollen Er-
folge zu begnügen haben, während manche ältere
Tonschöpfung, die heute sehr zu unrecht vernach-
lässigt wird und fast der Vergessenheit anheimzu-
fallen droht, sich die ihr zukomm^-nde Ehrenstellung
in unserem Musikleben wieder zurückeroberte
Angesichts solcher Verhältnisse verlohnt es sich
wohl, einmal die Bedingungen aufzusuchen, an die
das Musikalischsein im wesentlichen geknüpft ist.
Es wird sich dabei herausstellen, da^s viel mehr
dazu gehört, als viele zu glauben scheinen, es wird
uns aber auch klar werden, dass das Musikalisch-
sein in seinem letzten Kerne eine angeborene Eigen-
schaft ist, eine Eigenschaft, die man sich nicht
willkürlich beilegen kann, wenn man sie auch
durch geeignete Studien erheblich zu entwickeln
und zu vervollkommnen vermag. Ich erhebe
übrigens keinen Anspruch darauf, in meinen
Darlegungen etwas wesentlich Neues zu sagen,
glaube vielmehr, dass sich meine Ausführungen in
Gedankenkreisen bewegen, die Allen wohlbekannt
und vertraut sind.
unser heutiges Musikleben bietet dem Be-
trachter das Bild einer erschreckenden UeberfüUe
öffentlicher musikalischer Darbietungen, eines Zu-
viel an Musik, das weder in einer überquellenden
Produktion unserer Zeit, noch in den — richtig
verstandenen — künstlerischen Bedürfnissen des
Publikums seine zureichende Begründung findet.
Und wenn auch manche ia diesem musikalischen
Schlaraffenleben ein mit Freude zu begrüssendes
*) Vortrag, gehalten im Kölner Musik-Lehrer-
nnd Lehreriunen-Yerein am 6. Februar 1905.
Anzeichen dafür erblicken, dass unsere herrliche
Kunst zam wirklichen Gemeingut der NaUou ge-
worden sei und dass sie wie keine andere Kunst
im Herzen des Volkes Wurzel geschlagen habe, so
fehlt es doch auch nicht an Stimmen, die, von
einer höheren Warte aus, die un verhältnismässige
Ausbreitung der Musikpflege in unserem geistigen
Gesamtleben für ein bedenkliches ZiOichen einseitiger
G^isteskultur erklären. Ohne mich hier in eine
Erörterung dieser Frage einlassen zu wollen, möchte
ich nur einem Fehlschlüsse vorbeugen, der ange*
sichts der überfüllten Theater- und Konzertsäle
leicht platzg^eifen könnte, der Ansicht nämlich,
dass der Fülle der öffentlichen musikalischen Auf-
führungen und der unleugbar stärken Teilnahme,
der sie in allen Schichten des Publikums begegnen,
nun auch eine gleich tiefe und umfassende musi-
kalische Bildung dieses Publikums entsprechen
müsse. Schon ein flüchtig prüfender Blick belehrt
uns eines anderen. Wie verschiedenartig sind nicht
die Beweggpründe, die die Menschen in die Konzerte
treiben! (Von der Oper als einer nicht rein musi-
kalischen Kunstgattung darf hier füglich abgesehen
werden). Der eine folgt blindlings der herrschen-
den Mode, die den Konzertbesuch nun einmal zu
den Erfordernissen des guten Toaes rechnet, er
geht in die Aufführungen, um dort zu „sehen"
und „gesehen zu werden**; ein anderer lässt die
Konzerte über sich ergehen, um wenigstens den
Schein musikalischer Bildung und musikalischen
Interesses zu erwecken; einen dritten gelüstet es,
die (gleichviel, in w&s für Stücken) auftretenden
Virtuosen zu hören und in ihrer äusseren Kunst^-
fertigkeit zu bewundem; ein vierter, schon in ge-
wissem Sinne musikalisch zu nennender, liebt es,
sich durch die Musik in einen Dunst nebelhafter
Gefühle und Stimmungen einspinnen zu lassen,
um nur desto ungestörter seinen G^anken freien
Spielraum zu gewähren ; nur eine verschwindend
geringe Minderheit kommt dem Kunstwerk mit
dem festen Willen und zugleich mit der Fähigkeit
entgegen, es in der ganzen Fülle seiner Daseins-
bedingungen auf sich wirken zu lassen und den
gewonnenen Eindruck in selbsttätiger Geistesarbeit
zum bewussten Kunstgenuss zu erheben. Diese
Minderheit — fast möchte ich sie eine Gemeinde
nennen — vertritt das eigentlich so zu nennende
121 —
musikalische Publikom, das ia seiner Weseaheit
weit- und grundverschieden ist von dem grossen
Haufen derjenigen, die sich im landläufigen Sinne
musikalisch zu nennen belieben. Wie mancher
hält sich für musikalisch, weil er ein Bischen
Klavier spielt oder ein Bischen singt, wohl gar
Mitglied eines berühmten Gesangvereins fst, wie
mancher auch, weil er seit einem Menschenalter alle
besseren Mnsikaufführungen besucht, alle berühmten
Künstler gehört hat! Das ist alles ganz schön, hat
aber das Musikalischseln so wenig notwendig im
Gefolge, dass es sich nicht selten sogar mit einem
vollständigen Unmusikalischsein ganz gut verträgt.
"Welches sind denn nun — so muss man fragen
— die Eigenschaften, deren Besitz einen Menschen
musikalisch erscheinen lässt?
Um hierüber ins Klare zu kommen, bedarf es
zuvor eines kurzen A&ckblicks auf das eigeniüm-
liche Wesen der musikalischen Kunst, aus dem
sich die Bedingungen ihres Verständnisses leicht
von selbst dann ergeben werden.
Das Material der Musik bilden die Töne, und
aus der vielfältigen Art und Weise^ wie diese zu
einem gp'össeren, organisch sich entwickelnden
Ganzen zusammentreten können, entspringt die
unerschöpfte und unerschöpfliche Möglichkeit ver-
schieden gearteter Kunstwerke. Die Gesichtspunkte,
unter denen die Töne sich zu künstlerischen Ge-
bilden vereinigen, sind durch die drei Grundelemente
der Musik an die Hand gegeben, die Melodie,
den Rhythmus und die Harmonie, ohne deren
ununterbrochene Betätigung ein Musikstück über-
haupt nicht gedacht werden kann. Man nehme
den kleinstmöglichen Ausschnitt aus einer Kom-
position, zwei aufeinanderfolgende Töne, so werden
diese notwendig in einem bestimmten melodischen
und rhythmischen Verhältnis zu einander stehen
müssen. Und dass eine Folge mehrerer Töne,
selbst wenn sie, wie es vorübergehend der Fall
sein kann, ohne Begleitung auftreten sollte, stets
auf dem Grunde einer bestimmten — im Falle der
Einstimmigkeit von uns hinzugedachten —
Harmociefolge aufgefasst und verstanden wird, ist
ebenfalls eine Tatsache der Erfahrung. Alle drei
Ausdrnckselemente sind derart an dem bestimmten
Charakter einer Stelle beteiligt, dass eine gering-
fügige Aenderung schon eines einzigen derselben
oft eine starke Wandlung ihres Charakters zur
Folge hat. Ausser diesen elementaren Grundlagen
jeder Musik ist für die Eigenart eines bestimmten
Kunstwerks von Bedeutung seine Form, d. h. die
Art und Weise, wie in ihm das motivische und
thematische Material aus verhältnismässig unschein-
baren Anfängen heraus entwickelt und zu einem
grösseren, innerlich zusammenhängenden Ganzen
ausgestaltet worden ist. Mag sich hierbei der
Komponist einer der durch unsere grossen Meister
festgelegten Kunstformen anschliessen oder mag
er in kühnem Fortschrittsdrange neae, imbetretene
Pfade einzuschlagen suchen: ein bestimmtes Prinzip
der formalen Gestaltung wird in seiner Schöpfung
immer zu erkennen sein müssen, wenn anders sie
den Namen eines Kunstwerks verdienen soll. Wie
nun aber jedes Tonstück er^ t durch die praktische
Wiedergabe zum wirklichen Leben und zur Betäti-
gung seiner künstlerischen Wirksamkeit gelangt,
so werden manche seiner wesentlichen Eigen-
schaften auch erst hier zutage treten und erkannt
werden können. Hierzu rechnen wir die Eigen-
schaften, die auf der Klangfarbe beruhen, die
also mit der Wahl und Verbindang verschiedener
Instrumente oder mit der verschiedenartigen Be-
handlung eines und desselben Instrumentes durch
den Spieler zusammenhängen, sodann diejenigen,
die sich aus den Modifikationen des Vortrages
ergeben, denen zufolge ein Stück, je nach der Auf-
fassung und Darstellung des Vortragenden, eine
mehr oder weniger einschneidende Veränderung,
ja, im schlimmsten Falle eine gänzliche Entstellung
des ihm vom Komponisten zugedachten Charakters
erleiden kann.
Zu allen diesen wesentlichen Grundlagen der
musikalischen Kunstwerke, auf denen ihr Inhalt,
ihre Eigenart, ihr Wert, ihre Wirkung beruhen,
muss derjenige, der das Prädikat musikalisch
auf sich angewandt wissen will, in einem mehr
oder weniger nah vertrauten Verhältnis stehen.
Es ist demnach durchaus kein unbestimmter,
schwankender, in Allgemeinheiten sich verlierender
Begriff, den man mit dem Wort „musikalisch^* zu
verbinden hat, es treten vielmehr, nach dem Ge-
sagten, ganz bestimmte Forderungen hervor, ohne
deren Erfüllung der Anspruch, musikalisch zu sein,
nicht erhoben werden darf. Suchen wir diese
Forderungen, im Anschluss an das über die wesent-
lichen Grundlagen der Mosik soeben kurz Ausge-
führte, im Einzelnen näher festzustellen.
(Schluss folgt)
Kritische Rückscliau =
iber Konsert und Oper.
Von
II r. Karl Storck.
Da« Musikleben verläuft diesen Winter in
rerht ^leichmässif^en Bahnen. Die Wunderkinder
ütheineu die einzige „Sensation*' zu bleiben, du
Ricl>ard Strauss' allzu geräuschvolle Schilderung
seiner Häuslichkeit fast mit selbstverständlicher
Freude und Dankbarkeit angenommen wurde.
1-22 —
Aber selbst der Aer^er war nicht stark genug, um
aus Mahler' s 5. Sympbonie einen Skandal zu
machen. Auch unser Pul)likum ist durch die Art
des öffentlichen Miisikbetriebes mürbe geworden.
In den offiziellen besuchspflichtigen Konzerten
hari-t man aus und lässt alles über sich ergehen.
In Konzerte, bei denen man nicht ganz „sicher"
ist, geht man nicht melir. Gute, bewährte Künstler
spielen vor halbleeren Bänken und, was schlimmer
ist, vor halb teilnahmsloser Zuhörerschaft. Da-
gegen scheint der ungesunde Personen- und Vir-
tuosenkultus zuzunehmen. Das Wiederaufblühen
und der geschäftliche Erfolg der „Elitekonzerte"
mit ihrer varieteartigen Vorführung zugkräftiger
Nummern ist höchst bedenklich. der ade ein
2ieichen von Gesundlieit ist*s auch nicht, dass fast
jeder Künstler, der einer kleinen Gemeinde sicher
ist, gleich ganze Konzertserien veranstaltet. Bei
Rosenthal z. B. wurden aus einem einzigen Klavier-
abend ihrer fünf, wobei es am fünften noch deut-
licher war, als am „einzigen"*, da«s er nur Tech-
niker ist. Erfreulicher ist's, wenn An sorge vier-
mal zeigt, wie „er es fühlt*', und uns seine Auf-
fassung von so und so vielen Meisterwerken vor-
träumt. Gerade gesund erzieherisch wirkt aber
sein nur den eigenen Ansorgestil kennendes Musi-
zieren sicher nicht. Die Reproduktion hat nun
einmal Pflichten; und die erste ist die Wahrung
des Stils des vorzutragenden Kunstwerks. Da
konnte man bei Artur Schnabel und Alfred R eise-
nauer seine helle Freude haben. Der erstere hat
sich Vorzüglich entwickelt. Freilich, seine Seele
wird nie in's völlige Gleichgewicht mit seinem
überstarken Kopfe gelangen. Abei- er bietet ge-
radezu Kultur am Klavier. An Godowsky freue
ich micli nur, soweit er Pianist ist; als Musiker
hat er nichts zu geben; seine pianistisch-instru-
mentalen Fähigkeiten aber stehen auf fast ein-
samer Höhe. Busoni gab einen gi'ossen Ueberblick
über Liszt's Schaffen: leider fehlt ihm der impro-
visatorische Charakter Liszt's vollkommen, und so
klingt alles das leer, wo die Persönlichkeit des
Reproduzierenden das Beste einsrhliessen muss.
Von neuen Leuten machten mir Harold Bauer
durch die Wucht der Steigerung in grosser Linie
und Ignaz Friedman n als Gesamterscheinung
den stärksten Eindruck; von letzterem wird man
nach meiner üeberzeugung noch Grosses hören.
Ebensowenig wie hier ist die Ausbeute an
neuen, wertvollen Erscheinungen auf dem Gebiet
des Violinspiels. Gertiiid Scamoni, die von Henri
Marteau eingeführt wurde, scheint ein gottbe-
gnadetes Talent. Jan Kubelik ist ein technischer
Hexenmeister; in Joan Mauen steckt, glaube ich,
noch mehr. In herrlicher Grösse aber ei*schien
jetzt Henri Marteau, der ideale Schönheit des
Tones, unfehlbare Technik mit erstaunlicher Tief-
gründigkeit und einem fast beispiellosen Idealismus
im Eintreten für neue Werke verbindet. Trefflich
bewälu-te sirh auch Willy Burmester; s(.iist gab
es auch bei Erprobten eher Enttäuschuugeii ah
Steigeningen gegentiber früheren Jahren- Eine
sehr böse Stunde aber erlebte ich bei Pablo de
Sarasate. Ich halte es für meine Pflicht, da* zu
begründen; denn solche Künstler, die sich derart
überlebt hal>en, können geradezu zu Kulturschäden
werden. Ich glaube gern, dass Sarasate, der
immer die ungeheure Macht rein sinnlichen Wohl-
lauts zu schätzen wusste und sie allein pflegte,
einst geradezu zauberhafte Wirkungen geübt hat.
Heute ist von dieser Schönheit des Spiels nur
selten und eigentlich nur an den lyrisch getragenen
Stellen etwas zu merken. Dieser Mann leidet am
Konzertgeben, das ihm mit all' der Mühselig^keit
des Reisens und des Sichwiederanputzens zu einer
Qual geworden ist. Kein Wunder. Wäre e«
schon entsetzlich, öfter hintereinander solche fade
Musik anzuhören, wie muss es erst sein, w^eiin
man sie vorträgt. Aber Sarasate scheint dot'h
nichts anderes zu vertragen. Er bearbeitet alle
möglichen, nicht gerade unbedeutenden Musiker,
wie z. B. Mozart oder Joh. Seb. Bach zu Sarasate.
Er erlaubt sich, einer nach Tausenden zählenden
Zuhörermenge eine geradezu gemein äusserliche
Potpourribearbeitung einiger Melodien aus Mozart 's^
„Don Juan" aufzutischen, die er dort, wo sie mit
technischen Kunststücken arbeitet, technisch gar-
nicht mehr sauber auszuführen vermag. Unddami
konzertiert er immer in (remeinschaft mit Frau
Berthe Marx-Goldschmidt. Was diese Dame
mit ihrer unzulänglichen Tedinik und ilirer aurh
bescheidene Salon ansprüche nicht befriedigenden
Auffassung sich an Sünden wider den heiligen
Geist der Musik unserer Grössten leistet, kann ihr
auch der gütigste Engel nicht verzeihen. Sie ist
übrigens von ihrem Meister auch bereits ange-
steckt. Bearbeitet er Bach und Mozart, so sie
Sarasate, dessen ,,Zigeuner weisen** sie zu einer
grossen Rhapsodie für Klavier mit Orchester umge-
staltet hat. Man kann sich vorstellen, was aus
einem an sich dünnen Wein wird, wenn er mit
einigen Eimern Wassers vermischt wird. Und bei
einem solchen Konzert ist nicht nur die Pliilhar-
monie bis auf den letzten Platz ausverkauft, son-
dern es herrscht auch ein begeisterungstrunkener
Jubel!!
Hocherfreu litrh ist dagegen die Pflege der
Kammermusik. Hier wird zumeist vorzügliches
geboten. An allererste Stelle aber setze icli das
Brüsseler Streichquartett. Ich habe norli
nie schöner Quartett spielen hören, als von diesen
Herren unter Führung Franz Schörj'S. Sie sind
viel feiner und vornelimer als die Bölimen, dabei
nicht weniger temperamentvoll. Die Klangschön-
lieit des Zusammenspiels ist geradezu ideal, die
Unterordnung der Einzelnen unter die Gesamtheit
vollkommen. Leider war die von den Herren vor-
geführte Neuheit, ein O-dur-Quartett des Italieners
Leone S i n i g a g I i a , wert los. was um so schnieiv.licher
wirkte, als das Werk unendlich lang ist. Dieser
123 -
Italiener könnte eine ei'quickende Musik scihi-eiben,
weiin er den Mut hätte, ein echter Italiener zu sein,
il. H- wenn er auf alle musikalische Grelehrsanikeit,
alle auffällige Eigenart verzichtete und sich auf
die 'Wirkung verliesse, die eine einschmeichelnde
Musik in packendem Rhythmus immer übt. Es
sind, einige derartige Stellen im Werke, bei denen
iiia^ii beglückt aufatmet. Schon im nächsten Augen-
bliok ertötet eine falsche Ueberhitztheit alles. —
Aber wie singen diese Herren Haydn, wie jubeln
üie Hozart, wie ergreifend folgen sie Beethoven
bis in die geheimnisvollsten Tiefen seiner letzten
Quartette. In unvergessiicher Erinnening aber
blieb mir auch, wie sie Tschaikowsky's kleines
C-dur-Quartett (op. 11) träumten. Das Andante
caiitabile, das Chopin's Art so vei-wandt ist, erklärte
mir, warum der Kusse den Polen nicht leiden
mochte. Bei jenem ist Natur, was bei diesem
Salon ist. Wir Deutsche fühlen das sonst nicht
so leicht der sla vischen Musik gegenüber. Erst
der Vergleich unter Werken, die dem gleichen
Boden entsprossen sind, zeigt diese inneren Wesens-
nnterschiede.
Traurig ist es nun, berichten zu müssen, dass
bei den Konzerten dieser Herren der kleine Bech-
steinsaal kaum halb voll war. Das ändert sich
hoffentlich bald zur gleichen Teilnahme, die das
böhmische Streichquartett jetzt findet. Von
den sechs Konzerten der Vereinigung in diesem
AVinter ist mir vor allem in Erinnerung geblieben
der Brahmsabend, an dem einige der schönsten
Werke des Komponisten, das Streichquartett A-moll
und das Klarinettenquintett H - moU vorgeführt
w^ui'den. Beim letzteren wirkte Meister Richard
Mühlfeld aus Meiningen mit. Wunderbar, wieder
Klang der Klarinette sich mit dem der ersten Geige
vermischte! Ich hatte vorher in der Philharmonie
eine Aufführung der D-dur-Symphonie von B r a li m s
^hört, die zwar nicht glänzend, aber doch ti-eu
war, und empfand wieder einmal aufs stärkste,
dass die Kammermusik das eigentliche Gebiet der
Kunst dieses Meisters ist. In noch höherem Masse
als das Lied, insofern die Kammermusik eine höhere
Kunst der Arbeit zulässt und in viel stärkerem
Masse Stil erheischt. Aber darüber hinaus ist
Bralims auch auf dem ihm eigensten Gebiete, am
glücklichsten in den kleinen Sätzen. Die Innen-
sätze seiner Kompositionen stehen weit über den
Aussensätzen. Der Gesang des Adagio und — man
gestatte mir das Fremdwort - - Ausnutzung einer
Situation im schnellen Satz, das sind Meistei*stücke,
in denen Forai und Inhalt sich vollkommen decken.
In den Aussensätzen ist die' Form weiter, grösser
und umfangreicher, als der Inhalt, wenigstens so
weit dieser ursprünglich mit empfunden war.
Darum sucht Brahms die Aussensätze in geistiger
Hinsicht künstlich zu vertiefen. Er beginnt hier
hineinzugeheimnissen, und darum sind sie so
„schwer zu verstehen". Ich halte es für ein un-
glückliches Verkennen, das dem lebenden Brahms
sehr viel gesclxadet hat und für das letzte Verhält-
nis zu den Werken des toten Meisters auch schäd-
lich ist, dass man ihn immer und immer wieder
mit Beethoven zusammenbringt. Er hängt vor
allem in den grösseren Werken nur in formaler
Hinsicht mit Beethoven zusammen. Er hat die
Schreibweise Beethoven's übernonmien und meinet-
wegen auch weitergeführt. Der Greist seiner Musik
ist dem der Beethoven'schen dagegen fremd.
Beethoven lehnt in seinen Briefen immer wieder
den Ausdru(;k „komponieren" ab. Er dichtet.
Brahms komponiert. Beethoven gibt immer und
überall die Entwicklung eines Gefühls zum andern,
Brahms sserfasert einen Gefühlszustand. Seine
Musik ist ihrem geistigen Gehalt nach der Haydn's
und Mozart's viel ähnlicher als der Beethoven's.
Wie jene, gibt er in jedem Satze eine Stimmung,
eine Situation. Jeder der Sätze steht für sich und
ist geistig in sich ein geschlossenes Werk. In
Beethoven's Werken dagegen ist jeder der Sätze
nur ein Akt eines Dramas. - Zwischen den
beiden Kammermusikwerken sang Therese Behr
zwei Lieder mit Klavier und Viola, Schöne Stim-
mungsbilder. Aber gerade das geistliche Wiegen-
lied, dem ein Text Lope de Vega's zugrunde liegt,
gibt ein vorzügliches Beispiel dafür, wie Brahms
nur manchmal Kunstarbeiter, meinetwegen Gold-
schmidt, ist. Das ganze Lied ist ein Spielen mit
der Melodie des altdeutschen Weihnachtsliedes
„Jesus, lieber Jesus mein". Wenn das Gredicht
gewissermassen den festen MetaUkörper darstellt,
so ist die Art der musikalischen Bearbeitung ein
Herumziselieren auf diesem Goldgefäss. Ich glaube,
das trifft für sehr viele Lieder von Brahms zu, der
nicht umsonst eine lange Heihe von Volkslied-
melodien künstlich ausgearbeitet hat. Nur tritt
es natürlich dort, wo er das Melodiethema selbst
erfunden hat, nicht so deutlich hervor.
MitteiluDgen
Yon Hoohsohulen und KonservatoriexL
Professor Naret-Koning, der ausgt: zeichnete
Violinpädagoge, Lehrer am Hoch'schen Konser-
vatorium zu Frankfurt a. M., Mitglied des
Heermann-Quartetts, ist am 28. März daselbst,
67 Jahr alt, gestorben.
Am 24. März fand in der Singakademie ein
Schüler- Vortragsabend des Klindworth-Schar-
wonka -Konservatoriums statt, das den Lei-
stungen des Instituts aufs Neue ein glänzendes
Zeugnis ausstellte. Auf dem Programm standen
— 124 —
Klavierkonzerte von Bach und Xaver 8char-
wenka, Violinkonzerte von Bach und Brach,
Oes&Dge von Schubert, Schumann, Lortzing,
B/ahms n. a. Die vortragenden Schiller, von
denen einige völlig konzertreife Leistungen boten,
gehören den Klassen der Herren M. Mayer-Mahr,
Anton Förster, James Kwast, Max Grün-
berg, Plorian Zajic, Anton Sistermans,
Eugen Brieger und der Damen Fr. Blanck-
Peters und Erl. Lippert an. Das unter der
Leitung des Herrn Max Grünberg stehende
Schülerorchester begleitete die Konzerte in treff-
licher Weise.
Zur Feier des 25jährigen Bestehens des Her-
mann Fischer'schen Musik-Institutes zu
Magdeburg ist eine kleine Festschrift erschienen,
welche in schlichten Worten von der Gründung,
Entwicklung und dem Blühen des in Magdeburg
hochangesehenen Institutes berichtet. Ein Fest-
konzert, gegeben von den Lehrern und Schülern
der Anstalt, fand am 1. April im Saale der Stadt-
mission statt
Aus dem TIT. Jahresbericht des Bruno
Jleydrich'schen Konservatoriums zu Halle
a S. ist das erfreuliche Emporblühen des jungen
Instituts zu entnehmen. Die SchtÜerzahl stieg von
187 auf 190, die innegehabten B&ume in der
Marienstrasse erwiesen sich als zu eng, sodass die
Anstalt schon Im Juli v. J. in die grossen, mit
eigenem Saal und praktischer Anstaltsbühne ein-
gerichteten Räume Poststrasse 21 verlegt wurde.
Der Lehrerverband ist durch die Herren Ernst
Schache und Fritz Yolkmann und die Damen
Else Lorenz und Margarete Schiott, der
Lebrplan durch französische und italienische
Sprache erweitert worden. Für 1905 in Aussicht
genommen sind Schauspiel- und Bläserklassen.
8 Musikaufführungen fanden im Laufe des HL
Jahres statt.
Das von dem ausgezeichneten Pädagogen
Heinrich Janoch zu Brunn veranstaltete
Schülerkonzert war von bestem Erfolge begleitet
und stellte seinem Leiter anf*s Neue ein glänzendes
Zeugnis über seine künstlerische Führung aus. Hein-
rich Janoch wirkt seit 19 Jahren in Brttnn, dss
Musikleben der Stadt verdankt ihm seine künst-
lerische Hebung. Eine ganze Reihe seiner Schüler
und Schülerinnen haben in Wien die Staatsprüfung
bestanden und wirken im Sinne ihres Meisters fort.
Diesmal waren es 9 seiner Zöglinge, die mit grossen
und schwierigen Werken, wie Bach 's „Chromati-
sche Fantasie^S Beethoven*s „Appsssionata"",
B rahm 's „D-moU-Konzert^* und ähnlichen Stücken
bewiesen, was sie bei ihrem Lehrer gelernt und
mit welch echt künstlerischer Erfassung des gei-
stigen Inhalts Heinrich Janoch seine Schüler in
die Meisterwerke der Tonkunst einzuführen weiss.
Ein Prüfungskonzert des Musikinstitutes von
Marie Correns zu Stargard gewährte einen er-
freulichen Einblick in die zielbewusste Leitung der
Anstalt Kinderchöre, Klavier- und Violinvorträge
wechselten mit einander ab, von den kleinsten
Kinderstückchen bis zu grossen Konzertwerken
aufsteigend, Jedes einzelne in liebevollster Aus-
arbeitung, sauberer Technik und mit geistigem
Verständnis des GedankeninhaltB der Werke aas-
geführt.
Yermlschte Nachrichten.
Der Senat der König!. Akademie der
Künste zu Berlin, Sektion für Musik, erlässt
folgende Bekanntmachung:
Der Wettbewerb um den Preis der „Giacomo
Meyerbeerschen Stiftung für Tonkünstler^
wird hierdurch mit Ermächtigung des Stiftungs-
kuratoriums für das Jahr 1906 eröffnet.
I. Um zu demselben zugelassen zu werden,
muss der Konkurrent:
1. in Deutschland geboren und erzogen sein
und darf das 28. Jahr nicht überschritten
haben,
2. seine Studien in einer der zur König-
lichen Akademie der Künste gehörigen
Lehranstalten für Musik (Akademische
Meisterschulen für musikalische Kompo-
sition, Akademische Hochschule für
Musik, Akademisches Institut für Kirchen-
musik), oder in dem vom Prof. Stern hier
gegründeten Konservatorium für Musik,
oder in dem Konservatorium für Musik
in Köln gemacht haben,
3. sich über seine Befähigung und seine Studien
durch Zeugnisse seiner Lehrer ausweisen.
IL Die Preisaufgaben bestehen:
a) in einer achtstimmigen Yokai-Doppelfuge,
derer Hauptthema mit dem Text von den
Preisrichtern gegeben wird,
b) in einer Ouvertüre für grosses Orchester,
c) in einer durch ein entsprechendes Listru-
mentalvorspiel einzuleitenden dramati-
schen Kantate für drei Stimmen mit
Orchesterbegleitung, deren Text den Be-
werbern mitgeteilt wird.
IlL Die Bewerber haben ihre Anmeldung nebst
den betreffenden Zeugnissen (ad L 1, 2 und
3) mit genauer Angabe ihrer Wohnung der
Königlichen Akademie der Künste bis zum
1. Mai 1905 auf ihre Kosten einzusenden.
Die Zusendung des Themas der Vokal-
Doppelfuge, sowie des Textes der Kantate
an die den gestellten Bedingungen entspre-
chenden Bewerber erfolgt in der Zeit vom
15. Mai bis 1. Juni 1905.
125 —
IV. Die Arbeiten mäasen bis zum 1. Februar
1906 in eigenhändiger, sanberer nnd leser-
licher Schrift versiegelt an die Königliche
Akademie der Künste kostenfrei abgeliefert
werden. Den Arbeiten ist ein den Namen
des Bewerbers enthaltender versiegelter Um-
schlag beizufügen, dessen Anssenseite mit
einem ebenfalls auf dem Titel der Arbeiten
befindlichen Motto zn versehen ist. Das
Manuskript der preisgekrönten Arbeiten ver-
bleibt Eigentum der Königlichen Akademie
der Künste. Die Verkündigung des Siegers
nnd Zuerkennung des Preises erfolgt Ende
Mai 1906. Die uneröffneten ümschl&ge
nebst den betreffenden Arbeiten werden dem
sich persönlich oder schriftlich iQgitimiei en-
den Eigentümer durch den Inspektor der
Königlichen Akademie der Künste zurück-
gegeben werden.
V. Der Preis besteht für den diesmaligen Wett-
bewerb in einem auf 4600 Mark erhöhten
Stipendium, welches der Sieger zum Zwecke
weiterer musikalischer Ausbildung, insbe-
sondere für eine Studienreise nach Massgabe
später erfolgender besonderer Anordnungen
zu verwenden hat.
Der Sieger ist verpflichtet, als Beweis
seiner fortgesetzten künstlerischen Tätigkeit
nach gewissen vorzuschreibenden Zeit-
räumen an die unterzeichnete Sektion der
Königlichen Akademie der Künste zu Berlin
zwei eigene grössere Kompositionen einzu-
senden. Die eine muss eine Ouvertüre oder
ein Sinfoniesatz, die andere das Fragment
einer Oper oder eines Oratoriums (Psalms
oder einer Messe) sein, dessen Ausführung
etwa eine Viertelstunde dauern würde.
VI Die Zahlung des Stipendiums erfolgt auf
Anweisung des Vorsitzenden des Stiftungs-
Kuratoriums, und zwar in drei Baten, deren
erste beim Antritt der Studienreise, deren
zweite und dritte aber erst nach Einsendung
je einer der unter V. geforderten Arbeiten
fällig werden.
VII. Das Kollegium der Preisrichter besteht
statutenmässig aus den in Berlin wohnhaften
Ordentlichen Mitgliedern der Musik-Sektion
der Königlichen Akademie der Künste, den
Kapellmeistern der hiesigen Königlichen
Oper und dem Direktor des Stem'schen
Konservatoriums.
Die Berliner Sing-Akademie unter Lei-
tung ihres Direktors Professor Georg Schumann
veranstaltet mit dem Berliner Philharmonischen
Orchester am 26. und 27. Mai drei grosse Bach-
konzerte in Eisenach, und zwar zu Grünsten der
Erwerbung von Joh. Seb. Bach 's dort befind-
lichen Geburtshauses. In der altehrwürdigen
Georgenkirche, vor welcher das Denkmal Baches
steht, kommen am Abend des 26. Mai und des
27. Mai die f^Johannispassion*^ und die ,, Matthäus-
passion ^ zur Aufführung, während am Vormittag
des 27. Mai ein Konzert des philharmonischen
Orchesters geplant ist, in welchem Bach'sche
Instrumental- und Kammermusik-Kompositionen
zu Gehör kommen. Es ist Sorge getragen, dass
die solistischen Mitwirkungen allerersten Hanges
sind Er ist das erste Mal, dass die nun seit 114
Jahren bestehende, mit der Pfiege Bach'scher
Musik so eng verwachsene „Berliner Sing- Akademie^*
sich ausserhalb Berlins hören läset.
In Perchtoldsdorf bei Wien wird der
Männergesangverein an dem Hause, in dem Hugo
Wolf von 1880—1886 lebte und arbeitete (Brunner-
gasse 86), eine Gedenktafel stiften, die Anfang
Juni feierlich enthüllt werden soll.
In Wien hat sich ein Komitee gebildet, das
die Errichtung eines Bichard Wagner-Denk-
mals gegenüber dem Hause in Hietzing, das der
Meister bewohnt hat, betreiben will.
In Leipzig führte der Riedel-Verein unter
Dr. Göhler*s Leitung am 22. d. M. in der Thomas-
kirche das „Bequiem" von Berlioz in der Original-
besetzuDg auf. Der Chor war 450 Stimmen, die
fünf Orchester im ganzen ISO Musiker stark. Das
Tenorsolo sang Herr ür Ins- Leipzig.
Das diesjährige Tonkünstlerfest des All-
gemeinen Deutschen Musikvereins findet in
den Tagen vom 22. bis 2*\ Mai in Graz statt.
Ein Kirchenkonzert, 8 Orchesterkonzerte und 2
Kammermusikkonzerte sind in Aussicht genommen.
Zur Aufführung kommen u. A.: Liszt's „Selig-
preisungen" und die „Ideale*', zwei Sätze aus dem
„Requiem'' von Josef Reiter, „Tedeum" von
Brückner, «Präludium und Fuge*' für grosses
Orchester von Paul Ertel, 2 Sätze aus der
„11, Sinfonie' von Guido Peters, .Appalachia",
sinfonische Dichtung für Orchester und Männer-
stimmen von Fr. Del ins, «Odysseus Heimkehr'
von Ernst Boehe, „Der Tod und die Mutter' von
Otto Naumann, »Dem Verklärten', hymnischer
Glesang von Max Schillings, „Variationen'
(Thema von Bach) von Max Reger, „Serenade'
für Streichquartett von E. Jacques Dalcroze,
„Streichquintett' von Felix Draesecke, , Streich-
quartett^ von Hans Pfitzner, Lieder und Chöre
von S. von Hausegger, Th. Streicher, Otto
Taubmann, Hugo Wolf und Gustav Mahler,
„Also sprach Zarathustra' von Richard Strauss,
„Kaisermarsch' von Wagner. Am 27. und
28. Mai finden in der Wiener Hofoper 2 Festvor-
steilungen statt, und zwar Liszt's „Heilige Elisa-
beth' in szenischer Darstellung und „Feuersnot'*
von Richard Strauss.
Ein „Erstes Elsass- Lothringisches
Musikfest' ist für die Tage vom 21. bis 22. Mai
in Strassburg in Aussicht genommen. Als Fest-
dirigenten sind bereits gewonnen: Gustave Char-
pentier-Paris, Gustav Mahler- Wien, Prof. Stock-
hausen-Strassburg, Richard Strauss -Berlin; als
— 126 —
Solisten: Frau M. Jämefeldt-Helsingfors, Frau
A.voiiKrfius-Osbome-Leipzig, die Herren Commene-
Paris, Otto Marak-Prag, Panl Daraux-Paris, Felix
von Kraus-Leipzig, Gerard Zalsmann- Amsterdam,
Fermccio Busoni - Berlin , Henri Marteau - Genf.
Ferner werden das verstärkte Strassburger städt
Orchester, sowie ein Festchor, der sich aus llit-
gliedem Strassburger Chorvereine zusammensetzt,
mitwirken.
Bücher und Musikalien.
Jos. Procbäzba: Frühlingsmotive. 8 Stücke für
Violine mit Klavierbegleitung.
Fr. A. UrbiBek, Prag.
Die vorliegenden drei StBcke sind sehr melo-
discher Art, in der Stimmung ungemein prägnant
und den Inhalt (,Lied^S „Frühlingssturm" und ,,ln
Gedanken') bestens charakterisierend. Der Violine
ist der Hauptanteil am Ganzen zugewiesen, sie ist
die eigentliche Trägerin des melodischen Gedankens.
Dass aber immerhin auch das Pianoforte zu -^ eilen
mit hineinzureden hat, hier eine interessante Akkord-
reihe, dort ein nettes kontrapunktisches, aus-
schmückendes oder auch selbständiges Motiv er-
klingen iässt, gereicht dem Tonsetzer nur zu um
so höherer Anerkennung. Zur Pflege der Haus-
musik möchte ich Josef Prochazka*s Stücke recht
empfehlen, sie sind überdies nicht schwer aus-
führbar und werden, bei vorauszusetzender guter
Ausführimg, immer von bester Wirkung sein.
Emil Sjögren« op. 35. Sonate E-moU.
op. 39. Praeludium und Fuge.
Wilhtlm HaHfOBy KopemhsgeM «ad Leipilg.
Emil Sjögren's E-moU-Sonate (op. 35) besteht
aus drei Sätzen, deren erster und dritter wohl am
wertvollsten sicid. Das Hauptthema des Allegro
moderato energico ist ziemlich dunkel und schwer-
mütig, der Satz an sich sehr knapp und eng be-
messen gehalten und erst der Seitengedanke bringt
in seinem G-dur hellere Stimmung. Das Andante
tranqaillamente (H-dur) birgt in sich wieder einen
kontrastierenden Gegensatz, Pin vivace e scherzaudo,
und ist in seiner Zweiteiligkeit mehr nur eine Art
von Intermezzo, geeignet, die Gegensätze tmd gegen-
teiligen Empfindungen der beiden Ecksätze zu über-
brücken. Das Finale (Allegro con moto) ist von
Lebeudigkeit und Spielfreudigkeit durchdrungen
und bietet auch einen sehr hübschen, volkstümlich
gehaltenen melodischen Seitengedanken. Sjögren
gibt mit seiner Sonate kein sonderlich gedanken-
schweres, aber jedenfalls warm empfundenes und
liebenswürdiges Werk, das sowohl nach melodischer
wie formaler Seite hin durchaus anzuregen and zu
befriedigen vermag. Sehr augenehm berührte mich
des Genannten op. 39, Praeludium und Fuge In
D-moll. Das Vorspiel ist sehr ernsthaften, würdig
dahlnschreitenden Charakters von schöner melo-
discher Linie und kräftiger Steigerung nach dem
Schluss hin; die Fuge in ihrem dreitaktigen Thema
charakteristisch im BJiythmus und vortrefflich im
Satz, von stark iiiessender musikalischer Bewegung
und harmonisch interessant. Dem Instrumente
angepasste Einkleidung ist beiden Werken Emil
Sjög^n's eigen; sie dürften vielleicht speziell
beim Klavierunterrichte gute Verwendung finden,
da sie technisch keine gar grossen Anforderuogen
stellen, sie seien darum auch warm empfohlen.
Eugen Stgniiz.
Alfred Rose: 40 Sonatinen, Sonaten, Boudo's und
andere Stücke für Klavier in fort-
schreitender Ordnung zusammenge-
stellt und mit genauer Fingersatz-,
Phrasierungs- und Vortrags-Bezeich-
nung versehen.
B. Bltpirny, Mttailer i. W.
Die Sammlung zeichnet sich vor vielen anderen
dadurch aus, dass sie auch weniger bekannte Sätze
aus der älteren Literatur und von Komponisten
verschiedener Nationalitäten berücksichtigt hat.
Ausser den bekannten Sonatensätzen von Cle-
menti, Kuhlau, Dussek finden sich kleine Sätze
von Bach und Händel, femer von Ramean,
Steibelt, Martini, Paradies; von modernen
Meistern, neben Schumann und Mendelssohn,
viele hübsche kleine Sätze von Tscha^kowsky,
Hose, Bisping, Heuser und Kjerulf. DieBe-
arbeitung ist mit grosser Sorgfalt geschehen, Phra-
sierung und Finge, satz durchweg zu loben, schönes
Papier und klarer Stich kommen hinzu, um die
Sammlung zu einer sehr empfehlenswerten zn
machen.
Anna Manch.
Mosikp&daKogisctaer Terband.
Schulgesangs-Kommission.
3. Antrag Beckmann-Essen: Für den Ge-
sangunterricht an höheren Schulen sind im Lehr-
plan für die evangelischen und katholischen Schüler
Vereine.
der Klassen Sexta und Quinta noch je 1 Stunde
Ohoralgesang anzusetzen.
Begründung: Vom 6 —9. Lebensjahre lernen
die Schüler der Volksschulen sowohl als auch der
Vorschulen nur einen ganz geringen Bruchteil
— 127
unseres lierrlichen Choralschatzes. Nach der Auf-
nahm«« ia eine höhere Lehranstalt gehen auch diese
wenigen Melodien dem Gedächtnis bald wieder
verloien, da nach genannter Seite hin auf den
allermeisten Anstalten so gat wie nichts geschieht,
aber auch fast nichts geschehen kann. Denn an
den wöchentlich angesetzten 2 G-esangstanden für
Sextaner und Quintaner nehmen Protestanten und
Katholiken gleichmässig teil. Die Einübnng der
evangelischen Choräle in dieser Zeit würde eine
Zurücksetzung der katholischen Schüler bedeuten
und umgekehrt. Und doch haben beide Kategorien
Schulandachten bezw. Schulgottesdienste. Der
Gesang in diesen bewegt sich daher naturgemäss
qualitativ und quantitativ in sehr bescheidenen
Grenzen. Eine Aendernng tut dringend not, zumal
in den C h o r gesangstunden der Klassen Quarta bis
Prima auch nur hin und wieder mal ein Choral
zur Einübnng gelangen kann. Aber auch hier
dürfte dieses noch wegen der meistens gemischten
Konfession der Schüler hier und da zu Unannehm-
lichkeiten führen.
Abgesehen von der Tatsache, dass sich die
Choräle wegen ihrer einfachen rhythmischen Form
vorzüglich zu Treffübungen eignen, dürften auch
beispielsweise die Kemlieder der evangelischen
Kirche ein nicht zu unterschätzendes musikalisches
Bildungsmaterial abgeben. Ich erinnere nur an
„Christ ist erstanden** (dorisch), „Gelobt sei Gott",
„Christ lag in Todesbanden** (dorisch), „Erschienen
Ist der herrlich Tag** (dorisch), „Heut triumphieret
Gottes Sohn**, „Nan komm der Heiden Heiland"
(äolisch), „Gelobet seist Du, Jesus Christ" (mixoly-
disch), „O Haupt voll Blut und Wunden** (phry-
gisch), ^Mit Fried und Freud* (dorisch) u. s. w.
Was die Aeasserungen der Herren Professor
Cebrian, Domsänger Rolle und Musikdirektor
Wiedermann zu den von mir aufgestellten Ge-
sichtspunkten: Stoff auswahl für den Gesangunter-
richt an Ostufigen höheren Lehranstalten betrifft,
so gestatte ich mir ergebenst darauf folgendes zu
erwidern. Wenn die Herren zu Punkt 1 meinen:
yEs sind vorwiegend 4stimmige a cappella-ChÖre zu
berücksichtigen; es müssen in Ostufigen höheren
Lehranstalten aber Chorwerke mit Instrumental-
b^leitung eingeübt werden', so ist damit m. E.
nichts anderes gesagt, als wenn ich in 1 feststelle:
„Im grossen und ganzen dürfen nur 4stimmige
a cappella- Chöre berücksichtigt werden". Der
a cappella-Gesang ist bei weitem doch die Haupt-
sache und dürfte wegen seines hohen musikali.
sehen Bildungswertes entschieden die Haupt pflege
und den Vorrang vor dem begleiteten Gesang
beansprachen
Zu 3. Je geringer der Umfang der C^höre ist,
desto mehr können solche eingeübt werden, desto
höher steigert sich die Sangesfreude der Schüler.
Diese stellt sich erst voll und ganz ein, wenn der
Chorist die Materie vollständig, d. h. technisch wie
inhaltlich beherrscht.
Zu 4. Meine aufgestellte These bezieht sich
auf Schulchorbücher. Es ist doch wohl kaum
angängig, dass diese in 2 Ausgaben, für Lehier
und Schüler, hergestellt werden können. Dazu
sind die Kosten zu hoch. Die Aeusserung der oben
genannten Herren: „Bei Abänderungen des Ton-
satzes genügt es, wenn die Originalgestalt in der
Partitur des Gesanglehrers steht", kann sich somit
nur auf Lieder und Gesänge beziehen, welche
sich einzeln in der Hand des Schülers befinden
und diesem vom Gesanglehrer durch Abdruck zu-
gänglich gemacht worden sind.
Zu 6. Hier spreche ich meine Ansicht deut-
lich dahin aus, dass die Bearbeitung von Kunst-
liedern möglichst unterbleiben soll". Ausnahmen
wie Beethoven's „Die Himmel rühmen**, Schumann's
„So sei gegrüsst", Mendelssohn's „Der Frühling
naht** sind gestattet und bestätigen nur meine
These. Wohin sollte es aber führen, wenn sich
nun Gesanglehrer ans Werk machten und alle
passenden Kunstlieder für vierstimmigen Chor be-
arbeiteten? Es könnte dieses zu demselben Unfug
führen, als wenn Originalsätzen fremde Texte
untergel^ werden, wie das Ja oft geschieht.
Zu 6 und 7. Die Auswahl und Anordnung
des Stoffes nach dem Inhalt der Lieder und Ge-
sänge dürfte höchstens für Gstufige Anstalten an-
gängig sein. Für 9stufige Schulen müsste doch
wohl der Stoff nach höheren Gesichtspunkten
eingeteilt werden. Fiugerweise geben uns hier
die Lesebücher. j ^ .
Xaver Schanoenka.
Musik-Sektion
des Allg« Deutschen Lehrerinnen-Yereiiis.
Mnsikgrappe Berlin.
Generalversammlung, Dienstag, den 2. Mai.
Tagesordnung.
1. Jahresbericht des Vorstandes.
2. Kassenbericht.
3. Bericht über die Stunden Vermittlung.
4. Bericht über die Bibliothek.
5. Antrag von Frl. Maria Leo:
Die Gen.- Vers, wolle beschliessen, durch Ein-
richtung wöchentlicher Lesestunden und Um-
tauschgelegenheit die Vereinsbibliothek den
Mitgliedern zugänglicher zu machen.
6. Neuwahl der Prüfungskommission für Schüler-
aufführungen.
7. Wahl einer Delegierten für die Gen.-Vers. in
Bremen.
8. Vorstandswahl. p^^. Vorstand.
L A.
Olga Siieglitz^
Am 24. März versammelte die „Musikgruppe
Berlin** ihre Mitglieder und zahlreiche noch
— 128 —
ausserhalb ihrer Gemeinschaft stehende KollegiDnen
im grossen Saale des Architektenhauses zu eint^r
Veranstaltung, deren Zweck als «^Beitrag zur
Hebung der Hausmusik*^ bezeichnet war.
Der Abend galt den Tondichtem Theodor
Kirchner und Adolf Jensen, deren Leben und
Schaffen durch Frl. Anna Morsch kurz und
treffend geschildert wurde.
Die Vortragende ging von der Tatsache aus,
dass die Werke dieser beiden, dem romantischen
Greiste Robert Schumann *8 nahe verwandten
Komponisten bei weitem nicht so bekannt und
geschätzt seien, wie sie es verdienten. Möge auch
für die intime Stimmungs- und Genremalerei eines
Kirchner und Jensen der Konzertsaal nicht die
geeignetste Stätte sein, so sollte man ihr im
Hause und in der musikalischen Erziehung der
Jugend einen viel breiteren Platz als bisher einräumen.
Können doch auch hier nur wenige, und zwar
keineswegs die bedeutendsten Kompositionen der
genannten Tonschöpfer als eingeführt gelten. Noch
verkenne man u. a. den instruktiven Wert von
Kirchner's Studien op. 71 für jüngere, musikalisch
veranlagte Klavierschüler, sowie von Jensen 's Etüden
op. 32 als „Vorstudien zu den Werken der neueren
Schule". — Angesichts der reichen Schätze, die
hier ihrer Nutzbarmachung noch harren, fordert»»
FrJ. Mo* seh mit warmen Woi*ten die Anwesenden zu
eingehender Beschäftigung mit den instrumentalen
wie vokalen Werken der beiden viel zu früh ver-
gessenen Komponisten auf. Ihre Belebung sei im
hohen Grade geeignet, gegenüber manchem seichten
Erzeugnis des Tages und der Mode zur Verfeinerung
und Veredelung des musikalischen Geschmackes
beizutragen.
Im engen Anschluss an den mit grossem Bei-
fall aufgenommenen Vortrag brachten Mitglieder
der Musikgruppe eine Beihe von vokalen und io-
strumentalen Erläuterungen zu Gehör. Aufgeführt
wurden von Kirchner: „Sonatine", op. 70 No. 1,
Sätze aus: «Miniaturen* op. 62, „Aquarelle* op. 21,
Präludien* op. 9, „Nachtbilder" op. 25, „Lieder" aus
op. 3 und 6, „Trio-Novelletten" op. 15. Von Jensen
„Etüden" op. 32, „Wanderbilder" op. 17, ,A!)end-
musik" op. 59, »Idyllen" op. 43, „ilomantische
Studien" op. 8, „Sonate" op. 25, „Lieder" aus op. 5, i»,
21, 24, 35 und 57. Es machten sich darum ver-
dient die Sängerinnen Frls. Braumann, Le Pretre
und Freudenfeld nebst einem kleinen Damen-
chor, sowie die Instrumentalistlnnen Frls. Wieler,
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Kurth und Steinberg.
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welcher Zeit.
Auf Terschiedene Anfragen. Die Fortsetzung
der „Lehrpläne* für das Musiklehrer-Seminar er-
folgt in den „Beiheften* so bald wie möglieb. Wir
mussten sie im Interesse der Schulgesangsfrage
zurückstellen, da von der Regierung die baldige
Fertigstellung dieser Arbeiten erwartet wird.
Dieser Auflage liegt ein Prospekt von Julius Hainauer^ Breslau: Theodor Kirchner,
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Germer*^ bei, auf den wir unsere Leser besonders aufmerksam machen. D, E.
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EhrenTOrsits : aegiemnn-PräAident tob TtoI» b« Sals,
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Oberbürgermeister HfilJer n. A.
Cnratorinm: Pfarrer Haas, Soholdirektor Prof. Dr. KroM-
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Was Liszt bei diesem von Begeisterung
erfüllten Hinweis auf Schumann's damals auf-
strebendes Talent die Feder in die Hand drückte,
waren einzig und allein seine tiefernsten
Kunstprinzipien, auf welchen überhaupt die
moderne Richtung in der Musik basierte und
deren Anwendung er, wie seinerseits, so auch
von Seiten der jüngsten Tondichter, für uner-
lässlich hielt. Die künstlerische Bewertung
dieser ersten Schumann'schen Werke wurde
allerdings zur Zeit des Erscheinens seines Auf-
satzes von den Gegnern der neuen Richtung
mit Gleichgiltigkeit und Verständnislosigkeit,
ja mit Unwillen aufgenommen; die Leipziger
«Allgemeine musikalische Zeitung", deren Re-
daktion aus den Händen des trefflichen Roch-
litz in die Fink's übergegangen war, sowie
die von Rellstab redigierte „Iris" sorgten schon
in den dreissiger Jahren mit ihrem Geist ge-
nügsamer, den alten Zopf festhaltender Selbst-
zufriedenheit, mit ihrer am Hergebrachten
klebenden Philistrosität dafür, dass alle nur
irgendwie von lebensvollem Talent zeugenden,
aussergewöhnlichen Erscheinungen als den
alten Kunstregeln widerstreitende, einfach tot-
geschwiegen oder .schonungslos herunterge-
rissen wurden, —
Unbekümmert um den Krebsgang der
alten musikalischen Kritik, um die Feindschaft
der alten Schule, trat nun Liszt — und dies
kann ihm nicht genug als hohes Verdienst
angerechnet werden — für Schumann's eben
aufblühendes Genie auf den Plan, einzig und
allein deshalb, weil er in vollem Umfange er-
kannte, dass Schumann's Erstlingswerke, wenn
auch nach den neuen, verachteten Kunst-
prinzipien gearbeitete, so doch als wirklich
erhabene und bewundernswerte Erscheinungen
am Kunsthimmel aufstiegen, die eine ganz
neue, herrliche Aera der Kunst für die Zu-
kunft zu verheissen schienen.
Mit seiner Schumann- Kritik in der „Gazette
musicale** stellte sich Liszt ganz auf den Boden
der von Schumann in Leipzig begründeten
„Neuen Zeitschrift für Musik", die unter Schu-
mann's energischer Leitung, ohne mit der
alten, sich immer mehr verflachenden Richtung
Kompromisse zu schliessen, rücksichtslos für
die sich anbahnende neue Richtung der Musik
eintrat und siegesfreudig die Fahne des Fort-
schritts hochhielt. Wenn Schumann als die
Seele des Davidsbundes*) nun zunächst sich
*) Der «Davidsbnnd" war bekanntlich ein
idealer, bloss im Kopfe seines Stifters Schamann
— 134 —
darauf beschränkte, auf dem engumzogenen
Felde der Klaviermusik das Panier des Fort-
schritts zu entfalten, indem er durch die ver-
ständnisvolle Würdigung der Klavierkom-
ponisten Chopin, Mendelssohn, Hiller, Stephen-
Heller, Taubert etc. und ihre Einführung in
die musikalische Welt allmählich eine segens-
reiche Reform des Geschmackes anbahnte
und für die Einführung gedankenvollerer,
polyphoner Gebilde anstelle der überlebten,
virtuosen Passagenwerke in die Klaviermusik
eintrat, — so konnte dieses künstlerische
Vorgehen Schumann's nur die volle Billigung
und Sympathie eines Liszt erwerben, dem
alles, was nur irgendwie mit dem Klavierspiel
resp. der Entwicklung der Klavierkomposition
im Zusammenhang stand, sozusagen an das
Herz gewachsen war, ja, zur Gewissenssache
wurde, — der als der geniale König des
Klaviers gerade dieses Instrument zu der
königlichen Bedeutung erhoben hat, die es in
der breiten Oeßentlichkeit des musikalischen
Lebens seit seinem Wirken, ja infolge des-
selben einnimmt. Ich will hier nur an die
Liszt'schen Worte erinnern, die besonders die
Universalbedeutung des Klaviers betonen. An
Adolphe Pictet schreibt Liszt von Chambery
im September 1837: „Ich halte das Klavier
für sehr wichtig, .... es nimmt meiner An-
sicht nach die erste Stelle in der Hierarchie
der Instrumente ein Diese Wichtig-
keit und Popularität verdankt es der harmo-
nischen Macht, die es besitzt Mein
Klavier ist für mich, was dem Seemann seine
Fregatte, dem Araber sein Pferd, mehr noch!
es war bis jetzt mein Ich, meine Sprache,
mein Leben Ihm hinterlasse ich alle
meine Wünsche, meine Träume Ich
will das Studium und die Entwicklung des
Klavierspiels erst aufgeben, wenn ich alles
getan haben werde, was mir heutigentages zu
erreichen möglich ist Durch die an-
haltende Arbeit der Klavierspieler, durch die
bereits gemachten Fortschritte erweitert sich
existierender G^lieimbaiid fortschrittlicher Künstler,
wie Rakemann, Knorr, des Pianisten Schanke,
Bank, Lyser, Klara Wieck etc, der den König
David, den Sieger Über die Philister, als Schutz-
patron verehrte. In Wort, Schrift und Tat cogen
die David sbündler gegen Jene Heuchelei und
Pedanterie zu Felde, die in dem schablonenartigen
Nachahmen von Formen, die sich im Laufe der
2^it gebildet hatten und durch die grossen Meister
in den G-rnndzügen allerdings zu ewigen Normen
erhoben waren, das alleinige Ziel erblickten
and die blosse nüchterne Korrektheit gern als die
eigentliche „Klassizität" auf den höchsten Thron
erheben mochten.
die Aneignungsfahigkeit des Klaviers von
Tag zu Tag." Wenn wir solche Sätze
Liszt*s lesen, die seiner ganzen Liebe und
Begeisterung für das Klavier einen so hohen
Ausdruck verleihen, bekommen wir einen Be-
griff davon, mit welcher Freude Liszt das
Unternehmen Schumann's begrüssen musste,
durch seine neue Zeitschrift zuerst der Ent-
wicklung der Klaviermusik freie Bahn zu
schaffen; und wenn dieses durch Schumann
dadurch geschah, dass er durch geistreiche,
in das phantastische Gewand Jean Paul^scher
Ausdrucksweise gehüllte Aufsätze 1) auf Be-
kämpfung der nur auf Steigerung äusserlicher
Virtuosität ausgehenden musikalischen Mittel,
2) auf die Belebung der alten klassischen
Formen der Klaviermusik durch einen neuen,
zeitgemässen phantasievollen Inhalt, '6) auf
die Schaffung neuer Formen, die dem jedes-
maligen Inhalt völlig adäquat waren, so ent-
sprach dieses ganz dem künstlerischen Pro-
gramm Liszt's, das sich als eine Paraphrase
des Goethe'schen Spruches darstellt:
ältestes bewahrt mit Treue,
freundlich aufgefasst das Neue
seinen Kunsterwartungen, welche die Virtuo-
sität nicht als Selbstzweck, sondern als im
Dienste der wahrsten und darum schönsten
Idee tätig gelten Hessen und die sich den
Glauben an eine neue poetische Aera in der
Klaviermusik nicht rauben lassen wollten.
Wie als Schriftsteller, so tat Liszt auch
als Virtuose sein Möglichstes, Schumann in
die breite Oeffentlichkeit einzuführen. Anfangs
des Winters 1840 reiste Liszt, überall kon-
zertierend, von Wien über Prag, Dresden.
Leipzig nach Paris. Schumann hatte die
freundschaftliche Aufmerksamkeit, Liszt in
Dresden zu bewillkommnen, und beide Künstler
reisten zusammen nach Leipzig. Hier, wo
Liszt auch persönlich Schumann recht nahe
trat und bekanntlich Partei für Schumann in
seiner Clara Wieck betreflenden Familien-
angelegenheit gegen Wieck nahm, wo beide
„tagtäglich und tagelang" mit einander ver-
kehrten und ihre Künstlerseelen sich gegen-
seitig auf das reichste befruchteten, wuchs
Liszf s Verständnis für die Schumann'schen
ersten Kla^rierwerke unter des Autors persön-
licher Anregung von Stunde zu Stunde;
während Schumann (als neugebackener
Doktor) hier Liszt als Virtuosen bewundem
lernte, sodass er in einem Briefe dieser Tage
unter dem Eindrucke dieses in allen Farben
leuchtenden Virtuosenglanzes staunend aus-
— 136 —
rufen musste: ^Liszt erscheint mir alle Tage
gewaltiger! (ich bin mit ihm fast den ganzen
Tag beisammen. Er sagte mir gestern, mir
ist's, als kenne ich Sie schon 20 Jahre.) Wie
er doch ausserordentlich spielt und kühn und
toll und wieder zart und duftig, dass wir alle
zitterten und jubelten!" ~ wurde Liszt immer
vertrauter mit der Schumann'schen Klavier-
muse, und sie enthüllte ihm ihre verborgensten
Schönheiten. Aber bereits schon in dem vor-
hin erwähnten Briefe, der am 5. Mai 1838 in
Schumann*s Hände gelangte, sagt der grosse
Virtuose, der Karneval und die Fantasiestücke
hätten ihn ausserordentlich interessiert; „ich
spiele sie vraiment avec delices, und Gott
weiss, dass ich das nicht von vielen Sachen
sagen kann." Und wirklich war neben den
ersten Stücken Schumann's gerade der
„Kameval", den Schumann selbst merk-
würdigerweise ziemlich abfallig beurteilte,
eins der Lieblingsstücke Liszt's, das er immer
wieder in Privatzirkeln und Soireen, in seinem
Hause, bei einflussreichen Freunden und
Kunstmäcenen, als auch in Konzertsälen, auf
seinen Konzertreisen, z. B. in Mailand, Wien
etc. vor allem Ende der dreissiger und An-
fang der vierziger Jahre vorführte, und dem
er damals fast einen ständigen Ehrenplatz in
seinen reichhaltigen Konzertprogrammen ein-
räumte, ohne freilich bei der grossen Masse
des Publikums mit dieser Darbietung in jenen
Jahren einen nennenswerten Erfolg zu er-
zielen. Und wie konnte der „Karneval**,
diese phantasievolle Komposition Schumann's,
die unter dem an pikanten Rhythmen und
bunten Modulationen reichen Faschingsbild
das ganze Ringen des Schumann*schen Genius
nach der höchsten und reinsten musikalischen
Freiheit zum Ausdruck bringt, von einem
Liszt unbeachtet bleiben! Wie wird ihn die
bei aller Mannigfaltigkeit der Stimmungen
doch in dem beständig wiederkehrenden Motiv
ASCH festgehaltene Einheit des Kunst-
werks in seinen Kunstanschauungen bestärkt,
— wie wird ihn der Gegensatz zwischen dem
wild und humorvoll sich gebärdenden
Florestan und dem träumerischen Eusebius
ergötzt, wie werden die Anklänge, vielmehr
die musikalischen Charakterbilder von Paganini
und Chopin und zum Schluss der himmel-
stürmende, titanenhafte Marsch der Davids-
bündler Liszt bei der Ausführung mit sich
fortgerissen haben! Diese hehre Begeisterung
für Schumann's erste Klavierwerke, besonders
für den „Karneval**, dessen „musikalisches
Mark** Liszt nicht genug bewundem konnte,
brannte wie ein heiliges Feuer immer in
Liszt's Herzen fort, obwohl sein Vortrag dieser
Werke gewöhnlich einer kühlen Aufnahme
beim Publikum begegnete. Der damaligen,
absolut herrschenden flachen Geschmacks-
richtung lagen diese geistsprühenden Opera
Schumann's so ferne, dass man sie in den
banalen Kreis des Beifalls nicht hätte hinein-
zwingen können. So musste denn Liszt, als
er z. B. in Leipzig in seinem zweiten Konzert
im Gewandhaus den „Karneval** vortrug, mit
dieser wohlgemeinten Vorführung Fiasko
machen, da dieses edle Werk weit über das
Niveau des Verständnisses des Publikums und
der ausübenden anwesenden Klavierspieler
und Kritiker hinausragte. Es gelang Liszt
nicht, den ihm gewöhnlich zuströmenden
Applaus zu erringen, obwohl seine pianistische
Darstellung die denkbar sorgfältigste war.
„Die Musiker und Musikverständigen hatten
damals, „so schreibt Liszt später (9. Januar
1857 von Weimar aus an den bekannten
Schumannbiographen J. W. von Wasielewski
in Dresden, dem er auf seinen speziellen
Wunsch einiges über seine persönlichen Be-
ziehungen zu Schumann mitteilte), „mit wenig
Ausnahmen noch eine zu dicke Maske über
den Ohren, um diesen reizenden, schmuck-
vollen, in künstlerischer Phantasie so mannig-
faltig und harmonisch gegliederten Karneval
zu erfassen.**
(Fortsetzung folgt.)
Wer ist tnuslHaliscb?*^
Von
ProfeMor Dr. Otto Klaawell.
(PortBetzting.)
Da dürfte denn, in Hinsicht anf das melodische nennen pflegt, masikalisches Gehör als aller
Element in der Mnsik, das Verständnis für die Fordemngen oberste bezeichnet werden müss^sn.
Tonhöhennnterschiede oder, wie man es knrz zn Der Hörer mnss insbesondere im Besitze relativen
— 136 —
Tongehörs sein, d. h. er mnss von einem gegebenen
Tone aus die Grösse der verschiedenen Intervalle
beurteilen können, wenn er den melodischen Vor-
gängen in einer Komposition mit Verständnis
folgen will. Namentlich muss ihm der Bau der
Bur- und der Molltonleiter in Fleisch und Blut
übergegangen sein, als unverrückbare Grundlage
zur richtigen Einordnung und dementsprechend
sinngemässen Anffassong des melodischen Fadens.
Und wie der Charakter einer Melodie im engeren
äinne, d. h. abgesehen von den gleichzeitig mit-
wirkenden Elementen des Rhythmus und der
Harmonie, sich nicht sowohl aus den einfachen,
steigenden und fallenden Intervallenfolgen ergibt,
als vielmehr besonders daraus, dass in ihr einzelne
Intervalle der Tonleiter durch ihre Stellung anderen
gegenüber mehr oder weniger bevorzugt ei scheinen,
so muss gerade dies vom Hörer deutlich empfanden,
wenn er des vollen melodischen Eindrucks
teilhaftig werden will. Diese Bevorzugung und
intensivere Heraushebung einzelner melodischen
Töne, wie überhaupt die ganze Führung der melo-
dischen Tonlinie, wird noch weiter geregelt und
in ihrer Wirkung verstärkt durch das von ihr
untrennbare Element des Rhythmus. Ja, der
Machtbereich des Rhythmus ist noch umfassender
als der der Melodie, da er schier unausgesetzt, auch
da, wo melodische Bildungen im höheren Sinne
nicht vorliegen, wirksam ist. Und so erscheint
ein mehr oder weniger ausgeprägtes rhythmisches
Gefühl als eine weitere an den musikalischen
Hörer oder Spieler zu stellende Forderung. Das
rhythmische Gefühl hat sich in erster Linie zu
betätigen in der Beurteilung der Längenunter-
schiede der einzelnen Töne, weiterhin, von einem
höheren Gesichtspunkte aus, in der deutlichen Auf-
fassung ganzer Motive, soweit deren Eigenart, wie
zumeist, vorwiegend durch den Rhythmus bedingt
wird. Sind die Hauptmotive eines Stückes im
Bewusstsein des Hörers sichergestellt, so ist damit
die erste Grundlage gewonnen, auf der das Ver-
ständnis des Ganzen mit Erfolg aufgebaut werden
kann. Aber nicht nur hinsichtlich der Hauptmotive,
auch den verhältnismässig bedeutungsloseren Ver-
bindungs- oder Ueberleitungsgliedern, Begleitnngs-
formen u. dergl. gegenüber darf die Schärfe der
rhythmischen Beobachtung nicht nachlassen, s^ll
die Deutiiclikeit des Gesamtein drucks keine Ein-
busse erleiden. Eng verschw ister t mit dem rhyth-
mischen Gefühl (wie auch schon mit dem melo-
dischen) ist der Sinn für die Bedeutung der
schweren und leichten Taktglieder, der schweren
und leichten Takte, ein Sinn, den wir metrisches
Gefühl nennen möchten und ohne dessen Besitz
der Hörer Gefahr läuft, den Inhalt der Motive und
Themen, das, was sie besagen wollen und sollen,
zu verkennen und damit unter Umständen einer
völlig verfehlten Auffassung des ganzen Kunst-
werks anheimzufallen. Das dritte der musikalischen
Grnndelemente endlich verlangt vom Hörer ein
mehr oder weniger eindringendes Verständni»
für den Zusammenhang harmonischer Bil-
dungen. Was hier, zur Anbahnung allgemeinen
Kiöistverständnisses, vom Hörer zu fordern sein
möchte, Hesse sich etwa in die folgenden Funkte
zusammenfassen: Erkenntnis des Charakterunter-
schiedes zwischen Dur und Moll; Erfassung der
Tonalität, d. h. der Zusammengehörigkeit aller
Harmonien, die im Sinne ihrer Zugehörigkeit zur
angeschlagenen Haupttonart verstanden werden
sollen, Erkenntnis der Modulationen; Vermögen
der Unterscheidung zwischen Konsonanz und
Dissonanz; Gefühl für die natnrgemässe Auf-
lösung der einzelnen Dissonanzen, daraus folgend
Erkennung der Tr agf ortschrei tungen; Einsicht in
die Schlosskraft, die Kadenzen. Einem mit diesen
Fähigkeiten ausgestatteten Hörer wird sich eine
Tonschöpfung — wofern sie nicht der zügellosen
modernsten Richtung angehört — auch nach der
harmonischen Seite mit genügender Deutlichkeit
entschleiern, um ihn auch in dieser Hinsicht über
ihren Inhalt nicht im Zweifel zu lassen.
Wenn die bis hierher erörterten Anforderungen
an den Hörer hauptsächlich zum Zwecke des Ver-
ständnisses der musikalischen Kleinarbeit not-
wendig erscheinen, so wird er des weiteren auch
befähigt sein müssen, den Entwicklungszug eines
Ton Stückes im Grossen und Ganzen zu überschauen,
um die gewonnenen Einzeleindrücke in einen Ge-
samteindruck aufgehen zu lassen, der für die Be-
urteilung des ganzen Kunstwerks vor allem anderen
ausschlaggebend ist. Diese Beföhigung erwächst
ihm aus der Kenntnis der musikalischen
Formbildung, und so ist auch diese von dem
Begriffe des Musikalischseins nicht hinwegzn-
denken. Die Entwicklung des Motivs zum Thema,
das Thema als Quelle aller nachfolgenden Durch-
führungen, die thematische Arbeit, symmetrische
und asymmetrische Bildungen, das Prinzip des
Kontrastes und seiner Schlichtung, im Anschluss
hieran wohl auch die kontrapunktischen Kunst-
mittel und was hier noch zu nennen wäre: für
alles dies muss der Hörer einen verständnisvollen
Blick haben, um sich in dem individuellen Ent-
wicklungsgang eines bestimmten Tonwerkes zu-
rechtzufinden und an der Hand des Komponisten
den von ihm vorgezeichneten Weg mit Erfolg für
die richtige Beurteilung des Ganzen begehen zu
können. Wo es sich hierbei um eine der fest-
stehenden überlieferten Formen handelt, wird der
Hörer vermöge der Analogie mit ihm bekannten
und in Fleisch und Blut übergegangenen Werken
der gleichen Form leicht zurechtkommen; schwie-
riger gestaltet sich die Aufgabe, wenn der Kom-
ponist, vorhandene Typen wesentlich erweiternd
oder nmsch äffend oder neue zu schaffen suchend,
auch den Hörer, mag er wollen oder nicht, in seine
Gefolgschaft zu zwingen sucht.
Aus der Form — im engeren und weitereu
Sinne — ergeben sich ferner gewisse mehr oder
— 137
weniger verbindliche Massregeln für den Vor-
trag, deren nnmittelbare Erkenntnis einer der
sichersten Gradmesser musikalischer Begabung ist.
Alle die ffir einen lebensvollen Vortrag unerläss-
lichen, auf Schritt und Tritt vorzunehmenden
kleinen Steigerungen und Vetringerungen des
Tempos und der Stärke, die wechselnden Betonun-
gen, das gelegentlich anzubringende tempo rubato,
die richtige Abschätzung der Fermaten, die Indivi-
(Schluss
dualisiemng der einzelnen Stimmen, die Bfodlft-
kationen des Anschlags und ähnliches: alles dies
sind Massnahmen und Fragen des Vortrages, mit
denen sich abzufinden es für den musikalischen
Hörer oder Spieler keiner Verstandesarbeit bedarf,
deren richtige Behandlung und sinngemässe Lösung
sich ihm vielmehr als Konsequenz der von ihm
richtig verstandenen Anlage des Kunstwerks von
selbst erächliessen.
folgt.)
Kritische Ruckschau
über Konaert und Oper.
Von
Dr. Karl Mtorck.
Mehrere gewaltige Chorveranstaltungen gaben
den letzten Konzertwochen das G^epräge und
brachten überdies wieder einen grossen Zag in
unser in der letzten Zeit immer träger und gleich-
förmiger dahinschleichendes Musikleben. Der Stern-
scheGesangverein führte seit Jahren zum ersten-
mal wieder Liszt's j. Legende von der heiligen
Elisabeth' auf. Zunächst ist mit grosser Freude
festzustellen, dass man offenbar in Zukunft diesen
Chor, den sein bisheriger Leiter Gernsheim immer
tiefer herabgebracht hatte, wieder unter die wert-
vollen Kräfte des Berliner musikalischen Lebens
wird rechnen dürfen. Oskar Fried, der sich
durch seine Vertonung des „trunkenen Liedes* als
berufener Ghorkomponist eingeführt hat, ist offen-
bar auch ein guter Chordirigent. Noch fehlt ihm
die Gewandtheit, die erst die Erfahrung bringen
kann, noch verfällt er leicht einem Arbeiten mit
zu scharfen Gegensätzen, vor allen Dingen nimmt
er auch kleine Crescendi zu wuchtig und schwer;
aber er hat die Massen in der Gewalt und hat
dem Chor wieder etwas Temperament und Überdies
reines Singen beigebracht. Die Aufgabe, die er
sich gestellt hat, gehört zu den schwersten. Liszt's
, heilige Elisabeth" gehört trotz allem auf die
Bühne. Es ist das ein ganz eigener Fall. In
dieser Legende haben wir kein eigentliches drama-
tisches Geschehen, sie bildet mehr eine Folge von
Bildern, aber wirklich lebenden Bildern. Das
ruhige Bild, der Abscbluss des Ganzen, das, was
man also sonst wohl unter dem Begriff „lebende
Bilder" fasst, entwickelt sich vor unseren Augen,
wird in geistiger und seelischer Hinsicht, aber
auch in den materiellen Vorbedingungen vorbereitet,
sodass dann das schliessliche Bild als Ergebnis
dasteht. Man glaubt garnicht, wie stark und nach-
haltig die Wirkung dieser Bilder auf den Zuschauer
ist, wie dieser durch das Schauen im musikalischen
Genuas unterstützt und vor allem in einheitlicher
Stimmung gehalten wird. Ich habe das nun zwei-
mal in Weimar und in Stuttgart erfahren und
kann nicht begreifen, weshalb nicht alle unsere
Bühnen sich dieses Werk zur Aufführung an hohen
Feiertagen für ihre Oper sichern. IJeberhaupt
scheint mir in dieser Hinsicht die , Legende von
der heiligen Elisabeth'' eine Möglichkeit der Be-
reicherung der Opemgattung anzudeuten. Es
würden sich viele Legenden und auch manche
historischen Stoffe auf diese Weise sehr gut für
die Bühne gewinnen lassen, und es käme eine
Zwischenstufe zwischen Oratorium und Oper heraus,
die nach meinem Dafürhalten dann vor allem
ausserordentlich lebensfähig und wirkungsvoll wäre,
wenn es dabei gelänge, den Chor zu breiter Ent-
faltung in Festzügen zu verwenden und bei den
weltlichen Stoffen Tänze und dergleichen einzu-
beziehen. Gherade die Befreiung von den strengen
Forderungen an die innere Entwicklung der Hand-
lung und der Charaktere, die die Oper nach
Wagner keinesfalls mehr preisgeben dai'f, würde
diese Kunst form für historische Stoffe besonders
wertvoll machen, Hesse auch zwanglos die Beziehung
auf die Gegenwart zu. Bei Liszt's , heiliger Elisa-
beth" beeinflusst die szenische Darstellung das
Urteil auch in der Hinsicht, dass die Chöre dann
eine Art geistiger Teilung erhalten, in verschiedenen
Abteilungen vorkommen und wieder verschwinden.
Dadurch wird selbst eine musikalisch beinahe
gleichartige Stelle innerlich umgewandelt und er-
neuert, und damit verschwindet dann auch das
Gefühl der Länge und Weitschweifigkeit, das man
bei der blossen Konzertaufführung nicht los wird.
Für eine Konzertaufführung müsste jedenfalls viel
mehr gestrichen werden, und keineswegs erst im
Schlussteil, wie es Fried getan hat. Ausser der
Einleitung verträgt vor allem der Abschnitt „die
Kreuzfahrer" eine starke Kürzung. Endlich aber
scheint mir gerade diese Legende Liszt's so sehr
nach der Bühnenaufführung zu verlangen, weil
sich bei ihr die mystische und andächtige Stimmung
eher einstellen würde, als im Konzertsaal, ^ei der
Aufführung durch den Stern'schen Gesang-
verein war alles viel zu hell und offen. Dabei
war Fräulein Destinn für die „Elisabeth*^ in
— 138
geistiger Hinsicht die denkbar ungünstigste Ver-
treterin, indem sie dnrch die Leidenschaft ihres
Vortrages den Charakter völlig verwischte.
Messchaert, der sämtliche Solls für Männer-
stimmen sang, war weniger gnt bei Stimme, ausser-
dem liegt ihm diese Musik nicht in gleichem Masse,
wie die ältere. Sehr gefreut habe ich mich über
Hertha Dehmlow, in der wir für den Konzert-
saal einen Mezzosopran von grosser Kraft und
edelster Schönheit heranwachsen sehen. Das ist
hocherfreulich, denn um das Solistenmaterial für
unsere grossen Chor- und Oratorienaufführungen
ist es geradezu schlecht bestellt. Am alier-
schlimmsten freilich um die Tenöre, wo wir zur
Zeit nur vereinzelte haben, deren Darbietungen
man nicht als Störung empfindet, geschweige denn
als Erhöhung im Gesamtbilde.
Diese Unzulänglichkeit des Tenors schädigte
leider auch in hohem Masse die im übrigen meister-
hafte Vorführung von „vier Kantaten* Johann
Seb. Bach's durch den Philharmonischen
Chor. Im übrigen genügte vom Soloquartett auch
die Sopranistin Emma Bückbeil-Hiller nur be-
scheidenen Ansprüchen, und die Altistin Martha
Stapel feldt hat zwar sehr schöne Stimmmittel,
leidet aber unter einem etwas kehligen Ansatz und
hat vor allem geistig noch gar kein Verhältnis zur
Grösse Bach's gefunden. So blieb nur der Meister-
gesang Messchaert's und die hervorragende
Chorleistung, für die kein Wort des Lobes zu
hoch gegriffen ist. Auch in geistiger Hinsicht hat
mich die Vorführung diesmal reiner befriedigt als
sonst, da Siegfried Ochs sich weniger auf Tüf-
teleien einliess und einen grosszügigen Stil wahrte.
Von den vier Kantaten ist die erste, „Komm, du
süsse Todesstunde^ seit ihrem Entstehungsjahre
1780 wahrscheinlich überhaupt noch nicht wieder
aufgeführt worden. Wo ein guter Tenor- und Alt-
solist zur Verfügung steht, ist dieses ergreifend
innige Werk auch mit einem kleinen Chor aufzu-
führen. Die gesamte Kunst der Welt hat nicht
zum zweitenmal etwas so wunderbar Ergreifendes
aufzuführen, wie die ziemlich zahlreichen „Todes-
kantaten'* Joh. Seb. Bach's. Diese Todessehnsucht,
die völlig fi-ei ist von aller krankhaftenWeichlichkeit,
die nirgendwo einer Schwäche verfällt, vielmehr
immer das Ergebnis eines durchaus gesunden
Strebens nach Vollendung, nach Erzielen des
Höchsten in sich trägt, findet bei Bach einen ge-
radezu unirdisch schönen Ausdruck. Die Mannig-
faltigkeit, die ihm hier zu Gebote steht, zeugt von
einem so erstaunlichen Reichtum des verschieden-
artigen Ausdrucksvermögens einer ähnlichen Stim-
mung, dass sich nur in Goethe's Lyrik und in
BaffaePs Madonnenreihe etwas Vergleichbares
findet. Schier unbegreiflich aber wird diese Er-
scheinung, wenn man die erbärmlichen Texte liest,
die Bach vertonen musste, weil ihm keine besseren
zur Verfügung standen. Das heisst, unbegreiflich
ist es nur, weil Bach der ihm vorliegenden Dichtung
keineswegs mit der in jener 2ieit üblichen Gldch-
giltigkeit etwa der italienischen Opernkomponisten
gegenübersteht, sondern aus dem Teztworte sich
den Grundcharakter der Stimmung und darüber
hinaus die Charakteristik der ThemenbÜdung und
des musikalischen Satzgefüges schöpft. Ein kühneres
G^geneinanderspielen zweier völlig geschiedener
Tonwelten als in der Kantate ,Du Hirte Israel'
ist kaum zu denken. Auf der einen Seite der
völlig hirtenmässige, weiche, rein lyrische Ausdruck
der liebenden Verehrung, auf der anderen das
drangvolle Ungestüm der zur Gottheit auf-
schreienden Seele. Hier ist denn doch die kontra-
p unk tische Kunst so aus dem Formalen ins
Geistige hinübergenommen, dass auch in der Hin-
sicht das Verdienst von Bichard Strauss, in
dessen Orchesterwerken ich sonst gerade diese
geistige Ausnutzung der kontrapunktischen Stimm-
führung hochschätze, sehr zusammenschmilzt; denn
wie durchaus musikalisch bleibt Bach ! Wie arbeitet
er auch diese geistigen Gegensätze rein mit den
seiner Kunst eigenen Mitteln heraus, wie braucht
er so gamicht die Beihilfe gedankenhafter Vor-
stellung. Es ist hier ein ähiiliches Verhältnis
zwischen der Art der Vergeistigung der Kontra-
punktik bei Strauss und Bach, wie für das
heldenhafte Emporringen zwischen dem neueren
Meister und Beethoven. Und immer wieder er-
gibt sich als der Grund der viel grösseren und
weiteren Wirkungskraft der älteren Meister ihre
Fähigkeit, aus dem Einzelerlebnis heraus die
typische Bedeutung zu gewinnen, vielleicht
könnte man sagen ihre Bescheidenheit Für sie
hat ihre Person und deren Erlebnisse nur insoweit
Anspruch auf künstlerische Verkündigung, als aus
dem Erlebten des Einzelnen ein bedeutender Inhalt
für die Gesamtheit herauskommt. Und schliesslich
ist auch hier das Entscheidende die grosse Fähig-
keit idealer Menschenliebe; denn in ihr erscheint
von selbst das ELleinliche und Zufällige des Einzel-
schicksals als nichtig gegenüber den Fragen, die
die gesamte Menscheit quälen, gegenüber dem
Sehnen und Leiden, dem Schaffen und Wollen der
Gesamtheit.
Der Eingangschor in der Kantate ,Es erhub
sich ein Streit^ ist von einer so gewaltigen
Wildheit, einer so titanenhaften Grösse des Kampfe
und dabei künstlerisch so klar gegliedert, so über-
sichtlich gestaltet, dass man auch hier fast mit
Beschämung des Musiklärms gedenkt, den unsere
Modernen bei jeder Kleinigkeit ausführen. Michel-
angelo und der darauf folgende Barock. Das
ist hier wieder der Gegensatz. Schon Rubens
erreicht mit seinem kraftgenialischen „Jüngsten
Gericht^* nicht die ungeheure Grösse und Gewalt
des mit erhabener Klarheit des künstlerischen
WoUens gestaltenden Florentiners. Immer mehr
erkennt man, dass gegenüber jedem Vorwurf, und
sei er geistig noch so kühn und sei er seelisch
noch so aufwühlend und läge in ihm ein noch so
— 139 —
varwegenes Empfinden, für die Ennst das erste
Gebot bleibt, dass der Künstler die üeberlegenheit
dee Schöpfers behiüt, sonst kann sich nimmer ans
einem Chaos eine geordnete Welt erheben.
Ausserdem hörte ich in dieser Zeit Bach*8
Passionsmnsiken zu Johannes und Matthäus.
Die erstere wurde von der Singakademie in
einer schlechthin musterhaften Aufführung ge-
boten. Auch die Solisten standen auf voller Höhe.
Frau Bückbeil-Hiller wetzte die Scharte aus;
Gertrud Eischer's Alt reicht ja nicht völlig
aus, aber störte doch nirgends; ausnehmend schön
und nach meinem Gefühl (bei Johannes) mit vollem
Recht auf den lyrischen Ton gestimmt sang George
Walter« und Messcbaert's Christus gehört zum
Erhebendsten, was man erleben kann. Die , Mat-
thäus-Fassion** hörte ich vom Oratorien verein
unter Mengeweln's hingebender Leitung. Auf
diese Weise wird Musik wieder zxun Kultur wert,
üeber die beiden Werke selber möchte ich nicht
zu sprechen anfangen. Da ist dann kein Aufhören.
Nur eins: man setze keine dieser beiden Schöpfungen
vor oder hinter die andere. Sie sind zwei gleich
schöne Schwestern: gross, mit ernsten scharf-
geschnittenen Zügen, ein Bild der Verehrung die
eine; die andere kleiner, weicher, nicht so bedeutend,
aber von einem wunderbaren Liebreiz umflossen.
Welche soll man mehr lieben? Stehen beide neben-
einander, mag man schwanken; steht man einer
allein gegenüber, so ist immer diese die unvergleich-
liche Einzige. Seien wir glücklich, zwei solche
Werke zu besitzen.
Hoher Kunstgenuss wurde den Zuhörern zu-
teil, die sich am 14. April in der Luther kir che,
Berlin, eingefunden. Ein jugendlicher Orgel-
virtuose, Mr. George R. Tills on, aus der be-
währten Schule des Organisten Franz Grunicke
hervorgegangen, veranstaltete unter Mitwirkung
von Gesangs- und Instrumentalkräften sein zweites
Konzert. Wir hatten bereits Gelegenheit, den
jungen Künstler in seinem 1. Konzert, das am
24. Oktober vorigen Jahres ebenfalls in der Luther-
kirche stattfand, kennen zu lernen und uns ein
Urteil über sein Können zu bilden. Er spielte
damals die d-moU „Toccata und Fuge^ von J. S.
Bach, „Canzonetta" aus op. 80 von Max Reger
und Franz Liszt's „Fantasie und Fuge^^ über
B-A-C-H. In allen Stücken bekundete Mr. Tillson
grosse Fertigkeit auf dem schwierigen Instrument;
ebenso, gefiel seine Vortragsweise durch saubere
Durchführung und Klarlegung der Stimmen;
namentlich in der feinsinnigen Reger'schen Can-
zonetta, welche seinem Lehrmeister Franz Grunicke
gewidmet ist, verriet Mr. Tillson feines Verständnis
und künstlerische Auffassung. Sein zweites Konzert
leitete der Künstler gleichfalls mit einer „Toccata"
(F-dur) von J. S. Bach ein, ausserdem hörten wir
„Suite gothique*, bestehend aus Choral, Allegro,
Friere und Toccata von R. Boellmann und die
5. Orgelsonate von A. Guilmant. Sämtliche Vor-
träge, die der Konzertgeber bot, waren Leistungen
ersten Ranges. Die mitwirkende Sängerin, Frau
Elsa Schmidt, erfreute durch ihre angenehm
klingende Mezzosopranstimme, sie sang „G«bet^
von Ferd. Hiller und „Wem der Herr ein Kreuze
schickt^ von Rob. Radecke. Als vollkommene
Meisterleistxmg darf man den Vortrag des Violinisten
Julius Ruthström bezeichnen, er brachte die
Sonate op. 42 No. 4 für Violine allein von M. Reger
zu Gehör. In technischer wie musikalischer Hin-
sicht erreichte Herr Ruthström mit der Ausführung
dieses Werkes den Höhepunkt und kann sich der
Komponist wohl keinen besseren Interpreten
wünschen. Die Begleitung der Gesänge ftihrte
Mr. Tillson sauber und angemessen aus.
M. Dietz.
Mitteilungen
von Hoohsohulen und KonseryatoriexL
Professor Adolf Schulze, G^anglehrer an
der Königl. Hochschule für Musik und Mit-
glied der Königl. Akademie der Künste, vollendete
am 13. April sein 70. Lebensjahr in voller Frische.
Adolf Schulze, zu Mannhagen bei Mölln geboren,
war zuerst Schullehrer, 1852 begann er in Ham-
burg bei Karl Voigt musikalische Studien,
1868 gab er seinen bisher geübten Beruf ganz
auf und ging nach London, um sich bei Garcia
zum Sänger auszubilden. 1864 trat Schulze
dann schon in Hamburg mit Erfolg als Konzert-
sänger auf und Hess sich gleichzeitig dort als Ge-
sanglehrer nieder. Anfangs der siebziger Jahre
wurde Schulze von Joachim als Lehrer an die
Berliner Hochschule für Musik berufen, wo er bis
heute als Vorsteher der Gesangklassen und Leiter
des A cappella-Chores unermüdlich und von grossem
Erfolge begleitet tätig ist.
Die „Königl. Musikschule" zu Würzburg
brachte bei ihrer letzten Aufführung ein bisher
ungedrucktes Adagio für Klarinette und
Streichquartett von Richard Wagner zur Auf-
führung. Das Stück ist dem Klarinettisten
Christian Rummel gewidmet, der von 1815 bis
1841 Kapellmeister in Wiesbaden war und 1849
dort starb. Wie und wo Wagner mit diesem als
Komponist für sein Instrument, als tüchtiger Vio-
linist und vortrefflicher Pianist bekannt gewordenen
Künstler in Verbindung gekommen ist, dürfte kaum
bekannt sein.
An der Hochschule für Musik zu Mann-
heim haben die dies winterlichen Vorträge zur
— 140 —
„Enzyklopädie der Mnsik", 'gehalten von Herrn
Kapellmeister Blase, ihren Abschlnss gefunden*
Es waren im ganzen 18 Abende, von denen eine
Hälfte das Thema »Ton und Klang", die andere
die f,GI«Bchichte des bei canto^* behandelte. Die Vor-
träge waren populär gehalten, sie brachten jedoch
auch manches Neue, die Früchte der langjährigen
Studien des Vortragenden. Unter anderen war es
ein neuer Gesichtspunkt, dass die alte französisch-
nationale Gesangsmethode die Grundlage unserer
neuen deutschen Gesangsschule geworden ist. Die
ürkundenbe weise, die Bedner aus Bacilly und
Berard gab, zwingen zu diesem Schlüsse. Was
jener 1679 und dieser 1756 schrieb, über „bien
chanter*, „bien prononcer", „bien exprimer ou
passioner ä propos", was die Franzosen lehrten
tiber die Einteilung der Vokale und über „appui
des consonnes" kehrt bei Stockhausen, Julius
Hey und Müller-Brunow wieder, neu belebt
und übertragen auf die Romantiker Schumann und
Brahms einerseits, anderseits auf das Musikdrama
Eichard Wagner 's. Die Sprachübnngen hat bereits
Peter von Winter (1824), die Grundsätze über
Gesang und Sprache, über den singenden Schau-
spieler, über geistige Technik proklamiert um 1840
der Deutsch böhme Johannes Miecksch, ein Vor-
läufer Bichard Wagner 's in diesem Betreff.
Heute stecken wir noch mitten in diesen Problemen
der deutschen Schule, sie muss sich zunächst durch-
arbeiten und bewähren.
In das Riemann-Konservatorium zu
Stettin, Direktor Berthold Knetsch, traten
am 1. April die nachstehend genannten Herren in
den Lehrkörper ein: Bruno Schrader für Klavier-
spiel und Musikwissenschaften, Mieczyslaw
Eichstädt für Klavier, Wenzel Piotrowski für
Violine und Dr. Richard Münnich für Musik-
wissenschaften.
Die diesjährigen drei Prüfungsaufführungen
der Musikschule K. A. Fischer, Stettin, unter
ihrer Leiterin Frau Elfriede Fischer, stellten
dem in hohem Ansehen stehenden L[istitute aufs
neue ein glänzendes Zeugnis aus. Frau Fischer
besitzt ganz hervorragende ünterrichtsgaben und
weiss sie in einer vorzüglichen Methode, die nicht
nur das technische Können, sondern auch das all-
gemein musikalische Wissen und Empfinden des
Schülers entwickelt, in ihrer Anstalt zur Geltung
zu bringen. Das prägte sich in allen Leistungen
der zahlreich vorgeführten Schüler von der Ele-
mentar- bis zur Oberstufe aus. Neben einem klaren
gesunden Klavierton erfreute das durchweg scharf
rhythmische Spiel, die genaue Beachtung der dyna-
mischen Zeichen und ein deutlich erkennbares
Eindringen in den musikalischen Inhalt der Werke.
Sehr erfreulich berührt die Auswahl der Stücke
und die Zusammensteliung der Programme, die die
gewohnheitsmässe Schablone abgestreift und neben
dem bewährten klassischen Schatz auch Umschau
in der modernen Literatur gehalten hat. Die Ein-
führung von Jugendstückchen, wie sie Bossi,
Stöckle, Karganoff, Nölcku. 8.w. geschrieben,
verdient alle Anerkennung, ebenso die Berücksich-
tigung der Werke eines Volkmann, Raff,
Sgambati, Kirchner, Jensen. Wieselten findet
man sie auf den Schülerprogrammen; die vorliegende
Ausnahme bedarf daher einer besonderen Hervor-
hebung!
Am 1. April fand in der Aula des Falkreal-
gymnasiums in Berlin die 17. Schüler- Auf-
führung des Prof. Breslaur*schen Konser-
vatoriums und Seminars (Direktor Gustav
Lazarus) statt, und konnten die Leistungen als
durchweg gelungen bezeichnet werden. Die Vor-
tragenden stammten aus den Klavierklassen des
Direktors Gustav Lazarus, der Damen Pick und
Tugend reich, aus den Violinklassen der Herren
Otto Grossmann und E. Böhmert, den Ge-
sangsklassen der Damen Frau Bosch Witz-David
und Frl. Opfer.
Professor Dr. Bernhard Scholz, dem Leiter
des Dr. Hoch*schen Konservatoriums zu
Frankfurt a. M., wurde zur Feier seines 70 jährigen
Geburtstages eine Reihe von Ovationen dargebracht.
Das Hoch'sche Konservatorium veranstaltete dem
Jubilar zu Ehren ein Kammermusikkonzert und ein
Orchester- und Chorkonzert, bei denen nur Schok-
sche Kompositionen gespielt wurden, während ein
Festredner den Lebensgang und die Verdienste
Scholz's darlegte, unter den auswärtigen Ehren-
gästen bei dieser Feier befand sich unter anderem
auch Joseph Joachim, der Scholz seit dessen
Tätigkeit als Hof -Kapellmeister in Hannover
als künstlerischer Gesinnungsgenosse nahesteht.
Der Konflikt zwischen der Direktion des kaiser-
lichen Konservatoriums in Petersburg und einem
Teile des Lehrpersonals hat seine Folgen gehabt:
Rimsky-Korssakow hat seine Entlassung er-
halten, weil er öffentlich den Bemühungen der
Direktion um die Herstellung der Ordnung ent-
gegengewirkt habe. Nach dieser Massregelung hat
der sechzigjährige, sich grösster Sympathien er-
freuende Komponist auch die Würde eines Ehren-
mitgliedes der kaiserlich russischen Musik-
Gesellschaft niedergelegt. Des weiteren haben
die Professoren A. Glasunow und An. Ljadow,
auch in Deutschland bekannte rassische Musiker,
ihre Lehrtätigkeit am Konservatorium eingestellt
Yermlschte Nachrichten.
hat
Die Genossenschaft Den tscherTonsetz er
in der Hauptversammlung vom 26. März
d. Js. den Bericht für das erste Geschäftsjahr der
von ihr gegründeten „Anstalt für musikalisches
— 141 ^
Aufführangsrecht* genehmigt. Hiernach hat die
Anstalt im Jahre 1904 einschliesslich der für die
^Wiener Antorengesellschaft vereinnahmten und von
ihr bezogenen Gebühren insgesamt 66592,50 Mk.
(darunter Anfführungsgebühren im Betrage von
58168,39 Mk.) erzielt und 35338,39 Mk. zur Ver-
teilnng gebracht. An die ünterstütznngkasse der
Grenossenschaft wurden 8888,47 Mk. überwiesen.
Dieses Ergebnis wurde von der Hauptversammlung
mit um so grösserer Befriedigung aufgenommen,
als die Anstalt anfangs mit erheblichen Schwierig-
keiten zu kämpfen hatte. Der Erfolg entspricht
ungefähr den Ergebnissen, die die älteren aus-
ländischen Autorengesellschaften erst in ihrem
sechsten Geschäftsjahre erreicht hatten. Hervor-
zuheben ist noch, dass der Ausschuss der Ver-
trauensmänner, in dem namentlich auch die her-
vorragendsten Musikverl^ger vertreten sind, eine
voUe üebereinstimmung mit der Geschäftsführung
der Anstalt ausgesprochen hat.
Max Burkhardt's Oper .König Drosselbart'
hat auch in Erfurt einen durchschlagenden Erfolg
gehabt. Sie wurde innerhalb 10 Tagen 4 mal bei
völlig ausverkauftem Hause aufgeführt.
Felix Weingar tner ist von der Leitung der
Abonnementskonzerte des £aim - Orchesters in
München zurückgetreten. Zu seinem Nachfolger
ist Georg Schn^evoigt ernannt. In einem sehr
herzlichen und Dankbarkeit ausströmenden Schreiben
bittet Dr. Kaim den jetzt scheidenden Kapell-
meister, sich künftig als Ehrendirigent des Orchesters
zu fühlen und in dieser Eigenschaft dem Institute
verbunden zu bleiben.
Jos^ Vianna da Motta's Konzerttournee in
Amerika ist von ausserordentlichem Erfolge be-
gleitet. Der Künstler gab in New-York sechs
Konzerte, vier davon mit grossem Orchester. Die
Kritik rühmt einstimmig die Schönheit seines
Tones, die Feinheit der Auffassung, die vollendete
Phrasierung. Nach dem New-Yorker Aufenthalt,
wo da Motta in einem 7. Konzert noch mit Ysaye
zusammen Beethoven's Ejreutzer-Sonate spielte,
hat er sich zu einer längeren Toum^ nach dem
Westen begeben.
Der Unterzeichnete ersucht uns um Aufnahme
der nachstehenden Zuschrift:
Aufruf zur Tonschriftreform.
Die geehrten Leser des „Klavierlehrer'* haben
in den Heften No. 2—7 d. J. Gelegenheit gehabt,
eine Lösung des zur Zeit vielfach erörterten Pro-
blems einer Tonschriftreform kennen zu lernen.
Ob nun sofort oder später, kommen muss diese
Reform einmal, darüber ist man sich wohl so ziem-
lich einig. Leider ist gerade auf musikalischem
Gebiet die Macht der Gewohnheit und der Wider-
stand gegen den Fortschritt so gross, dass nur
durch eine allseitige Stellungnahme und die
demgemässe Feststellung des praktisch
Durchführbaren der Einzelne etwas erreichen
kann. DadieTonschriftreformCapellen beanspruchen
darf, durch die Beibehaltung des bisherigen Noten-
und Linienbildes einen gangbaren Weg der Praxis
vorgezeichnet und das Problem nach allen Seiten
erschöpfend behandelt zu haben, so muss meine
Bitte an die Berufsgenossen und Kunstfreunde um
zahlreiche kritische Zuschriften an meine Adresse
im Namen der Kunst und des Fortschrittes ver-
ständlich erscheinen. Mit Dank im Voraus
Georg Capellen,
Osnabrück, Lotterstrasse.
Bficher und Musikalien.
Max Reger, op. 76. Schlichte Weisen.
Theodor Streicher: 6 Lieder und 30 Lieder aus
„DesKnaben Wunderhorn".
Ludwig Hessy op. 14. Liedlein aus der Heimat.
Joseph Haas, op. 1. Drei Lieder.
LMterbAeh k Kahm, Leipilg.
Sämtliche vorliegende Liederwerke sind unver-
kennbar unter dem Einfluss Hugo Wolf scher Lyrik
entstanden und dürften wohl' die Bichtung, die das
moderne Lied bis in die heutige Zeit genommen,
auf das getreueste widerspiegeln. Allen Liedern
gemeinsam ist eine gewisse distinguierte, dem All-
täglichen abgewandte Melodik und ein äusserst fein,
oft sogar geistreich ausgearbeiteter Klaviersatz,
aber der Zug echter, unmittelbar berührender Herz-
lichkeit, der bisher den kostbarsten Vorzug gerade
des deutschen Liedes bildete und noch neuerdings
vielen Wolf sehen Liedern zu ihrer ausserordent-
licher Popularität verhalf, ist nur in einzelnen
Reger'schen Gesängen, sonst entweder gar nicht,
oder wie bei Hess, in embryonischen Ansätzen zu
£nden. Das Bestreben unserer modernen Kom-
ponisten, ausgetretene Pfade zu meiden, neue
Akkorde, neue Wendungen, überhaupt neue Aus-
drucksformen zu ersinnen, ist gewiss ein löbliches
und begreifliches, aber in keiner Kunstsphäre wird
sich der Mangel an Innerlichkeit so empflndlich
fühlbar machen und so bitter rächen, wie gerade
auf dem Gebiet des Liedes. Wir brauchen nur
einen Blick auf die reichen Schätze unserer deutschen
Gesangsliteratur zu werfen, um bald inne zu werden,
dass sich kein Lied, keine Ballade, überhaupt kein
G^sangswerk irgend welcher Art dauernd dem
Gredächtnis des Volkes einprägte, das nicht zugleich
eine Saite seines Gemütes in Schwingung zu setzen
vermochte. Ein belehrendes Beispiel dafür liefern
„Die Liedlein aus der Heimat'' von Hess. Es sind
Volksgedichte aus den Hessischen Landen. Statt
sie nun, wie es die Texte verlangen, mit volkstüm-
lichen Weisen zu versehen, geht der Komponist
mit Ausnahme von No. 4 (Braut-Liedel) mit fast
ängstlicher Scheu dem Volkston förmlich aus dem
— 142 —
'Wege and lässt nnr die siebente Ntunmer «Soldaten-
lied* in der altkergebrachten Melodie (ans Kar-
hessen) erklingen, and was ist die Folge? Während
die vielleicht schon 100 Jahre alte Volksmelodie
vermöge ihrer einfachen Fassung sich sofort dem
Gedächtnis des Hörers einprägt and voranssichtlich
noch weitere 100 Jahre erklingen wird, sind die
neaen Hessischen Weisen ob ihrer geschraabten
und gekünstelten Melodik mit dem letzten Ton
schon wieder vergessen. Als die wertvollsten der
angeführten Lieder erweisen sich die schlichten
Weisen von Reger. Wenn man anch ihnen dieses
Prädikat nar cum grano salis zugestehen and die
bei weitem grössere Hälfte derselben in ihrer
komplizierten Faktur nichts weniger als „schlicht"
bezeichnen kann, so spricht sich doch in allen ein
vornehmer Gleist aus, und viele von ihnen inter-
essieren ebenso durch ihre reizvolle Melodik, wie
durch ihre klare und doch eigenartige Form. Diese
Vorzüge sind den Str ei eher 'sehen Liedern nur in
ganz vereinzelten Fällen zu eigen, sie kranken fast
alle an einem üebermass von harmonischen
Tüfteleien und rhythmischen Bizarrerien, ein Uebel-
stend, der um so unangenehmer berührt, als der
Komponist seine Texte aus „Des Knaben Wunder-
hom^S dem Jungbrunnen der deutschen Volks-
poesien, geschöpft hat. Ich will zugeben, dass sich
fast in jeder einzelnen Nummer geniale Blitze und
originelle Wendungen vorfinden, aber diese ewige
Originalitätssucht und das geflissentliche Aus-
weichen jeder natürlichen Folge wirkt auf die
Dauer monoton und langweilig, und so kann von
all' den 36 Nummern eigentlich nur das kleine
„Weinsüppchen' auf ein wirkliches Volkslied An-
spruch machen. Noch schlimmer ist es mit den
drei Liedern von Joseph Haas bestellt, die der
Komponist als op. I veröffentlicht. Der ersten
Nummer liegt das Geibersche Gedicht „Gold'ne
Brücken seien alle Lieder mir" zu Grunde. Stett
nun nach dem Muster unsrer grossen Meister oder,
wie es sich eigentlich von selbst versteht, mit den
Anfangstakten der Klavierbegleitimg den Stim-
mongsgehalt des G^ichtes anzudeuten, zermartert
der (wahrscheinlich noch jugendliche) Tondichter
sein Gehirn, nm sich ja gleich mit den ersten
Noten als tiefgründiges G^nie anzukündigen. Diese
ersten Takte, mit denen er sich als Liederkomponist
in die Welt einführt, sind schon der Aufzeichnung
wert und lauten:
Langsam.
I
m
Sr
% fl^eßSnWJi:
r^ V::^m±
In dieser zergrübelten Satzweise geht es bis
zum Schluss. Das zweite Lied «Morgengrang* wäre
in seiner einfacheren harmonischen Einkleidung
annehmbarer, wenn es nicht darch hässllche
Betonungen bei den Worten „schauen'*, „tauen^^
und namentlich bei der Schlnssphrase „die Morgen-
glocken'* enteteilt würde. Das dritte Lied, das sich
„Dunkle schöne Nacht" betitelt, ist in derselben
obstrusen, zerklüfteten Weise illustriert wie das
erste. Dunkel ist es gewiss von Anfang bis za
Ende, aber von einem S ch ön hei ts Schimmer Ist
nichte zu spüren. Da der Komponist dieses op. 1
bei alledem Talent zeigt, so wäre es für ihn ratsam,
sich einmal die ersten Lieder unserer Meister der
neueren Zeit, wie Brahms, Kirchner, Jensen, Strands
u. s. w. anzusehen, um daran zu erkennen, wie
einfach und festgefügt der Grund und Boden ist,
auf dem auch sie ihre Gebilde aufbauten. Geradezu
naiv uud dürftig erscheinen uns die ersten Wolf-
schen Jugendlieder, auf die ich kürzlich an dieser
Stelle hingewiesen. Unterdessen ist ein weiteres
Wolf sches Jugendlied, vermutlich sein allererstes
aus dem Jahre 1877, in meine Hände gelangt. Es
betitelt sich „Bescheidene Liebe** und beginnt (in
vereinfachter Fassung) folgendermassen:
Launig.
M
loh
^i
^
bin wie andre
^
ft=l
m
Mftdohen nicht, die,
mm
Gibt es etwas Einfacheres als diese Melodie,
die sich in dieser zopügen, altfränkischen Weise,
ohne ein einziges Mal nach einer fremden Ton-
art auszuweichen, bis zum Schlüsse fortsetzt und
an alles eher als unsere moderne Zeit erinnert?
Aber wie schnell ist Wolf gestiegen und welch' un-
geheuren Aufschwung nimmt er bereits in seinem
— 143 —
▼ierteD Lied „Nächtliche Wandenmg'^ Wolf hat,
wie jede genial yeranlagte Natur, nachher manches
Bizarre nnd Extravagante geschrieben, aber nichts,
was fdch nicht ans der Stimmung des Gedichtes
heraus rechtfertigen liesse, und niemals hat er als
echter Musiker den Grund und Boden unter seinen
Füssen verloren. Es wäre erfreulich, wenn Herr
J. Haas aus dem Wolfschen Entwickelungsgang
für sich Lehren ziehen und uns bald mit natür-
licheren und lebenskräftigeren Gaben überraschen
würde
Arno Ehffel,
G. Eggelingy op. 82. „Valse Lnpromptu.'
— op. 87. „Valse Capriccio.'
— op. 88. „La Fontaine', Konzert-Etüde.
— op. 91. ,Die Mühle im Tale.'
Walfthar 8«]iT0«4«r, Berllm.
Die vier angeführten Werke enthalten mittel-
schwere, der besseren Salonmusik zuzuzählende
Literatur. Es sind flott und fliessend geschriebene
Stücke, die den gewandten Stilistiker erkennen
lassen, und wenn sie uns auch nichts sonderlich
Neues zu sagen wissen, so erfreuen sie doch durch
ihren angenehmen Klangreiz. Am empfehlens-
wertesten sind die beiden, ersten, sich dem Walzer-
Rhythmus anschliessenden Werke, ihre geschmei-
digen, • klingenden Motive und Passagen sind voll
Anmut und- Beiz; weniger angesprochen haben
uns „La Fontaine'' und „Die Mühle im Tale', sie
arbeiten etwas zu sehr mit abgebrauchten Passagen.
Anna Morsch.
Vereine,
Mnsikpftdagogischer Verband.
Schulgesangs-Kommission.
Zu dem Lehrplan des Herrn Ernst Paul-
Dresden habe ich zu bemerken:
Das Ziel der Tonbildung ist, die Verschieden-
artigkeit der E^angwirkung der einzelnen Register,
welche im Hinblick auf den Gesang als eine
Schwäche in der menschlichen Stioune zu betrachten
ist, auszugleichen. Dies kann nicht geschehen,
wenn jedes Register innerhalb seiner Grenzen aus-
gebildet und den spezifischen Funktionen der Kehl-
kopfmuskeln bei der Bildung von Tönen gleichen
Registers besonders Rechnung getragen wird. Der
Schüler soll vielmehr anstreben, sämtliche ihm
zu Gebote stehenden Töne mit gleichem Klang-
gepräge zu formen.
Es sollte bei der Schulung junger Stimmen
stets mit einem bequem gelegenen Ton begonnen
werden. Das d entspricht wohl in den seltensten
Fällen dieser Anforderung. Meistens eignet sich
g oder ¥, auch dies sind ja Sprechtöne, für die
erste Unterweisung in der Tonbildung am besten.
Das An- und Abschwellen, diese grösste
Schwierigkeit, die der Kunstgesang bietet, schon
im ersten und zweiten Schuljahr studieren zu
lassen, hemmt die Entwicklung der Stimmen zur
Tonfreiheit.
Rela Holtfreter- Berlin.
Die Erfahrungen, welche ich in meiner kurzen,
erst zweijährigen Arbeit auf dem Gebiet des Ge-
sangunterricLtes an einem Lehrerinnen-Seminar
gesammelt habe, lassen mir den Lehrplan von Herrn
Ernst Paul -Dresden sehr empfehlenswert er-
scheinen. Besonders erfreulich finde ich, dass neben
2 Klassenstunden noch im Einzelunterricht Stimm-
bildung gelehrt werden kann und die Betonung
der praktischen Durcharbeitung der Harmonielehre.
Aus dem Lehrplan für die Uebungsschule
möchte ich das Feststellen der Register gestrichen
sehen. Singt der Lehrende gut vor, so überwinden
Kinder Registerschwierigkeiten spielend, — singt
er nicht mustergültig, so wird er den Schülern
auch kaum die Registerfrage verständlich machen
können.
Im 2. Schuljahr gibt*s sogar schon Brust-
stimme! Oder sollte damit etwa die Mittelstimme,
mit welcher Frauen in der Lage zu singen pflegen,
gemeint sein? — Bei Schülerinnen, welche ich aus
Volksschulen übernahm, klang die Stimme in der
Tiefe oft überraschend voll, jedoch machten sich
ebenso oft schon früh Anzeichen von üeber-
anstrengung bemerkbar. Ich habe stets die Ursache
der Ueberanstrengung dem N'achahmungstalent der
Kinder zugeschoben, denn Kinder wollen sinken
„wie der Lehrer singt \ Kinderstimmen, vor allem
Mädchenstimmen, sollten Frauen anvertraut werden.
Muss aber der Lehrer den Unterricht erteilen,
so möge er die Schüler mit Brustregister ver-
schonen; vielmehr sei er eifrig bemüht, die Kinder
leise singen zu lehren. Ich halte es sonst für un-
möglich, dauernd einen schönen, edlen Klang zu
erzielen, und nach diesem Zdel wollen wir doch
Alle streben.
Sodann flnde ich das Ueben von Schwelltönen
im 3. und 4. Schuljahr verfrüht. Wer sich der
Schwierigkeiten dieser Uebungen bewusst ist, wird
Sander nicht damit quälen. Man kann im Klassen-
unterricht unmöglich beurteilen, wie weit die
Leistungsfähigkeit des einzelnen Schülers geht, und
so kann bei solchen Versuchen ein übereifriger,
sogar schon ein eifriger Schüler sich mehr schaden,
als der Lehrer verantworten kann. Am Lied hat
man die beste Gelegenheit, die verschiedenen Stärke-
grade zu Üben, und wenn der Vortrag es erfordert,
mag man auch einen Schwellton machen lassen.
Aber Uebungen im An- und Abschwellen im hohen
Register werden 8- und 9 jährige Kinder nicht
ohne Anstrengung ausftihren können und die Folge
wird UebermÜdung sein. Mit welcher Vorsicht
übt man den Registerwechsel mit erwachsenen
— 144 —
Schülern, nnd non soll die Kinderstimme mehr
oder jedenfalls soviel wie eine Frauen- oder Männer
stimme leisten! Man pflege die Frende am schönen
Klang, die Treffsicherheit, Lautbildnng und alles,
was zur Förderung der allgemeinen musikalischen
Bildung beitragen kann, soviel wie eben möglich.
— Das Weitere überlasse man später einzusetzendem
Einzelunterricht.
Zu den .Fortbildungskursen für Qesanglehre-
rinnen* von Frau Dr. Müller-Liebenwalde
möchte ich bemerken, ob es nicht ratsamer für die
unter 2. aufgezählten Fächer: Methodik etc. wäre,
wöchentlich 8—4 Stunden anzusetzen?
Man klagt bei Fachlehrerinnen meistens über
Mangel an pädagogischen Kenntnissen und über
die dadurch entstehenden Unzulänglichkeiten. Da
der Qesangunterricht möglichst in allen Klassen
von derselben Lehrerin erteilt werden soll, so muss
sie pädagogisch ganz besonders gut vorgebildet
sein, um den verschiedenen A.lters8tufen gerecht
werden zu können. ir u o r i* »
Mnsik-Sektloii
des Allg. Deutschen Lehreriiiiieii-yereiiis.
6. GeneralTersammlnng
am IL und 12. Juni 1905 in Bremen.
Tagesordnaog.
L Sitzung.
Sonntag, IL Juni, 11 Uhr vormittags.
1. Bericht des Vorstandes: Frl. Sophie Henkel.
2. Kassenbericht: Frl. Helene Nöring.
8. Bericht der Stellenvermittlung:
Fr. Helene Burghausen.
4. Die Tätigkeit der Gruppen: Frl. Anna Morsch.
5. Die Stellung der Musiksektion zum A. D. L. Y. :
Frl. Sophie Henkel.
6. Beratung über das Kartellverhältnis mit dem
Musikpädagogischen Verbände:
Frl. Sophie Henkel.
7. Berichte der Kommissionen:
a) Schulgesangskommission :
Fr. Dr. Julie Mtiller-Liebenwalde.
n. Sitzung.
Montag, 12. Juni, 11 Uhr vormittags.
1. Fortsetzung der Berichte der Kommissionen:
b) Die musikalische Vorbildung auf dem
wissenschaftlichen Seminar:
Frl. Anna Hesse.
c) Honorarfrage undPropaganda-Kommission:
Frl. Olga Stieglitz.
d) Sichtung des Unterrichtsmaterials für die
4 ersten Unterrichtsjahre:
Frl. Alice Küster.
e) Die Fürsorge für das Alter:
Frl. Anna Morsch.
f ) Die Satzungen der Musiksektion :
Frl. Olga Stieglitz.
2. Beratung der eingegangenen Anträge.
8. Vorstandswahl.
Montag, den 12. Juni, abends 7 Uhr.
Oeffentliche Versammlung.
1. Bedeutung und Einfluss des guten Anfangs-
unterrichtes auf die musikalische Entwicklung
unserer Jugend. Ein Mahnwort für Musik-
lehrerinnen und Erzieherinnen:
Frl. Alice Küster-Erfurt.
2. Welche ideellen Vorteile sind von der Reform
des Schulgesanges für Lernende und Lehrende
zu erwarten? Frl. Hulda Schultze-Bonn.
8. Die Stellung des Musikunterrichts im allgemeinen
Erziehungsplan, Rückblicke and Ausblicke;
Frl. Maria Leo-Berlin.
Zeit und Ort zur Besprechung der Dele-
gierten werden in Bremen bekannt gegeben.
Bestellungen auf Wohnungen, mit der Angabe,
ob Hotel, Privatwohnung oder Freiquartier,
sind bis zum 20. Mai an Fräulein J. Meyer-
holz, Grünen Weg 24, zu richten, Frl. G. Höpken,
Bremen, Beim steinernen Kreuz 17, erteilt Aus-
kunft in Sachen der Musikgruppen.
Der Vorstand.
1. A.
Sophie Henkel,
L Vorsitzende.
MBSlbgroppe Halle stellt folgende Themen für
L November 1905:
1. Welchen Einfluss hat die Erforschung und
Kenntnisnahme der älteren Mnsikliterator auf
die Entwicklung der modernen Musik und ihre
Beurteilung?
2. Erhöht das Auswendigspielen und -singen die
musikalische Ausdrucksfähigkeit?
3. Wie muss der Gesangunterricht auf den höheren
Mädchenschulen beschaffen sein, um als Vor-
stufe für den Kunstgesang gelten zu können?
I A.
Sophie Senkel.
Wir teilen unseren Mitgliedern mit, dass in
Zittau und Iserlohn zwei neue Musikgruppen ge-
gründet sind. Vorsitzende der ersteren ist Frl.
Johanna Gebaaer, Neustadt No. S2, der letzteren
Frl. Hedwig Bemmer, Weststr. 3.
L A.
Sophie Henkel.
Dieser Auflage liegen die folgenden Prospekte: Gebr. Hug A Co., Leipzig:
pHeinrich Germer' s Akademische Ausgabe klassischer Piano/ortewerke^^, C. Bo/sen, Hamburg:
y.Prof. Emil Krause, Musikalische Schriften*", Ferien-KursuM der Virgil-Klawier-Sohule, Berlin W.
bei^ auf welche wir unsere Leser besonders aufmerksam machen. D. E.
— 146 —
Konservatorium der Musik
in Kassel.
Ge^. 1895. Direktion: L. Beyer. Gegr. 1895.
EhrenTOnlti: B^ffienmn-PrlUident tob Troll tu SsU,
ersf KSaifsdorff, Bxeellens Oeneralin tob ColoMk,
Oberbürgermeister MOller u. A.
Cwrmtorinm: Pfarrer Haas, Sohnldirektor Prof. Dr. Kram-
Biaeher» Bankier Plaal, Justisrath HchelTer vl A.
I^hrer : Die Damen : L. Beyer, Blassl-FSrslery Königl. Opem-
sfogerin, eieese-rabroal» A. Taadlea. Die Herren:
A. Harldea«By Kammervirtnos. Pro£ Dr. USbel»
0. Kalelsea, KgL Kammermusiker, K. KlelssuMB»
Kffl. Opemsänffer, W. Moabeapl, Kgl. Kammermasiker,
Kd. Sehsildl, Kgl. Kammermusiker, H. Sehaarbasfb,
KgL Kammermusiker n. A.
Unterricht fächer: Klavier, Violine, OeUo, Harfe und alle
ttbrigen Orchesterinstromente. Gesang, Harmonie-
and Kompo^tlonslehre. Mnsikgesohiohte. Italienisoh.
Orckesterspiel. QehOrflbang. lliisikdiktat.
OnfT^iMll Ion : Concertklassen. Seminarklassen.
Mittel- and Blementarklassen.
Ober-,
Statatea sind kostenfrei sa besiehen daroh die Schriftleitang
des Konservatoriams Kassel, Wilhelmshöher Allee 4a
Stellenoermmiiing aer musiksektion
des nmm. Dentsctoeii CeDreriMiieii-Uereiiis.
Centralleüuno: Berlin W., Luitpoldttr. 43.
Auszug aus dem
Stellenvermittlungs-Register.
Gesuchte Stellen:
Eine tüchtige Gesanglehrerin, vorzüglich für
Stimmbildung, wünscht geeigneten Wirkungekreis
an einem grösseren Institute. Beteiligung eventl.
Kauf einer gut renommierten Schule nicht aus-
gesohlosseo.
Eine vorzügliche Q^saDgf pädagogin, die sich
dorch schriftstellerische Arbeiten auf diesem Ge-
biete einen Namen gemacht hat, sucht Eogage-
meot an einem KouEervatorinm.
Eine tüchtige Klavierspielerin uod Lehrerin,
an^gebihiet am Münchener KouFervatorium, sucht
Stellung an einer Musikschule.
Meldungen sind zu richten an die Central-
ieitung der Stellenvermittlung der Musiksektion.
Adr.: Fra« H. Burgbausen, Berlin W., Luitpeldtar. 43.
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O. ^ T-
Fehlende Nummern
des 9^aTier-Lelirer<< können k 80 Flg. durch
jede Buchhandlung nachbezogen werden.
Kla^lcHebfcrli)
und -Spielerin, mit guter Privat- Ausbildung, seit
5 Jahren unterrichtend (Nebenfach Violine für An-
fänger), sucht bald oder später Stellung an einer
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JbdT. Oppentieimei*, JECameln.
— 146 —
Adressen-Tafel.
5 Zeilen 10 Hk. Jfthrlieh, weitere 6 Zeilen 6 MU.
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Direction: Gustav Lazarus.
BerUn N.W.» Luisen-Str. 36. Berlin W., Biilowstn 3 («m Noiiendortpiati).
Spreohstunden: 5— e, Mittwoohs tl Soxmabends 10—18.
Spreohstnoden: 8—10 n. 1^2.
Aufnahme jedorseit.
Erste Lehrkräfte, vollstiDdIge mueikalleche und pädagegiecbe Auebildaiig. Elementarklaeeen.
Prof. Siegfried Ochs.
Dirigent dM «Philharm. Ohores".
Berlin W., Bendler-Strasse 8.
Spreohst nur ▼. 11—12 Uhr Vorm.
Franz Grunicice,
Orgel, Klavier, Harmonielehre.
Berlin W., Stelnmetzstr. 49 ^^
Martha Remmert,
Hofpianistin, Kammervirtacnn.
Berlin W^ Tanenzieastr. 6.
ESznzna :Koohf
Pianistin.
Berlin W., Neue Winterfeldetr. 15.
Konsert-Vertr.: H. Wolff, Berlin.
Flora Scherres-Friedenthal
Pianistin.
Berlin-Charlottenburg,
Kantitr. 360a.
Prof, Jul. Hey'S Cesangschulc.
Berlin W^ Elaholzstrasse 5«,
am Botanischen Garten.
G^esangmiterriclit erteilen:
Frau Felix Schmidt-KOhne
ConcertB&Qgerin - Sopran.
Sprecbstonde: 3—4.
Prof. Felix Schmidt.
Berlin W^ Taaeazlenstraase 21.
Elisabetb Caland
Cbarlottenburg-Bertin
6octbestraise SO.
HuebUdung Im höheren
KlaTfcrspiel n^cb Dcppc'Bcben
6rtnidsltzen.
Ottilie Lichterfeld
Pianistin
BerUn IF., Schapersir. 35.
enilie o« ßraner
Gesangunterricht (Meth. Marcbesi).
Berlin, Bayremtheratr. 27«
3o$< UiMtia aa monai
Pianist.
Berlin W., Passanerstraase 26.
Jluguste B$l)me-K$Mer
•rt«ilt in Leipxlx, Llebigstr. 8 1, von Oktober bis einschl. Mal und In Ltadhardt-
Nanahof (Bahnlinie Leipzig-Oöbeln- Dresden) von Juni bis einsdiL September
Käte Freudenfeld,
Konaert- u. Oratorianfl&ngerin (Alt)
Gesanglebrarin, Athemgymnaatik.
Berlin W., Paaaanerstraase 22 u.
€e$ang$unterricbt
Herren und Damen vom Lehrfach, sowie ausQbende Künstler, die Unterricht
; ihrer stimmlichen
i über ihren allge-
nehmen wollen, sind gebeten, event vorher schriftliche Klarlegung ihrer stimmlichen
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Expedition und Verlag ^Der Uarier- Lehrer^, M. Wolff, Berlin VV., Ansbacherstrasse 37.
Druck: J. S. Preuss, Berlin S.W., Kommandantenstr. 14.
DeF Klavier-Iiebrer.
Musik-pädagogische Zeitschrift für alle Gebiete der Tonkunst.
Organ der Deutschen Musiklehrer-Vereine,
der Musik-Sektion des fl. D. L-V. und der Tonkünstler-Vereine
zu Köln, Dresden, Hamburg, Leipzig und Stuttgart.
Begründet 1878 von Professor Emil Breslaur.
Redaktion: Anna Morsch
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ist musikalisch? (Schluss.) Dr. Karl Storck: Engelbert Humperdinck's »Die Heirat wider Willen". Mitteilungen von Hoch-
schulen und Konservatorien. Vermischte Nachrichten. Bücher und Musikalien, besprochen von Anna Morsch, Dagobert
Löwenthal und Eugen Segnitz. Vereine. Anzeigen.
biszt it) seioei) ]|eziebut)get) zu l^obert JScbuii)at)i)-
Von
A. Heeklenbars^.
(Fortsetzung.)
Durch die Gleichgiltigkeit, mit der das
musikalische, der Verflachung infolge des
vielen, öden Salongeklingels anheimgefallene
Publikum seiner Zeit an diesem hochgenialen,
feinnervigen Werke Schumann's vorbeiging,
liess Liszt sich durchaus nicht in der Schätzung
des Karneval beirren; er sah mit prophetischem
Geist voraus, dass dieses Werk in der allge-
meinen Anerkennung der Kunstwelt seinen
Platz (zur Seite der 33 Variationen über den
Diabelli'schen Walzer von Beethoven!) auf
immer behaupten würde. Ja, er ging in seiner
Begeisterung für den Karneval sogar soweit,
denselben, was melodiöse Erfindung und
Prägnanz anbetrifft, über das bekannte
Beethoven'sche Variationenwerk zu stellen,
was wohl übertrieben ist und was man seinem
ersten aufflammenden Enthusiasmus zu gute
halten muss. Und ist diese Prophezeiung
Liszt's nicht zur Wahrheit geworden? Heute
ist der Karneval ein ständiges Repertoirstück
unserer ersten Klavierkünstler, die seine pia-
nistische Darstellung sich zur Ehre rechnen
und den Vortrag stets insofern interessant
machen, als sie in der ihnen eigenen indivi-
dualistischen Färbung ihm den Stempel ihrer
künstleriscen Persönlichkeit zu verleihen ver-
stehen. Doch mag der Karneval auch der
Entfaltung persönlicher Eigenart für den Vor;
trag genug Spielraum geben, die allgemeinen
Grundzüge seines stilgerechten Vortrags sind
durch Liszt ein- für allemal für die Gegenwart
und Zukunft festgelegt worden. Aehnlich, wie
Liszt die letzte Nummer, den Davidsbündler-
marsch, vortrug, — mit dieser unverwüstlichen
Titanengewalt spielt ihn heute z. B. sein
Schüler Moritz Rosenthal.
Als Liszt in Wien zum erstenmale kon-
zertierte (April/Mai 1838), erhielt er von Schu-
mann ein Manuskript mit der Widmung:
„Gruss an Franz Liszt in Deutschland". Es
war dies die viel später unter der Opuszahl 21
edierte zweite Novelette:
etc.
i
i=
ÖE
die schon damals, als sie noch Manuskript
war, ein Lieblingsstück Liszfs wurde. Fast
zu derselben Zeit widmete Schumann seinem
Freunde die herrliche C-dur-Phantasie op. 17
„eine tiefe Klage um Clara", aus der uns die
— 150 —
Wundertiefen und -höhen seines Liebes-
schmerzes und seiner Liebeswonne entgegen-
leuchten, und die als Motto den Schlegel'schen
Vers trägt: Durch alle Töne tönet im bunten
Erdenraum ein leiser Ton, gezogen für den,
der heimlich lauscht**. Erst 1854 beantwortete
Lisit diese Dedikation mit der Gegenwidmung
seiner H-moU- Sonate (cf. den Brief an
von Wasielewski vom 9. Januar 1857). Wie
Liszt von Albano am 5. Juni 1839 schreibt,
erschienen ihm diese zuletzt ihm gewidmeten
Stücke Schumann's „admirables d'inspiration
et de facture", und besonders nannte er die
Fantasie op. 17 „une oeuvre de Tordre le plus
eleve", rune grandiose composition". Er be-
schloss, sie von Grund aus für den öffent-
lichen Vortrag zu studieren, um jede nur mög-
liche Wirkung daraus zu ziehen.*) Freilich
erst viel später wagte es Liszt, mit der Fan-
tasie vor das grosse Publikum zu treten; wie
er in dem vorhin erwähnten Briefe vom
5. Juni 1839 sagt, hielt er das Publikum noch
nicht für reif genug, die erhabenen Schön-
heiten dieses Werkes würdigen zu können.**)
Ganz anders verhielt es sich mit den
Kinderszenen; diese spielte Liszt wegen ihres
allgemein-verständlichen Charakters bald nach
ihrem Erscheinen öffentlich (bereits 1839); er
fand mit ihnen überall reichen Anklang. —
Es möchte wohl auf den ersten Blick wunder
nehmen, dass der grosszügige, weltmännische
Liszt gerade eine Vorliebe für diese kleinen
Kabinetstücke fassen konnte, in denen sich
die intime Kleinkunst Schumann's von der
evidentesten Seite zeigte. Und es verhielt sich
tatsächlich so. Les extremes se touchent.
Liszt's universaler Geist, der stets in die Weite
schweifte, ein geistiges Gebiet nach dem andern
heranzog, um es nacheinander zum Vorwurf
für seine proteusartige musikalische Aus-
drucksfähigkeit zu machen, — er fand ästhe-
tisches Gefallen an diesen liebenswürdigen
musikalischen Schilderungen aus dem denkbar
engsten Gebiet des Kinderlebens und der
Kinderstube; er ging sofort daran, die Probe
für die intime Wirkung der „Kinderszenen"
auf das Kindergemüt zu machen. Wie günstig
fiel diese Probe aus! Zwei- oder dreimal in
der Woche (cf. den Brief an Schumann vom
5. Juni 1839) spielte Liszt zu seiner Freude
*) Aassi, veux-je la travailler et la penetrer
a fond, afin d'en tirer tout Teffet possible.
**) Le Kreisleriana et la fantaisie op. 17 sont
de digestioQ plus difficile (als der Karneval, die
Davidsbündlertänze) pour le public. Je les reserverai
pour plus tard.
im Sommer 1839 in der Abendzeit die Kinder-
szenen seinem liebreizenden dreijährigen
Töchterchen Blandine — Rachel vor, sodass
sich helles Entzücken in dem Kindergesichtchen
malte; oft wiederholte Liszt wohl zwanzigmal
die erste Lektion ohne weiterzugehen. —
„V'raimenl." so ruft er aus, „je crois que vous
seriez content de ce succes, si vous pouviez
en etre temoin!" Wenn nun auch Liszt einer-
seits an seinem eigenen Kinde die Erfahrung
machen durfte, dass die „Kinderszenen"' ihren
naiven Eindruck auf die Kindesseele nicht ver-
fehlen, so war er sich doch andererseits dessen
bewusst, dass diese Stücke gerade für die Er-
wachsenen geschrieben waren. — Nicht kind-
liche Gefühlsergüsse sind es, mit denen eine
geweckte Kindesseele die äusseren Begeben-
heiten in ihrem Leben begleitet, vielmehr sind
es Gefühlsprojektionen einer im Weltleben ge-
reiften musikalischen Künstlerseele, die rück-
wärts in das entschwundene Paradies der
Kindheit ihren mit Wehmut gefärbten Schein
werfen. Die glückliche harmonische Verteilung
von Licht und Schatten im Fortschreiten von
Begebenheiten im äusseren Leben des Kindes
zur Schilderung seiner Innerlichkeit, die glück-
liche Aufeinanderfolge der Stücke wird Liszt
und mit ihm jedem denkenden Künstler zum
Abbild der wunderbaren äusseren und inneren
Verkettungen des reifen wirklichen Lebens
überhaupt. Wenn zum Schluss „der Dichter
spricht**, so gibt er seinen Segen all den kleinen
Ereignissen des Tages im Leben des Kmdes,
um zugleich aber durch seinen denkenden
Geist deren Bedeutung auf ein viel höheres
Niveau zu stellen. „Im symbolischen Spiegel*,
so lässt sich Liszt über „die Kinderszenen*
vernehmen, „zeigen sie die grossen Begeben-
heiten des realen reiferen Lebens, wie sie oft
in derselben Folge, von denselben Eindrücken
angeregt erscheinen**.
Aber auch der Komponist Liszt fand durch
Schumann die reichste Anregung. Nicht allein,
dass die herrlichen Liederproduktionen des
„Liederjahres** 1840 von Schumann Liszt An-
lass gaben, eine Reihe von Transskriptionen
dieser Lieder zu verfassen, — Arrangements,
die, um den tiefsinnigen Intentionen Schu-
mann's formell und inhaltlich gerecht zu
werden, eine ganz neue Art von Klaviertechnik
ins Leben riefen; — Schumann's vokales
Schaffen übte direkt auf die eigene Produktion
Liszt's auf diesem vokalen Gebiete einen nicht
zu unterschätzenden Einfluss aus. — Der ge-
mütstiefe urdeutsche Geist, der Schumann's
— 151 —
Lieder beseelte, liess den Franzosen und
Ungarn, den internationalen Liszt, sobald er
das Gebiet der Liederkomposition, beschritt,
unter der Wirkung des Schumann'schen Genius
unwillkürlich ebenfalls deutsch, ja sogar teil-
weise urdeutsch empfinden; so können denn
die Ltederkompositionen Liszt*s fast auschliess-
lieh für die deutsche Musik in Anspruch
genommen werden; in seiner Liedersammlung
begegnen uns 5 Lieder, die französischen Esprit
atmen, 1 ungarisches, 1 italienisches Lied und
öJ echt deutsche Lieder! Der Einfluss des
Liederkomponisten Schumann auf den Lieder-
komponisten Liszt erstreckt sich aber noch
weiter und tiefer; ist es ein Hauptcharak-
teristikum der Schumann*schen Liederkompo-
sition, den mannigfachen Intentionen, den
wechselnden Stimmungen, dem jedesmaligen
Stimmungshintergrund der Poesie durch Er-
schöpfung des musikalischen Ausdruckver-
mögens zu entsprechen, die Versenkung in
den poetischen Grund- und Lokalton des
Poems bis zur bewundernswerten Gewissheit
des Selbsterlebtcn und Selbsterschauten zu
führen, den Klavierpart in reicher Ausbildung
mit der Gesangsmelodie zu unauflöslicher Ein-
heit zu verschmelzen, — bei Liszt finden wir
dasselbe künstlerische Bemühen; der Lieder-
komponist Liszt schliesst eben historisch neben
Schubert und Franz an Schumann an, indem
die von diesem befolgte Tendenz, zwecks der
Ermöglichung einer bis ins Minutiöseste
gehenden Accommodation der Musik an die
Textpoesie eine reiche und sinngemässe Aus-
gestaltung des Accompagnements herbeizu-
führen, die seine wird und für ihn die letzten
Konsequenzen hergeben muss, so dass schliess-
lich bei Liszt die Begleitung die eigentliche
Trägerin des poetischen Gedankens wird. —
Aber auch auf dem Gebiet der Klaviermusik
überhaupt haben wir neben Chopin, Schumann
als den Vorläufer Liszt's anzusehen.
Wenn Liszt's Bedeutung als Klavierkom-
ponist darauf beruht, dass er mit vollstem Be-
wusstsein die von Beethoven eingeschlagene
Bahn weiter verfolgt, indem er unter der
Programmmusik den jedesmaligen subjektiven
Stimmungsgehalt in jedesmaligen, diesem
völlig adäquaten Klaviersatzformen niederlegt,
-- bei Schumann finden wir hierzu bereits
die Ansätze und Keime, und zwar innerhalb
der Grenzen, die den Meister der kleinen und
kleifiSten Formen und Gedankengebilde in den
ihm von seinem Genie eng umscnriebenen
Ausdrucksbereich festbannen. Diese Schu-
mannschen Keime nahm nun Liszt, um mich
des Ausdrucks eines neueren Aesthetikers zu
bedienen, auf, „um sie an der strahlenden
Sonne seines mächtigen Genius zu unge-
ahnter Blüte heranreifen zu lassen." Was
Liszt's Schaffen auf dem Gebiet der Klavier-
musik anbetrifft, so finden wir bei ihm aUe
individuellen und nationalen Grenzen, die uns
bei Schumann (und Chopin) entgegentreten,
durchbrochen; Liszt ist nicht bloss national,
er ist auch international; — er hat nicht bloss
einige individuellen Töne, etwa die des Hero-
ischen und des Humors, nicht bloss Florestan-
und Eusebiustöne, die ihm in reichster Aus-
bUdung zur Verfügung stehen, nein, er be-
herrscht die ganze Skala aller Empfindungen,
deren das musikalische Herz nur fähig sein
kann, vom Naiven, Kindlichen, Schwärmeri-
schen an bis zum Pathetischen, Extatischen, bis
zur grausamsten Tragik des Verzweiflungs-
vollen; ihm stehen die Stimmen aus der Höhe
und aus der Tiefe, seraphische Aetherklänge
des Himmels, aber auch die dämonischen,
abgrundtiefen Seufzer der Hölle zu Gebote.
Es steht uns ausser Frage, dass wir betreffs
des Schaffens Liszt's in der Sphäre der
Klaviermusik seine schrankenlose Universalität
anzuerkennen und zu bewundern haben. Steht
bei Schumann die Intensivität seines musi-
kalischen Ausdrucksvermögens im Vorder-
grund, bei Liszt die Extensivität desselben.
Alles, was die Natur bietet, wird ihm zum
Anlass musikalisch beredter Darstellung, die
immer dem spezifischen Charakter des ge-
schilderten Naturobjektes entspricht. Die land-
schaftlichen Eindrücke der Schweiz, Italiens
bieten ihm Anregung zum musikalischen Pro-
duzieren, und zwar jede in besonderer Weise,
„Les cloches de Geneves" wecken in ihm durch
ihren Klangzauber eigene Träumereien; in
„au lac de Wallenstädt" hören wir förmlich die
Wellen leise, sanft schmeichelnd an den
Strand kosen, wie es hier so häufig der Fall
ist; — die dichterischen Meisterwerke fast aller
Kunstperioden (z. B. die Sonette Petrarka's),
die Schicksale hervorragender Persönlichkeiten,
Mazeppa's, Don Juan's, entlocken Liszt Pro-
duktionen, die sich charakteristischer nicht
denken lassen. Die Melodik des Italieners in
ihrer sinnlich berückenden Glut oder in ihrer
träumerischen Weise, wie sie z. B. über den
Lido von Venedig in seiner Gondoliera oder
in der Canzonetta dahinflutet, das leiden-
schaftlich accentuierte Feuer des Ungarn, des
Zigeuners in den Rhapsodieen mit ihrer
— 152 —
sprühenden Rhythmik, die Grazie, die Causerie,
der Esprit des Franzosen und last not least
die gemütswarme Tiefe des Deutschen, die
goldenen Bronnen, aus denen urdeutsche
Märchengestalten zum Vorschein kommen,
alles dieses reicht sich einander die Hand,
um einen heiligen, tanzenden, dionysischen
Kunstreigen zu bilden, der seine Kreise in die
Ewigkeit fortschwingt .... Wie aber Liszt
in der Klavierkomposition auf den Schu.tern
Schumann's steht, nur dass er seinen uni-
versalen, sich alles untertänig machenden Sinn
nicht verleugnen kann, während Schumann's
Ideenkreis beschränkter, dafür aber auch tiefer
ist, so auch in formaler Beziehung als
Schöpfer des modernen Klaviersatzes. Es
gäbe Reinen Liszt, wenn ihm Schumann (natür-
lich neben Chopin) nicht vorgearbeitet hätte.
Ist schon bei Schumann das Passagenwerk
nirgends dekorativ (vielleicht einige Variationen
über Abegg ausgenommen), bei Liszt begegnen
wir nirgends einer nichtssagenden, öden Klavier-
phrase; sie hat immer ihren tiefen Sinn und
entspricht wenigstens stets dem innersten Stim-
mungsgehalt. Was er an Thalberg tadelt, dies
zu vermeiden, hat ihn seine innerste, allem
Flachen, Oberflächlichen abholde Natur, aber
auch Schumann gelehrt. Am wunderbarsten
erscheint uns die innere Konsequenz zwischen
Inhalt und Form, zwischen Stimmung und
Passagenwerk u. a. in der herrlichen Don Juan-
Fantasie! Hier ist keine Phrase, die nicht ein
wesentliches Charakteristikum des inneren
Gedankens bildet! Durch welche Passagen
kann man das vor Lebenslust überschäumende
Temperament besser malen, als es hier ge-
schehen ist! Und gleich am Anfang die
rollenden (daher chromatischen) Donner des
Gerichts! Und dann der künstlerische Auf-
bau des Ganzen! Ebenso geschlossen und
einheitlich unter Benutzung der Mozart'schen
Motive, wie die Schumann'schen, ebenfalls oft
bekannte Motive verarbeitenden Fantasiesätze,
die doch auch die jedesmalige Stimmung unter
allen Umständen festhalten!
(Schlnss folgt.)
V0ep \sY tf)usiHa1iscb?
Von
Professor Dr. Otto Klauwell.
(Schlnss.)
Za den hiermit entwickelten nn entbehrlichen
Erfordernissen des Musikalischseios tritt schliess-
lich als notwendige Ergänzung ein gntes musi-
kalisches Gedächtnis — notwendig, teils, um
die Grnndmotive eines Stückes bei ihrer späteren
Wiederkehr auch unter erschwerenden Umständen
sicher wiederzuerkennen, teils, um die mannig-
faltigen Einzelerscheinungen zum richtigen Gesamt-
bilde zusammenzuschliessen, teils endlich, um aller-
hand nutzbringende Vergleiche eines Stückes mit
früher gehörten Stücken desselben oder anderer
Komponisten anzustellen.
„Zu viel", höre ich hier ausrufen, «was da
alles von einem musikalischen Hörer verlangt wird!
Das sind Anforderungen, die für den Künstler,
den Komponisten, den Virtuosen unerlässlich sein
mögen, die aber an den einfachen Hörer billiger-
weise nicht gestellt werden können." Zur Beruhi-
gung sei hierauf erwidert, dass die Sache sich bei
nähei'om Zusehen nicht gar so schlimm verhält,
wie es den Anschein hat. Ganz richtig zunächst,
dass jene vom musikalischen Hörer verlangten
Eigenschaften dieselben sind, über die auch der
Künstler, mag er sich produktiv oder reproduktiv
in der Musik betätigen, in souveräner Weise ver-
fügen muss, ebenso richtig aber auch, dass er in
der Erfüllung jener Anfordeiningen nur von dem
richtig beurteilt werden kann, der seine Kunst-
leistnng nicht nur nach ihrem Gesamteindrack za
geniessen versteht, sondern ihr auch in dem (Ge-
webe ihrer elementaren Ausdrucksmittel und in
ihrem allmählich sich entwickelnden Aufbau mit
aufmerksamem Verdtändnis zu folg^en weiss. Der
Unterschied zwischen Künstler und einfachem
Hörer ist nun darin zu suchen, dass von jeneiu
eine bewuBSte, ins Einzelne gehende Kenntnis, ein
umfassendes, begründetes Wissen aller mit den
genannten Anforderungen zusammenhängenden
musikalischen Disziplinen zu fordern ist, während
für den Hörer ein instinktiver Hlick für das
in jenen Disziplinen zum Ausdruck kommende
Gesetzmässige in der Musik zu ihrem Verständms
genügt. Der Besitz dieses angeborenen
Sinnes für das Musikalisch-Gesetzmässige
ist es, worin, auf die kürzeste Formel ge-
bracht, das Wesen des Mu^ikalischseins im
letzten Grunde beruht. Für den so beanlagten
Hörer bedarf es nicht der namentlichen Kenntnis
der einzelnen Intervalle, er braucht sich nicht die
rhythmischen Verhältnisse einer Komposition rech-
nerisch klarlegen zu können und kann doch der
ganz bestimmten, aus den melodischen und rhyth-
153 —
mischen Beziehungen sich ergebenden ästhetischen
Eindrücke auf sich vollständig sicher sein. Er hat
nicht nötig za wissen, was man anter einem über-
mässigen Dreiklang, einem Qnintsextakkord, einem
verminderten Septimenakkord versteht, ohne doch
im gegebenen Palle über die Notwendigkeit und
bestimmte Art ihrer Auflösung im Zweifel zu sein.
Er braucht nicht systematische Studien über
Formenlehre betrieben zu haben, um doch die
ästhetische Logik in der Entwicklung einer Kom-
position und den Einfluss ihres Aufbaues auf die
individuelle Art ihres Vortrages zu empünden:
alles dies unter der Voraussetzung jenes ihm
eig^enen instinktiven Gefühls für musikalische
Gesetzmässigkeit.
Wenn sich schon der in dem dargelegten Sinne
musikalisch zu nennende Hörer in seinem Verhält-
nis zum Kunstwerk gegen den unmusikalischen in
grossem Vorteil befindet, so wird sich jenes Ver-
hältnis noch weit fruchtbarer gestalten, wenn er
die ihm verliehene Naturanlage durch zweckent-
sprechende Studien aus ihrem Naturalismus heraus
zum bewussten Besitz zu erheben sacht. „Was
da ererbt von deinen Vätern hast", könnte man
gerade ihm mit Recht zurufen, „erwirb* es, um es
zu besitzen!* Der hierzu einzuschlagende Weg er-
gibt sich nach unseren Ausführungen von selbst.
Musik-, Harmonie- und Formenlehre sind die
drei Disziplinen, in denen sich der musikalisch
Begabte mehr oder weniger heimisch zu machen
hätte. Will er sein Verständnis noch tiefer gründen,
so mag er sich einen Einblick in die kontra-
punktischen Eonnationen z u versch äffen suchen ,
und nicht zuletzt wird ihn endlich auch die Be-
trachtung der historischen Entwtckelung
unserer Kunst davor bewahren, mit falschen Vor-
aussetzungen und unberechtigten Ansprüchen an
ein Kunstwerk heranzutreten, ihn vielmehr in jedem
Einzelfalle stets den richtigen Standpunkt des Ge-
niessens und Benrteilens gewinnen lassen.
Man kann wohl annehmen, dass wirklich musi-
kalisch heanlagte Menschen auch Spieler eines
Instrumentes sind, obwohl es nicht immer der Fall
zu sein braucht. Es bedarf daher wohl kaum
noch der Betonung, dass neben dem bedachtsamen
Musikhören das praktische Musizieren mehr
als alles andere geeignet ist, die musikalische Natur-
anlage zu entwickeln und zu fördern. Ja, es dürfte
wohl nur geistig ausserordentlich hochstehenden
Naturen, und auch diesen nur unter besonders
günstigen umständen, gelingen, ohne jede eigene
praktische Musikausübung zu einem tieferen Ver-
ständnis des allgemeinen Wesens der Musik und
der Eigenart der einzelnen Kunstwerke hindurch-
zudringen. Das praktische Musizieren hat vor dem
blossen Hören den grossen Vorzug, dass man nicht,
wie bei diesen, das Kunstwerk nur einmal (wer
weiss, für wie lange 2ieit?) am Ohre vorüber-
rauschen zu lassen braucht, sondern dass man es
Fich im Ganzen und in seinen Teilen, nach Wunsch
und Bedürfnis, wiederholt vortühren kann, um da-
durch die Bekanntschaft immer fester zu knüpfen,
immer nutzbringender zu verwerten. Indem man
auf diesem Wege nicht nur die Besonderheiten der
einzelnen Kunstwerke genauer kennen lernt, sondern
vor allem auch das allen echten Kunstwerken
Gemeinsame durch Vergleichung sich immer
klarer zum Bewusstsein führt, muss es Einem ge-
lingen, die Sprache der Musik, ihren Formenreich-
tum und ihren Satzbau immer deutlicher zu er-
fassen, immer inniger zu durchdringen. Es muss
Einem dabei ergehen wie mit der Muttersprache,
die man dadurch, dass man sie von Jugend auf
ausschliesslich hört, allmählich verstehen und ge-
brauchen lernt, ohne ihrer Eegeln und Gesetze,
auch nachdem man sie längst selber richtig anzu-
wenden gelernt hat, als solcher inne zu werden.
Vieles gewohnheitsmässige Hören und Spielen ist
für einen grossen Bruchteil aller Mnsiktreibenden
die einzige Schule gewesen, in der sie, auf dem
Grunde ihrer natürlichen Anlage und technischen
Ausbildung, zu musikah'schen Menschen im höheren
Sinne herangereift und dadurch in die liage ver-
setzt worden sind, ein selbständiges Urteil in musi*
kaiischen Dingen abgeben za können.
Mit Bezug auf das Musik hören möchte ich
zum Schluss die Bemerkung nicht unterdrücken,
dass unsere grossen öffentlichen Konzerte in der
Form, die sie nach und nach angenommen haben,
und mit allen den Nebenumständen, die ihnen not-
wendig anhängen, der richtigen und förderlichen
Aufnahme der Musik nichts weniger als günstig
sind. Die Übergrosse Ausdehnung und verschwende-
rische Ausstattung unserer in greller Beleuchtung
erstrahlenden Konzertsäle, die in die Tausende
gehende Zahl der Zuhörer, deren weitaus grösstem
Teile man schon an den Gesichtern ablesen kann,
dass sie weder Verständnis noch überhaupt Inter-
esse für die zu erwartenden Darbietungen mit-
bringen, die bunte Zusammensetzung der Pro-
gramme, falls es sich nicht gerade um einheitliche
grössere Werke handelt, die langen Pausen, die
von vielen geübte Unsitte des zu spät Kommens
oder zu früh Aufbrechens: alles das ist so recht
dazu angetan, die zum Musikgenuss so unerläss-
liche Sammlung und Buhe des Gemütes von vorn-
herein zu unterbinden, den ruhigen Ablauf des
musikalischen Denkprozesses beständig zu unter-
brechen, etwaige tiefere Eindrücke schon im Ent-
stehen zu unterdrücken. Prunklosere aber reinere
Genüsse verschafft uns der Besuch kleinerer,
intimerer Musikaufführungen, wie Elammeimusik-
konzerte, Liederabende u. dergl., ganz besonders
aber das schon berührte eigene häusliche Musi-
zieren — sei es allein oder mit einigen wenigen
gleichgesinnten Kunstfreunden — , bei dem aktive
und passive Musikpflege fördernd und ergänzend
einander die Hand reichen. Wenn auch die grossen
Orchesterwerke, wenigstens in ihrer Originalgestalt,
von solchen Veranstaltungen ausgeschlossen bleiben
154 —
müssen, so ist dennoch die hier heranzuziehende
Literatur von solchem Umfang and solcher Be-
deutung, dass sie mehr als hinreicht, die schlum-
mernde musikalische Begahung zu wecken, zu
nähren und nach jeder Bichtung bis zur Voll-
kommenheit auszubilden. Und so sei denn auch
in diesem Znsammenhange allen ernsthaft Mn^ik-
treibenden die Pflege der Hausmusik, jener ehe-
dem so hochgehaltenen, heute durch den öffent-
lichen Musik betrieb so arg in den Hintergrund
gedrängten Gepflogenheit des Musizieren», mit be-
sonderem Nachdruck ans Herz gelegt.
Bogelbept HutDperdiocVs M@ie Heirat xifldw SfOl\W\
Von
llr. Karl ütorek.
Die peinlichen Gradmesser der Aufnahme n« uer
Werke in unserem königlichen Opernhanse
stritten sich darum, ob es mehr sei, als ein gewiss
sehr schöner Achtungserfolg, den Humperdinck
mit seiner neuen Oper errungen habe. Ich ging
still für mich und sagte mir: durch etliche un-
barmherzige Striche kann hier eine Spieloper
geschaffen werden, die einen lang anhaltenden
vollen Erfolg haben wird. Mir aber wäre lieber,
der Erfolg wäre kleiner und gälte dem Versuch
einer wirklichen deutschen komischen Oper*
Der.n eine solche ist Humperdinck's Werk leider
nicht; vielleicht aber, gerade weil sie uns in stoff-
licher Hinsicht wertvolle Aufschlüsse bringt, ein
Schritt dazu. Indessen ich will löblich der Reihe
nach verfahren und zunächst den Inhalt erzählen,
der dem älteren Geschlecht aus des älteren Dumas
früher oft gespieltem Lustspiel: „Les demoiselles
de St.-C^'^r" (1843) noch bekannt sein dürfte. Auch
Dellinger hat bereits einmal den Stoff zu seiner
Operette „Die Mädchen von St.-Cyr* benutzt.
Humperdinck hat sich sein Buch selbst geschrieben
und damit, von einipfen Entgleisungen abgesehen,
sicher einen der unterhaltsamsten Operntexte ge-
schaffen, die uns im letzten Jahrzehnt vorgesetzt
wurden. Eine kurze Nacherzählung wird das be-
weisen und gleichzeitig unsere nachherigen Aende-
rungsvorschläge unterstützen
Erster Akt: Die Zöglinge des Fräuleinstiftes
von Sr.-Cyr kommen von einem Spaziergange unter
heiterem Singen zurück; jetzt ein frommer Gesang
zur Madonna, dann verschwinden sie im Hause.
Dieses steht unter der I^eitung der Frau von
Maintenon, die selber, wie das ja mehreren könig-
lichen Maitressen geschah, die ruhige Weisheit, zu
der sie durch ein unruhiges Leben gekommen,
ihren Zöglingen gleich in der Jugend vermachen
möchte. Es herrscht im Hause also strenge Zucht ;
trotzdem gelingt es einer der besterzogenen Damen,
Hedwig von Merian, im Park zurückzubleiben.
Ihr Herz ist in stürmischer Wallung, da ihr der
Graf Montfort zugeiiüstert hat, den Brief, den er
unter der Ulme im Parke verborgen hat, zu lesen
Trotzdem die Liebe auf den ersten Blick in ihr
Herz eingezogen ist, würde sich Hedwig über-
winden und den Brief ungelesen lassen, hätte nicht
ihre Freundin Luise Mauclair die Aufregung lled-
wig^s bemerkt. Nun eilt das lustige, zu allen über-
m fitigen Streichen aufgelegte Bürgerkind der sec-
timental angelegten Freundin zu Hilfe. NatGrIich
muss solch ein Brief gelesen und auch das darin
verlangte Stelldichein zum leutigen Abend be-
willigt werden. Da kliirt ein Schlüssel in der
Pforte, herein tritt Graf Montfort. Hedwig tlleht
ins Haus, aber in Luise hat sie die denkbar bi&to
Vertretung. Fi au von Maintenon muss ihre Schüu-
linge gründlich vor den Herren vom Hofe gewarnt
haben, jedenfalls versucht die Kleine wacker, hintrr
die wahren Absichten des Grafen zu kommeo.
Trotzdem dieser die Beinheit derselben betenert.
traut sie ihm nicht; aber wenn hier ein Spiel
beabsichtigt ist, will bie das Spiel gewinnen. -
Den Grafen lockte in der Tat das Abenteuer.
Freilich ist er recht verliebt in die schöne Hedwig:,
die er beim Schul fest der Anstalt gesehen, aber
heiraten ? — Man geniesst doch nicht umsonst deu
ja von einem Standpunkt aus — und die Herrenwelt^
des ancien regime liannte keinen anderen — be-
neidenswerten Huf eines Don Juän's. Ein Zofail
erleichterte ihm das Eindringen in diesen Park.
Der Herzog Philipp von Anjon, der am nächsten
Ta^e nach Madrid abreisen wird, um als Philipp V.
Spaniens Königsthron zu besteigen, hat den Grafen
mit der Erledigung einer Liebesangelegenheit be-
traut und ihn hierher bestellt. Die schmeichelhafte
Aufforderung, den König als maitre de plaisir na<*h
Madrid zu begleiten, lehnt Montfort ab. Philipp V.
hat in dieser Hinsicht Verständnis für „Liebes-
affären''; so verlässt er allein den Park. Montfort
bleibt zurück. Bei Hedwig hätte er also, da »ie
ihn liebt, leichtes Spiel ; wenn nur diese wachsame
Luise unschädlich gemacht werden könnte. Da
kommt in jenem just richtigen Augenblick, in
dem die Vorsehung der über der Bretter weit walten-
den Gottheit allen Liebesleuten grundsätzlich zu
Hilfe kommt, des Grafen Freund Emil Duval des
Weges. Er hat eigentlich gar keinen Grnnd, so
lustig zu pfeifen, denn in anderthalb Stunden will
er heiraten: eine verarmte, würdevolle Adlige, die
ihm, dem schwer reichen G^neralpächterssohn, den
Baronstitel einbringen soll. Als er aber hört, dass
es hier ein Abenteuer gilt, um das ihn selbst
155 —
Prinzen von Geblüt beneiden werden, ist er natür-
lich gern bereit, seinem Freunde eine Stunde lang
zu helfen. Zum Heiraten kommt man ja immer
noch zarecht, wie er meint; nun, er kommt zu
spät und dadurch zu früh dazu. Indes, zunächst
geht alles nach Wunsch. Duval fängt Luise ab
und überrascht sie durch ein leidenschaftliches Be-
kenntnis seiner Liebe, sodass sie ihre Freundin
völlig aus den Augen verliert. Das heisst: Luise
ist ein so schlaues Kätzchen, vielleicht lässt sie die
Maus nur deshalb so sicher naschen, weil sie des
Fanges sicher isfc. Graf Montfort hat mit Hedwig
^eichtes Spiel; ihr Herz gehört ihm, und als jetzt
die schmachvolle Entdeckung durch das in Auf-
ruhr geratene Stift droht, tiberredet er sie leicht
zur Flucht. Beide Paare — Duval natürlich, um
zur Trauung zu entHiehen — eilen nach der Pforte.
Diese Öffnet sich — davor steht eine militärische
Wache, die die Liebhaber nach der — Bastille zu
bringen den Befehl hat.
Zweiter Akt: Ein Gefängnis in der Bastille.
Kein angenehmer Aufenthalt für einen Grafen,
auch nicht für einen verwöhnten und obendrein
hungrigen Generalpächterssohn. Mit jener ver-
nichtenden Logik, die noch heute das Vorrecht
verliebter Männer ist, wütet Graf Montfort in
rasendem Schmerz. Dass ihn diese reine Maid be-
trog, dass sie ihn verriet, dass er sie — doch nein !
Gewiss, erst hatte er bloss an ein Abenteuer ge-
dacht, aber jetzt spürt er, wie wahrhaft er Hedwig
liebt. Und dass sie ihn an Frau Maintenon verriet,
ist ihm klar. An Luise denkt er in der Ueber-
legenheit männlicher Menschenkenntnis gai-nicht.
Und es gibt gegen Frau Maintenon keinen Wider-
stand. Ein königlicher Kabinetsbefehl ist bereits
erwirkt: die beiden verliebten Herren bleiben so-
lange bei Brot und Wasser in der Bastille, bis sie
den beiden Fräulein von Saint- Cyr durch die Heirat
ihre volle Ehre gegeben. — Nun wohl, so bleibt also
nichts übrig, als diese Heirat wider Willen. Aber
die Frauen sollen es büssen; unmittelbar nach der
Trauung werden die beiden Freunde nach Spanien
an Philipp's V. Hof eilen. So geschieht es. Die
völlig ahnungslose Hedwig bricht darob zusammen;
Luise ist als Frau Duval übermütiger denn je.
Dritter Akt. Heute ist grosses Fest am spani-
schen Hofe, und damit der erste lustige Tag
wenigstens für Duval; denn Montfort kann sein
Erlebnis mit Hedwig nicht verwinden. Er hat
doch wahrhaft geliebt und fühlt sich umso grau-
samer betrogen. Da waren zwei Fran2Ö8innen ein-
geführt. Wie der Gesandte unseren Freunden ver-
rät, haben die Damen ohne ihr Wissen den Auftrag,
den König für sie zu gewinnen und ihn so dem
Einfluss seiner bisherigen Geliebten, der spanischen
Gräün Orsini, zu entziehen. Die beiden Freunde
sind von dem Plan begeistert, denken aber bald
anders, als sie in den beiden Damen ihre Frauen
erkennen. Duval kommt mit seiner Frau schnell
ins Beine. Montfort ist zwar, wie ihm Hedwig
sagt, durch Trennung der Ehe frei, aber jetzt
schlagt die Liebe über ihm ihre Flammen zusammen,
und als er sieht, wie der König um die Liebe
Hedwigs wirbt, tritt er dem Fürsten schroff ent-
gegen, ja lässt sich so hinreissen, dass er den
Degen zieht. Die Wache kommt,, es sieht bedroh-
lich aus; aber den vereinten Bitten der Liebenden
vermag Philipp nicht zu widerstehen. So sind sie
denn glücklich vereint, zumal Luise bekennt, dass
sie es gewesen, die etwas Vorsehung gespielt hat.
Es hat etwas Rührendes, wie der Deutsche
in Humperdinck bei diesem französischen Stoff
sich immer wieder zum Worte meldet und eigent-
lich dadurch die dramatische Wirkung schädigt.
Der Deutsche stösst sich an der leichtsinnigen Art
dieses auf Liebesabenteuerausgehens, wie es hier
geschildert ist, er kommt nicht dahin, eine solche
Don Juannatur als etwas von vornherein Be-
rechtigtes anzusehen und muss sich nun, da doch
dieser Don Juan schliesslich eine sympathische
Bolle spielen . soll, damit abgeben, durch breite
Erklärungen darzutan, dass es eigentlich garnicht
schlecht gemeint war, dass er schliesslich auch
ohne Eingreifen von Zufällen zu derselben, für
unser Gefühl bloss ehrlichen Handlungsweise ge-
kommen wäre, zu der er jetzt gezwungen wird.
Ebenso glaubt der Deutsche es seinem Mädchen-
ideal schuldig zu sein, jede Verdächtigung, als ob
dieses Mädchen durch List und Schlauheit dazu
beigetragen hätte, sich den Geliebten einzufangen,
ausdrücklich entkräften zu müssen. Endlich aber
gar, als ein König sich recht unvermittelt um die
Gunst einer verheirateten Frau bewirbt, wobei der
ganz durchsichtige Zweck ist, dass diese seine
Maitresse werden poll, da widerstrebt dies auch
wieder der deutschen Ehrfurcht vor dem Gedanken
der Majestät, und so geht er hin und macht aas
einem vergnügungssüchtigen Lebemann die fast
tragisch wirkende Erscheinung eines Einsamen auf
der Höhe des Thrones, der sich da unglücklich
fühlt und nur durch die verstehende Liebe eines
reinen Mädchens getröstet werden kann. Diese
drei Punkte, in denen der Deutsche in Humper-
dinck zum Ausdruck kommt, daneben freilich noch
viele kleine einzelne Worte, haben den Erfolg seiner
komischen Oper wesentlich beeinträchtigt. Wenn
der Komponist sich entschliesst, diese Teile weg-
zustreichen, was garnicht schwer ist, da sie ja mit
dem Organismus des französischen Stoffs garnicht
verwachsen sind, so wird sein Werk als Spieloper
einen viel einheitlicheren Eindruck machen, schlag-
kräfti;^er und damit erfolgreicher werden. Das
französische Vorbild gibt dazu die beste Lösung
an, da dort König Philipp im Einverständnis mit
den beiden Frauen steht und nur zum Schein den
Liebesantrag stellt, um Montfort zu reizen. Ein
altes, aber immer wirksames Bezept im Kampf der
Frau mit und um den Mann.
Auch dem Musiker in Humperdinck hat sein
Deutschsein bei dem fremden Stoff Schwierig-
— 156
keiten bereitet. Wie ia so zahllosen französischen
Lustspielen and Opern , haben wir aach hier die
zwei verschiedenen Paare. Das eine, in diesem
Falle bürgerliche, von zugreifender Derbheit, aus-
gelassen lustig, genussfreudig und lebensklug; das
andere, hier adlig, etwas sentimental, schwärmerisch
und leicht bei dem Höhenwandel seiner Gefühle
den Einblick in die tatsächlichen Verhältnisse ver-
lierend. Bei sämtliche}! französischen Komponisten
und Dichtern kreuzt sich dann das Wesen dieser
Art, oder wenigstens hat das hohe Paar immer
einen ^anz gehörigen Einschuss von der Lebensart
des niederen. Zu einer solchen Gestalt von Un-
schuld und Edelmutsftille und dabei völliger Un-
fähigkeit, einer schweren Lebensprüfung anders
als mit Tränen und Duldung entgegenzutreten,
wie sie hier Humperdinck aus dem einen Stifts-
fräulein gemacht hat, hätte sich ein französischer
Komponist niemals verstiegen. Sind in der franzö-
sischen Oper die Herren der Schöpfung Lebelente,
die soviele der Blumen zusammenraffen, als sie
erreichen können, so wissen hier auch die tugend-
haften Prauen ganz genau um diese Art der
Männer Bescheid und begegnen ihnen darum,
wenigstens theoretisch, mit denselben Waffen.
Humperdinck, der auf der einen Seite für das
lustige Paar den übermütigen Ton der französischen
Spieloper sehr gut getroffen hat, nahm das Leiden
und Empfinden der anderen Hälfte so ernst und
schwer, dass er hier ganz ins Fahrwasser des
ernsten Musikdramas hineingeriet. So geht ein
schwerer Zwiespalt durch den Stil des Ganzen,
der natürlich nicht zu heilen ist, aber durch die
angeregten Kürzungen wenigstens abgeschwächt
würde, da diese fast ganz diese ernste Seite des
Werkes träfen.
Ergibt sich schon hier immer als Schluss der
Gedanken reihe, dass wir eine echte deutsche
komische Oper nur auf Grund eines deutschen
Stoffes erhalten werden, so gilt das doppelt von
einer Natur, wie der Humperdinck's. Sicher ist er
kein Musiker von wirklich schöpferischer Eigenart.
Wir dürfen nicht vergessen, dass auch in „Hansel
und Gretel'* der thematische Gehalt, in dessen Ge-
staltung sich doch die elementare Schöpf nngskraft
zuerst äussern müsste, fast ganz aus dem Schatze
der deutschen Volksmusik geschöpft war. Humper-
dinck's grosse Kunst beruht in der Feinheit der
Verarbeitung eines Gegebenen. Er ist mehr Ciseleur,
als Modellierer, mehr Goldschmied, als Plastiker.
So auch in seinem neuesten Werk. Die Partitur
weist in der Orchestrierung und in der Verarbeitung
des thematischen Materials eine Fülle feinster Zöge
auf. Aber die Melodieerfindung an sich ist, trotz-
dem sie von eigentlichen Entlehnungen sich frei-
hält, nirgends von charakteristischer Eigenart.
Darum, so schön alles klingt, so liebenswürdig und
gewinnend der Vortrag stets ist, wir vermissen die
schöpferische Persönlichkeit. Humperdinck hat
offenbar für dieses Werk die französische Chanson
besonders eifrig studiert und hat sowohl für die Poin-
tierung des Vortrags, wie für die leichte Bewegung
einer aus der Sprache herausblühenden Melodik
davon sehr viel gelernt. Aber wieviel ansgiebiger
und glücklicher hätte gerade er bei einem deutschen
Stoffe wieder aus dem unerschöpflichen Borne
deutscher Volksmusik schöpfen können! Wie ganz
anders hätte seine an unseren alten Meistern ge-
schulte Art der thematischen Verarbeitung sich
dann im Einklang mit dem thematischen Material
befunden. Damm muss es gerade jetzt, wo wir
den Stil der deutschen komischen Oper suchen,
oberstes Gesetz werden: deutsche Komponisten,
wählt deutsche Stoffe. Sonst erbalten wir
allenfalls eine Bereicherung unseres Spielplans,
nicht aber die neue Gattung, die uns nottnt.
Zwei unserer angesehensten Gesangslehre-
rinnen führten ihre Schüler in grösseren Auffäh-
rungen dem Publikum vor: Frl. Cornelie van
Zanten xmd Frl. Emilie von Gramer. Ueber
die Leistungen der letzteren hatten wir schon
wiederholt Günstiges berichten können und er-
freuten uns auch diesmal wieder an den Dar-
bietungen. Neben der vorzüglichen Aussprache,
der sicheren Intonation befriedigte besonders die
frische und feinsinnige Auffassung, die durchweg
einen Zug von gesunder Natürlichkeit zeigt. Bas
geschmackvoll zusammengestellte Programm nüt
auserlesenen Perlen unserer Liedliteratur trug das
Seinige zum Gelingen bei.
Sehr interessant waren auch die Vorführungen
Frl. van Zanten*s. Bei tadelloser Intonation ent-
wickelten die meisten ihrer Schüler und Schüle-
rinnen einen vollen, schönen Ton, überall war die
äusserst sorgfältige Schulung, das Streben, in den
Geist der Tonstücke e nzudringen. bemerkbar.
Sololieder wechselten mit Duetten und Terzetten,
eine Keihe nordischer Komponisten, wie Kor
Kuiler, Cath. van Rennes, Henri Vink, FI.
van Duyse kamen mit ihren Schöpfungen za
Wort und gestaltete sich auch dadurch die Auf-
führung, die zum Besten eines unbemittelten
Schülers stattfand, zu einer sehr anregenden.
Mitteilungen
von HoohBohulen und Konservatorien.
Das von Gustave Charpentier vor einigen Konservatorium" hat seine Pforten schliesaen
Jahren in Paris ins Leben gerufene „Mimi Pinson- müssen. Das Institut bezweckte eine Art mnsi-
157 —
kalificher Volksschule zu sein, in der Arbeiterinnen,
Nähmädchen, Putzmacherinnen u. s. w. unentgelt-
lichen Unterricht in verschiedenen mit der Musik
in mehr oder weniger engem Zusammenhang
stehenden Disziplinen erhielten. Die Bebucherinnen
der Schule konnten Tonleitern und Volkslieder
singen, Klavier. Violine, Harfe, Mandoline, auch
Orgel spielen, deklamieren« tanzen und fechten
lernen, und die Idee fand bei den Pariser Midinettes
soviel Anklang, dass die Unterrichtsstunden stets
gut besucht waren. Aber da die Stadt und der
Staat, auf deren tatkräftige Unterstützung des
Unternehmens gerechnet worden war, sich nur mit
kaum nennenswerten Beiträgen beteiligten und die
Privatwohltatigkeit auch hinter den Erwartungen
zurückhlieb, stellte sich bald das Gespenst eines
starken Defizits ein. Obarpentier selbst beglich
nach dem ersten Greschäft'tjahr die Fehlsumme von
24100 Pres, aus seiner Tasche, da er aber seiner
Gesundheit wegen ein südliches Klima aufsuchen
musste, verlor das Institut seinen grossherzigen
und freigebigsten Göoner, sodass es zu bestehen
aufhörte.
Das „Konservatorium der Musik^^ von Max
Pohl, Schöneberg-Berlin, hat sich in kurzer
Zeit einen guten Ruf erworben und z<)igte durch
sein 2. Öffentliches Prüfungskonzert, mit welchem
Ernst und welcher Gründlichkeit in technischer
und musikali'-'eher Hinsicht unter der gewissen-
haften Fährung des Leiters an der 'Anstalt ge-
arbeitet wird. Die jüngeren und vorgeschritteneren
Schüler der Klavier- und Violinklassen — letztere
aus den Klassen des Herrn Jängerich — legten
beredtes Zeugnis davon ab. Herr Emil Severin,
Gesanglehrer der Anstalt, unterstützte die Auf-
führung durch den meisterhatten Vortrag einiger
Loe welscher Balladen und Seh über t'scher Lieder
und errang wohlverdienten Beifall.
Die Osterprüfungen der Frankfurter Musik-
schule — Direktorin Frl. Sophie Henkei —
fanden in den Tagen vom 12. bis 18. April statt-,
in 6 Aufführungen mit reichhaltigen, geschmack-
voll zusammengestellten Programmen hatten An-
fänger und Vorgeschrittenere Gelegenheit, Zeugnis
von dem abzulegen, was sie unter zielbewusster,
den künstlerischen Höhepunkten zustrebender
Leitung gelernt. Es produzierten sich Zöglinge
aus den Klavier-, Violin- und Gesangs-Klassen der
Damen Henkel, Westenberger, Klein, Anthes, Recke
Blijenburg, Benkard, der Herren Thomas, Ratzka,
Aschaffenburg, Rode, Appunn und Kahl. — Das
Sommersemester hat am 4. Mai begonnen.
Das Konservatorium der Musik von Oskar
Krain zu Breslau bot in seinem letzten Konzert
hochanerkennungswerte Leistungen. Das Pro-
gramm setzte sich zusammen ans: Mozart „C-moll
Fantasie* mit dem von Edward Grieg dazu ge-
setzten zweiten Klavier, Beethoven, „Romanze*
für Violine und Klavier und „C-moll Klavierkonzert',
Haydn „G-dur-Sonate" für Violine und Klavier.
Alle Vorträge waren auf's sorgfaltigste einstudiert,
wurden rhythmisch fest und plastisch und musi-
kalisch feinfühlig vorgetra^i^en, ebenso lobenswert
war das Zusammenspiel. In der Mozart'schen
Fantasie und der Romanze hatte Herr Krain selbst
das zweite Klavier übernommen.
Das Musikinstitut von Minna Körner in
Gi essen veranstaltete zur Einweihung seines
Konzert-Saales in dem Neubau an der Westanlage
eine Beethoven-Soiree, ausgeführt von Schülern
und Freunden der Anstalt und Frl. Kömer selbst.
Ein poetischer Prolog von Ernst v. Wilde nbruch
leitete die Feier stimmungsvoll ein.
Das Brandenburgische Konservatorium
der Musik. Direktor Bruno Kittel-Berlin, ver-
anstaltetein der Philharmonie eine Aufführung seiner
Opern- und Schauspielschule. Das „Schülerorchester*
des Instituts, dem der Leiter eine ganz besondere
Sorgfalt zuwendet, eröffnete den Abend mit Richard
Wagner 's , Kaisermarsch", der flott und lebendig
zu Gehör kam; ganz besonders gelang den jugend-
lichen Spielern später die .Freischütz-Ouvertüre",
die schwungvoll, mit trefflicher Nüanzierung und
rhythmisch straff ausgeführt wurde. Die weiteren
Gaben des Abends bestanden u. a. in Szenen aus
dem „Freischütz", in denen besonders die Chor-
leistungen zu rühmen waren, und dem Lustspiel
»Renaissance^^
Yermlschte
Professor Julius K niese, der Leiter der
Wagner-Stilschule zu Bayreuth, ist am 24. April
in Dresden am Herzschlag gestorben. Mit ihm
ist eine künstlerische Persönlichkeit dahingeschieden,
deren Wirken auf's innigste mit den Bayreuther
Festspielen seit mehr als zwei Jahrzehnten ver-
knüpft war. Kniese, am 21. Dezember 1848 zu
Roda in Altenburg geboren, erhielt seine musika-
lische Ausbildung durch Brendel und Riedel in
Leipzig. Im Jahre 1876 wurde er Dirigent des
RühTschen Gesangvereins und des Wagnerver-
eins in Frankfurt a. M., 1884 städtischer Musik-
Nachricliten.
direktor in A a c h e n. Im Jahre 1889 siedelte Kniese,
der sich bereits bei der Einstudierung der Chöre
der ersten Parsifalaufführungen (1882) hervorgetan
hatte, ganz nach Bayreuth über. Hier fand er,
einer der begeistertsten Wagnerkenner, Gelegenheit,
im Sinne des Meisters zu wirken; er stand der
Wagnerstil schule vor, er suchte für die Festspiele
geeignete Kräfte, er beteiligte sich an den Ein-
stndierungen, und gar manche Bayreuther Gresangs-
grösse wurde von Kniese in den Bayreuthstil ein-
geführt. Die grosse Gemeinde der Wagner- Verehrer
wird dem Dahingeschiedenen als einem der be-
— 158 —
rnfensten Hüter der Wagnerischen Hinterlassen-
schaft ein ehrenvolles Andenken bewahren.
Das Programm nnd die Solisten der Bach-
konzerte der Berliner Sing-Akademie in
Eisen ach am 26. nnd 27, Mai sind nun endgiltig
festgestellt. Es kommen ausser der Johannis-
Passion am 26. Mai nnd der Matthäus-Passion
am 27. Mai an Orchesterwerken das 1. Branden-
burgischeKonzertF-dur, das Doppelkonzert
für 2 Violinen D-molI, das Doppelkonzert
für 2 Klaviere C-dur, sowie eine Sopran- Arie
mit Violinsolo aus der Cantate ^Gott, man
lobet dich in der Stille* und die Suite in
D-dur (mit dem Air) zur Aufführung. In den
Passionen werden Frau Grumbacher-de Jong,
FrauMeta Geyer-Dierich, Frau Geller- Wolter
und Frau Walter-Choinanus. sowie die Herren
Dierich, Georg Walter, Messchaert, van
Eweyk, von Milde und Halir mitwirken. Das
Konzeit am 27. Vormittags werden neben den
Berliner Philharmonikern Prof. Joachim
und Halir, Frau Teresa Carreiio, Prof Georg
Schumann und Frau Grumbacher-de Jong
aui'f Uhren.
Bestellungen auf Sammelbillets, für die
3 Konzerte giltig, zu 20, 15, 10 Mk. nimmt die
Brunn er 'sehe Hof-Buchhandlung in Eisenach
entgegen; auch in der Sing-Akademie zu Berlin
wird über Billets, ihre Bestellung und andere diese
Konzeite betreffenden Angelegenheiten Auskunft
erteilt.
Die vierte Preisbeweibang um den Rubin-
steinpreis im Betrage von je 5000 Francs für
Komponisten und Pianisten findet am 3. August
I9ü5 in Paris statt. Das Programm des Wettbe-
werbs ist folgendes:
a) Für Komponisten: L. Konzertstück für
Klavier mit Orchester. Es sind zwei Exemplare
der vollständigen Partitur eiozureichen, ferner ein
Exemplar der üebertragung der Orchesterpartie
für ein zweites Klavier, sowie die Orchesterstimmen,
und zwar ausser für Bläser und Schlagzeug je 3
für erste und zweite Violinen, und je zwei für
Bratschen, Violoncell und Kontrabass. 2 Eine So-
nate für Klavier allein oder mit einem oder mehreren
Streichinstrumenten. Einzaliefern sind zwei Exem-
plare der Komposition und je ein Exemplar
der dazu gehörigen stimmen. 3. Verschiedene
kleine Klavierstücke, in zwei Exemplaren jedes.
Die Stücke, die noch nicht veröffentlicht sein
dürfen, muss der Autor selbst vorspielen.
b) Für Pianisten: 2. und 3 Satz des Rubin-
stein'scheu G dur-Konzertes mit Orchester. Ein
Präludium mit vierstimmiger Fuge von Bach, ein
Andante oder Adagio von Haydn oder Mozart,
eine der Boethoven'schen Sonaten op. 78, 81, yj,
101, 106, ICl». 110, 111, eine Mazurka, ein Nocturne
und eine Ballade von Chopin, ein oder zwei
Nummern ans den „Fantasiestücken-^ oder der
„Kreisleriana" von Schumann und eine Etade
von Liszt.
Nähere Auskunft erteilt die Societe Im-
periale Russe de Musique in Petersburg.
Heinrich von Kleist^s „Kätchen von Heil-
bronn", in der neuen Bühnen Einrichtung des
t>essauer „Herzoglich.en Hoftheaters** (be-
arbeitet von Prof. Dr. Arthur Seidl), ging am
ersten Osterf eiertage am Stadttbeater zu Görlitz
vor ausverkauftem Hause mit Erfolg in Szene.
Händeis „Messias", in der Bearbeitung von
Dr. Chrysander, wurde von der deutseben .Gesell-
schaft für Kunst und Wissenschaf f* zu Posen
unter Leitu Dg von Prof. Hennig in wohlgelungener
Weise aufgeführt. Die mitwirkenden Solisten
waren: Fr. Dierich Geyer, Frl. Müller-Hansen,
die Herren Dierich und Heinemann.
Der Pianofortefabrikant Ibach in Berlin, In-
haber der Firma Rud. Ibach Sohn in Barmen,
erhielt vom Kaiser von Oesterreich das Prädikat
eines k. k. Hof-Pianofortefabrikanten.
No. 81 der Mitteilungen der Musikalien-
handlung Breitkopf &Härtel in Leipzig trägt
das Bild des jüngst verstorbenen Mnsikgelehrten
Robert Eitner und wird in einem ausführlichen
Abschnitt über Leben und Werke den Leistungen
dieses Forschers gerecht. Von der im Gange be-
lind liehen Gesamtausgabe der musikalischen Werke
von Peter Cornelius sind nun die Lieder, die
Chöre und die Oper „Der Barbier von Bagdad'* in
Origiiialgestalt erschienen. Gleichzeitig herans-
gegebene Volks- und Einzel-Ausgaben sollen diesen
Werken in allen musikliebenden Kreisen Eingang
verschaffen. Die Gesamtausgabe der Balladen nnd
Gesänge von Carl Loewe wurde vor knrzem
vollendet und umfasst in 17 Bänden über 5<)0
Nummern. Die Internationale Musikgesell-
schaft gibt ihre neuen Aufgaben und Ziele bekannt
und wendet sich werbend an alle emstgesinuten
Musiker nnd Frennde der Musik. Der neue Jahr-
gang der Denkmäler der Tonkunst in Oester-
reich enthält den 2. Teil des Opus musicnm von
J. Handl und 16 Violinsonaten von H. F. Biber.
Für die Denkmäler deutscher Tonkunst
1. Fol^e sind im Stich: F. W. Zachow's Gesammelte
Werke. An neuen Aufführungen von Opern aus
dem Verlage von Breitkopf <fe Härtel sind zu
nennen: „PepitaJimenez" vonJ. Albenitz(Brüssel),
„die Blinde* von V. Neuville (Kiel), „Eddystone*
von A.Wallnöfer (Nürnberg, Fürth). Für Deutsch-
land wurde übernommen „Der Roland von Berlin"
von Leoneaval lo. Umfangreiche Berichte über
erschienene und demnächst erscheinende Bücher
beseht iessen das Heft.
'■''-<9^^^-
— 159 —
Bücher und Musikalien.
Rudolf Schwartz: .Jabrbnch der Mnsikbibliothek
Peters für 1904^.
i\ F. Peteri, Laipilff.
Das Jabrbncb der Masikbibliotbek Peters ent-
hält, wie immer, eine Fülle anregenden Stoffes.
Der einleitende Artikel berichtet über die Benutzung
der Bibliothek und über den Neuerwerb von
Werken aus der älteren und neueren Musikliteratur,
unter den älteren Werken ist als besonders wert-
voll hervorzuheben die Handschrift eines „Gra-
duale aus der Mitte des 15. Jahrhunderts^, ein
Pergamentkodex mit ]2 schönen Miniaturen in
Farben und Gold und zalil reichen Initialen. Die
Noten in der Form der Nota quadratae, die F-Linie
rot, die C -Linie gelb. — Der Schluss des einleiten-
den Artikels bringt die Zusammenstellung der am
meisten benutzten Werke. Das Jahrbuch enthält
folgende Aufsätze: Max Seiffert: ,,Neue Bach-
Funde^S — sie stützen sich aaf eine gleichfalls
handschriftliche Neuerwerbung der Bibliothek, die
Sammlung MempelTs und Preller's. Hermann
Kretzschmar lieferte 2 Artikel: „Die musikge-
schichtliche Bedeutung Simon Mayr's" und
„Kant's MuKik auf fassang und ihr Einüuss auf
die folgende Zeit." Bichard Wallaschek be-
spricht „Das ästhetische Urteil und die Tages-
kritik" und Paul Müller veröffentlicht eine Reihe
bisher ungedrackter Briefe von ,Hugo Wolf an
Paul Müller". Den Beschluss bildet das von dem
Herausgeber Rudolf Seh war tzzasam mengestellte
Verzeichnis der in allen Kulturländern im Jahre
liH)-4 erschienenen Bücher und Schriften über
Musik; es füllt die stattliche Zahl von 45 doppel-
spaltigen Seiten. ^^^ ^^^^^,,
Albert Becker, Werke für Violine und Pianoforte.
Band IL
Brelikopf k llirtely Letpslpr*
W^enn Becker's Werke auch keinen besonders
originellen Charakter tragen, so sind dieselben
doch immer von solchem Ernst und solcher Würde
durchdrungen, dass sie in der musikalischen Welt
öfters zum Vortrag gebracht werden sollten.
Leider sind die Kompositionen für das grosse
Publikum nicht sehr geeignet und nicht sehr
dankbar. Becker teilt das Geschick mancher sehr
tüchtiger Komponisten, wie z B. Herzogenbeig^s.
Solche Männer, die für die Tonkunst immerhin
manches Schöne geschaffen haben, werden nur von
einer kleinen Anzahl von Kennern richtig geschätzt.
Die „Ballade", op. 47 No. 1, dem bekannten
Geiger Fritz Strnss gewidmet, enthält keine
grossen technischen Schwierigkeiten, will aber
sehr fein vorgetragen sein, wenn sie wirken soll.
Der Klavierpart ist vielleicht verhältnismässig
schwerer als die Solostimme. Man könnte nnr
wünschen, dass Becker's Kompositionen von
Künstlern mehr beachtet, und bald einmal vom
Kx)nzert-Podinm aus zum Vortrag gebräche würden.
Auch das „Scherzo", op. 47 No. 2, in virtuoser
Weise wiedergegeben , wird seine Wirkung sicher
nicht verfehlen. ^^^^^^^^ Löwenthal
Fr. Chopin, op. 22, „Andante und Polonaise.* Für
Pianofoite und Orchester bearbeitet
von Xaver Scharwenka.
Breitkopf * HSrtel, Leipzif.
Fr. Chopin^s Andante und Polonaise enthält
schon an sich eine Reihe ans Orchestrale streifender
Wirkungen, dass es ein glücklicher Gedanke war,
dieses Werk für Pianoforte mit Orchesterbegleitung
zu setzen. Scharwenka ist hierbei mit feinstem
Empfinden und künstlerischer Pietät zu Werke
gegangen und hat die Aufgabe, ein vorzüglich
wirkendes Ensemblestück herzustellen, bestens ge-
löst. Alles ist von schöner, symphonischer Arbeit,
die Instrumentation nirgends aufdringlich und dem
Pianoforte bleibt immer der Vorrang gewahrt.
Die Bearbeitung sei als Tat eines ausgezeichneten
Musikers und Künstlers angelegentlichst empfohlen
Alexander Friedrich von Hessen, op. 2. Phan-
tasiestück für Pianoforte.
ficnit GermaBs A Co., Beyensbvrff.
Ein schönes, gehaltvolles Stück für Pianoforte,
Brahms zugeeignet und nach Inhalt und Faktur
auch Brahms'schem Geiste eng verwandt, von an-
ziehendem musikalischen Inhalte, guter Verarbeitung
des Gedaukenmaterials und vornehm im Ausdruck,
dabei von angenehmer Spielbarkeit. Die Spieler
werden mit diesem Phantasiestück (D-dur) eine er-
freuliche Bekanntschaft ma(*hen.
Eu/en Segnitz.
Vereine-
Mii8ik*Sektioii
des AUg. Deutschen Lehrerinnen-Yereins.
5« Generalfergammlong
am 11. und 12. Juni 1905 in Bremen.
Wortlaut der eingegangenen Anträge:
Musikgruppe Danzig.
Die Musikgruppe Danzig beantragt, in die
Statuten der Musiksektion einen Paragraphen auf-
nehmen zu wollen, in dem bestimmte Bedingungen
festgesetzt sind, unter denen sämtliche Musikgruppen
ihre ordentlichen Mitglieder aufnehmen dürfen.
Musikgruppe Siegen.
1. Dass die Vorsitzende einer Kommission nur
noch einmal als Vorsitzende einer andern Kom-
mission gewählt werden kann.
— 160 —
2. Mittel und Wege zu suchen, um dem Wett-
bewerb der Elementarlehrer im musikalischen
Privatunterricht erfolgreich zu begegnen.
Frl. M, Diller, Danzig, und Frl. A. Ax, Siegen,
beantragen, die Handhabung der Propaganda um-
zuändern, damit letztere eine intensivere Aus-
dehnung erfährt
Musikgruppe Dresden.
Die Musikgrni)pe Dresden beantragt, die
Generalversammlung wolle beschliessen. dass die
Gruppen nicht verpflichtet sind, Mitglieder, welche
bereits einer andern Gruppe der Sektion angehörten,
ohne weiteres aufnehmen zu müssen.
Musikgruppe Berlin.
Die Generalversammlung wolle beschliessen,
in der nächsten Geschäftsperiode von dem aufge-
stellten Programm der Satzungen den
S I No. 1 :
„Gründliche Ausbildung für alle Zweige des musi-
kalischen Lehrberufs" energisch in Anj^riff zu
nehmen.
Julie Müller- Lieben walde-B erlin.
Die Generalversammlung wolle beschliessen.
dass angesichts der zu erwartenden Reformen auf
dem Gebiete des Schulgesangunterrichts die An-
stellung von Fachgesanglehrerinnen an
Mädchenschalen und an Lehrerinnen-
Bildungsanstalten als zeitgemässe Forderung
aufgestellt und in einem Antrage eingereicht
werde :
1. an den Herrn Minister für Kultusange-
legenheiten in Preussen;
2. an das Preussische Abgeordnetenhaus;
3. an den Deutschen Reichstag.
Im Zunammenhange damit würde die For-
derung einer staatlichen Prüfung ement ein-
zubringen sein, womit zugleich die Frage der
Reziprozität in den einzelnen Bundesstaaten zu
verbinden sein würde.
Julie Müller-Lieben walde-Berlin.
Die Generalversammlung wolle beschliessen,
zu dem nächsten Runsterziehungstag eine
Vertretung der Musik-Sektion abzuordnen,
da auf seinem Programm in erster Linie die Musik
resp. der Schulgesang zur Beratung steht. Wie
verlautet, wird die Tagung im August d. Js. in
Bayreuth sein.
Musikgruppe Königsberg.
Die General versammlunc: wolle beschliessen.
für die Musiksektion ein Verbandsthema aufzu-
stellen, zu dessen Bearbeitung die Musikgruppen
unter den im A. D. L. V. herrschenden Bestim-
mungen heranzuziehen wären.
Bestellungen auf Wohnungen, mit der Angabe,
ob Hotel, Privatwohnung oder Freiqnartier,
sind bis zum 20. Mai an Fräulein J. Meyer -
holz, Grünen Weg 24, zu richten, Frl. G. Höpken,
Bremen, Beim steinernen Kreuz 17, erteilt Aus-
kunft in Sachen der Musikgruppen.
Der Vorstand.
L A.
Sophie Henkel,
I. Vorsitzende.
Anzeigen.
Konservatorium der Musik
in Kassel.
Gegr. 1896. Direktion: L Beyer. Gegr. 1895.
EhreBTOrsltl : B«cpenixiK:s-Prä8ident tob Trott i« Sals,
Grsf ESBlffMorir, Bxoellens Ganeralin tob Coloab,
Oberbürgermeister MflUer u. A.
Cvratoriam: Pfarrer Hmo, Sohnldirektor Prof. Dr. Eni»-
■leekert Bankier Plast, Jnsüirath SehelTer u. A.
Lehrer : Die Damen : L« Beyer, BlaBsl-rSreter, Königl. Opem-
■ÜDgerin, Gleeee-FabronI, A. Taadlea. Die Herren:
A. HartdegAB, Kammerrirtnos, Prof. Dr. Möbel,
O. Kaietech, Kgl. Kammermnaiker, K. KletaaiaBB,
Kffl. Opernsänger, W. HOBbaapt, Kgl.Kammermnaiker,
Bd. Hehaildt, Kgl- Kammermusiker, H. HehBarbaach,
KgL Kammermosiker a. A.
ÜBterrichtfftcher: Klavier, VicUne, Cello, Harfe und alle
übrigen Orohesterinatromente. Gesang, Harmonie-
and Kompositionslehre. Ifusikgeschiobte. Italienisch.
OrchesterspieL Oebörübong. linsikdiktat.
OrganisatlOB : ConoertUassen. Seminarklassen. Ober-,
Mittel- und Elementarklassen.
Ktatatea sind kostenfrei sn besiehen dnreh die Schriftleitang
des Konservatoriums Kassel, Wilhelmshöher Allee 48.
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Adressen-Tafel.
5 Zellen lO Hk. JAhrllch, weitere 5 Zellen 5 nk.
Prof. €. Breslaues K^nsmatoriuin und Seminar.
Direction: Gustav Lazarus.
Berlin N.W., Luisen-Str. 36. Berlin W.» BUlowstr. 3 (am Noiiendorfpiatz).
Spreohstonden: 5—6, Mittwochs u. Sonnabends 10—12.
Spreohstanden : 8—10 n. 1—2.
Aufnahme jederseit.
Erste Lehrkräfte, vollständige musikalische und pädagogische Ausbildung. Elementarklassen.
Prof. Siegfried Ochs.
Dirii^ent des „Philharm. Chores".
Berlin W., Bendler-Strasse 8.
Sprechet nur v. 1 1—12 Uhr Vorm.
Franz Gruniclce,
Orgel, Klavier, Harmonielehre.
Berlin W., Steinmetzstr. 49 ^i
Martha Remmert,
HofpianiBtin, Kammervirtaosin.
Berlin W., Tanenzienstr. 6.
Pianistin.
Bertin W , Nene Winterfeldstr. 15.
Konzert- Venr.: H. Wolff, Berlin.
Flora Scherres-Friedenthai
Pianistin.
Berlin-Chariottenburg,
Kantstr. 160a.
Prof. Jul. Hey'S Gesangschule.
Berlin W- Eisholzstrasse sn,
am Botanischen Garten.
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Ck>ncert8ängerin - Sopran.
Sprechstunde: 3—4.
Prof. Felix Schmldf.
Berlin W., Taoenzlenstrasse 21.
Elisabeth ealaitd
Cbarlottenburg-Berlin
0oetbestras$e SO.
Husbtldung im bdbercfi
KUpicrepul tiadi Deppc'ecben
Grundsätzen«
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BerUn> IF., Sehapersir. 35.
€iiiilie 0. gramer
Gesangunterricht (Meth. Marchcsi).
Berlin, Bayrentherstr. 27.
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Pianist.
Berlin W., Pasunerstrasse 26.
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Konsert- u. Oratoriexia&ngerin (Alt)
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Berlin W., Gaishersstrasse 17U.
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Naunhof (Baünhnte Leipzig-Döbeln-Dresden) von Juni bis einschl. September
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Herren und Damen vom Lehrfach, sowie auaflbende Künstler, die Unterricht
nehmen wollen, sind gebeten, event. vorher schriftliche Klarlegung ihrer stimmlichen
Veranlagung, sowie eines von einem Arzt ausgestellten Berichtes über ihren allge-
meinen Gesundheitszustand einzusenden.
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Berlin W., Habsburger Str. 4.
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Tonhildnng und Gesangstechnili
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wandten musikalisch - physiologischen
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Elisabethenstrasse 86.
Direktion: Prof. Ph. Schmitt.
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Centralleitung: Berlin W., Luitpoldttr. 43.
Auszug aas dem
Stellenvermittlungs-Register.
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Stimmbildang, wünscht geeigneten Wirkangskreis
an einem grössei-en Institute. Beteiligung eventl.
Kauf einer gut renommierten Schule nicht aus-
geschlossen.
Eine vorzügliche G«saDg»pädagogfn, die »it-h
durch 8chriftstelleri«che Arbeiten auf diesem Ge-
biete einen Namen gemacht hat, sucht Eogage-
ment an einem Kontervatorium.
Eine tttchtigA Klavierspielerin und Lehterin,
ausgebildet am Müncheuer Koufervatorium, sucht
Stellung an oiner Musikschule.
Meldungen sind zu richten an die Central-
leitung der Stellenvermittlung der Musiksektion.
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Komponisten: Caldara, Chembinl, Bach, Hasse
bis herauf zu Grell, Mendelssohn, Blumner,
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Näheres unter „Frauenchor" an die Ezp.
dieser Zeitsclir.
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125 blograpbltcbe Skizien aus der Gegenwart.
Von
Anna Morsch.
Das obige Werk wurde im Auftrage des
Deutschen Fr auencomitö's für die Welt-
ausstellung in Chicago verfasst und enthält
die biographischen Skizzen von ca. 125 Tonkünst-
lerinnen: Komponistinnen, Musikschriftstellerinnen,
Sängerinnen, V irtuosinnen des Klaviers, der Violine
u. s. w.
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Verlag „Der Klavier-Lehrer'' (M. Wolff), Berlin W. 50.
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lt. Aufl. - Musikgeschichte, 2 Bände, lt. Aufl. ~ Musikinstrumente, ». Aafl. -
Orchestrieruno. — Orgel, 9S. Aufl. — Partitursplei. — Phrasierung, 98. Aufl.
Ferner: Vokalmusik, brosch. 2,25 Mk., geb. 2,75 M.
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C. Schroeder. — Taktieren und Dirigieren von C. Schroeder, 2. Aufl., brosch. je 1,50 M., geb. I,M> M. — Zitherspiel \*on
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'^^'^
Zweiter
Musikpädagogischer Kongress
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Vorträge und Referate
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von dem Vorstände
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Masikpadagogisehen Verbandes«
(Eigentum des Verbandes.)
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unterrichta an höheren Mädchenschulen und der
Chordirektion.
= DARMSTADT, Moserstrasse 15. =
P. PABST, Musikalienhandlung, Leipzig.
« Der Ffllirer dos Pianisten *
von Edmund Georg!
erscheint soeben in 2. weseDtlich verbesserter und
verm. deutsch -englischer Ausgabe.
gr. 8^ 112 S. Pr^ls 2 Mk.
Empfohlen von ersten Autoritäten.
Im „Klavier-Lehrer** vom 15. VI. 1904 bezeichnet
Anna Morsch das Werk als einen , höchst prak-
tischen und mit grosser Literaturkenntnis
zasammengestellten^ Führer, in welchem durch
eine besondere Rubriziernng eine Klarheit geschaffen
wurde, die man in allen bisherigen Führern vermisst.
C. BECHSTEIN,
Fltti^el- und Pianino-Fabrikaiit,
Hoflieferant
Sr. Maj. des Kaisers von Deutschland und Königs von Preussen,
Qirer Maj. der Kaiserin von Deutschland und Königin von Preussen,
Ihrer Maj. der Kaiserin Friedrich,
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Ihrer Maj. der Königin Regentin von Spanien,
Sr. Königl. Hoheit des Prinzen Friedrich Carl von Preussen,
Sr. Königl. Hoheit des Herzogs von Sachsen-Coburg-Gotha,
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Der Klavier-Lehrer.
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Ors:an der Deutschen Muslklehrer- Vereine,
der Musik- Sektion des fl. D. L-V. und der Tonkunstler- Vereine
zu Köln, Dresden, Hamburg, Leipzig und Stuttgart.
Begründet 1878 von Professor Emil Breslaur.
Redaktion: Anna Morscti
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für die zweigespaltene Petitzeile ent-
gegengenommen.
No. 11.
Berlin, 1. Juni 1905.
XXVIII. Jahrgang.
InbAlt: A. Mecklenburg: Liszt in seinen Beziehungen zu Robert Schumann. (Fortaetzung.) Generaloberarzt Dr. F. A. Steinhausen :
Ueber Zitterbewegungen in der instrumentalen Technik. Dagobert Löwenthal: Violinschule von Joseph Joachim und A. Moser.
Mitteilungen von Hochschulen und Konservatorien. Vermischte Nachrichten. Bücher und Musikalien, besprochen von Anna
Morsch und Eugen Segnitz. Vereine. Anzeigen.
biszt ii) seit)ci) )|ezlebai)§^t) zu Roberl* iScbati)ai)t)*
Von
A. Mecklenbnrc«
(FortsetzTmg.)
Dass aber, wie Schumann auf Liszt, so zum mindesten
auch umgekehrt Liszt auf die Schaffenstätig-
keit Schumann's höchst bedeutsam anregend
einwirkte, muss hier hervorgehoben werden.
Gleich am Anfang ihrer persönlichen Be-
ziehungen, 1838, fordert Liszt Schumann auf,
sich bald in grösseren musikalischen Formen
zu versuchen als bisher, z. B. einige Trios
zu schreiben oder gar ein Quintett oder
Septuor. Er hat das Vertrauen, dass Schu-
mann solche Aufgaben „admirablement" lösen
würde. Er selbst würde es sich zur Ehre
schätzen, solche opera dem Publikum bekannt
zu machen.
Ein Jahr darauf, 1839, (cf. den Brief vom
5. Juni 1839) wiederholt Liszt diese Aufforde-
rung dringend, indem er gleichfalls wieder
seinem Vertrauen auf die Befähigung Schu-
mann's hierzu Ausdruck gibt.*)
Wenn nun Schumann später auf dem
Gebiet der Kammermusik herrliche Werke
hervorbrachte, die eine völlige Beherrschung
dieser Form verrieten, so ist dies eben nicht
*) Me pardonnez-vons d'insister encore sar ce
point? II me semble que vons en seriez plas
capable que qui, que ce soit aujourd'hui.
auf den Einfluss Liszt's zu-
rückzuführen. Mit voller Befriedigung und
sichtlicher Freude z. B. über das gelungene
Quintett seines Freundes konnte Liszt später
von Rom aus an Madame Laussot am
13. Januar 1868 schreiben: „Le Quintetto de
Schumann est des oeuvres qu'un public bien
eduque doit savoir par coeur. Vous ferez donc
au mieux de le reproduire souvent." Liszt
trägt kein Bedenken, in demselben Brief dem
Quintett das Prädikat „celebre" zu erteilen.
In einem Briefe an Schumann, Weimar,
5. Juni 1849, lobt Liszt das Vornehmen Schu-
mann's, seinem Faust noch eine grössere
Breite und Länge zu geben, da grossartige
Stoffe auch meistens grossartige Bearbeitungen
verlangen; am 26. Juni 1852 gibt Liszt seinem
Freunde den Rat, die Einleitungsmusik zu dem
Ahriman-Chor im Manfred (D-moU), die zu
kurz sei, um mindestens 60—100 symphonische
Takte zu vermehren, die sicher von guter
Wirkung sein würden. „So wie Sie ähnliches
zu schreiben verstehen." „Gehen Sie frisch
an Ihr Pult. Ahriman kann einige poly-
phonische Sätze vertragen, und es lässt sich
bei dieser Gelegenheit ganz behaglich wüten
— 166
und wühlen" — eine anregende Weisung, die
Schumann auch befolgt hat. Wir sehen also,
wie Liszt, immer anspornend, Schumann da-
hin bringen wollte, sich die umfangreichsten
Instrumentalformen durch rastlose Arbeit
Untertan zu machen. Ob er schliesslich damit
recht getan hat, als er in edelster Absicht den
Schumann'schen Genius in Bahnen leitete, die
ihm doch seiner ganzen Anlage nach heterogen
waren, mag dahingestellt bleiben.
Als Schumann, der unerreichte Meister
musikalischer Kleinkunst, die ja seine eigent-
liche Domäne war, der fortwährenden An-
regung Liszt's Folge leistend, nun wirklich
später immer grösseren Aufgaben, wie Oper
und Symphonie sich zuwandte, wobei er frei-
lich nicht mehr recht in der Fahrstrasse der
ihm von seiner Begabung und Natur vor-
geschriebenen Entwicklung blieb, da konnte
Liszt, schliesslich der Wahrheit die Ehre
gebend, seine kritischen Bedenken doch nicht
soweit zurückstellen, dass er nicht dem Be-
dauern Ausdruck geben musste, wie hier ein
feinsinniges Talent doch im Grunde vergeblich
mit der Ausfüllung von Formen rang, die
seinem Genie zu weit gesteckt waren; andrer-
seits aber musste er doch die vielen Vorzüge
und Schönheiten lobend hervorheben, die z. B.
eine Schöpfung wie Genoveva immerhin noch
aufweist, obwohl sie, unter der Lupe des dra-
matischen Gesichtswinkels betrachtet, aner-
kanntermassen als nicht einwandfrei anzu-
sehen ist.
Liszt nennt in seinen von La Mara heraus-
gegebenen Briefen an eine Freundin Schu-
mann's Genoveva die Schwester des Fidelio,
nur fehle ihr Leonorens Pistole. Was dieser
Ausdruck besagen will, ist klar. Liszt ver-
misste mit Recht in dieser Schöpfung den dra-
matischen Schwung, die dramatische Steige-
rung und der Mangel an scharfen, sich immer
mehr zuspitzenden Kontrasten, der die Geno-
vevamusik auf der Bühne wirkungslos macht,
musste sich besonders Liszt fühlbar machen,
dessen oberster künstlerischer Glaubenssatz
war, dass die Musik der „passion" absolut
nicht entraten könne. „II fallait surtout", so
spricht er sich in den obengenannten Briefen
über Genoveva verallgemeinernd aus, „que
Telement premier du Drame musical sans le-
quel tout le rest devient superflu, la passion
n'y manquät pas. La musique ne peut absolu-
ment pas s'enpasser. Elle est son nerf vital,
plus encore que Targent pour la guerre".
^Chez Schumann la passion arrive rarement
ä ces moments d'expansion ardente, oü eile
fleurit instantan^ment dans d'autres coeurs."
Man möchte sagen, so fährt Liszt fort, dass
die dramatische Leidenschaft sich in den Busen
des Autors zurückzieht und sich dort kon-
trahiert und ihm dann Krämpfe (des crampes)
verursacht. Dann „summt und brummt er so
dahin wie ein spezifisch musikalisches Spinn-
rad**. — Dessenungeachtet muss Liszt aner-
kennen, dass die Genoveva, obwohl in ihr das
reflektierende Moment überwiege und sich
Schumann darin als vorwiegend denkender
(und zwar gesund und natürlich denkender!)
Musiker*) zeige, wegen ihres hervorragenden
Stiles und vieler geistreicher, in Schönheit ge-
tauchter Momente eine selbständige Bedeutung
in der Entwicklung der deutschen Oper ein-
nehmen und bewahren werde.**)
Dieselben Licht- und Schattenseiten, wie
an der Genoveva kehrte Liszt mit Recht auch
in seiner Kritik von „Paradies und Peri" her-
vor. Er nannte dies Werk wegen seiner herr-
lichen Klangschönheiten und seines vornehmen
Stiles „un bei et noble ouvrage** (cf. den Brief
an eine Freundin Ettersburg, 13. Juni 1857):
er musste zugeben, dass dieses opus viele
schöne und herrliche Momente enthalte (cf. den
Brief an eine Freundin vom 29. Mai 1855).
Und wirklich sind ja die ausserordentlichen
lyrischen Schönheiten, die einander in langer
Kette folgen, nicht zu verkennen. Zugleich
musste Liszt aber sagen: les clairs de lune
assez päles de la Peri ne sont pas plus de
mon goüt qu'il ne faut (cf. ebendaselbst).
Eine gewisse Verschwommenheit der Konturen
in der musikalischen Gestaltung, ein gewisses
Dämmerlicht, das besonders in den Partieen
des letzten Drittels herrscht, wo die einzelnen
Stücke nicht genügend kontrastieren, nötigte
Liszt zu obigem Urteil. Ja, er konnte sogar
eine gewisse „Monotonie" und „Hausbacken-
heit" „dans la partie declamatoire" nicht hin-
*) Joachim me disait tres-justement de lui,
von allen Komponisten sei er derjenige, der am
meisten nnd natürlich Musik denke. C'est quelque
chose et meme beancoup, mais par le tont de l'art,
qui doit aspirer a plus que le tont, car il est la
tangente de Piufini, la source vive, qni comme
Tamonr rejaillit jusqu'ä la vie etemelle.
**) Vgl. das Urteil Liszt's über die Grenoveva
in dem Brief Liszt's an Anton Rnbinstein (Weimar,
3. April 1855) : ,,C'est mi ouvrage, doiit il y a lieu
de tenir compte et qni porte bien le cachet du
style de Tauteur. Parmi les operas, qni se sont
prodnits depnis nne qninzaine d'ann^es, c'est cer-
tainement celni que je pröfere (Wagner excepte,
s'entend) non obstant son manqne de vitalite
dramatique."
167
wegleugnen (cf. den Brief an eine P>eundin
vom 13. Juni 1857), womit er den fühlbaren
Mangel dramatischer Schlaglichter und dra-
matischer Steigerung kennzeichnen wollte.
Eine Stufe höher als „das Paradies und Peri**
stellte Liszt den Schumann'schen „Manfred".
Derselbe war ihm nach den verschiedensten
Richtungen hin höchst interessant; und infolge
der Schumann'schen Anregung beschäftigte
ihn im Spätsommer und Herbst des Jahres
1862 derselbe Stoflf, der seiner Meinung nach
durch Schumann nicht erschöpft sei. (cf. den
Brief an Brendel vom 29. August 1862).
(Schloss folgt.)
Von
GeaeraloberarBt Dr. F. A« 8teinhaii«eii Im Danslg.
Wie alle Bewegungen unseres Körpers, so
stehen auch die musikalisch-technischen Bewegungen
unter den Gesetzen der Gelenk- und Muskel-
mechanik, eines Teilgehietes der physiologischen
Wissenschaft. Auch die Masiker haben das einzu-
sehen begonnen, die neueste Zeit zeigt unter ihnen
das rege Bestreben, über die Gesetzmässigkeit der
Bewegungen beim Spiel der Instrumente, über die
natürlichen Grundlagen der Technik zu tieferem
Verständnis sich hindurchzuarbeiten. Die Erfahrung
hat aber gelehrt, dass das ohne die Hilfe der
Physiologen nicht möglich ist. Ich selbst habe
versucht, auf diesem bisher noch so gat wie gar-
nicht bearbeiteten Gebiet mit Studien einen Anfang
zu machen, welche hoffentlich den Fachmnsikem
von Nutzen sein werden; es sei mir gestattet, auf
meine Arbeit über „die Physiologie der Bogen-
fiihrung auf den Streichinstrumenten^ (Leipzig,
Breitkopf & Härtel, 1908) und auf ein soeben im
gleichen Verlag erschienenes Buch über „die physio-
logischen Fehler und die Umgestaltung der Klavier-
technik'^ hinzuweisen.
Einen kleinen, aber wichtigen Teil der tech-
nischen Bewegungen bilden die durch eine hohe
und eigenartige musikalisclie Wirkung aupgezeich-
neten zitternden Bewegungen. In der Masiksprache
als Vibrato, Tremolo, Bebung u. s. w. längst
bekannt, sind sie, wie ein Blick in die einschlägige
Literatur zeigt, keineswegs verstanden; sie sind
bisher schwer lehrbar tind schwer nachzuahmen
aus dem einfachen Grunde, weil ihre mechanische
Gesetzmässigkeit nicht richtig erfasst ist. Welche
Verkennung sie treffen kann, das lehrt eine der
neuesten Arbeiten aaf diesem Gebiet, „Die natür-
liche Klaviertechnik" von Breithaupt (Leipzig
1^)5). Soviel treffliches dasBach in musikalisch-päda-
gogischer Hinsicht enthalten mag — worüber mir
als Physiologen ein Llrteil nicht zusteht — , so
mangelhaft sind leider die naturwissenschaftlichen
Grundlagen dieser „natürlichen^* Klaviertechnik.
Eine nähere Kritik darüber findet der Leser in
einem Nachtrag zu meinem oben erwähnten Buch ;
hier sollen uns nur die Zitterbewegungen beschäf-
tigen, in deren Darstellung Breithaupt zwei ganz
verschiedene Bewegungen, und noch dazu auf ver-
schiedenen Instrumenten, zusammenwirft. Eine
solche Entstellung ist geeignet, bedenkliche Ver-
wirrung anzustiften, und man kann dazu nicht
schweigen.
Das Zittern besteht in rascher und gleich-
massiger Wiederholung der gleichen Bewegung, die
Zahl der Wiederholungen schwankt in der Sekunde
etwa zwischen 6 und 12. Eine über 12 hinaus-
gehende Geschwindigkeit gibt es nicht. Nicht
allen gesunden Menschen — das pathologische
Zittern bleibt ausser Betracht ~ gelingt das Zittern
egal leicht, es gibt zahlreiche Abstufungen der
angeborenen Anlage, dem Einen glückt es trotz
vielfacher Versuche und Uebnngen niemals mit
der vom musikalischen Ohr erwünschten Geschwin-
digkeit und Leichtigkeit, dem Anderen gelingt's
ohne weiteres schon beim ersten Versuch. Eine
gewisse Anlage also vorausgesetzt, ist das Zittern
an sich in allen Gelenken möglich, aber die Ge-
lenke verhalten sich mechanisch dafür sehr ver-
schieden geeignet, es lassen sich, je nach dem Bau
der Gelenke und der zugehörigen Muskeln und je
nach der Grösse der schwingenden Masse, in
dieser Beziehung begünstigte und weni^r disponierte
Gelenke unterscheiden. Man kann sich leicht über-
zeugen, dass das Zittern eines Fingers ~ Auf-
einanderfolgen rascherBe wegungen verschiedener
Finger gehören nicht zum Zittern — sehr viel
schwieriger und viel weniger rasch auszuführen
ist, als das der Hand oder des ganzen Armes. Die
kurzen Fingerglieder, welche durch lange, über
mehrere Gelenke hinüberlaufende Sehnen in Be-
wegung gesetzt werden, sind normalerweise ganz
unfähig zu raschen Zitterbewegungen, und nament-
lich zu solchen mit genügender Schnelligkeit und
Kraft, als dass sie technisch verwendbar sind.
Alle Gelenke einzeln durchzugehen, würde zu weit
führen, es seien nur die für die instrumentale
Technik wichtigsten berücksichtigt.
Ungleich günstigere Verhältnisse im Vergleich
zu den Fingefgliedern zeigt schon die Hand: ihre
relativ schwere Masse ist leicht in zitternde
Beugung-Streckung zu versetzen. Führt man einen
Versuch des Handzittern s aus und verstärkt Kraft
und Ausgiebigkeit desselben, so gewahrt man die
— 168
wachsende Beteiligung des ganzen Armes bis zum
Enmpf hinauf. Diese Beobachtung ist von grosser
physiologischer Bedeutung: es gibt keine isolierte
Bewegung eines einzelnen Gelenkes, stets beteiligen
sich alle Gelenke des Armes an jeder selbst noch
so kleinen Bewegung eines Gliedes. Auch im
Ellbogengelenk lässt sich eine zitternde Beuge-
und Streckbewegung des Unteitirms, im Schulter-
gelenk eine solche des ganzen Armes erzielen, aber
auch hierbei sind stets alle anderen Gelenke
zwischen Schulter- und Fingerspitze beteiligt. Da-
her ist das Tremolo der Hand beim Elavierspiel
von dem des ganzen Armes niemals scharf zu
trennen, die unterschiede sind nur quantitativ und
allein bedingt durch die Grösse der in Bewegung
gesetzten Masse.
Von ganz besonderer Schwingfähigkeit und
Disposition zu Zitterbewegungen ist aber die
Hollung des Unterarms gemeinsam mit der
Hand. Sie besteht bekanntlich in einer Drehung
der Speiche mil der Elle am eine vom Ellbogen-
zum Handgelenk verlaufende Längs- oder Koll-
achse. Ihre ausserordentlich leichte Beweglichkeit
verdankt die Unterarmrollung der günstigen mecha-
nischen Einrichtung der ihr zugehörigen Gelenke
und Muskeln. Obgleich sie das Unglück hat, von
den Musikern stets mit den Bewegungen des Hand-
gelenks, mit denen sie gamichts zu tun hat, ver-
wechselt zu werden, so könnte eigentlich doch jeder
Klavierspieler sie kennen, da er sie in ihrer reinen
Form als Oktaventremolo oft genug anwendet. Die
Stellung der Hand zum Unterarm ist dabei gleich-
giltig, sie kann beliebig mehr gestreckt oder ge-
beugt sein. Dies Tremolo kann selbstredend auch in
anderen Intervallen als Oktaven ausgeführt werden,
viele Pianisten wenden im Gegensatz zu dem Zwei-
fingertriller, bei dem abwechselnd zwei Finger ge-
hoben (gestreckt) und gesenkt (gebengt) werden, den
Rolltriller aus dem Unterarm mit stillstehenden
Fingern (z. B. Daumen und Mittelfinger) an.
Eine weitere Zttterbewegung auf dem Klavier
gehört mehr in die virtuose Technik und bildet
ein glanzvolles Effektstück, nämlich die rasche
Oktavenfolge. Diese „ Blitzoktaven ^* fallen wegen
des übergrossen dazu erforderlichen Kraftaufwandes
und wegen der extremen andauernden Spreiz-
stellung der Finger aus dem Rahmen der natür-
lichen Klaviertechnik heraus. Der grosse Kraft-
aufwand kann nur mittels der Masse des ganzen
Armes aus dem Schultergelenk her aufgebracht
werden, er bedingt es gemeinsam mit der Finger-
spreizung, dass die ganze Muskulatur des Armes
an der zitternden Bewegung sich auf's stärkste be-
teiligt. Während das Tremolo der Unterarmrollung
leicht verständlich und innerhalb der Schranken
der individuellen Naturanlage auch lehr- und lern-
bar ist, sobald die Trennung des Handgelenkes von
der Rollung einmal erfasst ist, lässt sich die
zitternde Oktavenfolge erst allmählich durch zweck-
mässiges, stufenweises Einüben erlernen; es muss
erst „auf der Stelle^S i^ einer und derselben Tasten-
lage geübt werden, ehe zu aufeinanderfolgenden
Oktaven übergegangen wird. Zunächst gelingen
deren nur wenige, allmählich erst viele in längerer
Folge. Der innere Vorgang ist dabei der, dass die
rasch sich folgenden MuskelzusammenziehungeD
den Muskeln keine 2ieit zum Erschlaffen lasfien,
und so entsteht eine Art krampfhafter Versteifung.
Dieser Mangel ist nun einmal mit jedem Zittern
mehr oder weniger verbunden und nie ganz zq
beseitigen, aber das sich mehr und mehr anpassende
Einüben beseitigt doch von der anfanglichen starken
Versteifung einen grossen Teil. Mit der Zeit, mit
wachsender Uebung lässt die Muskelspannung nach.
sie bleibt aber immer in einem bestimmten Grade
bestehen, weil sie eben das Wesen des Zitterns
ausmacht. Aus alledem geht zur Genüge hervor,
dass das Oktaven- Vibrato zum Glück für die
Klavierspfelkunst nicht mehr als eine überreife
Frucht des Virtuosen tums bedeutet und für die
Klaviertechnik einem Rückschritt in die Fehler der
alten Gymnastik und der unnatürlichen Muskel-
spannungen und -Versteifungen gleichkommt.
Auf den Streichinstrumenten führt die
linke Hand das bekannte Vibrieren aus, welches
durch schnellen, feinen Wechsel in der Länj^ der
schwingenden Saite, mit Mass und musikalischem
Sinn angewendet, eine eigentümliche, der erregten
menschlichen Stimme ähnliche Klangwirkung er-
zeugt. Es handelt sich dabei um eine zusammen-
gesetzte Zitterbewegung, an der wieder die Unter-
armrollung den Hau ptanteil hat. Der rechte Unter-
arm des Streichers führt in dem Bogentremolo
eine Zitterbewegung mit grosser Kraft aus, an der
sich der ganze Arm natürlich beteiligt und die
rasche schwingende Bewegung auf den rasch hin
und hergeschleuderten Bogen überträgt. Auch hier
die unvermeidliche Versteifung, welclie die etwas
rauhe Klangwirkung erklärt.
Technisch ungleich wichtiger ist das Bogen-
staccato, eine wirkungsvolle Strichart, die Zitter-
form der Unterarmrollung, die immer nur wenigen
besonders beanlagten Spielern in der reizenden
Vollendung glückt. Sie ist aber, wenn aach
in verschiedenen Graden der Vollkommenheit^
von Jedem zu erlernen, es muss nur betont werden,
dass nicht die Strichart an sich, sondern die
Fähigkeit des raschen Vibrierens auf angeborener
Anlage beruht. Ist diese ausgesprochen vor-
handen, so kommt der angehende Violin- oder
Cellospieler nicht selten von selbst auf die richtige
Technik des Staccato^s. Aber erst die Einsicht in
ihren Mechanismus macht diese Strichart für Jeden
lehr- und lembar : sie besteht aus rasch sich wieder-
holender Unterarmrollung bei freiester Beweglich-
keit des Bogens um die zwischen Mittelfinger and
Daumen liegende ideelle, der Saite parallele Spiel
achse. Das Staccato ist, wie ich nachgewiesen
habe, wegen seines Mechanismus der Schlüssel für
die ganze Bogen technik.
— 169 —
Die zitternde ünterarmroUang beim Bogen-
staccato and die Zitterbewegung des ganzen
Armes bei dem Oktavenvibrato auf dem Klavier
sind also ganz verschiedene Dinge, die nichts als
die zitternde Bewegungsform gemeinsam haben.
Nach Brelthaupt's Behauptung aber, für die er
jeden Beweis schuldig geblieben ist, soll kein
Unterschied zwischen den beiden sein (s. Seite 32,
51, 104 seines Buches). Eine solche Behauptung
ist nur zu erklären durch die Unkenntnis der Vor-
gänge bei beiden Bewegungen. Ganz abgesehen
davon, dass schon die Verschiedenheit der Instru-
mente mit Notwendigkeit verschiedene Bewegungs-
typen voraussetzt und Vorsicht im Vergleichen
gebietet, müssen Verwechslungen von bestimmten
Begpriffen zu Jener Behauptung geführt haben.
Das Oktaven - Vibrato ist eine Armbewegung
von der Schulter her, das Bogenstaccato eine solche
der Unterarmrollung aus dem Ellbogengelenk.
Während die Unterarmrollung infolge ihrer
mechanischen Leichtigkeit sehr geringe Muskel-
spannung beansprucht, fordert das Vibrato, na-
mentlich anfange, die höchste Kraft und Spannung
aller Muskeln. Bei Breithaupt wird diese „innere^^
Spannung sogar zu einer „fixierten Masse**. Hier
is^ also Ursache und Wirkung vertauscht. Breit-
baupt kennt auch, wie aus vielen Aeusserungen
hervorgeht, das Wesen der Unterarmrollung nicht
richtig, er hält sie bald für eine Schüttelung mit
Beteiligung des Oberarmes, bald für eine seitliche
oder horizontale Bewegung des Unterarmes.
Aus allem erhellt, dass die Zitterbewegungen
physiologisch durchaus genau gekannt und in
ihren Phänomenen vollkommen erklärt sind. Breit-
haupt macht aber aus dieser ganz bekannten, nur
bisher noch nicht in die Klavierlehre aufgenommenen
Sache, dem Vibrato des Armes mit der unvermeid-
lichen Muskelversteifung, ein „vorher noch nicht ge-
kanntes**, neu entdecktes „Naturgesetz", auf welches
sich die „natürliche* Klaviertechnik aufbauen soll.
£s ist im Interesse der Sache recht sehr zu be-
dauern, dass Breithaupt nicht bei der Abfassung
seines Werkes einen in die klaviertechnischen
Fragen eingeweihten Physiologen zu Rate gezogen
hat. Sicher wäre ihm dann diese Entgleisung
erspart geblieben.
Ist auch der äussere Anlass zu den vor-
stehenden Ausführungen über eine zweifellos
interessante Form musiktechnischer Beweg^ungen
zum nicht geringen Teil eine notwendige Kritik
gewesen, so muss doch entschieden anerkannt
werden, dass ein erfreuliches und die Phy-
siologie wiederum geradezu anregendes
Streben bei den Musikern besteht. Gelingt es,
die Kräfte zu vereinter Arbeit zusammenzubringen,
dann muss der Erfolg gesichert sein: die physio-
logisch-wissenschaftliche Durchdringung der künst-
lerischen Technik.
Yiolinschnle von Joseph Joachim und k. Moser. Band I.
BT. SiHroeky Berlla» Lelpilffy K91b.
Besprochen von
Dagobert liHweMtlial.
Vorwort
von
Joseph Joachim.*)
Während meiner langjährigen Tätigkeit als
Lehrer habe ich nur zu häuAg die Erfahrung
machen müssen, wie schwer es hielt, ja wie es
oft unmöglich wurde, das mir vorschwebende Ziel
der Meisterschaft gerade bei solchen Violinspielem
zu erreichen, die bereits einen gewissen G-rad durch
lange üebung gewonnener Fertigkeiten mitbrachten
und sogar in Konzerten mit mehr oder weniger
Erfolg aufgetreten waren. Entweder hatten sie
eingewurzelte Gewohnheiten des rechten Arms
und der linken Hand, welche eine reine, manier-
freie 'Wiedergabe der vorzutragenden Tonwerke
hinderten, oder sie waren bei erlangter Eoutine
♦) Wir schicken das Vorwort von Joachim
der Besprechung unseres geschätzten Mitarbeiters
voraus und lassen in der nächsten Nummer auch
das Vorwort von Andreas Moser, da es wichtige
pädagogische G-rundsätze ausspricht, folgen.
A. Jf.
durch vieles Musizieren dennoch nie auf die nötigen
theoretischen Gi-undlagen für das Erfassen des
geistigen Gehalts eines Musikstückes hingewiesen
worden. In den seltensten Fällen gelang es, über
diese Uebelstände Herr zu werden ; nur dann, wenn
der schwer beizubringenden Einsicht in die Fehler
die nötige Energie des Lernenden beigesellt wurde,
langwierige üebungen vorzunehmen, statt flott
weiter zu musizieren, und der künstlerischen Aus-
bildung die nötige Zeit zu gönnen, statt einem
baldigen Broterwerb nachzugehen.
Immer musste ich mir sagen, dass die er-
schwerte Arbeit des Lehrens durch mangelhafte
Vorbereitung hervorgerufen sei, dass nicht ge-
wissenhaft genug die gleichmässige Ausbildung
aller zur richtigen Darstellung eines Kunstwerkes
erforderlichen technischen und geistigen Eigen-
schaften beim vorangegangenen Unterricht im
Auge behalten war, und dass ein Schulwerk,
welches die Gewähr systematischen Vorgehens
nach dieser Richtung böte, eine wahre Wohltat
werden könnte.
170 -
Da icli nun selbst nie Gelegenheit gehabt
habe, von den ersten Anfängen des Violinspiels
bis zur Wiedergabe von Kunstwerken auf diesem
Instrament Unterricht zu erteilen, so mnsste es
mir mn so willkommener sein, als einer meiner
früheren Schüler, welcher meine Art ans jahre-
langer, trener Beobachtung gründlich kannte und
dem darch liebevolle ünterweisang von Anfängern
seit lange wertvollste Erfahrung zu Gebote stand,
mir den Plan mitteilte, eine Yiolinschule schreiben
zu wollen. Hatten wir doch oft genug über
unsere gemeinsame Kunst lebhaften Ideenaustausch
gepflogen, und war mir so bekannt geworden, wie
gründlich mein jüngerer Freund sich seit Jahren
der Geschichte des Violinspiels forschend zuge-
wandt hatte. Ich drückte darum nicht nur freu-
digst meine Teilnahme für das Unternehmen aus,
sondern versprach auch willig meine Mitarbeit
durch Hat und Tat. So ist denn nach und nach
die Violinschule zu einem gemeinsamen Werk ge-
worden, deren letzter Band eine Bearbeitung von
Meisterwerken für die Violine durch mich erhalten
wird, während die beiden ersten von Moser her-
rühren; aber auch diese insofern nicht ohne meinen
Anteil, als auch selbst die Behandlung unschein-
barer Detailfragen erst nach gemeinschaft-
licher Prüfung und völliger Ueberein-
stimmung unserer Ansichten zum Abschluss
kam. Wenn ich es unternommen habe, als Ab-
schluss des Ganzen die Bezeichnung der klassischen
Meisterwerke nach meiner Auffassung vorzunehmen,
so bin ich mir wohl bewusst, damit nicht etwa die
allein seligmachenden Mittel zur Wiedergabe zu
bieten; können ja die einzelnen Passagen mit den
verschiedensten Fingersätzen und Bogenstrichen
wirksam wiedergegeben werden, und jeder Meister
wird die ihm am bequemsten liegenden Mittel der
Ausführung wählen. Aber selbst die gewissen-
hafteste Befolgung meiner Vorschriften würde
keine Gewähr bieten, dass das Ganze nach meinem
Sinn klingt. Das Individuelle der Auffassxmg
lässt sich eben nicht in technische Vorschriften
bannen. Je nach dem Temperament des einzelnen
Ausführenden wird eine Stelle vielleicht elegisch
gefärbt zum Ausdruck gelangen, die ich mir etwa
in ruhig verklärter Stimmung schwebend gedacht
habe, oder eine andere feurig, die ich humoristisch
empfand u. s. w. in infinitum! Aber es wird
schon nützlich sein, wenn der strebend Lernende,
nachdem er in sich aufgenommen, was die vor-
ausgehenden Bände über Phrasierung und Vor-
tragskunst lehren, eine von mir gewissenhaft er-
wogene Form der Ausfühiung vor sich hat, und
die von mir komponierten Kadenzen zur Ver-
fügung erhält. — Und so möge denn die gemein-
same Saat zweier zu liebevoller Arbeit vereinigter
Lehrer die ihrem Hoffen entsprechenden, guten
Früchte bringen!
Berlin, im Januar 1905.
Eine Violinschule von Meister Joachim ist ein
musikalisches Ereignis nicht nur für seine
zahlreichen Schüler, sondern auch für diejenigen,
welche jahraus, jahrein den Genuas seines Spiels
gehabt haben und für das Geigenspiel ein regeres
Interesse mitbringen. Joachim ist uns bereits zn
einer lebenden Violinschule geworden, durch
seine immer gleichmässige edle Geigenhaltung und
durch die voUendete Bogenführung, bei welcher
auch der minimalste Bogenstrich noch In 'Wohllaut
getaucht Ist. Ueber seine vornehme musikalische
und dabei zum Herzen sprechende Auffassong
brauchte man wohl kaum noch ein Wort zu verliereii.
Wer die Freude hatte, ein Schüler des ver-
ehrten Meisters gewesen zu sein, der weiss, dass
Joachim nicht nur das zu studierende Musikstück er-
örtert, sondern auch in der liebenswürdigsten Weise
stets bereit ist, alle pädagogischen Fragen zu beant-
worten und zu besprechen. — Als dieses Werk vor
mir lag, fragte ich mich, wirst Du darin einen
grossen Teil der Lehren wiederfinden, die Da bei
der persönlichen Unterweisung des grauen Päda-
gogen erhalten? Zuversichtlich kann Ich sagen,
dass ich mich nicht getäuscht habe. Schon die
Vorrede zeigt unsdie wertvollen pädagogischen
Grundsätze, welche wir gamlcht genug schätzen
können, well wir durch dieselben am schnellsten
zu einer edlen Wiedergabe unserer grossen
klassischen Musikwerke gelangen. —
Die Violinschule hat noch einen zweiten Ver-
fasser, Herrn Prof. Andreas Moser, den prak-
tischen Autor der ersten beiden Bände. Moser ist ausser
bei seinen Schülern in der musikalischen Welt mit
Eecht durch seine interessante Biographie Joachim's
bekannt geworden; er hat in diesem Werke alles
das niedergelegt, was er bei Joachim selbst gelernt,
und eine praktische Erfahrung durch den Unter-
richt zahlreicher Anfänger steht ihm zur Seite.
Wie ich von Moser selbst erfahren habe, hat er
alle wertvollen Violinschulen, bis zu den ältesten,
zu genauer Durchsicht vorgehabt. Spohr nnd
Beriot sind in diesem Werke wieder zu ihrem
Hechte gekommen. — Einsichtsvolle Pädagogen
werden Moser entschieden Dank wissen, dass er
In folgendem eine stichhaltige Erklärung für die
tiefe Haltung des rechten Ellbogens und des wie
gelähmt senkrecht herunterhängenden rechten
Arms gegeben hat: „Die in fast allen deutschen
Violinschulen vorgeschriebene tiefe Haltung des
Ellbogens resp. Oberarms für alle 4 Saiten,
beruht auf dem gedankenlosen Nachbeten einer
missverstandenen Anweisung, die sich von Ge-
schlecht zu Geschlecht fortgeerbt hat. Sie mnss
mit allen Mitteln bekämpft werden. Jene Vor-
schrift ist vor 150 Jahren von Leopold Mozart,
dem Verfasser der ersten deutschen Violinschule,
damals allerdings mit vollem Recht, aufgei^ellt
worden, weil man die Violine rechts vom Saiten-
halter unter das Kinn setzte. Jetzt, wo wir die
Geige auf der linken Seite vom Saitenhalter
171 —
halten, ist die veraltete Eegel der niedrigen
Ellbogen - Haltung eines der hauptsäch-
lichsten Hindernisse für die Aneignung einer
freien Bogenführnng/^ —
So kann der Geigenlehrer denn endlich, ohne
irgendwelche Zweifel zu hegen, den richtigen
Gebrauch aller Gelenke, sowie die, auch ana-
tomisch zu rechtfertigende, richtige Haltung des
Unter- und Oberarms lehren. Letzterer wurde
früher stets als ein Unhold des Gelgenspiels er-
klärt; endlich ist der in den Bann getane Oberarm
wieder zur natürlichen Bewegung in seine Rechte
eingesetzt. Moser beginnt mit dem Studium der
D - d u r - Tonleiter. Dass man dem kleinen Anfänger
das ziemlich schwierige Zurücksetzen des ersten
Fingers F. auf der E-Saite ersparen will, kann nur
gelobt werden. —
Es ist hier eine grosse Menge von ganz leichten
Uebungen in der I.Lage vorhanden. Jeder Lehrer
weiss, dass sich bald beim kleinen Schüler ein
Nachlassen des Eifers einstellt, wenn man die-
selben Uebungsstücke mehrmals hintereinander
aufgeben muss. Ueber das Heben des Handgelenks
am Frosche und Einziehen desselben an der Spitze
des Bogens ist dem Anfänger zunächst gamichts
gesagt worden, Moser spricht erst später davon.
Meister Joachim warnt oft genug vor der
Uebertreibung der Handgelenkbewegungen,
Geiger, die schon viele Jahre spielen, ja selbst
schon wiederholentlich öffentlich aufgetreten sind»
haben oft eine manierierte Spielweise durch das
übermässige Heraustreten oder Einziehen des Hand-
gelenks an sich. Die einfache, edle Wiedergabe
unserer klassischen Musikwerke leidet oft ent-
schieden darunter. Auch die hässliche Angewohn-
heit, einen Triller durch einen Druck des Bogens
in die Saite leichter hervorbringen zu wollen, ist
hier gerügt. Das Trillern ist lediglich eine Ange-
legenheit der linken Hand. Es gibt selbst unter
Musikern Geiger, die keinen Triller machen
können, ohne erst ein Ankratzen des Bogens auf
der Seite ertönen zu lassen. — Es ist hübsch, dass
im Anhange kleine Biographien der bedeutendsten
Geigenbauer und Geigenkünstler geboten worden
sind. Zur Erklärung von Bogenhalcung, Geigen-
haltung und Fingeraufsatz sehen wir sauber an-
gefertigte Photographien und nicht die mangpel-
haften, aus ein paar flüchtigen Strichen enge-
fertigen Zeichnungen, die Lehrenden und Lernenden
keine klare Uebersicht geben. — So sei denn diesem
Werke Meister Joachim^s und seines treuen Mit-
arbeiters Moser ein „herzliches Willkommen' zu-
gerufen und schon jetzt auf die beiden nächsten
Bände, besonders aber auf das Erscheinen des
dritten, der die Bezeichnungen klassischer Meister-
werke von Joachim enthält, aufmerksam gemacht.
Mitteilungen
von Hoohsohulen und KonBervatorien.
Frl. Luise Müller-Darmstadt richtet in
den Monaten August und September in Darm-
stadt , Ferienkurse für Fachgesanglehre-
rinnen an höheren Mädchenschulen** ein.
Die Kurse werden von 4— 8 wöchentlicher Dauer
sein. Anmeldungen sind bis zum 1. Juli an die
obige Adresse, Darmstadt, Moserstr. 15, zu
richten.
Faul David, der einzige Sohn von Ferdinand
David, des berühmten ersten Konzertmeisters des
Leipziger Gewandhauses, feierte am 23. Mai
das 40jährige Jubiläum als Leiter der hochange-
sehenen Musikschule zu Uppingham in Eng-
land. Die Erfolge seiner künstlerischen Tätigkeit
finden in ganz England Anerkennung. Von den
Schülern Uppinghams werden nicht nur Oratorien,
sondern auch Beethoven' sehe Sinfonien* in den
regelmässig dreimal im Jahr stattflndenden Schul-
konzerten aufgeführt. Drei bis fünf deutsche Mu-
siker, meist von der Berliner Hochschule, wirken
als Assistenten David's beim Instrumental- Unter-
richt. Die zahlreichen ehemaligen Schüler haben
durch freiwillige Beiträge von Musikfreunden die
Mittel zur Errichtung einer grossen MusikhaUe zu-
sammengebracht, die den Namen .David -Halle'
führen soll.
Der Königliche Musikdirektor Bernhard Irr-
gang ist als Lehrer für das Orgelspiel an das
S t e r n'sche Konservatorium, Direktor Prof. Gustav
Hollaender, berufen.
Für die von Frau Professor Luisa Prym an
der kgl. Hochschule zu Würzburg mit einem
Kapital von 20000 Mk. eri-ichtete Stiftung zur Ver-
leihung von Stipendien für Schüler der Anstalt ist
die staatliche Genehmigung erteilt worden. Sie
wird den Namen „Frau Luisa Prym - Stiftung^*
führen.
Der Grossherzog Wilhelm Ernst von Weimar
hat der dortigen Grossherzoglichen „Musik- und
Orchesterschule" die Summe von 150000 Mk. zum
Andenken an seine verstorbene Gemahlin Caroline,
die eine begeisterte Verehrerin der Musik war,
zum Geschenk gemacht. Die Zinsen dieses Kapitals
sollen den Zwecken des Instituts, das erst kürzlich
eine prachtvolle Orgel von Walker in Ludwigs-
burg angeschafft hat, zu weiterem künslerischen
Ausbau dienen.
In drei Prüfungskonzerten legte das Konser-
vatorium der Musik von Direktor Erich Weg-
mann in Braun schwel gZieugnis von demFleiss
und der Gründlichkeit ab, mit welchem an demselben
gearbeitet wird. Es wurden hochachtbare Leistungen
— 172 —
geboten; auf den Programmen standen Konzerte
von Mozart, Moscheles, Beethoven, Schu-
mann und Rnbinstein, die teils mit Begleitung
eines 2. Klaviers, teils mit Orchester vorgetragen
wurden ; Solostücke für Klavier, Violine und Cello,
Gesänge und Frauencliöre fügten sich in geschmack-
voller Auswahl ein.
Das Prüfungskonzert der Schule für höheres
Klavierspiel in Breslau, welche von Fräulein
Elisabeth Simon geleitet wird, nahm einen
ausserordentlich günstigen Verlauf und zeigte von
neuem, dass das Institut sich auf seiner alten Höhe
erhalten hat und jeder Konkurrenz siegreich die
Spitze zu bieten vermag. Die gebotenen Klavier-
vorträge zeigten durchweg die vorzügliche Lehr-
methode; ein runder, weicher Ton, geschmeidige
Fingerfertigkeit und verständiger musikalischer
Vortrag waren die guten, grundlegenden Eigen-
schaften, die in allen Darbietungen zu Tage traten.
Auch die 4- und 8 händigen Ensemblesätze kamen
mit rhythmischer Prägnanz zu Gehör. Durch Herrn
Dr. Eugen Biller's Violinvorträge wurde die Auf-
führung in wirkungsvoller Weise unterstützt.
Yermischte Nachrichten.
Der Königliche Musikdirektor Bernhard
Irrgang ist als Nachfolger von Otto Dienel ein-
stimmig zum Organisten an St. Marien berufen
worden, nachdem er über 12 Jahre als Organist
und Chordirigent au Heilig-Kreuz gewirkt und
dort über 9 Jahre die bekannten Donnerstag-Kon-
zerte veranstaltet. Die Konzerte finden in St.
Marien ihre Fortsetzung.
Professor Ernst Pauer, der bekannte Pianist
und Pädagoge, ist am 9. Mai im Alter von
78 Jahren in Jugenheim gestorben. Zu Wien ge-
boren, wurde er nach gründlichen Studien dort
und in München 1847 Musikdirektor in Mainz
und ging 1851 nach London, wo er nachmals
erster Professor am Boyal College of Music
wurde. 1896 trat er in den Ruhestand. Pauer hat
lehrreiche Bearbeitungen und Ausgaben älterer
Klaviermusik herausgegeben und ist auch als Kom-
ponist von Opern, Kammermusik- und Orchester-
werken mehrfach in die Oeffentlichkeit getreten. Er
ist der Vater des rühmlichst bekannten Pianisten
Professor Max Pauer in Stuttgart.
Der Musikschriftsteller Max Steuer-Berlin
ist daselbst, 57 Jahre alt, gestorben.
Aus Eise nach wird berichtet, dass bei Auf-
räumungsarbeiten in einem dem Bergfiskus ge-
hörigen Gebäude zu Schwabenthal ganz zufällig
alte Handschriften und Notenblätter aufgefunden
worden sind, die wahrscheinlich aus einem der am
Fuss des Meissners ehemalig gelegenen, durch
Landgraf Philipp den Grossmütigen um die Mitte
des sechzehnten Jahrhunderts säkularisierten Stifte
oder Kloster stammen und später von dem Bech-
nungsführer des 1580 in Betrieb genommenen
Braunkohlenbergwerks am Meissner als Umschlag
zu den Quartalsabrechnungen verwendet worden
sind. Soweit durch Sachverständige bis jetzt fest-
gestellt worden ist, umfassen die noch sehr gut
erhaltenen und mit vielfarbigen prächtigen Initialen
versehenen Blätter 22 Manuskripte und einen Druck.
Mehrere Blätter zeigen die älteste Notenschrift, die
wir aus dem Mittelalter kennen, und stammen
wahrscheinlich also aus dem zehnten Jahrhundert.
Andere Stücke enthalten die verschiedensten neuereu
Notenformen vom elften bis vierzehnten Jahr-
hundert, sind lateinisch geschrieben und setzen sich
zusammen aus Noten, Hymnen, Gebeten, Bibel-
texten und Psalmen.
Unter dem Präsidium des Dr. Victor lütter
V. Miller zu Aichholz hat sich vor kurzem, wie
die Wiener „N. Fr. Pr." berichtet, eine Brahm»-
Gesellschatt konstituiert, deren Zweck die Er-
haltung des Andenkens au Johannes Brahms
ist. Es ist vor allem geplant, die gesamte Ein-
richtung der Wohnung des verstorbenen Meisters
zu erwerben und die von Brahms in Wien inne-
gehabte Wohnung zu erhalten, um auf diese Weise
eine Art Brahms-Museum zu schaffen. Femer soll
mit einer Sammlung von Schriften, Büchern und
anderen Objekten, die aaf Brahms Bezug haben,
begonnen und mit der Zeit eine möglichst voll-
ständige Sammlung von Brahms-Breliquien angelet
werden. Ganz besonders soll auch die auf den
Verstorbenen bezügliche Literatur gefördert werden.
Um die angestrebten Ziele schneller zu erreichen,
wurde beschlossen, Hand in Hand mit der Gesell-
schaft der Musikfreunde in Wien die Sache in An-
griff zu nehmen. Dabei wurde gleichzeitig in
Aussicht genommen, die archivalischen Erwer-
bungen in die Obhut, eventuell in das Eigentum
der Gesellschaft der Musikfreunde zu übergeben,
doch müsste letztere in diesem Falle sich ver-
pflichten, diese Erwerbungen ungeteilt für Wien
zu erhalten. An der Spitze der Gesellschaft steht
Dr. Viktor Bitt.er von Miller zu Aichholz. Der
Vorstand wird von den Herren Arthur Faber,
Dr. Erich Bitter v. Hornbostei, Max Kalbeck,
Adolf Koch V. Langentreu, Dr. Eusebius
Mandyczewski und Gottheif Meyer gebildet.
Die französische Musikzeitung „Le mönestreh
macht auf ein Dokument aufmerksam, das augen-
blicklich ein gewisses aktuelles Interesse in An-
spruch nehmen darf. Es handelt sich um das im
Musikhistorischen Museum des Herrn Nicolas
Manskopf in Frankfurt a. M. befindliche Pro-
gramm eines Konzertes, das am Sonntag, den
9. März 1845 in Jena stattgefunden hat und in
dem der Weimarische Kapellmeister Ch<^lard
— 173
(geb. 1. Februar 1789 zu Paris, gest. 12. Februar 1861
zu Weimar) ein Werk zur Aufführung brachte,
das deinem Programm nach als ein ideeller Vor-
läufer zu Rieh. Strauss' „Sinfonia domestica**
gelten kann. Das Werk ist betitelt:
Les premi^res Harmonies de la vie.
Fantasie joyeuse pour orchestre.
compos^e parle Maitre de Chapelle Ch^lard de Weimar
Programme: Naissance, Bapteme, Berceuse;
Chanson de la nourrice, la Mere, TEnfant, ses jeux,
la premiere le^on ^poque de la jeunesse, Choral.
Kich. Strauss hat sein Werk in drei grosse,
zusammenhängende Abschnitte eingeteilt, die er
„der Mann, die Frau, das Kind** benennt ;.Ch41ard
hat den ,Mann^ ausgeschlossen, „Mutter und Kind^^
aber in sein Programm einbezogen. Strauss
schildert in seinem Werke die Erlebnisse nur eines
einzigen Tages in der Familie, während Ch^lard
einen grösseren Lebensabschnitt des Kindes ton-
knnstlerisch behandelt; aber bei aller Verschieden-
heit des Vorwurfs und seiner künstlerischen Be-
handlung sind doch Analogien in Einzelheiten
festzustellen.
Folgende Notiz wurde uns zugesandt: Land-
graf Ernst Ludwig von Hessen-Darmstadt
1678-1739 und die deutsche Oper. (E. Hofmann
& Co., Berlin.) Ganz überraschenden Aufschluss
über die Musikzustände Mitteldeutschlands im 17.
und 18. Jahrhundert gibt diese soeben erschienene
Publikation, die sich mit einem etwas vernach-
lässigten Teil der Musikgeschichte befasst. Der
hessische Landgraf Ernst Ludwig ein fein-
gebildeter Musiker und Eunstförderer, gründete
1709 nach Alt-Hamburger Muster in Darm-
stadt eine deutsche Hofoper, deren Hauptkräfte
er selbst bei seinen Besuchen in Hamburg aus
dem dortigen Ensemble ausgewählt. Briegel,
Granpner, Telemann, Keiser, Hesse traten
in Beziehung zu dem Darmstädter Hofe und
weckten dort ein reges Musiktreiben, das für die
ganze Staatengrnppe des Südens vorbildlich wurde.
Auch als Komponist trat der Landgraf in Wett-
bewerb mit seinen Musikern, mit welchen ihn eine
leutselige Vertrautheit verband. Der bekannte
Musikhistoriker Dr. Wilhelm Kleefeld hat in
dieser Monographie ein umfangreiches Material
mit sachkundiger Hand zusammengetragen, das
gewiss allen Freunden deutscher Musikgeschichte
willkommen sein wird.
Hervorgerufen durch die lebhafte Anteilnahme,
die der „Kl. L.* den „Beform bestrebungen des
Schulgesanges^ als Organ des musikpädagogischen
Verbandes widmet, gehen der Hedaktion zahlreiche
Programme musikalischer Veranstaltungen an
Gymnasien und anderen höheren Lehranstalten zu,
welche den Beweis liefern, dass da, wo der Unter-
richt in berufenen Händen liegt, sich auch heut
schon Tüchtiges erreichen lässt. Leider fehlt der
Baum, um von allen Einsendungen Notiz zu
nehmen; Proben von Bermerkenswerten sollen
dennoch von Zeit zu Zeit gebracht werden. Heute
eine Probe von einer Schüleraufführung am Gym-
nasium zu Kreuznach, an dem Herr Geisen-
heyner den Gesangunterricht leitet. Von den
unteren Klassen wurden einstimmige Kinderlieder
von Taubert, Mo zart 's .Sehnsucht nach dem
Frühling", Andrö's „Die ewige Schöpfung* und
zwei italienische Volkslieder gesungen. Vom ge-
mischten Chor „Die Nachtigall", eine russische
Volksweise, Möring's „Gute Nacht*, zwei Schel-
menlieder von Schöndorf, „Der Pfarrer von
Dundee" von Weinwurm und Zander's
schwieriges „Wenn de Lurk treckt", das in einen
achtstimmigen Schluss ausklingt. Die tadellose
Beinheit und Klangschönheit, die musterhafte
Entwicklung der Kinderstimmen wird in der Kritik
besonders hervorgehoben.
Bücher und
Theodor Kirchner: „20 Charakterstücke*« für
den Klavierunterricht in revidierter
Neuausgabe von Heinrich Germer.
Jmliu Hstnaaeit Brealan.
Die instruktive Bedeutung, der erziehliche Wert,
der den meisten Kirchner'schen Tonschöpfungen inne-
wohnt, ist von unseren Pädagogen im allgemeinen
noch sehr wenig gewürdigt. Verständlich ist die Tat-
sache kaum, aber vorhanden ist »ie. Wer spielt heut
Kirchner und wo findet man seine Werke auf den
Programmen der Schüleraufführongen, auf denen
ihre rechte Stätte wäre? Kirchner, ein Tonpoet von
der erlesensten Vornehmheit des Empfindens, der
einen Tonsatz von entzückf^nder Feinheit schrieb, war
schon bei seinen Lebzeiten vergessen, es scheint, als
weckte erst sein Tod das Andenken an ihn. Die obige
Ausgabe ist Jedenfalls ein erfreuliches Zeichen zu
Musikalien.
dem Versuch, die ruhenden, reichen Schätze flüssig
zu machen. Aus grösseren Kompositionscyklen,
(schade, dass die Neu ausgäbe nicht die vollen Titel
anführt), op. 39 „Dorfgeschichten", op. 44 „Blumen
zum Strauss", op. 46 „30 Kinder- und Künstler-
tänze" und op. 56 „In stillen Stunden'', sind 20 der
feinsten Sätze ausgesucht und in Finzelheften
herausgegeben. Das letztere ist noch besonders
hervorzuheben. Der vielgeplagte Klavierlehrer hat
ja, neben so vielem Anderen, leider auch mit den
Preisen der Noten zu rechnen. Warum werden
denn Czerny's Etüden und Clementi's und
Kühl au 's Etüden bis zum Ueberdruss gespielt und
einschlägliche moderne Werke, wie z. B. die
K i r c h ne r 'sehen „5 Sona tinen'' , kleine Kabinetstücke
in ihrer rhythmischen und melodischen Fassung, sind
ganz unbekannt? Ersteresind billig, letztere teuer!
— 174 —
Um 80 willkommener sind diese £inzelliefte, sie
schaffen den feinen Tonsätzchen leichtere Bahn zu
den EUavierpnlten. Heinrich Germer hat sie
einer sorgfältigen Eevision in Bezug anf Eingersatz
nnd Phrasiemng unterzogen und dem Lehrer da-
mit in die Hand gearbeitet. Kleine Textänderungen,
auch da, wo offenbare Druckfehler vorlagen, sind
durch Fussnoten zum Vergleich angedeutet. —
Wenn ich oben bedauerte, dass die Haupttitel der
verschiedenen Werke fehlen, so hat dafür der Be-
arbeiter den Sätzen aus op. 44. „Blumen zum
Strauss'', sinnige Bezeichnungen, wie „Epheu-
ranken', „Glockenblumen^* mitgegeben, auch die
„Tänze** sind nach ihren Bhythmen und Charakteren
getauft, da haben wir einen „festlichen**, „länd-
lichen', 0 deutschen** und anderen Tanz, einen
„Reigen", ein „Tanzpoem** u. s. w. — Die Stücke
sind durchweg von mittlerer Schwierigkeit, be-
sondere technische Aufgaben stellen sie nicht, wohl
aber beanspruchen sie feinfühlige musikalische
Finger und ein liebevolles Versenken in den
poetischen Gehalt. Möchten sie doch recht viel be-
nützt werden; unsere Jugend kann nicht besser
zur Musik ucd zum musikalischen Empfinden er-
zogen werden, als durch solche gemütstiefe und
poesieerfüllte Schöpfungen.
Anna Morsch.
N. Mendtner, op. 5. Sonate (FmoU) für Fianoforte.
M, P. Belftleffy Leipilir.
Der erste und dritte Satz bieten inhaltlich das
Wertvollste dieser Sonate. Dort fesselt das schöne,
zu melancholischem Wesen neigende Hauptthema
imd die gut getroffene Gegensätzlichkeit; hier die
sich immer mehr ausbreitende Stimmung und
Steigerung im Gefühlsausdruck. Beide Sätze sind
trefflich in Arbeit und Disposition und nach rhyth-
mischer und harmonischer Seite so interessant, dass
sie wohl ein genaueres und eiogehenderes Studium
lohnen. Der zweite, Intermezzo genannte Satz,
steht unter einer wenig angenehmen und fatale
ünrulie bereitenden Modulation, die unablässig hin
und her schreitet und nichts Erspriessliches zu
fördern vermag. Ein kurzer Nebengedanke, der
in den Grenzen strengerer Diatonik gehalten ist,
vermag hierfür kaum zu entschädigen, sondern
lässt vielmehr den Gegensatz mehr empfinden.
Der Schlusssatz der Mendtner'schen Sonate trägt
in der Hauptsache technischem und spielfreudigem
Interesse Eechnung. Eine sehr angenehm und
melodisch erfrischend wirkende Unterbrechung
bildet der As dnr- Zwischensatz mit seiner schönen
Empfindung und gewinnenden Klarheit.
S. Barmotine^ op. 1. Thema mit Variationen für
Fianoforte.
M. P» BelalefTy Lelpslg.
Die liier angezeigten Variationen von S. Bar-
motine möchte ich als eine Art Probestück ansehen,
das ohne Zweifel für die Zukunft zu recht guten
Hoffnungen Anlass gibt. Einzelne der Variationen
sind sehr g^t gelungen und erregen unmittelbar
das musikalische Interesse; andere hinwiederum
bewegen sich mehr oder minder häufig nur in
akkordischer Faraphrasierung. Jedenfalls aber ver-
dient der angehende Tonsetzer Aufmunterung zu
weiterem Schaffen, und zwar umsomehr, als sein
ganzes Gebaren durchaus gesund und natürlich ist,
und auf die Absolvierung grundlegender Studien
schliessen lässt.
Max Hasse: „Feter Cornelius und sein Barbier von
Bagdad*. Die Kritik zweier Fartituren.
Breitkopf * Hirlel, Lelpslg.
Der Grund zu Max Hasse's vorliegender Streit-
schrift darf bei dem Leser als bekannt vorausgesetzt
werden: Felix Mottl unterzog die Originalpartitar
des „Barbier von Bagdad' von Peter Cornelius in-
strumentalen Veränderungen, die vom verstorbenen
Münchener Hofkapellmeister Hermann Levi gnt-
geheissen wurden. Gegen die praktische- Ver-
wendung dieser Fartitur und für die Hehabilitation
des Originales tritt nun Max Hasse, einer der
besten Kenner von Cornelius' Leben und Wirken,
auf. Auf eine, die Entstehung und ferneren Schick-
sale der Oper darstellende Einleitung folgt die
eigentliche Kritik der MottPschen Bearbeitung,
um diese und den Vergleich zum Originale dar-
zulegen, wären Bände erforderlich gewesen. Mit
Fug und Hecht wählt daher Max Hasse aus dem
Material drei Stücke aus, nämlich eins aus dem
Reiche comelianischer Lyrik, eins aus dem seines
Orchesterwitzes und eins, worin das pathetisch-
humoristische Moment zu vollster Geltung kommt.
Eine genaue Vergleichung der alten und neuen
Faxtitur, resp. der hier mitgeteilten Stellen, wird
unschwer erkennen lassen, wo das Richtige zu
finden ist. Wir stehen auf selten des Komponisten
und begrüssen M. Hasse's interessante nnd lehr-
reiche Schrift als eine mannesmutige Tat Die
Aufführung des Werkes bei Gelegenheit des Cor-
neliusfestes in Weimar im verwichenen Sommer
hat bewiesen, dass der Originalpartitur ganz und
gar nicht die Schwächen anhaften, die man in der
Instrumentation zu finden glaubte, und dass der
MottFsche Bettungsversuch durch irgend eine dies-
bezügliche Umformung nicht geboten war.
Heinrich Neal : Deutsche Rhapsodien.
Drei symphonische Klavierstücke.
Frita Hehmberth Jr., Lelpstf.
Die Humoreske (op. 38) ist unter Heinrich
NeaPs oben genannten deutschen Rhapsodien die
am unmittelbarsten wirkende und in der Erfindung
frischeste. Der darin lebende Humor ist wirklich
welcher nnd treibt üppig seine Blüten. Auch ein
gewisses urwüchsiges Element fehlt darin nicht
und gibt dem Ganzen etwas ungemein Lebens-
fähiges und Fackendes. Am wenigsten sprach uns
die Fathetische Fhantasie (op. 52) an; sie ist hin-
175
sichtlich der EriinduDg am schwächsten geraten,
im Ansdmck nnd in der Wahl der Harmonien
nicht selten gezwungen nnd weit davon entfernt,
eine schöne Gesamtwirkung zu erzeugen und einen
bleibenden Eindruck zu hinterlassen. Es sind
meines Erachtens zu viel Anläufe und zu wenig
Besnltate vorhanden. Für eine ausgezeichnete
Komposition, technisch fördernd, schön musikalisch
und durchaus im vornehmen Sinne halte ich die
Studie (op. 47), die der konzertanten Ausführung
des Trillers gewidmet ist und für bereits vorge-
rücktere Spieler von sehr grossem Nutzen sein
wird, sich auch als Vortragsstück trefflich bewähren
dürfte. Ich empfehle sie und die Humoreske an-
gelegentlichst.
Eugen Segnitz.
MosikpSdagogiBcher Terband.
Schulgesangs-Kommission.
Zu meinem Entwurf .Sichtung des Unter-
richtsmaterials für die höheren Lehranstalten^* hat
nun auch Herr LudwigRiemannin einer längeren
Zuschrift an den Vorstand des Musikpädagogischen
Verbandes Stellung genommen. (Vergl. ,E].-L'*
No. 7.) Nicht aus Bechthaberei, sondern lediglich
im Interesse der uns allen am Herzen liegenden
Sache möchte ich Herrn Biemann's Standpunkt
hier kurz beleuchten.
ad. 1 : Meine Stoffauswahl berücksichtigt nicht
den Klassen-, sondern nur den Chorgesang an
9 stufigen Anstalten, was ja auch zur Oenüge aus
der Bemerkung „4 stimmige a cappella-Chöre' hervor-
geht. Der 4 stimmige Knabenchor dürfte bei der
geringen Zeit (Sexta und Quinta) wohl kaum zur
Anwendung kommen. Auch vermittelt ja der
3 stimmige Kindergesang den jugendlichen Sängern
eine Vorstellung oder, richtiger gesagt, ein G-efühl
von den Grundelementen der Harmonie, was Ja
für den späteren Chorgesang ausserordentlich
wichtig ist. Dass die Stoff auswahl für 6 stufige
Anstalten eine beschränktere sein muss , dürfte doch
schon die geringere Besuchszeit der Schule durch
den Choristen, sowie die von Herrn Biemann ge-
forderte 8 stimmige Bearbeitung dartun. „Männer-
chöre aber als Unterabteilung des gemischten
Chores zu bilden^, halte ich wegen der SprÖdigkelt
der TenÖre und wegen ihres mehr oder minder
baritonalen Charakters absolut für verfehlt. Hier
haben diese die Führung zu übernehmen, treten
darum zu sehr an die Obei-fläche, während sie im
gemischten Chor mehr als Füll stimme fungieren,
deren nicht gerade schöner Charakter noch zudem
von den Knabenstimmen gedeckt Yhrd. Da ist es
doch meines Erachtens viel vorteilhafter, wenn
auch in 6 stufigen Anstalten 4 stimmig gesungen
wird, da sich hier die Möglichkeit bietet, dass die
TenÖre durch einen 2. Alt unterstützt werden
können, vorausgesetzt natürlich, dass das betreffende
Chorbuch so eingerichtet ist, dass die Tenorstimme
auch von dem Alt gesungen werden kann und dass
die Bassstimme nicht zu tief geführt ist. Hier ist
das Verfahren von Prof. Palme durchaus am Platze.
— Meine 1. These schliesst den Gesang mit Klavier-
begleitung nicht aus, weshalb die von Herrn
Vereine.
Biemann in 1—3 ausgeführten Vorzüge als selbst-
verständlich acceptiert werden müssen.
ad. 4 : Mein aufgestellter Grundsatz richtet sich
nicht gegen Bearbeitungen. Die Auswahl der
OrignalchÖre wegen ihres .erotischen und gar-
kirchlichen Charakters" scheitern zu lassen, dürfte
zu weit gehen. In unserer Zeit geht man doch
meistens wegen «olcher Sachen zur Tagesordnung
über. Der Schüler findet aber auch gar nichts darin,
wenn man sie nur als selbstverständlich be-
trachtet. Warum soll er nicht vom „Lieben'', vom
„Küssen' etc. singen? Freilich darf der Text nach
dieser Seite nicht indiskret sein.
ad. 5: Ich halte nach wie vor an der Meinung
fest, dass die einstimmigen Kunstlieder, soweit
auch diese sich nicht dem Volksmässigen nähern,
vom Schulgesange auszuschliessen sind. Sie
verlangen doch meistens wegen ihres tiefen und
wechselnden :Stimmungsgehaltes ein zu individuali-
siertes Singen, als dass sie im Chorgesang zur
Geltung kommen könnten. Dass Herr Biemann
aber seinem Schülerkonzert mit den chinesischen,
japanischen, indischen und arabischen Gesängen
das Wort redet, zumal sich unter den japanischen
sogar ein — Bordelllied befand, dürfte doch wohl
einhellige Abwehr erfahren. „Eiumal" ist hier
nicht keinmal! Mit demselben Bechte könnte man
auch „einmal^* Gassenhauer singen lassen. Wo
bleibt hier die Pädagogik? Oder soll sie bei
solchen Sachen ^fCinmal" ihr Haupt verhüllen?
Nach meiner Meinung ist die ganze Auswahl des
Stoffes in erster Linie nach pädagogischen
Grundsätzen zu treffen. Das dürfte doch wohl die
obe rs te Forderung sein. In manchen Chorbüchern,
namentlich den neueren, ist dem deutschen Volks-
lied ein breiter Baum gewährt.
ad 8: Meine hier angegebene Stoff auswahl
halte ich für künstlerisch höherstehend. Die
biographischen Notizen kämen besser zur Geltang
und der Schüler dürfte durch die Zusammenstellung
der betr. Komponisten auch gleich ihre Zusanmien-
gehörigkeit in der Kunstgeschichte erkennen. Mag
die chronologische Anordnung auch mal Lücken auf-
weisen. Was tut's? Diese können durch kurze
biographische Angaben der Komponisten und ihrer
Bedeutung in der Kunstgeschichte ausgefüllt
werden. „Die Einteilung des Inhalts nach den
Lebensgewohnheiten, Sitten, Jahreszeiten und Schul-
— 176 —
festlichkeiten, wie sie der alte Prof. Erk beliebte,
dürfte in unserer Zeit doch wohl för 9 stufige An-
stalten als etwas naiv gelten. £s müssen eben
neue Bahnen beschritten und die bequemen Greleise
der liebgewordenen Gewohnheit verlassen werden.
Chistav Beckmann-Essen.
Veranstaltungen innerhalb des Vereins machen
einen Anschluss an denselben sehr empfehlenswert
Terein der Mnsiklehrer und Mnsiklehrerlnnen
zu Posen« Die am 15. Mai stattgefundene Ge-
neralversammlung des Vereins war erfreulicherweise
sehr zahlreich besucht. In Vertretung des Vor-
sitzenden, Herrn königlichen Musikdirektors
Geisler, eröffnete der Schriftführer, Herr Berg-
gruen, die Versammlung mit einem Bericht über
das abgelaufene Geschäftsjahr, worauf der Kassierer,
Herr Pianofortefabrikant Ecke, den Kassenbericht
erstattete, der ein recht erfreuliches Resultat auf-
wies. Der Gesamtvorstand, bestehend in folgenden
Mitgliedern: Fr. Dr. Theile, Herr Musikdirektor
Geisler, Frl. Fontane, Herr Berggruen, wurde
durch Zuruf wiedergewählt, an Stelle des bis-
herigen Kassierers Herrn Ecke, der hedauerlicher
weise eine "Wiederwahl nicht annehmen konnte,
Herr Fabrikant Broh gewählt. Der Verein zählt
jetzt ca. 50 Mitglieder und hat einen sehr erfreu-
lichen Aufschwung genommen. Das vom Verein
herausgegebene Unterrichts-Kontraktformular hat
sich für die Mitglieder als überaus segensreich
erwiesen. Zahlreiche andere Vergünstigungen, so
beispielsweise der durch die Güte des Herrn Theater-
direktors Thies bedeutend ermässigte Eintrittspreis
für unser Stadttheater, sowie die interessanten
Der Verein der konzessionierten MngiksclMl-
Inhaber und Inhalierinnen in Wien, hat in seiner
diesjährigen Generalversammlung den Jahres-
bericht des Ausschusses entgegengenommen. Mit
grossem Bedauern wurde zur Kenntnis gebracht,
dass der bisherige Vorstand, Herr Direktor Franz
Urban, aus Gesundheitsrücksichten von seinem
Amte zurückgetreten ist. Die hierauf erfolgten
Wahlen haben folgendes Resultat ergeben : Vorstand :
Ernst Pfriemer (VIII. Florianigasse 34); Vorst.-
Stellv.iFriedr. Weisshappel (XVEII. Canongl9j;
Schriftführer: Franz Prisching, Isabella Raffay;
Kassierer: Max Adler; Archivar: G^za Horvath;
Ausschüsse: Max v. Ambros, Jos. Herz, Peregrin
Lacomy, Friedr. Smetana. Cäcilie Schwarz, Adolf
Nesbeda; Kevisoren: M. H. Behbech, Heinr.
Teutscher, J. P. Lippert, Ida Schnabel.
Die Aufnahme neuer Mitglieder erfolgt nach
vorhergegangener Anmeldung beim Vorstand oder
dessen Stellvertreter durch den Ausschuss. Ordent-
liches Mitglied des Vereins kann nur ein vom
hohen k. k. n. oe. Landesschulrat konz. Musikschul-
inhaher oder Inhaberin in Wien werden. Anfragen
und Auskünfte werden durch den Ausschuss
bereitwilligst erteilt.
Der Pensionskasse dieses Vereines können
auch sonstige staatl. geprüfte, wie auch g^t
akkreditierte Mnsiklehrer und Lehrerinnen als
ordentliche Mitglieder beitreten.
B^^ Dieser Auftage liegt ein Prospekt'. Auguste ßöhme-Köhhr, Leipzig^ Leitfaden:
„Lautbildung beim Singen nnd Sprechen^\ Apparat zur ^.Plastischen Darstellung der Laut-
bildung^'' bei^ auf welche wir unsere Leser besonders aufmerksam machen. D. E*
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Konservatorium der Musik
in Kassel.
Gegr. 1896. Direktion: L Beyer. Gegr. 1896.
EhrenTOnltE : B«gieninn-Prä«ident tob Trott la 8«1b,
Graf KSmlgMorff, Exoellons Generalin tom €olOMby
OberbürgermeiBter Müller u. A.
Cnratorinm: Pfarrer Hau, Sohnldirektor Prof. Dr. Krui-
Mfteher, Bankier Plaat, Jostiarath Scheffer n. A.
Lehrer : Die Damen : L« Beyer, BUisi-FSrtter, Eönigl. Opern-
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Organisation: Ck>ncertkla8sen. Seminarklassen.
Mittel- und Elementarklassen.
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Stataten sind kostenfrei su besiehen durch die Schriftleitung
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Prof. €. Bmlaur's K^nservatoriiim und $«iiiinan
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nehmen wollen, sind gebeten, event. vorher schriftliche Klarlegung ihrer stimmlichen
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biete einen Namen gemacht hat, sucht Engage-
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Musik-pädagogische Zeitschrift für alle Qebiete der Tonkunst.
Organ der Deutschen Musiklehrer-Vereine,
der Musik-Sektion des fl. D. L-V. und der Tonkünstler-Vereine
zu Köln, Dresden, Hamburg, Leipzig und Stuttgart.
Begründet 1878 von Professor Emil Brcslaur.
Redaktion: Anna Morsch
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No. 12.
Berlin, 15. Juni 1905.
XXVIII. Jahrgang.
lakalt: A. Mecklenburg: Liszt in seinen Beziehungen zu Robert Schumann. (Schluss.) Wilh. Kischbieter: Vereinzelte Gedanken
einea alten Musikers. Violinschule von Joseph Joachim und A. Moser. Mitteilungen von Hochschulen und Koniervatorien«
Vermiaebte Nachrichten. Bflcher und Musikalien, besprochen von Eugen Segnitz. Meinungs-Austausch. Vereine. Anzeigen.
bfszt ii) seioet) K^2iebui)gci) zu ]^oberf jScbatf)at)t).
Von
A. Aeeklembitrg.
(Schluss.)
Unstreitig ist Liszt das Verdienst zuzu-
erkennen, diese Werke Schumann's aus seiner
letzten Schaffensperiode, die er trotz ihrer er-
erkannten Mängel doch wegen ihrer sonstigen
ausgezeichneten Eigenschaften für wert hielt,
der Nachwelt überliefert zu werden, in die
Oeffentlichkeit eingeführt zu haben. Während
der Leitung der Weimarer Oper durch Liszt
von 1849—58 wurden Schumann's Manfred,
Paradies und Peri, Genoveva, die Faust-Schluss-
szenen auf das sorgfältigste einstudiert und
aufgeführt.
Nachdem die Genoveva bei der ersten,
von Schumann selbst dirigierten Aufführung*)
in Leipzig, die sich zum grossen Leidwesen
Liszf s und Schumann's bis zum 25. Juni 1850
hinauszog, nicht den gewünschten Erfolg ein-
geerntet hatte — man applaudierte ausser der
Ouvertüre nur noch die Aktschlüsse — , brachte
Liszt die Oper seines Freundes in Weimar
unter glänzendem Erfolge und ebenfalls unter
Teilnahme berühmter Künstler am 9. April 1855
auf die Bühne (cf. den Brief an Franz Brendel
*) Ansser Liszt nahmen an ihr viele Verehrer
und Frennde des Komponisten, auch mehrere he-
rtihmte Künstler, wie Spohr Meyerbeer, Hiller teil.
vom 1. April 1855). Schon früher, Sonntags,
am 13. Juni 1852, erlebte der Manfred in
Weimar unter eigener Direktion Liszt's seine
erste Vorstellung, zu welcher dieser Schumann
von Düsseldorf aus und auch zum Logement
auf der Altenburg eingeladen hatte. Schumann
konnte aber dieser freundlichen Einladung
nicht Folge leisten, wie aus einem Briefe Liszfs
an Schumann vom 26. Juni 1852 hervorgeht.
Die auf das genaueste von Liszt vorbereitete
Aufführung des Manfred erzielte einen „edlen,
tiefen, erhebenden" Totaleindruck. Die Rolle
des Manfred hatte Pötsch übernommen und in
hervorragend künstlerischer Weise durchge-
führt — (.ehrenhaft und verständig", wie
Liszt sagt). Die Inszenierung sachgemäss in
die Wege geleitet zu haben, war das Verdienst
des Regisseurs Genast. Auch in späteren
Jahren wurden auf Liszt's unermüdliche An-
regung diese Schumann' sehen Werke auf-
geführt, so z. B. Genoveva in Weimar 1875
(cf. den Brief Liszt's an Adelheid von Schorn
in Rom vom 17. Mai 1875). Wir sehen daraus,
wie Liszt's künstlerisches Interesse an diesen
letzten Schöpfungen der Schumann'schen Muse
niemals erlahmte und er sich wohl hütete.
— 182
sich „des Pilatus-Verbrechens" in Bezug auf
sie schuldig zu machen.
Das Leben führte beide Künstler so ausein-
ander, dass sie persönlich nur einigemale zusam-
mentrafen; ausser 1840 noch Ende 1841, indem
Schumann zu dem zweiten Aufenthalt Liszt's
in Leipzig die Veranlassung gab; dann noch
1851, wo das letzte Zusammentreffen beider
Künstler in Düsseldorf stattfand. Den einen
führte des Lebens Schicksal in den Frieden
des häuslichen Glückes, in die Stille eines
engen, aber vor Störungen der Welt sicheren
Kreises, wo er ganz den Eingebungen seines
Genius lauschen und ruhig und behaglich die
Zauberwelt seiner Phantasie in Töne und Noten
umsetzen konnte; den anderen auf die Höhe
des Lebens, in den vornehmen Kreis von
Hochadligen, Fürsten und regierenden Herren,
in die grosse Welt von Rom und Weimar, in
den lauschenden Kreis von Schülern und
Schülerinnen aus aller Herren Länder (z. B.
aus Australien), die wie gebannt an seinen
Lehren hingen, .... in den Kampf, den die
Kunst mit sich bringt, in den Streit wider die
Repräsentanten der Philistrosität in der Musik,
die unter der Maske des reinen Klassizismus
jeden gesunden Fortschritt in der Musik wie
die Sünde hassten, in den Wettstreit um die
Palme der Vollendung als geharnischter Ritter
der in der neuen Kunstära Auserwählten; ....
dies alles, ihn so voll und ganz hinnehmend,
sodass er oft Mühe hatte, sich, seinen Genius
in dem Gedränge des Tages wiederzufinden,
sich in den heiligen Hallen seines Kunsttempels
seinen Inspirationen, seinem Kunstschaffen
hinzugeben .... Aber wie verschieden sich
auch ihr Lebensweg, besonders von 1840—1850,
gestaltete, darin waren beide eins, dass sie mit
ganzer Inbrunst, mit allen Kräften ihrer Genies
der einen, heiligen Sache, der neuen Kunst-
richtung dienten, ohne je dieses hehre Ziel
aus den Augen zu verlieren; — in „der
Seeleneigenschaft, in der geistigen Region,
die unzerstörbar ist", blieben beide bis zuletzt;
ihre Seelen, die eins waren in dem unver-
wüstlichen Ringen nach Kunstvollendung, nach
dem höchsten Kunstideal, umschlang ein un-
auflösliches Band, wenn auch ihre äusseren
Beziehungen wegen ihrer sie trennenden
Lebensumstände später nicht mehr gepflegt
werden konnten. Erkaltet waren die Be-
ziehungen Liszt's zu Schumann jedenfalls nie;
niemals hat Liszt seine Sympathie für den
Genius Schumann's verleugnet; als Päda-
goge schliesslich hat Liszt zu jeder Zeit, be-
sonders aber in Weimar, nach dem Tode
Schumann's auf die hohe, innere Bedeutung
der Schumann'schen Werke und auf ihren
höchst instruktiven Wert hingewiesen.
Wir würden der uns gesteUten Aufgabe
nicht völlig gerecht werden, wenn wir nicht
wenigstens am Schlüsse noch dieser päda-
gogischen, propädeutischen Tätigkeit Liszt's
mit Anerkennung gedenken wollten. „Hunderte
können bezeugen", so schreibt Liszt an
V. Wasielewski, „wie nachdrücklich ich stets
ein eingehendes Studium der Werke Schu-
mann*s empfohlen und mich daran erfrischt
habe". Dieser sich gestellten Aufgabe ist
Liszt bis zu seinem letzten Atemzuge treu ge-
blieben. Am 26. Juni 1886 wurde die letzte
offizielle „Stunde", welche Liszt gab, in der
Hofgärtnerei zu Weimar abgehalten. Das
Programm dieses letzten allgemeinen Unter-
richts Franz Liszt's erstreckte sich u, a. auch
auf die bereits erwähnte Novellette D-Dur,
Heft ni, No. 5, die Liszt als ein kleines
„Meisterstück" bezeichnete und deren Widmung
sich der Meister bis zuletzt mit inniger Freude
erinnerte.
Es war wohl eine seltsame Ironie des
Schicksals, wenn die nächsten Schumannianer,
die doch allen Grund hatten, Liszt für seine
opferfreudige und opferwillige Propaganda für
Schumann dankbar zu sein, Liszt seinen
Wagnerenthusiasmus schwer entgelten liessen;
vergessen war das herzliche Verhältnis, das
Liszt und Schumann einst so innig vereinigt,
vergessen, dass Schumann selbst vordem als
kampfesbereiter Davidsbündler gegen alle
Kunstphilisterei Front gemacht und sein Sieg-
friedschwert geschwungen hatte; indem sie an
die Spitze der Philister sich stellten, gebärdeten
sie sich als die Tollsten in der immer grössere
Dimensionen annehmenden Liszthetze.
Nun, die Musikgeschichte ist darüber hin-
weggeschritten; in die wild brodelnde Be-
wegung ist allmählich eine Klärung gekommen,
welche die durch Liszt und Schumann ange-
bahnte neue Kunstrichtung als berechtigt und
naturnotwendig anerkennt. Die heutigen
Schumannianer müssen jedenfalls anerkennen,
dass die Ziele Schumann's und Liszt's im
Grunde dieselben gewesen, und, wenn
Schumann jetzt Gemeingut der gesamten
musikalischen gebildeten Welt geworden, so
haben sie und alle die, die keiner Partei an-
gehören und eigene Wege gehen, dies nur
allein dem einzigartigen propagandistischen
Wirken Liszt's für Schumann zu verdanken.
183 —
V^i'^iozelte @edai)l<et) eines altet) ^usil<cps.
Von
Wilfa. BiTCbbleter.
„Geist ford'r ich vom Dichter; aber die Seele
spricht nur Polyhymuia aus." Die Musik wirkt
daher als Sprache der Seele unmittelbar auf das
Gemüt und nicht, wie die Poesie, direkt auf den
Verstand. Das Prädikat „geistreich" kann daher
wohl einer Dichtung, aber keineswegs einer musi-
kalischen Komposition mit vollem Rechte zuerkannt
werden ; denn wii* haben es in der Musik nicht —
wie in der Poesie — mit Gedanken zu tun, dei-en
Verständnis ein mehr oder weniger grosses Nach-
denken erfordern. Es würde uns auch nicht in
grosse Veri^Tinderung versetzen, wenn wir in Er-
fahrung brächten, dass zum Beispiel Franz Schubert
kein geistig hochbegabter Mensch gewesen wäre.
Bekanntlich hat es auch grosse Komponisten ge-
geben, die zugleich geistreiche Männer waren;
diese Begabung hat aber mit der musikalischen
nichts gemein. Wenn es ein derartiger Komponist
einmal unternommen haben sollte, ein geist-
reiches (?) Musikstück zu komponieren, so ist dies
Jedenfalls nicht zum Vorteil der betreffenden Kom-
position ausgefallen. Das echte Genie, namentlich
das musikalische, schafft naiv. An sein Wissen
wendet sich der Künstler erst dann, wenn das
unmittelbare Können ihn verlässt.
„Greistreiche" Musik hat es in früheren Zeiten,
soviel mir bekannt, überhaupt nicht gegeben. Heut-
zutage ist von einer solchen des Öfteren die Rede.
Werke, wie zum Beispiel „Figaros Hochzeit" und
^,Don Juan", sind allerdings dabei ausgeschlossen,
was ich auch ganz in der Ordnung ünde, denn
diese Opemmusik ist nicht geistreich, sondern ein-
fach himmlisch. Wenn heutzutage von geist-
reicher Musik die Bede ist, so bezieht sich das
meistens auf Werke neuerer Komponisten: zum
Beispiel Berlioz, Liszt und* Wagner. Aber auch
bei den Werken dieser Komponisten finde ich die
Bezeichnung „geistreich", sofern sie sich auf den
rein musikalischen Teil bezieht, ungehörig. Geist-
reich könnte man zum Beispiel viel eher den
Gedanken nennen, aus welchem das Musikdrama
entspningen ist, oder auch wohl diese oder jene
Verwendung der musikalischen Motive in dem-
selben.
Da nun von „geistreicher" Musik am aller-
wenigsten bei den unvergänglichen Werken Bach*s,
Mozart's und Beethoven's die Rede sein kann, so
könnte sich diese Bezeichnung nur auf solche
Kompositionen beziehen, in welchen der Kompo-
nist es unternommen, etwas rein Aeusserliches zu
-pchildem, oder in welchem die musikalischen
Motive auf etwas Bestimmtes hindeuten sollen;
indem dies aber nicht die Hauptaufgabe der
Musik — der himmlischsten aller Künste — ist,
so stehen derartige Kompositionen nicht auf der
höchsten Rangstufe. Selbst Beethoven's — in ihrer
Art einzig dastehende — Pastoral-Sinfonie steht
meiner Ansicht nach mit den übrigen Sinfonien
dieses Meisters (die erste allenfalls ausgenommen)
nicht auf gleicher Höhe.
Nelimen wir einmal an, zu Mozart's „Zauber-
flöte wäre gleich nach seinem Tode das Manuskript
der Ouvertüre verloren gegangen und dasselbe
wäre erst wieder gefunden worden, nachdem schon
ein anderer Komponist, und zwar ein Genie ersten
Ranges, eine Ouvertüre zu dieser Oper geschrieben
hätte; so könnten wir sicher darauf rechnen, dass
die nachkomponierte Ouvertüi-e hinsichtlich ihrer
künstlerischen, einheitlichen Gestaltung und ihres
charakteristischen Inhalts schwerlich einen Ver-
gleich mit der Mozart*schen aushielte. Sollte diese
aufgestellte Hypothese von diesem oder jenem be-
gabten Komponisten angezweifelt oder belächelt
werden, so versuche er doch einmal, eine zweite
Ouvertüi*e, welche ebenso charakteristisch und
knapp in der Form ist wie die Mozart'sche, zu der
„Zauberflöte" zu schreiben; er würde hierbei viel-
leicht auch zu der Ansicht gelangen, dass es für
einen Komponisten (grosse Begabung vorausgesetzt)
leichter ist, eine passende Ouvertüre zu einer
ernsten, ti*agischen Oper zu schreiben, als zur
„Zauberflöte", und nun erst die geniale Meister-
schaft bewundem, mit welcher Mozart uns auf die
Handlung dieser Oper, in welcher Erhabenes und
Possenhaftes bunt durcheinander läuft, vorbereitet,
und nicht etwa in einem formlosen, sondern in
einem einheitlichen, abgerundeten Werke. Wenn
irgendwo, so gelten hierbei Goethe's Worte:
„Schöpft des Dichters reine Hand, Wasser wird
sich ballen." Jedenfalls hat Alexander Ulibischef f
(1795 bis 1&^) die Ouvertüre zur „Zauberflöte"
von diesem Standpunkte ausgehend, und nicht
dieselbe als Musikstück an und für sich betrach-
tend, so überaus hochgestellt. — Die Ouvertüren
von Mozart haben für seine Opern dieselbe Be-
deutung, die seinerzeit der ,.Prologus" zu Shake-
speares Theaterstücken hatte: Derselbe bereitete die
Zuschauer auf das Stück vor, welches sie zu sehen
bekamen; die Handlung des Stückes deutete er
nur au, erzählen tat er nichts. Von diesem
Standpunkte aus betrachtet sind auch die Ouver-
türen zu Figaro's Hochzeit und Don Juan Meister-
werke allerersten Ranges. Im Konzertsaale sind
dieselben allerdings nicht von Wirkung, wie zum
Beispiel die Leonoren - Ouvertüre No. 3 von
Beethoven, und können es auch nicht sein. Dafür
sind die Mozart 'scheu Opern-Ouvertüren als solche
aber auch mustergiltig. Als Opern- Ouvertüre
betraclitet, ist die Leonoren-Ouvertüre No. 3 für
— 184 —
die kurze Oper ,,Fidelio" zu gross: sie sagt uns
zu viel. Wenn ,^idelio" ein Schauspiel wäre, so
verhielte sich die Sache anders; aber zu der kurzen
Oper st«ht diese Ouvertüre, vvüe schon gesagt, in
keinem rechten Verhältnis. Beethoven hat dies
jedenfalls auch empfunden, denn sonst hätt« er
wohl nicht noch die sogenannte „Pidelio"-Ouvei*türe
(E-dur) nachträglich komponiert. Mir ist auch
diese Ouvertüre sehr lieb und wert, aber ich höre
dieselbe lieber in einem Konzerte, als zu einer
„Fidelio"- Aufführung; denn meinem Grefühle nach
ist dieselbe für diese sehr ernste Oper viel zu
heiter.
*
Wolil keine Sinfonie von Beethoven hat so
verscliiedene Beurteilungen erfahren, wie die
neunte. Dass der Schöpfer derselben ein Genie
ersten Ranges war, darüber sind auch wohl schon
früher alle Kritiker einig gewesen; aber nicht
darüber, ob dieses Werk die Krone der Beethoven-
schen Sinfonien bildet, oder nicht. Es gibt heute
noch ästhetisch durchgebildete Fachleute und
Laien, welche die fünfte Sinfonie (C-moll) höher
stellen. Unter diesen Beurteilem befinden sich
überwiegend solche, welche den gesanglichen Teil
in der neunten Sinfonie für verfehlt halten: teüs
an und für sich, teils hinsichtlich der hohen
Stimmlage. W'as das letztere betrifft, so lassst sich
allerdings nicht leugnen, dass die Tadler — vom
Standpunkte der Gesangstechnik ausgehend —
nicht ganz unrecht haben. Es ist hierbei aber
auch nicht ausser acht zu lassen, dass, wenn die
ziemlich oft sehr hochliegenden Solo- und Chor-
stimmen zum Beispiel eine Quarte oder Quinte
tiefer lägen, die Lage der Stinmien zwar dann
eine normalere wäre, aber das Jubilierende, Dithy-
rambische — ja man könnte sagen: das e<^ht
Beethoven'sche — verloren ginge.
Wenn ich auch nicht zu denen gehöre, welche
diese Sinfonie für die beste der Beethovenschen
halten, so ist dieselbe mir doch auch ans Herz
gewachsen; denn sie sondert sich meiner Ansicht
nach von den anderen Sinfonien des Meisters unter
anderem auch dadurch ab, dass sie uns den
Menschen Beethoven am deutlichsten veranschau-
licht. - Nur ist es mir, so oft ich diese Sinfonie
gehört habe, immer aufgefallen, dass Beethoven
das Hauptthema, welches aus dem Rezitativ:
„0 Freunde, nicht diese Töne, sondern lasst uns
heitere anstimmen" einsetzt, schon vorher in aus-
gibiger Weise gebracht hat. Meiner Ansicht na<:h
wäre es nicht nur logischer, sondern auch noch
effektvoller, wenn der Hörer diese „heiteren Tone"
nach dem Rezitativ zum erstenmale vernähme.
(Fortsetzung folgt)
Ylolinschule Ton Joseph Joachim und A. Moser. Band L
N. Simroeky BerlU, Leipiir» Kola.
Vorwort
von
Andreas Moser. *)
Joseph Joachim wird demnächst auf eine
sechzigjährige Lehrtätigkeit zurückblicken
können. Da wird seinen Schülern ein Werk nicht
unwillkommen sein, das den Versuch unternimmt,
seine Anschauungen vom Wesen des Violinspiels
in ein methodisch geordnetes System zu bringen.
Der Meister hat — gerade wie L. Spohr —
niemals Anfangsunterricht erteilt, also keine Ge-
legenheit gehabt, seine Lehre auf ihre unmittelbare
Keimfähigkeit zu prüfen. Wohl aber hat er ihre
Richtigkeit und ihren Segen bei vorgeschrittenen
2jöglingen bestätigt gefunden: vererben doch hun-
derte seiner Schüler die ihnen gewordene Unter-
weisung weiter fort und erziehen so der Mit- und
Nachwelt ganze G-eschlechter von geigenden Enkeln
und Urenkeln Joachimscher Abstammung.
Hieraus ergibt sich ohne weiteres der Anteil,
den jeder von uns an der vorliegenden Arbeit hat:
Während ich mit den ersten beiden Bänden das
Terrain geebnet und die Steine zum Unterbau
geliefert habe, brachte Joachim das Ganze durch
*) Vergl. die Besprechung in Nr. 11.
die Bearbeitung einer Anzahl klassischer Meister-
werke der Violinliteratur im dritten Band znm
Abschluss. Dass aber trotz der äusserlichen Arbeits-
teilung ein einheitliches Werk zustande kam,
ist einerseits durch die Selbstlosigkeit begründet,
mit der Joachim meine Untersuchungen auf dem
Gebiete der Elementarlehre gefördert hat, anderer-
seits durch meine innige Vertrautheit mit den
künstlerischen Intentionen des Meisters.
Nurfürden erläuternden Text und diejenigen
Notenbeispiele, die ohne spezielle Angabe eines
Autors sind, habe ich allein die Verantwortung zu
tragen. Da diese den Lehrgang der ersten beiden
Bände bestimmen, so sei mir gestattet, statt einer
besonderen Einleitung folgendes darüber zu sagen.
Nicht die Virtuosität ist unser Endziel,
sondern der Musiker, der sein technisches
Können künstlerischen Zwecken dienstbar
machen soll. Stein auf Stein fügend wollen wir
allmählich den Schüler dahin führen, wo das hand-
werksmässige Geigen aufhört und das künstlerische
Musizieren beginnt. Nach den ersten Strich- und
Griffübungen schon soll er die Elemente des Fhra-
— 185 —
sierens kennen lernen, damit er so früh als möglich
sinngemässen Ausdruck und Vortrag nicht als
et-was ausserhalb Liegendes ansieht, sondern als
ein mit der Sache untrennbar Verbundenes. Dabei
kommt es gamicht so sehr darauf an, dass der
Zögling imstande sei, die auf dieser Stufe vor-
kommenden kleinen Stücke schon ausdrucksvoll
wiederzugeben, als dass durch Erörterungen an ge-
eigneter Stelle und gelegentliches Vorspielen des
Lehrers sein künstlerischer Sinn angeregt werde.
Da nicht alle Schüler hervorragende Geiger werden
können, so ist auch das ein schöner Erfolg, wenn
die Lehre urteilsfähige Zuhörer erzieht, die an
edlen Kunstleistungen Freude empfinden. Die
Heranziehung von Vergleichen aus den Schwester-
künsten und der Sprache, sowie die Zuhilfenahme
von Volksliedern werden die Aufgabe, die auf den
ersten Blick schwerer erscheint, als sie in der Tat
ist, weeentlich erleichtem.
Diese Ankündigung enthält zugleich ein Be-
kenntnis: es kommt uns weniger darauf an, den
Schüler rasch, wohl aber alles, ihn sicher zu
fördern. Die AnfangdgrQnde sind deshalb in
breitester Ausführlichkeit behandelt worden. Die
Erfahrung lehrt, da<s gerade die Unterlassungs-
sünden in der ersten Lage am folgenschwersten
sind; sie müssen deshalb sowohl im Interesse des
Lehrers wie des Schülers vermieden werden. Wer
etwa der Meinung sein sollte, dass ein ausgiebiges
Verweilen bei den Elementen die Spielfreudigkeit
des Schülers lahm legen könnte, der befindet sich
in einem verhängnisvollen Irrtum. Das charakteri-
siert ja den tüchtigen Pädagogen vor dem stunden-
gebenden Handwerker, dass er neben der unerläss-
lichen Geduld und Liebe zum Lehrberuf auch die
nötige Intelligenz besitzt, um das Interesse des
Schülers auch da wach zu erhalten, wo es sich um
die mühsame Aneignung ernster Dinge handelt
Wenn sich bei der Erörterung schwieriger
Fragen beim Schüler eine gewisse Abspannung
einstellt, um so entschuldbarer, je jünger er ist, so
wird der gebildete Lehrer hundert Mittel und
Wege finden, des Schülers Aufmerksamkeit für den
zu behandelnden Gegenstand wiederzugewinnen.*)
In solchen Fällen tut der Lehrer gut, eine Pause
zu machen und während derselben dem Schüler
einiges aus dem Leben der grossen Musiker zu er-
zählen : wo und wann sie gelebt und gewirkt haben,
welches ihre Schicksale waren, worin ihre Bedeu-
tmig besteht, und dergleichen. Bei einer anderen
Gelegenheit mache er ihn mit den bedeutendsten
Vertretern des Violinspiels in den verschiedenen
Ländern bekannt, wie ihre Lehrer hiessen und
welche Schüler sie wieder herangebildet haben usw.
Auch die Herkunft der Violine und die Kunst des
Geigenbaues ist ein dankbarer Gegenstand für den
in Rede stehenden Zweck.
Daraus ergibt sich von selbst, dass unser Lehr-
gang nicht für allzu jugendliche Schüler berechnet
ist. Kur wenn es sich um aussergewöhnlich be-
gabte Kinder handelt, ist mit dem Violinunterricht
vor dem 7. Lebensjahre anzufangen; aber auch dies
nur dann, wenn mit dem Talent und der Lembe-
gi^rde eine kräftige Konstitution Hand in Hand
geht. Die Vorteile, welche durch frühe Schulung
zuweilen erreicht werden, kann die grössere In-
telligenz später beginnender Zöglinge in vielen
Fällen wieder aufwiegen. Das günstigste Alter
für den Beginn der Geigenstunden dürfte zwischen
dem 8. und 10. Lebensjahr liegen.
Hat der Lehrer das G^hör und die körper-
lichen Anlagen*) des ihm anvertrauten Schülers
geprüft und genügend befunden, so muss er die
Anschaffung eines Instrumentes veranlassen, das
den Körperverhältnissen des Anfängers entspricht.
Das Violinspiel ist gerade schwierig genug, als
dass man Kinder auch noch mit grossen Geigen
oder zu langen Bogen quälen sollte. Anfänger
unter 8 Jahren mögen ihre ersten Versuche stets
auf einer halben Greige machen; vom 10. Lebens-
jahr etwa können sie auf das Dreiviertel-Format
übergehen, und nur in ganz seltenen Fällen ist
einem 2^gling vor seinem 12. Jahre der Gebrauch
einer ganzen Geig^ anzuraten. Aehnlich verhält
es sich mit dem Bogen. Der Uebergang vom
kleineren zum grösseren Handwerkszeug ist mit
keinerlei Schwierigkeiten verknüpft. (Für den An-
fangs-Unterricht ausreichende halbe und Dreiviertel-
Violinen sind bei jedem besseren Geigenmacher für
20—30 Mark käuflich. In der Hegel werden sie
sogar bei der Anschaffung einer ganzen Geige mit
in Zahlung genommen.)
Von fundamentaler Wichtigkeit ist es, dass
das musikalische Vorstellungs vermögen des Schülers
von Anfang an eifrig gepflegt werde. Er muss
singen, singen und immer wieder singen!
Schon Tartini sagte: „Per ben suonare, bisogna ben
cantare^^ (, Gutes Ellingen, braucht gutes Singen.^)
Keinen Ton soll der angehende Geiger anstreichen,
den er nicht vorher durch die eigene Stimme fest-
stellt hat, sich also dessen vollkommen bewusst
geworden ist, was er hervorbringen will. Dies ist
einer der Gründe, weshalb die ersten Griff versuche
auf der D-Seite zu machen sind. Die Töne der
ersten Lage auf dieser Saite entsprechen der Stimm-
lage eines jeden Kindes, es mag Sopran oder Alt
singen. Sollte aber, wi^ zu den Seltenheiten ge-
hört, keinerlei Stimm^orhanden sein, so mag das
*) In Schillers „Lied von der Glocke^^ heisst es :
„Zum Werke, das wir ernst bereiten,
Geziemt sich wohl ein ernstes Wort;
Wenn gute Heden sie begleiten,
Dann messt die Arbeit munter fort." —
j^rer setze dem Schüler eine Geige
/u.inn und untersuche, ob die Spann-
vefhältniMfegeiner linken Hand, bei liegenbleiben-
dem 1. >Snd 3. Finger, das Greifen der Tonfolge
*) Der
unter das
ip=: in der ersten Lage ermöglichen.
— 186 —
Pfeifen als Notbehelf dienen. Die Hauptsache ist,
dass der Schüler sich ein bewnsstes Hören aneigne.
Dass er rein oder unrein von einander zu unter-
scheiden weiss, genügt noch keinesw^egs; er muss
vielmehr mit Sicherheit angeben können, ob eine
Note richtig, zu hoch oder zu tief intoniert
ist. Die auf die Schulung des Ohres verwendete
Zeit und Mühe wird besonders bei den Doppel-
griffstudien ihren Segen erweisen; wie denn über-
haupt ein scharfes Gehör die selbstverständliche Vor-
aussetzung für jedes rechtschaffene Musizieren ist.
Die anderen Gründe für die Wahl der D-Saite
als Ausgangspunkt für unsere üebungen sind
geigentechnischer Natur. So zwingen die ersten
Strichversuche auf der leereu D- oder A-Saite den
Schüler, seinen Bogen stets in derselben Winkel-
neignng zu führen, um das Anstreichen der Nach-
barsaiten zu vermeiden — ein Vorteil, der jedem
Geigenlehrer einleuchten wird, wenn er sich die
absonderlichen Stellungen vergegenwärtigt, zu
denen die ersten Strichübungen auf der E-, be-
sonders aber auf der G- Saite bei Anfängern zu
führen pflegen, und die nur mit unsäglicher Mühe
wieder auszumerzen sind.
Der Hauptgrund aber, mit der D-Saite zu be-
ginnen, ist die linke Hand. Darüber dürfte ja wohl
kaum ein Zweifel bestehen, dass das Dur-Geschlecht
dem Fassungsvermögen eines Kindes weit näher
liegt als das in Moll oder gar eine mittelalterliche
Kirchentonart. Da nun Tonarten in erster Linie
durch ihre Skalen repräsentiert werden, so muss
die Aufgabe darin bestehen, mit der Tonart zu
beginnen, die auf der Violine in der ersten Lage
am leichtesten auszuführen ist. Und das ist
Cdur JL.
i
2. VierJing.
1. Tetrachord.
entschieden dieinDdur! Denkt man sich eine
Dur-Tonleiter in ibre beiden Tetrachorde (Vierlinge)
zerlegt, so ergibt sich für Ddur auf der Violine
die ebenso leichtfassliche wie übersichtliche An-
ordnung, dass das erste Tetrachor d auf der D-Saite,
das zweite mit genau derselben*) Fingerstellung
auf der A-Saite zu greifen ist:
D
Hat der Schüler die nötige Sicherheit In dieser
(ersten) Griff art erlangt, so ist er ohne weiteres
imstande, auch die mit den entsprechenden leeren
Saiten beginnenden G dur- lund A-dur-Tonleitem
zu spielen, also bei einem Stück in D dur in
die benachbarten Gebiete der Ober- und Unter -
dominante zu modulieren. Erst mit der Kenntnis
der zweiten Griff art, dem Moll-Vierling, treten wir
an die Altlage der C dur-Tonleiter (c -c") heran,
während ihre höhere Oktave (c'—c'") in der ersten
Lage wegen des zu greifenden Tritonus (f'-h)
und der Ueberstreckung des kleinen Fingers für c '
ganz zuletzt behandelt wird.
Dass das Tetrachord nicht von jeher den Aus-
gangspunkt für den Violinunterricht gebildet har,
gehört zu jenen Wunderlichkeiten, die durch ihr
ehrwürdiges Alter nur um so seltsamer berühren.
Sind doch zwei Faktoren für den Mechanismus
ausschlaggebend: die Natur des Instrumentes und
die bei seiner Verwendung in Frage konmieodfn
Körperteile. Da nun die Violine seit Jahrhunderten
schon fast ausschliesslich in reinen Quinten ge-
stimmt wird und die Vorgänge auf dem Griffbrett
nur von vier Fingern ausgeführt werden, so ergibt
sich daraus von selbst, dass die ganze Technik der
linken Hand unter dem Zeichen des Tetrachordes
steht. Das mögen auch unsere geigenden Ahnen
schon deutlich empfunden haben; um so mehr als
die meisten von ihnen ja aus klösterlichen Sing-
schulen hervorgegangen sind, in denen die mittel-
alterlichen Kirchentonarten und mit ihnen die
Lehre von den Tetrachorden auch dann noch fast
ausschliesslich gepflegt wurden, als in der weltlichen
Musik der Sieg des modernen Tonsystems bereits
entschieden war. In der Uebergangsepoche von
der alten zur neuen Musiklehre aber, die mit den
Anfängen der Kunst des Violinspiels beinahe zu-
sammenfällt, hat man sich dazu verleiten lassen,
die AnerJ^ennung der im IG. Jahrhundert aufge-
kommenen jonischen Tonart (c d e f g a h c) als
Ausgangspunkt für den Musikunterricht auch auf
die Geige zu übertragen. Das bedeutete einerseits
die Verleugnung der Natur unseres Instrumentes,
anderseits einen Mangel an pädagogischer Ueber-
legung. Denn wie für die theoretische Ein-
sicht in das Wesen der Tonleitern C dur ebenso
günstig ist, wie für den Klavierspieler, der seine
ersten Versuche auf den weissen Tasten vornimmt,
dur
m
ar -<*
-*-r
4f
z^^l
^LJPI^-
-^ h
GdiHc^
*) Beim Anfangsunterricht kann getapst ange-
nommen werden, dass die beiden Tetrach^orde in
ihrer Anordnung völlig gleich sind. Lieber ihre
tatsächliche Verschiedenheit soll bei der Einfilhrung
der Doppelgriffe ausführlich gesprochen wfeirden.
A dur
Die Erörterung des grossen und kleinen Ganztones
würde den Anfänger nur verwirren; andererseits
wird ein von der Natur mit gutem Gehör bedachter
Schüler ganz instinktiv richtig greifen und in-
tonieren.
— 187 —
so iet diese Tonart für den angehenden Geiger die
denkbar ungeeignetste, weil ihre korrekte Ans-
fühmng mit Schwierigkeiten verbunden ist, die
dem Anfänger erspart werden können, folglich also
anch erspart werden müssen.
Die Tatsache, dass auch neuere Meister des
Violinspiels in ihren Schulwerken immer noch von
der C dur-Tonleiter ausgehen, lässt nur zwei Er-
klärungen zu. Die erste ist, dass die betreffenden
Autoren, wie Spohr, entweder niemals oder doch
nur ausnahmsweise Anfänger unterrichtet haben;
die zweite, dass sie, mit Schiller zu reden, ,die
Gewohnheit ihre Amme nennen**. Seit Gorellls
Schüler, G^eminiani, in seiner 1740 erschienenen Violin-
schule den Griff
Q gl —
Xr — 5?-4 —
mit der Normal-
stellung der Finger der linken Hand identiiiziert
hat, treibt dieser berüchtigte Griff sein Unwesen
in allen späteren Schulen, da sich die meisten
aof Geminiani stützen.
Allein zu Lebzeiten unserer geigenden Vor-
fahren war jener Griff noch keineswegs der Un-
hold, zu dem er sich später ausgewachsen hat, viel-
mehr ein ganz vernünftig Ding. Vergegenwärtigen
wir uns nämlich, dass bis tief in die 2. Hälfte des
AS. Jahrhunderts hinein die Hälse der Violinen
2—3 Zentimeter kürzer waren als jetzt^ so er-
forderte die Ausführung des fraglichen Griffes nur
jene Spannfähigkeit, die heute etwa nötig wäre,
um ihn in der 8. oder 4. Lage zu spielen. Jeder
erfahrene Pädagoge aber wird die Beobachtung
gemacht haben, dass nicht die Hälfte seiner An-
fänger imstande ist, den Geminianischen Griff auf
unseren mit verlängerten Mensuten versehenen
Geigen mühelos auszuführen, ja, dass er selbst
manchen Hervorragenden Geigern zeitlebens schwer
fällt. Was aber der Majorität Schwierigkeiten be-
reitet und von vielen gar nicht geleistet werden
kann, soll und darf niemals als Norm aufgestellt
werden. Dieses zugegeben, fällt auch der letzte
Grund fort, welcher der Beibehaltung der C dur-
Tonleiter mit ihren schwierigen Griff Verhältnissen
beim Anfangsunterricht das Wort reden könnte.
C. de B^riot scheint der Erste gewesen zu sein,
der in seiner Violinschule mit der althergebrachten
Tradition gebrochen hat und, von der Ansicht aus-
gehend, dass die Violine ein G-Instiument ist, den
Anfangsunterricht mit der G dur-Tonleiter eröffnet.
Die angeführten gesanglichen, musikalischen und
bogentechnischen Erwägungen waren die Veran-
lassung, die Theorie de B^riot's weiter auszubauen
und das Dur-Tetrachord auf der D-Salte zum Aus-
gangspunkt für den Anfangs-Unterricht zu nehmen.
Auf diese Weise gewöhnt sich der Schüler über-
dies gleich daran, jede Tonart als ein selbständiges
(rebilde aufzufassen, nicht, wie das so häuüg vor-
kommt, als ein durch Versetzungszeichen degene-
riertes C dur.
Der soeben entwickelte Studiengang hat frei-
lich zur Voraussetzung, dass der Lehrer in den
Anfangsstunden, die ja hauptsächlich mit Strich-
übungen auf den leeren Saiten ausgefüllt werden,
dem Schüler nach der Erklärung der Notenschrift
eine gründliche Kenntnis der Intervallenlehre bei-
bringt. Das fällt schon deshalb nicht schwer, weil
in den ersten Unterrichtsmonaten nur die ein-
fachsten Tonschritte des Volksliedes in Betracht
kommen.
Das Volkslied ist überhaupt der leitende Faden,
der den ganzen e^ten Band durchzieht. An seiner
gesunden Melodik und leichtfasslichen Harmonik
muss der musikalische Sinn des Anfängers geweckt
und allmählich entwickelt werden. Aber auch die
Uebungen und Stücke eigener Erfindung stützen
sich in der Hauptsache auf die leicht eingänglichen
Wendungen deutscher Volkslieder und Tänze.
Meine Aufgabe bestand ja nicht darin, geistvolle
Kompositionen zu lielern, sondern praktische Bei-
spiele, die den Schüler zuverlässig fördern. Des-
halb ist selbst in den längeren Stücken die be-
gleitende zweite Geige ganz einfach gehalten; sie
soll den Anfänger stützen, nicht aber durch G^ist-
reicheleien verwirren. Um den Schüler vor Ein-
seitigkeit zu bewahren, sind an passenden Stellen
Etüden und Stücke von anderen Autoren einge-
schaltet worden.
Bei aller Gebundenheit an das Ziel des vor-
liegenden Werkes soll doch dem Lehrer die not-
wendige Bewegungsfreiheit in Einzelheiten zuge-
standen sein. Es bleibt daher ganz seiner Einsicht
überlassen, ob er den eingeschlagenen Weg genau
befolgen will oder, je nach Alter und Fähigkeiten
des Schülers, eines oder das andere Kapitel Über-
schlägt, um später darauf zurückzukommen. Nur
darf in der Kette kein Glied fehlen, weil sich die
dadurch entstandene Lücke früher oder später un-\
fehlbar rächen würde. Als selbstverständlich darf
überdies angenommen werden, dass die den
Mechanismus betreffenden Regeln nicht
von unbeugsamer Strenge sind, sondern, der
körperlichen Veranlagung des Schülers entsprechend,
nach der einen oder anderen JElichtung nicht nur
modifiziert werden dürfen, sondern sogar müssen.
Eine Schule kann nur allgemeine Normen auf-
stellen, nicht Vorschriften für jeden Einzelfall
geben. Sache des denkenden Lehrers ist es, aus
den Anweisungen das für jeden Schüler Passende
und Kichtige herauszuschälen.
So übergeben wir denn unsere Arbeit der
Oeffentlichkeit mit dem Wunsche, dass sie Segen
stiften möge, und mit der Bitte, sie als das zu be-
urteilen, was sie sein will:
Ein Versuch, das Violinspiel durch
einen rationellen Lehrgang so zu fördern,
dass das erworbene technische Können der
Musik als solcher zu gute komme! —
— 188 —
MitteilungeD
Yon Hoohsohulen und KonservatoriexL
Der bekannte Violinvirtuose Issay Barmas,
bisher am Stem'schen Konservatorium tätig, ist ab
1. September 1905 als Lehrer der Ausbildungs-
klassen seines Instrumentes für das Conser-
vatorium Klindworth-Scharwenka (Direktor
Dr. H. Goldschmidt) gewonnen worden.
Im Grossherzogliclien Konservatorium
für Musik in Karlsruhe, Direktor Professor
Ordenstein, fand kürzlich eine Prüfung der
Theorieschüler der Vorbereitungsklassen
statt, welche der Lehrer des betreffenden Faches,
Herr "Worret, unter Leitung des Direktors abhielt.
Die Prüfung verlief ausgezeichnet, alle Fragen
wurden präzise und zutreffend beantwortet. Vor
allem verrieten die Arbeiten an der Tafel selbst-
ständiges Denken und bewiesen, dass der Stoff
wirklich von den Kindern verstanden und geistig
verarbeitet ist. Mit Genugtuung kann konstatiert
werden, dass dieser wichtige Unterrichtszweig am
Konservatorium mit Sorgfalt gepflegt wird.
Das Wiener Konservatorium der „Ge-
sellschaft der Musikfreunde^^ wird durch An-
gliederung einer Chorschule für weltlichen
und geistlichen Ohorgesang (einschliesslich
des gregorianischen Chorals) und einer Chor-
dirigentenschule erweitert. Zum Leiter beider
Schulen ist Herr Eugen Thomas berufen worden,
der durch den von ihm ins Leben gerufenen
„Wiener a cappellaChor^^ als tüchtiger Fachmann
auf dem einschlägigen Gebiete verdientes Ansehen
geniesst.
Die Königl. Musikschule zu Würzburg^
Direktor Hof rat Dr. Kliebert, brachte in ihrer
letzten Aufführung des Franziskaner Paters P.
Hartmann Oratorium „Das letzte Abendmahl'
zu Gehör. Dsis Werk besteht aus zwei Teilen, der
erste behandelt das altjüdische Passahfest, der
zweite die Einsetzung des christlichen Abendmahls.
Dem Oratorium folgte Anton Brückners „Te
deum^. Solisten bei der Aufführung waren die
Damen Marie Berg und Agnes Leydhecker
und die Herren Hans Thomaschek, Dr. Otto
Engelhardt und Georg Grosch.
In der Musikschule Frl. Eugenie Rosen-
berg's zu Krakau, in welcher, ausser dem Klavier
als Hauptfach, Theorie, Methodik und Pädagogik,
Musikgeschichte, Musikdiktat und Instrumenten-
kunde gelehrt werden, fanden die Prüf angskonzerte
des Instituts in Form von historischen Abenden
statt. Das Programm des ersten enthielt Werke
von Couperin, Bameau, Bach, Händel, Padre
Martini und Ph. Em. Bach. Das zweite brachte
Kompositionen in chronologischer Folge von
Rameau an bis auf die Neuzeit. In einer Prüfung
der Elementarklassen wurden u. A. die reizendec
Kinder-Trios von Gurlitt, Söchting und L.
Meyer aufgeführt.
Vermischte Nachrichten.
Die Königliche Kapelle hat für die nächste
Saison ihre zehn Abonnementskonzerte unter
Leitung von Felix Weingartner für folgende
Tage angezeigt: 18. Oktober, 2. und 29. No-
vember, 8. und 22. Dezember 1905, 2., 9. und
22. März, 14. April und 7. Mai 1906.
Die Philharmonischen Konzerte unter
Leitung von Arthur Nikisch werden in der
nächsten Saison an folgenden Tagen stattfinden:
16. und 30. Oktober, 18. und 27. November, 11. De-
zember 190B, IB. und 29. Januar, 12. und 26. Fe-
bruar und 12. März 1906.
Die Singakademie macht bekannt, dass
in der Saison 1905/06 folgende Aufführungen in
Aussicht genommen worden sind: 20. Oktober
(Abonnementskonzert) die „Missa solemnis^ von
Beethoven; 26. November „Begräbnisgesang, Ge-
sang der Parzen, Nänie und das Deutsche Requiem*^
von Brahms; 22. Dezember Weihnachtsoratorium
von Bach; 23. Februar (2. Abonnementskonzert)
„Die Apostel'' von Edward Elgar (z. 1. M.);
23. März (3. Abonnementskonzert) Haydns
„Schöpfung* ; 12. und 13. April „Matthäus-Passion*
von Bach.
Otto Nicolai 's letztes Tagebuch, von dessen
Bestehen bisher gisir nichts bekannt war, ist von
dem Musikforscher Georg Richard Kruse auf-
gefunden worden. Während es in der Vorrede
zu den von B. Schröder 1892 herausgegebenen
Tagebüchern Nicolai's heisst: „Nachdem Nicolai
Wien verlassen, trug er in Ischl 1847 den letzten
drei Jahre umfassenden Nachtrag ein; dann brechen
die Aufzeichnungen plötzlich ab und wurden später
in Berlin nicht wieder fortg^esetzt", enthält der nun
vorliegende Schlussband den noch acht Seiten um-
fassenden Rest der Ischler Aufzeichnungen, denen
sich noch solche von Salzburg und Baden bei
Wien anschliessen; dann folgt die im Juli 1848
auf der Insel Wangeroog geschriebene Fortsetzung
und der aus Berlin datierte, bis zum 4. Oktober
1848 reichende Schluss. In dem übrigen Teil des
Buches hat darauf, nach Otto*s Tode, der Vater des
Komponisten die Entwürfe seiner eigenen Briefe
und Veröffentlichungen bis zum 19. Dezember 1^5^
eingetragen, die noch manchen AufBchluss über die
Verhältnisse des Sohnes geben. Nachdem dieser
für das Leben und Schaffen des Komponisten der
„Lustigen Weiber von Windsor" überaus wichtijre
— 189
SchlassteiD seiner Selbstbekenntnisse der Verborgen-
heit entzogen und anch eine bisher unbekannte
Reihe von Briefen Nicolai's zugänglich geworden
ist, wird nanmehr in Saide die von Georg Richard
Kr ase seit Jahren vorbereitete Biographie Nlcolai's
veröffentlicht werden können.
Zar Feier des 50jährigen Jubiläums der
Tonkünstlerin und Musiklehrerin Fräulein Julie
V. Ffeilschifterfandam 17. Mai ein Gesellschafts-
abend mit musikalisch-deklamatorischen Vorträgen
in der Privat-Gemälde-Galerie des Herrn Jaffe-
Berlin statt, unter Mitwirkung von Fräulein Lola
Kally, Eönigl. Opemsängerin (Sopran), Frau Haupt-
mann Liernur (Sopran), Fräulein Anna Kuz-
nitzky (Alt), Frau Therese Janghans, dem Cello-
Virtuosen Herrn Schrattenholz, Mister Norris (Tenor)
und Herrn Musikdirektor Lowe. Von der in Berlin
in weitesten Kreisen bekannten Philanthropin Frau
AnnaGoldbach war die Feier arrangiert. — Andere
Freunde und Gönner der seit langen Jahren in
Wiesbaden lebenden und wirkenden Künstlerin
sind zusammengetreten und haben unter dem Titel
„Julie von Pfeilschifter", Ein Künstlerleben,
bei Karl Elbing, Mainz, ein Werk herausge-
geben, in dem die Hauptdaten und Schicksale der
Künstlerin zusammengefasst sind.
In Rom wurde an dem Palazzo Grifoni
in der Via Babuino 78, in dem Richard Wagner
1877 gewohnt hat, eine Gedenktafel angebracht, deren
italienische Inschrift in der Uebersetzung lautet:
„In diesem Hause wohnte
Richard W^agner
im Jahre 1877.
Einige Bewunderer seiner Kunst
setzten diesen Stein zu seinem Gedenken
Rom 1905."
Einem grösseren Kreise von Künstlern, Musikern
und Kunstfreunden, an deren Spitze F&rst G a b r ie 1 1 i
stand, ist die Stiftung zu danken.
In den 5 letzten Matineen des .Musik -Salon
Bertrand Roth" zu Dresden wurden durchweg
Werke zeitgenössischer Tonsetzer aufgeführt.
Lieder von Strauss, Grieg, Schillings, Drae-
secke, Roth und Streicher, Klavier- und Kam-
mermusikwerke von Sinding, Saint - Saens,
Wolf -Ferrari, Schutt; eine Auffährung war
allein dem Leipziger Komponisten Hermann
Kögler gewidmet.
Die von Herrn Professor Georg Schumann-
Berlin mit dem Chore der Berliner Singaka-
demie und dem Berliner Philharmonischen
Orchester geleiteten „3 Bach - Konzerte" in
Eisen ach, zum Besten der Erwerbung des Bach-
Hauses in Eisenach» nahmen einen ausserordent-
lich glanzvollen Verlauf. Es kamen die „Johannes-^*
und die ,.Matthäus-Passion** in der Georgen-Kirche
zur Wiedergabe und ein Instrumentalkonzert im
Saale des Fürstenhofes. In letzterem wurden auf-
geführt: das „Erste Brandenburgische Konzert^'
F-dur, die „D-dur-Ouverture mit dem .,Air**, die Solo-
Violine von Pi*of. Halir gespielt, das „D-moll-Kon-
für zwei Violinen", Professoren Joachim und
Halir, das „C-dur-Konzert für drei Klaviere", aus-
geführt von den Herren Prof. Schumann, Ar-
thur Schnabel und Hinze Reinhold, endlich
die „Sopran-Arie" aus der Kantate „Gott, man
lobet Dich in der Stille", gesungen von Frau Grum-
baclier de Jon g, die Solovioline von Professor
Joachim gespielt. Ausser den Genannten waren
als Solisten bei den Passionen beteiligt: Frau
Walter-Choinanus, Fr. Geller-Wolter, Frau
Geyer-Dierich, sowie die Herren Kammersänger
Dierich, v. Milde, Sistermans, Walter, van
Eweyk, Lederer-Prina, Liepe und Günter.
Die Orgel wurde von Prof. W. Kawerau-Berlin
gespielt. Der Choral der Ripienstimme „0 Lamm
Gottes unschuldig" sang der Eisenacher
Kirchen- und Gymnasialchor unter Professor
Thureau's Leitung. Der künstlerische Erfolg
der drei Konzerte war ein ausserordentlich grosser.
In mustergiltiger Weise haben die beiden grossen
Kunst- Vereinigungen Berlins, der Chor der Sing-
akademie und die Philharmoniker ihre Aufgaben
gelöst, zu denen die Solisten ihr Bestes hinzutrugen.
Diese Bach-Konzerte in Eisenach waren ein künst-
lerisches Ereignis von unschätzbarem Wert, un-
vergessen werden sie in den Herzen der nach
Tausenden zählenden Zuhörer bleiben.
Bücher und Musikalien.
Otto Mailing, op. SO. Quartett (C-moll) für Piano-
forte, Violine, Viola und Violoncello.
Fr. Klutaer, Lelpily.
Otto Malling's C-moll-Klavierquartett (op. 80)
ist ein sehr ansprechendes Werk, nach rein for-
maler Seite hin ohne Fehl und Tadel und inhalt-
lich Partieen von grosser Schönheit bietend, wenn
anch erfinderisch nicht mit besonders hervor-
stechenden Zügen ausgestattet. W^as aber immer
der Komponist zu sagen hat, ist nicht bedeutungslos,
sondern vollwichtig und durchgängig wert, gehört
zu werden. Nach harmonischer Seite hin tritt
O. Mailing als Anhänger der strikten Observanz
auf. Alle Harmonien stehen in gutem,^ korrektem
Verhältnisse zu einander, nirgends herrscht Un-
klarheit oder Unübersichtlichkeit. Dass trotz dieser
relativen Einfachheit doch alles anziehend und
Interesse erweckend gestaltet und ausgebaut ist»
muss dem Tonsetzer zu besonderem Verdienste an-
gerechnet werden. Sehr sinngemäss und von
bester Wirkung ist auch die Verteilung der Ge-
samtaufgabe unter die vier Spieler geraten. Die
— 190 -
Instrumente partizipieren durchgängig zu gleichen
Teilen und in allen Stimmen herrscht Selbständig-
keit und reges musikalisches Leben. Die Instru-
mentation ist ungemein wirkungsreich und bleibt
immer das entsprechende Darstellungsmittel der
musikalischen Gredanken. Gewundert habe ich
mich, dass Mailing an mehreren Stellen ein ziem-
lich lange andauerndes Tremolando dem
Pianoforte überlässt. Meines Erachtens wäre die
Wirkung nicht allein grösser, sondern angemessener,
wenn es den Saiteninstrumenten tibertragen wäre.
An innerem Werte betr. Erfindung und Themen-
wahl wird der langsame Satz von den drei übrigen an
Bedeutung weit überragt, insonderheit sind die
beiden Ecksätze des Werkes von eigentümlich be-
stimmt ausgeprägtem Stimmungscharakter und
sehr prägnant und fesselnd im musikalischen Aus-
druck. Maliing's C-moll-Klavierquart8tt bietet für
das Zusammenspiel wie auch für den einzelnen
Spieler keine gerade erheblichen Schwierigkeiten,
also auch rein technischerseits Grund genug, von
weiteren Kreisen recht beachtet und fleissig gespielt
zu werden.
Max Reger: Romanze (A-moll) für Harmonium
(oder Orgel;.
Ein kurzes ' Stück von sanft melancholischer
Färbung, im Mittelsatze wohl verhältnismässig zu
ausgiebig mit schnell wechselnden modulatorischen
Wendungen bedacht, im ganzen aber stimmungsvoll
und von einheitlichem Charakter, insbesondere auch
für den Vortrag auf dem Harmonium seiner glatten
durch nichts behinderten Ausführungsmöglichkeit
wegen angelegentlich zu empfehlen.
Carolas Agghäiy: Ungarische Stimmungen für
Pianoforte.
VarUff der Peitlier Backdr«ekereUktl6nfMel]seliftffe,B«dapMt.
Die ,, Ungarischen Stinomungen'^ von Carolus
Agghäzi entstammen keineswegs einer sonderlich
fremden oder weit entlegenen Gefühlswelt, sondern
bleiben fein in einem, allen lieben Mitmenschen
bekannten Kreise. Aber sie sind doch freundlicher
und liebenswürdiger Art und es hat vielleicht für
Manchermann Immerhin Interesse zu schauen und
zu hören, was man sich in leichtem Geplauder in
ungarischen Salons mitzuteilen hat. Angenehme
Melodik und spielbarer, dem Pianoforte angemessener
Satz sind den fünf Stücken kleinen Umfanges
eigen und gut gewählte Ueberschriften leiten die
Auffassung des Spielers leise in die der Darstellung
angemessene Bahn.
Kor Kailer, op. 27. Drei Klavierstücke.
A. A. Ifoake, Mlddelbarf.
Stücke von nicht gerade hervorragender kom-
positorischer Bedeutung, aber gefällig im Ausdruck
und von guter Klangwirkung. Der Klaviersatz
macht hier und da den Eindruck des Gezwungenen
und könnte leicht anders und einfacher ausgestaltet
sein. Von den drei kleinen Stücken, Bercense,
Yalse triste und Hymne, hinterlässt das an erster
Stelle genannte weitaus den besten Eindruck.
Auch die im Volkston gehaltene Hymne ist so übel
nicht, nur leuchtet mir keineswegs ein, warum die
Coda so gar lang ausgesponnen und die einfache,
an sich hübsch erfundene und wirklich auch volks-
tümlich gehaltene Melodie plötzlich noch einmal
von solch weit ausladenden Akkordpassagea um-
sponnen wird. Unbedingt nötig war's sicherlich
nicht und verflacht den angenehmen Eindruck des
Ganzen nicht unwesentlich.
Hermann Ritter: „Viola Schule' für den Schul-
und Selbstunterricht- — .Miscellen.*'
Sammlung von Vortragsstncken ver-
schiedener Tondichter für Altvioia und
Pianoforte. H. 1—2.
C^kr. Frtedriek Yiewag, Berlin- eroMlIekterfalde.
Professor Hermann Ritter (st auf dem Gebiete
des Viola-Spiels längst als eine der hervorragend-
sten Autoritäten bekannt, sodass seine hier ange-
zeigte Schule für dieses Instrument kaum noch be-
sonderer Empfehlung benötigt. Das Material für
den Unterricht hat durch den Herausgeber treffliche
Sichtung und streng stufenweise Anordnung er-
fahren. Von den ersten Anfängen ausgehend führt
Ritter den Schüler zu den einfacheren Uebungen,
unterrichtet ihn über die verschiedenen Bogen-
stricharten und gelangt sodann zum Studium der
Skalen, woran sich Uebungen mannigfacher Art in
sieben Positionen schliessen. Eine Reihe von ge-
schmackvoll ausgewählten Toiistücken (Volks-
lieder u. a.), sowie mehrere Stellen aus Orchester-
werken neuerer Meister wie Wagner, Berlioz,
R. Stranss und H. Ritter dienen in hohem Masse
dazu, den Wert der trefflichen Schule zu erhöhen
und sie mit den Anforderungen des praktischen
Musiklebens in engstem Zusammenhang zu setzen.
Das Gleiche bezweckt Hermann Ritter mit der
„Miscellen*^ benannten Sammlung von Vortrags-
stücken für Altviola, jenes Instrumentes, das ihm
persönlich Neubelebung und Wiedereinführung ver-
dankt. Die beiden Hefte enthalten Bearbeitungen
von Werken von Seb. Bach, Gluck, Mozart,
Beethoven, Schubert, Schumann und H. Reber
und sind mit einer leichten Pianofortebegleitung
versehen, sodass sie vorzügliches Vortragsmaterial
bieten und zu gleicher 2jeit den Spieler technisch
zu fördern und seelisch anzuregen vermögen. Die
Alt Viola-Stimme ist insbesondere genau bezeichnet
und der Hauptaccenc ist, der Natur des Instru-
ments gemäss, nicht auf virtuose, sondern gemüt-
voll belebte Darstellung und Wiedergabe gelegt
Jos. Weiss, op. 23. Sechs kleinere Klavier-
stücke.
C. F. KftkBt NMkfolffer» Lelpslff.
Was Jos. Weiss in seinen vorliegenden sechs
— 191 —
Klavierstücken za sagen hat, imponiert keineswegs
dnrch Wnchtigkeit der Gedanken, noch durch
I^etiigkeit der Darstellung. Aber alles wirkt da
geföllig und liebenswürdig, Anmut und Grazie, ja
auch feiner Humor (z. B. im „Valse stupide")
regieren und verschaffen Spielern und Hörern
einige Minuten freundlicher Unterhaltung. Darum
sei diese Salonmusik in ihrer vornehmen Ein-
kleidung gern und angelegentlich empfohlen.
Joh.Seb. Bach: „Praeludien und Fugen (A-dur
und G-dur) für Orgel, für Piano-forte
bearbeitet von Francesco Filiasi.
Breltkapt A HMel, Leipily.
Francesco Filiasi*3 vorliegende Elavierüber-
tragung der beiden ßach'schen Fugen in A-dur
uud G-dur für Pianoforte halte ich für ein sehr
verdienstvolles Llnternehmen. Sie sind bei weitem
nicht von so enormer Schwierigkeit jener von
Keger, Busoni u. A. herrührenden Bearbeitungen,
sondern vielmehr in gewissen Grenzen mittlerer
Ausführungsmöglichkeit gehalten, von sehr ange-
nehmer Spielbarkeit und dem Pianoforte durchaus
angepasst und würden sich daher sehr als ausge
zeichnetes Studienmaterial empfehlen. Aber anderen-
teils werden diese schönen Stücke auch für den
Eonzertvortrag von bedeutender Wirkung sein.
Jos. Haas, op. 2. Fünf Stücke für Klavier.
Laillerbaek A K^bx» Leipslg.
Ein op. 2, welches nicht gewöhnliche Begabung
des Autors vermuten lässt. Jos. Haas' fünf Klavier-
stücke sind ungemein interessant, von kraftvoller
und origineller Erfindung, sehr hübschen, melo-
dischen Gedanken und von jener unmittelbaren
Empfindung, die immer sympathisch berühren wird.
Irre ich nicht ganz, so ist der Tonsetzer mit Max
Heger's Werken ziemlich eng vertraut, wenigstens
lässt seine Art zu modulieren diesen Schluss nicht
unschwer zu. Die fünf Stücke setzen für die Aus-
führung eine ziemlich bedeutend entwickelte Technik
voraus, sind aber hinreichend interessant, um an
den Spieler grössere Ansprüche machen zu dürfen.
Ich empfehle sie daher guten Musikern und ernst-
haften Kunstfreunden.
Eugen Segnitz.
Meinungs-AuBtausclh
Zar Methodik des Unterrichts in der Harmonielehre.
Dass die Erfolge des Theorie-Unterrichts, spe-
ziell der Harmonielehre, leider so oft der aufge-
wendeten Mühe des Lehrenden nicht entsprechen,
dürfte ja bekannt sein. Wenn man die Erfahrung
macht, dass einzelne Schüler den theoretischen
Lehren geradezu Widerwillen entgegenbringen, so
ist man wohl geneigt, der Materie, dem Lehrstoff
selbst Schuld zu geben. Es dürfte aber doch die
Frage diskutabel erscheinen, ob nicht durch Aende-
rung der gebräuchlichen Methoden und des Lehr-
verfahrens manches gebessert werden könnte. Es
steht deshalb zu hoffen, dass die folgenden Dar-
legungen, die nur Vorschläge sein wollen, nicht
unwillkommen sein werden.
Es ist gebräuchlich die Musik geradezu als
Sprache, Tonsprache zu bezeichnen. Sie bringt
GManken zum Ausdruck, hat ihre Laute, ihre
Schrift, ihre Formenlehre und in Gestalt der Theorie
auch ihre Grammatik. Das Studium der Musik
gleicht darum in vieler Beziehung dem Erlernen
einer fremden Sprache. Wenn der junge Musik-
schüler beginnt, in die Mysterien der Harmonie-
lehre einzudringen und nun kleine Kadenzen und
Sätze aufbaut, so gleicht er dem Sextaner, der
grammatische Kegeln in seinen Sätzen zur An-
wendung bringt Beim Unterricht in den Sprachen
besteht nun das Wesen der neueren Methoden ge-
rade darin, den Schüler durch mancherlei Sprech-
und Konversationsübungen zu interessieren, aber
grammatische Hegeln ihm erst ziemlich spät zu
gebc^n. Wollte man davon die Nutzanwendung für
den Unterricht in der Harmonielehre machen, so
könnte man folgenden Lehrgang vorschlagen:
Schon im Anfang ist grösstes Gewicht darauf
zu legen, dass der Schüler keine Note schreibt,
mit der er nicht eine Tonvorstellung verbindet.
Darum, welches Instrument er auch spielen mag,
er lerne nach Noten zu singen und gehörte Melo-
dien niederzuschreiben (Musik-Diktat). Der Har-
monie-Unterricht beginne damit, dass dem Schüler
ein einfaches Volkslied zweistimmig vorgespielt
wird. Er erhält die gewiss für ihn nicht uninter-
esFante Aufgabe, sich zu Haus am Klavier einen
solchen zweistimmigen Satz allein nach dem Ge-
hör herauszusuchen und dann aufzuschreiben. Schön
werden die Leistungen zum Anfang nicht immer
sein, aber der geduldig bASsernde und beratende
Lehrer wird bald Fortschritte erzielen. Streng ist
wieder darauf zu halten, dass der Schüler jede
Note, die er schreibt, auch erklingen hört. Wurde
ihm anfänglich gestattet, sich den zweistimmigen
Satz auf dem Klavier zu suchen, so hat er später
solche Uebuugen aus dem Kopf niederzuschreiben.
Nicht eher seien diese Uebuugen verlassen, bis er
gelernt hat, zweistimmig zu hören. Dann erst
kann zum drei- und vierstimmigen Satz fortge-
schritten werden. Aber selbst diesen suche der
Schüler nach dem Gehör, so gut oder so schlecht
er es eben fertig bringt. Bass und Bezifferung
werden nicht gegeben. Welche musikalichen Un-
geheuerlichkeiten und Abscheulichkeiten er sich
auch leisten mag, ruhig nehme es der Lehrer hin
und bessere dem Standpunkt des Schülers ange-
192
messen. Die daran geknüpften Belehrungen mögen
anfangs nur das Ziel verfolgen, ihm deutlich zu
machen, dass die Korrektur des Lehrers „besser
klinge^^ Nur tropfenweise und gelegentlich werde
ihm die Lehre von den Akkorden, den Auflösungen
und Fortschreitungen beigebracht. Das regellose,
vielleicht von Fehlern strotzende Machwerk des
Schülers, das er sich aber mit einer gewissen
Schaffensfreudigkeit zusammengestoppelt hat, ist
höher zu bewerten als die korrekte Kadenz, wenn
ihn die vorausgeschickten Kegeln der Akkordbildung
und Stimmführung mit Widerwillen erfüllt haben.
Ruhig lasse man den Schüler manchen Bogen
Notenpapier mit fehlerhaftem vierstinmiigen Satz
vollschreiben, ehe man ihm den engen Schuh des
gegebenen und bezifferten Basses anpasst. Er wird
dann vor der leider so verbeiteten Unsitte bewahrt
bleiben, die Mittelstimmen rein mechanisch hinzu-
zufügen. Nur — es sei wiederholt — in einem
Punkte übe man keine Nachsicht: Kein Akkord,
keine Note werde vom Schüler geschrieben, mit
der er nicht die richtige Tonvorstellung verbindet.
Bis ein derart geleiteter Unterricht zum ersten
tadellos richtig gesetzten Choral führt, wird viel-
leicht eine etwas längere Zeitdauer erfordern. Aber
so mancher Schüler, der das langweilige, trockene
Theoriebuch für immer in die Ecke geworfen hat.
würde solchem Unterricht mit stetig gesteigertem
Interesse gefolgt sein und die Mühe des Lehrers
durch Erfolge gelohnt haben. Auch auf diesem
Gebiete möge man stets die Konsequenzen des
Wortes ziehen:
„Grau, teurer Freund, ist alle Theorie,
und grün des Lebens goldner Baum.''
F. Wethlo.
Vereine.
Mnfllk-Sektioii
des Allg« Deutschen Lehrerinnen-Tereins«
Wir teilen unseren Mitgliedern mit, dass sich
in Wiesbaden, Mainz, Osnabrück, Kreuz-
nach, Nordhausen und Potsdam neue Gruppen
gebildet haben. Die Vorsitzenden sind: Mainz:
Frl. Catarine Haas, Schulstr. 40; Wiesbaden:
Frl. Helene He uzeroth, Goethestr. 1; Osnabrück:
Frl. Elisabeth Kollraeyer,Krahnstr. 21; Kreuz-
nach: Frl. Henny Picard, Philippstr. 5; Nord-
hausen: Frl. Helene Martens, Bahnhofstr. 11.
Potsdam: Fr. Dr. C. Rahn, Ebraerstr. 10.
1. A.
Sophie Berdcdt
I. Vorsitzenda
Anzeigen.
Konservatorium der Musik
in Kassel.
Gegr. 1895. Direktion: L Beyer. Gegr. 1895.
EhreilTOrsits: Reffierann-Präsldent tob Trott i« 8bU,
Onf KSmlftdorfl; £zcellenE GoDeralin tob Colomby
Oberbürgermeister Müller n. A.
CnrAtorinm: Pfarrer Hau, Sohaldirektor Prof. Dr. KrBM-
■aeher» Bankier Plaat, Jottizrath Bcheffer u. A.
Lehrer : Die Damen : L. Beyer, BlasBi-Fdnter, Königl. Opern-
Sängerin, eiesse-FabroBi, A. Taadlen. Die Herren:
A. HartdegAB, Kammerrirtaoe. Prof. Dr. H5bel,
0. Kaleteeli, KgL Kammermusiker, K. KletsMaaB,
Sl. Opems&nger, W. MoBhaspt, Kgl. Kammermusiker,
. SehMtdt, Kgl. Kammermusiker, H. SehaarbBSf h,
KgL Kammermusiker n. A.
Unterrichtfächer: Klavier, Violine, Cello, Harfe und alle
Übrigen Orchesterinstinmente. Oesang, Harmonie-
und Kompositionslehre. Musikgescbiohte. Italienisoh.
OrchesterspieL QehOrübung. Ilusikdiktat.
Organisation: Conoertklassen. Seminarklassen.
Mittel- und Elementarklassen.
Ober-,
Statuten sind kostenfrei au beziehen durch die Sohrifbleitung
des Konservatoriums Kassel, Wilhelmshöher Allee 48.
tiN^^vtittMtvtüts^
— 193
Adressen-Tafel.
5 Zeilen lO IHk. Jfthrlleh, weitere 5 Zeilen 5 Hie.
Prof. 6. BmlaNr's Konservatorium und Seminar.
Direction: Gustav Lazarus.
BerUn N.W., Luisen-Str. 36. Berlin W., BQIowstr. 2 (am Noiiendorfpiatx).
Spreohatonden: 6—6, lOttwooha n. Sonnabanda 10—12. SpreohstxiDden : 8—10 n. 1-2.
— — ^— Aufnahme jederaeit. — ^—
Erste Lehrkräfte, volletflndige mueikalische und pädagogische Ausbildung. Elementarfclassen.
Prof. Siegfried Ochs.
Dizigant daa «Philhann. Ghoraa**.
Berlin W., Bendler-Stra$8e 8.
Sinreohat nur ▼. 11—12 Uhr Vorm.
Franz Grunicite,
Orgel, Klavier, Harmonielehre.
Berlin W., Steinmetzstr. 49^1
Martha Remmert«
Hofpianistin, Kaxnmervirtaosln.
Berlin W.« Tanenzienstr. 6.
JSxnina JBioclu
Pianistin.
Berlin W., Nene Winterfeldstr. 15.
Konzen-Vertr.: H. Wolff, Berlin.
Flora Scherres-Friedenthal
Pianiatin.
Berlin-Charlottenburg«
Kantatar. 160a.
Prof. Jul. Hey'S Cesangschule.
Berlin W^ Elsholzstrasse 5U,
am Botanischen Garten.
Geeangontenicht erteilen:
Frau Felix Schmidf-KOhne
GoncertBängerin - Sopran.
Sprechstunde: 3—4.
Prof. Felix Schmidt.
Berlin W« Taneozienstrasse 21.
Elisabeth Caland
Charlottenburg-Bcrlfn
6oetbe$traise SO.
Husbildung Im bShcrcn
Klavlcrspul nach Dcppe'scben
Orundeltzen.
Otiilie Lichterfeid
PianitHn
Berlin TP.« SehapenOr. So.
emilie o. 0ramer
Gesangunterricht (Meth. Marchesi).
Berlin, Bayreatherstr. 27.
30$^ UiMna da motta,
Pianist.
Berlin W., Paseanersirasse 26.
Käte Freudenfeld,
Konaert- n. Oratoriena&ngerin (Alt)
Geaanglahrerin, AthemgymnaatUu
Berlin W., Oalsbensstrasse 17 H.
Jltt0u$te B$hiiie-H$Mer
erteilt in Leipzig, Lleblgstr. 8 1, von Oktober bis einschl. Mai und in Llndliardt-
Naanhof (Bahnlinie i^ipzig-Döbeln- Dresden) von Juni bis einseht September
^ ^ 6e$aiig$unterrichf.
Herren und Damen vom Lehrfach, sowie anaflbende Kflnstler, die Unterricht
nehmen wollen, sind gebeten, event vorher schriftliche Klarierung ihrer stimmlichen
Veranlagung, sowie eines von einem Arzt ausgestellten Berichtea Ober ihren allge-
meinen Geaundheitszustand einzusenden.
Prof. Franz Kullak.
Klassen ffir hAheres Klavierspiel.
Berlin W., Habsburger Str. 4.
Atemgymnastilc - Gesang.
Mathilde Parmeiitler
(Alt- und Mezzo-Sopran).
Berlin W., filaaaacheratraaae lao.
Meisterschule
ffir Kunstgesans,
Tonhildung und Qesangstechnlk
von Kammersänger
E. Robert Weiss,
Berlin W. 80, Bambergerstr. 15.
Elisabeth Dietrich.
Ausbildungskurse :
1. in der auf die Klaviertechnik ange-
wandten musikalisch - physiologischen
Bewegungslehre von Prof. Stoewe 1886,
2. in der Pedallehre von Stoewe.
Potsdam« ClsarlotteBliof 9
Alte Luisenstrasse 47 a.
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Akademie für Tonkunst
gegründet 1851
I>a 1*1X1 Stadt
Elisabethenstrasse 86.
Direktion: Prof. Ph. Schmitt.
Aufnahme Jederzeit.
Frau Dr. Luise Krause
Vorsteherin der
Schweriner IVIusikscIiule
Schuk fQr höheres Klavierspiel und flusblldung von Lehrkräften nach
dem preisgekrönten Anschauungsunterricht der Vorsteherin.
Berlin W.,
Harbargerstnaae 16«
Grnnewald,
ESalasslIee la, eartaakaaa.
Anna Otto
Klavier- Unterrieht
Allgemeine musikalische
Erzieh- und Lehr- Methode für
die Jagend nach
Kamanu -Volkmann.
Berlin W., Regensburgerstr. 286"-
Musikschulen Kaiser^ Wien.
Lehranstalten für alle Zweige der Tonlcunst, incl. Oper.
Gegründei 1874.
Vorbereitungskurs zur k. k. Staatsprüfung. — Kapellmeisterkurs. — Ferialkurse
(Juli -September). ~ Methodische Spezi alkurse fQr Klavierlehrer. — Abtheilung ftlr
brieflichen theoretischen Unterricht. — Jährliche Frequenz: 850 Schüler und Schüle-
rinnen aus dem In- und Auslande. — Lehrkräfte ersten Ranges.
•^ Prospeete frsaeo durek die iBSltlatekaHslel, Wien Tll/lb. Hk
— 194 —
Dina van der Hoeven.
PlftBlstla.
Konzert und Unterricht (Meth« Carreno).
Berlin W., Marbnrgeretr. 17111-
Anna Harmsen,
Klavier-Unterricht und Begleitung.
Wm Lfitzowstr. 63, Gartenhaus.
Die Ge6clLäft88telle der
Lebens-, Alterspensions-, Invaiiditäts- und Kinder-
versicherung der Mitglieder Deutscher Frauenvereine
„Friedrich Wlllielni", BeHli W^ BehreneirMie 60/61,
Leiterin FrL Henriette «oldsckaeidt, angesohlowen 81 Fraaen- und ffealMMt
Yereioe in D«atsohI*nd, bietet die nmfaeeendite Sloherttellimg fOr das Altar
und gegen eintretende KnrarbennfUhigkait,
Trenette Beratung mtodlioh und fohriftUoh. — Spreohsi. von 10—1 Tonn.
Olga Stieglitx,
Klayiemnterrioht, Methodische Vor-
bereitung ftkr den Lehrberuf.
Berlin W.« Ansbacberstr. 26.
anterrfcMMIerameiiiMg der Ittuiiitonipp« Beriü (aiis.ixz..v^
fOr Klavier-, Gesang- u. Violinstunden. Lehrerinnen mit guten Zeugnissen oder
Empfehlungen werden kostenlos nachgewiesen durch die Vorsteherin Frau H. Bi|
Berlin W. 80. Luiipoldstr. 4& Sprachst: Montag Nadim. 8^/^-6.
Frankftirter
M n s 1 k 8 0 h n 1 e.
Leitung S. Henkel.
= Frankfurt a/M. ==
Jonghofstrasse, Saalbau.
Stellenpennittlung der IRusiksekfion
des nileetteiseft Deittcbeii tebreriMttettvereias.
Centralleitung Berlin W., Luitpoldstr. 48.
Fran Helene Bnriban8en-L.enbn8Cber.
Vorsftglioh ausgebildete und empfohlene Lehrerinnen (Klavlar, Oeeang, Theocia)
fttr Institute, Pensionata und Fanülien, Ar In- und Ausland. Sprauhhanntnisse
Sebuie
für höheres Klavierspiel
nebst Vorsehale
gegründet 1878
Elisabeth Simon
BRESLAU« Teieiiatr. 6i*
Institut
f. liuman.-erzleliL Musik-
unterricht
mit Lehrerinnenausbildung
nach Ramann- Volckmann
von Ina LShner«
N tt r n b er g, mittL Pirkhaimeistr. atni.
Briangen, Luitpoldstr. 18.
Büuisilceieliiile
nnd
Anna Hesse.
Gegründet 1882.
Erfurt^ Sohilleretraaas 27.
Helene KörlBg,
Gesanglehrerin. Tonbildung (Luise Ress),
Gehörbildung (Methode Chevi).
Kdnigaberg i. Pr., Tragheim-Passage 3.
Valeslca KotsebedolTy
BEBIilBT W«, lifltaew-ITfllBr 1 XT.
BIbsabc 0«BtUa«ntr.
Klavierunterricht, Theorie^ Bnsemblespiel,
Anleitung zum LelurtMruf. Einselunter-
ncht Klassenunterricht.
Oertrad WUs-Heyer,
KoBsertsiagertn Maaaoaopran.
SesaaglekreriB, akademisch geprllft
Berlin N.W., Clandiseetr. isn-
Olga u. Helene Cassius
Stimmbildung
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Für die Redaktion Terantworüich: Anna Morsch, Berlin W., Ansbacherstr. 87.
Expedition und Verlag 9,Der Klavier -Lehrer^, M. Wolff, Berlin W., Ansbacherstrasse 87.
Dmck: J. S. Preuss, Berlin S.W., Kommandanteustr. 14.
Der Klavier-LehFeF.
Musik-pädagogische Zeitschrift für alle Qebiete der Tonkunst
Organ der Deutschen Musiklehrer-Vereine»
der Musik-Sektion des fl. D. L-V. und der Tonkünstler-Vereine
zu Köln^ Dresden, Hamburg, Leipzig und Stuttgart.
Begründet 1878 von Professor Emil Brcslaur.
Redaktion: Anna Morscii
• • €nd)dnl monaiHd) zweimil. • •
Preis vicrteljäbrlid) bei allen Bud)- und
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fQr die zweigespaltene Petiizeile ent'
gegengcnommen.
No. 13.
Berlin, 1. Juli 1905.
XXVIII. Jahrgang.
Inhalt: Dr. Walter Niemann: John Field. C. Haass: Virtuosen und Dilettanten der römischen Kaiserzeit. A. Eccarius-Sieber: Das
siebente Kammermusücfest in Bonn. V. General- Versammlung der Musik-Sektion des Ailg. D. L.-V. Mitteilungen von Hoch-
schulen und Konservatorien. Vermischte Nachrichten. Bücher und Musikalien, besprochen von Jose Vianna da Mot'ta.
Dagobert Löwenthal, Eugen Segnltz und Ludwig Riemann. Musikpädagogischer Verband. Vereine. Anzeigen.
Von
Dr. Walter Hiemani
Wir leben heute in einer Zeit, die der vor-
urteilslosen, gerechten Beurteilung von Klavier-
komponisten, die sich in's Gebiet zwischen
Klassik und Romantik gruppieren, der Nach-
folger und Nebenmänner unserer klassischen
Heroen, nicht günstig ist. Die Klassiker sind
in der Klaviermusik noch heute mit Recht
das leuchtende Zentralgestirn geblieben, die
Romantiker von Schubert bis Brahrns, der
Neuromantiker Liszt die strahlenden Neben-
sonnen. Ihre Strahlen haben aber eine ganze
Reihe höchst beachtenswerter, älterer Klein-
meister unseren Blicken entzogen, sodass wir
sie nicht genügend mehr beachten. Das gilt
am meisten für die klassische und nach-
klassische Zeit. Vor Haydn, Mozart und
Beethoven sind die Namen bedeutender
Männer wie Dittersdorf, Eberl, Mich. Haydn,
Hummel u. v. a. leider fast völlig verblasst.
Den Gyrowetz, Kotzeluch, Pleyel, Steibelt,
Neukomm, Wanhal u. v. a. werden wir keine
Tränen nachweinen, wohl aber müssen wir
uns besinnen, ob es gut und recht ist, auf
dem Felde der selbständigen Klavierkomposi-
tion Künstler, im wesentlichen Mozartischer
Richtung, wie Hässler, Dussek, A. E. Müller,
Tomaschek und namentlich Field mit der
heute beliebten Redensart vom „überwun-
denen Standpunkt" abzutun. Wir haben sie
über die klassischen Etudenmeister derselben
Richtung Clementi, Gramer, Diabelli und den
flachen, aber noch nicht entbehrlichen Czerny
u. a. vergessen. Der Sieg der Wagnerischen
Richtung, die dadurch vielen allmählich aner-
zogene Gewohnheit, alles mit „dramatischem"
Massstabe zu messen, über undramatisch
veranlagte Lyriker der Musik, namentlich der
älteren Zeit, zur Tagesordnung überzugehen,
hat das durch die Romantiker Schumann,
Chopin, Brahms u. a. veranlasste Zurück-
treten solch' feinsinniger Komponisten noch
erheblich "beschleunigt. Von allen Klein-
meistern Mozartischer Richtung ist Hässler
bis vor kurzem, trotzdem er als einer der
bedeutendsten Klavierkomponisten der Zeit
zwischen Mozart und Beethoven angesehen
werden muss, unbegreiflichster Vernachlässi-
gung anheimgefallen. Das ist bedauerlich,
denn blieb er auch in seinen langsamen
Sätzen im freilich liebenswürdigsten und
feinsten Zopfstil stecken, so verdienen seine
lebensfrischen AUegri, die zu den vollendet-
sten der klassischen Epoche gehören, eine
allseitige Berücksichtigung. Die Hüllmandel,
— 198
Sterkel, Gelinek, Wölffl sind meist mit Recht
völlig vergessen. Von Hummel leben leider
kaum mehr als zwei Klavierkonzerte (H- und
A-moll), von Steibelt, dem intriguanten
Gegner Field's in Moskau, taucht ganz selten
einmal vielleicht noch das Rondo „L'Orage*"*)
aus seinem E-dur - Konzert wieder auf, die
Gramer und Clementi stehen noch in altem
Ansehen, beide durchaus nicht mit Recht
lediglich als Etüden-Popanze. Mit Unrecht,
wie gesagt, spielt man so verschwindend
wenig von Dussek, A. E. Müller und Field.
Die beiden ersten Komponisten werden mit
ihren Sonaten und Sonatinen noch einmal
für den Unterricht auf den beliebten „unteren
Mittelstufen" verwandt, Field nur gelegentlich
vielleicht mit der B-dur-Nocturne zu denselben
Zwecken ge- oder meist missbraucht. Das
ist das Los der meisten neben- oder nach-
klassischen Kleinmeister, aber grade hier ein
durchaus ungerechtes. Field gehört zu den
wenigen echten, schaffenden Künstlern jener
Epoche, die von ihren Zeitgenossen nach nur
kurzem Stutzen sofort ihrem eigentümlichen
Werte nach erkannt und geschätzt wurden,
zu den allzu zahlreichen aber, über die eine
anders fühlende Gegenwart mit schiefen,
leichtfertigen Urteilen rasch bei der Hand ist.
Bis in die sechziger Jahre, die Zeit der
Romantik umschliessend, wurde man Field
gerecht. Jeder kennt die aufrichtige, aus
romantischer Wesensverwandschaft hervor-
gegangene Liebe und Verehrung, die Schu-
mann für Field in Rezensionen seiner
Klavierwerke stets an den Tag legte. Die
Besprechung des Field'schen C-moll-Konzerts
Nr. 7**) und einiger Nocturnes***) gehört zu
dem Poetischesten und Reizendsten, was der
Meister geschrieben, und wenn er den lang-
samen Satz des Konzerts als ein „aus Rosen-
duft und Lilienschnee gewobenes Mondschein-
Notturno" bezeichnet, so hat er mit einem
Striche die charakteristischeste Eigenschaft
Field'scher Kunst gezeichnet.
Jeder kennt weiterhin, wenn er ein Freund
Field's ist, Liszt's warmes, phantasiereiches
Schriftchen „Ueber J. Field's Nocturne"!). Es
ist das die ausführlichste, feinsinnigste Field-
*) Auch Field machte in seinem 5. „L'incendie
par l'orage'* betitelten Klavierkonzert, das zu
seinen schwächsten gehört, dieser Zeitmode seine
Reverenz.
**) Gesaram. Schriften I, 180.
**♦) Ebenda I, 214, Reklam-Ausgabe.
t) Hamburg, Leipzig, New- York 1859, Jul.
Schuberth.
Monographie, die wir besitzen. Nur will sie
als Werk eines modernen Künstlers gelesen
sein, der sich über die geschichtliche Stellung
seines Lieblings, seine Vorzüge und Schwä-
chen, kurz über das, was man — da jede
gute Monographie auch musikwissenschaft-
lichen Ansprüchen genügen sollte — unter
weitem Gesichtspunkt des musikalischen Ge-
schichtsschreibers verlangt, schuldig bleibt
Auch führt sie uns ja nur in einen, freilich
wichtigsten Teil Field'schen Wesens, in die
Welt seiner Nocturnes, ein. Diese sind nun
allerdings niemals verständnisvoller und feiner
analysiert worden, wie man auch, will man
Field im allgemeinen kennen lernen, sich
ruhig der Führung dieses Büchleins anver-
trauen darf, da es mit der Erläuterung der
Nocturnes doch zugleich mit treffenden
Strichen und feingetönter Schattierung ein
warmleuchtendes Bild der ganzen Field' sehen
Persönlichkeit gibt. Ausführliches über ihn
wurde nach Liszt nicht mehr über ihn ge-
schrieben. C. F. Weitzmann zitiert ledig-
lich Liszt in seiner Geschichte der Klavier-
musik (Stuttgart 1879). Noch Louis
Köhler in seinem 1860 erschienenen wert-
vollen Werkchen ^Der Klavierunterricht**)
sagt in dem kleinen historischen Abriss der
Klavierliteratur, dass Field's poesievolle
Nocturno's noch „frisch bekannt" seien und
gibt durch andre Aeusserungen zu erkennen,
dass seine Wertschätzung damals mit Recht
noch eine hohe war. Das änderte sich bald
Schon 1873 muss in der „Allgemein. Musikal.
Zeitung"**) C. von Bruyck in einem treff-
lichen kleinen Aufsatze „Repertorium für
ältere und neuere Tonkunst** auf Field als
einen mit Unrecht vergessenen Komponisten
hinweisen. In den achtziger Jahren sagt
A. Reissmann***): „Field beschränkte sich
auf jene Weichseligkeit, jenes Dämmern der
Phantasie und das selige Erzittern und An-
schwellen der Seele, das als künstlerisches
Darstellungsobjekt nur untergeordnete Bedeu-
tung haben kann**; das ist einseitige, schiefe
Phraseologie. In unsren Tagen hat endlich
O. Bie, der geistreiche Kulturhistoriker, in
seinem mit Recht vielgelesenen „Das Klavier
und seine Meister** f) mit seinem Urteile über
Field : „ . . . Die Notturno's, in denen er seine
sehnsüchtigen Melodien, seine schwärmeri-
*) Verlai
) Verlag J. J. Weber, Leipzig, S. 1
) Thg. Vm. S. 97 f.
) In „Die Hausmusik**, Berlin 1884,
t; München, Bruckmann, S. 237.
S. 255.
— 199 —
•sehen Portamenti, seine Rosenketten von
duftigen Koloraturen vorzüglich zur Verwen-
dung brachte. Gegen Chopin's Nottumo's
müssen uns diese heute recht verblasst und
auch recht monoton erscheinen, aber in
seinem ganzen Wesen, in der Form seiner
Stücke, in der Feinheit seines Anschlags war
Field, ähnlich wie in ihrer Art Dussek oder
der Prinz Louis Ferdinand, ein Vorspiel zu
Chopin gewesen" — in diesen wenigen
Worten viel ungemein Feines, Treffendes,
aber mit dem etwas schief geratenen Ver-
gleich mit Chopin und der „Monotonie"
Field's denn doch Ungerechtes gesagt End-
lich hat Ad. Ruthardt im bekannten „Weg-
weiser durch die Klavier-Literatur" von Esch-
mann-Ruthardt, (5. Aufl., Leipzig 1900) Field
die gerechte Würdigung zuteil werden lassen
<S. 142).
Versuchen wir einmal ein ruhig abwä-
gendes, möglichst gerecht Vorzüge und
Schwächen, Licht und Schatten verteilendes
kleines Porträt Fields zu geben. Das Wesen
Field'scher Kunst, die sich am reinsten und
unvergänglichsten in seinen „Nocturnes** aus-
spricht, hat man uns schon oft durch passende
oder unpassende Vergleiche nahe zu bringen
versucht. Der eine zieht Sterne'sche Grazie,
der andere Matthisson heran. Die Mondes-
strahlen sehen aber alle seine Verehrer über
diese duftigen Poesien hinfliessen. Sie „liegen
breit darauf und küssen die Töne", wie
Schumann hübsch sagt*). Ich meine, wir
haben in der Malerei einen Künstler, der sein
Doppelgänger sein könnte: es ist der alte
holländische, unerreichte Mondschein-Maler-
poet des 17. Jahrhunderts: Aert van der
Neer. Field ist in seinen Nocturnen
und allen langsamen Sätzen seiner Kon-
zerte und Sonaten ein echter, musikalischer
van der Neer. Seine künstlerische und mensch-
liche Individualität zeigt das Träumerisch-
Sinnige, die sanfte Rührung, die englische
Gemächlichkeit — die ab und zu auch ein-
mal in eine englische sanfte Langweiligkeit
umschlagen kann — , die ruhige Gelassenheit
und köstliche Naivetät seiner Melodik, die ihm
so einfach und rein aus dem Herzen quillt.
Dem Schmerze gibt er nur soweit Raum, als
er ihn in eine milde Wehmut elegisch ver-
klärt, das Tiefaufregende des verzweiflungs-
vollsten Schmerzes, der in den meisten
Chopin'schen Nocturnen oft leidenschaftlich
hervorbricht, ist ihm fremd. Im grossen und
ganzen müssen wir Field's Kunst als eine
der mozartischen Richtung folgende an-
sprechen. Häufige Kadenzierungen, die durch-
aus nach mozartischem Vorbild von ihm ge-
macht werden, belegen diese Feststellung
schon äusserlich. Der national-englische
Gehalt in Field's Klavierwerken ist freilich
mit Unrecht immer übersehen worden. Er
tritt aber doch manchmal deutlich zutage,
weniger in der Melodik als in der Rhythmik.
So in dem sprühenden, an einen englischen
Schiffertanz erinnernden letzten Satz des
Klavierkonzerts in As-dur — des schönsten
und wenigstens heute noch nicht ganz ver-
gessenen Field's — , dem Rondo (Allegretto '/J:
r
g-*^fg^=^^
Ein zweites Mal, noch ausgeprägter, in
dem schon äusserlich dem Namen nach solch'
heimatlichen Hintergrund aufweisenden B-dur-
Rondeau ecossais („Speed the plough**) mit
seinem gestossenen Rhythmus und seiner
energischen und echt englischen Gesamt-
haltung. Im übrigen ist's die, wie Schumann
sagt, manchmal bemerkliche „göttliche Lange-
weile**, die wir in den schwächeren seiner
Werke hier und dort einmal deutlich wahr-
nehmen können. Solche Stellen rufen aber
beileibe keine Langeweile im gewöhnlichen
Sinne in uns hervor, im Gegenteil, gerade sie
haben in ihrer sanften und still-ergebenen, in
ihrer leicht monotonen und verschleierten
Grundstimmung etwas für feiner organisierte
Naturen besonders Anziehendes. Ein Thema
wie zu Anfang des zweiten Satzes desselben
Konzertes — das, alle seelischen Empfindun-
gen von der kindlichen Munterkeit des Schluss-
Rondo mit seinen derb dreinfahrenden leeren
Quinten bis zur sinnigsten Träumerei durch-
laufend, einen Mikrokosmos Field'schen
Wesens darstellt — kann man eben schQn
auf den ersten Blick nur Field zusprechen:
Uu poco Adagio, ^^
P — • — ^ — • — I
I
§3
E
^
0* ß B#
molto esprcss.
Es
m
Es
• P •
*) Ges. Schrift, Reclam, I, 2:53.
I
5^^
-etc.
Es-
— 200 —
Aus diesem Satze kann man auch eine
weitere, für Field besonders charakteristische
Eigenschaft erkennen: die souveräne Herr-
schaft über eine Naviierungskunst, eine
Kunst der musikalischen Arabeske voll ent-
zückendster Feinheit. Um sie zu erringen,
ist er gehörig bei den Klassikern, speziell bei
Beethoven, in die Schule gegangen. Diese
Fülle reizendster Umschreibungen seiner Ge-
danken bei ihrer Wiederkehr, ihre duftigen
Umhüllungen mit sinnigem Koloraturen- und
Figuren werk ist ein klassizistischer Zug; er
gibt dadurch seine Eigenschaft als einer der
reinsten und feinsten Epigonen der klassi-
schen Tonkunst-Epoche kund. Die Romantiker,
voran Chopin, auf den Field, wie wir später
sehen werden, nachhaltig gewirkt hat, haben
diese Kunst in gleicher Ausübung über-
nommen.
(Fortsetzung folgt.)
^ii'taosci) ai)d &!lel*1'ai)f'et) dci^ röiDiscbci) KaiscFZcih
Beitrag tut Hmist- und SimtidescDicbte*
Von
Kom, die mächtige, weltbeherrschende Cäsaren*
Stadt, war der Mittelpunkt des ganzen Kulturlebens
der alten Welt. Die Kunstschätze eroberter Völker,
der Eeichtum zinspfiiclitiger Länder aus allen Erd-
teilen häuften sich in ihren Mauern, und wohl kein
Volk verstand es so wie die Römer, seinen Besitz
zur Erhöhung des Lebensgenusses, zur Verschöne-
rung des Daseins auszubeuten. Wie alle übrigen
Künste trat daher auch die Tonkunst in ihrem
weitesten Umfang hier In den Dienst des Luxus.
Eine eigentliche nationale Musik hatten die
Römer nicht. Ihre Musik war eine Tochter der
auf lateinischen Roden verpflanzten griechischen
Tonkunst, welche sich unter mancherlei fremden
Einflüssen entwickelt hatte. Schon bevor griechische
Künstler ein Feld für ihre musikalische Tätigkeit
in Rom fanden, hatten etruskische Histrionen —
Tempelsänger nnd Schauspieler — ihre heimischen
Klänge nach Latium gebracht, während zur Zeit
des Augustus egyptisch-alexandrinische Musiker
den kunstgeübten Hellenen den Lorbeer in der
Weltstadt streitig machten und die Eroberungszüge
im Orient und Kleinasien chaldäisch-babylonische
Rhapsoden und syrisch-phönikische Ambubaja —
Sänger, Spieler und Tänzer — in Scharen herbei-
führten, die mit ihren nationalen Instrumenten:
Klappern, Pfeifen, Zimbeln, Harfen und Pauken
aufzogen und sich auf öffentlichen Plätzen zur
Ohren- und Augenweide des Volkes produzierten.
Den Griechen war die Tonkunst eine gemüts-
veredelnde, geisterhebende Macht. Bei ihnen ver-
hand sich der Musikunterricht mit dem Unterricht
in der Religion und war ein Hauptgegenstand der
Erziehung. „Die Ansicht, dass Musik hauptsäch-
lich zum Vergnügen dienen, Seele und Sinnen
schmeicheln solle, ist falsch nnd durchaus ver-
werflich", sagt der edle Weltweise Piaton. ,Dle
Musik soll vielmehr Liebe zum Guten, Hass und
Abneigung gegen das Schlechte und Gemeine ein-
flössen, auf dass man durch sie schön und gut
werde. Nichts dringt so tief in die Seele und
haftet dort so fest wie Rhythmus und Harmonie.
Darum veredelt gute Musik den Hörer, aber schlechte
verdirbt ihn. Die beste Musik ist nicht die, welche
am meisten Vergnügen macht, sondern jene, die^
den Edelsten gut gefällt."
Anders die Römer, sie schätzten die Tonkunst
von ihrer unterhaltenden, erheiternden, genuss-
erhebenden Seite am höchsten. Musik war ihnen
ein angenehmes Mittel mehr zur Erhöhung der
Lebenslust. Sie waren ein Volk von keineswegs
hervorragenden musikalischen Anlagen, wiewohl
mit regem Kunstsinn begabt. Die Vorliebe for
Musik war daher eine allgemeine, durch alle Stände
verbreitete. Fast jeder Partrizier hatte seine eigene
Hauskapelle, die sich aus dazu herangebildeten
Sklaven oder kunstbegabten kriegsgefangenen Leib-
eigenen zusammensetzte. Selbst bei Landausflagen
und kleinen Reisen nahm man die Hauskapelle znr
Unterhaltung mit. Der zu grossem Reichtum ge-
langte Chrysogenes, ein frei gelassener früherer
Sklave des Sulla, hatte unter seiner Dienerschaft
so viele Virtuosen, dass Tag und Nacht die Um-
gebung seiner Villa von Sang, Flöten- und Saiten-
klang erfüllt war. In den von der vornehmen
Welt besuchten Badeorten waren musikalische Ge-
nüsse stets an der Tagesordnung, und es ist nicht
uninteressant zu beobachten, wie sich in der Art
der Musikliebhaberei historisch hervorragender Per-
sonen ihre Charaktereigentümlichkeit ausprägte.
Der feinsinnige Mäcenas liebte es, sich durch die
sanft verhallenden Töne eines in der Entfernung
seiner Villa aufgestellten Orchesters in Schlummer
einwiegen zu lassen, während der höchste Musik-
genuss des grausamen Caligula darin bestand, unter
ohrbetäubendem Schall grosser Gesangs- und In-
strumentalchöre hei üppigen Gelagen auf Pracht-
galeeren den Ozean zu durchstreifen.
Bei keinem nennenswerten römischen Gastmahl
durfte der obligate Ohrenschmaus fehlen. Die
— 201 —
Tafelmusik war etwas so Selbstverständliches, dass
sie aach der wenig Begüterte nicht entbehren
mochte. Der berühmte Dichter Plinius, dessen
Mittel nicht den Mosiklaxns einer Hanskapelle ge-
statteten, pflegte den wenigen Gästen, die er zn
seinem einfachen Tisch einzuladen vermochte, die
Wahl za lassen zwischen der Vorlegung einer neuen
Lastspielszene oder einem heitern Vortrag auf seiner
Leier, zur "Würze des Mahles. Der ebenso wenig
mit irdischem Gut gesegnete Musen liebling Martial
verhiess seinem eingeladenen Tischgenossen, die
frugale Kost durch ein selbstgeblasenes Flötensolo
zu versüssen.
Bei den prunkvollen Festgelagen in den Palästen
-der Vornehmen und Beleben Hessen sich neben
•dem Hausorchester hoch bezahlte fremde Virtuosen
und Virtuosinnen hören. Beliebt waren auch die
Castagnetten-Tänze graziöser Andalnsierinnen und
Spanierinnen, wozu grosse Gesangschöre die Musik-
begleitung ausführten. In Kunstkenner-, Dichter-,
und Gelehrten-Kreisen behielt die edlere griechische
Tonkunst den Vorzug. Hellenische Sänger und
:Sängerinnen, welche die lebensfrohen Lieder des
Anakreon und der Sappho sangen, waren den
Musikfeinschmeckem stets willkommen.
Li der eleganten Welt Boms gehörte es zum
guten Ton, sich durch Musikluxus hervorzutun,
und ein Lebemann suchte den andern darin zu
überbieten. Die Festschmäuse des Emporkömm-
lings Trinachio haben durch ihre musik-melodra-
matische Seltsamkeit eine gewisse BertLhmtheit
erlangt. Die ganze Tafelordnung, die Bedienung
der Gäste, das Auf- und Abtragen der Speisen und
Getränke, selbst das Abwischen der Tische erfolgte
unter entsprechender Gesangs- und Instrumental-
begleitung.
Beim Tempeldienst wie bei allen öffentlichen
Schauspielen und festlichen Umzügen war die
Musik in hervorragendem Masse beteiligt und
drang dadurch in die breitesten Schichten des
Volkes. Bei der unbeschränkten Oeffentlichkeit
der Schauspiele damaliger Zeit stand es jedem
kostenlos frei, so oft ihm beliebte, da« Theater
zu besuchen. Dies war die Hanptquelle der
Musikbildung und Musikliebhaberei des römischen
Volkes.
Schon zu Ciceros Zeiten gab es Kenner genug,
die bei den ersten Klängen eines Flötenritomells
zu sagen wussten, aus welchem beliebten griechi-
schen Drama das Stück sei, während zwei Jahr-
hunderte vorher der Kunstgeschmack des römischen
Volkes noch so unentwickelt und roh war, dass
die bedeutendsten griechischen Flötenvirtuosen mit
ihren Chören das öffentliche Interesse nicht anders
auf sich zu ziehen vermochten, als dass sie zu
ihrer Konzertmusik eine Art dramatischer Balgerpi
in Szene setzten.
(Fortsetzung folgt.)
@as siebei)fe ]{att)tt)eFit)asi1<fesf ii) )|ot)t).
(20. Mai-1. Juni 1905.)
Von
4.. £ccariii«-8ieber.
Einen wesentlichen Bestandteil der Darbietun-
gen des diesjährigen, vom „Verein Beethovenhaus^^
Teranetalteten Kammermusikfestes zu Bonn
bildeten die Vorträge des mit dem Unternehmen
von Anfang an auf's innigste verwachsenen
Joachim-Quartettes. Dass dabei auch diesmal
wieder Beethoven's Muse ausgiebig gepflegt
wurde, erschien nicht mehr wie billig. Die ge-
wählten Streichquartette in G-dur (op. 18), E-moll
(op. 59), F-moll (op. 95) und als piece de resistance
des Festes das letzte in Cis-moU (op. 131) repräsen-
tierten zugleich die verschiedenen Epochen der
fruchtbaren Tätigkeit des grössten Klassikers. Die
Vorführung dieses reichen Kunstbesitzes war er-
bauend. Eine durch Stileinheit und geistige Ueber-
legenheit geadelte Auffassung der Werke seitens
Joachims beseelte und belebte, wie stets so auch
neuerdings, die Leistungen des Ensembles und
liess die ideelle Vollendung, mit welcher der Inhalt
der Schöpfungen ausgedeutet wurde, gern darüber
hinwegsehen, dass dem greisen, 74jährigen Geiger-
könig in technischer Hinsicht und hezüglich einer
schlackenreinen Intonation manches missriet und
zu wünschen liess. Ferner gab es von Streich-
quartetten noch zu hören einen Haydn (C-dur
op. 54), einen Mozart (Es-dur) und das A-moll
von Brahms. Mit Ernst von Dohnanyi am
Klavier spielte Joachim endlich die Klavier-
Violinsonate in G-dur (op. 96) und das Es-dur-Trio
op. 70, von Beethoven, letzteres unter Assistenz
Meister Hausmannes.
Die Mitwirkung der unübertrefflichen Blas-
künstler der weltberühmten Soci^te des In-
struments ä Vent aus Paris verschaffte weitere
auserlesene Kunstgenüsse. Zunächst das schlichte,
heiter-harmlose „Oktett" in F-dur für 2 Oboen,
2 Klarinetten, 2 Hörner und 2 Fagotte von Haydn;
ideal in Tongebung und Schattierung, elegant in
technischer Hinsicht ausgeführt von den Herren
Bleuzet,Bourbon; Mimart,Lebailly; F^nable
Vuillermoz; Letellier, Jacot;dann das durch-
aus in klassischem Stile gehaltene „Oktett" op. 71
— 202 —
in Es von Th. G-onvy, in welchem an Stelle der
ersten Oboe eine Plöte (Hr. Hennebains) trat,
eine gefällige Komposition, virtuos interpretiert;
weiter das herrliche „Klarinettenqnintett* in Es
von Mozart, nm das sich die Herren v. Dohnanyi,
Bleazet, Mimart, Vnillermoz nnd Letellier
verdient machten, xmd endlich das „Quartett** op. 79
von Saint-Saens, eine geistvolle, knapp gefasste
Caprice für Klavier (Feruccio Bnsoni), flöte (Henne-
bains), Oboe (Bleuzet) und ELlarinette (Mimart).
Gleich hier mit zu erwähnen wäre auch die Schluss-
piece des Festes, das jugendfrische Septett von
Beethoven unter Joachim's Führung am Violinpulte.
Durch die Aufnahme dieser Werke für Blas-
instrumente war schon eine grosse Abwechslung
in die Yortragsfolge gekommen; die letztere wurde
jedoch noch besonders anziehend gestaltet durch
eine Beihe von Kompositionen aus der vor-
klassischen Zeit, die, in der Originalbesetzung
für Instrumente der damaligen Kunstepoche ge-
boten, einen interessanten Einblick in jene uns
fremd gewordene Literatur gestatteten. Und bei
dieser Gelegenheit lernten wir die„Soci^te des
Instruments Anciens^^ aus Paris, gegründet 1901,
kennen und hochschätzen. Die Herrschaften be-
dienten sich des alten Violenquartettes, des „Quin-
ten^, einer fünfsaitigen, zarten Diskantviole, der
„Viola d'amour'' (6seitig, mit mitschwingenden
Stahlsaiten), sinnlich, einschmeichelnd im Ton, der
sanften, dem Violoncello ähnlichen „Viola da
gamba", des dreisaitigen „Gontrebasse^^ und fügten
diesen Violen da braccia und da gamba noch ein
(von Pleyel rekonstruiertes) „Clavecin" bei. Ge-
hörten auch das zart empfundene „Divertissement^^
(D-dur) von J. J. Mouret (1682—1738), die Stück-
chen von Destouches (1672—1749), eine festlich
klingende Chaconne, von Mouret (Air des graces),
von Cupis de Camargo (1710— 64), eine reizende
„Gavotte", von Ant.M Gasp. Sacchini (1734-86),
eine graziöse „Chim^ne", femer das „Ballet-Diver-
tissement'' von Monte clair (1666—1737) nur der
leichteren, amüsanten (jhelegenheitsmuslk an, so
zeigte Bruni's (1759—1823) dritte .Symphonie"
(G-dur) dafür die Merkmale einer vornehmen, in-
haltsreichen Kunst und erweckte ein „Konzert** in
D-dur von Mozart, wie vorher genannte Baritaten
für Quinton, Viola d'amour, Viola da gamba, 0>ntre-
hasse und Clavecin, von Madame Casadesns-
Dellerba, Mr. Henri und Mr. Marcel Casa-
desus, Mr. Ed. Nanny und Mademoiselle Marg.
Delcourt bei glockenreiner Intonation mit unver-
gleichlicher Virtuosität und Grazie gespielt, unend-
lichen Enthusiasmus. Amüsant gefunden und in-
folge einer erstaunlich virtuosen Wiedergabe doppelt
freudig begrüsst wurden auch die Stücke für Viola
d'amour und Contrebasse, eine „Sonate** von Borghi
(1787- 1800), „Menuet et Gavotte^* von Lorenziti
(1740) und „Le coucou* von Bruni, letzteres fiei-
lich recht geringwertig in der Erfindung. Auch
eine der 121 „Flötensonaten" Friedrich des
Grossen, von Hennebains stilvoll, hervorragend
schön geblasen, von Md. Delcourt discret aaf
dem Clavecin begleitet, zierte das Programm.
Bleiben noch zu erwähnen die Solisten. Ernst von
Dohnanyi, welcher Beethoven's Fis-dur und
Feruccio Busoni, der desselben Meisters As-dur-
Sonate (op. 110) spielte, ersterer etwas konventionell,
letzterer wohl interessant in Einzelheiten, aber
nicht grosszügig genug. An allen fünf Tagen aus-
verkauft, bewies das glänzend verlaufene Fest, wie
lebhaft man sich neuerdings für die ernste Kunst
der Kammermusik begeistert. Kein schlechtes
Zeichen für unsere 2ieit!
der musik-SektiOH des m\i. Deiitscben CeDrerinnen-Uereins.
Uertana Att DeMscAen musikUDrerintieii.
II. unA 12* Juni zu Bremen.
Die diesjährige Generalversammlung der Musik-
Sektion fand, wie gewohnt, im Anschluss an die
Generalversammlung des AUg. D. L.-V. in den
Püngsttagen zu Bremen statt und die alte Hanse-
stadt bemühte sich, es ihren aus allen Städten des
Deutschen Reiches eintreffenden Gästen so heimisch
und behaglich wie möglich zu machen. Zahlreicher
wie je waren die Mitglieder der Musik- Sektion
eingetroffen, eine Folge des überraschenden Auf-
schwungs, den sie in der letzten Arbeitsperiode
genommen. Frl. Sophie Henkel, die erste Vor-
sitzende, deren kräftiger Initiative die Sektion ihre
Entstehung verdankt, konnte, als sie am Püngst-
Sonntag auf der 1. geschäftlichen Sitzung die
Kolleginnen begrüsste, mit Genugtuung konsta-
tieren, dass unsere Vereinigung nach aussen und
innen kräftig erstarkt ist, 17 neue Ortsgruppen
haben sich seit der Dresdener Generalversammlung
1903 konstituiert, sodass die Sektion jetzt 41 Gruppen
mit über 1450 ordentlichen Mitgliedern umschliesst
Die Neugründungen vollzogen sich in den Städten
Dessau, Plauen, Mannheim, Düsseldorf,
Hamburg, Hannover, Braunschweig, Osna-
brück, Iserlohn, Zittau, Wiesbaden, Mainz.
— 203 —
Bromberg, Köslin, Nordhaasen, Kreuznach
nnd Potsdam, die der Sektion gegen 400 neue
Mitglieder zuführten. Einen Einblick in das Leben
und die Tätigkeit der einzelnen Ortsgruppen ge-
währte der von der 1. Schriftführerin, Frl. Anna
Morsch, zusammenfassende Gruppenbericht,
der sich der Verlesung des Kassenberichts
durch die Kassiererin, Prl. Helene Nöring,
und dem Bericht über die Stellenvermittlung,
Frau Helene Burghausen, durch Frl. Hesse
verlesen, anschloss. Er zeigte deutlich, dass
unsere Mitglieder dem gebieterischen Kufe der Zeit
nach vertiefter Bildung zur Hebang des gesamten
Musiklehrstandes ihr Ohr nicht verschlossen haben,
dass sich mehr und mehr die Einsicht Bahn bricht,
zum Lehrberuf genüge es nicht allein, eine tüchtige
Sängerin oder Klavierspielerin zu sein, sondern
dem Fachstudium habe sich eine gründliche musik-
wissenschaftliche und pädagogische Ausbildung zu-
zugesellen. Dieses Bewusstsein hat seinen Aus-
druck in den zahlreichen musikwissenschaftlichen
Fortbildungskursen gefunden, die in den ein-
zelnen Gruppen eingerichtet waren und, nach den
Berichten, auch lebhafte Teilnahme fanden. Aus
dem Spezialbericht kann hier nur zusammenfassend
berichtet werden, dass theoretische Kurse in 8,
musikgeschichtliche in 4, Kurse für Formenlehre
in 2, Musikdiktat, Pädagogik und Akustik in je
einer Gruppe stattfanden.
Neben diesen in Lehrform abgehaltenen Kursen
fanden in den meisten der Ortsgruppen musik-
wissenschaftliche Vorträge, vielfach mit musi-
kalischen Erläuterungen oder anschliessenden Dis-
kussionen, statt. Sie waren mannigfacher Natur.
Oft galten sie einzelnen Meistern unserer Kunst
und rückten deren Stellung in der Entwicklung
unserer Tonkunst durch Vorführung ihrer Werke
in das rechte Licht, oft diente ein gemischtes Pro-
gramm einem wohltätigen Zweck, andere waren
darauf berechnet, zur Hebung der Hausmusik bei-
zutragen, wieder andere dienten lokalen Interessen.
Jedenfalls fasste der Bericht über diese Tätigkeit
eine Summe von geistigem Leben, gebotener An-
regung und Belehrung in sich, dessen Bedeutung
nicht zu unterschätzen ist, und als erfreuliches
Zeichen darf es bezeichnet werden, dass die Mitglieder
mehr und mehr aus ihrer Passivität heraustreten
und sich selbst an den musikwissenschaftlichen
und historischen Vorträgen beteiligen, ein Beweis
ihrer über das Fachlehrertum hinausgehenden
gründlicheren musikalischen Durchbildung.
Die früher vereinzelt veranstalteten Schäler-
konzerte gewinnen mehr und mehr an Beliebtheit;
durch sie wird der Privatlehrerin Gelegenheit ge-
boten, ihre Schüler einem grösseren Zuhörerkreise
zuzuführen und durch deren Leistungen den Beweis
ihrer Tüchtigkeit zu erbringen. - Ganz vorzüglich
prosperieren die Bibliotheken, die Zeit wird nicht
fern sein, in der jede Gruppe eine solche besitzt;
— auf richtiger Basis angelegt, bilden sie ein erzieh-
liches Moment von nicht zu unterschätzender Be-
deutung und bieten den Lehrerinnen, besonders in
den kleineren Städten, Grelegenheit, stets mit den
Fortschritten und den Neuerscheinungen der in-
struktiven Literatur in Konnex zu bleiben.
Den ideellen Bestrebungen zur Hebung der
Bildung gesellen sich die materiellen zur Sicherung
der sozialen Lage der Mitglieder hinzu. Stunden-
vermittlungen, einheitliche Honorarbedingungeo,
Gründungen von Kassen für kranke, bedürftige
oder in plötzliche Not geratene Lehrerinnen, Er-
richtung von Erholungs- und Altersheimen —
nach Verwirklichung aller dieser schönen, humani-
tären Einrichtungen wird in den Gruppen nach
Kräften gearbeitet und manche haben schon hoch-
erfreuliche Besultate erzielt. Diese Bestrebungen
dienen in ähnlicher Weise, wie die ideellen, das
Solidaritätsgefühl zu wecken, das dem Frauen-
gemüt angeborene Talent des Wohltuns, der
dienenden Liebe zu lebendiger Tatkraft zu ent-
wickeln und das Band der Gemeinsamkeit fester
um alle Mitglieder zu schlingen. — Noch eines
solchen verbindenden Gliedes gedachte der Bericht.
Vor zwei Jahren wurden der Schriftführerin durch
ein ungenannt sein wollendes Mitglied, dessen
stillem Wirken und stets opferbereiter Hand die
Sektion nicht zum geringsten ihren letzten Auf-
schwung verdankt, die u. a. durch Stiftung von
500 Mk. den Grundstock zu einer Reisezuschuss-
kasse legte, welche den kleineren Gruppen die
Absend ung einer Delegierten zur Greneral Versamm-
lung ermöglichen soll — (es erhielten in diesem
Jahre bereits 5 Gruppen Reisezuschüsse) — , die
Mittel zur Herausgabe eines zwanglosen „Mit-
teilungsblattes^ zur Verfügung gestellt, in dem alle
internen Angelegenheiten der Sektion und ihrer
Ortsgruppen zur Verhandlung kommen sollten.
Acht Nummern des Blattes sind in den letzten
zwei Jahren erschienen, und die Vortragende be-
richtete, dass ihr die Mittel zur Fortführung des
Blattes auch ferner zur Verfügung gestellt seien.
So konnte der Bericht mit dem hoffnungsfrohen
Ausblick für die Zukunft schliessen, dass die
nächsten Jahre die Gemeinschaft in gleich auf-
steigender Linie finden würde : grösser in der Zahl
der Angeschlossenen und wieder einen Schritt näher
den gesteckten hohen und idealen Zielen.
In den letzten Jahren war, veranlasst durch
das rasche Aufblühen der Sektion, zur Erlangimg
freierer Bewegung und grösserer Selbständigkeit
verschiedentlich der Wunsch aufgetaucht, den ge-
schäftlichen Zusammenhang mit dem Allg. D. L.-V.
nach anderen Prinzipien zu regeln. Auf der Tages-
ordnung des Allg. D. L.-V. stand in diesem Jahre
die Gründung zweier neuer Sektionen, und im An-
schluss daran, auch der Entwurf zu neuen Satzun-
gen. Diese Gelegenheit wird die Musik-Sektion
benutzen, auch ihrerseits ihre Wünsche auf Satzungs-
änderungen in einem Entwürfe dem Vorstand des
Allg. D. L.-V. zu unterbreiten. Es handelt sich
— 204 —
dabei nur um die Aenderang einiger Paragraphen,
die mit der Entwicklung, die unsere Sektion ent-
gegen dem ursprünglichen Grründungsgedanken
genommen, nicht mehr im Einklang stehen. Fr).
Henkel nahm Veranlassung, um jedem Missver-
ständnis vorzubeugen und weil einer grossen Reihe
unserer neuen Grappen das Verhältnis der Sektion
zum AUg. D. L.-V. überhaupt unklar ist, in einem
Bückblick auf den Beginn und die Entwicklung
der Sektion hinzuweisen. Sie schilderte in kurzen
Zügen, wie sie aus dem 1890 erfolgten Zusammen •
schluss der wissenschaftlichen Lehrerinnen ihrer-
seits die Anregung geschöpft, auch die Musik-
lehrerinnen zu Ortsgruppen zu vereinen, und zwar
im Anschluss an die bestehenden Zweigvereine des
AUg. D, L -V., weil sie durch das Zusammenarbeiten
mit der wissenschaftlichen Lehrerin einen Vorteil
für die Bildung der Musiklehrerin erblickte, die in
früherer Zelt oft zu wünschen übrig Hess, da der
Schwerpunkt der Ausbildung nur auf Erwerbung
möglichst grosser technischer Fertigkeit lag. Nach
Ueberwindung verschiedener Schwierigkeiten —
der Vorstand des Allg. D. L.-V. widerstrebte zu-
nächst einem Anschluss und der Bildung einer
Sektion der Musiklehrerinnen innerhalb seiner
grossen Vereinigung — gelang es ihr endlich im
Jahre 1897, auf der Generalversammlung zu Leipzig
die Gründung der Sektion zu vollziehen. Unter
dem starken Schutz und unterstützt durch die
Vorstände der Zweigvereine konnte sie sich nun
ki-äftig fortentwickeln.
(Schluss folgt.)
Mittellungen
von HoohBohulen und Konservatorien.
Zum Direktor des Pariser Konservatoriums
ist Gabriel Faurt? berufen worden. Er war
bereits seit 189G als Lehrer für Komposition am
Konservatorium tätig.
Das Klindworth - Scharwenka- Konser-
vatorium, Direktor Dr. Hugo Goldschmidt,
veranstaltete am 8. Joui in der Kaiser- Wilhelm
Gedächtnis- Kirche ein Konzert zum Besten des
Zweigvereins vom Roten Kreuz Niederbarnim. Die
Leitung führten die Herren Prof. Xaver Schar-
wenka und Konzertmeister Max GrÜnberg, Mit-
wirkende waien die Damen Prau Blanck-Peters
und Prau Brieger-Palm, die Herren Prof. Dr.
H. Beimaun, Eugen Brieger und H. Jarskin,
ferner der Chor und das Orchester des Konserva-
toriums. Das erlesene Programm — es kamen u.
A. zur Aufführung: „Magnificat" für Chor, Soli,
Streichorchester und Orgel von Durante, „Domine
Jesu* für Doppelchor, Streiclioi ehester und Orgel
von X. Scharwenka, „Andante religioso" für
Streichorchester, Harfe und Orgel von demselben,
„Te-deum" von Mozart, Sologesänge von H a y d n ,
Mozart und Brahms, Toccata, d-moU für die
Orgel von Bach — kam in tadelloser "Weise, in
vollendet künstlerischer AubführuDg zu Gehör, ganz
besondere Anerkennung verdienten die Leistungen
des Chors, dessen Stimmklang von bewunderns-
würdiger Reinheit und Schönheit war.
Zwei Schüleraaf Führungen der Opernschule des
Stern'schen Konservatoriums, die unter Leitung
des Direktors, Prof. Gustav Hollaender, im
Theater des Westens stattfanden, waren vom besten
Erfolge gekrönt; es wurden Bruchstücke ans den
„Lustigen Weibern", der „Zauberflöte', „Mignon**.
„Preischütz" und dem „Nachtlager" aufgeführt und
alle Leistungen bewiesen den Fleiss und das ernste
Streben, mit dem an dem Institut gearbeitet wird.
Es wurde viel Vortreffliches geboten und manch
beachtenswertes Tal(»nt zeigte sich unter den
jugendlichen Darstellern, das eine schöne Zukunft
in Aussicht stellt. Die Sängerin der Prau Finth.
Frl. Frieda Hempel, die auch die Arie der Königin
der Nacht in der Zauberflöte sang, ist bereits vom
Schweriner Hoftheater engagiert.
Der diesjährige Perienkursus für Chor-
dirigenten (Kantoren), Schulgesanglehrer
und -Lehrerinnen des Herrn Oberlehrer Gustav
Borchers findet in den Tagen vom 17. Juli bis
5. August d. J. statt. Zum erstenmale werden
auch Gesanglehrerinnen zur Teilnahme einge-
laden; zu den Dozenten ist Herr Pastor Dr. S anne-
mann-Hettstedt neu hinzugetreten, der über , Ge-
schichte des Schulgesange«'' und „Kirchenmusik
auf evangelischer Grundlage* sprechen wird. Die
Innere Ausgestaltung der Kurse wächst von Jahr
zu Jahr, wie aus dem Prospekt ersichtlich; möchte
auch, wie bisher, die Teilnehmerzahl stetig wachsen!
Näheres durch den Veranstalter, Oberlehrer Gustav
Borchers, Leipzig, Hohe Str. 49.
Ter mischte Nachrichten.
Einen ausgezeiclmeten Verlauf nahm das letzte
der Orgelkonzerte, welches der Organist Franz
Grün icke in dieser Saison am 29. Mai in der
Lutherkirche veranstaltete. Mr. George
R. Tillson, sein äusserst strebsamer, talentvoller
Schüler, gab unter Mitwirkung hervorragender
205 —
Geeangskräfte sein Abschiedskonzert. Wir können
nar wiederholen, was wir bereits über die ersten
beiden Konzerte des jungen Künstlers gesagt
haben; sein Spiel zeichnete sich auch diesmal dnrch
Sauberkeit, Klarheit nnd künstlerischen Vortrag
ans. Mr. Tillson vermag allen Anforderungen ge-
recht zu werden, die man heutzutage an einen
tüchtigen Orgelspieler stellt. Das erlesene Pro-
gramm nannte als 1. Nummer J. S. Bach's
„Passacaglia"» welche der Vortragende dem Bach-
sehen Stil vollkommen angemessen zu Gehör
brachte und deren Schwierigkeiten er siegreich
überwand. Auch als schaffenden Toukünstler
lernten wir Mr. Tillson kennen ; seine , A-dur-Fuge"
ist eine achtenswerte Leistung. Sodann hörten
wir noch „Intermezzo** aus der VI. und das „AUe-
gro" aus der V. Orgelsymphonie von Ch. Widor;
auch diese, die moderne französische Orgelmusik
repräsentierenden Stücke trug der Konzertgeber
mit gutem GeÜDgen vor. An Stelle der plötzlich
erkrankten Frau Elfriede Götte trat Frau Kgl.
Hof Schauspieler Christians c-in und erfreute die
Zuhörer mit ihrer kraftvollen, vorzüglich geschulten
Sopranstimme; Frau Christians saue: die Arie
„Mein gläubiges Herze'* aus J. S. Baches „Pflngst-
kantate", das ., Gebet'* von Ferd. Hiller und
zuletzt im Vereiu mit Mr. Gwilym Miles, dem
wir schon einmal in der Lutherkirche begegneten
und de^isen Sangestüchtigkeit uns bereits bekannt,
M endeis so hn*s Duett „Was hast du an mir
getan" aus „Elias". Es war ein seltener Genuss,
den uns das Künstlerpaar mit dem Vortrage dieses
Duettes verschaffte. Mr. Miles sang ausserdem die
Arie „Gott sei mir gnädig'* aus dem Oratorium
„Paulus** und „Spe modo vivitur'* aus dem Ora-
torium „Hora novisfeima" von H. W. Parker.
Die Begleitung sämtlicher Gesänge führte der
Konzertgeber mit gutem Gelingen aus.
M. D.
Der Musikdirektor Louis Schiott maun ist
nach langen und schweren Leiden, fast 80 Jahre
alt, am 8. Juni zu Berlin gestorben. Er war ein
trefflicher Pianist und hatte als geborener Berliner
Wilhelm Taubert und Siegfried Dehn zu
Lehrern. N ach seinenW an derj ah reu, die ihn auch nach
London führten, wo er mit seinen Konzerten sehr
viel Erfolg hatte, Hess er sich dauernd hier in
seiner Vaterstadt als Lehrer nieder, wurde viel
gesucht und geschätzt. Als Komponist schuf er
Orchester- und Kammermusikwerke, Klaviersachen
und mancherlei ansprechende Lieder. Den Titel
als Königl. Musikdirektor erhielt er im Jahre 1ÖT5.
Professor Albert Löschhovn, der greise
Berliner Tonkünstler und Lehrer, ist am Sonntag,
den 4. Juni, wenige Tage vor seinem vollendeten
86. Lebensjahre, ge&torben. Der ,,K1-L.*- brachte
im Jahre 1899 eine ausführliche Lebensskizze des
trefflichen Meisters nebst eingehender Würdigung
seiner Verdienste als Lehrer und Komponist. Da-
mals war Löschhorn noch als Lehrter des Klavier-
spiels am Königl. Kircheninstitut tätig: er ist
bis zum Jahre 1902 auf diesem Posten geblieben,
sodass er seine Kräfte der Anstalt volle 51 Jahre
gewidmet hat. Trotz seines hohen Alters setzte
er seine Lehrtätigkeit noch privatim fort, war
auch bis in seine letzten Tage hinein schaffend
tätig. Lehrer und Schüler des Instituts für
Kirchenmusik, Abgeordnete der König!. Hochschule
und zahlr-eiche Freunde und Schüler gaben ihm
das letzte Geleit Prof. Krause vom Kirchen-
institnt leitete die Trauergesänge, die Gedenkrede
hielt Pastor Dross von der Zwölf Apostel-Kirche.
Sein Andenken wird unvergesslich bleiben.
Dem Königlichen Musikdirektor Otto Dorn
in Wiesbaden, Mnsiklehrer nnd Komponist, ist
vom Kultusminister der „Professortitel'* verliehen
worden. Prof. Dorn ist ein Sohn des langjährigen
Berliner Hofkapellmeisters Heinrich Dorn.
Otto Schmid-Dresden, als Musik Schrift-
steller in weitesten Kreisen rühmlichst bekannt,
erhielt vom König von Sachsen den Titel als
„Professor der Musik*'.
Prof. Max Pauer wurde vom König von
Württemberg durch Verleihung des „Bitterkreuzes
des Ordens der Württembergischen Krone** aus-
gezeichnet.
Im Auftrage Kaiser W^ i 1 h e 1 m ^ s ist bekannt-
lich im vorigen Jahre nach dem grossen deutschen
Sängerfeste in Frankfnii; a. M. in Berlin eine
Kommission zusammengetreten, welche die Heraus-
gabe einer Volksliedersammlung für Männerchöre
veranstaltet. An der Spitze der gesamten Kom-
mission, die sich in eine Arbeitskommission und
eine beratende Kommission teilt, steht der Volks-
liederforscher Geheimer Rat Dr. Freiherr Rochus
v. Liliencron zu Schleswig. Ihr gehören ausser
den hervorragendsten Komponisten, Musikschrift-
stellern und Gelehrten des Deutschen Reiches für
Oesterreich die Herren Thomas Koschat, Adolf
Kirchl und Eduard Kremser, sowie für die
Schweiz der Komponist Friedrich Hegar in
Zürich an. In Oesterreich ist, wie die ,,N. Fr.
Presse** berichtet, die Sammlung bereits zum Ab-
schluss gelangt. Es wurden dreissig Volkslieder
aus allen Teilen der Monarchie ausgewählt, ober-
österreichische, steierische, egerländische, Volks-
lieder aus dem Salzburgischen, aus Tirol u. a., und
der grossen Kommission nach Berlin eingesandt.
Ueber den Umfang der gesamten Volksliedersamm-
lung wurden noch keine bindenden Schlüsse ge-
fasst Da jedoch bereits festgesetzt worden ist,
dass ausser den Volksliedern auch volkstümliche
Lieder Aufnahme in die Sammlung flnden sollen,
dürften auch Lieder des einfachen Kunstgesanges
aufgenommen werden, damit die Sammlung ihrem
von Kaiser Wilhelm angestrebten Zweck, ein gutes
Repertoire für die Männerchöre zu bieten, möglichst
vollständig entspreche. Der Abschluss des ge-
samten Werkes, an welchem eine grosse Anzahl
von Komponisten und Gelehrten arbeitet, dürfte
— 206 —
jedenfalls noch geranme 2^it auf sich warten
lassen. Der Arbeitskommission gehören ausser
Rochus V. Liliencron der Musikdirektor Ferdi-
nand Hummel in Berlin, der Professor der Musik-
geschichte an der Berliner Universität Dr. Max
Fr iedlän der, der Oberlehrer Professor Dr. Johan-
nes Bolte in Berlin und der Direktor der Berliner
Singakademie Prof. Georg Schumann an.
Prof. Konrad Heubner zu Koblenz, städti-
scher Musikdirektor und Direktor des Konser-
vatoriums, ist nach nur zweitägiger schwerer Krank-
heit infolge BauchfellentzänduDg im Alter von
45 Jahren gestorben. Der talentvolle Dirigent und
Komponist war in Dresden geboren und ein
Schüler von Beiuecke, Bichter, Nettebohms
und Wüllner. Von 1882 an war er als Dirigent
der Singakademie in Liegnitz, der Berliner Sing-
akademie, des Instrnmentalvereins Saarbrücken,
seit 1890 hier als Leiter des Musikinstituts und
des Musikkonservatoriums mit grossem Erfolg tätig.
Unter seiner Wirksamkeit nahm das musikalische
Leben in unserer Stadt einen bedeutenden Auf-
schwung. Als Chor- und Orchesterleiter genoss
er weithin Buf und Ansehen. Nicht minder her-
vorragend war er als Komponist. Bekannt von
ihm sind Symphonien, Streichquartette für Kammer-
musik, Chorkompositionen und Lieder.
In diesem Sommer ünden im Prinzregenten-
Theater zu Müixchen nachfolgende Bichard
Wagner-Festspiele statt: Montag, 7. August:
Die Meistersinger von Nürnberg. Mittwoch,
9. August: Das Bheingold. Donnerstag, 10. August:
Die Walküre. Samstag, 12. August: Siegfried.
Sonntag, 13. August: Grötterdämmerung. (Erster
Nibelungenring.) Dienstag, 15. August: Der flie-
gende Holländer. Mittwoch, IG. August: Tristan
und Isolde. Freitag, 18. August: Die Meistersinger
von Nürnberg. Montag, 21. August: Das Bhein-
gold. Dienstag, 22. August: Die Walküre.
Donnerstag, 24. August: Siegfried. Freitag,
25. August: Grötterdämmerung. (Zweiter Nibe-
lungenring.) Montag, 28. August: Tristan und
Isolde. Mittwoch, 80. August: Der fliegende Hol-
länder. Donnerstag, 31. August: Die Meistersinger
von Nürnberg. Samstag, 2. Sept.: Tristan und
Isolde. Dienstag, 5. Sept.: Das Bheingold. Mitt-
woch, 6. Sept.: Die Walküre. Freitag, a Sept.:
Siegfried. Samstag, 9. Sept.: Götterdämmenm^.
(Dritter Nibelungenring.) Die Mozart -Fest-
spiele im Kgl. Besidenztheater sind auf folgende
Tage festgesetzt: Montag, 11. Sept.: Figaro's Hoch-
zeit. Mittwoch, 13. Sept.: Cosi fan tutte. Freitag,
15. Sept.: Don Giovanni, Sonntag, 17. Sept:
Cosi fan tutte. Dienstag, 19. Sept. : Figaro'S Hoch-
zeit. Donnerstag, 21. Sept.: Don Giovanni. Die
Namen der mitwirkenden Künstler, unter denen
sich zahlreiche hervorragende Gäste befinden,
werden später bekannt gegeben. Ausführliche
Programme und Eintrittskarten sind durch die
Generalagentur, Reisebureau Schenk er & Co.,
München, Promenadeplatz 16, zu beziehen.
In Venedig hat sich ein Komitee gebildet
zu dem Zwecke einer kritischen Veröffent-
lichung der musikalischen Kunstschätze,
die noch ungedruckt in den Bibliotheken
und Kapellen Venedig's ruhen. Hand in Hand
soll damit gehen eine Wiederbelebung der
alten Oper von Monteverde bis Cimarosa,
Neuerweckung der alten Kirchenmusik, Kam-
mermusik und Symphoniekonzerte. Auch
Volkskonzerte zu niedrigen Eintrittspreisen sind
ins Auge gefasst worden.
Das Philadelphia-Orchester, das im Jahre
19(X) begründet wurde und unter Leitung von Fritz
Schul steht, veranstaltete in der Saison 1904 U>
fünfzehn Sinfonie - Konzerte mit Sinfonien von
Beethoven, Brahms, Dvorak, Franck, d'Indy,
Strauss, Tschaikowsky und anderen klassischen und
modernen Meistern. Als Solisten traten in den
Konzerten auf: Fanny Bloomfield - Zeisler,
V. de Fachmann, J. Hofmann, E. d'Albert,
B, Friml, E. Ysaye, Fr. Kreisler, Liliaa
Blauvett und andere Künstler und Künstlerinnen.
Das Orchester, das auch eine Beihe von volkstüm-
lichen Konzerten arrangierte, spielte ausserdem in
Washington und Harrisburg; am 16. Februar er-
freute es sich der Anwesenheit von Felix Wein-
gartuer, der u. a. seine Sinfonie No. 2, op. 2^>
dirigierte.
Bücher und Musikallen.
J. 8. Bach: Vier Choralvorspiele, Präludium und
Fuge in G-moll, von der Orgel für
Klavier übertragen von Th. Sziintö.
C. F. Kahnt Nachfolger, Leipzig.
Diese Uebertragungen interessieren namentlich
dadurch, dass hier zum erstenmale Busoni's Stil
der Uebertragung von Orgelwerken von einem
andern durchgeführt wird. Bei der Grleichgiltig-
keit, die die meisten Pianisten den Arbeiten ihrer
Kollegen erweisen, sind Busoni's epochemachende
Bearbeitungen sowohl von Ausführenden wie Kom-
ponierenden leider noch nicht so beachtet worden,
wie sie es verdienen. Es ist deshalb dankenswert,
dass ein „Jüngerer" es unternimmt, diesen neuen
Stil zu pflegen. Man muss es Szanto nachrühmen,
dass er mit feinem Verständnis für Bachs Musik
und Klangsinn vorgeht, auch Geschick im Satz
zeigt. Man kann nur zweifeln, ob die Wahl der
Stücke richtig war. Einige sind gar zu orgel-
mäss ig für eine Klavierfassung, die Fuge nicht be-
— 207 —
deutend genug, um eine üebertragung zu ver-
dienen. Manches ist etwas aasgetüftelt, auf's Pedal
recbunet er mehr, als gut ist. Immerhin bieten die
Choralvorspiele interessante Aufgaben für den
Spieler und — schöne Musik.
J. Vianna da Motta.
L. T. BeethoTen: ,,AIIegro und Menuetto^ für 2
Flöten.
Breitkopf * Hirtel, Leipzig.
Dieses Flötenduett trägt nicht die Charakter-
züge des grossen Meisters; wir könnten die Kom-
position auch für eine solche von Mozart oder
Händel halten. Da )ceine der Stimmen besonders
hoch liegt, so ist das Werkchen auch für 2 Geigen
von Schülern und Dilettanten ganz gut spielbar.
Dagobert Löwenthai
Zdenek Fibich: 5. S3rmphonie (E-moll) für grosses
Orchester. Klavierauszug zu vier
Händen vom Komponisten.
Fr. A. Urb&nek, Prmg.
Zdenek Fibich gehört zu denjenigen Kompo-
nisten, die in Deutschland vorläufig noch sehr
wenig oder garnicht bekannt geworden sind und
darum heisse ich die vierhändige £[lavierbearbeitung
seiner dritten Symphonie in £-moll willkommen.
Sie ist ein treffliches, lebensvolles, in warmes Natio-
nalkolorit getauchtes Werk von schönem musika-
lischen Inhalte und ausgezeichnet formaler Ge-
staltung. Das Arrangement selbst ist sehr gut
spielbar und lässt, soweit solches grossen Orchester-
werken gegenüber überhaupt möglich ist, die beiden
Spieler einen guten Einblick in die Schaffenswelt
des berühmten Meisters tun, der sich, im 55.
Lebensjahre stehend, fast auf allen Gebieten unserer
Kunst eifrigst betätigt hat.
Max Chop: „Vademecum** für den Konzertsaal.
1. Bd. Richard Wagner.
Aithiir Parrhyslu, Berlla.
Max Chop's „Vademecum" für den Konzert-
saal will in Form von in sich abgeschlossenen
Bänden u. a. Rieh. Wagner, Fr. Liszt und seine
Einwirkung auf die Symphoniker, die klassische
Symphonie, die Schule der Romantiker eingehend
behandeln. In dem vorliegenden Bande stellt
M. Chop Richard Wagner in seinen Schöpfungen
dar. Der Verfasser vereinigt gründliches Wissen
mit schöner, erwärmender Begeisterung für seinen
Stoff und einen geschichtlich weiten Blick mit
wohlbegründeten modernen Anschauungen. Seine
Schreibweise ist klar und anschaulich überzeugend,
sein urteil streng sachlich und vorsichtig ab-
wägend. Wir stimmen ihm ohne weiteres zu,
dass in Anbetracht des überreichlich vorliegenden
Stoffs es sich lediglich um eine besckränkte Aus-
wahl handeln konnte, diese aber ist ihm bestens
gelungen und macht seinem Geschmack alle Ehre.
Im wesentlichen sind die rein orchestralen Sachen
einer hellen Beleuchtung unterzogen worden, wie
es ja die schon im Gesamttitel ausgesprochene Ab-
sicht ganz von selbst verlangt. Hauptabsicht
Chop^s ist es, dem wissenswilligen Hörer vor allem
alles musikalisch und geschichtlich Interessante
und zu wissen Notwendige so nahe als möglich
zu bringen, und dieser auch bei allen folgenden
Veröffentlichungen zu beachtende Gesichtspunkt
unterscheidet die in Rede stehende charakterischer-
weise von den übrigen Erscheinungen, die in ana-
lytischer Form unter Zuhilfenahme von Notenbei-
spielen u. 8. w. dem Studium dienen wollen. Wir
wünschen dem lobenswerten Unternehmen schnellen
und gedeihlichen Fortgang, denn es ist sicherlich
ein ausgezeichnetes und zugleich vornehmes Mittel,
die Liebe für Wagner, wie überhaupt für die Ton-
kunst und ihre grossen Werke in allen Schichten
der Bevölkerung zu fördern, zu erwecken und zu
vertiefen. Die Ausstattung des 236 Seiten starken
Bandes ist trefflich, der Preis gering ~ umsomehr
wird, so hoffen wir, der löbliche Zweck erfüllt
werden.
A. Liek, op. 26. „Dramatische Phantasie* für Vio-
loncello mit Pianofortebegleitung.
Chr. Friedrieh Tiewe;, Berlln-Groii-Llehterfelde.
A. Liek*s dramatische Phantasie für Violon-
cello mit Pianofortebegleitung ist eine sehr wirkungs-
volle Komposition, worin sich Musikalisches mit
Konzertantem bestens einigt und somit dem tüchtigen
Spieler eine ebenso dankbare wie künstlerisch
würdige Aufgabe geboten wird. Das Werk ist ein-
sätzig, fast hätte man, durch den tüchtig vei ar-
beiteten und trefflich dargestellten Inhalt des
Ganzen sehr sympathisch berührt, eine grössere
Ausdehnung in mehrteiliger Form gewünscht. Denn
der Komponist hat in der Tat Phantasie und ver-
fügt über eine schöu melodische, gemütswarme
Ausdnicks weise, welche überzeugend wirkt und
auch der grossen, leidenschaftlichen Accente durch-
aus nicht ermangelt. Ist auch seine Phantasie
im Grunde von einheitlicher Stimjnung erfüllt, so
fehlt es andernteils keineswegs an dem natürlichen
und erwarteten Ge«i:ensatze. Das Werk ist jeden-
falls eine treftiiche und ernst zu nehmende Leistung
und ein Zuwachs erfreulicher Art für die ein-
schlägige Literatur.
B. Smetana. Polka für Pianoforte.
Fr. A. Urbanek, Prag.
Ich zeige die (G-dur) Polka von B. Smetana
(nicht mit Friedrich Smetana zu verwechseln!) hier
an, weil sie wirklich allerliebste Musik bietet.
Nicht mit Unrecht ist die Polka streng verpönt
und rangiert ziemlich tief in der Heihe aller Gat-
tungen von Tänzen. Die in Hede stehende kann
aber unter Umständen auch zugleich als nicht
üble Studie des Terzenspiels angesehen werden
und bietet durch scharfe rhythmische Belehrung
gar manches Anziehende. Also darf sie in diesem.
— 208 —
den ernsten künstlerisclien und pädagogischen Be-
strebungen gewidmeten Blatte doch lobende Er-
wähnung finden.
Eugen Segnitz,
Edition Litolff, „Neuausgaben"'.
U. Litolffy Braaniehvreig«
Neue Ausgaben der Edition Litolff liegen in
reicher Zahl vor. Wenn mau die Konkurrenzbe-
mühungen aller „Editionen" mit den früheren Aus-
gaben ä la Holle, Wolfenbüttel, vergleicht, muss
man über die riesigen Fortschritte staunen ; — die
neueste Konkurrenz: üniversaledition in Wien
scheint nun die deutschen Firmen auf das höchste
Mass des zu Bietenden anzustacheln. Litolff
präsentiert sich denn auch in seinen neuen instruk-
tiven Ausgaben in unübertrefflicher Ausführung.
Papier noch widerstandsfähiger, Druck durch Aus-
dehnung des Baumes klarer und übersichtlicher,
Fingersatz und Fhrasierung peinlich genau und
durch die Namen erster Klavierpädagogen ver-
bürgt. Preis trotz des grösseren Papierverbranchs
derselbe billige wie früher. Besonders sympathisch
erscheinen mir: die .Vorschule zu Bach*, von
Kühner bis zur kleinsten Ausführung sachge-
mäss redigiert. — Die Tausig'sche Neuansgabe
des „Gradus" von Clementi und die jetzt „frei*
gewordenen „Violinkompositionen* des klassischen
Vioiinpädagogen Ferd. David. Die „akad. Aus-
gabe der Pianoforte-Klassiker", herausgegeben von
Germer, Kühner, W. Behberg, erhebt infolge
des grossen Formats, der vorzüglichen Bedigiemng
und des grossen, schönen Drucks mit vollem Bechte
Anspruch auf dieselbe hochstehende Bedeutung
anderer Ausgaben. Mir erscheint sie noch darüber
hinauszuragen und wegen ihrer Billigkeit be-
sonders empfehlenswert für solche Lehrer, welche
die bisher so beliebte Gesamtanschaffung der
Einzelklassiker nicht mehr wünschen.
Ludwig Jiiemann.
Musikpfidagogischer Verband.
Der Vorstand gestattet sich seinen
Mitgliedern mitzuteilen, dass, um viel-
seitig ausgesprochenen Wünschen, beson-
ders seitens der Mitglieder der westlichen
Provinzen und Süddeutschlands, Bechnung
zu tragen, der Entschluss gefasst ist, den
für Oktober geplanten 8. musikpftdagogisclien
Kongress in die Osterferlen 1906 zu verlegen.
■Dagegen findet die auf dem vorigen Kon-
gress beschlossene General- YersauiiulDng des
Verbandes bestimmt in der ersten Oktober-
woche d. J. statt. Die Tagesordnung wird
in der ersten August-Nummer des „Kl. L."
bekannt gemacht. Die bereits zu den Satz-
ungen eingereichten Anträge kommen zur
Beratung, weitere Anträge werden um-
gehend, spätestens bis 15. Juli erbeten.
Wir haben unseren Mitgliedern die erfreuliche
Mitteilung zu machen, dass das Kultusministerinm
den Arbeiten und Bestrebungen des Verbandes
fortgesetzt Sympathie entgegenbringt und sie mit
grosser Aufmersamkeit verfolgt. Vor kurzem über-
reichte der Unterzeichnete dem Kultusminister ein
Memorandum über den Stand der Arbeiten unter
Hinzufügung eines Exemplars der Kongressreferate
und aller bisher aufgestellten Lehrpläne und sonstigen
Entwürfe. In einem eigenhändigen Schreiben an
den 1. Vorsitzenden sprach Exe. Studt seinen Dank
für das Eingelieferte aus.
Ein Bericht über die letzten Sitzungen des
Vorstandes und der Schulgesangs-Kommission folgt
in nächster Zeit.
L A.:
Xaver Scharwenkaj
I. Vorsitzender.
Vereine.
Der Stuttgarter Tonkttnstler - Yereln veran-
staltete in der abgelaufenen Konzert-Saison 4 Mati-
neen, die durch die aufgestellten Programme die
Tendenzen des Vereins, dem Höchsten in der Kunst
zu dienen, auf's deutlichste kennzeichneten. Die
erste Matinee war ganz dem Andenken Liszt's ge-
widmet, es kamen nur Werke von ihm, und zwar
neben einer Beihe von Liedern „Les Preludes"
und ,DJe Ideale* in der Bearbeitung für 2 Klaviere
— Ausführende die Herren Professoren Po hl ig
und Pauer — zu Gehör. In der zweiten Matinee
kam nach Bach 's Konzert G-moU für Violine
und Streichorchester, ßrahms durch seine Walzer,
Lieder und die ,, Variationen über ein Thema von
J. Haydn'' zu Wort. Die beiden letzten Matineen
waren moderneu Komponisten gewidmet, es standen
W^erke von Draeseke, B. Strauss, Schultze-
Biesantz, M. Reger, Fr. Kauff mann. Ernst H.
Seyffardt u. a. auf dem Programm. Die Konzert-
sängerin Frl. Marie Gross und die Königl. Hof-
kapelle waren bei den Aufführungen betätigt.
Am 17. und 18. Juli d. J. wird in Bothen-
burg a. d. T. der XVIII. Ileatsch - «Taugelii^che
Kircheiigesaug - Vereiuslug abgehalten werden.
Folgendes Programm ist aufgestellt: Montag,
17. Juli, nachmittags halb 3 Uhr; Sitzung des
Zentralausschusses des Evangelischen Kirchenge-
sangvereins für Deutschland. 5 ühr: Aufführung
des „Weihnachtsmysteriums* von Philipp Wolf-
rum in der Jakobskirche, Darbietung des Kirchen-
gesau gvereins für Bayern unter Mitwirkung von
sechs Chorvereinigungen. Dienstag, 18. Juli,
vormittags halb 8 Uhr: Liturgische Nforgenandacht
mit Psalmodie und Chor (Schülerchöre). Organist:
Professor Oechsler-Erlangen. 9 ühr: Haupt-
— 209 —
versammluDg des Evangelischen KirchenResang-
Vereins für Deatechland mit Beferat des Pfarrers
Dr. Sannemann- Hettstedt über ,Die Pflege
der Musik, insbesondere der Kirchenmusik an den
Gymnasien und Mittelschulen*. Korreferent: Gym-
nasialprofe»sor Hatz- München. 12 ühr: Orgel-
konzert in der Sankt Jakobskirche. 4 ühr: Hanpt-
Cfottefidienst mit Liturgie und ständigen Chören.
Dirigent: Musikdirektor Schmidt-Bothenhurg,
Organist: E. Hohmann - Anspach, Prediger:
Konsistorialrat Beck-Baireuth.
Internationale Maslkgeiiellscliaft,
Ortsgruppe Berlin.
In einer konstituierenden Versammlunfi: am
21. Mai im Saale der Singakademie unter Vorsitz
von Univ.-Prof. Kretzschmar wurde eine neae
Ortsgruppe Berlin gegründet, deren Statuten von
der Versan^mlung durchberateu und festgelegt
wurden. Als Vorsitzender wurde gewählt der
Direktor der Singakademie Prof. Georg Schu-
mann, nls sein Stellvertreter Univ-Prof. Dr. Max
Friedläiider, als Schriftführer Pdv.-Doz. Dr. Joh.
Wolf (N.O. 55, Prenzlauer Allee 30), als sein Steil-
vertreter Dr. £. von Hornbostelf als Kassenwart
Direktor Prof. Dr. Zelle, als Beisitzer Ober-
bibliothekar Dr. Kopf er mann und Geh. Ober-
Beg.-Bat Dr. Freund.
Der Terein der Musik lehrer innen in Wien, an
dessen Spitse Frau Marie Schneider-Grün zweig
steht, entwickelt sich in kräftiger Weise fort und
bietet seinen zahlreichen Mitgliedern durch fesselnde
musikwissenschaftliche Vorträge, Schüler-Konzerte^
musikalische Abende reiche Anregung. Die Ver-
einigung vermag ihren Angehörigen auch in
sozialer Hinsicht manche Vorteile zu gewähren^
sie besitzt einen Pensions-, einen Krankenunter-
stützungs- und einen Ferial-Fond und ist der erstere
bereits so gut fundiert, dass Prämienersatz an 30
versicherte Mitglieder in Höbe von 1425 Kronen
gezahlt werden konnte.
Anzeigen.
EhrenTOrslts: Begienmn-I
Onf KSalyidorflr, Bxo4
Konservatorium der Musik | NTeiie Erwerbsfquelle
in Kassel.
Gegr. 1895. Direktion: L Beyer. Gegr. 1895.
i-PräMd«nt Toa TroU in Snli,
xoelleni Generalin tob Colomb,
Oberbürgermeister MfllJer u. A.
Cvratorinm: Pfarrer HMf, Soholdirektor Prof. Dr. Kra«-
Meeher» Bankier Plaaty Jnstisrath Scheffer n. A.
Lehrer : Die Damen : L. Beyer, Blaial-FSnter, Königl. Opera-
•äDserin, Sleeee-Fabronl» A* Taadlea. Die Herren:
A. HartdegA«. Kammerrirttios. Prof. Dr. M5bel»
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Anmeldung zu dieser Prüfung hat am /Vlontag, den 25. September im Bureau des
Conservatoriums zu erfolgen. Der Unterricht erstreckt sich auf alle Zweige der
musikalischen Kunst, nämlich Klavier, sämmtl. Streich- und Blasinstrumente, Orgel,
Concertgesang und dramatische Opernausbildung, Kammer-, Orchester und kirchliche
Musik, sowie Theorie, Musikgeschichte, Litteratur und Aesthetik.
Prospekte in deutscher und englischer Sprache werden unentgeltlich ausgegeben»
Leipzig, Juni 1905.
Das Directorium des Königlichen Conservatorium der Musik.
Dr. Röntsch.
C. BECHSTEIN,
Flügel- und Planino- Fabrikant.
Hoflieferant
Sr. Maj. des Kaisers von Deutschland und Königs von Preussen,
Ihrer Maj. der Kaiserin von Deutschland und Königin von Preussen,
Ihrer Maj. der Kaiserin Friedrich,
Sr. Maj. des Kaisers von Russland,
Ihrer Maj. der Königin von England,
Ihrer Maj. der Königin Regentin von Spanien,
Sr. Königl. Hoheit des Prinzen Friedrich Carl von Preussen,
Sr. Königl. Hoheit des Herzogs von Sachsen-Coburg-Gotha,
Ihrer Königl. Hoheit der Prinzessin Louise von England (Marchioness of Lome).
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Der KlavieF-Lehrer.
Musik-padagogische Zeitschrift für alle Qebiete der Tonkunst
Organ der Deutschen Musiklehrer-Vereine,
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zu Köln^ Dresden^ Hamburg, Leipzig und Stuttgart.
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Redaktion: Anna Morsch
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fOr die zweigespaltene Petitzeile ent«
gcgengenommen.
No. 14.
Berlin, 15. Juli 1905.
XXVill. Jaiirgang.
Inhalt: Dr. Walter Niemann: John Fiel d. (Fortsetzung.) C. Haass: Virtuosen und Dilettanten der römischen Kaiserzeit (Fortsetzung.)
V. General- Versammlung der Musik-Sektion des Allg. D. L.-V. (Seblusa.) Die Berliner Singakademie auf Reisen. Mitteilungen
von Hochscbulen und Konservatorien. Vermischte Nachrichten. Bflcher und Musikalien, besprochen von Eugen Segnitz, Anna
Morsch und Jose Vianna da Motte. Anzeigen.
Hobt) l^leld.
Von
Dr. Walter Hlemaiiii.
(Fortsetzung.)
Als ein, wie Köhler mit Recht sagt,
wirklich „genialer Melodiker" voll jener keu-
schen, edlen Sentimentalität, wie sie ganz
ähnlich Dussek's besten Werken eignet,
neigt er am liebsten zu Mozart hin; als aus-
übender Künstler, in der Technik seiner
Klavierkompositionen lässt er das Beste vom
Geiste seines Lehrers Clementi gewahren*),
so vermittelt er zwischen Beiden. Seine
Melodik ist stets germanisch geblieben. Ob-
wohl er die meisten Jahre in Russland lebte,
so kann man doch von einem möglichen
slavisch-russischen Einfluss in einer Nocturne,
der sog. „Pastorale", reden, wo die Harmoni-
sation 7. 28 etwas exotisch lautet:
fTs-e
In der Form seiner grösseren Werke, der
Konzerte und Sonaten, hält er sich durchaus
an die klassischen Vorbilder, stilistisch sind
sie freilich nicht immer klassisch-rein, was be-
*) „Seine Art des Spiels ist die Clementi'sche
in höchster Steigerung und Vollendung**. (AUgem.
Musikal. Zeitg, Jhg. 1824, S. 397.)
sonders von seinen Konzerten gilt. Sonder-
bar genug ist's, dass sich die Vorliebe Field's
für unsre Altklassiker so ganz und gar nicht
in seinen Werken, wohl infolge mangelnder
kompositorischer Durchbildung im strengen
Satze, bemerklich macht. Wir wissen aus
seinen Kunstreisen mit Clementi, dass er
schon bei seinem ersten Pariser Auftreten
durch den tiefen und vollendeten Vortrag
Bach'scher und H an deTscher Klavierwerke,
namentlich ihrer Fugen, Aufsehen erregte.
Und doch hat von dieser seiner Vorliebe so
gut wie nichts auf seine Kompositionsweise,
ungleich Rust und so mancher dieselbe Nei-
gung teilender Zeitgenossen, abgefärbt. Field*s
Klaviersatz ist ein im allgemeinen durchaus un-
polyphoner und bereits romantischer, er ist
der eines ausgesprochensten Melodikers.
Er führt nicht zu Hummel — denn er ist
gerade in seinem reichen Figurenwerk viel
weniger mechanisch, viel durchgeistigter — ,
sondern er ist unwienerisch und leitet zu den
Romantikern, insbesondere Chopin, gerades wegs
hinüber. Im Verein mit den anderen Cle-
mentischülern Ludw. Berg er und AL Kien gel
hat Field die rollenden Clementi*schen Skalen-
— 214 —
figuren zur Konzertpassage verdichtet. Er
hat dies gleich Hummel auf dem Fundament
Mozartischer Harmonik und melodischer
Führung getan, sie aber mit ungleich inner-
licherer Empfindung beseelt, als der glänzendere,
aber kältere Hummel.
Will man den Wert, die zeitliche Eigen-
tümlichkeit eines schaffenden oder ausübenden
Künstlers klar erkennen, so muss man ihn
nicht nur vom Standpunkt der Gegenwart aus
betrachten, sondern auch die Meinung und
das Urteil seiner Zeitgenossen eingehend
befragen. Da ist denn bei kleineren Meistern
wie Field so gut wie alles versäumt worden.
Wie für das gesamte erste Drittel des 19. Jahr-
hunderts von den Klassikern an bietet die
ßreitkopFsche „Allgemeine Musikalische
Zeitung** auch für Field die reichste Aus-
beute. Schicken wir das zunächst voraus:
Der Spieler Field begegnete sofort uneinge-
schränktester Bewunderung. Neben einer für
damalige Zeit aussergewöhnlichen unfehlbaren
Technik besass er das Zaubermittel eines
wundervollen, gesangreichen Anschlages, der
seine Zuhörer, selbst die verwöhntesten, in
Entzücken versetzte. Man nannte ihn da-
mals „den ersten Klavierspieler der Welt".
„Er saugte" — wie's im Nekrolog der „Allge-
meinen Musikal. Zeitung"*) heisst — „den
Ton mit seinen Fingerspitzen aus dem Holze
auf eine unvergleichliche Art zu bewunderns-
werter Schönheit hervor". Oder an anderer
Stelle**): „Im Spiel herrschte er durch Gesang
im Leichten wie im Schweren, das unter
seinen Händen leicht und mühelos erschien,
als ob es nicht anders möglich wäre." Will
man sich einen Begriff davon machen, wie
Field als Pianist auf seine Zeitgenossen
wirkte, so suche man nur den Bericht über
seine vier, im Hofopern theater auf der Heimreise
von Neapel nach Russland 1835 gegebenen
Wiener Konzerte in der „Allgem. Musikal.
Zeitung"***) auf. Wiederum wird er „der
Sänger unter den Pianisten" genannt — der
„Allgemeine Musikalische Anzeiger" f) von
1838 nennt ihn (S. 17) gewiss mit Recht gar
den „reizenden Sänger" — und zum Schlüsse
sagt der begeisterte Referent: „Field kann mit
keinem Zeit-Kunstgenossen verglichen werden;
♦) Jhg. 18:37 (XXXIX), Nr. 29, S. 4(>l-4(>8;
Nr. :J0, S. 481-486. Nekrolog mit Lebensbe-
schreibung.
**) S. 4a5.
***) Jhg. 18:35, S. 749/50.
t) Redig. von J. F. Castelli, Wien, Tob.
Haslinger.
er steht allein, isoliert, selbständig, in abge-
schlossener Originalität." Diesen Erfolg er-
rang Field damals mit den einfachsten Mitteln:
er spielte lediglich einige Sätze aus seinem
8., 5., 6. u. 7. Konzert, einige Rondo's und vor
allem eine Auswahl aus seinen Nocturnes.
Welche Stellung er in Russland, in St. Peters-
burg und Moskau, als Klavierspieler und
-Lehrer einnahm, ist wohl bekannt genug, als
dass es hier noch ausführlicher brauchte dar-
gestellt zu werden. Auch im Zarenreiche,
wo ja Field seine eigentliche Heimat finden
sollte, bezauberte sein in Anmut und Wohl-
laut getauchtes Spiel Alles. Er wurde der
erste Pianofortelehrer seiner Zeit. Scharen
von Schülern bemühten sich, bei ihm zu
lernen und ihm die seltsam unbewegliche,
ruhige Handhaltung abzulauschen, die gleich
einer gelassenen Ruhe den Grundzug seiner
Spielart bildete. Wie Chopin, erfreute er sich
der besonderen Gunst der vornehmen Damen-
welt. Wie jenem und Henselt, so wurden
auch ihm „übertriebene Spannungen" im
Klaviersatz tadelnd vermerkt.*)
Als ausübender Künstler begegnete er
also sofortigem Verständnis und bedingungs-
loser Anerkennung. Als Komponist machten
seine ersten Klavierwerke — wie's bei jeder
ausgesprochenen grossen oder kleinen Indi-
vidualität geht — die Zeitgenossen doch noch
recht stutzig, allein das Erstaunen wich auch
hier verhältnismässig rasch dem freudigen
Verständnis. In der „Allgemein. Musikal.
Zeitung" ist er mit Rezensionen seiner Werke
ungleich spärlicher als z. B. Dussek oder gar
Hummel vertreten; auch gerade sehr geist-
reich sind diese Beurteilungen nicht, aber als
Gradmesser für die schrittweise sich zu ihm
wendende öffentliche Meinung doch unent-
behrlich. Die erste ausführliche Kritik dreier
Nocturnes finden wir im Jahrgang 1814 der
obenerwähnten grossen Musikzeitung (S. 763).
Eins hebt sie schon ganz richtig als am
meisten charakteristisch und neu an den
Stücken hervor: ihre durchaus gesangreiche
Melodik: „Das Letzte (sc. Ohr) wird nun
eben durch die Benutzung des Instruments,
als sänge es recht eigentlich und accompag-
nierte sich dann in ganz anderer Weise
selbst, so wie durch die viele Würze seltsam
durchgehender Noten und dgl. stets gereizt
und oft auch befriedigt . . . ." Wir lächeln
heute über die „viele Würze seltsam durch-
*) Vgl. z. B. das Rondo aus der Es-dur-
Sonate.
— 215 —
gehender Noten", die die damaligen Empire-
Bürger an Beethoven doch in ganz anderer
Weise zu hören bekamen; wir lächeln noch
mehr über den Schlusssatz: „ . . . Mehrere
Härten in der Harmonie muss man wohl
auch für absichtlich und zu der seltsamen
Individualität gehörig ansehen". Von 1815 an
werden die Kritiken Field'scher Klavierwerke
häufiger. So geben sich zwei weitere,*) die
mehrere neue Kompositionen zusammen be-
sprechen, schon weit lobender; so spricht die
letztere von der „wunderbaren und zuweilen
ungemein anmutig träumenden Phantasie, so-
wie der eigenen Weise, das Pianoforte zu
behandeln." Eine eingehendere Kritik finden
wir dann noch im Jahrgang 1825 anlässlich
des Erscheinens des VI. (C-dur) Konzerts.
Sie ist durchaus verständnisvoll bedingungs-
los zustimmend, aber immer noch heisst's
wieder: „Die Harmonie ist oft . . . sehr ge-
schärft und zugespitzt.'' Auch der 1837 er-
schienene Nekrolog enthält warme Worte des
Lx)bes. Er steht in der Sichtung und Wür-
digung der einzelnen Klavierwerke Field's
bereits auf dem heutigen und durchaus be-
rechtigten Standpunkt.
Die Mehrzahl der Nocturnes sieht er in
richtiger Weise als unvergängliche Emana-
tionen eines feinen, poetischen Geistes an.
Unter den übrigen Werken, namentlich unter
den in der grossen Form der Sonate und des
Konzerts geschriebenen hält er dagegen eine
strenge und im wesentlichen noch heute
massgebende Sichtung. Diese Werke haben
Field mit verschwindenden Ausnahmen nicht
überdauert.
Wenden wir uns zunächst zu seinen
Nocturnes. — Zwanzig liegen von ihm vor,
doch hat er selbst nur zwölf diesen Namen
gegeben. Es ist schwer, solchen zum Teil
kostbaren, zarten Klavierpoesien gegenüber
nicht in den Ton entzückter Begeisterung zu
verfallen, noch schwerer, ja unmöglich und
zwecklos, nun gleich mit dem Finger auf
diese oder jene als „der" schönsten zu weisen.
Das ist allemal ein subjektives und anfecht-
bares Verfahren. Als die wohl nach aller
Kenner Urteile herrlichsten möchte ich (nach
der Liszt-Ausgabe bei Schuberth) folgende
bezeichnen: No. 1, Es-dur, ein Stück in glück-
licher, selig-ruhiger Stimmung, No. 2, C-moU,
sehnsüchtig, unruhig und schmerzlich bewegt,
No. 4, A-dur (ä M™ Rosenkampf), die Liszt
*) Jhg. 1817, S. 244, 580, andere: Jhg. 1818,
S. 266: 1821.
für die schönste von allen hält. Sie ist's
auch, wenn man sich einmal ihren Mittelsatz
betrachtet. Der schlägt innerlich und äusser-
lich schon ganz (im Klaviersatze) schumannisch-
phaniastische, echt romantische Züge an, be-
sonders an der Stelle:
— -#- I ■•- — -•- — ■#- "
±
^ ^tl
G
D
Ex-
^=
"cbte^ ^€l2M tiXü^
Fll
i?(?
W
-wzzrw -\fw
eic.
US
H"
Auch in ihr der sehnsüchtig-drängende,
leise melancholische, von zarten Seufzern
unterbrochene und doch wieder (im Hauptteil)
so anmutige Grundton, der durch alle seine
„Nachtgedichte" hindurchtönt. Die folgenden,
No. 5 B-dur, No. 6 F-dur (Berceuse) und
No. 7 A-dur, alle in ruhig-heiterer, sonniger
Grundstimmung, erreichen sie nicht im
Empfindungsgehalt; aber gerade die letztere
bietet ein reizendes Beispiel für Field*s durch-
aus zu Chopin hinüberleitende Art der thema-
tischen Variierung. Bei der folgenden, No. 8,
Es-dur, an Chopin*s in unmittelbarer An-
lehnung an sie geschaffene Es-dur-Nocturne
erinnern zu müssen, ist wohl überflüssig.
Vergleicht man beide genau mit einander, so
bleibt, was thematische Erfindung anlangt,
für Chopin eigentlich ungemein wenig übrig;
ja die Einwirkung erstreckt sich zum Teil auf
wörtliche Motivwiederholungen wie (7. 9/10):
Und doch, zwei im einzelnen verschiedene
Wege gehende Individualitäten! Thematisch
steht grade diese zu einer gewissen Berühmt-
heit gelangte Nocturne durchaus nicht hoch.
Im Gegenteil, wie alle eine ruhige, zufriedene
— 216 —
Stimmung zeigende Nocturnes gehört sie nicht
zum Besten seiner Werke. Das zeigt sich
auch in der Nocturne-Pastorale No. X, E-dur,
der bekannten Nocturne-caracteristique „Midi"
No. XII, E-dur mit ihrem noch recht harmlosen,
ja im Mittelteil direkt nichtssagenden Figuren-
und Läuferwerk, am Schlüsse 12 schlagenden
Uhr-Nachahmung, als Ganzes einer etwas
schwachen und reichlich verblassten Tusch-
zeichnung, als einer Art verfrühten Entwurfes zu
den späteren reizenden Aquarellen der Schu-
mann'schen ^Papillons". Das zeigt sich weiter
an der an übermässiger Breite krankenden
No. XVI, C-dur, so schöne Details diese viel
zu wenig bekannte Nocturne aufweist, und,
nach gewissen Richtungen, an den beiden
letzten No. XVII, C-dur, XVIII, F-dur. In
diesen etwas schwächeren Erzeugnissen tritt
nämlich ein Moment auf, für das gerade unsrer
Zeit das Verständnis abhanden gekommen ist:
das der Empfindsamkeit. So sind Kaden-
zierungen wie
^
t^f^"ffn
für die ganze Zeit und auch für schwächere
Stellen in Field's Kompositionen charakte-
ristisch, werden freilich nach jetzigem Ge-
schmack für weichlich angesehen. Das sind
Zeugen einer seltsam gespaltenen Zeit, der
Denkungsart in der bürgerlichen Empirewelt.
Zeichen einer Zeit, die Beethoven s „Fidelio*,
aber auch Weigl's „Schweizerfamilie", Wenzel
Müller*s „Teufelsmühle* in kurzen Jahren
hervorbrachte, einer nach den Freiheitskriegen
eingetretenen Erschlaffung. Alles sah sie
durch den Tränenschleier; in die Tagebücher
wurde von ewiger Freundschaft, mit beson-
derer Vorliebe aber vom Tod und gebrochenen
Herzen geschrieben, die Nächste in Stamm-
büchern durch gemalte Grabumen und den
Wunsch „blumigt seien die Pfade, die du
wandelst", erfreut. Und doch war's eine
Zeit, die gerade in der Kunst so Grosses-
leistete!
Von diesem Standpunkt aus, also vonf>
kulturgeschichtlichen, muss man alle zur Rüh-
rung und Sanftmut neigende Musik aus jener^
Tagen beurteilen, mag sich's um Weigl, Nau-
mann oder Field handeln, will man ihr ge-
recht werden und über ihre kleinen, ein
wenig spiessbürgerlichen Schwächen nicht
leichtfertig den Stab brechen.
(Fortsetzung folgt.)
^fp^uoset) ai)<] @i1eHat)1*^i) der pött)iscbet) KaiseFzeih
Beitrag tut Kiiii$t« iiiia SittctigcscMcMe*
Von
€. Haas«.
(Fortsetzung.)
Zar Kaiserzeit fanden kanstgebildete griechi-
sche Solisten überall Beifall in Eom. Sie pflegten
nach hellenischem Branch im kleidsamen Virtnosen-
kodtüm: langem faltenprächtigen, goldgestickten
Talar und buntverziertem, reich herabwallenden
Purpurmantel aufzutreten, das Haupt geschmückt
mit einem goldenen, von grossen blitzenden Edel-
steinen besetzten Kranz, die kunstvoll gearbeitete,
mit Gold und Elfenbein ausgelegte Kithara*) in
der Hand haltend.
Neben den Kitharöden, die ihren Gesang selbst
begleiteten, Hessen sich auch Virtuosen ohne Gesang,
auf verschiedenen Instrumenten, wie Harfe, Lyra,
Flöte, Taba und selbst der Wasserorgel als Solo-
*; Griechische Zither, ein antikes harfenähn-
liches Instrument, das mit dem Piektrum (Stäbchen)
gespielt wurde, und dessen EriinduDg dem alten
Kulturvolk der Assyrer zogeschrieben wird.
Spieler hören, und ihrer Kunstfertigkeit wird Er-
staunliches nachgerühmt. Es ist bekannt., dass-
sich auch schon die Komponisten und Virtuosen
der antiken Welt mit Tonmalerei und Programm-
musik befassten. Aber auch die Kritik regte sicb^
damals nicht minder wie heute, wenn die Musiker
die Darstellungsfähigkeit ihrer Kunst überschätzten
und ihren Instrumenten unmögliches zumuteten.
Als bei Alexander des Grossen Hochzeitsfeier zu
Ekbatana, der berühmte Kitharöde Timoteos in
einer Tondichtung zu Ehren des Festes auf seinem
anmutigen Saitenspiel einen Seesturm zu malen
unternommen hatte, meinte der witzige Flöten-
spieler Dorion, man könnte in siedenden Suppen-
töpfen weit gewaltigere Stürme erleben. Die
römische Knnstgescliichte rühmt jedoch jenem
Programmmusiker der alten Welt nach, dass er
mit „beredtem Finger die Saiten zu rühren und
— 217 —
gleichsam mit menschlicher Stimme ertönen za
lassen verstanden habe". Auch an symbolischen
Darstellungen versuchten sich die Tondichter der
Vorzeit mit Erfolg. Beliebt waren in Rom griechi-
sche Hochzeitsmnsiken für zwei Flöten, eine von
starkem, die andere von zartem Klang, die durch
ihr Zusammenspiel den Brautleuten die beglückende
Harmonie des häuslichen Priedens und den von
den Göttern gesetzten Vorrang des Mannes vor
<iem Weibe in Tönen versinnbildlichen sollten.
Wie die griechischen, so waren auch die römi-
schen Virtuosen nicht nor ausübende Musiker,
sondern auch Komponisten und meist auch Sänger
und Dichter ihrer Gesangstexte. Dass man in
Rom bereits öffentliche, konzertähnliche Musik-
aufführungen kannte, darauf lässt eine Stelle aus
-den Schriften des Apulejus schliessen, wo von
einer musikalischen Unterhaltung die Rede ist, bei
<der Zither- und FlÖtenspiel, Solo- und Chorgesang
programmähnlich mit einander wechselten, und
•die süssen Klänge gepriesen werden, die den Ohren
der versammelten Zuhörerschaft schmeichelten.
Die römischen Cresangskünstler unterwarfen
«ich einer streng geregelten, ja bisweilen zwang-
vollen Lebensweise, was zur Ausbildung und vor-
nehmlich Kräftigung ihres Stimmorgans noch mehr
wie heute geboten schien, in Anbetracht der un-
geheuer grossen, oben offenen Musikräume. Es gab
Theater, die 40000 Sitzplätze umfassten, ein Raum,
-der einen Aufwand von Lungenkraft und Dauer-
haftigkeit der Stimme erfordert, wie sie der heutigen
Sängerwelt nicht entfernt mehr zugemutet wird.
Von Nero, der sein grösstes Vergnügen darin
fand, sich als Sänger öffentlich hören zu lassen,
wird erzählt, er habe, um seine Stimme zu schonen,
niemals vor dem Heere selbst gesprochen, sondern
stets durch einen Vertreter zu seinen Soldaten
sprechen lassen, auch soll er dünne Bleiplatten auf
der Brust getragen haben, um den Wohlklang
«eines Singorgans zu erhalten. Ein eigens dazu
4uige8tellter Phonaseus-Singmeister musste ihm,
sobald er zu laut sprach, ein Schnupftuch vor den
Mund halten, um ihn zu ermahnen, dass er nicht
nur Kaiser, sondern auch Künstler sei. —
Die Gesangseleven, welche die Kunst als Be-
ruf ergriffen, hatten eine strenge Schule durchzu-
machen. Aber mit der vollendeten Ausbildung
begann das freie, frohe, ehrenreiche Wanderleben
des Künstlers. Grosse Virtuosen befanden sich fast
immer auf Reisen, denn die Römer kannten ebenso
wenig als die Griechen stehende Theater. Alle
Theateraufführungen fanden nur bei besonderen
Festen statt. Es gab solcher G^elegenheits Vorstellun-
gen allerdings so viele, dass nach den Berichten
zeitgenössischer Schriftsteller unter der Herrschaft
des musikenthusiastischen Nero kein Tag verging,
wo nicht bald an dem einen, bald an dem andern
Orte das Volk durch Schauspiele, musikalische
Wettkämpfe und ähnliche Vergnügen unterhalten
und ergötzt worden wäre. Hervorragende griechi-
sche Virtuosen machten damals regelmässig Rund-
reisen durch Kleinasien, Griechenland und Italien
und fanden auf ihren Kunstfahrten nicht selten so
begeisterte Bewunderung, dass ihnen manche Städte
Statuen setzten, das Bürgerrecht verliehen oder
andere glänzende Ehrungen und Auszeichnnngen
zu teil werden Hessen. Die Künstlerhonorare
waren in der Regel sehr hoch und überstiegen
noch um ein Erkleckliches den Auf wand der heutigen
Zeit. Der sonst so karge Kaiser Vespasian
Hess bei den Spielen, die er zur Einweihung des von
ihm wieder hergestellten Marzellustheater gab,
einige berühmte Virtuosen auftreten und belohnte
den ersten Tragöden mit 400000, die Kitharöden
Terpinus und Diodorus mit je 200000, andere mit
100000 und 40000 Sesterzen*) und liess überdies
noch eine grosse Anzahl goldener Kränze an her-
vorragende Musiker verteilen.
Selbstredend war auch der Musikunterricht in
der tonfrohen Oäsaienstadt recht einträglich.
Künstler fanden als Lehrer in den vornehmsten
Familien Zutritt. Es gehörte zu den geselligen
Talenten junger römischer Damen von Stande, zu
singen, Zither oder Nablion zu spielen.
Die hohen Honorare, welche berühmte Sänger
und Kitharöden in reichen Häusern für ihre maslk-
pädagogischen Bemühungen einstrichen, erregten
nicht selten Missgunst und Unwillen bei der
schlecht bezahlten Dichter- und Gelehi'tenwelt.
Martial schreibt von seinem Landaufenthalt nach
Rom: Er werde nicht eher wieder in die Haupt-
stadt zurückkehren, bis er Kitharöde geworden,
und rät voll bittern Spottes einem Freunde, der
seinem Sohne eine wissenschaftliche Bildung an-
gedeihen liess, ihn lieber zu enterben oder eine
Kunst lehren zu lassen, die Brot gebe, wie das
einträgliche Zither- und Flötenspiel.
Sänger und Spieler besassen stets Verehrer
und Verehrerinnen in Menge. Wie heutzutage
Autographen grosser Künstler gesanmielt werden,
so stellten die musikbegeisterten Damen Altroms
den Stäbchen nach, womit die kunstfertigen Hände
berühmter Kitharöden die Saiten gerührt, um sie
als kostbare Andenken aufzubewahren. Manche
brachten bei bevorstehenden Preisbewerbungen
musikalischer Wettkämpfe den Göttern Opfer dar
für den Erfolg der von ihnen bewunderten Künstler.
In den höchsten Kreisen bis hinauf zum Kaiser-
thron behaupteten die Virtuosen eine Ausnahme-
stellung, die oft mit Ehren und Auszeichnungen
verbunden war, welche die höchsten Erfolge unserer
Künstlerwelt noch bei weitem in Schatten stellen.
Den Kitharöden An exenor zeichnete seine Vater-
stadt durch die Verleihung eines hohen priester-
lichen Amtes aas, wozu ihm der Triumvir Mark
Anton die jährlichen Staatssteuer - Einkünfte
von 4 Städten überwies und ihm eine Truppen-
*) Kleine römische Silbermünze im Wert von
circa V4 Reichsmark.
— 218
abteilung als Ehrengarde beigab. Der verwöhnte
Liebling des Julins Cäsar, Sänger nnd FJöten Spieler
Tigelins Hermogenes, war an den Höfen der
Kleopatra nnd des Angnstns ein so vielvermögen-
der Günstling, dass ihm alles erlaubt schien nnd
nichts unerreichbar war, soweit die Gewährung in
der irdischen Macht seiner hohen Gönner lag. Neros
Hofkitharöde Menekrates wurde vom Kaiser
mit einem fürstlichen Palast und einem Landgut
beglückt. Dem Dichterkomponisten Mesomedes
aus Greta setzte Hadrian ein Jahresgehalt aus, das
sein Thronnachfolger im Staatsinteresse zu ver-
mindern für nötig fand. Nur dem Liebling des
Caligula, Theatersänger A pell es, wurde die kaiser-
liche Musikleidenschaft verhängnisvoll. £r hatte
auf die Präge des Tyrannen: ,fWer ihm grösser
erscheine, der Götter vater Jupiter oder der Welt-
beherrscher Roms?* — ehrenhafterweise geschwie-
gen, da die Antwort wohl schwerlich zur Zufrieden-
heit seines eiteln Herrn ausgefallen wäre. Caligula
liess ihn peitschen, um sich auch einmal an den
natürlichen Schmerzensäusserungen eines grossen
Künstlers zu erbauen, und die Stimme seines miss-
handelten Lieblings klang ihm noch im Wut- und
Jammergeschrei äusserst angenehm.
Das üebermass von Glück, Gunst und
schmeichelhafter Teilnahme, welche den Jüngern
Apollo's im allgemeinen zuteil ward, rief natürlich
auch die Kehrseite der Künstlerliebenswürdigkeit:
Künstlereitelkeit und Künstlerlaune hervor. Horaz
nennt Launenhaftigkeit das charakteristische Merk-
mal der Virtuosen. „Alle haben", sagt er, „die
unrühmliche Angewohnheit, unter Freunden sich
durch keine Bitten zum Singen oder Spielen be-
wegen zu lassen, 'aber unaufgefordert ihre Künste
zum besten zu geben, als ob sie nicht mehr auf-
hören wollten^S Li wie weit dies noch heute bei
Virtuosen und Dilettanten zutreffen mag, soll hier
nicht untersucht werden, aber schwerlich dürfte
das Bild in der heutigen Künstlerwelt seines-
gleichen finden, das Horaz von dem vorerwähnten
Günstling des Cäsar und Augustus entwirft: „In
nicbts blieb er sich gleich. Die Nächte durch-
wachte er, um die Tage verschlafen zu können.
Bald lief er wie von Furien verfolgt, bald zog er
seine Strasse langsam und majestätisch, gleich dem
Grosswürdentrager einer Prozession. Bald waren
200 Sklaven zu seiner Bedienung zu wenig, bald
10 zu viel. Bald deuchte ihm nichts in der Welt
gut genug, bald gefiel er sich in dem bescheidenen
Glück, nur ein notdürftiges Obdach, einen kleinen
dreifüssigen Tisch, ein Salzfass und eine warm-
haltende härene Toga zu besitzen, um zufrieden
zu sein. Erhielt er aber eine Million zum Geschenk^
wies er sie keineswegs von der Hand, in wenig
Tagen war jedoch nichts mehr davon In seiner
Kasse. Mit vollen Händen streute er den leicht-
er wQrbenen Heichtum ans und versammelte durch
seine übelangewandte Freigebigkeit einen Hofstaat
von schmarotzenden Taugenichtsen, Bettlern, Quack-
salbern, Tänzern und Strassenmnsikem, Gauklern
und Spassmachern um sich. Beliebte es ihn, nicht
zu singen, so konnte ihn keine Macht der Welt
dazu bewegen. Selbst den Kaiser Hess er dann
vergebens bitten. Fiel es ihm aber ein, sieb hören
zu lassen, so schmetterte er sein „Jo Bacchus'^ vom
ersten bis zum letzten Gange der Mahlzeit in allen
Tonarten."
Auch der Künstlemeid, der durch die musi-
kalischen Wettkämpfe stets reg^ erhalten wurde,
trieb seine hässliche Blüte im alten Kom. Er rief
unter anderm das Institut des bezahlten Beifalls,
die Claque, hervor. Dies mühelose Kunstgewerbe
war in der musiktollen Weltstadt eins der ein-
träglichsten Geschäfte. Selbst die berühmtesten
Künstler betraten nicht die Bübne, ohne vorher
den Anführern der Claque die beifallklatschenden
Hände versilbert oder vergoldet zu haben. Alle
zitterten vor dem Schicksal, im Pompejustheater,
dem grössten römischen Volkstheater, ausgezischt
zu werden, wo sich der Künstler vor einer viel-
tausendköpfigen Zuhörerschaft aus den höchsten
bis zu den untersten Ständen hören lassen mnsste,.
und wo mitAeusserungen desMissfallens keineswegs
gegeizt wurde.
(Schluss folgt)
V. @ef)epa|-^epsatt)n)lat)S
der musik-Sektion des Ullg. Deutscbeti Cebrerfttneii-Uereins-
UerMiia der DeMscben Itlasikiebreriiiiiei«
iu und 12. 3uMi xu Brene«.
(Schluss.)
Der nächste Punkt der Tagesordnung galt der
Beratung über das ,,Kartellverhältnis^^ mit dem
Musikpädagogischen Verbände. Frl. Sophie
Henkel legte die Vorgänge klar, die auf der Gen.-
Vers. des Musikpäd. Verbandes zur Lösung des im
Jahre vorher geschlossenen Kartells geführt hatten.
Sie verlas darauf ein offizielles Schreiben, das Prof.
Scharwenka nach der Gen.- Vers, an sie gerichtet
worin er sein Bedauern über die Vorgänge und die
Lösung aussprach und die Bitte daran knüpfte,
das Kartellverhältnis wieder zu schllessen. Der
Vorstand einigte sich zu der Antwort, dass er die
219 —
Entscheidung über die Erneaenmg des Kartells
der diesjährigen Gen.- Vers, vorlegen wolle. Frl.
Henkel schlag nun vor, nur unter der Bedingung
wieder in Verbindung zu treten, wenn eine beider-
seitige ganz bestimmte Geschäftsordnung aufge-
stellt wird, die die Funktionen der beiden Vor-
stände auf's genaueste regelt. Die Versammlung
stimmte dem Vorschlage zu, es wurde sofort eine
Kommission von 5 Damen mit Frl. Henkel an
der Spitze gewählt, welche mit der Ausarbeitung
der Geschäftsordnung betraut wurde.
Der weitere Verlauf der Tagung brachte die
Berichte der Kommissionen und lieferte den Be-
weis, dass voQ den Mitgliedern mit grosser Hin-
gabe und Opferfreudigkeit gearbeitet worden ist.
Es sprach zunächst Fr. Dr. Müller-Liebenwalde
über die „Schulgesangsfrage." Tatkräftige Mit-
hilfe haben derselben geliehen: Frl. Helene
Nöring-Königsberg durch Aufstellung eines
aus praktischen Erfahrungen erwachsenen „Lehr-
planes für den Gesangunterricht einer 9 klassigen
höheren Mädchenschule", Fr. Dr. Walther-Darm-
Btadt mit dem „Entwurf eines Lehrplanes für den
Gesangunterricht an Volksschulen*^ Frl. Elsbeth
Kausch-Berlin mit einem „Lehrplan für das
Gesanglehrererinnen-Seminar", Frau Heia Holt-
freter-Berlin mit zwei Arbeiten: „Lehrgang der
Tonbildung zur Ausbildung von Fachlehrerinnen
im Schulgesangs - Seminar" und „Lehrgang der
Deklamation für den Unterricht im Schulgesangs-
Seminar". Frl. Luise Müller-Darmstadt reichte
einen „Lehrplan zur Ausbildung von Fachlehre-
rinnen im Schulgesangs-Seminar*' ein; es schlössen
sich noch an die beiden von der Berichterstatte-
rin verfassten Arbeiten: 1. „Ratschläge für den
Gesangunterricht an höheren Mädchenschulen und
Materialien zur Aufstellung von diesbezüglichen
Lehrplänen", 2. „Fortbildungskurse für Gesang-
lehrerinnen an Mädchenschulen und an Lehrerinnen-
Seminarien." Alle die vorgenannten Arbeiten
wurden durch das opferfreudige Entgegenkommen
des Verlages unseres Vereins- Organes „Der Klavier-
Lehrer*' in den Beiheften „Musikpädagogische
Reformen" in grossen Auflagen zum Abdruck ge-
bracht und dadurch den weitesten interessierten
Kreisen zugänglich. Ungedrackt, aber für späteren
Druck in Aussicht genommen sind noch die vor-
liegenden Arbeiten von den Damen Frl. Nöring
und Skrodzki-Königsberg über die Ausge-
staltung der Stätten zur Ausbildung der Schulge-
sangslehre rinnen", Frl Marie Kunkel-Berlin
„Skizze ans meinem Lehrgang für den Gesang-
unterricht der höheren Mädchenschule** und einige
„Meinungsäusserungen*' zu den veröffentlichten
Arbeiten. Die Referentiu erwähnt eines im
Druck vorliegenden Werkes von Frl. Wadsack-
Darm Stadt „Lehrgang eines human-erziehlichen
Schulgesangunterrichts, das auf Lina Ramann-
schen Grundsätzen fussend, schon darum hohe
Beachtung verdient, weil es eine der ersten Er-
scheinungen in der Schu^gesangsllteratur aus weib-
licher Feder ist.
Den kurzen sachlichen Besprechungen der
wertvollen Arbeiten fügte die Referentin folgende
beherzigenswerte Worte hinzu: „Die Betätigung
der Frau auf dem Gebiete des öffentlichen Schul-
gesangswesens ist erst neueren Datums. Noch hat
der Mann in jahrhundertealter Kultur die Vor-
arbeit geleistet, er hat den Boden bereitet, wir
danken ihm das Rüstzeng des Geistes, aliein wie
überall bei der Mädchen erziehung die Berück-
sichtigung der weiblichen Eigenart nicht entbehrt
werden kann, so fehlte seither ganz besonders in
der Leitung der Singstimme im Kindes- und
Jugendalter das vorbildliche Wirken der geschulten
Frauenstimme. Merkwürdigerweise ist sich die
Frau ihrer eigentlichen selbstverständlichen Auf-
gabe in der Erziehung auf diesem Gebiete erst
sehr spät bewusst geworden, und deshalb muss sie
jetzt nicht nur eifrig bestrebt sein, sich für diesen
Beruf in jeder Hinsicht eingehend zu bilden,
sondern sie muss auch den Beweis erbringen,
dass sie befähigt ist, den Gesangunterricht
an den Mädchenschulen auf eine b5here
Stofe EQ heben, als er bisher ifar, damit die
Schulbehörden Einsicht und Vertrauen
gewinnen, um die Anstellung der Frau als
Gesanglehrerin an allen weiblichen Lehr-
instituten künftig zu befürworten und zu
fördern, anstatt, wie es bisher war, sie nur ver-
einzelt zuzulassen. Um dieses Ziel zu erreichen,
bedarf es ernster gemeinsamer Arbeit, die an das
vorher besprochene Material anknüpfen möge. Es
gilt mustergiltige, durchführbare Lehr^
plane zu beraten, Fortbildungskurse zu
^organisieren und an der Einrichtung von
Seminaren mittätig zu sein. Vereinigen wir nns
zu bestimmten Gruppen, bei deren. Zusammen-
setzung nur die Erwägung gelten möge, wo jede
ihren Platz am besten ausfülle, um zu dem (ge-
deihen des Ganzen beizutragen.
Wenn wir uns so in den Dienst der Sache
stellen, dann erfahren wir für uns selber wohl
auch einen bleibenden Gewinn nach dem Worte
von Helmholtz:
„Nur die Arbeit, und zwar die uneigennützige
Arbeit für ein ideales Ziel gibt dauernde Befrie-
digung."
Der von der Referentin gestellte Antrag,
zur Lösung der Schulgesangsfrage baldmöglichst
eine Petition an das Kultusministerium, sowie
an Reichstag und Abgeordnetenhaus einzureichen,
fand volle Zustinmiung, es soll an die Verwirk-
lichung herangetreten werden, sobald die vorbe-
reitenden Arbeiten zum Abschluss gelangt sind.
Ein längeres eingehendes Referat hatte Frl. Olga
Stieglitz, die Vorsitzende der ,, Kommission zur Re-
gelung der Honorarfrage und der Propagandazur Ver-
breitung der Ideen unserer Sektion** eingereicht;
es wurde, da - sie selbst am Kommen verhindert
220
war, durch Frl. Morsch-Berlin verlesen. Der
Gedanke der Begelnng der Honorarfrage
durch gedruckte Unterrichtsbedingungen, Monats-
preise, Kündigungsfrist etc. ist seit der 1901 be-
gonnenen Propaganda bereits derart durchge-
drungen und zum Allgemeingut geworden, dass es
kaum noch einer besonderen Kommissionsarbeit
dafür bedarf. Fast sämtliche Gruppen haben die
Bedingungen acceptiert, viele ausserhalb unserer
Musik-Sektion stehende Vereine von Musiklehrem
und Lehrerinnen haben sich den Bestrebungen an-
geschlossen und gleichfalls gedruckte Formulare
für ihre Mitglieder entworfen. So ist anzunehmen,
dass — die stete Aufmerksamkeit der Gruppen-
vorstände vorausgesetzt — sie sich in stiller Weise
langsam aber sicher weiterentwickeln wird.
Weniger günstiges berichtete das Beferat über
die auf der Dresdener General- Versammlung be-
schlossene Erweiterung der Honorarfrage,
„die Begulierung der Geschäftsbeziehungen
zwischen Konservatoriumsleitem und den von
ihnen angestellten Lehrerinnen der Elementar- und
Mittelklassen^S Die begonnene Statistik fand so
wenig Unterstützung, dass das Vorhaben inner-
halb unserer Sektion fallen gelassen werden
musste.
Der Bericht über die Propaganda ergab ein
Bild eifrigster Tätigkeit und hocherfreulicher Be-
Bultate. Nachdem Frl. Stieglitz die Entstehung
des Propaganda-Gedankens, den Organisationsplan,
der ein Netz über ganz Deutschland spannt, die
Einsetzung kleiner Kommissionen seitens der
Gruppenvorstände, geschildert hatte, konnte sie als
Resultat die Gründung von 15 neuen O.tsgruppen
verkünden, die der Sektion annähernd 400 neue
Mitglieder zugeführt haben. Wenn trotz dieser
vorzüglichen Erfolge eine Aenderung der bis-
herigen Organisation beschlossen wurde, so ist die
Besorgnis nicht äuszuschliessen, ob nicht manches
dadurch gestöit, zum wenigsten gehemmt wird. —
Die beiden Kommissionen, welche sich mit der
y Musikalischen Vorbildung auf dem wissenschaft-
lichen Seminar** und mit der „Sichtung des Unter-
richtsmaterials für die 4 ersten Unterrichtsjahre''
beschäftigten, haben ihre Arbeiten noch hicht zum
Abschluss gebracht und beantragten beiderseits
Fortführung des JBegonnenen und teilweise Ver-
änderung des Arbeitsmodus. Auch hier ist mit
grossem Fleiss und Hingabe gearbeitet worden.
Besonders steht die Kommission für die Sichtung
des Unterrichtsmaterials vor einer ausserordentlich
schwierigen Aufgabe, die viel Zeit und Ausdauer
erfordert. Der Bericht, den Frl. Anna Hesse-
Erfurt an Stelle des verhinderten Frl. Alice
Küster vorlas, besagte u. A., dass von den Mit-
arbeiterinnen allein 82 Klavierschulen, 97 Werke
technischer Studien, 340 Etüdenwerke und 512 Vor-
tragsstücke durchgesehen und geprüft worden sind.
Frl. Küster beantragt zur Fortführung der Arbeit
folgenden Modus: Sie wendet sich an die Gruppen-
vorstände und erbittet ihre Mitarbeit. Die Mit-
glieder werden um Aufstellung des von ihnen er-
probten Unterrichtsmaterials gebeten, zu welchem
Zweck sie ihnen Verzeichnisse zum Ausfüllen über-
nütteln will und sie übernimmt später die Durch-
sicht und Zusammenstellung des Materials. Ihrem
Antrage wurde zugestimmt. —
In die Kommission zur „Musikalischen Vor-
bildung auf dem Seminar** wurden, da Frl. Anna
Hesse, die den Vorsitz bisher geführt und nm
Entlastung bat, folgende Damen gewählt: Fr. Dr.
Walther-Darmstadt, als Vorsitzende und die
Damen Frl. Streb-Darmstadt und Frl. Höpken-
Bremen als Mitarbeiterinnen.
Ueber ,,Die Fürsorge für das Alter' berichtete
Frl. Anna Morsch. Sie hat ihre Arbeit mit einer
statistischen Enquete begonnen und Fragebogen
versandt, um Aufschluss zu erhalten, ob und in
welcher Weise die Mitglieder Sorge für ihr Alter
getragen. Ein übersichtliches Bild ergab die
Statistik nicht. Von 1000 ausgesandten Fragebogen
kamen nur ca. 300 zurück, aber schon diese Hesaen
erkennen, wie wenig im allgemeinen die Kolleginnen
an ihr Alter denken, wie unzureichend in Ver-
sicherungsfällen die Renten sind. Durch den An-
schluss au den AUg. D. Wohlfahrtsverband und
der durch ihn bewirkten Sparrentenversiche-
rung (Abt. II. der Allg. D. Pensionsanstalt für
Lehrerinnen und Erzieherinnen) erhofft die Refe-
rentin eine grössere Beteiligung der Musiklehre-
rinnen, umsomehr, wenn es der Sektion gelingt,
die PensionszuschusskassA, die bereits ge-
gründet ist, so kräftig auszugestalten, dass sie den
Versicherten Beihilfen zu den Prämien gewährt.
Als Grundstock zu dieser Kasse ist die Nutzbar-
machung des Paragraphen des Beichsinvaliden-
gesetzes gedacht, der die Eltern unserer Schüler
verpflichtet, die Half te des Markengeldes zu zahlen.
Die schwere Durchführung des Gesetzes für die Privat-
lehrerin ist durch Auf nähme eines kurzen Paragraphen
in unseren Unterrichtsbedingungen gehoben: «Von
jedem Schüler, resp. dessen Eltern wird jährlich
einmal eine Mark zur Ablösung ihrer Verpflich-
tungen erhoben und die Lehrerin liefert die Ueber-
Schüsse in eine von jeder Gruppe zu verwaltende
Kasse". Frl. Morsch konnte zu ihrer Freude be-
richten, dass fünf unserer Ortsgruppen den Modus
eingeführt und bereits UeberschÜsse abgeliefert
haben. Weitere Gruppen werden sich demnächst
dem Vorgehen anschliessen. Es ist jetzt aber die
Aufgabe, dass von Seiten unserer Gruppenvorstände
mit voller Energie für die Einführung des ange-
deuteten Paragraphen und die Stärkung der Kasse
gewirkt wird; es gilt einem gemeinnützigen Unter-
nehmen, in welchem der Geist der Einmütigkeit,
der dem Grundgedanken unserer Vereinigung ent-
spricht, in schönster Weise zum Ausdruck ge-
langen kann.
Unter den verschiedenen Anträgen, die meist
interne Fragen behandelten und sich rasch erledigten.
— 221
war die Aufstellong eines Verbandsthemas von
Wichtigkeit Die früher zweimal im Jahr von den
Gruppen gestellten Aufgaben, die der freiwilligen
Mitarbeit überlassen blieben, hatten sich überlebt
and fanden fast gar keine Beteiligung mehr; —
durch das Verbandsthema, das alle Gruppen zur
Mitarbeit heranzieht und dessen Modus nach dem
im Allg. D. L.-V. üblichen eingerichtet werden
6oli, hofft der Vorstand diesem Arbeitszweige neues
Leben einzuhauchen. — Beschlossen wurde noch, eine
Vertretung zum nächsten Kunsterziehungs-
tage nach Hamburg zu entsenden. Gewählt
wurde Frau Grumbach, die Vorsitzende der
Hamburger Gruppe, und JFrau Dr. Müller-
Lieben w aide- Berlin.
Zu berichten ist noch die Beschlnssfassung,
dem Titel „Musik-Sektion des Allg. D. L.-V.'', der
öfter zu Missverständnissen Veranlassung gegeben
hat, den Untertitel „Verband der deutschen
Musiklehrerinnen'' hinzuzufügeu, ferner dass der
Oesamtvorstand wiedergewählt wurde.
Zum erstenmal hatte die Musik-Sektion auf
einer Generalversammlung neben ihren geschäft-
lichen Sitzungen Eaum für einen öffentlichen Vor-
tragsabend erhalten. £s sprachen am Pfingstmon-
tag vor gut besuchter Versammlung Frl. Hui da
Schultze-Bonn über das Thema : „Welche ideellen
Vorteile sind von der Reform des Schulgesanges
iür Lernende und Lehrende zu erwarten?" und
Frl. Maria Leo- Berlin über: „Die Stellung des
Musikunterrichts im allgemeinen Erziehungsplan,
Hückblicke und Ausblicke.'* — Beide Vorträge er-
rangen lebhaften Beifall, der Vorstand hofft sie
dem Druck übergeben zu können, damit sie zu
allgemeiner Kenntnis der Mitglieder kommen.
Der ernsten Arbeit der Sitzungen gesellten sich
die Stunden der Erholung und des frohen Zu-
sammenseins. Mit einer nicht hoch genug zu
rühmenden gastlichen Sorge hatte sich die B remer
Musikgruppe und ihre liebenswürdige Vorsitzende,
Frl. Gertrud Höpken, um das Wohl und das
Behagen der Kolleginnen bemüht. Das prägte sich
schon in der Sorge um die Wohnungen aus. Zum
Abend des Pfingstmontag waren Einladungen zu
einem festlichen Zusammensein in den schönen
Bäumen des Künstlerhauses ergangen, wo den
zahlreich erschienenen Gästen neben einem er-
lesenen Souper ein kleines musikalisches Festspiel
geboten wurde, das in 5 Bildern die Entwicklungs-
epochen der Musik markierte, mit Orpheus und
Arion beginnend und zum Zukunftstraum im Jahre
2000 führend, wo die Musik nur noch durch Elek-
trizität erzeugt wird. Das Ganze, in mimischer
Darstellung mit Gesang und Klavierbegleitung und
in den reizendsten Kostümen ausgeführt, war von
einem so feinen, vornehmen, köstlichen Humor ge-
tragen, dass es auf stürmischen Wunsch wiederholt
werden musstr. Am Dienstag Abend fand das
grosse offizielle Festessen mit den Mitgliedern des
Allg. D. L.-V. statt, an dem die Senatoren Bremens
teilnahmen. Zum Mittwoch, als Ausklang der Tage,
hatte der Norddeutsche Lloyd eine Einladung
erlassen und führte seine Gäste auf einem Lloyd-
dampfer nach Bremerhaven und darüber hinaus.
Der Schnelldampfer „Kaiser Wilhelm der Grosse"
wurde besichtigt, nachmittags 5 Uhr fand ein ge-
meinsames Mittagessen in der Lloydhalle statt.
So klangen die arbeitsreichen Bremer Tage im frohen
Zusammensein und von der Hoffnung auf weiteres
erspriessliches Zusammenwirken beseelt, in harmo-
nischem Vollklang aus.
Anna Marsch*
Die BerliNtr Singakaaenie avf Reisen.
Es dürfte wohl das erste Mal sein, dass sich
ein grosser gemischter Chor mit seinem ihn stets
begleitenden Orchester auf eine Kunstreise zu einer
verhältnismässig weit entlegenen Stadt begibt.
Und doch wäre die von Professor Georg Schu-
mann, dem Direktor der „Berliner Singakademie'',
in die Wirklichkeit umgesetzte Idee, in Eisen ach
drei Bach-Konzerte zu Gunsten der Erwerbung
von Bach's Geburtshaus zu veranstalten, mit
verändertem Zwecke wirklich der Nachahmung,
oder vielmehr der Wiederholung in höchstem
Masse wert. Wenn neuerdings der Plan auftaucht,
in Weimar eine „Nation albühne für die deutsche
Jugend" zu errichten, so könnte man einmal auch
an dieser Stelle jährlich wiederkehrender Chorauf-
führungen in einer mitteldeutschen Stadt durch
die Berliner Singakademie ernstlich das Wort reden.
Dazu wäre denn Eisenach wegen seiner geschicht-
lichen Bedeutung und seiner seltenen Naturreize
wie geschaffen. Ich denke dabei zunächst an Dar-
bietungen von nur Bach*schen Werken, wie es ja
auch dieses Jahr am 2B. und 27. Mai in so aus-
gezeichneter Weise geschehen ist. Vielleicht Hessen
sich die Konzerte in die Zeit der Pfingstferien ver-
legen, da dann die vielen mitwirkenden Lehrer
ungehindert abkommen können. In der alten und
akustisch vorzüglichen St. Georgenkirche hätte man
eine würdige Stätte gefunden, worin Baches
Kirchenmusik zum tönenden Leben gebracht
werden könnte. Der neuerdings immer mehr auf-
tauchenden Forderung, die Kunstwerke nur an den
Stätten aufzuführen, für die sie bestimmt sind, käme
man so auch in schöner Weise entgegen. Die Neue
Bachgesellschaft aber könnte hier wiiklich eine
kulturelle Frage von grosser Bedeutung zur Lösung
bringen: Eisenach würde eine reiche Quelle der
Erbauung, Anregung und — Belehrung für viele,
namentlich aber für die Dirigenten!
Gustav Beckmann*
— 222 —
Mitteilungen
von Hochsohulen und Konservatorien.
In das Stern^sche Konservatorium (Direktor
Professor Gustav Hollaender) werden mit Be-
ginn des neuen Schu]jahre8 Professor James
Kwast, bisher am Klindworth-Scharwenka- Kon-
servatorium, sowie dessen Gattin. Frau Frieda
Kwast-Hodapp, Grossherzoglich hessische
Kammervirtuosin, als Lehrkräfte für die Klavier-
Ausbildungsklasse eintreten. Ausserdem ist Herr
Theodor Bohl mann (ein Schüler Karl Klind-
worth's), der seit 10 Jahren am Konservatorium in
Cincinnati als Pianist und Lehrer wirkt, als Lehrer
gewonnen. An Stelle des Violin- Virtuosen Issay
Barmas übernimmt Alfred Wittenberg eine
Violin-Ausbildungsklasse, desgleichen der I.Konzert-
meister der Komischen Oper, Prof. Fritz Aranyi,
welcher in Budapest als Konzertmeisterider dortigen
Oper und Professor des dortigen Konservatoriums
tätig war. Die Schauspielschule des Deutschen
Theaters (Direktor Max Reinhardt) wird mit
der des Stern*schen Konservatoriums vereinigt.
üeber ein Konservatorium der Musik in
Tokio wird berichtet: Prinz Karl Anton von
Hohenzollern, der vor seiner Abreise zum
Kriegsschauplatz dem Kaiser von Japan einen Be-
sach abstattete, ist ein Freund guter Musik.
Schon vor seiner Abreise zur Front hatte er das
Konservatorium für Musik in Tokio besucht und
sich von den Leistungen der unter deutscher
Leitung stehenden Schule überzeugt. Ans An-
lass eines zweiten Besuches am 3. Mai wurde von
Lehrern und Schülern des Konservatoriunis ein
Extrakonzert veranstaltet, zudem auch die Deutschen
Tokio^s Einladungen erhielten. Professor August
Junker, ein Kölner, der nach Amerika ging und
von dort nach Japan kam, ist seit 5 Jahren der
Leiter des Konservatoriums. Er fand e'n Institut
vor, das deutsche Lehrkräfte, besonders Professor
Dittrich, schon zu ansehnlicher Entwicklung ge-
bracht hatten. Junker hat das Konservatorium
dann durch sein Organisations- und Direktions-
talent, sowie dank seinen vielseitigen Kennlaiissen
als ausübender Musiker sehr gefördert. Musikalisch
gebildete Männer, wie der Philosophie- Professor
Dr. V. Kö her, derselbe, der Schwegler's „Geschichte
der Philosophie^^ seiner 2jeit in München neu be-
arbeitete, H. Heydrich, eine Gesangslehrerin und
eine Anzahl in Deutschland ausgebildeter japa-
nischer Künstler wie die beiden Geschwister Koda
stehen ihm hilfreich zur Seite. Was der Chor und
das Orchester des Konservatoriums schon leisten
können, ersieht man am besten aus folgendem
Programm, das dem Prinzen-Konzert zu Grande ge-
legt war: Chöre: „Adoramus'' von Palestrina;
„Heimweh" von Jork (beide a cappella); Orchester:
„Suite Arl^sienne" von Bizet; Violin-Solo: Bomanze
von Wieniawski, „Perpetuum mobile" von Ries.
Eine der Damen Koda wirkte als Violinistin mit.
die andere sass am Klavier. Femer hörten wir
die Arie: „Ihr, die Ihr Triebe" von Mozart von
Frau Fujii. In Mendels söhn 's Klavierkonzert
mit Orchesterbegleitung spielte Dr. v. Köber den
Klavierpart. Den Schluss bildete Wagners
„Kaiser- Marsch" mit Chor und Orchester, unter
Textunterlage eines modernen japanischen Sieges-
hymnus. Das Programm wurde zur höchsten Zu-
friedenheit des Publikums absolviert. Während
man, was die Technik des Spiels anlangt, an die
Japaner hohe Anforderungen stellen darf, genügen
ihr Gesang und der künstlerische Vortrag noch
nicht deutschen Ansprüchen.
Vermischte Nachrichten.
Direktor Conried hat mit der Gesellschaft
der Metropolitan-Opera Wagner* s „Parsifal* in
zwei Jahren 130 mal in New-York und andern
Städten der Vereinigten Staaten aufgeführt. Die
Operntroppe von Henry Savage, die ebenfalls
Nord-Amerika mit dem „Parsifal" bereist, hat im
ganzen 224 Vorstellungen veranstaltet.
Therese Malten, die gefeierte Dresdener
Wagner-Sängerin, feierte am 21. Juni ihren fünf-
zigsten Geburtstag. 1855 zu Insterburg in Ost-
preussen als Tochter eines höheren Militärbeamten
namens Müller geboren, verlebte sie ihre Kinder-
jahre in Danzig, wohin ihr Vater bald nach ihrer
Geburt versetzt wurde. Es wird ei zählt, dass
sie bereits mit vier Jahren Arien und Lieder
nachgesungen, die sie von ihrer Mutter ge-
hört, einer stimmbegabten Dame, die, ohne je
Gesangsunterricht gehabt zu haben, häufig in
Konzerten mit Erfolg auftrat. Dann siedelten ihre
Eltern nach Berlin über, und auf Anraten des
seiner Zeit viel gefeierten Mitgliedes der Berliner
Hofoper, des Herrn Woworsky, der sie zufällig
in einer Gesellschaft kennen lernte, nahm sie
Unterricht bei dem Professor an der Hochschule
Gustav Engel, sowie dramatischen Unterricht
beim Hofschauspieler Kahle. Anfang Juni 1873
betrat die junge Künstlerin zum erstenmale am
Dresdener Hoftheater die weltbedeutenden Bretter
mit solchem Erfolge, dass sie sofort engagiert
wurde, und zwar für das eiste Rollenfach, das sie
seitdem in immer weiterem Umfange beherrschte.
Senta, Elisabeth, Eva, Elsa, Isolde, Pidelio,
Armide etc. sind von ihr dargestellt worden: 1882
kreierte sie in Baireuth die Kundry im „ Parsifal*^
223 —
mit ausserordentlichem Erfolge. ,Sie sind mir za
einem schönen Gewinnst geworden, and vieles er-
hoffe ich mir noch von Ihrer Mitwirknng bei allen
meinen ferneren Unternehmangea**, so schrieb
Richard Wagner im Oktober 1882 in einem
längeren Briefe an die Künstlerin. Mit einem
Jnbel, welcher selbst in Dresden selten ist, hat
man im Jahre 1898 das fünfandzwanzigj ährige
Jabiläam der Künstlerin gefeiert. Seit einigen
Jahren ist Therese Malten, die in Zschachwitz bei
Dresdtsn eine schöne Besitzung hat, Ehren-Mitglied
der Dresdener Hofbähne.
Das weltliche Oratorium „Von den Tages-
zeiten'' von Professor Eriedrich E. Koch,
welches im November voiigen Jahres in Aachen
unter Professor Schwickeraht's Leitung einen
durchschlagenden Erfolg erzielte, ist bereits für die
nächste Saison von den Konzertgesellschaften in
Köln, Essen, Barmen, Görlitz, Lübeck. Insterburg,
Harlem etc. zar Aufführung angenommen.
Dem Chordirigenten und Musiklehrer
königl. Musikdirektor Heinrich Witte zu
Essen ist der Titel als „Professor" verliehen
worden.
Der bekannte Literarhistoriker Prof. Dr.
Adolf Stern in Dresden, seit mehr als 30
Jahren Lehrer an der kgl. Technischen Hoch-
schule In Dresden, in früheren Jahren lange Zeit
eifriges Vorstandsmitglied des „Allgemeinen Deut-
schen Musikvereins,^* feierte am 14. Juni seinen
70. Geburtstag.
In der Hauptversammlung des „Allgemeinen
deutschen Musikvereins'* in Graz am 3. Juni
führte in Vertretung des ersten Vorstandes, Dr.
Richard Strauss, Professor Max Schillings den
Vorsitz. Aus dem Bericht über die Mitgliederbe-
wegung war zu ersehen, dass im Vorjahre bei der
Hauptversammlung in Frankfurt a. M. der Verein
930 Mitglieder zählte, die sich bis heute auf 961
erhöht hat. Die von Musikdirektor Wirkner aus
Essen überbrachte Einladung des Oberbürger-
meisters dieser Stadt, Essen als nächsten Festort
zu bestimmen, wurde mit grossem Beifall ange-
nommen. Darauf erstattete Schatzmeister Bassow
den Kassenbericht, der zar Kenntnis genommen
und genehmigt wurde. Danach betrug das Ver-
einsvermögen 46 195,81 Mk. gegen 41 554,35 Mk.
im Vorjahre, der Vermögensbestand der Beet-
hovenstiftung belief sich auf 24344,60 Mk., der
der Mansouroff Stiftung 32334,60 Mk. und der
der Lisztstiftung 104 046,61 Mk. Bei der da-
nach folgenden Wahl des Vorstandes wurde über
den Antrag des Dr. Weigand aus München mit
Stimmzettel angenommen. Das Ergebnis war:
Hichard Strauss (1. Vors.), Max Schillings
(2. Vors.), Friedrich Rösch (Schriftf.), Rassow
(Schatzm.), Felix Mottl, Dr. Hans Sommer
und Siegmund v. Hausegger in den Vorstand
und in den Masikausschuss Wolfrum, Humper-
dinck, Dr. Obrist, Max Heger und Hans
Pf it zu er. Der Antrag, die „Neue Zeitschrift für
Musik" als ofüzielles Vereinsorgan anzuerkennen,
wurde abgelehnt. Der Beschluss bezüglich der
sozialen Lage der deutschen Orchestermusiker, den
Dr. Paul Marsop vorlas, wurde mit grossem Bei-
fall aufgenommen. Die sich anschliessende Musik-
aufführang bei verdecktem Orchester fand das un-
eingeschränkte Lob der Versammelten.
In Pöchlarn, einem niederösterreichischen
Städtchen am rechten Ufer der Donau, ist ein
Denkmal geplant, das an die alte Nibelungensage
erinnern soll. Als Platz für das Denkmal in Pöch-
larn, dem „Bechelaren" des Nibelungenliedes, wurde
die sogenannte Stegau gewählt, am Donauufer,
wo nach der Sage der Nibelungenzug auf der Fahrt
zum König Etzel den Fiuss überschritt. Felsige
Stufen führen zum Ufer zu der Stelle, wo das
Denkmal gedacht ist, mit der überlebe nsgrossen
Hauptfigur des Markgrafen Rüdiger von Beche-
laren, über zwanzig Meter hoch, weit von der
Donau aus sichtbar. Am Sockel wird eine Anzahl
von Gruppen angebrecht werden: der Empfang-
der Nibelungen darch Rüdiger und seine Familie
die Vermählung Siegfrled'ö, Siegfried*s Tod u. s. w.
Direkt anschliessend an dieses Monument will der
Schöpfer des Denkmals, Wilhelm Seibt, auch
das Volksfestspielhaus aufbauen.
Rosa von Milde, geb. Agthe, die Elsa bei
der Uraufführung des „Lohengrin" in Weimar,
konnte am 9. Jon! in verhältnismässiger Rüstig-
keit die 60. Wiederkehr des Tages, an dem sie als
Amine in der „Nachtwandlerin*^ im Hoftheater zu
Weimar erstmals die Bühne betrat, feiern. Die
greise Künstlerin gehörte der grossherzoglichen
Hofbühne bis zum Jahre 1867 an; später wurde
sie zum Ehrenmitgliede dieses Theaters ernannt.
Die ehemalige Hofopernsängerin des Berliner
Kgl. Opernhauses Frau Mila Kupfer-Berger
ist am 12. Mai in Neu waldegg bei Wien, 58
Jahre alt, einem Schlaganfall erlegen. Fr. Kupfer-
Berger begann ihre Laufbahn in Linz im Jahre
1871 als „Margarete*\ Bald nachher erhielt sie
einen Ruf an die Berliner Hofoper. Nach vier-
jährigem Wirken wurde sie nach einem von glän-
zendem Erfolg begleiteten Gastspiel in Wien für
das dortige Hofoperntheater verpüichtet. Bis zum
Jahre 18S5 war die geschätzte Säugerin in Wien
tätig, und ihre prächtigen Leistungen als Elsa,
i*'enta, Aida und Elisabeth machten sie bald zum
Liebling des Publikums. Später widmete sie sich
der italienischen Oper, und auf ihren Reisen in
Europa und Amerika erntete sie reichen Lorbeer.
In den letzten Jahren hatte die Künstlerin in
Wien als Gesangslehrerin ihren Wohnsitz ge-
nommen.
Am 8. Mai starb in Florenz, 78 Jahre alt,
Frau Jessie Hillebrand, geb. Taylor, die Witwe
des 1884 verstorbenen Kulturhistorikers Karl Hille-
brand, eine hervorragende musikalische Mäcenin.
Als Frau Jessie Laussot trat die Verstorbene in
— 224 —
intim freandscbaftlichen Verkehr mit Liszt and
Bülow. Als sie nach der Trennung von ihrem
«rsten Gatten nach Florenz übersiedelte, gründete
and leitete sie dort als vortreffliche Klavier-
spielerin einen Inf nsik verein ,Societä Cherubini'S
und war bemüht, deutsche Masik za pflegen und
den künstlerischen Geschmack in der Amostadt zu
heben. Zahllose deutsche Künstler, die Florenz
besuchten, fanden in ihrem Hause gastliche Auf-
nahme. Bülow schätzte die „vortreffliche Frau
und virtuose Freundin* besonders hoch.
Generalintendant Ernst v. Possart in
München hat sein Entlassungsgesuch dem Prinz-
regenten eingereicht und die Genehmigung des
JRücktrittes erhalten. Bei den grossen Verdiensten
Possart' s — es darf nur an die mustergiltigeii
Wagner- und Mozart -Aufführungen im Prinz-
regententheater erinnert werden — erregt sein
Hücktritt berechtigtes Aufsehen.
Erkl&rung.
Im Interesse des Herrn Ludwig Riemann
und um Irrtümer zu vermeiden, halte ich es für
meine kollegiale Pflicht, zu erkl&ren, dasssich der
Ausdruck ^^Bordelllied^ in meiner Erwiderung
(Vergl. „Klavierlehrer* vom 1. Juni) nicht auf das
Wort ~ dieses war einwandfrei — , sondern auf
die Weise bezog.
Gustav Beckmann.
Bücher und Musikallen.
Ladrlg Schytte, op. 3, No. 2. Impromptu für
Pianoforte.
Wilhelm HanieDy KopenbAfeB mrnd Leipsiff.
Ludvig Schytte's As-dur-Impromptu aus op. 3
ist eine treffliche Studie für Doppelgriffe der rechten
Hand in Chopin'scher Weise und ein überaas wohl-
klingendes, anziehendes kleines Musikstück zu-
gleich, das ich nicht umhin kann, es allen guten
Pianisten und denen, die es werden wollen, auch
in der vorliegenden Neuausgabe zu Studium und
Vortrag als höchst förderlich und wirksam ange-
legentlich zu empfehlen.
Anton Dvorak: Walzer für Klavier zu zwei Händen.
Fr. A« Crbiaek» Prag.
Die fünf Walzer Anton Dvofäks zu veröffent-
lichen war gewiss kein unbedingtes Gebot, um
80 weniger, da sie von der Wesenseigentümlich-
keit des bedeutenden böhmischen Meisters so gut
wie gar nichts verspüren lassen und sich auch
sonst nach keiner Seite hin durch Geist oder be-
stechende melodische Züge hervortun.
Dirk Schäfer: 4 kleine Klavierstücke.
SSddevtaclier HnalkTerUf, Strastbarv 1. E.
Vier sehr hübsche, melodisch reizende, in der
Form höchst geschmackvolle Klavier Sachen, die
sicherlich grossen und kleinen Leuten viel Freude
und Anregung geben werden. Im „Pastorale air
antico'' herrscht eine still beschauliche, freundliche
Stimmung, das „Menuett*^ verbindet feine Klang-
wirkung mit gut getroffenen Gegensätzen in Haapt-
und Nebenteilen, der „Chant m^lancoliqae^* ist wirk-
lich einer, auch wenn er nur einen einzigen, acht
Takte ausfüllenden Gedanken bietet, der „Walzer^*
endlich ist von liebenswürdiger, heiterer Grazie
erfüllt und hat nach harmonischer Seite hin gar
Mancherlei aufzuweisen. Dirk Schäfer's Stücke
erfreuen nicht allein, sondern werden auch zur
Belebung des musikalischen Sinnes und Vortrags-
gefühls ungemein viel beitragen. Man spiele sie
fleissig.
Peterson-Berger: Lyrisches Album für Pianoforte.
▲br. Iila44BUt» Stoekholm.
Den Inhalt von Peterson-Berger'a Lyrischem
Album bilden sechs zweihändige Klavierstücke. Sie
sind leicht spielbar, von angenehmer Klangwirkung
und, obwohl dem ausgesprochenen Salongenre an-
gehörend, von sehr anständiger und annehmbarer
Art. Sie mögen Beachtung finden, nmsomehr, als
sie recht geeignet erscheinen, den Tonsinn zu be-
leben und dem Darstellungsvermögen als brauch-
bares Material zu dienen.
Eduard Borregaard: „Adoration*. Quasi una Fan-
tasia. Legende für Pianoforte.
Wilbalm HaaMM» Kopeahagea aad Lelpal«.
Ein Stück, das anfänglich durch seine Harmonik
befremdet, bei weiterem Spielen hingegen sehr ge-
winnt. Der Komponist beliebt, die Melodieführung
ziemlich häuflg in Oktaven vorzunehmen, vielleicht
wäre Mehrstimmigkeit hier und da mehr am Platze
und von bedeutenderer Wirkung gewesen. Jedenfalls
spricht aus dem Ganzen ernsthaftes Streben und
lebendiger Drang nach wirklich künstlerischer Mit-
teilung.
Eugen SegniU.
F. Mandencheid: , Klassische Chor-Gesänge für
Frauenstimmen mit Klavierbegleitung.
L. Bebwaaa, Daaaeldarf.
Die Sammlung umfasst 4 Hefte und ist in der
Hauptsache zum Gebrauche in höheren Mädchen-
schulen und Lehrerinnenseminaren bestimmt. Bei
der nicht grossen Auswahl guter Frauenchöre
wird die Sammlung auch über ihren Bestimmungs-
kreis hinaus willkonmien sein. Sie enthält Chöre
von Beethoven „Kaiserlied" (2- bezw. 8 stimmig)
von Mendelssohn: Frühlingschor aus , Walpurgis-
— 225 —
nacht^', Ave Maria aus „Loreley'S ,,Motette'^ op. 39,
No. 2, von Haydn zwei Chöre ans den ,, Jahres-
zeiten", von „Schubert der 23. Psalm „Grott ist
mein Hirt" (48timmig) und zwei dreistimmige Chöre
von Schümann „An Vögleins G-rab" nud „Spinne-
lied". Handliches Format, klarer Stich und ein
billiger Preis dürften der Sammlung eine grosse
Verbreitung sichern. ^^^^ ^^^^
W. lilolther: „Wagner als Dichter".
Bud M Marqvardy Berlin.
In der Monographiensammlnng „Die Lite-
ratur" veröffentlichte W. Golther eine vorzüg-
liche Abhandlung über Wagner als Dichter.
In knapper Form, aber alles Wichtige berührend,
betrachtet er bei jedem Werke Wagner's die Qaellen
und hebt dann die Bedeutung der Wagnerischen
Dichtung hervor. Auch dieses Büchlein wird viel
Gutes stiften und ein tieferes Verständnis einer
immer noch unterschätzten Seite des Wagner 'sehen
Schaffens anbahnen. Die reichen Illustrationen
zeigen, wie die Maler von Wagner angeregt worden
sind und bieten grosses Interesse, selbst in Beards-
ley's Kuriositäten. Man vermisst einen grossen
unter ihnen : Egusquiza. Im Verlag von Schuster &
Löffler in der Sammlung „Die Dichtung" ist
unter demselben Titel eine Monographie von
H. von Wolzogen* erschienen, die obenerwähnte
ergänzt.
J. Vianna da Motta.
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Pommerns wird eine Klavierlehrerin, Ober-
st nfe, gesacht. Violin-Elementaranterricht gleich-
zeitig erwünscht. Antritt J. 8. oder 1. 9. 05.
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lebhaften Stadt im S. V. wird eine tüchtige Violin-
lehrerin gesucht. Das Violin fach soll neu ein-
gerichtet werden und wird daher vorläufig kein
Fixum bewilligt.
Gesuehte Stellen:
Eine vorzügliche Gesangspädagogin, die sich
durch schriftstellerische Arbeiten auf diesem Ge-
biete einen Namen gemacht hat, sucht Engage-
ment an einem Konservatorium.
Eine tüchtig» Klavierspielerin und Lehrerin,
ausgebildet am Münchener Konservatorium, sucht
Stellung an oiner Musikschule.
Meldungen sind zu richten an die Ceutral-
leituDg der Stellenvermittlung der Musiksektion.
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Musik-pädagogische Zeitschrift für alle Qebiete der Tonkunst.
Organ der Deutschen Musiklehrer-Vereine»
der Musik-Sektion des fl. D. L-V. und der Tonkünstler-Vereine
zu Köln^ Dresden, Hamburg, Leipzig und Stuttgart.
Begründet 1878 von Professor Emil Breslaur.
^rrisfÄ^irÄr^^^^^^ Redaktion: Anoa Morsch
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No. 15.
Berlin, 1. August 1905.
XXVIIi. Jahrgang.
Inhalt: Dr. Walter Niemann: John Field. (Fortsetzung.) C. Haaas: Virtuosen und Dilettanten der römischen Kaiierzeit (Schluss.)
Marie Jaell: Das Pedal. Mitteilungen von Hochschulen und Konservatorien. Vermischte Nachrichten. Bücher und Musikalien,
besprochen von Jose Vianna da Motta, Dagobert Löwenthal und Eugen Segnitz. H. Germer: Musikalische Lesefrüchte.
Vereine. Anzeigen.
Uobi) Field.
Von
Dr. Walter IVieniAiin«
(Fortsetzung.)
Solche Stellen sind glücklicherweise bei
Field selten und nur in seinen schwächeren
Kompositionen zu finden. Das Schönste aber
hat er doch in seinen Nocturnen — so rei-
zend auch die sonnigen unter ihnen sind —
da gegeben, wo es galt, sehnsüchtig-schmerz-
lichen, melancholischen Stimmungen tönenden
Ausdruck zu geben, wo seine Nocturnen den
ihnen von Fetis etwas zu allgemein ver-
liehenen Titel „Kleine Elegieen" wirklich mit
Recht tragen. Hierher gehört das wunder-
schöne Notturno No. IX, E-moU, mit seinem
wie seufzend ersterbenden Schlüsse, sowie
das vielleicht allerherrlichste No. XI, Es-dur,
melodisch jedenfalls die edelste Perle von
allen:
tr-H! r^rrgit
^
^
m
c£r r- r- 1 r- 1
£
£
mit seinem sich aus schmerzlich bewegtem
Herzen gleichsam mühevoll losringenden, ver-
schleieiten Anfange. An dieser Stelle sei
auch des traurig-klagenden, so einfachen und
rührenden „Liedes ohne Worte" No. XV,
D-moll, gedacht. No. XIII, Reveria-Nocturne,
C-dur, interessiert mehr äusserlich durch die
geistreiche Verwertung einer obstinat wieder-
kehrenden Phrase, No. XIV, G-dur, durch den
bereits ausgesprochenen Chopin'schen, weit-
griffigen Klaviersatz. — Nie kommt es frei-
lich selbst in den am ernstesten empfundenen
Nocturnen zu Chopin's dämonischer, schmerz-
lich wogender Leidenschaft. Field's Nocturnen
verhalten sich zu ihnen wie ein Aquarell zu
einem farbenglühenden Oelgemälde*). Dem
Namen Nocturne entsprechen sie eigentlich
besser und decken den Begriff wirklich scharf.
Es sind ausgesprochene Stimmungsbilder des
Abends. Der Friede, die sanfte Ruhe der
Nacht, der milde Strahl des Mondes lagert
über ihnen, alle Stürme des Tages
lösen sich in diesen holden Ton-Poesien auf,
aber sie zittern in ihnen nicht oder kaum
*) So konnte denn der Chopinhasser Kell-
st ab in seiner Zeitschrift „Iris" im Jahre 1834
schreiben: „ . . . und namentlich ist sie (die
Field'sche Nocturne) eine wahrhafte Erouickung,
wenn man sie nach einem Chopin^schen r^ottumo
spielt.'*
— 230 —
merklich nach. Ganz anders bei Chopin.
Man wird der melodischen Schönheit und
Keuschheit, der ungesuchten und doch so
reizenden Einfachheit und Anmut, der bald
süssen, sehnsüchtigen, bald in leise Melan-
cholie getauchten Empfindung, kurz der
inneren Gesundheit in Field's Nocturnes,
seine Bewunderung und Liebe nicht versagen,
die meisten unter ihnen sind unvergänglich.
Dass sie so rasch vergessen und heute mehr
gerühmt als gekannt sind, liegt an der Ent-
wicklung der Zeit. Unsere Epoche liebt es
nicht, sich sinnigen, träumerischen Stimmun-
gen gelassen hinzugeben. Sie ^hat keine
Zeit** dazu. Die „Zufriedenheit", aus denen
auch z. B. in alter Zeit die AUemanden ge-
boren wurden, hat heute keinen Kurswert
mehr. Ganz verkehrt wäre es aber, wie es
öfters geschah, diese unverdient geringe Be-
rücksichtigung der Nocturnes einer mangel-
haften, saloppen Durcharbeitung derselben zu-
schreiben zu wollen. Gewiss, polyphon, mit
interessantem Stimmengeflecht wusste Field
trotz seiner Bach- und Händel- Vorliebe nicht
zu schreiben. Aber welch* köstliche Fein-
heiten enthüllen sich dem aufmerksam for-
schenden Blick! Wie abwechselungsreich
weiss er stets den Wiedereintritt des Themas
zu gestalten, wie fein pflegt er ihn jedesmal
durch andere Harmonisation, veränderte Bass-
führung, durch seine Variierungskunst und
seine Filigranarbeit im Detail immer wieder
reizvoll zu gestalten. Ein lehrreiches Beispiel
dafür bietet z. B. die XII. Nocturne „Midi", in
der er das Hauptthema bei seinen Wiederein-
tritten dreimal verschieden harmonisiert.
Alle diese Nocturnes sind in ihrem
Empfindungsgehalt noch so frisch und im
einzelnen abwechselungsreich gestaltet, dass
einem der im Nekrolog (S. 486) erzählte,
authentische Ausspruch des Komponisten,
dass er „sich bei verschiedenen seiner Kom-
positionon ganze Geschichten dachte", sehr
glaubhaft erscheint. Erwähnt sei übrigens,
dass seine Nocturnes oft als Romanzen oder
Divertissements herausgegeben sind, wie denn
viele seiner Werke unter verschiedenen Titeln
mehrfach veröffentlicht wurden.
Nicht geringer als der rein musikalische
Wert dieser Stücke ist ihre geschichtliche
Stellung. Alle die liedartigen Formen kla-
vieristischer Genre-Kleinkunst der Romantik,
die Romanzen, Lieder ohne Worte, Impromptu's
Abendlieder, Nachtstücke u. s. w. führen ihren
Ursprung direkt auf die Field'schen Nocturnes,
die ihrerseits zahllose Nachahmungen erlebten,
zurück. Sie tragen deren Form und romanti-
sches Element schon im Keime in sich.
Chopin hat ihnen Namen und zum Teil
auch die Form für seine Nocturnes entlehnt.
Er ist zur Komposition derselben unmittelbar
durch sie angeregt worden und steht auch
in der Ausgestaltung im Kleinen, in der das
Thema duftig verbrämenden Variierungskunst,
gleich Ludwig Berger u. a. auf Field's
Schultern. Ebenso wurde er wahrscheinlich
auch als Pianist von Field beeinflusst.*)
Wie steht's nun mit seinen übrigen
Kompositionen? Er schrieb ja an anderen
kleineren Stücken, z. B. einige Kammermusik,
das herrliche, mit Unrecht vergessene As-dur-
Quintett in einem Satze, eine grosse
Kammermusik - Nocturne, von wunderbarer
melodischer Schönheit (Neue Ausgabe von
Breitkopf & Härtel) (2 Divertissements in
A- u. E-dur), sehr hübsche D-moU- Variationen
über ein russisches Lied, 2 Airs en Rondeau,
Fantasie über „Guarda mi un poco", Fantasie
über die Polonaise „Ah, quel dommage",
5 Rondo's, Es-dur Polonaise, 1 grossen Walzer,
die „Vive Henry IV" Variationen, 2 Airs
anglais: „Go 'to the deviP, „Shake yourself,
Exercices, 3 Romanzen, Variationen über
„Since then Tm doom'd", einige Lieder u. a.
Es finden sich manch* interessante Einzel-
heiten in ihnen, im ganzen aber wird einiges
daraus heute mit Recht als ein durchaus nicht
trockenes, bildendes Uebungsmaterial verwandt,
als Vortragsstücke haben diese Kompositionen
jedoch lediglich nur ihrer Zeit gedient. Diese
hat aber ihr stets gerechtes Richteramt schon
an ihnen ausgeübt. Nur die bekannte E-dur-
Kavatine „Reviens, reviens!*' — jenes ent-
zückende, zartgeistige und von schwärmeri-
scher Sehnsucht durchtränkte Stück, aus dem
das Frührot der Romantik nicht nur aus
dem einfachen und edel - sentimentalen
Thema:
i
Re-vi'Cns
P
-^
t-
£:
mit seinen wie seufzend ersterbenden Echos,
sondern auch aus der ungewöhnlich farben-
satten, weichen Bassführung herauslugt —
hat sich unter der Satellitenschar der Nocturnes
dauernd gehalten.
'^) Kalkbrenner sagte in Pans zu ihm,
der Stil seiner Werke erinnere ihn an Gramer (I),
sein Spiel an Field.
— 23i —
Mit seinen Sonaten und Konzerten er-
ging's ihm nicht viel anders. Alle Schöpfun-
gen in diesen Gattungen haben an einigen
Schwächen Field's ein ziemlich frühes Ende
gefunden. Es sind dies vornehmlich der
Hang zu einer rein tonlichen und dann
inhaltlich recht nichtssagenden Spielfreudig-
keit und zu übermässiger Breite, sowie die
Unfähigkeit, in den eigentlichen Durch-
führungsteilen solcher grösser angelegten
Werke die klassischen Muster durch Be-
herrschung strengerer motivischer Arbeit er-
folgreich nachzubilden. Wenn C. van
Bruyck*) von den Sonaten sagt — Field
schrieb 4, darunter drei Clement! gewidmete,
op. 1 in A-dur, Es-dur, C-moU und eine in
H-dur — , dass sie „ungleich bedeutender (als
die Nocturnes), im Einzelnen oft geradezu
genial ausgeführt" seien, so hat er mit der
ersten Behauptung durchaus Unrecht, mit der
zweiten aber zweifellos Recht. Field's
Sonaten übertreffen seine Konzerte noch an
stilistischer Reinheit, aber abgesehen vom
1. Satz der letzten Sonate in C-moU, mangelt
ihnen eben gänzlich jene schon einer guten
Sonate notwendige Plastik und monumentale
Anlage, deren Fehlen auch seinen Konzerten
ein frühes Vergessen brachte. Sie wurden
noch rascher als seine Konzerte in den Hinter-
grund gedrängt; so erwähnt sie Louis
Köhler in seinem damals den Rang unsres
vortreft liehen „Eschmann-Ruthardt" einneh-
menden „Führer durch den Klavierunterricht"
(J. Schuberth) bereits garnicht mehr, während
er von den Konzerten wenigstens noch vier
zum a-vista-Spiel empfiehlt. Es genügt heute
vollkommen zum Studium Field'scher Sonaten,
wenn man*s bei ausgewählten einzelnen
Sätzen derselben bewenden lässt: etwa den
I. Satz der Es-dur-Sonate wegen ihrer aus-
nahmsweise gut geratenen Durchführung, das
Menuett aus der A-dur-Sonate, das von
drolligem, gemächlichem Humor erfüllte Rondo
aus der C-dur-Sonate. Alles angenehm unter-
haltende formschöne und natürlich empfun-
dene Stücke, deren geistiger Inhalt aber nicht
an den der klassischen Sonaten auch nur ent-
fernt heranreicht.
Von seinen Konzerten hat sich das in
As-dur, No. 2, wenigstens im Unterricht, noch
bis heute als gute Vorstudie zu Chopin ge-
halten. Das in C-moll, No. 7, (von Schumann
begeistert gelobt,) hätte dasselbe Schicksal,
namentlich seines schönen Mittelsatzes halber,
verdient. Unter den übrigen weisen nur noch
das dritte und vierte, beide in Es-dur, zum
Teil grösseren Kunstwert auf. Van Bruyck
zieht Field's Konzerte den HummeFschen
ihres durchgeistigteren und feineren Figuren-
werks halber an den virtuosen Stellen vor,
und hat von diesem Standpunkt aus Recht.
Allein es fehlt ihnen im Gegensatz zu jenen
doch recht empfindlich an jener grossen Per-
spektive, an ienem Zug ins Virtuos-Glänzende,
Grosse und Monumentale, den ein Klavier-
konzert, das sich länger behaupten will, un-
umgänglich aufweisen muss. Der letzte,
geistsprühende und sonnige Satz des As-dur-
Konzerts (Rondo), ausgezeichnet durchgeführt
und wirkungsvoll für das Soloinstrument ge-
schrieben, behält allerdings trotz einiger
Breite der Anlage noch lange seinen Wert.
Er wirkt heute noch so frisch wie am ersten
Tage und zeigt in dem immer wieder munter
dreinfahrenden Refrain des Tutti:
m
&^
*) In: „Die Entwickelung der Klaviermusik
von Bach bis Schumann", Leipzig 1879 (Samm-
lung mnsikal. Vorträge von Graf Waldersee, No. 3),
S. 105.
(Schlnss
/
wirklich originelle Züge. In ihrer Zeit waren
jedenfalls alle Konzerte viel bewundert und
gespielt. Mit den klassischen Konzerten darf
man sie natürlich weder geistig noch satz-
technisch — das ideale Verhäknis zwischen
Solo und Tutti, die Kunst der motivischen
Entwicklung und thematischen Ausarbeitung
ist von Field nicht genügend erreicht — ver-
gleichen, wohl aber erfüllen sie nach manchen
Richtungen hin den Zweck, den alle Konzerte
klassischer Zeit verfolgen: den einer festlich
gestimmten und guten Gesollschaftsmusik.
folgt.)
"^^^^^^^
— 232 —
^iftuosei) ui)d j&ilettao^^i) ä^f rött)iscbet) KaiseFzeih
Beitrag tut Hnnst- und SitteiigescMcMe.
Von
(Schlass.)
Die grosse Empfänglichkeit des römischen
Volkes für Musik und die oberflächliche Ver-
gnügungssncht führten natürlich im gaten wie im
schlimmen Sinn zum ausübenden Dilettantismus.
Das alte Vororteil gegen das Kunstgewerbe der
Musikanten hatte sich längst überlebt. Galt es
früher als des freigeborenen Mannes, des ritterlichen
römischen Bürgers unwert, sich mit einer Kunst
zu beschäftigen, die 'von Sklaven und bezahlten
Virtuosen ausgeübt wurde, so war, seitdem sich
die Kaiser in höchsteigener Person der Musik
widmeten, das Musikmachen Modesache geworden.
£s gehörte zum guten Ton in den höchsten Kreisen
und war dem gemeinen Mann ein billiges Ver-
gnügen, denn wenn ihm auch kein Instrument zu
Gebote stand, so konnte er doch pfeifen und singen,
was er um und an hörte.
Nach Ovid UDd Horaz durfte man hoffen,
durch Fertigkeit im Singen und Spielen, durch
eine schöne wohlgeschulte Stimme nicht nnr den
Damen zu gefallen, es war auch die beste Em-
pfehlung, um Zutritt zu jeder guten Gesellschaft
zu erlangen. Das musikalische Talent wurde wegen
seines Wertes für die unterhaltungs- und ver-
gnügungsbeflissene Geselligkeit geschätzt. Daher
rechnete man eine angenehme Fertigkeit in der
Musik zu den wesentlichen Erfordernissen einer
eleganten weiblichen Bildung. Da aber das Haupt-
ziel das Vergnügen blieb, wurde trotz aller Musik-
leidenschaft das Musik treiben in B;om kein Herzens-
bildungsmittel und konnte sich nicht zu dem volks-
veredelnden Einriuss erheben, um den die griechi-
schen Jugenderzieher die Tonkunst so hoch hielten.
Dass aber der gesellschaftliche Wert einer musi-
kalischen Dame in Hom auch bei Eheschliessungen
nicht unterschätzt wurde, wissen wir aus Statins.
Der Dichter der Thebais zählt unter die Vorzüge
durch welche sein Stieftöchterlein verdiente, eine
glückliche Hausfrau zu werden, dass sie die Lyra
meisterlich zu schlagen und seine Gedichte nach
selbstkomponierten Melodien zu singen verstände.
Der Musikunterricht in Rom lag nicht nur
in den Händen freizügiger fremder und einheimi-
scher Virtuosen, es gab bereits stehende Musik-
schulen, in welchen Knaben und Mädchen in Ge-
sang und Spiel wie in der musikalischen Satzkunst
unterwiesen wurden. Der Schriftsteller Columella
erwähnt solcher antiken Musikkonservatorien neben
den Hochschulen der Rhetoriker und Mathematiker.
Schon zur Zeit der Gracchen kannte man für Be-
ruf skünstler und Kunstliebhaber Sing- und Tanz-
nstitute in Rom, die auch von Kindern aus guter
Familie besucht wurden. Die Musikscholaren be-
teiligten sich an öffentlichen Aufführungen. Chöre
von Knaben und Mädchen aus den höchsten
Ständen wirkten bei religiösen Festlichkeiten mit.
Im Tempel des Apollo sangen zur Säkularfeier
3mal neun Knaben und Bmal neun Mädchen die
Festhymne in lateinischer und griechischer Sprache.
War ein Kaiser gestorben, so pflegten auf dem
Fomm vor der aufgebahrten Leiche je ein Chor
vornehmer Jungfrauen und Jünglinge Gesänge
zu Ehren des Toten anzustimmen, die in feier-
licher klagender Weise gesetzt waren.
Unter den hervorragenden Musikdilettanten
Rom's werden die hohen und höchsten Herrschaften
genannt. Die Reihe der musizierenden Welt-
szepterträger ist keine kleine. Kaiser Hadrian war
ein fertiger Zitherspieler. Mark Aurel erholte sich
von seinen Regierungssorgen beim Flöteublasen
und Komponieren. Caracalia übte neben seiner
grausamen Menschenschlächterei die Kitharödik
mit grossem Eifer. Alexander Severus spielte Lyra
und Flöte. Heliogabalus blies die Trompete, spielte
die Panduia und Wasserorgel und sang dramatische
Szenen. Norbanus Flaccus war ein eifriger Tuba-
bläser, der selbst am Morgen, als er das Konsulat
antreten sollte, sein Musikpensum nicht zu üben
versäumte. Die vor seinem Palast angesammelte
Volksmenge fasste es als eine böse Vorbedeutung
auf, wie sie den neuen Weltherrscher Kriegssignale
probieren hörte. Caligula tat sich etwas zu gut
auf seinen dramatischen Gesang, zuweilen zum
Schrecken seiner Hofschranzen. So Hess er einmal
8 seiner Konsulen aus dem Schlummer wecken
mit dem Befehl, alsbald vor ihm zu erscheinen.
Zitternd fanden sie sich ein und harrten der Dinge,
die da kommen sollten, in banger Erwartcmg, denn
sie versahen nichts Gutes von dem unberechen-
baren Tyrannen. Doch siehe da — schmelzendes
FJöteiispiel ertönte hinter der verhüllten Tür des
kaiserlichen Schlafgemachs, der Vorhang wurde
zurückgezogen und Caligula sprang kostümiert
heraus, sang und agierte eine dramatische Szene
und trat dann ruhig wieder ab, worauf die ge-
ängstigten Zuschauer in Gnaden entlassen wurden.
In ähnlicher Weise mischte sich das Lächerliche
mit dem Grässlichen bei der Musikliebhaberei des
Nero, wie es nicht anders von einem Cäsar zu er-
warten war, der selber meinte, vor ihm habe kein
Fürst gewusst, was er alles tun dürfe. — Er Hess
die Christen, als angebliche Verursacher des von
ihm angestifteten grossen Brandes von Rom, auf»
Grausamste martern und verfolgen und sang im
— 233 —
Theaterkostüm vom hohen Tnrm des Mäcenas
herab die Zerstörung Trqja's, während ein Flammen-
meer im wilden Wüten die Weltstadt verheerte
nnd in Asche legte. Seine höchste Ehre setzte er
darin, als Dichterkomponist, die Eithara in der
Hand, das Hanpt mit einem Lorbeerkranz ge-
schmt^ckt, in Kostüm nnd Maske öffentlich im
Theater in Soloszenen, die in beliebte klassische
Tragödien eingelegt waren, aufzutreten, wobei er
mit peinlicher Genauigkeit alle herkömmlichen
Vorschriften, die für Bemfskünstler galten, erfüllte.
,, Meine Herrschaften, schenkt mir geneigtes Ge-
hör!' so redete er das Volk an und empfahl sich
am Schluss, mit Knie und Hand der Versammlung
huldigend, wie ein bezahlter Virtuose der Gunst der
Zuhörer, deren Urteilsspruch er erwartete. Aber
wehe dem, der die kaiserliche Kunst nicht gelobt
hätte oder sich gar unterfangen, dieselbe zu tadeln.
Für ein ganzes Heer trefflich geschulter, wohl
organisierter Beifallsklatscher war stets gesorgt.
Auch Spione lauerten, um solche anzugeben, die
nicht geklatscht oder vor der Beendigung des
Vortrages fortgegangen oder eingeschlafen waren.
Sie waren der fürchterlichen Bache des beleidigten
Kitharöden verfallen. Niemand durfte, wenn der
Kaiser sang, unter keiner Bedingung das Theater
verlassen. Es kam vor, dass Leute über die Mauer
sprangen oder Schlaganfälle heuchelten, nur nm
wegzukommen. Nero dünkte sich kein Dilettant
zu sein. Er wollte als gottbegnadeter Bemfskünstler
gelten. Beim Ausbruch einer Bevolte soll ihn
nichts so tief gekränkt haben, als dass er im Auf-
ruf der Empörer ein schlechter Kitharöde genannt
war. Er liess sich kaum darüber beruhigen und
fragte seine Höflinge immerzu: Ob sie denn einen
besseren kennten? Die üeberzeugung, er sei zum
Virtuosen geboren, beherrschte ihn bis an sein
Lebensende mit der Stärke der £xen Idee des
Wahnwitzes und tröstete ihn noch in jenem ver-
zweifelten letzten Augenblick im Landhaus des
Phaon, als er um Thron und Beich gekommen,
von Gott und Menschen verlassen war. Unter den
Worten: „Welch ein Künstler geht an mir ver-
loren!*^ stürzte er sich in die Spitze seines Schwertes
und hauchte seinen letzten Seufzer aus im Ge-
danken, ein guter Musiker gewesen zu sein. —
Bei einem auf Aeusserlichkeiten abzielenden
Virtuosentum und der sich damit immer mehr ver-
flachenden Kunstliebhaberei konnte natürlich von
einer Entwicklung der römischen Musik im
höheren, edleren Sinne nicht die Bede sein. Der
Niedergang der Sitten zog den Verfall der Kunst
nach sich, und als die Kunst sank, erlangte der
Dilettantismus im übelsten Sinne die Oberhand.
Doch das Grab der heidnischen Musik wurde die
Wiege der christlichen. Mit der beginnenden Herr-
schaft des Christentums ist Bom und später
Italien die Pflanz- und Pflegestätte einer neuen,
die ganze Welt bewegenden Kunst geworden, auf
deren Grundlage sich im Laufe der Jahrhunderte
der stolze Prachtbau der modernen Musik ent-
wickelt hat.
@as
Von
narie Jallll.'^)
Der Einfluss der Pedaltätigkeit erstreckt sich
ebensowohl auf den Vortrag eines musikalischen
Werkes, wie auf den Vortragenden selbst.
Eine falsche Verwendung des Pedals wirkt auf
die geistige Tätigkeit des Spielers, wie falsch ge-
wählte Brillen ; dagegen kann eine verständige Ver-
wendung des Pedals dem Spieler gewissermassen
denken helfen.
Beim Vortrag trennt und bindet das Pedal die
Noten; sein Amt besteht darin, die Finger in dem
unausführbaren Aushalten der Töne zu ersetzen,
die Harmonie durch Verlängerung der Töne zu
er weitem, gewisse richtige Betonungen hervorzu-
heben, auf die verschiedenste Weise den Ausdruck
des Instruments zu erhöhen. Aber wie viel Klippen
müssen vermieden werden, um diese Vorteile zu
erreichen !
„In allen Dingen, die ein Mensch besser kennt,
*) Aus „Die Musik und die Psycho-Phj'siologie*
von Marie Jaell. Deutsch von Franziska
Kromayer. Straesburger Verlagsanstalt.
als andere seinesgleichen, erblickt er Unterschiede,
die andere nicht bemerken." Diese Worte Bains
können sehr richtig auf die Spieler angewandt
werden, die sich des Pedals schlecht oder gut be-
dienen. Die ersteren kennen meist nui* einen Vor-
zug davon: die Verlängerung der Töne, und be-
dienen sich dessen fortwährend zu diesem Zweck
mit kraftloser Beharrlichkeit, die letzteren erkennen
so viel verschiedene Vorzüge daran, dass sie sich
seiner fortwährend in verschiedener Weise be-
dienen.
Es ist klar, dass das Gewebe der aufeinander
folgenden Harmonien bei dem Spiel eines Musik-
werkes nicht gehört werden darf, deshalb wird
man bei der Anwendung des Pedals erkennen, ob
der Spieler musikalisch ist oder nicht. Er wird
sein musikalisches Talent ebensowohl 'dadurch be-
weisen, dass er nicht während einer Harmonie das
Pedal mehrmals hebt, wie man gleichfalls nicht
zwischen den Silben desselben Wortes Atem holen
soll, als auch dadurch, dass er es mit der nötigen
— 234 —
Vorsiclit hebt, um jeden schädlichen Uebergriff
von einer Harmonie auf die andere zu ver-
meiden.
Die automatenhaften Bewegungen sind für den
feinen Mechanismus der Püsse ebenso schädlich
wie für den Mechanismus der Finger. Die Füsse
bewegen sich wie die Finger mit einer Bewusst-
losigkeit, die Jede künstlerische Tätigkeit hemmt.
Der Fuss muss das Pedal mit ausserordentlich
schneller Bewegung herunterdrücken. Das Auf-
heben des Fusses muss langsamer geschehen Man
muss also zuerst diese mechanische Abstufung er-
reicht haben, ehe man lernen kann, das Pedal durch
verständigen Gebrauch zu regeln.
Da „die künstliche, rein mechanische Spannung
eines Muskels auch in einem entfernten Körperteil
eine Vermehrung der Energie hervorruft***), müssen
auch die Fortschritte in der Muskeltätigkeit der
Hand im gegebenen Augenblick auf die Extre-
mitäten der Unterglieder einwirken und den Spieler
befähigen, die Füsse bei der Benutzung des Pedals
mit grösserem Bewusstsein zu bewegen.
Die Langsamkeit und die Ünbewussthelt der
Bewegungen sind so unzertrennlich miteinander
verbunden, dass diejenigen Personen, welche die
Muskelanregungen verlieren, auch das Bewusst-
sein für die Lage ihrer Glieder verlieren, wenigstens
wenn sie dieselben nicht sehen.
Ohne gewisse Spieler mit diesen Kranken ver-
gleichen zu wollen, kann man doch sagen, dass
dadurch, dass sie die Füsse nicht sehen, ihnen zu-
weilen ein Teil der Kontrolle verloren geht. Natür-
lich verlieren sich diese Schwächen bei den Spielern,
die musikalisch sehr entwickelt sind, denn das
Gehör leitet sie und lässt sie die geringste Be-
wegung des Fusses empfinden, als ob sie ihn sähen.
Durch die Schnelligkeit des dem Pedal mit-
geteilten Druckes sollte man auch die Unabhängig-
keit der Fassbewegungen erreichen, die oft in
doppelter Abhängigkeit stehen: in funktioneller
Hinsicht von den Bewegungen der Hände, in musi-
kalischer Hinsicht von der Betonung der starken
Taktteile.
Damit diese beiden Hindemisse nicht die fr^ie
Tätigkeit stören, ist es gut, sich Uebungen zu
schaffen, welche z. B. erlauben, bei einem *l^ Takt,
dessen erste und dritte Hebung stark betont sind,
das Pedal nur bei dem zweiten Viertel zu nehmen
und es bei dem vierten aufzuheben, damit diese
Tätigkeit nicht mit den ausgeführten Betonungen
zusammentreffe. Zu demselben Zweck könnte man
auch das Pedal auf den zweiten und vierten Takt-
teil nehmen und auf den ersten und dritten auf-
heben. Diese Art der Pedalanwendung könnte
natürlich nur ausnahmsweise praktische Verwen-
dung bei einem Musikwerk finden, aber wenn der
Fuss gelehrig ist, so können diese und viele andere
Anwendungen ausgeführt werden. Es kommt
*) Fere, la pathologie des emotions.
nur darauf an, den richtigen Zeitpunkt zu finden,
wo sie mit Nutzen verwandt werden können.
Die schädlichste Verwendung des Pedals ist
gewöhnlich : 1. es zu lange festzuhalten, und 2. es
zu schnell nach dem Aufheben wieder zu nehmen.
Es ist wahr, gerade in dieser doppelten Form
findet man es gewöhnlich bei denjenigen Werken
von Liszt angegeben, die nicht zu seiner letzten
Periode gehören. Diese Angaben werden nur durch
die ausserordentliche Präzision gerechtfertigt, welche
Liszt's Spiel charakterisierte, dessen erhabene Klar-
heit keine Pedalverlängerung stören konnte Diese
Angaben waren für ihn nützlich, sind aber mit
wenig Aasnahmen, wo die Verlängerung gerecht-
fertigt ist, für andere schädlich.
Am besten ist es, das Pedal prinzipiell eben-
solange zu nehmen wie es aufzuheben. So gibt
Liszt es mit Vorliebe in seinen letzten Werken
an, wo er ebenso massig beim Gebrauch des Pedals
wird, wie er früher damit verschwenderisch war.
Man glaubt ziemlich allgemein, dass es genügt,
das Pedal kurz vor dem Wechsel der Harmonie
zu heben, um die unharmonische Verschmelzung
der Akkorde zu verhindern. Man muss aber im
Gegenteil im Allgemeinen die Eüangfarbe einer
Harmonie vermindern, ehe man ihr eine andere
folgen lässt; wenn also dieselbe Harmonie während
eines Taktes festgehalten wird, so müsste man
prinzipiell das Pedal nur während zwei Drittel des
Taktes nehmen-, wenn eine Harmonie nur den
halben Takt vorhält, müsste man sich des Pedals
nur für ein Viertel des Taktes bedienen. Die Klar-
heit der Harmoniefolge, diese so wichtige Stütze
des musikalischen Spieles, wird dadurch erreicht.
Man nennt dies Verfahren die Kunst das Pedal zu
nehmen, aber man sollte es richtiger die Kunst,
das Pedal aufzuheben, nennen. Tatsächlich sollte
der Spieler die Wirkungen des Pedalaufhebens
genau berechnen, da sie ebenso wichtig sind wie
die des Nehmens. Um das zu verstehen, sollte er
sich bemühen, sein Stadium für die Behandlung
des Pedals beim Aufheben und nicht beim Nehmen
anzufangen.
Das Aufheben muss als der normale Zustand
angesehen werden, das Nehmen als eine höhere,
dem Spiel mitgeteilte Erregung, die nur in kürzeren
oder längeren Zwischenräumen benutzt werden
darf, in besonderen Fällen, wo es der Vortrag er-
fordert. Daraus folgt, dass bei der Mehrzahl der
Spieler ein Missbrauch des Pedals als chronischer
Zustand besteht. Man kann sagen, dass er ebenso
geeignet ist, ihre guten Eigenschaften zu ver-
bergen wie ihre Fehler.
Natürlich wenden diejenigen, welche gut spielen,
das Pedal nur mit Vorsicht an, sobald es musi-
kalisch geboten ist; die anderen nehmen es ohne
Unterschied, wo's passt und wo's nicht passt, aber
gewöhnlich da, wo ihr Spiel am wenigsten korrekt
ist, denn sie möchten instinktiv sich selbst und
anderen die Fehler ihres Spiels verbergen. In
— 235 —
diesem Fall aber verraten sie nichts destoweniger
ihr inkorrektes Spiel, allerdings in der besonderen
Weise, dass sie die Töne zu einem unharmonischen
Ganzen vermischen, in dem man die Fehler nicht
mehr so genau unterscheidet. Man kann sagen
dass das Pedal in den Werken von Bach verboten
werden sollte, ausser in gewissen Akkorden, wo
die Verschmelzung der Noten zur Erschliessung
der Harmonie unentbehrlich ist. In den Werken
von Beethoven darf man sich seiner oft nur mit
der grössten Vorsicht bedienen, denn manchmal
stört es mehr, als es vervollständigt.
Die Kunst, sich seiner so wenig wie möglich
zu bedienen, ist noch das beste Verfahren, denn
die künstlerisch sichersten Mittel, den Ausdruck
zu übertragen, gehen von den Fingern aus. Je .
mehr sie ganz allein das darzustellen vermögen,
was man gewöhnlich von ihnen im Verein mit dem
Pedal verlangt, um so besser ist es.
Man hüte sich aber wohl, es zu verschmähen,
es besitzt das Geheimnis, ein an sich schönes Spiel
zu beleben, zu verwandeln, zu verschönern. So
scheint uns das Schauspiel der untergehenden
Sonne unvollständig, wenn das Grestirn wie eine
rote Kugel auf der ruhigen Oberfläche des Meeres
verschwindet, ohne dass Meer und Hinmiel an
seiner Färbung teilnehmen. Sobald in einem musi-
kalischen Werk eine ähnliche ün Vollkommenheit
hervortritt, muss man das Pedal gebrauchen, denn
es wird Meer und Himmel mit den Purpurfarben
der Sonne beleben. Es ist ein geniales Binde-
zeichen; aber auch die Finger besitzen dieselben
Bindezeichen, es kommt ganz darauf an, wie die
Schrift geordnet ist, denn oft kann man teilweise
Wirkungen des Pedals erreichen, indem man mit
den Fingern gewisse Noten festhält, um die Har-
monie zu unterstützen, ohne durch die Anwendung
des Pedals die Umrisse einer melodischen Zeich-
nung zu verwischen.
Nicht nur in der Intimität eines kleinen Zu-
hörerkreises kann man dieses Verfahren nützlich
anwenden, auch in den grössten Konzertsälen ist
ihre Verwendung sehr schätzbar.
Kurz, indem man lernt das Pedal mehr und
mehr zu entbehren, ohne dass das Spiel weniger
lebendig, weniger ausdrucksvoll erscheint, bildet
sich das Urteil über die richtige Verwendung des-
selben.
Man muss klar erkennen, was das Pedal im
Spiel zerstört: das ist der Mittelpunkt der Orien-
tierung. Sogar die schlechten Spieler bedienen
sich seiner instinktiv mit Uebermass, um ihre
Fehler damit zu verdecken, aber wenn die guten
Spieler diese Orientierung haben, so vermindern
sie die Schönheit.
Die erhabene Schönheit besteht in der Kunst
darin, durch die kleinsten Unterschiede zu wirken.
Die Aufgabe des Pedals muss ausserordentlich ver-
feinert werden, damit seine Tätigkeit nicht der
des Schwammes gleicht, mit dem man über frisch
gezogene Linien streicht und sie verdirbt.
(Jebrigens wirkt das Pedal verschieden, je
nachdem mau es stärker oder schwächer nimmt.
Leicht genommen, gibt es dem Tonklang einen ge-
wissen Schmelz, ohne dass die Noten sich ver-
mischen; je stärker man es nimmt, umsomehr
fliessen die Töne ineinander.
Da es vor allem darauf ankommt, die Gehörs-
wahrnehmungen zu schützen, muss ein partieller
Druck oft zur Verwendung kommen, damit die
Klarheit des Spiels ungestört bleibe.
So steht's mit der Musik: Die Farbe, die Ton-
färbung wirkt nur durch den Zauber der Inter-
valle für den Musiker bestrickend. Die Farbe ist
der Sporn für die Gefühle, die Intervalle der Noten
sind der Sporn für das Denken. Ihre Macht er-
streckt sich also auf einen wichtigen Teil unseres
Wesens.
Musikalisch denken lernen heisst ein Unter-
scheidungsvermögen erlangen, das immer klarer
und präziser zu gestalten von der grössten Wichtig-
keit ist. Je bewusster der künstlerische G^nuss
wird, um so höher wird er. Es kommt also darauf
an, dies Bewusstsein durch die Mittel, welche es
entwickeln können, zu pflegen und die unbe-
stimmten Gefühle zu vermeiden, wo sie sich auch
offenbaren mögen, weil sie in unvollkommenen
Kenntnissen wurzeln, welche schädlich sind. —
Mitteilungen
von HoohBohulen und KonBervatorien.
Bei der Bewerbung um die von dem Lehrer-
Kollegium des Stern'schen Konservatoriums
gestiftete Gustav Hollaender-Medailleerhielten
von der aus den Herren Prof. Arno Kleffel,
Kapellmeister Wilhelm Heinefetter, Dr. Paul
£rtel, Kapellmeister Alexander von Fielitz
und Professor Gustav Hollaender bestehenden
Jury folgende Schüler diese Auszeichnung: Frl.
Paula Hager aus Berlin (aus der Klavierklasse
des Frl. Emma Koch), Frl. Frieda Hempel aus
Leipzig (aus der Gesangsklasse der Frau Prof.
Selma Nicklass-Kemper), Herr Harold Eisenberg
aus New- York (aus der Violinklasse des Herrn
Gustav Hollaender), Herr Paul Schnyder aus
Basel (aus der Orgelklasse des Königl. Musik-
direktors Herrn Bernhard Irrgang). Ein Diplom
für hervorragende Leistungen erhielten Herr
Edwin Fischer aus Basel (E^lavierklasse des
Professor Martin Krause) und Frl. Adelheid
Bubens aus Berlin (Gesangsklasse der Frau Prof.
— 236 —
Selma Nicklafs-Kemper). Die von dem Rönigl.
Hofgeigenmacher Herrn Ludwig Neuner gestiftete
Geige erhielt Herr Maurice Rubenstein aus
Bukarest (Klasse des Herrn Issay Barmas). Lobende
Erwähnung wurde den Damen Elisabeth Boke-
meyer aus Berlin und Charlotte Schulz aus
Berlin (Klasse des Herrn Prof. Martin Krause)
zu teil.
Das diesjährige Karl Haase-Stipendium
der Königl. Hochschule für Musik in Berlin
erhielt der Violoncellist Arthur Kautzenbach;
das Stipendium beträgt 900 Mk.
Das Königl. Konservatorium für Musik
und Theater in Dresden beginnt das Winter-
Semester am 1. September.
In der A. von Sponer'schen Musikschule
zu Leipzig hält Dr. Alfred Hf^uss im Sommer-
semester zweimal wöchentlich Vorlesungen über
,,Die Geschichte des deutschen Liedes^.
Das Dr. Hoch'sche Konservatorium zu F r a n k-
furt a. M., Direktor Prof. Dr. Bernhard Scholz,
versandte seinen 27. Jahresbericht. Die Anstalt
war im abgelaufenen Jahre von insgesamt 476
Zöglingen besucht, von denen 273 das Konser-
vatorium, 14 das Seminar, die übrigen die Vorschule
besachten. Die Chronik verzeichnet die schweren Ver-
luste, die die Anstalt erlitten; es starben u. A. Prof.
Dr. Naret-Koning, ein hochangesehener Lehrer
und Heinrich Hanau, Mitglied des Kuratoriums.
Neu eingetreten in den Lehrerverband sind Frl.
Anna und Herr Otto Hegner, dieser nur für
ein Jahr; Prof. Heermann und Eduard Bell-
widt schieden aus. Mit Beginn des neuen Schul-
jahrs, Anfang September, wird Prof. Messchaert
als Gesanglehrer in die Anstalt eintreten und
Hermann Zilcher an Stelle von Hegner, der
nach Hamburg übersiedelt. Der Bericht gedenkt
ferner der Feier des 70. Geburtstages des Direktors
Prof. Bernhard Scholz.
Frau Etelka Gerster hat, wie berichtet
wird, unter glänzenden Bedingungen das Aner-
bieten erhalten, für das neugegründete Konser-
vatorium in New-York die Gesangsklassen
einzurichten und alljährlich für kurze Zeit, zehn
Wochen, den Gesangunterricht selbst zu leiten.
Die in .Amerika in bester Erinnerung stehende
Künstlerin hat die Berufung angeoommen und
wird die Zeit vom 1. Januar bis 15. März in New-
York zubringen, dann aber nach Berlin zurück-
kehren und ihre hiesige ausserordentlich prospe-
rierende Gesangsschule fortführen. Den Unterricht
in Amerika wird für die übrige Zeit des Schul-
jahres eine Schülerin der Frau Grerster erteilen,
wie auch gereiftere Schülerinnen ihre Meisterin
während deren Abwesenheit von Berlin vertreten
werden.
Der Vorstand des Diözesan-Cäcilienver-
eins zu Paderborn hat die Gründung einer
„Kirchenmusikschule^^ beschlossen. Der Kursus
ist auf neun Monate berechnet; er beginnt jedes-
mal mit dem 15. Oktober und schliesst mit dem
15. Juli, üeber den Ünterrichtsplan, die Eintritts-
bedingungen u. s. w. orientiert ein Prospekt, der
vom Vorstande des Diözesan-Cäcilienvereins (Dom-
vikar Cordes-Paderborn) auf Wunsch zugesandt
wird.
Das Baff-Konser vatorium zu Frankfurt
a, M. — Direktoren Herren Max Fleisch und
MaxSchwarz — versandte soeben seinen 25 Jahres-
bericht für das Schuljahr 1904/5. Das Institut
wurde von 187 Eleven besucht, von denen 121 aus
Frankfurt selbst waren, 53 aus dem übrigen Deutsch-
land und der Rest sich auf Frankreich, die Schweiz,
Schweden, England, Bussland, Oesterreich und
Holland verteilt. Der Unterricht wurde von 28
Herren und Damen erteilt; die Resultate derselben
wurden in lö Vortragsabenden, 6 Öffentlichen
Prüfungen imd 8 dramatischen Aufführungen im
Kostüm auf der Bühne bekannt gegeben. Die
Prüfungen und dramatischen Aufführungen fanden
in Gegenwart der öffentlichen Kritik statt. Das
neue Schuljahr beginnt mit dem 1. September.
Vermischte Nachrichten.
Prof. Josef Joachim erhielt vom Könige von
England die goldene Medaille für Kunst und
Wissenschaft.
Dr. Albert Mayer-Reinach, Privatdozent
für Musikwissenschaft an der Kieler Universität,
ist vom „Kieler Gesangverein", dem grössten und
ältesten Chorverein Kiels, zum Dirigenten gewählt
worden, nachdem er dieses Amt nach dem Rück-
tritte des 8eitherigenDirigenten,HermLewandowski,
bereits stell vertretungsweise verwaltet hat.
In Wien wurde am 21. d. M. im Rathaus-
parke das Lau ner-S trau SS-Denkmal feierlich
enthtlllt. Zu der Feier hatten sich Vertreter des
Hofes, der Regierung, der Stadtverwaltung, der
Künste und Wissenschaften, der Finanz u. s. w. ein>
gefunden; auch die Familien der beiden ältesten
Walzerkönige hatten verschiedene Mitglieder ent-
sandt. Erzherzog Friedrich erwiderte auf eine
vom kaiserl. Rat Weidinger gehaltene Ansprache,
in der er die Bedeutung der beiden Komponisten
für Wien beleuchtet und der Erzherzog ersucht
wurde, die Enthüllung des Denkmals zu bewerk-
stelligen, mit folgenden Worten: ,In Vertretung
Sr. Majestät des Kaisers und Königs bin ich bei
dieser Feier erschienen, welche dem Andenken der
beiden populärsten Schöpfer der Altwiener Tanz-
musik gewidmet ist. Ich hoffe, dass dieses von
der Pietät errichtete Denkmal ein neuer Schmuck
237 —
dieser alten Kaiserstadt and für ihre Bewohner
ein Wahrzeichen der Altwiener rröhlichkeit sein
wird. Möge nunmehr die Hülle fallen." Von dem
Wiener Männergesangverein wurde eine von
Dr. Y. Rad 1er gedichtete, von Kremser kompo-
nierte Hymne „Lanner und Strauss-* gesnngen.
Bärgermeister Lneger übernahm das Denkmal in
die Obhut der Stadt, mit einer Ansprache, in der
er seiner Genugtuung Über die Wahl des Platzes
Ausdruck gab. In einer Festschrift gibt Dr.
V. Rad 1er eine treffende Charakteristik der beiden
Meister, die er als Reformatoren und geniale Ver-
edler der Volksmusik preist und die als solche
neben den grossen Meistern Haydn, Mozart, Beet-
hoven und Schubert schon längst ein Denkmal in
Wien verdient hätten. In der Festschrift wird
auch dankend erwähnt, dass der vor wenigen
Wochen verstorbene Baron Nathanael v. Roth-
schild im Jahre 1902 den damals noch fehlenden
Rest des Denkmalfonds in Höhe von 30 500 Kronen
beigesteuert hat mit der Bedingung, dass das
Denkmal nicht, wie ursprünglich beabsichtigt war,
inmitten des Strassentrubels, sondern in dem
herrlichen, lauschigen Rathauspark aufgestellt
werde — Das Denkmal ist ein Werk des Bild-
hauers Franz Seifert.
Die Königsberger „Singakademie^^ ^1®
1906 ihr vierzigjähriges Jubiläum feiert, hat
beschlossen zu Pfingsten 1906 das „zweite alt-
preussische Musikfest" auf eigene Kosten und
unter Leitung ihres Dirigenten Prof. Max Brode
abzuhalten. Die „Musikalische Akademie" zu
Königsberg, die „Singakademie" zu Danzig und
der „Philharmonische Chor" zu Elbing sollen zur
Aütwirknng eingeladen werden.
Der Leipziger ,,Riedel-Verein" hat für seine
nächstwinterlichen Konzerte Händel's „Messias'^
Mozart's „Requiem" und Liszt's „Graner Fest-
messe" und „13. Psalm" in Aussicht genommen.
Um zahlreichen Wünschen zu entsprechen,
lässt die Verlagshandlung von N. Simrock,
Berlin, den 3. Band der .,Violinschule" von
Joseph Joachim und Andreas Moser schon
vor dem 2. Bande erscheinen. Der 3. Band,
welcher fast ausschliesslich von Joseph Joachim
bearbeitet ist, enthält 16 Meisterwerke der Violin-
Literatur, durchweg bezeichnet und mit neuen,
bisher ungedruckten Cadenzen versehen von Joseph
Joachim. Der Inhalt setzt sich aus Werken von
Bach, Händel, Tartini, Viotti, Kreutzer,
Rode, Mozart, Beethoven, Spohr, Mendels-
sohn und Brahms zusammen. Der Band er-
scheint Mitte Oktober.
Der „Stern'sche Gesangverein" in Berlin,
dessen Leiter derzeit Oskar Fried ist, wird in
kommender Saison dessen „Trunkenes Lied" zur
Aufführung bringen. Gegenwärtig ist Fried mit
der Komposition eines anderen Nietzsche-Stoffes,
„Der Mistral*', für Männerstimmen und Orchester
beschäftigt.
Die Königl. Hof- und Staatsbibliothek in
München erwarb vor kurzem aus der Helbing-
schen Versteigerung der Sammlungen aus Schloss
Miltenberg für 3405 Mk. die Meisterlieder-
Handschrift des Hans Folz, die das einzige
zuverlässige echte Autograph des berühmten Vor-
gängers von Hans Sachs bildet. Mit dem un-
gewöhnlichen Autographen wert eine hohe wissen-
schaftliche Bedeutung verbindend, ist der Kodex
eine wichtige Bereicherung der Quellen zur Ge-
schichte des Meistergesangs, die in den handschrift-
lichen Schätzen der k. Hof- und Staatsbibliothek
aufbewahrt werden.
In Oberammergau wird in diesem Jahre
nach dreissigj ähriger Pause wieder einmal „D i e
Kreuzesschule", eine Art verkleinertes Gegen-
stück der grossen Passion, allsonntäglich bis in
den sinkenden Herbst hinein aufgeführt. Die
Generalprobe vor einem geladenen Publikum fand
am 28. Mai statt und war von München aus sehr
stark besucht; das prachtvolle Wetter Hess das
unter freiem Himmel stattfindende Spiel unter
allergünstigsten Verhältnissen sich abwickeln. Die
„Kreuzesschule" gibt das Leben David's in sieben
dramatisierten Szenen wieder und hängt einer
jeden als Erfüllung des Vorbildes die Parallel-
episode aus dem Leben Christi als lebendes Bild
an. Diese Bilder werden vom Chorführer durch
einen gesprochenen Prolog eingeleitet und von
Chor und Orchester begleitet. „Die Kreuzesschule"
hat sich langsam aus dem grossen Passionsspiel,
in welchem sie organisch enthalten war, entwickelt
und selbständige Form angenommen. Ersteres hat
sein Bestehen bekanntlicli einem Gelübde der
Oberammergauer im Pestjahre 1633 zu verdanken.
Die erste poetisch selbständige Gestaltung erhielt
die „Kreuzesschule'' im Jahre 1811 durch Pater
Weiss; im Jahre 1875, gelegentlich ihrer letzten
Aufführung wurde sie vom hochw. Pfarrer
Deisenberger in Oberammergau überarbeitet.
Das Werk wurde diesmal in einer neuen Dichtung
vom Geistlichen Rat Josef Hecher und mit
neuer Musik von dem früheren Münchener Stadt-
vikar Wilhelm Müller aufgeführt.
Ein „alter Bayreuther" schreibt uns bezüglich
der Notiz über Thereie Malten in der vor. Nr.
unsei-es Blattes: Die Dame hat die Kundry in
Bayreuth 1882 nicht „kreiert". Von dem, wie so
häufig, falsch gebrauchten unschönen Ausdrucke
abgesehen — denn kreiert hat Meister Richard die
Kundry — ist auch die Mitteilung tatsächlich un-
richtig. Die erste Darstellerin der Kundry war
Amalia Materna, die zweite Marianne Brandt.
Erst als diese sich genötigt sah, auf eine fernere
Tätigkeit im Festspielhause zu verzichten, wo sie
schon 1876 durch schnelle Übernahme der Wal-
traute eine Aufführung der Götterdämmerung ge-
rettet hatte, kam Therese Malten als dritte Kundr}^
an die Reihe.
— 238 —
Bficher und Musikalien.
R. Wagner: Fantasie in Eis-moU für Pianoforte.
Nachgelassenes Werk.
C. F. Kaliiit Nachfolger, Lelpsig.
Nach den ersten Eompositionsversachen (um
1830), die, nach Wagners eigenem Wort, von „Ud-
sinnigkeiten^^ strotzten, . machte er den strengen
Kursus bei We iniig durch, der ihm vorschrieb,
„sich von allem Schwulst" frei zu machen. So
entstanden die fast kindisch erscheinenden „Klavier-
Sonate" in B- dar und die vier händige „Polonaise" j
bei denen man nicht vergessen darf, dass sie
eigentlich Uebungen sind, bei denen der Komponist
sich Zwang auferlegen musste und dem inneren
Zug nicht folgen durfte. Dann aber gestattete ihm
der Lehrer, „etwas nach seinem Gefallen" zu
schreiben, und das war vorliegende „Pantasie".
Sie ist also das erste Erzeugnis des „selbständig"
gewordenen Komponisten und ein Widerschein
des Seelenzustandes des achtzehnjährigen Wagner.
Sie hat aber nicht nur historischen, sondern auch
an sich künstlerischen Wert und würde uns fesseln,
auch wenn man den Nam<9n des Autors nicht
kennte.
Breithaupt hat in einem Aufsatz über
„Wagner^s Klaviermusik" (Musik III, 20) eine sehr
eingehende Analyse des Stückes gegeben, der man
im grossen und ganzen beistimmen kann. Nur
musste er noch mehr betonen: das Wollen ist
grösser als das Erreichte, das, was nach Ausdruck
ringt, grösser als das Werk selbst. Es ist bei
einem Stück dieser Art viel leichter, die Einüüsse
nachzuweisen, unter denen der junge Komponist
stand (das waren namentlich Mozart, Beethoven
und Weber, von denen Züge sehr deutlich ausge-
prägt sind), als die Keime des späteren Meisters
aufzudecken. Breithaupt geht oft zu weit im Suchen
von thematischen Vorahnungen späterer Werke.
Wirklich auffallend sind nur: „War es so sehmäh-
lich" (Walküre, III) und Tannhäuser^s Erzählung:
Orchesterfigar zu „Inbrunst im Herzen". Aber ich
meine, viel wichtiger als solche einzelnen Anklänge
sind für die Erkenntnis des embryonalen Wagner
der dramatische Zug des Ganzen, die offenbar zu
Grunde liegende poetische Idee, die aus dieser
Fantasie fast eine sinfonische Dichtung macht, die
Plastik, das Sprechende in den Rezitativen, das
Dialogisieren, das nicht nur orchestral wirkt, indem
man verschiedene Instrumentengruppen herauszu-
hören glaubt, sondern auch dramatisch, als dekla-
mierten verschiedene Personen eine bewegte
Szene.
üeberraschend ist der tief düstere Ton des
ganzen Stückes. Als „Idee" stellt sich greifbar
deutlich die des Kampfes gegen eine drückende
Macht heraus (ich wage nicht „Schicksal" zu
sagen, da die feindliche Macht im Stück nicht ver-
treten ist und der Kampf nicht gross, hart
genug ist; wenn Breithaupt von „wilder Wut"
spricht, so übertreibt er etwas). Bei weitem am
bedeutendsten ist der Anfang. Der düstere, ver-
haltene Groll ist höchst stimmungsvoll. Das
AUegro ist konventioneller und selbst für das immerhin
sehr schöne Adagio (D-dnr) kann ick mich nicht
so begeistern wie Breithaupt. Die Itezitative da-
gegen sind prächtig. Da ist am meisten Grösse und
Kühnheit. Vor der Heprise spukt Beethovens
Neunte Sinfonie in den Heminiscenzen aller Themen,
die durch Bezitative unterbrochen werden. Sehr
schön ist auch das ohnmächtige Zurücksinken am
Schiuss. Die thematische Arbeit ist bemerkens-
wert, die Harmonik ganz einfach.
Der Druck scheint dem Manuskript genau zu
folgen bis auf das Ausschreiben der Verzierungen.
Eine Ergänzung der Nuancen und Bevision der
Phrasierung wäre wünschenswert für das Publi-
kum. Leider sind auch zahlreiche Druckfeiiler
vorhanden.
Die Veröffentlichung dieser Pantasie ist jeden-
falls von grosser Bedeutung und dem Hause
Wahnfried gebührt Dank dafür. Der Ertrag ist
der R Wagner-Stipendienstiftung bestinmit.
J. Vianna da Motta.
L. van Beethoven: Sonaten für Piano und Violine.
Bearbeitet von J. Joachim.
C. F. Peteri, Leipilf.
'Mancher Geiger, Dilettant oder Pachmano,
legte einst mit schwerem Herzen eine mehr als 50
Jahre alte, ehrwürdige, gut gestochene Ausgabe
beiseite, die er von seinen Eltern oder Grosseltern
erhalten und an die er sich gewöhnt hatte. Warum
war er dazu genötigt? Weil der Kiaviersümme
die Geigenstimme nicht übergelegt war. Es ist
schwer, ein sicheres und feinfühliges Zusammen-
spiel zu erzielen, wenn sich keine Geigenstimme
im Klavierpart beündet. Wer nun die neue, von
Meister Joachim herausgegebene Peters- Ausgabe
genau durchsieht, wird zum grossen Teil seine alte
liebe bekannte Edition wiederä.nden. In meinem
Besitze beünden sich z. B. die Sonaten op. 30,
No. 1, 2 und 3, op. 23 in der alten Peters'schen,
op. 47 und op. 96 in der Wiener Haslinger'schen
Ausgabe. Wäre es nun genügend gewesen, diese
nur in neuer Ausstattung wieder herauszugeben?
Durchaus nicht. In unserer Zeit sucht man alles
entweder nach den Original -Manuskripten der
grossen Geister direkt oder doch zum mindesten
nach ihren Intentionen erscheinen zu lassen.
Wollen wir unsere klassischen Werke nicht nur
als Unterhaltungsmusik, wie das wohl früher leider
oft geschah, zum Vomblattspiel benutzen, sondern
für unser Leben ein musikalisches und tech-
nisches Studium haben, so müssen dieselben
immer von einer Autorität durchgesehen und zum
Studium eingerichtet sein. Ein besserer als unser
klassischer Geigenmeister Joachim konnte nicht
239 —
gefunden werden. Er hat die Traditionen der alten
kl assisch enWiener Geiger Josef Böhm, Schappanzigh,
Clement trea bewahrt. Diese 3 Meister haben
unter 6eethoven*s eigener Leitung seine Quartette,
andere Kammermusikwerke und das Violinkonzert
studiert. Josef Böhm ist, wie bekannt, Joachim's
Lehrer gewesen. Ausserdem gehört aber Joachim
zu den Kunstpriestern unserer Zeit, welche mit dem
Taktstock und Geigenbogen in der Hand oder am
Klavier unsere unsterblichen Klassiker bis in's
kleinste zu interpretieren verstehen.
Es wäre wünschenswert gewesen, wenn die
in der musikalischen Welt mit Hecht so hochge-
schätzte Verlagsfirma Peters schon vor 20 Jahren
uns diese Ausgabe gebracht hätte. War doch die
David'sche Revision der Sonaten von Beethoven
erstens eine Eselsbrücke für schlechte Fhrasierung
durch zu häufige Anwendung des Hinüberziehen s
der ersten Note eines Taktes in die letzten des vor-
hergehenden. Zweitens bot ein vollständig dilettan-
tischer Fingersatz trägen Leuten die Gelegenheit,
niemals zweite und vierte Lage spielen zu lernen.
Die Klavierstimme der David'schen Ausgabe war
mehr im klassischen Geiste gehalten als die Geigen-
stimme, weil hier die Manieriertheit seines Geigen-
spiels keinen Platz fand. — Besondere Einzelheiten
der neuen Edition hervorzuheben, ist wohl nicht
notwendig; jeder bessere Dilettant und Musiker
kennt diese Meisterwerke und hat sie lieb. So-
bald er das neue Notenheft aufschlägt, werden ihm
die Vorzüge dieser Ausgabe der Sonaten von Beet-
hoven in die Augen fallen.
Dagobert Lötoenthal.
Edouard Schtttt, Op. 68. Pages intimes. Sechs
Klavierstücke.
N, Slmroek, 6. n. b. H.y Berllm.
Ausserordentlich feine Stücke, fast raffiniert
im harmonischen und durchaus apart im melodischen
Teil, die mich ausnahmslos interessiert haben. Diese
reizenden Charakterstücke, deren jegliches eine
ausgesprochene und scharf abgegrenzte Stimmung
als tondichterische Basis hat, verlangen sehr ein-
gehendes und liebevolles Studium, wenn sie restlos
zu der Wirkung gelangen sollen, die sie hervorzu-
bringen recht wohl imstande sind. Sie dürfen
allen solchen Spielern warm empfohlen werden,
die geneigt sind, nicht alltägliche Pfade zu be-
treten, und werden auch empfönglichen Zuhörern
viel Freude bereiten.
Eugen Segnitz,
Pädagogische Lesefrüclite.
Mitgeteilt von
Heinrich Oermer.
Die Kunst ist Erweiterung und Erhebung unseres Ich.
Die Kunst gehört zuerst den Künstlern.
F. Kummer.
Die Musik hat ihre Logik, die ebensowenig
ungestraft verletzt werden darf, wie die des Denkens.
Aber sie ist nicht mittels des Verstandes — auch
nicht des schärfsten — kontrolierbar, sondern nur
mittels des musikalischen Sinnes.
E. V Hartmann.
Wo Logik und Aesthetik um den Vorrang
streiten, hat stets die Aesthetik das entscheidende
Wort zu sprechen; denn in der Kunst sind die
obersten Gesetze die der Schönheit.
G. Wustmann.
Die aesthetischen Gesetze, wo stehen sie ge-
schrieben, wo sind sie zu kaufen? Diese aesthe-
tischen Gesetze sind ein Produkt der Persönlich-
keit, der Bildung und Kunstübung. Jeder muss
das beste von diesen aesthetischen Gesetzen sich
in eigener Lebensarbeit für sich selbst zu eigen
machen.
H. Kretschmar.
Die Sänger geben sich nicht die Mühe, eine
schöne Schattierung in den Gesang zu bringen;
ihr ganzes Bestreben ist vielmehr darauf gerichtet,
diesen oder jenen Ton mit grosser Kraft hervor-
zustossen. Daher ist ihr Gesang kein poetischer
Ausdruck der Seele, sondern ein physischer
Kampf ihres Körpers.
G. Verdi.
Ein bloss reinlicher, bloss korrekter Vortrag in
der Musik hiesse soviel wie ein tötendes Buch-
stabieren. Er gehört unter die Rudimente. Deut-
liche Aussprache ist noch kein verständiges Dekla-
mieren; sinnvolle Deklamation ist noch nicht
empfindungs- und somit eindrucksvolle Be-
redsamkeit. Eine Kunst des Vortrags wird aber,
zumal in der Tonsprache, erst durch das Zu-
sammenwirken dieser drei Faktoren begründet,
von denen jeder höhere den niederen bedingt.
H. V. Bülow.
Freie Deklamation und eindrucksvolle
Phrasierang — nicht Windmühle!
F. Liszt.
Den jungen Schülern sage ich : Uebt euch be-
ständig und hartnäckig im Kontrapunkt, bis eure
Hand hinreichend frei und stark geworden Ist, um
jede iNote nach eurem Willen zu beugen. Bemüht
euch, mit Sicherheit zu komponieren und ohne
Künstelei zu modulieren. Aber hütet euch vor dem
verminderten Septakkord, der Zuflucht der an-
spruchsvollen Nichtskönner.
G. Verdi.
Ein nicht gutes Zeichen für die Musik ble^^^^
— 240 —
es immer, wenn sie einer Ueberschrlft bedarf, sie
ist dann gewiss nicht der inneren Tiefe entquollen,
sondern erst durch irgend eine äussere Vermittel ung
angeregt. Dass unsere Kunst gar Vieles ausdrücken,
selbst den Gang einer Begebenheit in ihrer Weise
verfolgen könne, wer wird es leugnen? Die aber,
die die Wirkung und den Wert der so entstandenen
Gebilde prüfen wollen, haben eine leichte Probe^
sie brauchen nur die Ueberschriften wegzustreichen
R, Schumann.
Vereine.
Schal gesangs-Kommlsslon.
Um dem Widerstreit der Meinungen zwischen
den Herren Gustav Beckmann und Ludwig Riemann
einen Abschluss zu geben, lasse ich nachstehend
noch die fragliche „Weise" nach Herrn Riemann's
Notierung folgen:
Der Text der deutschen üebersetzung lautet:
Kirschblüte! Kirschblüte! In dem Lenzeshimmel,
soweit man ihn Überblicken kann, sind es Kebel
oder Wolken? O nein! Denn Blütenduft verbreitet
sich. Wohlan denn, wohlan denn, lasst uns
schauen gehen! —
Die JLeser des ,K1.-L." mögen nun selbst ein
Urteil fällen. Die Angelegenheit hat an dieser
Stelle damit ihren Abschluss gefanden. A, M.
Munlkpädagogischer Verband.
General - VerBammlung
Erste Oktoberwoche in Berlin.*)
Vorläufige Tagesordnung.
1. Jahresbericht des Vorstandes.
2. Kassenbericht.
3. Beratung der Satzungen und der zu den-
selben eingereichten Anträge.
L A.
Xaver Schancenka^
I. Vorsitzender.
*) Datum und Lokal wird in der 2. Sep-
tember-Nummer bekannt gemacht. An-
meldungen der auswärtigen Mitglieder
und der Delegierten der angeschlossenen
Vereine werden bis zum 15. September bei
dem L Vorsitzenden Professor Xaver
Scharwenka, oder der L Schriftführerin
Frl. Anna Morsch erbeten.
Anzeigen.
Konservatorium der Musik
in Kassel
Gegr. 1895. Direktion: L Beyer. Gegr. i896.
EhrenTOraitz : Regiemnjcs-Prüsident tob TroM in 8m1i,
Gnt Könlftdorff, Ezoellenz Oeneralin tob ColoMb,
Oberbürgermeister MQUer u. A.
Cnratorinm: Pfarrer Baae, Soholdirektor Prof. Dr. Kram-
maeber, Bankier PlaMi, Joatizrath Seheffer u. A.
Lehrer : Die Damen : L. Beyer, Blaiil-Fdntery Königl. Opem-
säDgerin, OleMe-Fabromly ▲. Taadlea. Die Herren:
A. HartdegABy Kammervirtaos, Prof. Dr. USbel,
0. Kaletoch, Kgl. Kammermaaiker, K. KletiMaBB,
Kffl. Opernsänger, W. HOBhaMpfe, Kgl.Kammermuaiker,
Ed. Sehaiidt, Kgl. Kammermasiker, B. SehBBrbascb,
K^l. Kammermusiker n. A.
Unterrichtfächer : Klavier, Violine, CeUo, Harfe und alle
übrigen Orchesterinsti-omente. Gesang, Harmonie-
und Kompositionslehre. Musikgeschiohte. Italienisch.
Orchesterspiel. Oehörübung. Ilusikdiktat.
OrganiMtion: Concertklassen. Seminarklassen. Ober-,
Mittel- und Elementarklassen.
Stataten sind kostenfrei zu beziehen duroh die Schriftleitung
des Konservatoriums Kassel, Wilhelmshöher Allee 48.
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Gute Zeugnisse und Kritiken zu Diensten. Nicht
abgeneigt, sich später finanz. zu beteiligen. Off.
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Dr. J e d 1 i c z k a und andere Meister des Klavicrspiels.
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Erste Lehrkräfte, volletindige musikalische und pädagogische Ausbiidung. Elementarklassen.
Prof. Siegfried Ochs.
Dirigent dea Mphilharm. Chorea".
Berlin W., Bendler-Strasse 8.
Spreohat nur ▼. 11—12 ühr Yorm.
Franz Grunicice,
Orgel, Klavier, Harmonielehre.
Berlin W., Stelnmetzstr. 49 ^i-
Martha Remmert«
Hofpianistin, Kammervirtnosln.
Berlin W.« Taaenzienstr. 6.
JEäZnzna JBioolu
Pianistin.
Berlin W., Neue WInterfeldstr. 15.
Konzert-Vertr.: H. Wolff, Berlin.
Flora Scherres-Friedenthal
Pianistin.
Berlin-CharlottenbaTgt
Kantatr. 160a.
Prof. Jul. Hey'S Cesangschule.
Berlin W., Elsbolzstrasse 5U,
am Botanischen Garten.
Gesangnnterricht erteilen:
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Sprechstxinde: 3—4.
Prof. Felix Schmidt.
Berlin W^ Tanenzlenstrasse 21.
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Gesangunterricht (Meth. Marchesi).
Berlin, Bayrentherstr. 27.
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des nilfieMeiiieii DeiitKDe« CebrerimieMvereiMi.
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gegründet 1878
Elisabeth Simon
BRESLAU» Teiehstr. 6i-
Institut
f. human. -erzlehl. Musik-
unterricht
mit Lelirerlnnenausbilduns:
nach Ramann- Volckmann
von Ina Lohner»
Nürnberg, mittl. Pirkheimerstr. 94ni.
Erlangen, Luitpoldstr. 18.
and
Anna Hesse.
Gegründet 1882.
Erfurty Sohillerttrasas 27.
Helene NSringi
Gesanglshrerin. Tonbildung (Luise Ress),
Gehörbildung (Methode Chev6).
MRigeberO I. Pr., Tragheim-Passage 3.
Vaieska Kotsehedoff)
BERIilBT Wn litttsow-vrer 1 !▼.
BiBj^uif Q«nthiB«r«tr.
Klavierunterricht, Theorie. Ensemblespiel,
Anleitung zum Lehrberui. Einzelunter-
richt. Klassenunterricht.
Oertrod WIJs-BIeyer,
EoBsertsiagerln Messosopran.
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Unter dem Protectorat Ihrer Kgl. Hoheit der Grossherzogin Louise von Baden.
Beginn des neuen Schuljahres am 15. Sept. 1905.
Der Unterricht erstreckt sich über alle Zweige der Tonkunst und wird in
deutscher, englischer, französischer und italienischer Sprache erteilt.
Die ausführlichen Satzungen des Grossherzoglichen Konservatoriums sind kosten-
frei durch das Sekretariat desselben zu beziehen.
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dieselbe sind zu richten an den Direktor
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gestiftet durch das Vermächtnis des Herrn Dr. Josef Panl llochy eröffnet im Herbst 1878 unter der
Direktion von Joachim Raff, seit dessen Tod geleitet von Prof. Dr. Beruhard Scholz, beginnt am
1. September da« Js. den IVinter-Karsas«
Der Unterricht wird erteilt von den Herren L. Uzielli« E. Engesser, Hermann Zilcher, Musikdir.
A. Glttck, Frl. L. Mayer, Herrn Chr. Kckel, Frl. M. GSdecke, Frau E. Yeldkamp, Frl. J. Flagge,
Frl. H, Schnitze und Herren H. Golden (Pianoforte), H. Gelliaar (Orgel), den Herren Prof. Joh.
Messchaert, S. Rigatini, Frl. Cl. Sohn, Frl. Marie Scholz und Herrn A« Leimer (Gesang), den Herren
F* Bassermann, Konzertmeister A. Hess, Konzertmeister A. Rebner, Frl. Anna Hegner und F. Küchler
(Violine bezw. Bratsche). Prof. B. Cossmann. Prof. Hugo Becker, J. Hegar und Hogo Schlem&ller (Violon-
cello), W. Seitrecht (Kontrabass), A. Könitz (Flöte), R« Milns (Oboe), L. Mohler (Klarinette), F. TQrk (Fagott),
C. Preasse (Hom), J. Wohllebe (Trompete), Direktor Prof. Dr. B. Scholz, Prof. J. Knorr, C. Breidensteln,
B. Sekles und K. Kern (Theorie und Geschichte der Musik), Prof. G« Hermann (Deklamation und
Mimik), Literatur: Herr Prof. Dr. R. Schwemer, Frl. del Lnngo (italienische Sprache).
Prospekte sind durch das Sekretariat des Dr. Hochschen Konserratorlams, Eschershelmer Land-
Strasse 4, gratis und franko zu beziehen.
Baldige Anmeldung ist zu empfehlen, da nur eine beschränkte Anzahl von Schülern angenonmieD
werden kann.
Die Administration: Der Direktor:
Emil Sulzbaeh« Prof. Dr. B. Scholz.
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Hoflieferant
8r. Maj. des Kaisers von Deutschland und Königs von Preussen,
Direr Maj. der Kaiserin von Deutschland und Königin von Preussen,
Ihrer Maj. der Kaiserin Friedrich,
Sr. Maj. des Kaisers von Russland,
Ihrer Maj. der Königin von England,
Ihrer Maj. der Königin Regentin von Spanien,
Sr. Königl. Hoheit des Prinzen Friedrich Carl von Preussen,
Sr. Königl. Hoheit des Herzogs von Sachsen-Coburg-Qotha,
Ihrer Königl. Hoheit der Prinzessin Louise von England (Marchioness of Lome).
I. Fahrik: 5—7 Johannis-Str. n. 27 Ziegel-Str.
n. Fabrik: 21 Grflnauer-Str. n. 25 Wiener-Str.
ni. Fabrik: 124 Reichenberger-Str.
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40 Wi8:tnore Street
BERLIN N.
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Für die Redaktion yerantwortlich: Anna Morsch, Berlin W., Ansbacherstr. 37.
Expedition nnd Verlag y^Der Klarier -Lehrer^^ M. Wolff, Berlin W., Ansbacherstraaae 37.
Druck: J. S. Freuss, Berlin S.W., Kommandantenstr. 14.
DeF Klavier-Iiehrer.
Musik-padagogische Zeitschrift für alle Qebiete der Tonkunst.
Organ der Deutschen Musiklehrer-Vereine,
der Musik-Sektion des fl. D. L-V. und der Tonkünstler-Vereine
zu Köln, Dresden, Hamburg, Leipzig und Stuttgart
Begründet 1878 von Professor Emil Breslaun
Prd.SÄr,r^^^^^^^^^^ Redaktion: Anna Morsch
musikalifnbandlungtn, Poil • JInstalten ^ ..
(unter De. 4170) 1,50 IHk.. bei direkter Berlin W.«
Zusendung unter Kreuzband pranu«
merando 1,75 IDk., üutland 2 rak.
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fllr die zwclgespalicne Petltzdle cnl«
gegcngenomnen.
No. 16.
Berlin, 25. August 1905.
XXVIII. Jahrgang.
Inhalt: Dr. Walter Niemann: John Field. (Schluas.) Ludwig Rienoann: Der akuatisehe Einfluss der alten und heutigen Klaviere
auf die Kooipoaitionatechnik. Wilh. Rischbieter: Vereinzelte Gedanken einea alten Muaikera. Georg Hiller: Schillerfeier bei
August a Götze. Mitteilungen von Hochachulen und Konaervatorien. Vermiachte Nachrichten. Bfleher und Musikalien, be-
sprochen von J. Vianna da Motte. Anzeigen.
Von
Dr. Walter Niemaiin.
(Schluss.)
Die Würdigung eines Künstlers mit einer
trocknen Erzählung seiner Lebensschicksale,
einer Aufzählung aller Ruhmes- und Ehren-
titel zu beginnen, ist ein abschreckend, ledern
Ding, Steht uns das Bild des Gefeierten als
scharfe Silhouette geistig vor Augen, so will
die biographische Zugabe meist nicht mehr
recht munden. Es hiesse aber etwas Un-
vollständiges bieten, wollte man nicht auch
mit den wichtigsten Daten aus Field's Lebens-
geschichte sich in Kürze vertraut machen.
Als einzig authentische und reichste Quelle
dazu finden wir den Nekrolog, der in seinem
Todesjahr in der Leipziger „Allgemeinen
MusikaL Zeitung"*) erschien. Er ist nach
sichersten Quellen bearbeitet" und fusst zum
Teil auf eines Herrn Fr. Alb. Gebhard's
authentische Zeugnisse. Er wimmelt von
anekdotischem und erzählendem Kleinkram,
enthält aber doch mancherlei kleine, kaum
bekannte Details. — Dort mag sich jeder
Interessent in alle Einzelheiten vertiefen. —
Field wurde, so hören wir aus ihm, am
26. Juli 1782 zu Dublin in Irland als Spross
♦) Jhrg. 1837, No. 29, S. 4ßl-468. No. 30,
S. 481-486.
einer richtigen „Musikerfamilie" geboren. In
jungen Jahren mit seinem Vater nach London
übergesiedelt, wurde er dort ein Schüler
Clementrs, des grossen Spielers und ebenso
grossen Geizkragens. Mit ihm besuchte er
zuerst Paris und Deutschland, trat auch in
Paris gelegentlich an die Oeffentlichkeit und
erntete schon dort als Bach- und Händel-
Interpret allgemeine Bewunderung. 1802 ging's
dann nach Wien. Hier plante Clementi den
Unterricht bei Albrechtsberger für Field, allein
letzterer liess sich nicht dazu bewegen, ihn auf-
zunehmen, sondern wusste es durchzusetzen,
dass sein Meister ihn auf flehentliches Bitten
mit nach St. Petersburg nahm, wo Clementi
für exorbitante Preise unterrichtete. Durch
Zufall, als er seinen Lehrer eines Abends im
„Englischen Clubb" als Spieler vertreten
musste, „entdeckt", drohte er nach Clementi's
Fortgang im Frühjahr 1805 jenen bald als
Lehrer und Spieler zu überstrahlen. Davon
konnte sich dieser, als er im nächsten Jahre
zurückkehrte, gründlich überzeugen. Bereits
1802 hatte Field dort höchst erfolgreich
debütiert, ein weiteres Konzert folgte 1804 mit
M«« Mara. Als Spieler und Lehrer stieg er
246 -
zu ungeheurem Ansehen und Popularität. Er
verdiente durch Unterrichten ungeheure
Stimmen, kam aber sein ganzes Leben lang
infolge seiner übergrossen Vorliebe für den
Champagner niemals auf einen grünen Zweig.
Eine kleine Reise nach Mitau und Riga abge-
rechnet, blieb er« bis 1812 in St. Petersburg
ansässig. In diesem Jahre siedelte er nach-
einem höchst erfolg- und ertragreichen
(6000 R.) Konzerte auf kurze Zeit, 1820 defi-
finitiv nach Moskau über. 1831 zog es ihn von
Russland fort, zunächst nach Paris (1832), wo
er aber als Pianist nicht mehr wie anfangs '
gefiel. Seine Werke haben in Frankreich,
obwohl sein Schüler Charles Mayer in Paris
1818 sein I. Konzert spielte, nur kurze Zeit bis
zum Auftreten Moscheies* und Hummel's
und vorübergehend festen Fuss gefasst. Im
Jahre 1883 setzte er seine Kunstreise bei zu-
nehmender Kränklichkeit fort, um in Belgien
(Brüssel: Frühjahr 1833), Südfrankreich
(Toulouse u. s. w.), die französische Schweiz
(GenO und (1834) Italien von Mailand und
Venedig, wo er öffentlich auftrat, bis Neapel
zu konzertieren. War er schon lange Zeit
durch unregelmässiges, den Trunk liebendes
Leben — das sogar in den letzten Jahren die
Schönheit seines Spiels stark gefährdete*; —
auf seine Gesundheit eingestürmt, so ereilte
ihn hier der Anfang vom Ende. Schwerkrank
lag er 9 Monate im Hospital, bis ihn die
russische Familie Rachmanow in seine zweite
Heimat, Russland, zurücknahm. Auf der
Rückreise gab er in Wien 1835 jene obener-
wähnten, denkwürdigen 4 Konzerte**). Im
selben Jahre langte er wieder in Moskau an
und gab auch hier noch ein Konzert. Doch
schon zwei Jahre später, am 11. Januar 1837,
verschied er daselbst, als Mensch eine zartbe-
saitete, feine und zur Melancholie neigende
Persönlichkeit, in ganz Russland aufrichtig
betrauert.
Fragen wir uns einmal zum Schlüsse,
was Field uns heute ist und sein kann, was
*) So sagt R eil Stab in seiner „Iris", Jhg.
1835, Berlin, S. 142: „Jetzt soll er sich freilich
und leider ohne eigene Schuld um die Sicherheit
der Hand gebracht haben."
**) Hanslick (Geschichte d. Konzertwesens
in Wien, Wien 1869, S. 328; lässt Field 1830 drei
Konzerte im Wiener Kämtnerthor-Theater absol-
vieren. In der „Allgem. Musik.-Ztg." findet sich
kein Beleg dafür in den Wiener Korrespondenzen
d€S betr. Jahrganges. Bei dem auf selbständigen
archivarischen Studien beruhenden Werte des
Hänslick'schen Werkes ist an der Glaubwürdig-
keit dieser Mitteilung wohl nicht zu zweifeln.
wir endlich noch von ihm lernen können. Als
Komponist für den Konzertsaal ist er endgiltig
verstummt. Nur einige Nocturnes kann man
noch ab und zu von feinsinnigen Virtuosen
wie Risler, Pauer u. a/ hören. Ihr Beispiel
sähe man gerne z. B. von der Careno, Klee-
berg u. a. allseitig nachgeahmt! Von seinen
Konzerten verirrt sich das in As-dur noch
einmal in das Studierzimmer des Pianisten.
Seine wenigen Kammermusikwerke sind ver-
gessen, ein Schicksal, von dem man das die
edelste Hausmusik . repräsentierende As-dur-
Quintett gern verschont sähe. Diese im allge-
meinen durchaus mit Unrecht geschehene Zu-
rückdrängung des feinen Meisters ist höchst be-
dauerlich. Field wird nach seinem wahren Werte
wiederum nur dann geschätzt werden können,
wenn die deutsche Hausmusik sich seiner
von neuem annimmt. Hier eröffnet sich der
Wiedergabe seiner Werke der passendste und
weiteste Tummelplatz Welche beruhigende,
läuternde Wirkung haben noch seine
Nocturnes, zur rechten Zeit an friede-
vollen Sommer-, an heimeligen Winterabenden
von verständnisvollen Spielern vorgetragen!
Lernen von ihnen können wir noch heute die
Kunst natürlichster und doch unmittelbar zu
Herzen gehender Melodik, die schwere Kunst,
nicht mehr geben zu wollen, als es das Talent
gestattet, nur das, was die Naturanlage zu
geben erlaubt. Das, was seinen Werken in
ihrer Gesamtheit innewohnt, die innere Ge-
sundheit, lässt sich freilich nicht erlernen;
gerade unsrer Zeit tut sie dringend not.
Ein Wort noch zum Schlüsse über Neu-
ausgaben Field'scher Kompositionen. Den
reichsten Vorrat bieten Breitkopf & Härtel. Da
findet man alles, nicht nur 18 Nocturnes in
Carl Reinecke's Ausgabe, sondern auch alle
Konzerte, seine Kammermusik, Lieder, kurz
alle in dieser Studie erwähnten Kompositionen,
vor. Will man sich aus den besten seiner
Klavierwerke ein geschlossenes Bild von der
F^tis in seiner ,,Biographie universelle des
Musiciens", Paris 1862, III. S. 245 f., erwähnt nichts
davon, wohl aber Mendel -Reissmann*s
Musikal. Konversations-Lexicon, III, S. 514, das
wiederum von den 1835 in Wien gegebenen Kon-
zerten nichts weiss, dafür jene Wiener Konzerte
vor das erste Mailänder Auftreten 1834, also eiwa
in*s vorhergehende Jahr (Durchreise von Sfldfrank-
reich und der Schweiz nach Italien) setzen muss.
Auch der Nekrolog weiss nur von Wiener Kon-
zerten im Jahre 1835 zu erzählen. Fanden solche
auch 1830 dort statt, so können sie von Field nur
auf seiner Durchreise von Russland nach England
gegeben sein.
— 247 —
künstlerischen Persönlichkeit Field's machen,
so greife man zu dem von Rieh. Kleinmichel
vortrefflich besorgten „Field-Buch** bei Senff.
Man findet in ihm eine sorgfältige Auswahl
aus seinen schönsten Nocturnen, Konzerten,
Sonaten und kleineren Kompositionen (Rondo's,
Fantasien u. a.). Die Nocturno's sind mehr
oder weniger vollzählig in zahlreichen guten
Ausgaben zugänglich. An erster Stelle sei
die ausgezeichnete Liszt*sche Ausgabe mit
Vorwort bei J. Seh über th genannt Daneben
eine Separatausgabe des „Reviens** von
Klaus er in demselben Verlage. Weiter ver-
öffentlichten die Nocturnes: Peters (L. Köhler,
17), Litolff (Clem. Schultze, 17), Cotta (A.
Löschhorn, 17, mit A-dur-Sonate), Universal-
Edition (Alph. Duvernoy), Steingräber
(Phrasierungsausgabe, Riemann, 17, und
„Reviens"), einzelne derselben Schlesinger
(A. Holländer), Kahnt (Schucht, 5 Nummern),
Siegel (^Musikal.Universal-Bibl.**, 4Nummem)
und Rahter (Leschetizky, 1 Nocturne). Das
As-dur-Konzert wurde ausserdem auch noch
von Peters veröffentlicht*).
Möchte diese Studie recht viele veranlassen,
den fast vergessenen, duftigen Blumengarten
eines gemütvollen, zartsinnigen Meisters der
Klavierkomposition zu betreten, dessen an-^
mutige Blüten noch heute in Stunden innerer
Einkehr uns erfreuen und Abendfrieden
bringen können. Mit Bishop, Balfe, Bennett,
Barnett, Sullivan, mit Mackenzie, Stanford und
Elgar gehört Field jedenfalls zu den Meistern,
welche die alberne Mär von dem unmusikali-
schen England glänzend widerlegt haben.
*) Die Ausgabe dreier Nocturnes „als Vor-
studien zu Chopin^^ von Sara Heinze ist als Ver-
ballhornisierung ohne Existenzberechtigung.
@ep a1<asHscbe ßiof luss der all^et) ui)d bcuHget) Kla^kpe
auf die ](oiT)posi1*ioi)s1*ecbi)lk«
Von
liOdwiif Blenann.*)
Ehe ich in mein Thema eintrete, müssen wir
uns über einen Begriff einigen, der die ganzen
Betrachtungen wie ein roter Paden durchzieht.
Das ist der Begriff Tonschönheit.
Wir nennen einen Ton schön, wenn er als
Klang unter günstiger Resonanz in Begleitung
seiner harmonischen Obertöne an unser Ohr tritt,
oder, empirisch ausgedrückt, wenn ein voller, ge-
sättigter, weicher Klang dem Tonkörper entströmt. '
Der Grund des Gefallens kann sowohl in der Ton-
form, wie in der Tonmaterie gesucht werden. Die
schöne Tonform kann für die Musikästhetik nur
aus der Verbindung des Grundtones mit seinen
harmonischen Obertönen geholt werden, da die
Akustik als Quelle jedes Tones nur diese Zu-
sammensetzung des Klanges kennt. Die Schön-
heit der Tonmaterie mit ihrer Klangfarbe kann
natürlich eine variable sein. So nennen wir z. B.
einen weichen Trompetenton ebenso gerne schön,
wie einen weichen Geigenton. Das Gefallen an
der Tonmaterie und der Klangfarbe ist seit
Menschengedenken ein zeitliches und wechselndes
gewesen. Damit streifen wir die Eigenschaft des
Schönheitsbegriffes selbst, der bekanntlich nicht
als absolut, sondern nur als relativ definiert werden
kann. Wenn wir die Kammermusik als den intim-
•) Vortrag, gehalten im Tonkünstl erverein zu
Köln, mit Vorführung alter Instrumente: Klavichord,
Virginal, Spinett, Cembalo, Ibachord.
Bten Aufenthalt der musikalischen Kunst ansehen,
schätzen wir von diesem Gesichtspunkte aus den
Klavier- und Geigenton als den beliebtesten und
weit verbreite.<iten. Der Gesangston nimmt insofern
eine beneidenswerte Ausnahmestellung ein, als er
zn allen Zeiten als vornehmster Klang geschätzt
worden ist. Wir wissen, dass die Herrscliaft des
Ella vier- und Geigen t.ones noch gar nicht so alt
ist. Noch zur 2^it unserer Grosseltem galten im
Familienkreise die Guitarre, die Flöte und die
Vorläufer unseres Hammerklavieres als die belieb-
testen Musikinstrumente. Lassen wir, historisch
rückwärts schreitend, die Klangfarben der jeweilig
herrschenden Modeinstrumente an uns vorüber-
gehen, so dürfen wir staunen über die Geschmacks-
richtungen, denen das menschliche Ohr folgen
musste.
Da nun mein Thema ein durchaus objektives
Betrachten der zeitlich herrschenden Klangwir-
kungen voraussetzt, so möchte ich bitten, dass wir
uns der Vorliebe für den heutigen Modeton voll-
ständig entäuBsem und die alten Klänge vorur-
teilslos und aufnahmefreudig an uns herantreten
lassen. Wir müssen bedenken» dass nach hun-
dert Jahren unsere Nachkommen ebenso unsem
heutigen Klavierton belächeln werden, wie wir
uns heute über die Zeugen vergangener Zeiten
amüsieren. Ich beginne mit den Vorläufern
unseres Klaviers und bitte deshalb, mir in d/le ge-
— 248
heimDlsvolIe Reeonaozstatte eines Klavichords za
folgen. Man denke sich eine Saite, an welche
mittels der Taste ein kleiner, breiter Eisenstift
drückt. Dieser Eisenstift versetzt die Saite in zwei
schwingende Teile, von denen der kleinere Teil in
der Hegel gedämpft wird. Infolge des Druckes
anf der Anschlagstelle nimmt die Saite eine Win-
kelstellnng an. Anf dieselbe Saite schlägt aber
auch abwechselnd eine andere Taste, sodass durch
andere Teilung ein neuer Ton entsteht. In eine
Saite teilten sich oft 3-4 Tasten, sodass das ge-
bundene Klavichord mehr Tasten als Saiten hatte,
(z. B. 45 Tasten zu 26 Saiten.)
Zwar konnte die Tonstärke nur eine äusserst
dürftige bleiben, da die Tonerregung gleichsam
indirekt vor sich ging. Als Vergleich denke maq.
sich eine Violinsaite durch blossen Pingerauf schlag
zum Tönen gebracht. Jedoch wurde ein reizvoller
Vorzug durch diese Anschlagsart geschaffen: Das
Beben, durch welches dem Klavichord bis weit in
das 18. Jahrhundert hinein eine Lebensfähigkeit
gesichert war. Der Einfluss auf die Kompositions-
technik ist aus dem Klangmechanismus leicht her-
zuleiten. Infolge des Herhaitons einer Saite für
mehrere Tasten war die Mehrstimmigkeit naturge-
mäss beschränkt. Zu jener Zeit fiel dieses Manco
aber nicht in's Gewicht, da die Melodie in ihrer
monodischen und polyphonen Art ihre Herrschaft
ausübte. Wie geschaffen war die Klavichord-
technik für die Verzierungsmusik. Die leichten
riorituren, Verschnörkelungen, Ausfüllungen zwi-
Haupttönen ersetzen die Dürftigkeit in der Klang-
dauer. Das unbewusste Sehnen nach Harmonie
fand hierdurch seine Nahrung in ähnlicher Art,
wie wir es noch heute in der Musik der orientali-
schen Kulturvölker finden.
Die Anschauungen der Komponisten über den
Wert der Instrumente fielen wegen der Modula-
tionsfähigkeit des Klanges vielfach zu Gunsten des
Klavichords aus. So lobten Ph. Em. Bach und
Quantz den gut singenden schmeichelnden Ton.
Bachsagt^): „Das Clavichord unterstützt am besten
eine Ausführung, wo die grössten Eeinigkeiten des
Geschmackes vorkommen. Das vollkommenste
Akkompagnement beym Solo ist ein Clavichord
nebst dem Violoncell.'*
Mau sieht, wie bescheiden die Musiker jener
Zeit in ihren Ansprüchen waren. Eür das General-
bassspiel blieb das Clavichord natürlich ausge-
schlossen, bezw. auf kleine Räume beschränkt.
Wir müssen jedenfalls festhalten, dass im 17. und
18. Jahrhundert Kompositionen geschrieben worden
sind, die den Klavichordklan^, z B. das Beben,
in einer Oantilene zur Voraussetzung hatten. Der
Verlast, unsererseits jetzt daran keinen Geschmack
mehr zu finden, ist zwar begreifiich, schadet aber
der historischen Treue.
*) Versuch über die wahre Art, das Klavier zu
spielen.
Als man anfing, die Musik in grosseren Räu-
men aufzuführen, z. B. in den grossen fürstlichen
Musiksalons, den Kameras, kamen die Konkurrenz-
Instrumente: das Klavicembalo und Hammer-
klavier zu ausgedehnter Herrschaft. Um die
akustische Bedeutung, die Klangfarben dieser
Instrumente als Grundlagen ftlr die Kompositions-
technik voll zu begreifen, müssen wir uns vor-
stellen, dass das Klavier von allen Musik-
insti-umenten die meisten Verwandlungsformen
durchgemacht hat. Alle Orchesterinstrumente
gleichen, bebonders in der Entstehung des Tones,
fast ausnahmslos ihren Vorgängern. Also nicht
die Tonerreger, sondern die Ton- and Besonanz-
körper waren Wandlungen und Verbesserungen
unterworfen (z. B. Vermehrung der Klappen). Aber
bei dem Klavier haben sich beide — Tonerreger
und Tonkörper — auf die Dauer der Jahre ver-
ändert. Scbon die Herkunft deutet auf ganz ver-
schiedenartig gebildete selbstäodige Vorgänger, die
sich auf 3 Linien zusammenziehen lassen.
1. Monochord, 2. Psalterium, 3. Harfe,
Klavichord.
Haokebrett,
Klavicembalo,
Virginal,
Spinett,
Klaveclns,
Tafelklavier,
Plügel.
Arpichord,
Klavicytheriam,
Giraffenklavier,
Kielflügel,
Pianoforte,
Pianino.
Nahezu 400 Jahre musste es dauern, ehe die
in der Tastatur sich gleichenden, aber im Klang-
charakter sich sehr unterscheidenden Ahoen
unseres Klaviers in die beiden heutigen Instru-
mente, Flügel und Piano, sich vereinigten. Nor
die Saite als gemeinsamer Tonkörper und das
Schlagen oder Reifisen des Tonerregers machen es
verstau dlich, dass die sehr verschiedenartigen drei
Urahnen: Monochord, Hackebrett und Harfe, sich
überhaupt zu einem gemeinsamen Instrument ver-
schmelzen konnten. Man denke dagegen z. B. an
die Vorfahren der Streichinstrumente. Noch heute
gelten die italienischen Muster der Tonkörper aus
dem 17. u. 18. Jahrhundert als vorbildlich. Alle
anderen Versuche, Stahlgeigen, die Stelzner^schen
Formen vermochten die Muster nicht zu ver-
drängen. Die Herabsetzung der Saitenzalil als
einzige einschneidende Umänderung führte nur zu
anderer Anschliessung der Kompositionstechnik,
aber nur in der Zusammensetzung der Doppel-
griffe. Die z. B. für Viola di gamba oder Viola
d^amour geschriebenen melodischen Formen
konnten unbeschadet auf die heutigen analogen
Instrumente übertragen werden. Die Tonstücke
aber, welche für die Liste der Klavierverwandten
seit 400 Jahren geschrieben worden sind, erfahren,
ungeachtet ihrer verschiedenen Klangvoraus-
setzungen, auch dieselbe Behandlung. Flügel und
Piano beherrschen heute die gesamte Literatur
ihrer Vorfahren. Dieses eingebürgerte Hecht ein-
— 249
mal Daher zu untersuchen, gilt mit als Haupt-
zweck meines Vortrages.
Das Hecht der Alleinherrschaft unseres Kla-
viers stützt sich auf die Annahme, dass mit der
Vervollkommnung die Tonschönheit gleichen Schritt
gehalten hahe. Dieses einmal vorausgesetzt,
mtissten die alten Klavierstücke heute schöner
klingen, einen tiefereu Eindruck hinterlassen als
zur Zeit des CembaIo*s. Dieses Urteil wäre aber
einseitig, denn es entspricht zunächst dem subjek-
tiven Schönheitsurteil. Man prüfe einmal sein
masikalisches Gewissen beifolgender Behauptung:
Herrscht bei dem Spiel der alten Fugen und
sonstigen Kompositionsformen unserer Altmeister
auf dem heatigen Klaviere, abgesehen von der
Bewunderang für den Anfbau und den Fluss der
Stimmen, die echte Freude, die Gennssfülle, eine
Ergriffenheit des Gemüts, wie wir sie bei den
Werken des 19. Jahrhuuderts kennen? Ich sage
nein (wohlverstanden, ich meine die Klaviermusik).
Ist nicht die Wiedergabe der Klavierstücke unserer
Altmeister zu einer reinen Verstandesarbeit ge-
worden, die besonders bei den Musikstudierenden
nur darauf ausgeht, die Fiugertechnik zu erhöhen
uud allenfalls die theoretischen Grundlagen zu er-
kennen? Ich sage ja! Ist es nicht bezeichnend*
dass mit der Entstehung des heutigen Klavier-
tones die Klavierfuge allmählich von der Bild-
üäche verschwand, dass zur 2jeit der Umwandlung
der belederten Häjnmer in die beülzten, also mit
Mendelssohn und Schumann, die letzten Klavier-
fagen geschrieben worden sind. Ausnahmen aus-
geschlossen. Hat doch schon Chopin es unter-
lassen, überhaupt Fagen zu komponieren, nicht
blos^s deshalb, weil ihm diese Kompositionstechnik
nicht behagte, sondern weil sein sensibles Gefühl
den Klavierton seiner Zeit nicht dazu geeignet
erklärte.
Das Verschwinden der Klavierfoge auf Rech-
nung der Mode, des musikalischen Geschmack-
wechsels zu setzen, geht nicht gut an, denn auf
der Orgel wird eine Fngenkomposition heute noch
mit derselben Genussfreudigkeit gehört und geübt
wie früher, ja die dynamischen Schattierungen ge-
statten heute noch einen tieferen Genuss. Woran
liegt es nun, dass die polyphonen Stücke früherer
Zeiten auf dem heutigen Klavier kalt und trocken
klingen? Ich glaube einen Grund gefunden zu
haben. Abgesehen von der Wandlung des musi-
kalischen Geschmackes überhaupt, haben wir total
vergessen, dass die früheren Kompositionen unter
ganz anderen Klangvoraussetzungen geschaffen
worden sind, als wie wir sie heute kennen. Es
fehlt uns der Klangvergleich mit den Vorläufern
unseres Klaviers, die in den Musikinstrumenten-
sammiungen ihr letztes kümmerliches Dasein
fristen.
Von den drei Tonerregungsarten der Tasten-
instrnmente haben wir bereits das Klavichord aus-
geschieden. Als Hauptvertreter dieser Liste
bleiben uns nun noch das Klavicembalo und das
Hammerklavier. Die Anschlagsmechanik des
Klavicembalos und dessen Verwandten führte
durch Reissen mit einem eisernen und später be-
lederten Stift den Ton herbei, ähnlich wie der
Finger die Harfensaite anreisst. Die Mechanik des
Hammerklaviers ist bekannt. Die Akustik lehrt,
dass der Tonerreger, also hier Hammer oder Stift,
den grössten Ein fluss auf die Klangfarbe einer
Saite ausübt, insofern die Obertöne als Ursache
der Klangfarbe mehr oder minder dabei ausge-
schaltet werden. Verfolgen wir nun kuiz den
Vorgang beim Hammerschlag.
Der Hammer bringt durch s»inen plötzlichen
Schlag die Saite plötzlich ans dem Gleichgewicht.
Nun ist es akustische Tatsache, dass bei der Ent-
stehung jedes Klanges die Obertöne bezüglich ihrer
Stärkegrade in stetem Kampfe liegen mit ihrem
Grundton. Das Hervortreten des Grundtones hängt
lediglich von der Tonerregung, also hier vom
Hammerschlag ab. Ist der Hammer und sein
Schlag hart, so treten mit der grösseren Stärke
des Grundtones die fast ebenso stark erregten
Obertöne in Aktion. Wir haben dafür die Aus-
drücke klimpern, schrill, stechend. Ist der Hammer
weich, elastisch, so entstehen drei Vorzüge: 1. läuft
die Bewegungswelle, die durch die Gleichgewichts-
störung entsteht, langsamer, sodass die Ober-
töne später, einen Bruchteil einer Sekunde zur
Greltung kommen, 2. können sich die Obertöne
wegen der geringeren Kraftwirkung schlechter an
Stärke entfalten, und 3. weiss die heutige Hammer-
mechanik durch die genau abgemessene Lage des
Niederschlags die unharmonischen Obertöne zu-
rückzuhalten. Aus diesen 3 Vorzügen entsteht in
der Mittel läge des Klaviers ein sonorer, harmo-
nischer Klang. In den tiefen Lagen hat der
Hammer nicht die Kraft, die Bewegungswelle so
zu regeln, dass der Grundton in derselben Stärke
dominiert. Die Teiltöue treten nach der Tiefe hin
immer mehr in*s Gewicht, sodass bekanntlich der
Grundton der 5 tiefsten Tasten nur schwer zu er-
kennen ist. In den höchsten Lagen des Klaviers
hat der Hammer infolge des weichen Filzes gar
nicht mehr die Kraft, die Saite überhaupt zu zer-
legen, wenn das Geräusch des Aufschlages nicht
hörbar sein soll. Um dieses Manko auszugleichen,
geht die Mechanik des rechten Pedals bei allen
Klavieren nicht über das dreigestrichene g hinaus.
Zu den drei verschiedenen Klangwirkungen tritt
dann noch eine vierte, verderbliche, die durch das
Abnutzen der Filzhämmer und durch allmähliche
Veränderung des Resonanzbodens entsteht.
Der Klavicembaloton gibt uns im Gegensatz
zum Klavierton ein ganz anderes Bild. Der be-
lederte Holzstift bringt durch rutschendes An-
reissen alle Teile der Saite zu gleicher Zeit in
Spannung, d. h. in die Fähigkeit, mit gleichem
Zeitanfang zu schwingen. Die Bewegungswelle,
die sich beim Klavierton von dem Punkt der An-
— 250 —
schlagstelle au« über die Saite hin fortpflanzen
mnss, fällt hier vollständig fort, da infolge des
Anreissens die Störung des Gleichgewichts sich
aof alle Teile der Saite erstreckt, und daher alle
Teile der Saite zu gleicher 2^it anfangen zu
schwingen. Die Spannung versetzt die ersten 5—6
Obertöne mit dem Grundton gleichzeitig in Be-
wegung, wodurch zwar der Grund ton dem Klavier-
grundton gegenüber an Kraft einbüsst, letzteren
aber au Gleichmässigkeit und harmonischem Reiz
übertrifft Es entsteht ein harmonisch wohl-
klingender Ton, den der Laie mit harmoninm-ähn-
llch bezeichnet, ein Klang, dessen Zaaber wir uns
noch heute gerne bei der ähnlichen Harfenklang-
farbe hingeben. Eiu anderer Klang^nterschied der
beiden Tasteninstrumente liegt in der Zeitdauer.
Durch die plötzliche Erregung des Hammeran-
schlages ist uns der Grundton in seiner ganzen
Stärke an das Ohr getreten, «he die Obertöne zum
Färben kommen. Wenn dieses geschieht, tritt die
G«samtschwingang der Saite schon wieder zurück
und der Grundton nimmt sehr schnell ab. In der
Regel kommt der Klavierton wegen seiner kurzen
Dauer in Tonstärken nicht über dieses erste Stadium
hinaus. Lässt man ihn aber durch Niederhalten
der Taste länger zufrieden, so entsteht das zweite
Stadium. Die Bewegungs welle hiuterlässt, sobald
sie sich über die ganze Saite ausgebreitet hat, ein
vollkommenes gleichzeitiges Zusammenwirken des
Grand tones mit allen harmonischen Oberlöoen.
Bei feinfühlendem Anschlag nennen wir dieses
Stadium .Singen des Klaviertones*. Es wird
manchem neu sein, dass der schönste Ton also
nicht zu gleicher Zeit des Hammerschlages ent-
steht, sondern erst nachher Das Zeitliche hierbei
haben wir natürlich mit Brachteilen einer Sekunde
zu messen. Halten wir die Taste noch langer
nieder, so entsteht das dritte Stadium. Der Grnnd-
ton tritt, weil er den ersten Anstoss bekommen
auch zuerst zurück, und einzelne Obertöne, be-
sonders der drittle, fangen an ihn zu übertönen.
Da beim Tone des Klavicembalo der Grnndton zu-
gleich mit den Obertönen auftritt, ist auch das
Abnehmen des Gesamtklanges ein gleichzeitiges
seiner Einzeltöne.
(Fortsetzung folgt.)
^^vz\t)7i^\U @edai)l<^t) eii)es a11*ei) ^usil^ers.
Von
Wilhelm Biachbieter.
(Fortsetzung.)
„Wer ist grösser, Mozart oder Beethoven?
Goethe oder Schiller?" Wie oft sind diese Fragen
wohl schon aufgeworfen und erörtert worden,
ohne endgiltig entschieden zu sein! Abgesehen
davon, dass es uns eigentlich ganz gieichgiltig
sein kann, welche von den Genannten die beiden
Grössten sind, so ist es auch gar nicht möglich,
diese Fragen objektiv zu beantworten; denn das
Kunstprodukt, vor allem das musikalische, ist ein
subjektives, und wird daher von jedem seiner
Individualität entsprechend aufgefasst und be-
urteilt. In Bezug auf die Werke der Dichter
könnte obige Frage vielleicht noch eher beant-
wortet werden; denn die Dichtungen teilen sich
zunächst unserem Verstände mit und wirken erst
dann auf unser Gemüt, nachdem wir den Sinn
derselben erfasst haben. Aber auch hier, bei der
Dichtkunst, könnte wieder die Frage aufgeworfen
werden, ob derjenige Dichter, der es unternimmt,
die Wirklichkeit zu idealisieren (Goethe), der echte
ist, oder derjenige, welcher das Ideal verwirk-
lichen will 1 Schiller». Zu der ersteren Klasse ge-
hören unter anderen Homer und Shakespeare; zwei
Grössen allerersten Hanges.
Die Musik wirkt, im Gegensatz zur Poesie,
zunächst auf unser Gemüt; sie nimmt auch ihren
Stoff nicht, wie die Poesie, aus dem wirklichen
Leben, und ist daher die innerlichste, seelen-
vollste aller Künste. Seine Seele, seine Empfin-
dung hat aber jeder für sich allein, während er
sein Wissen mit „vorgezogenen Geistern" teilt;
und darum wird die Antwort auf die Frage: wer
grösser sei, Mozart oder Beethoven, immer eine
mehr oder weniger subjektive sein. Man kann
annehmen, dass diejenigen, welche ihrer Natur
nach mehr für das Leidenschaftliche, Gewaltiire
schwärmen, Beethoven über Mozart, Schiller über
Goethe und Michel Angelo über Ilaphael stellen
werden; während die anderen, welche mehr zu
hinneigen, die Goethe mit den
„Ein süsser Friede kommt auf
wie mir geschah", entgogen-
sein werden. — Dass Mozart
das grösste musikalische Genie war, welches je
gelebt, steht wohl zweifellos fest. Hat das doch
selbst Bichard Wagner — dessen Werke über-
wiegend leidenschaftlicher Natur sind - anerkannt.
Wenn sich jemand als Schüler eines Konser-
vatoriums aufnehmen lässt, imi zunächst Harmonie,
dann Kontrapunkt und später Komposition zu
studieren, so wird er in der Liste als „Theorie-
schüler'* bezeichnet und selbstverständlich von
einem „Theorielehrer" unterrichtet. Diese Bezeich-
nungen — Theorieschüler und Theorielehrer —
sind aber hier, in der Musik, nicht ganz zutreffend ;
Seelenstimmungen
Worten ausdrückt:
mich, weiss nicht
gesetzter Ansicht
— 251
denn unter „Theorie" versteht man.ün allgemeiüen
die wissenschaftliche Erkenntnis einer Sache, und
steht dieselbe also zu der Praxis in einem direkten
Gregensatze. Ein Schüler der musikalischen Theorie
muss aber, wenn er über die Anfangsgründe hin-
aus ist, nicht nur etwas wissen, sondern auch
etwas können; denn er muss die Eähigkeit be-
sitzen, Melodien zu harmonisieren, und später,
wenn er Kontrapunkt studiert hat, muss er figu-
rierte Choräle und Fngen schaffen. Das gelingt
aber keinem Schüler ordentlich, wenn er nicht
musikalisch begabt ist, denn mit dem Verstand
allein, wenn derselbe auch noch so gross ist, lassen
sich diese Sachen — wie alle schöngeistigen
Kunstprodukte — nicht schaffen. Ein tüchtiger
Theorie lehre r muss also nicht nur die wissen-
schaftlich theoretische Erkenntnis der Harmonie
besitzen, sondern auch ein tüchtiger Künstler sein,
und deshalb bin ich der festen Ueberzeugung, dass
selbst der hochberühmte Physiker v. Helmholtz
(Verfasser des epochemachenden Werkes „Lehr-
buch von den Tonempfindungen") nicht imstande
gewesen wäre, mit Erfolg Harmonieunterricht zu
erteilen. Dass Helmholtz (selbstverständlich unbe-
schadet sein#*r Grösse als Gelehrter) nicht viel
musikalische Kenntnisse besass, ist mir namentlich
dadurch zum Bewusstsein gekommen, dass er die
grosse Sexte für eine vollkommenere Konsonanz
hielt, als die kleine.
Wie aus dem oben Mitgeteilten hervorgeht,
gibt es also eine wissenschaftliche und eine
praktische Harmonielehre. Das geflügelte Wort;
„grau Freund, ist alle Theorie" kann. sich daher
hinsichtlich dieser beiden Arten der Harmonie-
lehre nur auf die wissenschaftliche beziehen. Aber
ist denn die Theorie wirklich „grau"? Fragt doch
einmal bedeutende Gelehrte, ob ihnen ihre Wissen-
schaft grau oder öde vorkommt! Die soeben ange-
führten Worte sind allerdings von keinem Gerin-
geren, als Goethe; wir dürfen aber bei diesen
Worten nicht ausser acht lassen, dass Goethe die-
selben dem Mephisto in den Mund gelegt, der
dem „Schüler" gegenüber ,, wieder recht den Teufel
spielen" und ihm die Wissenschaft verleiden will.
Dass für Goethe die Wissenschaft nicht „grau"
war, beweist unter anderem seine Farbenlehre,
auf die er sich — wie aus einer seiner Aeusse-
rungen hervorgeht mehr eingebildet, als auf
seinen „Faust". Für Goethe's Ueberzeugung gelten
daher vielmehr die Worte, welche Mephisto aus-
spricht, nachdem er den Faust seiner Wissenschaft
abtrünnig gemacht:
„Verachte nur Vernunft und Wissenschaft,
Des Menschen allerhöchste Kraft."
(Fortsetzung folgt)
Scbilierfeier bei Augasta Götze/)
Von
Geori: Hiller.
Literarische Salons sind im allgemeinen wohl
nicht mehr anzutreffen, das flüchtige Leben der
Grossstadt, die Sorgen des Daseins Überwuchern
die rein geistige Seite des Menschen; für das
Gemüt bleibt wenig übrig. Nerven und Sinne
stehen obenan, sie zu reizen und zu kitzeln, das
ist die Aufgabe einer gewissen literarischen Pro-
duktion unserer Zeit Wir wollen darüber nicht
rechten; auch sie hat ihre Aufgabe, auch sie hat
ihre Berechtigung. Dass uns aber trotz alledem
der Idealismus nicht verloren gegangen ist, dass
wir uns auf uns selbst besinnen, zeigte uns In der
letzten Zeit, wie das Andenken Schi Her 's geehrt
wurde. Zu den vielen Schillerfeiern gesellte sich
nun an einem der letzten Abende eine Feier in
einem auserwählten Kreise. Fräulein Augusta
Götze, unsere berühmte Gesangslehrer) n, huldigt
nicht nur der Musik, sondern ist auch ein bevor-
zugtes Kind der Muse der Dichtkunst. Es ist be-
kannt, dass Ihre Vollendung des „Demetrius* echt
Schiller'schen Geist atmet, und ihre Tragödie
^Vittorla Accaramboni" ist ein grosszügig und
genial angelegtes Werk mit marmorgemeisselten
♦) Durch besondere Umstände verspätet.
Versen und leidenschaftlicher Sprache. — Augusta
Götze ist in Weimar geboren, ihre Jugend haben
noch jene Männer und Frauen geleitet, die die
Grossen von Weimar von Angesicht gesehen und
gekannt haben; sie war ein Liebling des ihrem
Vater eng befreundeten Franz Liszt — kein
Wunder, wenn in ihr alter Weimarischer Geist
lebt, in ihrem Hause Weimarische Tradition ge-
pflegt wird. Und so war denn auch die Schiller-
feier in ihrem Hause warm und innig; hervor-
ragende Männer und Frauen der Literatur und
Musik wohnten ihr bei. In gedrängter Kürze fasste
Fräulein Götze Gedanken über die Schiller'sche
Muse und ihre Entwicklung in einem Prolog zu-
sammen (s. u.) und trug dann, wie diesen Prolog,
auch den Monolog der Marfa und später den
„Pilgrim" mit Meisterschaft vor. Zur Ausführung
der mit poetischem Feinsinn gewählten Gesänge
hatte Fräulein Götze einige ihrer stimmbegabtesten
Schülerinnen herangezogen, unter denen sich eine
frühere Elevin von ihr. Frau Käte Simon-
Koberstein, hervortat, welche — gerade als ein
glänzender Kontrakt mit Graf Hochberg für die
Berliner Hofoper abgeschlossen werden sollte — es
vorzog, nachdem sie noch im Gewandhaus mit
— 252 —
schönstem Erfolge gesungen, die Verheissangen
der Künstlerlaufbafan mit Hymen's glücklichen
Banden zu vertauschen. — Von den Nammem des
Programms Interessierte noch ganz besonders:
„Gruppe aus dem Tartarus", interpretiert durch die
herrliche Altstimme des Fräulein Elisabeth
Honigmann , und dasEinale aus der Tschaikowski-
sehen Oper ,,Johanna D*Arc", welches Fräulein
G-ötze aus dem Eussischen tibertragen und mit
Schiller'schen Worten unterlegt hatte. — Es wurde
von einer jungen Dame mit auffallend schöner und
reicher Sopranstimme, JohannaKttrzel, nut dem
prächtig studierten Frauenchor gesungen.
Am Flügel waltete mit ebenso vorzüglicher
als ausserordenlicher musikalischer Begleitung der
Gesänge Herr Dr. Paul Klengel.
Prolog
von Augusta Goetze
zu ihrer „Schillerfeier" am 23. Mai 1905.
Zu Deinen Festen lass' auch uns Dir nah^n,
Den grossen Dichtergenius zu grQssen,
Es legt der Töne Kunst, Dir Untertan,
Ihr Opfer huldigend zu Deinen Füssen.
Denn : Was zum schönen W^ohllaut ward geboren,
Gehört Dir an, Du lebst in jedem Klang,
Du, der der Schönheit Dienst sich zugeschworen,
Der holder Anmut hehrste Weisen sang.
Zuerst durch Sturm und Drang der Räuberbanden
Tön' heut* Andromacheen's Abschiedswehe,
Aus diesem genialen Brausen dann erstanden
Verklärte Werke auf geweih'ter Höhe.
Durch Jugendleid und Bitternis hervor
Bangst Du Dich in des Werdens Kampfestagen
Zum wahren, reinsten Menschentum empor,
Von dem Dein Leben, Deine Sänge sagen.
Der Leidenschaften trügende Dämonen,
Sie wollten auch Dein edles Sein umgarnen;
Doch kurze Frist nur könnt' bei ihnen wohnen
Der, den der Gottbegabung Stimmen warnen.
Rein stiegest Du hinauf zu dem Vollenden,
Für das Dich Gottes Odem angeweht;
Zu deutschen Drama's wundervollen Spenden,
In dem der Griechen Grösse neu ersteht.
Mit Griechen-Grösse, die den warmen Odem
Des jungen Schicksalskünders in sich trägt,
Schufst Du in neuer Welt, nicht jener toten —
Uns Typen, für die Ewigkeit geprägt.
Aus ihrer Fülle tret' Euch Tell's Gestalt
Im Lied des Fischers lebensvoll entgegen.
Des Wallensteines herrlich' Kind, es malt
Im Sang vom Eichwald ihres Herzens Regen.
Von giösster Liederschöpfer Sang umwunden
ümtönen Euch des edlen Dichters Weisen;
Im holden Lied durch Wohlklang ihm verbunden
Rauscht ihre Harfe heut' zu Schiller's Preisen.
Von der Gedichte überreicher Fülle
Sag' Euch die Gruppe aus dem Tartarus;
Und wie der .Frühling" Frohes Euch enthülle,
So führt sie Euch hinab zum Styx*schen Flnss.
Und dann zulelzt: Lasst die Gestalt Euch grüssen,
Die strahlend hell in Aller Herzen lebt:
Die Jungfrau hört, die zu der Jungfrau Füssen
Ob ihrer Sendung Grösse zitternd bebt.
Seht sie im Kampfe vor den Engelssoharen,
Die Knie gebeugt, um Stärke sie zu fleh'n;
Wer betet nicht mit ihr, dass sie bewahren
Ihr Werk und sie vor schlimmen Untergeh'n?
Vergebens! Denn des grossen Dichters Walten
Schuf ihrer Schuld den ird'schen Untergang;
So hehr doch könnt' er ihre Schuld gestalten,
Dass sie im letzten Kampf drob Sieg errang.
Die Schuld verhängend, weil ohn' Schuld und Sünden
Kein echtes Drama sich gebären kann,
Wusst' er der Schuldverklärung Pfad zu finden,
Wie ihn vor ihm kein Andrer noch ersann.
Kein Sterblicher darf es hienieden wagen.
Das rätselhaft geheimnisvolle Weben
Der SchiciEsalsmächte murrend anzuklagen.
Die siegvoll walten über Tod und Leben.
Doch trauern dürfen wir in ew'gen Klagen,
Dass auf dem Schreibtisch, der von seiner Hand
So viel vollendet Grosses hat getragen,
Am Tag des Tod's sich nur ein Torso fand —
Torso des Werkes, das mit letzter Kraft,
Mit heisser Dichterglut er hielt umschlungen;
Für das er seinem siechen Sein entrafft
Noch Herrlichstes, dem Tode abgerungen.
„Demetrius", ihm galt sein letztes Sehnen!
Vom grossen Werke geh'n, eh' es vollbracht!
Fühlt Ihr die heissen, schweren Geistestränen.
Die drum geweint in schmerzensvoller Nacht!
Und ewig ob des Torso klagt die Bühne,
Denn keinem N achgebor 'nen wird's gelingen,
In hehrester Verkettung Schuld und Sühne
Gleich ihm dem wilden Chaos abzuringen.
Lasst Euch daran mit Marfa's Worten mahnen,
Den letzten Worten, die sein grosses Herz
Uns schenkte; und das wehmutsvolle Ahnen
Euch in die Seele senken: Welchen Schmerz
Die Trennung von dem Werke ihm beschieden,
Um das er rang mit heissen Wunsches Streben,
Und das, wenn ihm Vollendung ward hienieden,
Als grösste seiner Taten würde leben! —
4*
— 253 —
Mitteilungen
von Hoohflohulen und Konseryatorien.
Die Königliche Musikschule zu Würz-
burg, Direktor Hof rat Dr. £arl Eliebert, welche
ihren 90. Jahresbericht versandt hat, verzeichnet
eine Gesamtf requenz von 998 Eleven. Davon waren
250 Musikschüler, die das Studium der Musik be-
rufsmässig betreiben, 80 Hospitanten von den Chor-
gesangklassen, 206 Hospitanten einzelner Lehrfächer
und 422 Angehörige der beiden Gymnasien und
des JLiehrerseminars, die von Lehrkräften der An-
stalt Unterricht im Chorgesang erhielten. Der
Lehrkörper besteht aus 19 Lehrkräften, von denen
Prof. Dr. fiaier am Schlnss des Schuljahres aus-
schied. An musikalischen Aufführungen fanden
statt: 6 Abonnementskonzerte und 1 Kirchenkonzert
onter Mitwirkung sämtlicher Lehrkräfte der An-
stalt, 3 Vortragsabende, eine Schlusfrfeier und
4 Morgenandachten, von Schülern ausgeführt. Prof.
Hermann Ritter feierte im Oktober v. J. sein
25 jähriges Jubiläum als Lehrer der Anstalt. Am
16 Februar 1905 fand d»s 200. Konzert der Musik-
schule statt. Die Stiftung der Frau Luisa Prym,
deren Kapital 20000 Mk. beträgt, wurde von der
Staatsregiernng bestätigt. Ausserdem stiftete Frl.
Constanze Schweich 500 Mk. für unbemittelte
und würdige Musikschüler. Das neue ünterrichts-
jahr beginnt am Montag, den 18. September.
Aus dem 6. Jahresbericht des Freiburger
Konservatoriums, Direktor Carlo del G-rande,
ist das erfreuliche Wachsen der jungen Anstalt,
die unter dem Protektorat der Grossherzogin von
Baden st ht, zu erkennen. Das Institut war von
347 Schülern besucht, darunter genossen 19 Schüler
Freistellen, 12 Halbfreistellen. Das Institut erhielt
von der Stade Freiburg eine Subvention von
3000 Mk. Am Schlüsse des Schuljahres fanden
10 Prüfungsvorträge, 2 davon Öffentlich, statt; der
Geburtstag der Grossherzogin wurde durch einen
Festakt mit musikalischen Vorträgen gefeiert. Das
neue Schuljahr beginnt am Mittwoch , den
20. September.
Der soeben erschienene 21. Jahresbericht des
Grossherzoglichen Konservatoriums für
Musik zu Karlsruhe, Direktor Prof. Heinrich
Ordenstein, weist wiederum eine bedeutende
Vermehrung der Schüler zahl auf. Im ganzen war
die Anstalt von 793 2jöglingen besucht (gegen 663
im vorigen Jahre), darunter waren eigentliche
Schüler 494 (im Vorjahre 470), 271 Hospitanten und
28 Kinder, die im Kursus der Methodik des Klavier-
unterrichts — Abteilung für praktische ünterrichts-
übung — unterwiesen wurden. Es wurden im Laufe
des Schuljahres 24 Aufführungen veranstaltet, näm-
lich: 13 VortragEübungen im Saale der Anstalt,
9 öffentliche Prüfungen im grossen Saale des
Museums, welcher die Kritik einstimmig höchstes
Lob erteilt, 1 öffentliche Theorieprüfung der Vor-
bereitungsklassen und 1 Vortragsübung auf Befehl
und in Anwesenheit Ihrer König!. Hoheit der
Grossherzogin im Saal der Anstalt. Der Unterricht
wurde von 26 Lehrern und 12 Lehrerinnen erteilt.
Das neue Schuljahr beginnt am 15. Sep-
tember 1905.
Das Königl. Konservatorium für Musik
und Theater zu Dresden, Direktorium Herren
Johannes und Gurt Krantz, versandte den Be-
richt über das 49. Studienjahr. Die Frequenz der
Schüler betrug 1505, von denen 518 als Vollschüler
bei Hochschullehrern unterrichtet wurden. An
Aufführungen aller Art fanden 82 im abgelaufenen
Schuljahre statt, darunter 1 Trauerfeier zum Ge-
dächtnis des verstorbenen Königs, 7 Wohltätig-
keitskonzcrte, 11 Prüfungsaufführungen, 10 Musik-
aufffihrungen, 5 Bühnen Vorstellungen und ^0 Muslk-
Vortragsübungen. Eine Iteihe von Reifezeugnissen
für die verschiedenen Zweige, sowohl als aus-
übende Künstler als auch für das Lehrfach,
konnten erteilt werden, ausserdem 4 Preiszeug-
nisse und 35 öffentliche Belobigungen. Bei der
Konkurrenz um die Preise der Felix Mendels-
sohn-Stiftung in Berlin wurden 2 Schülerinnen
mit Preisen ehrenvoll ausgezeichnet. Die Biblio-
thek, welche im abgelaufenen Jahre durch
Schenkungen und Anschaffungen wieder bedeutend
vergrös8ert wurde, umfasst jetzt einen Bestand von
10230 Nummern. Der Jahresbericht ist durch
einen Artikel von Ernst Paul „Eugen Krantz
als Klavierpädagog^* (Nachdruck aus dem „Kl.-L.^
No. 17 und 18, Jahrgang 1904) eingeleitet. — Das
neue Schuljahr des Konservatoriums beginnt am
1. September.
Am Konservatorium Klindworth - Schar-
wenka in Berlin tritt mit d^m 1. Oktober d. J.
innerhalb des Direktoriums eine Personal Verände-
rung ein. Dr. Hugo Goldschmidt, der lang-
jährige Leiter der Anstalt, scheidet aus seinem
Amte, um fortan ungestört seinen wissenschaft-
lichen Arbeiten leben zu können. An seine Stelle
tritt Kapellmeister Robert Hobitschek, der der-
zeitige Vorsteher der Zweiganstalten des Konser-
vatoriums, welcher in Gemeinschaft mit den bis-
herigen Direktionsmitgliedern, den Professoren
Philipp und Xaver Scharwenka, die Leitung
des Konservatoriums führen wird. Die neue
Direktion wird u. a. ein erhöhtes Gewicht auf die
streng seminaristische Ausbildung von Musik-
lehrern und Lehrerinnen legen. Zu diesem Zwecke
sollen din am Konservatorium bereits bestehenden
Seminare für Klavier- und Gesanglehrer
einen erweiterten Stundenplan erhalten, der
in engstem Anschluss an dus Prüfungspro-
gramm des Musikpädagogischen Verbandes
zur Hebung des Musiklehrerstandes gehalten sein
wird. Als Neuschöpfung wird ein Seminar für
Violinlehrer hinzutreten, in dem die Lehramts-
— 254 —
kandidaten durcli den Kammervirtaoseii Florian
Zajic und Konzertmeister Max Qrünberg theo-
retisch und praktisch für ihren Beruf vorbereitet
Tverden sollen.
Der soeben erschienene Jahresbericht über das
65. Schuljahr des Stern*schen Konservatoriums
für Musik, Direktor Professor Gustav Hol-
laender, verzeichnet eine Gesamtfrequenz von
865 Schülern, zu denen noch 56 Besucher der
musiktheoretischen Sonderkurse des Herrn Wil-
helm Klatte zuzuzählen sind. Aus dem Lehr-
körper schieden u. a. Herr Kapellmeister A. v. Eielitz
und Herr Issay Barmas aus. Neu eingetreten
sind Fr. Sandra Drouker, Fr. Lydia Hollm,
Musikdirektor Irrgang, Prof. Martin Krause,
Musikschriftsteller J. C. Lusztig u. a., zu denen
sich im neuen Schuljahre Prof. James Kwast,
Fr. Frieda Kwast-Hodapp , Prof. Fritz Arknyi
und Herr Alfred Wittenberg gesellen werden.
Ln Laafe des Schuljahres fanden statt: 85 üebungs-
abende, 17 öffentliche Aufführungen im Beethoven-
saal, 3 Aufführongen der Opernschule im Theater
des Westens und 3 öffentliche Aufführungen der
Elementarklassen. Ausserdem zum Geburtstag des
Kaisers und zur Feier des 10jährigen Direktor-
Jubiläums und 50. Geburtstages Prof. Gustav
Hollaender*s 2 Festkonzerte. Bei Gelegenheit
des letzteren stiftete das Lehrer-Kollegium eine
Kranken unterstützungskasse, welcher Prof.
Hollaender die Summe von 1000 Mk. zuwies.
Die am 1. September in*s Leben tretende Schau-
spielschule des Deutschen Theaters, unter
Direktion von Max Reinhardt, wird mit der
Schauspielschule des Stern'schen Konservatoriums
vereinigt. — Das neue Schuljahr beginnt am
1. September.
Vom Leipziger Kgl. Konservatorium ist
eine bemerkenswerte Neuerung aus dem eben zu
Ende gehenden Jahrgange zu verzeichnen. Nach-
dem dort schon seit letztem Herbst — und zwar
im besonderen Interesse einer allgemeineren Geistes-
wie G^mütsbildung der angehenden Tonkünstler —
die Vorlesungen über Musikgeschichte syste-
matische Ausdehnung auch auf die Gebiete Lite-
ratur undAesthetik erfahren haben, fanden mit
Genehmigung des Leipziger Stadtrats unlängst
unter Leitung des betreffenden Dozenten, Herrn
Prof. Dr. Arthur Seidl, und (der starken Be-
teiligung wegen) in getrennten Abteilungen, einige
Führungen im dortigen Kunstmuseum für die
Hörer der Anstalt statt. Klinger's „Beethoven^
stand dabei begreiflicherweise im Vordergründe
dieser Besichtigungen; aber auch Böcklin, v. Uhde,
Greiner, Preller kamen zu ihrem Bechte, und Andere,
— alte wie neuere Meister — werden bei späteren
derartigen Veranstaltungen, die als alljährliche ge-
plant sind, folgen. Solch' eingehende Besprechungen,
bei denen nach Lichtwar k*8 bewährter Methode
der ganze Nachdruck auf die intensive Be-
trachtung immer nur weniger Kunstwerke föllt,
sollen zugleich über das Verhältnis der Tonkunst
zur Schwesterkunst, von Programm-Musik zu Pro-
gramm-Malerei etc., prinzipiell aufklären. — Nach
literarischer Seite hin war im Laufe dieses Sommer-
Semesters u. a. durch zeitgemässe Vorträge zur
Schillerfeier für entsprechende Belehrung Sorge
getragen. Auch ein instruktiver Besuch von
de Witt' 8 hochinteressantem Musik-Listnunenten-
Museum, bekanntlich einer Zierde Leipzig's, ist für
das nächste Schuljahr in Aussicht genommen. Und
selbst über berufsgenossenschaftliche Angelegen-
heiten, wie fachwirtschaftliche und dergleichen
Fragen der Zeit, zur Vorbereitung für den Eintritt
ins Leben mit seinen ernsten Forderungen, werden
die Zöglinge des Kgl. Konservatoriums jetzt im
näheren unterrichtet.
Yermischte Nachrichten.
Der Kammervirtuose Florian Zajic erhielt
vom Grossherzog von Baden den Professortitel.
Aus Dresden wird berichtet, dass mit Beginn
des Jahres 1906 die berühmten musikalischen Auf-
führungen in der katholischen Hofkirche nicht
mehr allsonntäglich, sondern nur noch an den
hohen Festtagen aas Ersparnisgründen stattfinden
werden. Vom künstlerischen wie vom sozial-
politischen Standpunkt aus ist die Beschränkung
dieser fast unerreicht dastehenden kirchenmusi-
kalischen Aufführungen der kgl. Hoftheaterkapelle
lebhaft zu bedauern. Die Uranfänge der kgl.
musikalischen Kapelle sind in der alten Hof-
kantorei, welche in Dresden seit den Tagen des
Kurfürsten Moritz bestand, zu suchen. Diese
Kantorei ging aber wenige Jahre nach dem Be-
gierungswechsel Friedrich August L ein und
an deren Statt entstand ein den jetzigen Begriffen
von musikalischer Kapelle vollkommen entsprechen-
des Institut. August der Starke beauftragte
den Vizekapellmeister der Hofkantorei, Johann
Christoph Schmidt, mit Einrichtung einer neuen
Hofkapelle und Hess 85 Instrumentalmasiker be-
rufen. Neben den Kapellmeistern wurden Kirchen-
komponisten angestellt, welche, gUich jenen, das
Institut mit trefflichen Kompositionen bereicherten.
Im Jahre 1716 übergab August der Starke die
Oberaufsicht über die musikalische Kapelle einem
seiner geheimen Räte, eine Stellung, die in der
Folge — seit 1815 — den Titel eines General-
direktors mit sich führte. Unter der Leitung von
Männern wie Lotti, Heinichen, Schürer,
Hasse, Naumann, Schuster, Seydelmann,
Paer, Morlacchi, Weber, Marschner, Reis-
— 255 —
Biger und Krebs gedieh die Kapelle, ein schönes
Ergebnis des Kunstsinnes sächsischer Fürsten, za
künstlerischer Höhe. In der Kirchenmnsikgeschichte
Dresden*8 ist übrigens schon früher einmal eine
ähnliche Veränderang wie die bevorstehende zu
verzeichnen gewesen. Bis 1827 wurden nämlich
alljährlich am Ostersonnabend nachmittags Ora-
torien in italienischer Sprache nach den Kompo-
sitionen von Hasse, Naumann, Schuster, Seydel-
mauD, Paisiello und Morlacchi in der katholischen
Hofkirche aufgeführt. Da jedoch diese musikalische
Feier manchen Anlass zu Störungen im Gottes-
hause gab und die Andacht beeinträchtigte, ge-
nehmigte der damalige König Friedrich Aagnst
die Verfügung des Bischofs Mauermann, nach
welcher diese Aufführungen vom Jahre 1827 an
unterblieben. Das letzte am Ostersonnabend 1826
aufgeführte Oratorium war Naumann's berühmtes
Werk: „I Pellegrini al Santo sepolcro". Seitdem
finden diese Musikaufführungen alljährlich am
Palmsonntage im grossen Opern hause statt.
In dem Juli-Heft der , Revue de Paris** be-
spricht Bomain BoUand das im Mai zuStrass-
burg stattgefundene ,1. Elsass-Lothringische
Musikfes t* und kommt zum Schluss, nachdem
er die mitwirkenden französischen Musiker getadelt,
dass sie sich nicht besser vorher über das Pro-
gramm informiert, zu folgendem urteil: „Die
grösste Gefahr, welche der Musik in Deutschland
droht, ist die Ueberfülle an Musik. Die Musik
ertränkt die Musiker. Feste folgen auf Feste.
Die Konzerte, die Theater, die Gesangvereine, die
Vereine für Kammermusik absorbieren das ganze
Leben des Musikers. Wann hat er Zeit, allein zu
sein und anf seine innere Musik zu horchen!
Diese Ströme von aufdringlicher Musik fluten bis
in die Tiefe seiner Seele, sie vermindern seine
Kraft, sie zerstören die heilige Einsamkeit und
den Schatz der geheimen Gedanken. Zu Zeiten
der grossen Klassiker war es nicht so. Die er-
staunliche Verbreitong an musikalischer Bildung
in Deutschland seit hundert Jahren steht in keinem
Verhältnis zu den künstlerischen Schöpfungen.
Es geht der deutschen Mosik wie dem „Zauber-
lehrling^*: die magischen Kräfte sind entfesselt,
keiner kann sie mehr bannen, und das musikalische
Deutschland ist im Begriff, in dieser Ueber-
schwemraang zu ertrinken.
Prof. Wilh. Weber in Augsburg, der Diri-
gent des dortigen Oratorienvereins, wird in nächster
Saison die Legende für Chor, Soli und Orchester
„Der Kinderkreuzzug^ (,La Croisade des en-
fants**)von Gabriel Piern6 zur ersten Auf ftlhrung
in Deutschland bringen, und zwar in einer von
ihm selbst veranstalteten Bearbeitung in deutscher
Sprache. Das Werk wurde in Paris zweimal im
Januar d. Js. von Colonne mit grossem Erfolge
aufgeführt.
Interessante Illustrationen zur Musik-
geschichte bot das Programm des kürzlich ab-
gehaltenen Sommerkon2erts der bekannten stu-
dentischen Sängerschaft „Fridericiana** in Halle
(früher dirigiert von Kobert Franz». Das sehr
stark besuchte Konzert stand unter dem Zeichen
des Volksliedes von 1226—1860 und vermittelte
die Bekanntschaft mit einer Beihe bisher noch
nicht aufgeführter Werke. Von besonderer Wir-
kung erwiesen sich u. a. die von Otto Richter,
dem gegenwärtigen Leiter der ,Fridericiana", ge-
setzte altengiische Rotamelodie „Sumer is comen
in" aus dem Jahre 1226, sowie die (im Urtext ge-
botenen) Gesänge aus der Locheimer Liederhand-
schrift (1452—1460), desgleichen ein von O. Richter
aufgefundenes und in Partitur geset/tes „Nürn-
bergisches Quodlibet" aus dem Jahre 1650.
Dieses fünfstimmige Stück wurde mit besonderem
Jubel aufgenommen. Es scheint, wie den Richter-
scheu Programm-Erläuterungen zu entnehmen ist,
in doppelter Beziehung bemerkenswert, zunächst
deshalb, weil sich in ihm nicht nar der Anfang
des altnürnbergischen Nacht wächterruf es Endet,
den auch Richard Wagner (wenn auch in etwas
anderer Form) in den „Meistersingern von Nürn-
berg" verwendet hat, sondern weil in einem darin
vorkommenden Melodiestück („Lasst Pfanna flicken,
ihr Weiber!") eine auffallende Aehniichkeit mit
dem Anfange der Fr. Zeiter'schen Weise zu „Es
war ein König in Thule" zu erkennen ist, so dass
die Frage, ob Zelter bei der Konzeption seiner be-
kannten Melodie etwa dieses altnürnbergische Lied-
stück als Vorlage gedient hat, vielleicht nicht un-
berechtigt erscheint. Aber auch in anderer Be-
ziehung ist dieses humorvolle Quodlibet vielleicht
der Beachtung wert, weil es nämlich alte Ausrufer-
melodien verwendet, welche anscheinend dem Altar-
gesang der Kirche entstammen. Zweifellos haben
mehrere in dem interessanten Stücke vorkommende
Melodien eine Aehniichkeit mit der melodischen
Formel des alten „Accentus medius"* der Kirche
und der des „Accentus gravis", wie ja noch heute
die bekannten „Gesänge" der Bahnhofskellner
(„Belegte Brötchen, warme Würstchen** u. s. w.)
stark an die melodische Wendung des altkirchli'^hen
und noch heute lebendigen „Accentus immutabilis"
erinnern. Neben dieisen und andern Gesangsstücken
erregten in dem Konzert besonderes Literesse zwei
Instrumentalwerke, deren Heimat ebenfalls die alte
Volksmusik ist. Es war dies eine köstliche Suite
für Blasinstrumente von Paul Peurl (Bäwerl),
dem um 1580 geborenen Schöpfer der deutschen
Variationen-Suite, welche Komposition von der
königlichen Üniversitäts-Bibliothek Göttingen für
diese Aufführung der „Fridericiana" zur Vorführung
gestellt und von Otto Richter in Partitur gesetzt
worden war. Das andere Werk, eine prachtvolle
„Paduana" für fünf Blasinstrumente und „Con-
tinuo", hatte Johann Rosenmüller (geboren
um 1620) zum Komponisten und entstammte dessen
erst kürzlich von Karl Nef aufgefundener „Stu-
dentenmusik'^ Dieses, ebenso wie die Suite Pearls,
— 256 —
nur in alten Stimmdrncken vorliegende Stück war
von der Bibliothek der „Allgemeinen Mosikgesell-
Schaft*' zn Zürich für das Konzert überlassen
worden. Die mitwirkende Sängerin (Lina
Schneider) bot selten gehörte Volkslieder ans
Schottland, Schweden, Jütland n. a. Die Sänger-
schar nnd sie wurden, wie Inan Eschweiler im
„Hall. Gen.-Anz.'' berichtet, mit BeifaU überschüttet
Anwesend waren viele Angehörige des Corpns
academicnm, darunter die Geheimrfite Droysen,
Schrader, Conrad, Loofs nnd Hanpt, sowie von
der Internationalen Mnsikgesellschaft die Professoren
Arthar Prüfer nnd Dr. Schering ans Lieipzig.
Bücher und Musikalien.
Karl Lamprecht: Zur jüngsten deutschen Ver-
gangenheit. Erster Ergänzungsband
zur deutschen Geschichte.
OaertBer's YerUfftbuehhaAdlnnir, B«rliB.
In diesem Ergänzungsband zu seiner deutschen
Geschichte behandelt der Verfasser die Kunst und
die Weltanschauung der modernen Zeit. Er tadelt
das blosse Aneinanderreihen historischer Tat-
sachen nnd will die , treibenden seelischen Kräfte^
aus der Vergleichung der Tatsachen herausschälen.
Dies ist ihm namentlich in den Abschnitten über
bildende Kunst, Dichtkunst und "Weltanschauung
gelungen. Wie er ganz zwanglos, aus den Er-
sehe! nnngen selbst, seine Schemata ableitet, jeder
Individualität gerecht wird, ohne sie in ein enges
System einzuz wiegen und doch grosse Znsammen-
hänge und weit umspannende Linien in der Ent-
wickelung aufdeckt, das feinste Verständnis für
jedes, oft abstrus scheinende Streben der modernen
Kunst offenbarend: das ist schlechthin bewunde-
rungswürdig, lehrreich, eröffnet neue Perspektiven
und bereitet grossen G^nuss.
Besonders glücklich sind die Bezeichnungen,
die er für die verschiedenen Perioden des Geistes-
lebens gefunden hat. Die Urzeit und das Mittel-
alter nennt er die Zeitalter des symbolischen,
typischen, konventionellen Seelenlebens. Die neuere
Zeit ist das Zeitalter individuellen Seelenlebens.
Es folgt die neueste Zeit, das Zeitalter subjektiven
Seelenlebens. Plir die Zeit, in der wir leben, hat
er das vorzügliche Wort geprägt: Zeitalter der
Beizsamkeit. Ein solches Wort, das statt einer
umständlichen Definition die Sache konzis nnd aus-
drucksvoll bezeichnet, ist von grösster Tragweite.
„Nervosität*' ist immer mit dem Begriff des Krank-
haften verbunden. Darum vertauscht Lamprecht
es mit dem Worte Beizsamkeit und versteht da-
runter „bewusst gewordenes Leben der
Nerven", das eben das Hauptcharakteristikum
unserer Zeit ist. Man muss die Begründung dieser
Einteilung, die der Verfasser mit viel Bedacht aus
der Geschichte ableitet, an Ort und Stelle nach-
lesen. Von hohem Interesse ist die Parallele, die
er dann zwischen dem jetzigen bewussten Nerven-
leben und dem instinktiven der Urzeit zieht.
Hier gibt er uns ungeahnte Massstäbe zur Be-
urteilung moderner Kunst in die Hand. Da stellt
sich z. B. das Vereinfachende, scheinbar Unfertige,
Formlose, das unserer Kunst oft eine Aehnlichkeit
mit den naiven Erzeugnissen der Urzeit gibt, als
gerade beabsichtigt heraus, während die Urzeit in-
Btinktiv, unbeholfen schaffte. ^Der Kulturprozess
ist eigentlich ein Prozess der Selbsterkenntnis', das
unbewnsste Seelenleben wird inmier mehr in das
Bereich klarer Vorstellungen gehoben.
So ist auch das Gesamtkunstwerk Wagner*s
„der Gedanke eines bestimmten Zeltalters, einer
ganzen Epoche'*, ein bewusstes Zusammenfassen
aller künstlerischen Kräfte des Menschen, die
dieser in der Urzeit eben instinktiv ausübte, indem
er Gesang. Dichtkunst und Tanz vereinigte.
Am kürzesten ist die Tonkunst behandelt
Wie der Autor gesteht, war er bei dieser Kunst
am meisten von fremdem Urteil abhängig. Wenn
er auch aus der reichhaltigen Lektüre sich ein
möglichst selbständiges und gerechtes Urteil zu
bilden versucht, so fühlt mau doch hier am meisten,
dass ihm nicht nur das Technische femer steht,
sondern überhaupt das Gefühl für Musik. So lange
er sich im allgemeinen bewegt, gibt er auch hier
Vorzügliches, sobald er aber auf Besonderes ein-
geht, erregt er oft Widerspruch. Da kommt z. B.
gleich die unhaltbare Behauptung, dass das Pariser
Bacchanale im Tannhäuser ein , Zugeständnis" seL
Wann wird wohl diese unselige Idee aus der Welt
verschwinden? Selbst nach den keinen Zweifel
mehr übrig lassenden Briefen an Prau Wesendonk
hält sie sich! Aber so antworte man doch auf
die Frage: ist das Bacchanale in der ersten Fassung
des Tannhäuser etwa nicht vorhanden? Was
die Pariser wollten, war ein Ballet im zweiten
Akt. Wagner hat ihnen so wenig ein Zuge-
ständnis gemacht, dass sie sich durch den berühmten
Skandal dafür rächten. Die Erweiterung und Ver-
stärkung der Glut in der MusiJc ergab sich ganz
einfach aus den Forderungen der Dichtung.
Die erste Venus war, wie Wagner selbst bemerkt,
eine „Kulissen- Venus", das „Grauen" des Venus-
berges wirkte nicht überzeugend, die Göttin selbst
hatte kein Leben. Selbst wenn man zugeben
wollte, dass der Stil dieser Szene nunmehr mit
dem übrigen Werk kontrastiert, so ist auch das
gerade eine Notwendigkeit der Dichtung: der
Venusberg muss den schroffsten Kontrast zur
Elisabeth bilden. Nur wenn jener so sinnberückend
ist, versteht man Tannhäuser's Wesen. Welch' über-
— 257
triebenes Gewicht hat man auch aaf die paar
Reminiscenzen ans Tristan gelegt! Im Charfreitags-
zanber ist eine solche an den Pilgerchor, viele
andere Parallelen »ind in Wagoer's Werken nach-
weisbar (vgl. Bayrenther Blätter). Deshalb allein
darf dieses geniale Stück, das einzig in seiner Art
ist, nicht ans dem Theater in den Konzertsaal
verpflanzt werden.
80 wären noch andere Pankte in Lamprecht*8
Beurteilung Wagner*s, dem er sonst das feinste
Verständnis entgegenbringt, zu berichtigen, z. B.
dass in den Meistersingern das nene Ideal des
Mnsikdramas noch nicht erreicht sei nnd anderes
mehr.
In der Darstellung der Entwicklnog der Musik
erweckt der Verfasser den Eindruck, als müsse
alles Neue auch ein Fortschritt, ein Besseres sein.
Daa trifft aber nur in der Wissenschaft zu, wo
allerdings eine Erkenntnis durch eine neue Ent*
deckung ganz aafgehoben werden kann« Von
Beethoven darf man aber nicht sagen, dass er
durch Brahms an Grosszügigkeit und Einheit
Übertroffen wird. Beethovens reifste Werke sind
nicht zu übertrefien, sein Geist hat darin den voll-
kommensten Ausdruck gefunden und die Sinfonie-
form bis zur Vollendung geführt Neuer Geist
beansprucht allerdings neue Form, aber nicht, weil
die alte mangelhaft war, sondern weil sie erschöpft
ist und Neues darin nicht mehr gesagt werden
kann.
Sehr erfreulich und als Zeichen für die Be-
deutung, die man Wagner als Denker endlich zollt,
ist, dass Lamprecht seine Weltanschauung breit
erörtert.
Wir haben also hier ein hochbedeutsames
Buch, das reinigend, klärend, befruchtend wirken
wird.
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Flfisel- und Pianlno- Fabrikant.
Hoflieferant
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Ftlr die Redaktioii Terantwortlicli: Anna Morsch, Berlin W., Ansbacherstr. 87.
Expedition und Verlag ^Der Klarier -Lehrer^, M. Wolff, Berlin W., Ansbacheratrasae 87.
Druck: J. S. Preusa, Berlin S.W., Eommandantenstr. 14.
Der KlavieF-Iiebrer.
Musik-padagogische Zeitschrift für alle Qebiete der Tonkunst
Organ der Deutschen Musiklehrer-Vereine»
der Musik -Sektion des fl. D. L-V. und der Tonkünstler- Vereine
zu Köln^ Dresden^ Hamburg, Leipzig und Stuttgart
Begründet 1878 von Professor Emil Breslaur.
Redaktion: Anna Morsch
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llnibad)er»tr. 57, zum Preise von 30 Pf.
tfir die zweiflctpaliene Peiitzelle enl-
gegcnflcnommcn.
No. 17.
Berlin, 1. September 1905.
XXVIII. Jahrgang.
iBkalt: Dr. Karl Storck: Die Einheit in Richard Wagner'a Schaffen. Ludwig Riemann: Der akuatische Einflusa der alten und
heutigen Klaviere auf die Kompositionatechnik. (F'ortsotzung ) J. Vianna da Motta: Peter Comellua' literariache Werke. Der
XVm. deutach-evangeliaehe Kirchengesangrereinatag. Mitteilungen von Hochachulen und Konservatorien. Vermischte Nach-
richten. Bücher und Musikalien, beaprochen von Eugen Segnitz. Vereine. Anzeigen.
Sie B^obeit ii) I^icbard VOagoep's j^cbaffet).
Von
Dr. Karl Storck.
Die Wagnerliteratur ist in den letzten
Jahren zu einer Bibliothek angewachsen, und
es ist heute schon recht schwierig, sich einen
Ueberblick darüber zu erhalten; umsomehr,
als Wiederholungen und reichlich phantasti-
sche, durch wenig innere Kenntnis gestützte
panegyrische Schriften gerade hier sehr häufig
sind. Umso freudiger und dankbarer begrüsst
man dann ein Buch, das bei verhältnismässig
geringem Umfang und ohne jede gelehrte
Umschreibung einem das tiefste Wesen dieses
Künstlers offenbart. Ich meine die „Tage-
buchblätter und Briefe Richard Wag-
ner's an Mathilde Wesendonk", die in
dem letzten Jahre bei Alexander Dunker in
Berlin erschienen sind. Es ist soviel über
diese für jeden, der sich mit Wagner be-
schäftigt, unschätzbare Schrift geschrieben
worden, dass ich hier nicht etwas reichlich
spät nach dem Erscheinen nochmals auf das
Buch zurückkommen würde, wenn es mir nur
darauf ankäme, eine Art Besprechung dieses
Buches zu liefern. Ich würde mich dann be-
gnügen, es mit allen Kräften jedem aufs
dringendste zur Lesung zu empfehlen. Aber
der hohe Wert dieses Buches beruht darin,
dass wir aus ihm über den Menschen und
über das innerste Schaffen des Künstlers
Richard Wagner mehr erfahren, als aus irgend
einem anderen, und gerade diese Seite kann
nicht eingehend genug beleuchtet werden, da
über die Persönlichkeit Wagner's selbst bei
jenen, die ihn als Künstler zu kennen meinen,
doch recht irrige oder oberflächliche Ansichten
verbreitet sind. Um uns an das Tatsächliche
und rein Biographische, in diesem Buche zu-
nächst zu halten, sei doch darauf hingewiesen,
dass auch jene, die die Sinnlichkeit Wagner's
keineswegs in dem oberflächlichen und ge-
wöhnlichen Sinne der Masse auflassten und
sehr wohl wussten, dass dieser Mann ein
ausserordentlich hohes sittliches Verant-
wortungsgefühl besass, sobald sie auf die
Züricher Zeit des Meisters und sein Verhält-
nis zu Mathilde Wesendonk zu sprechen
kamen, in einer etwas peinlichen Lage waren.
Man spürte, dass man mit dem blossen Hin-
weis auf „Tristan und Isolde** und den alten
König Marke nicht recht auskam, denn der
dichterischen Vorstellung standen doch recht
materielle und beherzigenswerte praktische
Verhältnisse gegenüber, deren Nichtachtung
oder gröbliche Verletzung es jedem crnbtcn
Verehrer Wagner's schwer gemacht hätten,
— 262 —
über alle für gewöhnliche Irdische geltenden
Schranken hinwegzusehen. Das wussten und
nutzten auch jene zahlreichen „Kunstfreunde",
die in Kunst lerbiographien mit einer gewissen
Genugtuung alle jene Seiten aufstöbern, durch
die sie den Grossen und sonst so Unnah-
baren sich in recht behagliche Nähe herab-
ziehen können. Da wirkt es denn für den wah-
ren Kunstfreund wie eine befreiende Tat und
man spürt seinen seit den Jugendtagen so
oft gekränkten Idealismus mit aller Kraft und
Lebendigkeit wieder aufstreben, wenn man
aus diesem Buche erfährt, dass dieses Ver-
hältnis des Künstlers zu der Frau des Freun-
des nicht nur rein nach gewöhnlichen Be-
griffen war, sondern dass es über das hinaus
einen Heldenkampf vorstellt, den zwei reine
Menschen aus höchstem Pflichtgefühl gegen
wühlende Leidenschaft, heftigstes Begehren
und schweres Leiden führen. In der grossen
Briefliteratur aller Zeiten und Völker finde
ich kaum einen zweiten Briefwechsel zwischen
einem liebenden Paare, in dem sich das Her-
anreifen durch schwere Anfechtung und bitte-
ren Schmerz zu still verzichtender Heiterkeit
so erhaben ausdrückt, wie hier. Denn in
diesem Falle wird der Verzicht nicht nur zur
Quelle eines verklärenden Humors, sondern
zu einem Urgrund einer neuen, starken Liebe
zum Nächsten, zur Welt, in der diese Liebe,
dieses Beglücken wollen anderer den Ersatz
bietet für die eigene Entsagung.
So unschätzbar diese Erkenntnis für
unsere Einschätzung Wagner's ist, so ge-
winnt sie für den Kunsthistoriker doch erst
dadurch ihren ganz besonderen Wert, dass
wir an der Hand dieses Buches erkennen,
dass diese menschliche Entwicklung
durchaus eins ist mit der künstlerischen.
Nach diesem Buche können wir sagen, dass
auch Wagner*s Kunstschaffen niemals etwas
anderes war, als der durchaus wahre Aus-
druck seines persönlichsten Erlebens. Man
pflegt so etwas sonst bei einem modernen
Künstler fast als selbstverständlich anzu-
nehmen. Wenn aber einer wie Wagner nur
die grössten nationalen, also im Volk ent-
standenen und dem Volk gehörigen Stoffe ge-
staltet, wenn er für alle seine Kunst die denk-
bar öffentlichste Aussprache eines auf tausende
von Zuhörern berechneten Bühnenspiels wählt,
wenn er, wie es scheint, niemals das Be-
dürfnis gehabt hat, zu einem allein zu
sprechen, oder gar nur die eigene Stimme
SAina& Herzens zu belauschen, so mag man
doch eine derartige Behauptung übertrieben
finden. Und in der Tat konnte man t)ei den
manchmal recht lächerlichen Streitereien über
die Nationalität und die Rasse Wagner*s bei
Leuten, die ihren Gobineau wohl nur von
aussen kannten, recht oft der Meinung be-
gegnen, es sei doch für einen Deutschen eine
recht eigentümliche Erscheinung, dass dieser
Mann so ganz im Theater aufging, also so
ganz des Heimlichen und Verschwiegenen
bar gewesen sei. Es gibt auch wirklich in
der ganzen Kunstgeschichte kaum ein zweites
Beispiel dafür, dass mit einer sonst fast nie
wieder vorhandenen Vielseitigkeit der künst-
lerischen und geistigen Begabung sich eine
so auffällige Einseitigkeit der Verkündigungs-
art verbindet, wie bei Wagner. Man könnte
auf Shakespeare hinweisen, wird aber hier
sofort den Unterschied zwischen dem mehr
die objektiven Werte erfassenden und schil-
dernden Dichter - Dramatiker und dem doch
durchaus subjektiven Musiker bemerken. Näher
schon liegt der Vergleich mit Schiller, dessen
innerste Natur sich ja auch am alierklarsten
in den Dramen offenbart, die man seltsamer-
weise häufig als objektiv bezeichnen hört,
wo sie doch nur der begeisterte Niederschlag
des ganz persönlichen Denkens und Em-
pfindens des Dichters waren.
Richard Wagner, der zu jenen Künsüem
gehört, die sich nachträglich über ihr Schaffen
immer sehr genau Rechenschaft zu geben
vermochten, hat selber auf diese Eigentüm-
lichkeit seiner Natur in einem Briefe hinge-
wiesen, wenn er sagt: «Die Musik macht
mich nun einmal ganz nur zum exklamativen
Menschen, und das Ausrufungszeichen ist im
Grunde die einzige mir genügende Interpunk-
tion, sobald ich meine Töne verlasse. Das
ist auch der alte Enthusiasmus, ohne den
ich nicht bestehen kann; und Leiden, Kummer,
ja Verdruss, üble Laune nimmt bei mir diesen
enthusiastischen Charakter an — weshalb ich
denn auch gewiss anderen soviel Not mache.''
Gerade dieses Wort, dass seine ganze Kunst
Enthusiasmus sei, weist auf Schiller hin, und
man möchte da doch den Grund dieser Offen-
barungsart tiefer suchen. Schiller hat sein
gesamtes Schaffen dem seelischen Leid und
dem körperlichen Leiden abgetrotzt, und die
Art, wie er sich in der letzten Lebens.^eit, als
er den nahen Tod voraussah, jeden Tag ein
vorgeschriebenes Pensum von Versen abrang,
wirkt um so erschütternder, als man gerade
diesen letzten Arbeiten niemals den Zwang
— 263 —
der Arbeit oder eine Trockenheit oder sonst
ein Nachlassen anmerken kann, vielmehr loht
gerade in ihnen ein verzehrendes Feuer und
eine jeden Zweifel an der inneren Wahrheit
niederschlagende Begeisterung. Es findet sich
in den Briefen Wagner*s an Frau Wesendonk
eine Stelle, die diese Erscheinung wohl zu er-
klären vermag. ^Vielleicht entsinnen Sie sich,
wie ich Ihnen schon früher einmal mitteilte,
im Laufe meines Lebens immer lebhafter inne
geworden zu sein, dass die Kunst mir erst
dann ungeahnteste Seeligkeit bereiten würde,
wenn alles und jedes Gut meines Lebens mir
entrissen, alles, alles verloren und jede Mög-
lichkeit des HofTens abgeschnitten wäre. Ich
entsinne mich noch, um mein 30. Jahr herum
mich innerlich zweifelhaft gefragt zu haben,
ob ich denn in Wirklichkeit das Zeug zu einer
höchsten künstlerischen Individualität besässe:
ich konnte in meinen Arbeiten immer noch
Einfluss und Nachahmung verspüren und
wagte nur beklommen auf meine fernere Ent-
(Schlnss
wfcklung als durchaus originell Schaffender
zu blicken. Damals, als ich Ihnen jene Mit-
teilung machte, in den Zeiten wunderbarer
Leidenschaft, war mir eines Tages auf ein-
samem Spaziergange plötzlich die Möglichkeit
des Verlustes eines Gutes erschienen, dessen
möglicher Besitz mir von je undenklich hatte
scheinen müssen. Da fühlte ich, dass die Zeit
kommen würde, wo mir die Kunst eine ganz
neue, ganz wunderbare Bedeutung erhalten
rhüsste: die Zeit, wo keine Hoffnung mehr das
Herz zu umstricken imstande sein würde."
Also erst wenn alles verloren war, konnte
die Kunst zu ihrem vollen Werte und zu
ihrer vollen Entfaltung bei diesem Künstler
gelangen. So ähnlich mag es auch bei
Schiller gewesen sein, und das beiden Künst-
lern gemeinsame Pathos der Aussprache würde
sich daraus erklären, dass es immer erst in
amen selbst eines tragischen Konfliktes be-
durfte, bevor die künstlerische Auslösung er-
folgte,
folgt.)
ßep al^usHscbe Sit)f luss der a11*ei) ui)d beuHget) Klariere
auf die Koropositioostecboik-
Von
Der Cembaloklang bleibt bis zam
Schwinden ein einheitlicher. Selbstverständiich
können die Zeichnungen (anf grossen Blättern zarVer-
anschanlichung dargeboten) die Verschiedenheiten
desKlavierklanges nur andeuten. Die psycho -physio-
logischen Untersach angen über den Klavierklang,
den Klavierschlag, das „Persönliche^^ im Klavier-
anschlag sind noch im Entstehen.*) Eine wissen-
schaftliche Beleuchtung dieses Gegenstandes fehlt
bis heute durchaus. Der immense Vorzng des
Klaviertones ist das starke Herausragen des Grund-
tones vor den Obertöaen, es bat dem Klavierton
zu der glänzenden Siegeslaufbahn verholfen, die
wir ja alle an ihm kennen. Es ist aber auch ganz
natürlich, dass sich infolge der vierfachen Klang-
wirkungen auf dem Klavier akustische Missstände
herausstellen, die sowohl der Wiedergabe alter
Klavierwerke im Wege stehen, als auch der
heutigen Kompositionstechnik andere Grenzen
stecken. Diese Missst&nde liegen zunächst in den
Schwebungen der Doppel- und Akkordgriffe tiefer
*) Toni Bandmann, Dr. Körte, Dr. Steinhansen
und L. Biemann werden ein entsprechendes ge-
meinschaftliches Werk darüber herausgeben.
liudwiif Biemaan.
(Fortsetzung.)
letzten Töne und der Sekundgriffe hoher Töne. Die
Schwebungen beein£nss3n den Wohlklang. Wohl-
klang ist eine der ersten Triebfedern der Kompo-
sitionstechnik. Deshalb müssen die Komponisten
die Einzel- und Zusammenklänge jedes Instru-
mentes, wofür komponiert wird, so legen, dass die
hässlichen Schweb ungen, soweit diese vom Ohr
unterschieden werden, beiseite bleiben. So sehr
diese Hegel bei den Streich- und Blasinstrumenten
beobachtet wird, so sehr wird in der Klavierkom>
Position dagegen gesündigt. Man beobachte z. B.
den Zusammenklang der Klaviertöne F, A in der
grossen Oktave. Das gleichzeitige Erklingen ergibt
folgende Diskontinuität:
^Ä
_ etcZ
'©-
W^
Die bei den vier Halbstufen enstehenden
Schwebnngen geben der Grundterz die Rauhigkeit,
das Knarrende, welche Eigenschaften nach unten
— 264 —
hin noch immer schlimmer auftreten, da anBser
diesen Obertönen noch höhere mit dissonieren.
Bei dem gleichmässigen Ablauf des Elavi-
cembalotooes können die Schwebungen durch
Obertöne lauge nicht in dem Masse den Klang
F, A verderben, wie am Klavier, weil der Ton-
erreger nur kleine Schwingungsbreiten erzeugt.
F, A klingt deshalb hier wohltuend und ange-
nehm. Selbstverständlich sind die Beobachtungen
an beiden Instrumenten typisch für alle Zu-
sammenklänge in den tiefen und mittleren Lagen.
Vom ~c an bis zu den höchsten Lagen ist die Zahl
der Schwebungen zwischen den Obertönen zu
hoch, um noch von dem Ohre intermittierend ver-
nommen zu werden, sodass Terzen und grössere
Intervalle auf beiden Instrumenten an Wohlklang
nichts einbOssen. Dagegen aber werden die Halb-
stufen auf dem Klavier nach der Höhe hin im
Zusammenklang immer schriller, da sie im An-
schlag hart aufeinander stossen. Dieser Mangel
fällt beim Klavicembalo fort, wegen der geringeren
Tonstärke der Grundtöne, sodass z. B. Vorhalte-
töne in ihrer Dissonanz niemals auffallen, hervor-
treten, ähnlich wie bei der Singstimme.
Diese tonphysikalischen Tatsachen sind von
jeher für die Klavier kompositionstechnik von tief-
greifendem Einfluss gewesen. Für die Vorläufer
des Klaviers konnten z. B. Klänge in der grossen
Oktave wie
unbeanstandet als Schlussakkorde genommen
werden. Die polyphone Klaviermusik konnte in
Vorhai tstöuen und sonstigen Dissonanzen schwel-
gen. Die Mehrstimmigkeit durfte vom Klavi-
bembalo an bis zu den belederten Hammerklavieren
wohlklingend, lieblich, silbern rauschend an das Ohr
klingen, ohne von nennenswerten Schwebungen
beeinträchtigt zu werden. Der gleichmässige Ab.
lauf der EUänge, die geringere gegenseitige Be-
lästigung der Grundtöne bei den Dissonanzen sind
meiner Ansicht nach die Schlüssel für uns, zu ver-
stehen, dass die Musikfreunde früherer Zeiten an
den polyphonen Kompositionen, nur auf dem Cem-
balo und Klavichord vorgetragen, ihre Freude und
ihren rechten Genuss gehabt haben müssen. Sie
können dies als Tatsache daran erkennen, dass zur
Zeit des Cembalo's die polyphone Kompositions-
technik trotz des Aufblühens der Monodie ihre
Herrschaft bis weit in das 18. Jahrhundert hinein
behauptete.
Die Schlussfolgerungen, die wir für den heuti-
gen Gebrauch daraus zu ziehen haben, liegen auf
der Hand. Das Klavier ist in seiner Jetzigen Ent-
wicklung so sehr von den älteren Tasteninstru-
menten abgewichen, dass es ein Anrecht auf
Wiedergabe der altklassischen Musik des 17. und
18. Jahskunderts verloren hat. Bei dem heutigen
zweifachen Zweck dieser Musik, nämlich 1. zu
Studien. 2. zu Vortragszwecken, werden wir
allerdings gezwungen sein, im ersten Falle den
Klaviergebrauch zu belassen, denn es wird wohl
schwer halten, in den Konservatorien zu diesem
Zwecke Klavicembalo'S einzuführen. Aber sobald
es zum Vortrag kommt in Konzerten oder im
Hause des Künstlers oder Dilettanten, empfehle
man den Gebrauch des Cembalo's. Eigentlich
müsste es uns Fachleuten als selbstverständlich er-
scheinen, dass wir neben dem tieferen Grenuss auch
die historisctie Treue in den Vorträgen solcher
Musik wahren wollen Es würde uns doch allen
lächerlich vorkommen, wenn man ein historisches
Drama oder ein sonstiges Schauspiel oder eine
Oper, welche in früheren Jahrhunderten spielen,
in heutigen ModekostÜmen aufführen wollte. Man
denke sich z. B. den Schiller'schen „Wallenstein'*
in heutigen Militäruniformen, oder .Fidelio" im
Frack! oder „Siegfried" im smoking!
Allerdings wird es uns schwer fallen, die be-
treffende alte Musik in wahrheitsgetreuer
Wiedergabe im Geiste der alten Instrumente za
bewerkstelligen. Sind wir uns doch noch nicht
einmal in der Uebersetzung der Verzierungszeichen
ganz einig! Dazu fehlt der Allgemeinheit ganz
und gar die Vorstellung eines Vortrages auf den
früheren Cembalo's, weil das damals blühende Zeit-
alter des Subjektivismus heute gar nicht mehr
ausgeübt bezw. verstanden wird, mit anderen
Worten, weil uns 2 Traditionen des Bachzeitalters
verloren gegangen sind: Das ist das Generalbass-
spiel und die reine Verzier ungsmusik. In der
königlichen Musikinstrumentensammlung zu Berlin
befindet sich ein Bach'sches Klavicembalo, dessen
Einrichtung uns in Erstaunen setzen muss*):
Doppeltes Manual — Sie entsinnen sich einzelner
Stellen in den Inventionen von Bach, bei denen
die Hände in einander greifen müssen, weil wir
heute nur eine Tastatur besitzen — für jeden Ton
vier Saiten, eine im 16 Fuss, zwei im 8 und eine
im 4 Fuss, sodass man mit einer und derselben
Taste Grundton, Oktave und Doppeloktave zn
gleicher Zeit oder nacheinander anschlagen kann.
Dem Fortissimo des vollen Werkes steht ein
Pianissimo gegenüber, erzeugt durch den soge-
nannten Lautenzug, der eine Beihe von Filzstück-
chen an die eine 8 Fusssaite andrückt and dem
Klange den Charakter des harfenartigen Lauten-
tones verleiht Das erste Präludium aus dem
Wohltemperierten Klavier beispielsweise gibt dem
Hörer einen gauz ungeahnten Begriff von seinem
wundervollen architektonischen Aufbau, dessen
Prinzip die allmähliche Steigerung dieser Klang-
mittel zu sein scheint. Auf dem einen Manual
kann mau die stärkere Melodie hervorheben, während
die begleitende Partie auf dem schwächeren Manual
•) „Das Bach'sche Klavicymbel und seine Neu-
konstruktion" von 0. Fleischer, Zeitschrift der
Int. Mus. I, 163.
— 265 —
spielt. Mit wie viel Schwierigkeiten haben wir
heute bei Schtllern zn rechnen, wenn sie auf dem
Klavier eine Cantilene vor der Begleitung heraus-
heben oder bei höherer Forderung ein Fugenthema
innerhalb der anderen Stimmen betonen sollen.
Das Fugenspiel erhält auf dem Bach'schen Clavi-
«^.ymbel einen ganz eigenen Heiz und so zu sagen
einen romantischen Glanz. Der klirrende, rauschende
Klang der ausserordentlich dünnen und langen
Saiten verleiht dem Fngenspiel etwas Pompöses,
Grravitätisches und Prächtiges, was unseren Klavieren
völlig abgeht. — üebrigens beweist die Verwendung
des Cembalos in den Chorwerken von Bach und
Händel und in den immer mehr auftauchenden
historischen Konzerten, dass ich mit meiner An-
sicht nicht allein stehe. Die Kückkehr des Cem-
balos zur Familie wird uns allerdings erschwert,
da die Massenfabrikation heute noch fehlt Aber
für die Konzerte sollten wir die Forderung auf-
stellen, dass die Klaviervirtuosen für ihre Solo-
vorträge Bach, Händel, Scarlatti u. s. f. nicht allein
die Aufstellung eines Flügels, sondern auch eines
Clavicembalos von dem Klavierhändler der Stadt
verlangen.
Die Meinung, dass der Cembaloton für einen
grossen Saalraum nicht ausreiche, mag für den
Solovortrag stimmen. Diese Ansicht ist aber ein
Zeichen der Zeit, eine Sucht, jede Solo- und
Ensemblemusik in grosse Konzerträume zu bringen.
Die Musik der Vorzeit bis zu Beethoven war für
kleinere Räume berechnet, man soll sie auch darin
belassen. Kammermusik gehört in die Kammer.
Üebrigens ist schon bei Aufführungen der Matthäus-
Passion bewiesen worden, dass der Cembaloton
wohl für seinen Zweck ausreicht.
(Fortsetzung folgt.)
Peter Cornelias' literarische Werke.
Breltkoff ä HIrtely Lelpily.
Von
J. Tianna da Hotta.
Im Auftrage der Familie wird hier zum ersten-
male eine Gesamtausgabe der literarischen Werke
von Peter Cornelius veranstaltet. Man kannte
davon bis jetzt nur eine unvollständige Sammlung
der Gedichte und die Briefe an das Sängerpaar
von Milde. Diese Gesamtausgabe enthält in den
beiden ersten starken (zu starken) Bänden 698 aus-
gewählte Briefe, Auszüge aus Tagebüchern und
Gelegenheitsgedichte (herausgegeben von seinem
Sohne Carl Maria\ Der 3. Band bringt Aufsätze
über Mui?ik und bildende Kunst (von Edgar Istel
herausgegeben), der 4 die nunmehr auf Grund des
Familienarchivs und eifriger Nachforschung bei
Cornelius^ Freunden vervollständigte und berichtigte
Sammlung der Gedichte (von Adolf Stern besorgt
und mit einer interessanten Einleitung über Cor-
nelius' Leben und Charakter versehen).
Wer die entzückend liebenswürdige Natur des
Dichtermusikers, diese fascinierende Mischung von
Schwärmerei, Humor und Güte kannte und liebte,
nalun die Ausgabe seiner literarischen Werke mit
Begeisterung auf, umsomehr als jeder empfand,
wie Cornelius selbst gesteht, dass er mehr Dichter
als Musiker war. Den hochgespannten Erwartungen
entsprechen jedoch nur die eigentlich literarischen
Werke: die Aufsätze und die Gedichte. Alle die
herrlichen Eigenschaften seines feinen Geistes und
seines warmen Herzens, derBeichtum seinerFantasie,
die virtuose Behandlung der Sprache und vor allem
der einzigartige, herzerquickende Humor, der, wie
A. Stern bemerkt, nie zum erbarmungslosen Hohn
wird, sondern immer mit Rührung vermischt ist,
heiter, ohne Spott: das alles strömt hier in solcher
Fülle, dass die Lektüre dieser beiden Bände den
reinsten Genuas bildet.
Nicht ebenso erquickend ist die Lektüre der
beiden Brief bände. Zum Teil liegt dies an der Art
der Auswahl und der Herausgabe. Bei Cornelius'
Gewohnheit sehr ausführlich über sein äusserliches
Leben zu berichten, hätte man die Auswahl der
Briefe noch mehr einschränken können. Denn
nicht alles ist notwendig zur Entfaltung seines
Charakterbildes, und bedeutende Gedanken, künst-
lerische Urteile kommen zu wenig vor. Fast durch-
weg interessanter als die Briefe sind die Tagebuch -
blätter, worin Cornelius fesselnde, zum Teil er-
greifende Aufschlüsse über sein innerstes Wesen
gibt. Wtlnschte man eine geringere Anzahl Briefe,
so wünschte man dagegen längere Auszüge aus
diesen Tagebüchern, als der Herausgeber gewählt
hat. Viele Wiederholungen in den Briefen wären auch
besser vermieden worden. Ebenfalls zu bedauern
ist es, dass der Herausgeber auf Erläuterungen fast
ganz verzichtet hat. Hierin hätte er die Ausgabe
der Briefe Bülow's zum Muster nehmen können.
Denn nicht alles in den Briefen ist verständlich, wie
z. B. seine Differenzen mit dem Weimarer Kreis. Es
entstehen dadurch oft Lücken in der Darstellung
seiner Lebensgeschichte, die in diesen Briefen eben
hervortreten soll. Gar zu viel ist auch von seinen
Berichten über Geldnot stehen geblieben. Natür-
lich durfte dieser Zug in dem Lebensbild Cornelius'
nicht fehlen, aber wenn man schon im Briefwechsel
Wagners mit Liszt des ersteren Klagen über diesen
Punkt peinlich empfunden hat, wieviel mehr noch
Mer, wenn Cornelius genau vorreciinet, wieviel ihm
— 266 —
Mittag- and Abendbrot kostet oder wie er sich mit
der Kleidung einrichtet. Wagner*8 Not hat doch
immer etwas G-rosses, Cornelius' Kleinliches, sie wird
zur Misere. Einige Andeutungen hätten genügt,
um zu zeigen, wie mühevoll Cornelius sich hat
durchkämpfen müssen.
Durchkämpfeij ? Gekämpft hat er eigentlich
nicht. Er liess sich treiben. Sehr charakteristisch
sagt er von seiner Rückkehr nach München, dass
sie ganz in seiner Weise geschah, ohne dass er
die Initiative ergriff, sondern indem das Geschick
es ihm nahe legte (aus Weimar, 7. Juli 1865).
Sobald er vor einer Entscheidung steht, wartet er,
dass etwas von aussen ihn zum Entschluss in einer
bestimmten Richtung zwinge. Das war ihm ver-
hängnisvoll für das ganze Leben, und soviel Schuld
auch seine Zeitgenossen am Martyrium seines
Lebens hatten, so muss man doch einen Teil davon
auf Rechnung seines Charakters setzen. Eine
andere grosse Gefahr, die er nie ganz überwunden
hat, war, wie er wieder selbst sagt, dass er „nie
die Energie hatte, es in einer Sache zu einer
wirklichen Höhe, zu einem glänzenden Abschlnss
zu bringen' (Ang. 1870). Bei seiner vielseitigen
Begabung war er ,in der steten Gefahr, sich zu
zersplittern'*, er schwankte lange zwischen Poesie
und Musik, unrerdrückte dann (leider) auf Wunsch
und Rat der Familie seine lyrischen Neigungen,
lernte aber alle Sprachen, alle interessierten ihn
(natürlich nicht philologisch, sondern künstlerisch),
selbst als Musiker erkannte er nicht oder zu spät
seine grösste Begabung, die für das Lied, hielt
sich für einen grossen Dramatiker, wollte den
Tristan überholen und „in einer sinnigen, milden
Begrenzung des von Wagner Errungenen das
rechte Kunstwerk der Zeit finden", seine Wi rke
arbeitete er immer wieder um, war auf jeder Stufe
sehr entzückt, um sie auf der nächsten wieder zu
verwerfen. „Ich habe einen schrecklichen Bildungs-
drang und fange immer wieder von vom an zu
lernen", und ein anderes Mal enthüllt sich ihm
ganz das Geheimnis seines Wesens: „Ich bin
im Werden und bleibe es immer, das ist
das Rätsel meines Lebens" (Tagebuchblatt
von Pfingsten 1868).
Gewiss eine rührende Gestalt, aber nicht im-
ponierend, nicht sehr männlich. Denn so schwankend
er über sich selbst war, so war er es auch in Bezug
auf andere. Sein So! n versucht im Vorwort seine
Stellung zu Wagner zu erklären. Aber das fort-
währende Oscillieren zwischen Zuneigen und Ab-
wehren in den Bri3fen wirkt gar zu peinlich. Alle
paar Seiten ändert sich seine Meinung über Wagner,
nicht nur als Menschen, sondern auch als Musiker.
Seine Purcht, dass Wagners herrische Natur ihn
als schaffenden Künstler hemmen würde, nimmt
beinahe lächerliche Dimensionen an. Sein Miss-
trauen führt ihn zum offenbaren Miss verstehen
der begeisterten Wärme, mit der Wagner ihn auf-
^4h München zu kommen, Ausdrücke, die
ihn entzücken sollten durch den Eifer, mit dem
Wagner seine Nähe wünschte, nahm er übel. Er
glaubte, Wagner „ liebe die Menschen nur, so lange
er sie brauchte", und sah nicht, dass er ihm auch
helfen wollte, abgesehen davon, dass das Glück,
in der Nähe eines solchen Genies zu leben, ihn
hätte begeistern müssen. Oft wird er dann doch
wieder von Wagners Persönlichkeit fasziniert und
schreibt ins Tagebuch, dass alle Intriguen, Wagner
ihm zu entfremden, an Wagners „grossen Herzen
scheiterten" (dick unterstrichen). Aber im Grunde
war ihm Wagners Natur unheimlich. Er hatte
kein Verständnis fQr das Dämonische des
Genies. Hierin macht er oft einen bürger-
lichen, hausbackenen Eindruck, wenn er die
übermütigen Launen oder misanthropischen Ex-
zesse Wagner's bespöttelt. Auch sein Freund
Alexander Ritter meinte, Wagner lebe „im be-
ständigen Delirium".*') Dabei ist er empfindlich
über Wagner's Kritik am Cid und rächt sich da-
für mit der Bemerkung, dass Wagner ja nicht
wisse, wieviel er am Tristan auszusetzen habe!
Und doch, wie hätte der Cid gewonnen, wenn er
auf Wagner gehört hätte. Ganz dieselbe Unsicher-
heit fühlt er bei der Wahl eines Stoffes für eine
Oper. Wieviel Zeit verbringt er mit Lektüre aller
möglichen Geschichten, will dem Mythologischen
ans dem Wege gehen, nur das Reale inter-
essiere, lernt dann aber die Edd> kennen und er-
klärt, sie habe ihn „wieder zum Wagnerianer""
gemacht! Oft hat er sich schon für einen Stoff
entschieden, beginnt die Ausarbeitung, gibt sie
bald wieder auf. Auf diese Weise vergehen Jahre
ganz unproduktiv. Somit hat seine Zurückhaltung
vor Wagner ihm doch wenig Vorteil gebracht, denn
viele Werke hat er infolge dieser so ängstlich
gehüteten Selbständigkeit nicht geschaffen.
Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren,
dass an den Miss Verständnissen zwischen ihm und
Wagner Cornelius die grössere Schuld trag, denn
er war zu misstrauisch. Wie musste das Wagner
kränken, der mit der ganzen Wärme seines Herzens
ihm entgegen kam. Namentlich seine unbegreif-
liche Gleichgiltigkeit gegen die Tristan-Aufführung,
die Bülow das „grösste kunstgeschichtlicbe Ereig-
nis des Jahrhunderts" nennt, musste Wagner auf
das schmerzlichste berühren. Ond was tat Cornelias
unterdessen? Er sass nach der Aufführung des
Cid monatelang in Weimar, bezog sein Gehalt vom
*) In dem Brief vom 24. Januar 1865 entwirft
Cornelius ein köstliches Bild von dem Leben bei
Wagner, wie er .anstrenge" in seiner „ewigen
Hitze". Kaum sei er da, greife er zu Firdusi, lese
eine Anzahl Gesänge vor, in ein paar Minuten sitze
er schon wieder tief im Tristan, singe einen ganzen
Akt, kaum fertig, erzähle er von Parsifal — so
gehe es bis tief in die Nacht. Sieht man
nicht deutlich, wie fremd ihm Wagner's glut-
volles Genie war? Merkwürdig ist es, dass er
trotzdem begeisterte und verständnisvolle Au&atze
über Wagner schrieb, vgl. namentlich die Gber
Lohengrin und die Meistersinger.
— 267 —
König von Bayern and tat weiter nichts, als an
seine Brant zn schreiten.
Dies führt uns zu seinem Verhältnis za den
Frauen. Ck>rnelius war äusserst liehebedtirftig und
leicht erregbar. Vielleicht durch seine Gabe, alles
mit dem Glanz der Poesie zu verklären, eine Gabe,
die ihn zum Gelegenheitsdichter im Goetheschen
Sinne machte, steigerte er die Eindrücke, die er
vom andern G«8chlechte empüng, gleich zuv
Schwärmerei, sodass er sich in einem permanent
verliebten Zustande befand. Jedenfalls erwartete
er ,,das Gltick^^ vom Weibe, und naiv gesteht er
seiner Braut, dass er sonst beim Anblick einer Frau
sich heimlich fragte: „Könnt' es diese nicht sein?"
Wenn jemand ,,xmglücklich" liebt, ist man immer
geneigt, dem andern Teil die Schuld zuzumessen,
weil er seine glühende Liebe nicht erwiedert.
Cornelius glaubte immer, sein e Glut müsste schliess-
lich die Widerspenstigen schmelzen. Aber merk-
würdigerweise hatte er bei Frauen wenig Glück,
trotz seines glänzenden Geistes und seiner warmen
Empfindung. Sie scheinen sich gern von ihm be-
singen zn lassen und halten ihn deshalb hin, bis
sie — einen andern nehmen. Aber sehr gute Figur
macht CorneKut» bei diesen geduldigen Belagerungen
nicht, man begreift nicht, dass er in so intimen,
entzückten (und entzückenden) Ausdrücken immer
wieder an die Spröde schreibt, die ihn kaum
beachtet. Mit 40 Jahren fand er diejenige, die
seine Frau wurde. Und wie seine Liebesgedicbte
die schönsten unter den Gedichten sind, so auch
seine Liebesbriefe unter den Briefen. Die über-
strömende 2järtlichkeit, die Glut seiner Empfindung,
seine kindliche Verehrung und Dankbarkeit kommen
überwältigend zum Ausdruck. In diesem Spiegel
erscheint auch seine Frau als eine äusserst
sympathische Persönlichkeit, die ihm das reinste
Glück gebracht hat Schade, dass der Heraus-
geber auch hier zu viel gibt, denn die end-
losen Wiederholungen zärtlicher Ausdrücke wie
„Dein Hundebub, Dein Hundelchen, Dein Männel-
cheu" wirken auf die Dauer ermüdend. Das ge-
hört zu den Intimitäten, die keinesfalls öffentlich
preisgegeben werden dürften.
Wenn also die Briefe auch manchen Zug in
Cornelius* Wesen verraten, der uns kleinlich dünkt,
so bleibt dieser trotzdem eine verehrungs- und
liebenswerte Persönlichkeit. Der trefflichen Schilde-
rung seines Charakters, die A. Stern gibt, kann
man unbedingt zustimmen.
Im Anhang werden einige Briefe an Cornelius
und seine Witwe mitgeteilt, unter denen nament-
lich ein langer, intimer Erguss Wagners und die
Briefe der Fürstin Wittgenstein interessieren.
Ausdrücklich muss gegen die Einbanddecke
Einspruch erhoben werden. Man begreift nicht,
wie diese sonst so vornehme und geschmackvolle
Firma dazu gekommen ist. Schon bei Wagner*s
Briefen an Röckel ist dieser Typus verwendet
worden. Er könnte das Publikum vom Kauf zu-
rückschrecken.
Im selben Verlag erscheint auch eine Gesamt-
auflage der musikalischen Werke P. Cornelius*,
über deren Wert kein Wort mehr gesagt zu werden
braucht. Ule Lieder und der .Barbier von Bagdad'*
gehören zu den nnvei*gän glichen Werken.
Der XYIII. deutsch-evangelische Klrchengesangvereinstiig.
Am 17. und 18. Juli fand in Rothenburg
a. d. Tauber der 18. deutsch-evangelische
Kirchengesangvereinstag statt. Aus dem
Jahresbericht, den der G^h. Kirchenrat D. Köstlin
abstattete, sei nachstehendes entnonimen: Der Be-
stand des Evangelischen Kirchengeeangvereins für
Deutschland lässt ein stetiges Wachstum erkennen:
er umfasste am 1. Juli 1905 in 22 Landes- und
Pro vinzia] vereinen 1996 Lokal vereine (gegen 1962
im Jahre 1904) mit ungefähr 60000 aktiven Mit-
gliedern. Die Chöre sind der grossen Mehrzahl
nach, was die Beschaffung der Mittel betrifft, in
der Hauptsache noch auf sich selbst gestellt. Doch
erhalten viele von ihnen Beiträge zu den Kosten,
mindestens Lokal, Heizung und Licht, zum Teil
die Musikalien, aus den Örtlichen Kirchenkassen.
Die Kirchengemeinde Krefeld gibt 150 Mk jährlich
für ihre Chöre, dazu alle Musikalien ; dieGlemeinde
Malchin 60 Mk. Die Synode des Konsistorial-
bezirks Frankfurt a. M. hat im Jahresbudget
1905/06 für Jede Gemeinde mit eigener Kirche
800 Mk., für jede neu sich bildende Gemeinde
200 Mk. zur Unterstützung der Kirchenchöre aus-
geworfen. Unter den Synoden stehen in der Be-
tätigung des Literesses für die Debung des Chor-
gesanges im €k)ttesdienst durch wirksame Unter-
stützung mit Geldmitteln obenan Rheinland und
Westfalen (500 Mk.), unter den Kirchenbehörden
das Oberkonsistorium und die Landessynode des
Grossherzogtums Hessen (800 Mk.); die Konsistorien
von Braunschweig, Hannover, Posen geben we-
nigstens je 100 Mk., von anderen Kirchenbehörden
ist nichts bekannt. Es ist also noch immer nicht
überflüssig, an das Wort Luthers (anlässlich der
Auflösung der fürstlichen Kantorei zu Torgau im
Jahre 1530) zu erinnern: „Etliche von Adel und
Scharrhansen meinen, sie haben meinem gnädigen
Herrn an der musica 3000 Gulden erspart, indes
vertut man unnütz 30 000 Gulden ! Könige, Fürsten
und Herren müssen die musica erhalten, denn
grossen Potentaten und Herren gebtlhrt solches,
einzelne Privatleute können es nicht tun.* Heut-
zutage richtet sich dies Wort in erster Linie an
die kirchlichen Behörden, sofern ihnen die Yer-
— 2fi8 —
ftigttDg über die kirchlichen Finanzen zugestanden
ist. Dass die staatlichen Organe in dieser Hinsicht
manchmal sich taub stellen, lässt sich am Ende
begreifen; sie müssen für gar so vieles andere noch
aufkommen. Doch sollten sie sich doch daran er-
innern, dass ihnen auch die Pflege der idealen
Güter und Kräfte des Volkslebens befohlen ist,
dass zu diesen die Pflege des gediegenen Volks-
gesanges, vorab des kirchlichen Volksliedes (des
„Volkslieds auf der Potenz" nach Vischer's
Aesthetik!) gehört. Dem Staat, nicht der Kirche
sind die Schulen und die Lehrerbildungsanstalten
unterstellt. Dass aber selbst kirchliche Organe
häuflg so wenig Verständnis für die Bedeutung
zeigen, die der Ghorgesang für die Hebung des
Q^meiudegesanges, unsere Chöre für das Gemeinde-
leben haben, das verstehe, wer 's kann! Unsere
Chöre sehen mit Reclit ihre Hauptaufgabe in der
Mitwirkung bei den Gottesdiensten der Gemeinde.
Leider beschränken sehr viele dieselbe auf die Fest-
tage. Würden sie die Auswahl der Gesänge mehr
nach ihren Kräften bemessen und sich nicht da
und dort zu einseitig auf schwierige künstliche
Sätze versteifen, statt der Gemeinde vor allem ihr
eigenes Lied im Schmuck des mehrstimmigen
Satzes, sei es im Wechselgesang, sei es als Chor-
gabe für sich darzubieten, so könnte man es nicht
unschwer dahin bringen, dass der Chor in jedem
Hauptgottesdienste sänge, was doch anzustreben
wäre. Freilicli müsste ihm dann auch überall ein
fester Platz in der Gottesdienstordnung gewährt
sein. — Auch ausserhalb des Gottesdienstes stellen
sich die Kirchengesangvereine gern in den Dienst
der Gemeinde. Nach Versammlungen zu kirchlichen
Festen, Gemein de- Abende u. a. lassen sich ohne
ihre Mitwirkung bereits gar nicht mehr denken.
Und das ist gut so. Der Chor wirkt veredelnd
und vertiefend auf die Geselligkeit, verleiht ihr
den rechten Grundton und gute Zacht Schon
durch seine Zusammensetzung aus allen Schichten
der Gemeinde wirkt er sozial vermittelnd und aus-
gleichend. Nur lässt der Geschmack in der Aus-
wahl des Stoffes bei solchen Anlässen da und dott
noch zu wtLnschen übrig. Dem gaten, echten
Volkslied, dem geistlichen und weltlichen, dürfte
noch mehr Pflege zu teil werden. Einzelne be-
vorzugte Vereine wagen sich teils ausnahmsweise,
teils regelmässig einmal im Jahr auch an ein
grösseres Tonwerk („Messias" von Händel, Bach's,
Schütz*, Woyrsch's „Passionen" u. a.). Sofern die
Hauptaufgabe, die regelmässige Mitwirkung im
Gottesdienste, nicht darunter leidet und die Kräfte
wirklich dazu ausreichen, ist nichts hiergegen zu
sagen. Solche grössere Aufgaben stählen die Kraft,
heben das Niveau, regen an. Aber doch liegt
darin eine Gefahr und Versuchung. Die Kirchen-
gesangvereine treten in Konkurrenz mit den unter
ganz anderen Voraussetzungen gebildeten Vereinen
für klassische Musik, sie werden leicht Musik-
vereine zweiter Güte. Blieben sie bei der Pflege
der ihnen, zugewiesenen Kirchenmusik, tfo
könnten sie darin die erste Stelle behaupten und
einen Platz ausfüllen auch im Kunstleben grosser
Städte, auf dem kein anderer Verein mit ihnen
konkurrieren kann.
lieber ^Die Beziehungen der Gymnasien
und Mittelschulen zur Kirchenmusik*
sprach Pfarrer Dr. Sannemann aus Hettstedt
in Thüringen. Er stellte folgende Leitsätze auf:
1. Die Beziehungen der Gymnasien und Mittel-
schulen zur Kirchenmusik gehören der Ge-
schichte an und sind, abgesehen von Ausnahmen
wie der Thomanerchor in Leipzig, der Chor der
Kreuzschule in Dresden und das Gymnasium in
Torgau, abgebrochen.
2. So lange der Kantor Lehrer einer höheren
Schule war, hatte er eine Doppelstellung als
Schul- und als Kirchenbeamter; wie die anderen
Schulämter, Bektorat, Kor- und Subrektorat etc.
war auch das Kantorat Durchgang zum
Pfarramt.
3. Die Aufsicht der Kirche über die Schule er-
streckte sich auch auf die Methodik und Praxis
des Schulgesanges.
4. Der Musikunterricht der alten Lateinschulen
hatte eine doppelte Aufgabe:
a) die Musica ist ein Teil des wissenschaftlichen
Unterrichtes und wird theoretisch, gleich-
berechtigt mit den übrigen Künsten, Bhe-
torik, Dialektik, Grammatik, vielfach als
mathematisches Fach gelehrt.
b) Die Musik wird praktisch getrieben und
flndet ihre Verwendung im Schul leben und
ausserhalb desselben: im kirchlichen Leben,
im Gottesdienst, Trauung und Begräbnis,
sowie im börgerlichen Leben auf der Strasse,
bei Gastmählern u. s. w.
5. Die Reformation fand die Schulchöre in Kirchen-
und Klosterschulen vor, behielt sie bei, schuf
neae und organisierte sie. Gründe: Man
brauchte den Schülerchor zum Gottesdienst,
Musik gehörte zu den freien Künsten und darum
in die Schule, man gab der Gemeinde durch
Stiftungen und freiwillige Gaben an Brot und
Geld für unbemittelte, aber befähigte und
fleissige Knaben Gelegenheit, sich in der Wohl-
tätigkeit zu üben, und wirkte dadurch sozial
ausgleichend, indem auch Kinder der niederen
Stände in höhere Lebensstellungen einrücken
konnten.
6. Die Verschiedenheit der Bedürfnisse des kirch-
lichen Lebens und der sozialen Stellung der Ge-
meindeglieder erforderte eine Trennung der
Schülerchöre:
a) in die Kurrende, bestehend aus Schülern der
unteren Klasse einer Lateinschule, oder einer
mit einer Lateinschule verbundenen Armen-
schule, oder einer deutschen Schule. Die
Kurrendaner singen nur einstimmige, deutsche
Kirchenlieder u. s. w. (choraliter) im ein-
— 269 —
fachen Gottesdienst (Metten, Vespern n. s. w.)
nnd für unbemittelte und ungebildete E^reise.
b) In den Chorus musicus oder symphoniacus,
bestehend aus Schülern der Klassen Prima
bis Quarta. Der Chorus musicus singt mehr-
stimmige, fast nur lateinische Kunstgesftnge
(figrnraliter) geistlichen Inhalts in der Schule
(hier auch weltliche), im Gottesdienst, bei
Trauung und Begräbnis angesehener, reicher
und gebildeter Leute, sowie dieselbe Art
von Gesängen auf der Strasse, bei Gast-
mählern u. s. w.
7. Die schon vom 16. Jahrhundert an erhobenen
Bedenken gegen das kirchliche und öffentliche
Auftreten der Schulchöre — Störxmg des Unter-
richts, Niedergang der Leistungen — führten
nicht allein zu ihrer Aufhebung, sondern auch
die sich allmählich vollziehende Trennung des
Kantoramtes vom Lehramt der höheren Schule,
der Uebergang des Kantortitels auf die Lehrer
der Volksschule, die daraus sich ergebende
Deckung der kirchenmusikalischen Bedürfnisse
durch den Schülerchor der Volksschule, die
Lösung der höheren Schule von der Aufsicht
der Kirche, der Umstand, dass der Chorus
musicus zuweilen zu Seminaren für Volksschul-
lehrer umgewandelt wurde, nicht zum wenigsten .
endlich der Aufschwung, den die Instrumental-
musik durch Haydn, Mozart, Beethoven ge-
nommen ujid eine Höherbewertung dieser Musik
vor der Gesangmasik im Gefolge hatte, unter-
gruben die Lebensfähigkeit der Schulchöre. Der
Rechtsgrandsatz von Leistung und Gegenleistung,
sowie Angebot und Nachfrage bestimmten Blüte
und Verfall der Schul chöre.
8. Eine Wiederholung des alten Verhältnisses
zwischen Schule nnd Kirchenmusik ist nicht
möglich; wohl aber kann die Kirche ihr musi-
kalisches Bedürfnis in einer bestimmten Bichtung
befriedigen durch Gründung von Alumnaten in
Verbindung mit höheren Schulen (nach dem
Vorbilde der Alumnate der Thomasschale in
Leipzig und der Kreuzschule in Dresden), mög-
lichst in Universitätsstädten, damit die auch
vom Evangelischen Oberkirchenrat zu Berlin
geforderte kirchenmusikalische Ausbildung der
Theologen durchgeführt werden kann, and so
der E^rche in ihren Behörden, ihren Pfarrern
und ihren Gliedern ein Geschlecht heranwächst,
das die Kirchenmusik nicht mehr als berech-
tigten Luxus, sondern als notwendiges Lebens-
element ansieht. Gleichzeitig ist dadurch be-
fähigten, aber unbemittelten Knaben jeden
Standes die Möglichkeit gegeben, einen ihren
Fähigkeiten entsprechenden Lebensberuf zu er-
greifen.
Die Versammlung nahm auf Grund dieser Leit-
sätze folgende Besolution einstimmig an:
„Der XVIII. deutsch-evangelische Kirchen-
gesangvereinstag dankt den beiden Bednem für
ihre Vorträge, beschliesst ihre Drucklegung nnd
bittet die Kirchen- und gegebenenfalls die
Staatnbehörden, festzustellen, welche Stiftungen
für Zwecke der Ausbildung der Schüler höherer
Lehranstalten in der Kirchenmusik, insbesondere
im Kirchenlied, in der Vergangenheit gemacht
worden sind und welche noch jetzt dafür Ver-
wendung finden; ferner darauf hinzuwirken,
dass diese Stiftungen ihrem Zweck wieder zu-
geführt werden, sowie die Kirchen- und ge-
gebenenfalls die Staatsbehörden zu bitten, in
Erkenntnis der Wichtigkeit der Ausbildung der
Schüler der höheren Lehranstalten in dem
Kirchengesang für die Teilnahme am gottes-
dienstlichen Leben nicht nur, sondern für die
gesamte geistige, religiöse und sittliche Bildung
der Schüler, der Pflege des Gesangs, insbesondere
des Kirchengesanges an den höheren Lehr-
anstalten, erneute und fortgesetzte Aufmerksam-
keit zu widmen, ein nicht zu gering bemessenes
Mindestmass von Kirchenmelodien zur Einübung
im Gesangunterricht aller höheren Lehranstalten
festzusetzen und, wenn möglich, noch darüber
hinaus die Fähigkeit zur Teilnahme am ge-
steigerten gottesdienstlichen Leben der evange-
lischen Gemeinden tunlichst zu fördern, ins-
besondere auch durch reichliches Singen in den
täglichen Andachten oder in Anstaltsgottes-
diensten."
Eine besondere Anziehung unter den dar-
gebotenen musikalischen Festgaben war die Auf-
führung von Philipp Wollrum's .Weihnachts-
mysterium*' unter eigener Leitung des Komponisten.
MittellungeD
von Hoohsohulen und Konservatorien.
Josef M. van Veen, der vortreffliche Geiger
des „Holländischen Trios*', ist vom 1. Oktober an
für das Konservatorium Klindworth-Schar-
wenka als Lehrer der Violin-Ausbildungsklassen
verpflichtet worden.
Die Hochschule für Masik in Mann-
heim wurde im Unterrichtsjahre 1004/5 von zii'ka
400 Studierenden, Hospitanten und Schülern be-
sucht, die von 42 Lehrkräften unterrichtet wurden.
Im Laufe des Jahres fanden statt: 15 Vortrags-
abende, 8 Üebnngsaufführungen, sowie Auf-
führungen von Werken von Liszt (2), Beet-
hoven (diese zu Gunsten des Vereins für Volks-
bildung) Händel, Brahms (2) und Pfitzner.
— 270
Dem Gedächtnis Schillers waren 8 Anf Führungen
(zwei in der Anstalt, eine im Mnsensaal des
Rosengarten) gewidmet. Aasserdem wurden Auf-
führungen veranstaltet, die dem Gedächtnis Frie-
drich Nietzsche's, Eduard Mörike's bezw.
Hugo Wolfes geweiht waren. Der Anstaltslehrer,
Herr Pianist Fritz Häckel, brachte an 9 Abenden
die sämtlichen 32 Klaviersonaten Beethoveii*8 frei
aus dem Gedächtnis zum Vortrag. Neben 8 Prü-
fungsabenden wurden interne Prüfungen sämt-
licher Klassen in allen Unterrichtsfächern während
der Zeit vom 1. bis 15. Juli abgehalten. Das neue
(siebente) (Jnterrichtsjahr beginnt am 15. Sep-
tember 1905.
Das Heidelberger Konservatorium für Musik,
welches unter Direktion der Herren Otto Seelig
und HeinrichNeal steht, versandte seinen Jahres-
bericht über das 11. Schuljahr 1904/5 Die Anstalt
wurde von 125 Schülern und Hospitanten besucht
und veranstaltete im Laufe des Jahres 7 Schüler-
auffühtungen, von denen 4 öffentlich waren. Im
neuen Schuljahre wird im Stadtteil Neuenheim eine
Zweiganstalt des Konservatoriums eröffnet, zu-
nächst nur für die Hauptfächer. Das neue Schul-
jahr beginnt am 16. September.
Den Pariser Rubinstein-Preis für Pia-
nisten gewann der Zögling des Leipziger Konser-
vatoriums Backhauss, der gegenwärtig in Man-
chester lebt. Ehrenvolle Anerkennungen für vor-
zügliches Klavierspiol erhielten Eisner- Wien,
Hellberger - Frankfurt, Kreuzer • Petersburg,
Turkat und Swirsky-Paris.
Die neuen Statuten der Akademie der Ton-
kunst zu München enthalten folgende einschnei-
dende Aenderungen. Mit Beginn des Schuljahres
1905/06 wird ein Seminar zur Ausbildung für
den Lehrberuf im Klavierspiel gebildet. Als
unterste Altersgrenze für die Aufnahme in das
Seminar, dessen Kurs ein Jahr dauert, ist das
vollendete 18. Lebensjahr festgesetzt. Dement-
sprechend fordern auch die besonderen Vorbe-
dingungen eine weitgehendere Musikkenntnis.
Infolge der Bildung des Seminars kommt die Vor-
schule im Klavierspiel in Wegfall. Dagegen wird
die Vorschule nur auf die Orchesterinstrumente
beschränkt; für die Aufnahme in die Vorschule
ist neben anderen Bedingungen das vollendete
13. Lebensjahr erforderlich. Ausserdem wird das
Schuljahr in zwei gleiche Hälften geteilt, die erste
Hälfte vom 16. September bis 15. Februar gehend,
die zweite Hälfte vom 15. Februar bis 15. Joli.
Die neue Direktion besteht aus zwei Direktoren,
und zwar aus dem ersten Direktor, Generalmusik-
direktor Felix Mottl, d-;m hauptsächlich die
künstlerische Leitung der Anstalt obliegt, und dem
zweiten Direktor, Professor Hans Bnssmeyer,
dem vorwiegend die administrative und disziplinare
Leitung der Akademie und die üeberwachung des
' Unterrichts Übertragen ist.
In Neustadt a. d. H. wird am 15. September
ein Konservatorium unter dem Namen ,^f&lzi-
sches Konservatorium für Musik*' eröffnet.
Die Leitung liegt in den Händen des Musik-
direktors Ph. Bade's.
Yermischte Nachrichten.
Die Wiederkehr des 300. Geburtstages Simon
Dach 's, 29. Juli d. J., hat die Erinnerung an den
Sänger des Liedes „Aennchen von Tharau* wieder
lebhaft geweckt. Simon Dach ist in Memel ge-
boren, er studierte Theologie in Halle und wurde
schliesslich Professor der Beredtsamkeit an der
Königsberger Universität, wo er mit dem Kompo-
nisten Heinrich Albert intime Freundschaft
schloss. Sein Name wird in der Geschichte des
deutschen Kirchenliedes mit Ehren genannt, wenn
auch seine Dichtungen den kernhafteren und
schwungvolleren eines Paul Gerhardt nach-
stehen. Dach hat neben seinen Kirchenliedern
aber zahlreiche Gelegenheitsgedichte zu allerlei
festlichen Veranlassungen geschrieben, am an-
sprechendsten gibt er sich aber in seinen G^sell-
schaftsliedem, in denen er einen edlen und vollen
Ton warmen Empfindens anzuschlagen weiss. Das
zum Volkslied gewordene Gedicht .Aennchen von
Tharau" ist vielfach als einem persönlichen Er-
lebnis des Dichters entsprungen bezeichnet worden;
das ist aber ein Irrtum, denn Dach hat das Lied,
zu dem H. Albert die Melodie schuf, tatsächlich
als Hochzeitslied zur Vermählung seines Freundes,
des Pfarrers Johannes Portatius, mit der
Pfarrerstochter Anna Neander von Tharau ver-
fasst. In H. Albert's „Lustwäldlein*^ das in
Königsberg erschien, hat das jetzt vielfach um
die Schlussverse verkürzte und in hochdeutscher
Sprache gesungene Lied folgende Fassung:
„Anke van Tharaw Öss, de my gefÖUt,
Se Öss mihn Lewen, mihn Goet on mihn Gölt
Anke van Tharaw heft wedder eer Hart
Op my geröchtet ön Low' on ön Schmart.
Anke van Tharaw, mihn Rihkdom, mihn Goet
Du mihne Seele, mihn Fleesch on mihn Bloet
Quöm' allet Wedder glihk ön vns tho schiahn,
Wy syn gesonnt by een anger tho stahn.
Kranckheit, Verfälgung, Bedröfnis on Pihn.
Sal vnsrer Löve VernÖttlnge syn.
Recht ass een Palmen-Bohm äver söck stöcht.
Je mehr en Hagel Ön Regen anfocht.
So wardt de Low' an vns mächtich vn groht,
Dörch Kryhtz, dörch Lyden, dörch allerlei Noht,
Wördestu glihk een mahl van my getrennt,
Lewdest dar, wor öm dee SÖnne kuhm kennt;
271 —
Eck wöU dy folgen dörch Wöler, dörch Mär,
Dorch ThsB, dörch Ihsen, dörch fihndlöcket Hahr.
Anke van Tharaw, mihn Licht, mihne Sonn,
Mihn Leven schlnht öck Ön dihnet henönn.
Wat öck gehöde, wart van dy gedahn.
Wat Öck verböde, dat lätetn my etahn.
Wat helft de Löve dach ver een Bestand,
Wor nich een Hart ose, een Mund, eene Hand?
Wor öm söck hartaget, kabbelt on echleyht,
On glihk den Hangen on Katten begeyht.
Anke van Tharaw, dat war wy nich dohn,
l>a böst min Dyhfkeu, myn Schnaphken, min Hoho.
Wat öck bogehre, begehrest Da ohck.
Eck iaht den Rock dy, da lähtst my de Brohk.
Dit Öss dat, Anke, da söteste Rah,
Een Lihf on Seele wart vht öck on Da.
Dit mahckt dat Lewen tom Hämmlischen Rik
Dörch Zancken wart et der Hellen gelihk.*^
Friedrich Hegar hat ein grösseres Männer-
chorwerk mit Tenor« and Bariton-Solo und Or-
chester vollendet, „Das Herz von Donglas" be-
titelt. Es ist dies die erste Männerchor-Ballade,
die Hegar mit Oichesterbegleitang geschrieben
hat; sie wird grossen Vereinen sehr willkommen
sein. Der Wiener Männergesangverein hat
das interessante Werk, das Hegar's Meisterschaft
aafs Nene zeigt, bereits für kommende Saison anfs
Programm gesetzt.
In Bonn findet vom 22. bis 24. Mai nächsten
Jahres ein Musikfest statt, das dem Andenken
Robert Schumann's gewidmet sein soll, dessen
50. Todestag 1906 wiederkehrt. Ein vorbereitender
Aosschuss ist bereits in Wirksamkeit. Die Leitung
des Festes wird wahrscheinlich Josef Joachim
übernehmen. Zar Aufführung geplant sind eine
Symphonie, Teile aus dem „Faust", das „Klavier-
konzert" und eine Reihe kleinerer ^erke ohne
Orchester.
Der III. Eunsterziehungstag findet vom
18.— 15. Oktober in Hamburg statt; auf ihm soll
die künstlerische Erziehung der Jugend im Hin-
blick auf Musik und Gymnastik behandelt
werden. In einer Reihe von Vorträgen hervor-
ragender Autoritäten auf den verschiedenen in
Betracht kommenden Gebieten kommt am 13. Ok-
tober die Musik zur speziellen Behandlung. Am
15. Oktober findet ein Konzert für Volksschüler
statt. Zur Vorbereitung des Tages ist ein Komitee
aus hiesigen und auswärtigen führenden Persön-
lichkeiten zusammengetreten. Mitteilungen und
Anfragen sind an Herrn Schulinspektor H. Fr icke,
Hamburg 19, Am Weiher 27, zu richten.
Adolf Kullak's berühmtes Buch „Die
Aesthetik des Klavierspiels^^ erscheint jetzt
von Dr. Walter Niemann vollständig neu-
bearbeitet in vierter Auflage bei C. F. Kahnt
Nachfolger, Leipzig.
Um die Liszts'sche Muse und hauptsächlich
LiBzt*s herrliche Lieder weiteren, nichtsingenden
Kreisen zugänglich zu machen, hat der Verlag
C. F. Kahnt Nachfolger, Leipzig, dieselben jetzt
in einer leichten Uebertragung für Klavier zu
zwei Händen von Otto Singer bearbeitet, heraas-
gegeben.
Der ,N. Fr. Pr." wird aus Salzburg ge-
schrieben: Vor wenigen Monaten erst hat der
Kaiser sein Interesse für die Bestrebungen der
internationalen Stiftung „Mozarteum" und der
Mozait- Gemeinde in Salzburg durch Ueber Weisung
der Spende von 20000 K. an den Mozart-Haus-
baufonds an den Tag gelegt. Jetzt hat der Kaiser
auch genehmigt, dass anläcsllch des im nächsten
Jahre in Salzburg zur Feier der 150. Wiederkehr
df*s Geburtstages W. A. Mozarts stattfindenden
grossen Musikfestes mit dem Personal des
Wiener Hofoperntheaters zwei Vorstellungen in
Salzburg veranstaltet werden, deren Kosten das
Hofärar trägt.
Bücher und Musikalien.
Paal ScbelDpflng, Op. 6. „Worpswede". Stim-
mungen aus Niedersachsen, gedichtet
von Franz Dlederich. Ftlr mittlere
Singstimme, Violine, Englibchhoin
(oder Viola) und Klavier.
HelariohhofeM Terlsgy Kairdebnrf .
Paul Scheiopflug's „Worpswede" ist eins der
eigenartigsten und inhaltsreichsten Werke auf dem
Gebiete der Kammermusik, die mir je vorge-
kommen sind. Das für eine mittlere Singstimme,
Violine, Englischhorn (oder Viola) und Klavier
gedachte Werk enthält, auf Dichtungen von Franz
Diederich gestützt, Stimmungen, die der Natar und
ihrem Leben direkt abgelauscht zu sein scheinen.
Man muss, wie Scheinpfiug, selbst ein Dichter
sein, will man so die mannigfachen Erscheinungs-
formen der Natur in sich aufnehmen, sie so mit
innerem Auge schauen und so aus eigenem reich
entwickeltem und phantasieerfülltem heraus reflek-
tieren lassen Das Werk zerfällt in Prolog, vier
Teile und Epilog. Das Vorspiel ist der Ausführung
der drei gedachten Instrumente allein über-
lassen und versetzt den Hörer unverzüglich
hinein in jenes „stille braune" Land, dessen Lob
Dichter und Musiker zu bingen sich vorgesetzt
haben. (Jeher den schwer lastenden Klavier-
akkorden erklingt der Flageoletton der Violine,
bis das Englischhorn eine schwermütige Weise
einsetzt und bald von genanntem Streichinstrument
abgelöst wird. Aber nicht lange, und über dem
„Lande der Einsamkeit*' liegen hellere, wärmere
Farbentöne, die Stimmung (im Mittelsatze, H-dur)
— 272 -
wird lebendiger and intensiver, bis der ganze
Satz endlicli in die Hanpttonart D-dur und
zn der anfänglichen Rahe nnd Träamerei
zurückkehrt. Das nun folgende erste Stück des
Ganzen, woran sich aach die Singstimme be-
teiligt, schildert und preist mit warmfreadigem
Aosdrnck die Herrlichkeit and Schönheit der
niedersächsischen Natnr, ein ernster and dabei
doch lustdnrchzitterter Hymnas an die engere
Heimat. Im zweiten Stücke erklingen wieder
andere, viel frohere und lebenskräftigere Stirn-
man gen darch. £s ist ein Lenzlied und Früh-
lingssang von ungemeiner Schönheit und ent-
zückender Feinheit des Mitempfindens, ein Idyll,
wie es nur von Meisterhand dargestellt and aus-
geführt werden konnte. Das dritte Stück lässt in
ergreifender Weise die korrespondierenden Gefühle
und Stimmungen von Menschen- und Naturleben
ineinander übergehen; die Fähigkeit, im allmäh-
ligen wechselnden Spiel der Tonfarben und Farben-
töne wahrhaft künstlerisch zu wirken, feiert hier
einen echten Triumph. Das „Herbstfrühgang" be-
nannte vierte Stück ist das weitest ausgeführte,
mit allerlei darch die Natur der Sache gegebenen
Gegensätzen am meisten ausgestattete und gibt
wieder davon beredtes 2jeagnis, in wie hohem
Grade P. Schein pflüg in restloser Weise zu er-
schöpfen weiss, was ihm die Natur darbietet.
Wundervoll findet sich hier der Uebergang aus
dem öden Dämmerungsgrau za östlichfemer Helle
In allen seinen Phasen bis zum Hervorbrechen des
Lichtes und zam Zerrelssen der Nebelschleier und
endlichem Sonnenaufgänge dargestellt In cyklischer
Form kehrt der Tonkünstler im Epiloge auch
thematisch zum Anfange zurück und läset das
Ganze auf diese Weise harmonisch aosklingen.
Nach seinen hier vorliegenden Worpsweder Stün-
mnngen halte ich Paul Schelnpflog für ein^
unserer bedeutendsten lyrischen Talente, unver-
gleichlich sicher und zielbewusst im Ergreifen und
Fixieren tiefer seelischer Stimmungen und ebenso
klar im Ergreifen der betreffenden künstlerischen
Ausdrucksmittel. Die ün vorliegenden Falle zur
Verwendun^j^ gebrachten Faktoren greifen durchaus
ineinander, weder Singstimme, noch Planoforte,
noch auch Blasinstrument tritt auf Kosten der
anderen zu sehr in den Vordergrund, sondern er-
scheint nur gerufen durch den gerade in Frage
kommenden poetischen Moment. Diese in Wahr-
heit Kunstsinn höchster Art verratende Be-
schränkung und musikaliche Oekonomie, die über
der Ausführung des Ganzen liegt, bildet einen der
Hauptvorzüge von Scheinpflugs Tondichtung. Was
der Genannte uns bietet, ist ein Werk echtester
und edelster Heimatkunde, dem alle Türen und
Herzen offen stehen sollten, dem ich nur herzlich
allgemeinste Kenntnisnahme und weiteste Ver-
breitung wünschen kann.
Eugen Segnüz.
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Von
Dr. Karl Storck.
(Schlnss.)
In Richard Wagner's Seelenleben war die
Entsagung der Liebe zu Mathilde Wesendonk
der tragische Höhepunkt. Sein Leben bis
zum Zusammentreffen mit Mathilde war Sehn-
sucht. Die Sehnsucht nach einem Herzen,
in dem er einen bergenden, erlösenden Hafen
finden konnte, in dem er ganz und voll auf-
genommen würde. Nur in einer solchen
völlig sich vereinigenden Liebe zu einem
Weibe konnte er hoffen, die Erlösung von
dem schweren Widerspruche zu finden, in
den ihn sein eigenes Wesen gegenüber der
Welt gesetzt hatte. Nun, da er endlich dieses
Wesen gefunden, musste er ihm entsagen.
Und es ist dieses Entsagenmüssen, dieses
Verlieren des Teuersten, was ihm die Welt
bieten konnte, und nicht das schöne voran-
gehende Zusammenleben mit allen seinen un-
endlich reichen Anregungen, was seiner Kunst
zum höchsten Gewinn wurde. Er spricht
auch das an einer Stelle dieses Buches deut-
lich aus: „Dass Du es vermochtest, in alles
erdenkliche Leid der Welt Dich zu stürzen,
um mir sagen zu können: „ich liebe Dich!**
— das hat mich erlöst und mir jenen heiligen
Stillestand gewonnen, von dem aus nun mein
Leben eine andere Bedeutung erhalten hat. —
Aber dieses Göttliche war eben nur mit allen
Leiden und Schmerzen der Liebe zu gewinnen:
wir haben sie bis auf die Hefe genossen! —
Und jetzt, nachdem wir alle Leiden gelitten,
kein Schmerz uns gespart blieb, jetzt muss
sich klar der Kern des höheren Lebens zeigen,
den wir durch die Leiden dieser schmerzlichen
Geburtswehen gewonnen Diese letzten
Entscheidungen zwischen uns haben mich zu
dem klaren Bewusstsein gebracht, dass ich
eben nichts mehr zu suchen, nichts mehr zu
ersehnen habe. Nach der Fülle, in der Du
Dich mir gegeben hast, kann ich das nun
nicht Resignation nennen, am allerwenigsten
Verzweiflung. Diese verwegene Stimmung
stand mir früher als Ausgang meines Suchens
und Sehnens gegenüber, von ihrer Notwendig-
keit bin ich aber, durch Dich tief beglückt,
erlöst. Mir ist das Gefühl einer heiligen
Sättigung zu eigen, der Drang ist ertötet,
weil er vollkommen befriedigt ist."
Das wirklich Wertvolle am Menschentum
Richard Wagner's beruht nun darin, wie sich
diese Sättigung ausdrückt. Es ist ihm glück-
licherweise gelungen, in ihr' eine unendlich
278 —
höhere Stufe zu erreichen, als sie in diesen
Briefen sich kundgibt oder als die, auf der
diese Briefe entstanden. Denn es wäre ja
im Grunde nur wenig, wenn an die Stelle des
früheren pessimistischen Hasses gegen die
Welt nun eine Art gleichgiltiger Objektivität
oder kühler Nichtbeachtung getreten wäre.
Wir müssen uns überhaupt klar werden, dass
alle vielgerühmte Toleranz für die seelische
und geistige Entwicklung der Menschheit
herzlich wenig bedeutet. Denn all dieses
Dulden eines anderen bleibt ein Erdulden,
ein Ertragen, und das ist auf alle Fälle ein
unfruchtbarer Wert. Es kann nie und nimmer
genügen, dass wir die Welt ertragen,
sondern wir müssen sie 1 i e b e n. Wir müssen
bei unseren Nebenmenschen, wir müssen in
der gesamten Weltordnung jene Stellen finden,
an denen bei aller äusserlichen Verschieden-
heit von unserer eigenen Natur, bei aller Un-
voUkommenheit oder scheinbaren Schlechtig-
keit die Keime zu fruchtbarer Güte liegen.
Und diese überall vorhandenen Keime zum
Guten sind es, deren Vorhandensein einer-
seits unsere Liebe rechtfertigt, ja gebietet, bei
denen wir andererseits mit unserem Liebes-
werke einsetzen müssen, indem wir uns be-
streben, ihnen immer neue Nahrung zuzu-
führen, sie so zu stärken, dass sie empor-
wachsen in's Licht und eins werden mit all*
dem Schönen und Guten, was die Liebe ge-
schaffen hat. Die Kunst Richard Wagner's
hat diese schwerste Aufgabe eines fruchtbaren
Lebens erfüllt.
Es ist für Richard Wagner's Schaffensart
sehr bezeichnend, dass, soviel er in seinem
Zusammensein mit Mathilde Wesendonk em-
pfing, die Produktion doch erst nach der
Trennung einsetzte. Nun hatte er die alte
Märe von „Tristan und Isolde" selber so
herbe und bitter erfahren, wie nur einer.
Aber dieser Tristan bezwang sich, und als
ihn das Schicksal von ihr gehen hiess, ward
ihm die Trennung nicht zur sehrenden
Wunde, sondern zum Heilquell für seine
Kunst; denn jetzt schuf er sein Werk, „um
an ihm die tiefe Kunst des tönenden Schwei-
gens für mich zu Dir sprechen zu lassen."
Die wunderbare Todessehnsucht in Tristan
und Isolde, die ja auch für den lebensfrohesten
Menschen so etwas seltsam Bezwingendes
und Verlockendes hat, ist die letzte Aeusse-
rung der Ichsucht im Menschen Wagner.
Sie entspricht jenem heiligen Gesättigtsein,
von dem er in dem oben angeführten Briefe
schreibt, in dem der Drang ertötet wird, weil
er vollkommen befriedigt ist. Und weU man
so gleichgiltig ist gegen die Welt, die man
nicht mehr hasst oder auch nicht mehr be-
gehrt, so verlangt man nach eigener Auf-
lösung. Es gibt aber ein höheres Gebot, und
das heisst: „Du sollst Gott, das ist das Gute,
das eigentlich Lebende und Lebensfähige,
lieben über alles und Deinen Nächsten wie
Dich selbst.'' Nur dadurch, dass wir diesen
Nächsten lieben, dass wir das Gute in ihm
lieben, gelangen wir zur über uns und dem
Nächsten schwebenden Verkörperung des
Guten, zu Gott. Die Liebe zum Nächsten ist
also keineswegs ein Ausfluss der Liebe zur
Gottheit, sondern die Vorstufe dazu.
Diese Entwicklung nun können wir deutlich
an Richard Wagner's Schaffen verfolgen. Wenn
wir sehen, wie er aus der Nacht der Todes-
sehnsucht im „Tristan" in das himmelblaue
Land des heiteren Verzichts aus Liebe und
Begiückenwollen anderer in den „Meistersin-
gern " gelangt, wie vom Ueber winder Hans Sachs
der Weg weiter führt in die vom göttlichen
Licht erfüllte Welt Parsifals, der gerade durch
sein Mitleid, das ist die Liebe zum Nächsten,
des Wissens, das ist hier die Gottheit, teil-
haftig geworden ist.
Nietzsche, der in seinen guten Stunden
der tiefste Erkenner Wagner's war, hat ein-
mal die Nachbarschaft von „Tristan und
Isolde" und den „Meistersingern" als eine
wahre Offenbarung des Wesens deutscher
Kunst gepriesen. Er hätte den „Parsifal" mit
hineinbeziehen müssen und hätte aus dem
Nebeneinandersein dieser drei Werke erst
schliessen können, dass Richard Wagner trotz
der öffentlichen Art seiner Kunstverkündigung
das Urbild eines deutschen Künstlers ist.
Denn diese drei Werke gehören zusammen,
und aus den Briefen an Frau Wesendonk er-
halten wir den Beweis dafür, dass diese drei
Gestalten Personifikationen desselben Men-
schen in den verschiedenen Stadien seiner
Entwicklung zur Liebe sind.
Man müsste, um das bis in s einzelne zu
beweisen, die Briefe fast ausschreiben, denn
ihre ständig wechselnden Stimmungen, der
sehr leicht zu fühlende, man möchte sagen der
musikalische Untergrund, aus dem sie jeweils
entstehen, lässt sich nicht schildern, sondern
nur empfinden. Ich halte es für fruchtbarer,
an dieser Stelle aus einer Begleiterscheinung
einen in den Briefen nur indirekt gegebenen
Beweis für die oben aufgestellte Behauptung
— 279 —
herauszuschälen. Die künstlerische Entwicklung
eines grossen künstlerischen Genies ist ebenso
von einer inneren Notwendigkeit beherrscht,
wie die Entwicklung eines Volkes. Wenn
geniale Menschen wie Goethe, Beethoven oder
Richard Wagner ein von ihnen geplantes
Werk nicht schaffen, wir müssen wohl immer
sagen nicht schaffen können, so hat dies
viel tiefer liegende Gründe, als man gewöhn-
lich annimmt. Der beliebte Ausdruck: ,Er
liess diesen und diesen Plan fallen** ist nur
Gelegenheitsausdruck und zeugt dafür, dass
man vom innersten Wesen künstlerischen
Schaffens keine Ahnung hat. Aber gerade
weil das Genie — und darin unterscheidet
es sich ja am allerwesentlichsten vom
Talent — in steter Weiterentwicklung be-
griffen ist, ist es unmöglich, dass es sich in
seiner echten Schöpfertätigkeit wiederholen,
dass es zweimal dasselbe in verschiede-
ner Gestaltung darbieten kann. Wir haben
für diese Tatsache in unseren Briefen zwei
merkwürdige Belege. Der erste ist die budd-
histische Oper „der Sieger". Wagner be-
schäftigte sich in diesen so tief erregten
Stunden nach der Trennung von Mathilde
Wesendonk so eingehend und ausführlich mit
diesem Plan, dass sein nachheriges Fallen-
lassen umsomehr einer inneren Begründung
bedarf, als eine äussere Veranlassung dazu
garnicht vorlag. Der Grund ist meines Er-
achtens nicht schwer zu finden. Ein Buddha
kann nur durch Selbstverneinung Sieger
werden. In*s Deutsche übertragen haben wir
diese Verneinung in der Todessehnsucht
Tristan*s. Die äussere Einkleidung dieser
Empfindungen, alles äussere Geschehen war
in den beiden Fällen so grundverschieden,
dass der Intellekt Wagner*s sich über die
Gleichheit hinwegtäuschen konnte, nicht aber
die innerste schöpferische Natur, die beim
Künstler eben unendlich stärker ist, als seine
verstandesmässige Erfassung. Sie versagte
sich einer zweiten Gestaltung des bereits ge-
lösten Problems, und darum liess er den
Plan fallen.
Umgekehrt liegt es beim zweiten Falle.
Bis zu diesem Jahre 1857, noch lange in die
Arbeit am ^Tristan" hinein, hatte Wagner die
Gestalten Parsifal's und Tristan's im gleichen
Werke vereinigt, sie sollten hier als Ver-
körperung zweier verschiedener Weltanschau-
ungen sich begegnen. Jetzt auf einmal löst
sich der Parsifal vom Tristan völlig los und
wird zum selbständigen Gebilde. Es ist sehr
lehrreich, in den Briefen nachzulesen, dass
Wagner für diesen so bedeutsamen Schritt
keine stichhaltigen, verstandesmässigen Gründe
beibringen kann, und es ist ganz sicher, dass
ihm in diesem Augenblicke wenigstens die in
seiner inneren Natur vollzogene Erkenntnis
garnicht zum klaren Bewusstsein gelangt ist,
dass diese beiden Gestalten durchaus nicht
Verkörperungen zweier entgegengesetzter Welt-
anschauungen sind, sondern nur zwei ver-
schiedene Stufen darstellen, im Heranreifen
zur Liebe. Von der Liebe im Tristan zur
Liebe im Parsifal aber war der Schritt ein so
gewaltiger, dass ihn Wagner nicht auf einmal
tun konnte. Und so muss er wieder aus
innerstem Zwang den Parsifal trotz aller
heimlichen Verwandtschaft mit dem Tristan-
stofT zunächst zurückstellen. Er muss erst
die Zwischenstufe erreichen, muss erst in
Hans Sachs das heitere Verzichtenkönnen
darzustellen vermögen, bevor er die höhere
Stufe zu erreichen vermag, bei der die Liebe
zum Anderen das einzige Mittel des Selbst-
beglückens wird. Und so entsteht denn nach
dem Liede der Todessehnsucht die herrliche
Verklärung der Lebensfreude in heiterer
Selbstbeschränkung, wie sie Hans Sachs uns
zeigt. Dann erst, Jahrzehnte später, vermag
es der Meister als Greis, im „Parsifal" das
höchste Wesen irdischer Liebe zu erkennen
und zu schildern, indem das unerfahrene
Kind, „der reine Tor", durch Miüeid des
höchsten Wissens und der Fähigkeit göttlichen
Entsühnens teilhaftig wird.
So umschliesst ein enges Band diese
drei Werke der zweiten Lebenshälfle Richard
Wagner's und erweist die innerste Wesens-
verwandtschaft dieser für den oberflächlichen
Blick untereinander so sehr verschiedenen
Schöpfungen. Darüber hinaus aber erkennen
wir die enge Beziehung des persönlichen
Lebens Richard Wagner's zu seiner Kunst.
Auch auf ihn passte das Wort Goethes, das
ja schliesslich von allen künstlerischen Genies
gilt, dass sie sich nur freidichten von ihrem
Erleben. Es wäre nicht schwer, auch die
übrigen Werke Richard Wagner's in diesen
Kreis einzubeziehen, wobei man für die
Werke der ersten Periode die Sehnsucht nach
Erlösung aus dem Zwiespalt mit der Welt
als treibenden Grundgedanken erkennen würde,
während der Nibelungenring beide Gruppen
zusammenschliesst, und zeigt, dass die Liebe
in jedem Falle das einzig Fruchtbare in der
Weltentwicklung ist, wobei eben der Nibe-
— 280 —
lungenring Wagner am meisten in jener fast
unpersönlichen Höhe des herangereiften Dra-
matikers und durchaus bewussten Künstlers
zeigen würde, wie wir sie auch in den späte-
ren Werken Shakespeare's anstaunen, indem
hier der Künstler mehr ein Bild der Gesamt-
welt gibt, als danach strebt, seine eigene
Stellung innerhalb dieser Welt zu befestigen
oder zu erklären. Ich möchte es gerade für
das letztere mit diesem kurzen Hinweise ge-
nügen lassen und nur zum Schlüsse den
Wunsch ausprechen, dass recht viele Leser
zu diesem herrlichen Buche selber greifen
möchten, das ihnen den Menschen Wagner
so greifbar nahe bringt, dass sie für die Zu-
kunft zum Künstler ein viel engeres Ver-
hältnis finden werden, als bisher.
Scr al^usHscbc Bif)f liiss der altei) ai)d beuHgei) Kla^^^i*^
auf die ljfott)posiHot)sf*ecbi)lH*
Von
Lndwla: BleatABii.
(FortsetzuDg.)
Wir dürfen nicht vergessen, dass andere Ge-
hörsempfindnngen heute imsern Geschmack diri-
gieren. Im Jahre 1781 wurde der Leipziger Ge-
wandhaussaal eingeweiht. 1789 gab Mozart in
diesem Saale Clavecin-Konzerte, die doch jedenfalls
gerne gehört wurden und Erfolg eintrugen. Bei
den nan folgenden Vorträgen bitte nochmals ein-
dringlichst, sich in Jene Zeit zurückzuversetzen.
(Gespielt wurden auf dem Virg^nal [Jangfern-
klavier] eine Gagliarda aus dem Fitz William Virginal
Book, 1564 — auf dem Cembalo bez. Ibachord*)
ein Pastorale von Scarlatti — für Violine und
Ibachord eine Sonate von Nardini — für Sopian
und Ibachord ein Schäferlied von J. Haydn und
Arie aus der , Genügsamkeit' von Ph. Em. Bach.)
Ausserdem hat der ErEnder
balos, Herr Pianofabrikant
des modernen Cem-
J. Rehbock, zwei
*) Das neue Ibachord ist nicht als eine Be-
konstraktion des alten Cembalo zu betrachten,
sondern vielmehr als eine Fortbildung desselben,
und zwar nach drei Bichtuuften, nämlich inbezug
auf die Qaalität des Tones, die Modulationsfähig-
keit desselben und die Mechanik. Der Ton der
altenlnstr amente war verhältnismässig karz^während
der des Ibachords auffallend lang gedehnt ist und
dadurch den Vortrag getragener Sachen ebenso
fut ermöglicht, wie das Staccatospiel. Der Ton
es alten Cembalos war ferner starr, die Tonstärke
folgte nicht der Stärke des Fingerdrucks, im
Gegensatz zum Ibachord. welches eine Modulation
der Tonstärke zulässt. Endlich berührte bei den
alten Instrnmenten der die Saite anreissende Baben-
kiel beim Bückfall die schwingende Saite, wodurch
ein für unser modernes Gefühl höchst unange-
nehmes und störendes Nebengeräusch entstand,
was durch die Ibachord-Mechanik gänzlich be-
seitigt ist. Der langgezogene, an Obertönen reiche
und im Vergleich zum Klavierton im Entstehen
weniger aufdringliche Ton des Ibachords scheint
dasselbe ganz besonders geeignet zur Znsammen-
wirkung mit Streichinstrumenten zu machen, wie
der Vortrag des Geigensolos mit Ibachordbegleitung
ennen Hess.
Klaviaturzithem, zu beziehen von J. Behbock,
Duisburg, ausgestellt, deren nuancenreiche Tonge-
Btaltung eine ausgezeichnete Wiedergabe der alt-
klassischen Literatur ermöglichen« Herr Behbock
bezeichnet es als „Volksinstrument^ zum Ersatz
der Harmonika, jedenfalls mit Hecht, denn es hat
zwei sehr zu schätzende Vorzüge: leichte Trans-
portfähigkeit und gering^ Anschaffungskosten
(60-100 Mk.).
Meine vorhin ausgesprochene Forderung ging
dahin, dass die Klaviermusik des 16. bis zu den
letzten Jahrzehnten des 18. Jahrhunderts dem
heutigen Klavier femgehalten bleibe. Wir haben
nun zu untersuchen, wie der akustische Einflnsa
der Hammerklaviere auf die Kompositionstechnik
von Bach an sich entwickelt hat. Die Kom-
positionstechnik vor Bach lag infolge der subjek-
tiven Art za musizieren sehr im Argen;*) Man sollte
es kaum für möglich halten, dass der grössere
Prozentsatz aller Mnsik bis zu Bach hin nur in
Notenskizzen dargestellt wurde, mit Bücksicht
auf die persönlichen Zusätze der ausführenden
Spieler. Jeder konnte au Verzierungen und Akkord-
griffen so viel in die Komposition hineinbringen,
als ihm gut dünkte. Dass diese abscheuliche Manier
mit der geringen Klangstärke der damaligen Musik-
instrumente zusammenhing, ist zweifellos. Ich
möchte hierzu bemerken, dass z. B. bei den Streich-
instrumenten selbst nach Bach*s Zeiten die Haare
des Bogens ohne Schraube, also locker an der
Stange befestigt waren. Der Daumen der rechten
Hand zog die Haare nach Belieben loser oder fester
an. Die Klangstärke konnte also unmöglich eine
kräftige, dauernd eindringliche sein, wie hente.
Nun denke man sich ein Klavichord oder ein ein-
manualiges Klavicymbel dazu, dann wird Ihnen
*) cf. Dr. Schering: Verschwundene Traditionen
des Bachzeitalters — Neue Zeitschrift f. Mus., 1904.
No. 40.
— 281 —
klar, waram Praetorlns sich gegen solches Musik-
treiben mit folgenden Worten wehrt:*) „Wenn
daher mehr andere Instrumente vorhanden seien,
so müssen sie eins auf's andere sehen, ihnen unter-
einander Kaum und Platz geben, nicht gegen-
einander gleichsam stossen, sondern, wenn ihrer
viel sind, ein jedes seine Zeit erwarten, bis dass
die Reihe, sein Schertzi, Trilli und Accent zu er-
weisen, auch an ihn komme, und nicht wie ein
Haufen Sperlinge untereinander zwitschern.*^ —
Bei der heutigen gewaltigen Klangstärke der
Instrumente wäre ein solches Musizieren, selbst
wenn uns die subjektive Freiheit belassen worden
wäre, nicht möglich. Ein hübsches Abbild haben
wir allerdings noch heute im Zusammenspiel der
Orchesterinstrnmente vor Anfang des Theaters
oder eines Konzerts. Den Streichinstrumenten
blieb es vorbehalten, vermöge ihrer Aehnlichkeit
mit der Singstinmie am Anfange des 18. Jahr-
hunderts einen vollständigen Umschwung in der
Kompositionsweise und Musikausübung herbeizu-
führen. Mit der wachsenden Selbständigkeit der
Instrumentalkomposition begann das Zeitalter des
Virtuosentums. Dieses alles lässt sich auf die
rapide Entwicklung der Tonkörper zurückführen,
deren akustischer Einflass infolge der steten Ver-
besserungen in der Tonerregungsmechanik immer
grösser und einüussreicher auf die Technik der
Komposition wurde. Um einmal bei der Violine
zu bleiben, war nur der merkwürdige Bogenstrich
imstande, die polyphone Doppelgriffstechnik der
4— 7 saitigen Streichinstrumente zu umfassen. Ur-
sache und Wirkung lassen sich natürlich auch hier
schwer unterscheiden. Wir können nicht ent-
scheiden, ob die Klangverbesserungen der In-
strumente aus den wachsenden Ansprüchen der
Kompositionen entstanden sind, oder umgekehrt.
Jedenfalls wurde durch die Fähigkeit, mehr wie
zwei Saiten zu gleicher Zeit zu spielen, eine Kom-
positionstechnik ausgeübt, die von den heutigen
Violinen nur schwer ausgeführt werden kann.
Schering sagt in seinem Bach-Artikel**) ganz mit
Eecht: „Akkordverbindungen, wie sie in der
g-moll- und c-dur-Fuge in der Ghaconne stehen,
werden heute mühsam durch Zurückwerfen des
Bogens auf die tieferen Saiten hervorgebracht,
während ihnen früher durch augenblickliches
Lockerlassen der Haare — sodass sie sich über
dem dünnen Saitenbezug wölbten ^ jegliche Härte
genommen wurde. — Der orgelartige Klang dabei
ist uns heute vollständig fremd geworden. Bach's
vielstimmige Fugen und namentlich Sätze wie
Siziiiano der g-moll Sonate, welchem selbst bei
vollkommenster Ausführung durch moderne Geiger
immer ein technischer Schlackenrest anhaften wird,
finden aus dieser Praxis heraus ihre Erklärung
und wir können nur bedauern, dass mit ihr ein
gut Teil der grossartigsten Wirkungen alter Violin-
musik unwiederbringlich verloren gegangen ist.
Ja, nicht nur der Solo-, sondern auch die der
orchestralen Streichmusik. Denn erst in Hinsicht
auf die angeführte Technik wird z. B. die Hin-
neigung der alten Meister zu Echo Wirkungen
ganz verständlich. Die Wirkung, welche das
plötzliche I^ockerlassen der Haare durch den ganzen
Streichkörper — etwa im ersten Satz des zweiten
brandenburgischen Konzertes — übte, lässt sich
heute schwerlich ahnen. Der säuselnde ätherische
Ton mag in der Tat einem „Echo^^ bei weitem
näher gekommen sein, als ein modernes pp.^^ — Im
übrigen liegen für die Wiedergabe der alt-
klassischen Violinliteratur viel günstigere Verhält-
nisse vor, als bei den alten Klavierstücken, denn
der Darmsaitenton ist im grossen und ganzen
derselbe geblieben. Die für Teaitige Instrumente
geschriebenen Stücke, z. B. für Viola d'amour
oder Baryton, werden heute entweder gamicht
mehr gespielt, oder erst bearbeitet. Die historische
Treue wird lange nicht in dem Masse verletzt,
wie bei den alten Klavierstücken. Diese kleine
Abschweifung bringt uns zurück auf die Nach-
forschung der Gründe, inwieweit das Klavier beim
Untergang des polyphonen Musikstiles beteiligt
war. Zwei Faktoren waren für den Untergang
des polyphonen Musikstiles massgebend:
1. Die aufstrebende Herrschaft der längst im
Volke lebenden Einzelmelodie mit nackter Harmonie-
begleitung und 2. die Vervollkommnung der Musik-
instrumente, insbesondere des Hammerklavieres.
Zwar hat dieses nahezu 100 Jahre gebraucht, um
das Cembalo, den instrumentalen Träger des poly-
phonen Kompositionsstiles, zu verdrängen. Mit der
Vergrösserung des Tones musste aber die Ver-
wendung der Harmonie- und Dtssonanzklänge auf
ganz andere Bahnen kommen; selbst der allge-
waltige Bach ahnte dieses schon. Der krasse
Gegensatz seiner Klavierpräludien zu den anderen
Stücken deutet wenigstens darauf hin. Bis zum
19. Jahrhundert hinein schrieb man auf Titelblätter
immer noch die Wahl für Klavecin oder Piano-
forte, wie u. a. das Titelblatt*) dreier Mozart'schen
Sonaten beweist Diese Tatsache zeigt klar, dass
die damaligen Tasteninstrumente sich im Klange
durchaus noch ähnlich waren, im Gegensatz zu
dem heutigen weitklaffenden Unterschied. Nach
den vorhandenen historischen Instramenten stimmt
dieses auch ganz genau. Ich habe eine Keihe
alter Klavierinstrnmente, soweit ich ihrer habhaft
werden konnte, untersucht und gespielt, und sind
die gefundenen Besultate nicht uninteressant. Die
ersten Hammerklaviere hatten hölzerne Hämmer
und brachten deshalb einen rauschenden, nicht an-
genehmen Klang hervor, ähnlich wie das heutige
„ungarische Cymbal". Dann fing man an, unter
*) M. Praetorius, Syntagma, II. Teil.
*♦) Verschwundene Traditionen etc.
*) III Senates pour le Clavecin ou Piano-Forte,
compos^es par W. A. Mozart.
282 —
die Saiten Leder zn legen, sodass beim Schlage
des hölzernen Hammers die schrille Wirknng ab-
geschwächt wurde. Ein solches Instrument wurde
noch 1791 von Samuel Kühl wind gebaut. Dann
finden wir das Leder am Holzhammer selbst be-
festigt. In Berlin steht ein Mozart'sches Reise-
klavier mit Lederhämmem, ebenso ein ElÜgel mit
Lederhämmern im Besitze von Karl Maria v. Weber
aus dem Jahre 1809. Pemer ein Instrament, Eigen-
tum der Königin Marie Antoinette (1787), bis zum
kleinen „h" mit Lederüberzug, von „h^ ab mit
weichem weissen Waschlederbezug. Berlin weist
sogar noch einen Meyerbeer'schen Flügel mit
Waschlederhämmem aus dem Jahre 1840 auf. Die
Familie Silbermann, die sich bekanntlich grosse
Verdienste xun die Verbesserung des Klaviertones
erworben hat, bringt Leder- und Pergamenthämmer
in verschiedenen Arten. — Nach dem akustischen
Grundgesetz: je härter der Tonerreger, umsomehr
Obertöne klingen mit — mussten die Holz-, Leder-
und Waschlederhämmer einen ähnlichen spitzen
Klang hinterlassen, wie beim Cembalo. (Zur Ver-
anschaulichung führte Herr Dr. Neitzel den Klang
eines alten Hammerklaviers aus dem Jahre 1800
mit einem Eondo von Hummel vor.*) — So
konnten diese Instrumente Jahrzehnte lang
nebeneinander her existieren. Der akustische £in-
fluss auf die Kompositionstechnik war derselbe.
Der Klavierton hätte aber niemals weitere Port-
schritte gemacht, wenn nicht der monodische Stil
dem Wert des Einzel tones einen höheren Inhalt
gegeben hätte. Darum die bis zum heutigen Tage
fortgesetzten Bestrebungen der Instrnmentenbauer,
den Klavierton zu verändern, zu vergrössem. Ich
fand allein in der Königlichen Musikinstrumenten-
sammlung zu Berlin 13 klavierartige Instrumente
mit Lederanschlag, alle ans der Wendezeit des 18.
zum 19. Jahrhundert. In den Schriften voa
Ph. Em. Bach nnd des Flötisten Quanz finden wir
den Streit zur Einf Qhrung dieses oder jenes Klavier-
instrumentes aufgezeichnet. Sehr bald aber kam
man zu der Einsicht, das „Pianoforte** allen anderen
Stammesgenossen vorzuziehen, denn „dieses hat die
zum guten Accompagnement nötigen Eigenschaften
am meisteij in sich^, wie Quanz sagt.
(Portsetzung folgt.)
♦) Früheres Eigentum einer Nichte Rückens,
von Hummel viel gespielt.
Neue kleine Partituren.
Von
Jf Tlanna da Hotta.
Der Gedanke, den Payne*s Verlag vor etwa
15 Jahren in's Leben rief, billige kleine Partituren
der klassischen Kammermusik zum Nachlesen
während der Aufführung herzustellen, war so-
glücklich, dass heute bereits eine bedeutende
Bibliothek solcher Partituren existiert, die nicht
nur die Kammermusik, sondern sinfonische, vokale,
dramatische, alte und moderne Musik umfasst. Die
Erweiterung des ursprünglichen Planes ist nament-
lich das Verdienst Eulenburg' s, der Payne's Ver-
lag übernahm. Naturgeniäss ist sein Verlag
kleiner Partituren der reichste. Zu dem Grund-
stock klassischer Werke sind zahlreiche Werke von
modernen Musikern hinzagekommen, unter denen
namentlich die von Berlioz und Brahms freudig
zu begrüssen sind. Eulenburg hat auch auf die
Ausstattang Sorgfalt verwendet und Bände von
künstlerischem Wert geschaffen, wie z. B. den der
Matthäuspassion. Der Text wird jetzt genauer
korrigiert als zur Zeit Payne's, Smolian schrieb
wertvolle Einleitungen zu einigen Werken: kurz,
diese Ausgabe entspricht den ernstesten Bedürf-
nissen des Studiums.
Dem Stadium der Partitur wird mit Recht
immer mehr Beachtung geschenkt. Nicht nur
der Komponist, bei dem eine genaue Kenntnis
des Orchesters selbstverständlich für nötig gilt,
auch jeder bloss reproduzierende Musiker sollte
ileissig Partituren lesen, nicht nur am den Orchester-
klang feiner aufzufassen (denn man hört besser,
wenn man weiss, wie die Klangwirkungen
zustande konmien, manche Dilettanten behaupten
aber das Gegenteil), sondern das Gefühl für Musik
vertieft sich durch solches Studium, z. B. das Ge-
fühl für Polyphonie, die Pantasie wird durch Klang-
vorstellungen stärker angeregt Kein Musiker braucht
dieses Studi am mehr und kann es leichter pÜ^;en als
der Pianist, dem das Orchester doch immer das an-
regende Element sein muss. Aber nicht nar der
Musiker, Jeder Dilettant, der sich der Musik mit eini-
gem Ernst widmet, sollte Partituren studieren. Viele
scheaen noch die Schwierigkeit der Lektüre und
man hat deshalb vielfach vorgeschlagen, die transpo-
nierend en Instrumente umzuschreiben oder gar die
Partitur auf weniger 2jeilen zu reduzieren. Hoffen
wir, dass es nicht dazu komme! Eine solche Par-
titur wäre bloss ein Partiturauszug und würde
dem Musiker nichts sagen. Das richtige Bild vom
Orchester kann nur durch die vollständige Partitur
erweckt werden. Schon gibt es leider Reduktionen,
die gewiss notwendig sind, aber doch das Bild
nicht ganz deutlich hervortreten lassen, wie bei
modernen Werken das AnftUiren nur der gerade
beschäftigten, nicht auch der pausierenden Instru-
mente, wie es früher bei dem kleiner besetzten
Orchester üblich und möglich war. Ja, dass man
— 283 —
die Bläser gewöhnlich paarweise anf je eine Linie
schreibt, ist schon eine bedauerliche Abkürzung,
die, wie Wagner w&hrend der Komposition der
Meistersinger za Weissheimer bemerkte, oft die
Komponisten verleitet, die zweiten Stimmen, die
Polyphonie überhaupt zu vernachlässigen. Immer-
hin kann man ja diese beiden Deduktionen als
notwendig ansehen aus Bücksicht auf den Raum
und die Uebersichtlichkeit. Granz falsch wäre es
aber, die transponierenden Instrumente nicht transpo-
nierend aufzuschreiben. Man übertreibt zu sehr
die Schwierigkeiten, die daraus für die Lektüre
entstehen. Erstens ist eine Partitur in erster
Linie zum blossen Lesen, nicht zum Spielen be-
stimmt, und da kommt es doch nicht darauf an,
dass man im Augenblick sich jede Note einer
langen Seite vorstelle. Beim Hören gar ist es ja
gleichgültig, ob man die wirklich gespielte Note
vor sich sieht, oder die Tonart des Instrumentes,
die Linie kann man so auch verfolgen. Zweitens
aber, und das ist das Wichtigste, ist der Charakter
der transponierenden Instrumente so verwachsen
mit der ihrer Aufzeichnung (wenigstens für den,
der gewöhnt ist, Partituren zu lesen), dass die
Transposition gerade ein Mittel ist, das Instrument
zu erkennen, ohne jedesmal nach dem Namen am
Anfang der Zeile sehen zu müssen.
Weingartner hat sich entschieden gegen
die Aufhebung der transponierenden Schreibart
ausgesprochen, und es ist zu hoffen, dass die Ver-
leger den Wünschen der gar zu bequemen Dilettanten
nicht nachgeben werden, selbst wenn einige Musiker
sie stützen sollten. Dann hätten wir keine Par-
tituren mehr.
In neuen kleinen Partituren liegen jetzt einige
sehr bedeutende Werke vor. In Enlenburg*s Verlag
Brabms' beide Klavierkonzerte, das „Violinkonzert**
und Liszt's „£s-dur-Konzert**. Bach 's „Branden-
burgische Konzerte**, von Steinbach nuanciert,
werden fortgesetzt. Zur IBO. Wiederkehr von
Mozart's Geburtstag gibt £ulenburg das Requiem,
drei Sinfonien, drei Ouvertüren, zwei Violinkon-
zerte, ein Klavierkonzert und die Haffner-Serenade
heraus. Auf die vorzüglichen Sammelbände sei
besonders hingewiesen: Zu den früheren Kammer-
musiksammlungen kommen jetzt u. a. eine, die
Violinkonzerte in Partitur enthält von Bach, Mozart,
Beethoven, Mendelssohn und Brahms. Ein reizendes
Geschenk für Geiger. Von dem rührigen Verlag
wünschen wir recht bald Bach's „H-moU-Messe" zu
sehen, die mit der „Matthäuspassion**, Beethoven 's
„Messe** und Brahms' und Mo zart 's Requiems"
eine wundervolle Sammlung bilden würde.
Kahnt's Verlag hat Liszt's „Christus**
und „Die heilige Elisabeth** in kleinen Par-
tituren herausgegeben zu einem bei modernen
Werken unerhört billigen Preis : 8 Mark jede Par-
titur (broschiert, bleibt noch eine gebundene Aus-
gabe zu wünschen übrig). Diese Tat der Pinna
Kahnt ist mit freudigem Dank aufzunehmen; es
wird das Studium dieser erhabenen Werke dadurch
erleichtert und das Verständnis, dafür, das im
Steigen begriffen ist, immer mehr verbreitet.
Die Ausgaben zeichnen sich vor anderen durch
das Format aus, das von der Grösse der Klavier-
auszfige in 8^ ist, sodass selbst bei der grössten
Anzahl Linien die Partitur immer in derselben
Richtung gedruckt werden konnte und die Grösse
der Notenköpfe nichts zu wechseln braucht. Das
sind grosse Vorteile für die Bequemlichkeit der
Lektüre und Schönheit des Druckes. Das kleinere
Format bei Eulenburg war ja ursprünglich für die
Kammermusik gewählt und passt auch für die
meisten andern dort erschienenen Werke. Für
Wagner'd Werke hätte Schott jedoch ein grösseres
Format wählen müssen, seine Partituren leiden
sehr darunter. Kahnt hat das Richtige getroffen.
Seine Ausgaben müssen nun als Vorbild gelten
für kleine Partituren modemer Werke. Hoffentlich
erhalten wir bald auch die Graner -Messe in
solcher Form, die in ihrem unförmlichen Original-
format geradezu erschreckend wirkt.
Zur Schulgesangsreform.
In der Zeit von Mitte April bis Juni fand in verschiedenen Alters,
Leipzig unter Lieitung der Gesangslehrerin Frau
Böhme-Köhler für Lehrer an Volksschulen ein
36 stündiger Kursus zum Zwecke der Stimmbildung
statt. Das Unternehmen war durch Herrn Kantor
Hänssel-Lindenau in die Wege geleitet. Seit Jahren
in der Schule der Leipziger Gesangspädagogin
stehend, hat er erfolgreich darnach unterrichtet,
für die Anerkennung, Verbreitung und Befolgung
derselben gewirkt und durch einen Vortrag, ver-
bunden mit Gesangs- und Deklamationsdarbietungen
seiner Schülerinnen vor der Leipziger Lehrer-
schaft gezeigt, nach welcher Richtung eine Ver-
besserung dieses wichtigen Teiles der Schularbeit
zu erstreben und zu erhoffen sei. 48 Kollegen
meist Gesangs- und Ele-
mentarlehrer, waren, nachdem sie bezüglich ihrer
stimmlichen Anlage und Beschaffenheit geprüft
und in drei Gruppen verteilt, an dem Kursus be-
teiligt und bestrebt, unter der fachkundigen Leitung
der Frau Böhme-Köhler an der Bildung und
Besserung ihrer Stimme, dieses wichtigsten und
doch infolge mangelhafter Unterweisung recht oft
missbrauchten Werkzeuges aller Lehrtätigkeit, zu
arbeiten.
Mit Hilfe ihrer vortrefflichen Modelle führte
Frau Böhme-Köhler vor Beginn der Uebungen
den menschlichen Tonorganismus in seinem Bau
und seiner Vorrichtung, in normalem und ver-
bildetem Zustand, den Vorgang der Tonerzeugung,
— 284 —
die Führung des Atems, die Stellung des Kehl-
kopfes, die verschiedene Spannung der Stimm-
bänder, die Bedeutung der falschen Stimmbänder,
die Verengung und Erweiterung des Resonanz-
raumes durch Zungenwurzel, Zäpfchen, Gaumen-
segel, Unterkiefer und Lippe kurz und deutlich
vor Augen. Die anatomisch-physiologischen wie
akustischen Forschungen und Entdeckungen, die
Frau Böhme-Köhler in ihrem Lehrbuche aus-
führlich darstellt, bilden die sichere Grundlage,
aaf welcher sich ihre Methode aufbaut. Nach
dieser erscheint als Hauptziel aller Üebungen:
einen vollen, losen Ton beim Singen und Sprechen
zu gewinnen, die von Natur gegebenen Gesangs-
und Sprachwerkzeuge gebrauchen zu lernen und
die Stimme von Schwächen und Schäden, die durch
falsche Gewöhnung und verkehrte Anleitung ent-
standen sind, möglichst zu befreien. Als das ein-
fachste und bewährteste Hilfsmittel hierzu ver-
wendete Frau Böhme-Köhler das unausgesetzte
Einzel- und Zusammensingen der Vokale in der
Heihenfolge u, o, a, e, i. Durch Beispiel und
Gegenbeispiel, durch Vor- und Nachbildung, durch
verschiedene äussere Massnahmen und haupt-
sächlich durch genaueste gegenseitige und eigene
Beobachtung und schärfste Spanifung des Gehör-
sinnes und des Tondenkens erreichte sie langsam,
aber sicher, dass die gepressten, flackernden, ver-
schleierten, rauhen, kehligen, gaumigen und
nasigen, flachen und mageren Töne mehr und
mehr verstummten und dass, bei einem müheloser
als beim andern, die verschiedenen Vokale, einzeln
oder in verschiedener Ordnung verschmolzen, frei
und vollschwingend, gleichmässig und festgesponnen,
rein und warm dem Tonkörper entströmten. Da-
durch, dass sie bei allen Hebungen von einem be-
quemen Ton der Mittellage ausging und chro-
matisch auf- und abwärts schritt, wurden unbe-
merkt die sogenannten Register ausgeglichen,
schwache, versagende und brüchige Töne gefasst
und gekräftigt und die Grenzen des ümfanges bei
Tenor- und Bassstimme erweitert, und je nach dem
verschiedenen Laut und der Höhe des Tones trat
wechselwirkend die Kopf- und Brustresonanz in
Kraft. Nach einigen Wochen erweiterte sich der
Kreis der üebungen ebenso bedeutend wie an-
regend durch die Halbvokale, die stimmhaften und
stimmlosen Konsonanten, durch die Fremd-, Um-
und Doppellaute, durch die drei- und fünfstuflgen
Tonreihen, durch Intervall- und Skalenvorübungen.
An der Hand des Leitfadens der Frau Böhme-
Köhler durchgenommen, bildeten diese üebungen
sodann die wohibegründete und breite Vorstufe
der üebungen im Sprechen; hierbei wurde auf die
Unterscheidung klangverwandter Vokale und Kon-
sonanten, auf Silben und Wörter mit Lautähnlich-
keit, Lauthäofung und Lautzusammenstoss, auf
Vermeidung mundartlicher Fehler und Schwächen
besonderer Fleißs verwandt. Die abschliessenden
Bemühungen galten der Erziel nng eines schweben-
den, gesangvollen Sprechtones, einer fliessenden,
klingenden Bede und Deklamation und eines reinen,
quellenden Liedgesanges. Als die letzte gemein-
same üebung, die einen weiten Kreis aufmerksamer
Ko^egen zu Ohrenzeugen hatte, beendet war.
hatten die Teilnehmer das frohe Bewusstsein, das
Wesen eines edlen, künstlerischen Gesanges und
einer schönen bühnenmässigen Sprache zwar noch
nicht errungen, aber im Kern doch erkannt zu
haben. Der langgehegte Wunsch Frau Böhme-
Köhler's, der Schule, Lehrern und Schülern, dem
Lese-, Deutsch- und Gesangsunterricht der Volks-
schule die Früchte ihrer langjährigen theoretiscli-
praktischen Tätigkeit und Erfahrung zagnte
kommen zu lassen, der deutschen Muttersprache
und dem deutschen Lied einen Dienst erweisen
zu können, ist gewiss schon mit diesem ersten
Kursus seiner Erfüllung etwas näher gerockt
worden. Mit dem Wahlspruch des Leipziger
Lehrergesangvereins: , Deutsches Wort in reinem
Sang, aus treuer Brust: o schöner Klang!** fand
der Kursus sein Ende. O. B.
In Gegenwart des Stadtschul-Inspektors Hern
Llpp, einiger Oberlehrer von Volksschulen und
mehrerer Lehrer der städtischen Singschnle gab
Herr Lehrer Le ber aus Grei z mit Beiziehung von
Volksschulen! eine Probelektion im Notensingen
mit gleichzeitiger Anwendung des von ihm kon-
struierten Wand- und Tisch-Harmoniums.
Sein Lehrgang im Notensingen deckt sich wohl
mit dem Verfahren jedes erfahrenen und denkenden
Gesanglehrers; neu und eigenartig aber ist die
Unterstützung der Singübungen durch das Har-
monium, und zwar durch dieses Harmonium.
Das kleine Instrument kann nämlich auch an der
Tafel oder der Wand so aufgehängt werden, dass
die Tasten nicht horizontal neben einander, sondern
senkrecht über einander liegen. Dadurch findet
das Ohr in seiner Auffassung der verschiedenen
Tonhöhe eine wesentliche Unterstützung durch das
Auge, und das ist der Hauptvorzug, den dieses
Harmonium vor der Geige, dem Klavier und dem
gewöhnlichen Harmonium voraus hat — nicht zu
vergessen auch die sehr schätzenswerte Eigenschaft,
dass es sich immer in gleicher und reiner Stimmung
erhält und das gleichzeitige und fortdauernde Er-
klingen der Akkordtöne ermöglicht. Bietet das
Leber'sche Harmonium somit Jedem Gesanglehrer,
mag er nun nach diesem oder jenem Lehrgang
unterrichten, ein erwünschtes Hil&mittel, so ist es
für Lehrer und Lehrerinnen, die im Violinspielen
und in musikalischer Beziehung überhaupt schwach
sind und doch Gesangsunterricht erteilen müssen,
von unschätzbarem Werte. Da das Instrument
leicht transportabel ist, kann es in Schulen mit
mehreren Klassen ohne weiteres von einem Zimmer
ins andere gebracht werden.
Friedrich Orell,
Dirigent der städt. Singschule, München.
— 285 —
Mitteilungen
Ton Hoohsohulen und Konservatorien.
Siga Gar86f der bekannte Meister des Kunst-
gesanges, ist mit seiner Gresangschnle von Bremen,
wo er seit Jahren erfolgreich tätig war, nach
Berlin übergesiedelt. Garsö hat gelegentlich des
vorjährigen Musikpädagogischen Kongresses Oktober
1904 sni Berlin mit seinem Vortrag über „die Lehre
des losen Tones" grossen Beifall gefunden, auch
sind verschiedene Broschüren von ihm über den
Kunstgesang erschienen.
In das Lehrer-Kollegium des Prof. Breslau r-
schen Konservatoriums und Seminars, Di-
rektor Gustav Lazarus, traten ab 1. September
ein: Fräulein Fanny Opfer, Konzertsängerin,
Herr Felix Meyer, Kgl. Kammervirtuose, und
Herr Hofkapellmeister Otto Thienemann für
Opernschule und dramatischen Unterricht.
In dem uns zugesandten Jahresbericht 1904/05
des Brandenburgischen Konservatoriums
für Musik, Direktor Bruno Kittel, ist über die
Tätigkeit des in steter erfreulicher Entwicklung
befindlichen Instituts eingehend berichtet. Das
Schülerorchester der Anstalt, dessen künstlerische
Ausgestaltung den Schwerpunkt derselben bildet,
war im letzten Winter bei acht öffentlichen
Matineen mit Orchester-, Solo- und Deklamations-
vorträgen beteiligt, die eine davon, in der die
vollständige Musik zum „Sommernachtstraum"
aufgeführt, wurde in der Singakademie wieder-
holt; in einem Konzert in der Philharmonie kam
Richard Wagner^s „Kaisermarsch* * zu Gehör,
während der neueingerichtete gemischte Chor in
der Ouvertüre „Meeresstille und glückliche Fahrt"
mitwirkte. In den 3 Aufführungen der „Matthäus-
Passion" des Oratorienvereins unter Leitung des
Musikdirektors Mengewein führte das Orchester
den lustmmentalpart aus; endlich wirkte es in 5
Orgelkonzerten Musikdirektor Irrgang 's in der
ELirche zum heiligen Kreuz mit. Das Institut war
von 263 Schülern besucht, die von einem Lehr-
körper von 23 Herren und Damen unterrichtet
wurden. Eine ganze Beihe von Schülern der
Orchesterklassen und der Schauspielschule fanden
bei dem Verlassen der Anstalt sofortiges Engagement.
Das Königliche Konservatorium der
Musik in Stuttgart, Direktor Professor S.
de Lange, hat den Bericht über sein 48. Schul-
jahr versandt. Es hatte am 13. Oktober v. Js. das
Hinscheiden seines ältesten Lehrers und Mit-
begründers der Anstalt, Professor Eduard Koller,
im 90. Lebensjahre zu beklagen. An seine Stelle
ist Professor Lang getreten. Neu eingetreten in
das Lehrerkollegiam sind ausserdem Kammer-
virtuos Karl Koch, Dr. Theodor Meyer, Adolf
Benzinger und die Damen Glockner und
E. Paulus. Bei der Prüfung des Klavierlehrer-
seminars wurden zwei Damen, ManiaAlwens und
Stephanie Vetter, das Diplom als „Lehrerin^
zuerkannt. Das Thema der schriftlichen Prüfungs-
arbeit lautete: ,Ueber die zur Ausübung des Kla-
vierlehrerberufs im weiten Sinne erforderlichen
Eigenschaften mit Einschluss der musikalischen Er-
ziehnng des Schülers im allgemeinen." In den
Elementarklassen verteilte das Konservatorium in
diesem Jahre zum erstenmale Preise, und zwar
einen ersten und fünf zweite Preise, während zwei
Schüler Belobigungen erhielten. Die Anstalt war
von 490 Schülern besucht, von denen 179 die
Musik berufsmässig studierten. Es fanden ins-
gesamt 34 Aufführungen statt, darunter 2 Fest-
konzerte, 3 Klavierabende Professor M. Pauer's,
1 Vortragsabend der Professoren Singer, Frey tag-
Besser und S. de Lange, ferner 7 Prüfungs-
konzeite.
In New-York wird in diesem Herbst ein
nenes Konservatorium für Musik unter dem
Namen „Institute of Musical Art" eröffnet.
Es ist als Musikschule grossen Stils völlig nach
deutschem Muster gedacht. Als Leiter ist Frank
Damrosch berufen, ein Sohn des verstorbenen
bekannten Dirigenten der grossen New -Yorker
Oper, Leopold Damrosch. Als weitere Lehrer sind
gewonnen: S. Stojewski für Klavier, Etelka
Gerster für Gesang, Dr. Götschius und L. V.
Saar für Theorie und Komposition. Der Gründer
des Instituts ist der Bankier Loeb, der es mit
einer Summe von 500000 Dollar fundierte.
In Hanau wird der Cellist Heinrich Appun
aus Frankfurt eine Musikakademie eröffnen.
Als Lehrkräfte sind u. a. Musikdirektor Edmund
P a r 1 o w und Frau Küchle r-Frankf urt verpflichtet.
In Bromberg wird Fräulein Bosa Passarge
ihre G^sangschule durch Einrichtung einer Aus-
bildungsklasse für Gesanglehrerinnen und
Berufssängerinnen erweitern. Es werden dazu
folgende Unterrichtsfächer eingerichtet: Dekla-
mation, Italienisch, Anleitung in der Klavier-
begleitang und Anleitung zum Unterrichten im
Gesang, Masikgeschichte und Theorie der Musik.
Yermischte Nachrichten.
Georg Schumann, dessen neue Sinfonie in
diesem Winter zur ersten Aufführung kommt, hat
soeben ein neues Orchesterwerk, „Ouvertüre zu
einem Drama", vollendet. Auch dieses Werk wird
zu Beginn des Winters noch im Verlage von
F. E. C. Leuckart in Leipzig erscheinen.
286 —
Ein „Handbuch für Konzertveranstalter" wird
von dem österreichischen Därerbnnd herausgegeben,
das eine von Dr. Bichard £a>tka verfasste voll-
ständige Anleitung zur Veranstaltung von Kon-
zerten enthält. Nachstehende Fragen werden er-
örtert: Wie veranstaltet man ein Konzert? Der
Konzertveranstalter, Konzertarten, das Engagement,
der Verkehr mit den Künstlern, das Programm, der
Saal, die Propaganda, Konzertsitten. Konzert-
agenturen. Konzertierende Künstler. Städteschau.
Gesetze. — Das Werk erscheint bei Breitkopf
und Härtel in Leipzig.
In Strassburg trat am 17. August der Inter-
nationale Kongress für gregorianischen
Gesang, zu welchem Papst Plus X. bekanntlich
im Jahre 1908 durch den Hinweis auf die Reform-
bedürftigkeit dieses kirchlichen Gesanges die An-
regung gegeben hat, unter dem Protektorat des
Strassburger Bischofs Dr. P r i t z e n zusanunen. Fast
aus allen europäischen Staaten, auch aus anderen
Erdteilen waren Anhänger des gregorianischen
Gesanges erschieneD, Geistliche jeden Ranges und
Laien, um beizutragen, in den vielumstrittenen
Fragen der Ausführung des traditionellen Choral-
gesanges Einigkeit in der katholischen Welt zu
schaffen. Den Kongress eröffnete Professor
Dr. P. Wagner, Direktor der Gregorianischen
Akademie in Frelburg (Schweiz), mit einer An-
sprache, in der er erklärte, man werde auf dem
Kongress nicht über gelehrte Dinge streiten, sondern
bestrebt sein, die deutsche Kirchenmusikpflege auf
die allgemeine Praxis auszudehnen. Geschichtliche
Probleme sollten nicht gelöst, sondern der Wunsch
des Papstes eriüUt werden. Dem ständen gar keine
so übermässigen Schwierigkeiten entgegen; die
Verschiedenheiten der Auffassung würden sich
leichter ausgleichen lassen, als man vielfach glaube.
Vom Kardinal-Staatssekretär Mery del Val war
ein im Auftrag des Papstes an Bischof Fritzen ge-
richtetes Schreiben eingelaufen, in dem der Papst
seine grosse Befriedigung über den Zusammentritt
des Kongresses aussprach, der bestimmt sei, die
Restauration des traditionellen Choralgesanges her-
beizuführen, und von grossem Nutzen sein werde, da
er durch friedlichen Austausch auseinandergehender
Ansichten eine Einmütigkeit der Anschauungen
herbeiführen könne.
Die Herren Fritz Bassermann und Ernst
Eugesser, Lehrer am Dr. Hoch'cchen Konser-
vatorium zu Frankfurt a. M., erhielten den
Professor-Titel.
Für das 1906 in Kiel stattfindende „Hol-
steinische Musikfest* IstHofkapellmeistei Bernhard
Stavenhagen in München zum Festdirigenten
gewählt.
Frau Dr. Luise Langhans, geb. Japha,
die bekannte Komponistin vieler reizvoller Klavier-
stücke, Lieder und Chöre, wurde anlässlich ihres
bevorstehenden 80. Geburtstages zum Ehrenmit-
gliede der Hamburger Musikgruppe, Zweig-
verein der Musik-Sektion des A. D. L. V. ernannt
und durch Aufführung einer Reihe ihrer Werke
geehrt.
Professor Edmund Kretschmer, der Kom-
ponist der „Folkunger*^ und zahlreicher Lieder und
Chorwerke, feierte am 81. August in Dresden seinen
75. Geburtstag in vollster körperlicher wie geistiger
Frische Eine eingehende Biographie seines iiebeos
und Wirkens brachte der „KL-L." zu seinem
70. Geburtstage, Jahrgang 1900, Nrn. 17 u. 18.
Ueber die neue Orgel im Berliner Dom
schreibt die Vossische S^eitung: „Die Orgel wird in
Bezug anf ihre Grösse von keiner anderen in
Deutschland, Frankreich und Italien erreicht, ihr
Reichtum an Solostimmen aber stellt sie als Kon-
zertinstrument an die erste Stelle der Welt. Ohne
die Verdienste ihres Erbauers, W. Sauer in Frank-
furt a. 0., schmälern zu wollen, ist die Schönheit
und Harmonie des zusammenklingenden vollen
Orgelwerks immer nur ein Werk des Zufall«, und
je charakteristischer die einzelnen Stimmen, z. B.
die Violin- und Flötenstimmen oder die der Blas-
instrumente geprägt werden, um so grösser wird
die Abhängigkeit vom Zufall. Es kann geschehen,
dass das Werk in seinen Solostimmen von vollendeter
Schönheit, in seiner Gesamtheit aber matt, ohne
Glanz, ja zerrissen klingt. Die neue Orgel ist in-
dessen nach der glücklichen Seite hin ansgefallen,
trotz ihres Reichtums an Solostimmen. Erweisen
sich die Prinzipalchöre aller Klaviere als von funda-
mentaler Kraft und vorzüglicher Abtönung unter
einander, so zeigen die sanfteren Flöten- und
Gambenstimmen dasselbe Ebenmass, und ebenso
ordnen sich die Rohr werke ohne jede schreiende
Schärfe dem Ganzen harmonisch ein. Die Orgel
besitzt 112 klingende Stimmen mit 6724 Pfeifen
und ein Glockenspiel. Zwischen der grossen Haupt-
orgel und der kleinen aus der Chorbrüstung her-
vortretenden Vororgel (Rückpositiv), die hauptsäch-
lich der Begleitung solistischer Gesänge dient, ist
der Spieltisch freistehend aufgestellt Er enthält
oben 4 Klaviere (von C bis af* reichend), um die
sich die Register in einer eigenttlmlichen Anord-
nung gruppieren. Man möchte diese am besten
mit einem Billetschalter vergleichen, der grüne und
weisse Fahrkarten enthält. Die Fahrkarten liegen
neben einander, sodass ihr Aufdruck genau za
lesen ist. Ein Druck auf die untere Hälfte der
Karte (die allerding« aus Porzellan ist) löst das
Register aus, ein Druck auf die obere Hälfte schiesst
es. Ausserdem enthält dieser Teil des Spieltisches
noch zahlreiche kleine Knöpfe für frei einstellbare
Kombinationen, die es z. B. erlauben, dass ein
Konzertstück mit drei Sätzen von vornherein för
jeden Satz fertig registriert wird. Ferner sind hier
die Züge für 10 Koppeln (Verbindungen der Klaviere
unter einander und mit dem Pedal) für Forte und
Tutti eingeordnet. Im unteren Teil des Spiel-
tisches liegt das Pedal (von C bis /^ reichend) und
darüber eine Walze, deren Drehung allmählich das
— 287
ganze Werk zum Erklingen briogt. Diese einfache
nnd übersichtliche Einrichtung des Spieltisches er-
möglicht es dem Künstler, sein Werk bis ins
Kleinste zu beherrschen und ohne Schwierigkeit
die mannigfaltigsten Klangschattierungen hervor-
zurufen. Die Klaviere schwächen sich in ihrer
Intonierung derart ab, dass das am stärksten in-
tonierte unten, das zarteste oben liegt. Ausserdem
stehen die Stimmen des 3. und 4. Manuals in einem
Kasten mit Jalousiesch weller, der ein diskretes An-
und Abschwellen des Tonee ermöglicht. In der
kleinen Vororgel sind fünf sehr weiche Register
eingebaut. Die Solostimmen, die der Orgel ihren
Wert als Konzertinstrument erst verleihen, sind,
soweit es überhaupt erreicht werden kann, äusserst
charakteristisch. Leider ist ja bei den streichenden
Stimmen der Orgel das Charakteristische der
Streichinstramente nur in sehr beschränktenGrenzen
zu schaffen — gewisse technische Schwierigkeiten
sind hier nie zu überwinden — immerhin besitzt
die Orgel einen sehr schönen Geigenprinzipal und
im Pedal ein Cello, das in eioer bestimmten Ton-
lage sich dem Charakter seines Originals stark
nähert. Auch die Gambe, eine der ersten Solo-
stimmen der Orgel, hat einen ungemein sanften,
streichenden Charakter. Viel ähnlicher sind aber
die Blasinstrumente, die teilweise eine sehr glän-
zende Klangfarbe haben. Erwähnung verdient auch
die weiche Oboe und die täuschend charakterisierte
Klarinette. Unter den Flöten ragt eine wunder-
volle Konzertflöte hervor. Im Pedal steht ausser
den Posaunen eine sehr starke Trompete und ein
Fagott, dessen Ton vom Originalinstrument kaum
zu unterscheiden ist. Ausser den Grund- und Solo-
stimmen enthält die Orgel auch eine grössere An-
zahl von gemischten Stimmen. In der Quinte er-
klingen nicht weniger denn 7 Stimmen, in der
Terz 2 und im Pedal steht sogar eine Septime, die
aber trots ihrer Kleinheit sehr durchdringend ist.
Diese Stimmen dienen natürlich lediglich zum Füllen
des vollen Werkes, was sie auch vollkommen er-
reichen, ohne dass die Dissonanzen bemerkbar
werden. Im dritten Manual befindet sich das schon
erwähnte Glockenspiel, dessen Anwendung aber
wohl sehr beschränkt sein dürfte. Endlich sei noch
der akustischen Wirkung der Orgel gedacht. So
schwierig vielleicht das Problem der Akustik mit
Beziehung auf den Kanzelredner zu lösen sein wird,
so vollendet ist die Akustik der Orgel. Ihre voll-
kommene Ansprache ist überall sofort vernehmbar,
und der Nachhall, der ja nur den letzten Akkord
begleitet, ist von eigenartiger Schönheit.^
Herr Walther Schroeder, Musikalienhand-
lung hier, ersucht uns um die Mitteilung, dass der
gesamte^ Musik- Verlag von Eduard Annecke,
ebenso der Musik- Verlag von 6. Philipp u. Sohn,
beide in Berlin, in seinen Besitz übergegangen sind.
Bücher und Masikallen.
L. Blrkedal-Barfod, op. 21. Cinq Tableaux musi-
caux pour Piano ä 4 mains.
op. 22. Oktaven-Etüden für
Pianoforte.
Wilhela HftBseB, Kopeshag«« nad Lelpily.
In beiden Werken von L. Birkedal - Barf od
findet sich feinsinnige nnd liebenswürdige Musik.
Die fünf Stücke des op. 21 finde ich allerliebst,
klangvoll and von angenehmer Melodik, im Klavier-
satze für vier Hände überdies sehr wohlgelungen.
Man wird die kleinen, sehr ansprechenden Sachen
vorzüglich für Uebangs- wie Vortragszwecke ver-
wenden können. Grerade in ihrer Einfachheit und
in ihrem ungesuchten, natürlichen Wesen liegt ein
ungemeiner Reiz. Die Oktaven-Etüden (op. 22)
dürfen als passende Vorbereitung und Einleitung
für eingehende Stadien auf diesem Spezialgebiete
des Klavierspiels gelten. Denn sie stellen vorerst
noch keine übermässigen Anforderungen und sind
bequem auszuführen, auch wenn das Tempo eine
gewisse Steigerung erfährt. Die linke Hand ist
hier ebenfalls bedacht worden; meines Erachtens
hätte solches indessen auch in der vierten ^tudle
in höherem Grade der Pall sein dürfen. Jedenfalls
ist L. Birkedal-Barfod*s Klaviermusik der Beach-
tung angelegentlich zu empfehlen.
Hngo Reinholdy op 58. „Jugenderinnerungen^S
10 Vortragsstücke für Pianoforte.
UanB Schmitt) op. 66: „Drei sonnige Phantasie-
stücke" für Pianoforte.
Ludwig DobllBgar, Wlem.
Mit den unter dem Gesamttitel „Jugend-
erinnerungen*^ vereinigten Stücken für Pianoforte
verfolgt Hugo Keinhold zunächst instruktive
Zwecke, schreibt aber so, dass zugleich Herz und
Gemüt der kleinen Spieler angeregt werden und
musikalische Nahrung empfangen. Als üebungs-
und Vortragsstücke leichteren Stils sind die
hübschen kleinen Sachen durchaus Lehrern und
Lernenden zu empfehlen.
Unter den „Drei sonnigen Phantasiestücken*^
des op. 66 von Hans Schmitt sagte mir insbe-
sondere das letzte zu. Es ist ein lebenspiühender
Saltarello von sehr glücklich melodischer Erfindung,
rhythmischem Schwünge xmd vortrefflichem Klavier-
satze, der ein ganz ausgezeichnetes Vortra^sstück
abgibt. Mancheilei Hübsches findet sich auch im
ersten, „Unter ihrem Fenster" betitelten Stücke,
doch will mir, seh' ich's einmal vomehmerweise
als programmatische Musik an, vieles nicht recht
in den durch die Ueberechrift gegebenen Stimmungs-
kreis passen. Das mittlere der drei Stücke ist ein
— 288 —
Minnelied, das In seinem melodischen Gehalte
eigentlich mehr den Eindruck eines Fragmentes,
einer Miniatur hinterlässt — zn viel Arabeske,
möchte man beinahe sagen. Aber auf den Sal-
tarello in Hans Schmitt's op. 66 sei nachdrücklich
hingewiesen.
Sechs kleine Tänze für Klavier
zu vier Händen. H. 1. 2.
12 slawische Volksweisen für
Klavier zu 2 oder 4 Händen.
SSddratteher MvillCTerlaf, StraMbwrf 1. E.
Die vorliegenden Hefte enthalten insgesamt
allerliebste, liebenswürdige und ebenso leicht spiel-
bare als leicht fassliche Musik für Pianoforte. Die
Erich J. Wolf, op. 4.
op. 5.
sechs kleinen Tänze des op. 4 bieten trefflich er-
fundene Tonsätze kleineren ümfangs für Unter-
richt und gute Unterhaltung; die zwölf slawischen
Volksweisen sind mit intuitiver Kraft der Aeusse-
rung der Volksseele nachempfunden und in höchst
ansprechender, musikalisch feiner Einkleidung dar-
geboten. Alle Stücke zeichnen sich durch denklich
guten Klaviersatz und durch prächtige, durch
häufig überraschend einfache Mittel hervorgerufene
Klangwirkung aus und empfehlen sich wirklich
nach aller und jeder Hinsicht so sehr von selbst,
dass Unterzeichnetem nur übrig bleibt, die Leser
mit ihrem Vorhandensein bekannt zu machen.
Eugen Segnitz.
maiikpädagofliicber Uerband.
Die General • Versammliing des Musikpäda-
gogischen Verbandes findet am
Sonnabend, den 7. Oktober, Nachniittags 0 Uhr,
im Saale des Klindworth-Scharwenka-Kon-
servatoriums, Steglitzerstr. 19, statt.
Der Vorstand gestattet sich dazu folgende Mit-
teilungen:
Die General- Versammlung dient ausschliesslich
dem Zweck, die auf der vorigen General- Versamm-
lung für ein Jahr bestätigten
Satinngen
auf Grund der dazu eingereichten Anträge durch-
zuberaten und endgültig festzustellen.
Der für Oktober geplante Kongress ist wegen der
noch nicht abges'^hlossenen Schulgesangsfrage auf
Ostern 1906 verschoben. Auf demselben wird genau
Bericht über alle Arbeiten des Verbandes erstattet.
Zur General - Versammlung haben nur die
direkten Mitglider gegen Vorzeigung ihrer Mit-
gliedskarte und die Delegierten der ange-
schlossenen Vereine gegen Vorzeigung einer
Delegierten-Karte Zutritt. Es ist den Vereinen
gestattet, soviel Delegierte zur Gheneral- Versamm-
lung zu entsenden, als sie nach ihrer Mitglieder-
zahl satzungsgemäss Stimmen haben.
Die Anmeldung der Delegierten und der Mit-
glieder hat bis zum 15. September an den I.Vor-
sitzenden zu erfolgen.
Nach Schluss der Versammlung findet eine
gesellige Zusammenkunft im NoUendorf-
Casino, Kleiststr. 41, statt.
I. A.
Xaver Schanvenka,
I. Vorsitzender.
_ Dieser Auflage liegen die Prospekte von Ernst Eu/enburg, Leipzig: ^^Kleine Partitur-
Ausgaben^^ und H, B. Krenizlin, Berlin: .^Bewährte ^ instruktive Onterrichtswerke und Vor-
tragsstücke^^ beiy auf die wir unsere Leser besonders aufmerksam machen. D. E.
Konservatorium der Musik
in Kassel.
Gegr. 1895. Direktion: L Beyer. Gegr. 1896.
ChrenTOrsitz: Beffierann-Präsldent tob TroU su Smls,
Onf KSHlyMorffy Excellens Generalin tob ColOBby
OberbürgermeiBtor Miller o. A.
Cnratorinm: Pfarrer Hmi, Soholdirektor Prof. Dr. Krma-
■ueher, Bankier Plaaty Jastisrath Seheffer u. ▲.
Lehrer : Die Pamen : L. Beyer, Bi«isl*F8xstery Eönigl. Opem-
eäogerin, OleMe-Kabroaly A. Taadlea. Die Herren:
▲• HartdeyfiB. KammerriitnoB. Prof. Dr. U5bely
0. Kaletoch, Kgl. Kammermusiker, K. KletaaaaB«
Kffl. Opemeftnffer, W« Hoakaupty Kgl. Kammermusiker,
Ed. BehmMI, Kgl. Kammermusiker, U. HehBurbasek,
Kffl. Kammermusiker u. A.
Unterrichtfäeher: Klavier, yiolln^ CoUo, Harfe und alle
abriffen Orohesterinstmmente. Oosang, Harmonie-
undKompoaitionsIehro. Musikgesohiohte. Italienisoli.
OrchesterspieL Oebdrübung. MusikdikUt.
Organisation:' Concertklassen. Seminarklassen. Ober-,
Mittel- und Elementarklassen.
Statnten sind kostenfrei su bestehen durch die Sohriftleitung
des Konservatoriums Kassel, Wilhelmshöber AUoe 48.
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Erschienen ist:
Max Hesses
21. Jahrg. f ÜF lOOOe 21. Jabrg.
Mit Portrail Prof. Dr. Herrn. Kretzschmars u. Btographie
aus der Feder Dr. A. Scberiogs — einem Aufsatze „Ezotifctae
Musik** von Prof. Dr. Huco Ricmann — einem NotUbuchc
— einem umfassenden Mttilxer-Qcbttrts- uod SterbekalCBder
— einem Konzert-Bericht aus Deutschland (Juni 1904— >190S)
— einem Verzeichnisse der Mufik-Zeitschriften und der
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Barlln W., Blaaaacharatraaaa lao.
Meisterschule
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Tonbildong nnd Gesangsteclinik
von Kammersänger
E. Robert Weiss,
Berlin W. 80, Bambergerstr. 15.
Frau Dr. Luise Krause
Vorsteherin der
Schweriner Musikschule
Schule für höheres Klavierspiel und Ausbildung von Lehrkräften nach
dem preisgel<rönten Anschauungsunterricht der Vorsteherin.
Berlin W.y Gmiiewald,
Marbargentrasae IS. ESalgaallea la, Gartaahans.
Anna Otto
Klavier- Unterrieht
Allgemeine mnsikalisclie
Erzieh- nnd Lehr- Methode für
die Jngend nach
Hamann- Volkmann.
Berlin W., Regensburgerstr. 28Gii-
Musikschulen Kaiser, Wien.
Lehranstalten für alle Zweige der Tonkunst, incL Oper.
Vorbereitungskurs zur k. k. Staatsprüfung. — Kapellmeisterkurs. — Ferialkurse
(Juli -September). -^ Methodische Spezialkurse für Klavierlehrer. — Abtheilung für
brieflichen theoretischen Unterricht — Jährliche Frequenz: 850 Schüler und Schüle-
rinnen aus dem In- und Auslande. ~ Lehrkräfie ersten l^anges.
«f- Proipeete franeo dnreb die InetlUtakaaalel, Wien TU/lb. -^
— 290 —
Dina yan der Hoeyeiii
PUhIiMb.
Konzert und Unterricht (Meth. Carreno).
Berlin W., Marbnrgeratr. 17 Ul.
39$i Uianna aa IDottai
Pianist.
Berlin W., Passanerstrasse 26.
Die Geschäftsstelle der
Lebens-, Alterspensions-, Invaliditäts- und Kinder-
versicherung der Mitglieder Deutscher Frauenvereine
„Friedrich WiiiieiRi", Berlin W., Bebrenetraese 60/61,
Leiterin FrL Henriette Goldeelmildt, angeeohlonen 81 Frsami- und fMdMUt
Vereia« in Deateohland, bietet die nmfaeeendate SiohenteUiuiff für daa Alter
und gegen eintretende ErwerbennfÜhi^keit.
Treueete Beratung mündlich und tohriftlidh. — SprecAist. voa lO— 1 Yorm.
Käte Freudenfeld,
Konzert- u. Oratoriens&ngerin (Alt)
G(ei«nglehrerin, Atbemgymnastik.
Berlin W., Gaisbergstrasse 17 "•
UiitmicbtS'UerMimittMfl der mnsMnnppt Beniii (aucd-h-v.)
für Klavier-, Geaaog- u. Violinstunden. Lehrerinnen mit guten Zeugniuen oder
Empfehlungen werden koitenloi nachgewiesen durch die Vorsteherin Frau H. Bwo-
hauten-Leubutoher» Berlin W.80, Luitpoldstr. 4a Sprechet.: Montag Nachm. S*/«--!
Frankftirter
Mnsiksohnlo.
Leitung S« Henkel.
= Frankfurt a/M. =
Jonghofstrasse, Saalbaa.
SteKenpennittlung der niusiksekflon
des Jlllgenieiaea DeiitscDen Eebreriaaettverelas«
Centralleitung Berlin W., Luitpoldstr. 48.
Fran Helene Bnrgbansen-Lenbnscber.
YonflgUch anagebildete und empfohlene Lehrerinnen (Klaviar, floeawg, Theorie)
f ttr Institute, Penaionate und Familien, für Li- und Ausland. Spraohkenntniaee
Sehule
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Stellenoermmitiiig der IDusiksektion
4es Jlllgciii* Deiitscbeii Eetorerinneti-Uereiiis.
Centralleitung: Berlin W., Luitpoldttr. 43.
Auszug aus dem
Stellenvermittlungs-Register.
Offene Stellen:
Für ein gut besuchtes Musikinstitut in einer
lebhaften Stadt im S. V. wird eine tüchtige Violin-
lehrerin gesucht. Das Violinfach soll neu ein-
^rerichtet werden und wird daher vorläufig kein
Fixum bewilligt.
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Eine vorzügliche Gresangspädagogin, die Fleh
dnrch schriftstellerische Arl^iten auf dienem Ge-
biete einen Namen gemacht hat, sucht Engage-
ment an einem Konservatorium.
Eine tüchtige Klavierspielerin und Lehrerin,
ausgebildet am Münchener Konservatorium, sucht
Stellung an oiner Musikschule.
Meldungen sind zu richten an die Central-
leitung der Stellenvermittlung der Musiksektion.
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Der Rlavier-Iiebrer.
Musik-pädagogische Zeitschrift für alle Qebiete der Tonkunst
Ors:an der Deutschen Musiklehrer-Vereine,
der Musik-Sektion des fl. D. L-V. und der Tonkunstler-Vereine
zu Köln, Dresden, Hamburg, Leipzig und Stuttgart.
Begründet 1878 von Professor Emil Breslaur.
Redaktion: Anna Morsch
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fflr die zwelgespaltene Petitzcilc cnt*
gegengenommen.
No. 19.
Berlin, 1. Oktober 1905.
XXVIll. Jahrgang.
lahAlt: Eugen Segnitz: Felix Draoseke. Hans Schaub: Zur Reform des theoretischen Unterrichts auf unseren musikalischen Lehr,
anstalten. Ludwig Riemann: Der akuKtische Einfluss der alten und heutigen Klaviere auf die Kompositionstechnik. (Fort-
setzung.) Mitteilungen von Hochschulen und Konservatorien. Vermischte Nachrichten. BQeher und Musikalien, besprochen
von Eugen Segnitz, Ludwig Riemann und M. J. Rehberg. Vereine. Anzeigen.
Von
Eugen SegnÜB.
Es ist w^ohl immer
das alte Lied von Künst-
lers Erdenwallen: Erst
nicht beachtet oder an-
gefeindet zu werden,
dann allmählich mehr
Würdigung erfahren,
endlich nach dem Tode
selig gesprochen zu
werden. „Lamento e
trionfo" — das Alpha
und Omega eines jeden
Künstlerlebens.
Auch Felix Drae-
seke hat die Wahrheit
des eben Gesagten reich-
lich an sich erfahren
müssen. Sein Dasein
ist hinsichtlich des Er-
folges und der Ver-
breitung seiner Werke
eine lange Wartezeit ge-
wesen. Er ist bislang
von Vielen angestaunt
und bewundert, aber nur
von Wenigen geliebt und
verehrt worden. Aber
Felix Draeseke.
doch hat es den An-
schein, als ob man sich
endlich des Rechten be-
sinnen und dem grossen,
greisen Meister die ihm
gebührende Stellung auf
dem deutschen musika-
lischen Pamasse ein-
räumen wollte. Es ist
eine Charaktereigentüm-
lichkeit des Deutschen,
sich oft erst eine gute
Weile zu besinnen, be-
dächtig zu prüfen und
abzuwarten, wie sich ein
Ding gestalte. Draeseke
schuf, unbekümmert um
Mit- und Nebenmen-
schen, Werk auf Werk,
Hess seine starke, scharf
umrissene künstlerische
Persönlichkeit immer
bestimmter hervortreten
und fand das Verständ-
nis für sein Schaffen
in nicht hinreichendem
Masse. Man sah ihm
— 294 ^
halb mit Verwunderung, halb mit Kopfschütteln
zu und ging an ihm vorüber. Ganz allmählich
bildete sich ein Kreis um ihn von Freunden
und Verehrern, die guten Willens und befähigt
waren, ihm auf seinen verschlungenen Künstler-
pfaden zu folgen. Auch die nachstehende
biographische Skizze will das Interesse auf
den Meister hinlenken und dem Leser über
seines Wesens Eigenart Aufschlüsse und Hin-
weise geben — mit einem Worte, den Kreis
der Kenner Draesekescher Werke erweitem
helfen.
Der äussere Lebensgang Draesekes ist
bald erzählt. Am 7. Oktober 1835 als Sohn
des Hofpredigers Draeseke in Coburg ge-
boren, war der Jüngling anfänglich für die
Laufbahn des Theologen bestimmt. Aber es
währte nicht lange und eine „andere Fakultät*'
zog ihn weit stärker und unablässiger an,
nämlich die Musik. So geschah es, dass
Draeseke mit väterlicher Sanktion das Kon-
servatorium der Musik in Leipzig besuchte
(1852) und unter Julius Rietz* und Moritz
Hauptmannes Leitung Komposition studierte.
Aber die hier wehende akademische Stuben-
luft bekam dem Jüngling nicht sonderlich. Er
fühlte sich nicht heimisch. Und als er nun
vollends in Weimar Wagner 's „Lohengrin**
unter Liszt's Leitung gehört hatte, war es mit
der Freude an musikalischer Schulweisheit
überhaupt vorbei. Alsbald schwur er auf
Wagner, was ihm gelegenüich der Prüfungen
in der genannten Anstalt erheblich schadete,
und trat (unter dem Namen Biterolf) in den
Kreis der Mitarbeiter der Schumann-Brendel-
schen „Neuen Zeitschrift für Musik" ein. Die
Uebemahme der Lokalberichterstattung schlug
gleichsam dem Fass den Boden aus. Draeseke
sah sich bald einer wahren Phalanx von
Feinden gegenüber. Nach vierjährigem Aufent-
halte wandte sich der junge Künstler (1856)
nach Berlin, dem Aufenthalt des ihm eng
befreundeten Hans von Bülow. Hier ver-
lebte er acht frohe Monate und begab sich
dann nach Weimar, wo er im Kreise von
Franz Liszt sofort gütige Aufnahme und
manchen neuen, trefflichen Freund, u. a. Peter
Cornelius, gewann. In Bülow's Gesellschaft
hatte Draeseke Liszt's „Mazeppa" und „Les
Preludes** gehört und schrieb darauf die
Analyse der Symphonischen Dichtungen des
Meisters. Er teilt sich über die in Rede
stehende Zeit wie folgt mit:
„Schon damals war ich für die Mängel
dieser Werke nicht ganz blind, aber sprach
nicht von ihnen. Hatte selbst Vorliebe für
die Liszt'sche Paprika, ungewöhnliche Wag-
nisse und Tollkühnheiten, meist harmonischer
Natur, und im übrigen für gigantischen Auf-
bau ungeheuerlich grossartiger Stücke, die
alles überragen und durch Steigerungen
von ungewöhnlicher Ausdehnung verblüfifen
sollten. Ein auf Anregung Liszt's bei
Wagner") in Luzem August 1904 gemachter
Besuch, wo ich die Beendigung der Tristan-
Partitur als Augenzeuge erlebte und mit dem
Meister Rigi und Pilatus erstieg, hatte guten
Einfluss, insoweit als Wagner keineswegs die
Tollkühnheiten und Unnatürlichkeiten be-
günstigte, vielmehr auf Beethoven zurück-
wies und besonders das melodische Prinzip
dieses Meisters (in den Symphonien haupt-
sächlich) in solcher Weise betonte, dass ich
hiervon einen unerlöschlichen Eindruck er-
hielt, sowie eine Mahnung für weiteres
Schaffen. Kleist's „Germania** enthält einen
rein diatonischen Marsch, das als erstes Zeichen
späterer Umkehr anzusehen ist. Es folgt
aber die symphonische Dichtung „Julius
Caesar", das Gewagteste wohl, was die Zu-
kunftsschule geschrieben, dem die andere
»Frithjof" in drei Teilen folgte, welche eine
bedeutende Umwandlung besonders nach Seite
der früher unsinnig massenhaft gestalteten
Instrumentation erkennen lässt, aber jener
Zeit auch wohl noch unmöglich erschienen
wäre. Von den beiden grossen Werken hat
nie jemand etwas zu hören bekommen. Das
schrecklicheRenommee, das mich als schlinunste
Spezies der Zukunftsmusik bezeichnete, ist
zu verdanken einem aus der Germania ge-
zogenen, aber selbständig gestalteten Marsche,
der unsinnig massenhaft instrumentiert und
von einer totmüden Kapelle am Schluss einer
grossen Tonkünstlerversammlung (in Weimar)
gespielt, einen für zarte Gemüter sehr furcht-
erregenden Eindruck gemacht hatte. Diese
Komposition bestimmte nun für lange Zeit
das Bild des Komponisten bei vielen Leuten,
sodass, als er später Symphonien in geklär-
tester, rein klassischer Form schrieb, ganz
gescheite Leute in ihnen Spuren von Wüst-
heit, Unordnung, vor allem aber einer ent-
, .Draeseke ist noch bei mir, sein Besuch macht
mir Freude**, schreibt Wagner im August 1859 an
Liszt, worauf dieser antwortete: „Es freut mich,
dass Du ihn liebgewonnen. Er ist ein prächtiger
Mensch. In unserem ganz kleinen Kreise von
Vertrauten wird er „der Recke" genannt — Hat
er Dir seine Ballade „König Helge" gezeigt? —
es ist ein herrliches Ding. —
— 296
setzlichen Herbigkeit finden wollten, die dem
Komponisten bis zu dem heutigen Tage nach-
gesagt wird." —
Im Jahre 1857 wandte sich Draeseke
nach Dresden, das ihn fünf Jahre lang be-
herbergen sollte. Er trug sich mit der Ab-
sicht, die Dirigentenlaufbahn einzuschlagen,
die aber vereitelt wurde durch ein schon aus
der Zeit frühester Kindheit herrührendes Ohren-
leiden. Infolgedessen widmete er sich der
musikpädagogischen Tätigkeit, nahm eine
Stellung als Lehrer des Klavierspiels am Kon-
servatorium der Musik in Lausanne (Schweiz)
an und verblieb dort fast ununterbrochen
in den Jahren 1862—76. Nur 1868 bis 1869
Avar er vorübergehend dem Rufe Hans von
Bülow's an die Königliche Musikschule in
München gefolgt. Aber immer wieder zog
«s Draeseke nach der deutschen Heimat und
1876 wählte er Dresden zu seinem Wohn-
sitze. Das Konservatorium der Musik berief
ihn als Lehrer der Komposition, eine grosse
Anzahl begabter Schüler sass zu seinen Füssen,
und hochgeachtet und beliebt, froh und heiter,
trotz seines Ohrenleidens, lebte der Künstler
im eigenen Heim in Eibflorenz.
Draeseke*s Werke sind der Spiegel, worin
des Schöpfers kraftvolle Natur, seine Energie
und Individualität, die Tiefe und Zartheit
seines Gemüts reflektieren. Auf allen musi-
kalischen Gebieten war der Meister tätig.
Aber nur zu vieles des von ihm Geschaffenen
-wird uns in, ich möchte beinahe sagen, rück-
sichtsloser Weise vorenthalten. Hierher ge-
hören in erster Linie die dramatischen
Werke. Draeseke schrieb fünf Opern. Ein
Jugendwerk ist „Sigurd", das in Weimar
gerade aufgeführt werden sollte, als Liszt an-
lässlich des bekannten Cornelius-Skandals den
Dirigentenstab niederlegte. Liszt hatte ins-
besondere dem ersten Akte der Oper sein
volles, uneingeschränktes Lob zuteil werden
lassen. In den Jahren 1878—79 entstand
.Herrat" und wurde im Dresdener Hofopem-
hause mit durchschlagendem Erfolge zur Auf-
führung gebracht; leider wurde es in der
Folge durch die Krankheit eines Sängers nach
neunmaligem Erscheinen bei Seite gelegt. Die
Oper „Gudrun" wurde leider nur im Theater
zu Hannover gegeben und die kleine komische
Oper „Fischer und Chalif* wurde jüngst mit
lebendiger Anteilnahme in Prag aufgenommen.
Eine andere gross angelegte Oper, „Bertrand
de Born", ist überhaupt noch nicht zur Auf-
führung gekommen.
Ganz besondere Beachtung verdient
Draeseke als Tonsetzer auf oratorischem
Gebiete. Sein aus einem Vorspiel und drei
Oratorien bestehendes Mysterium „Christus"*)
halte ich für eine der monumentalsten Schöp-
fungen der Kunst überhaupt, für das Be-
kenntnis eines wahrhaft grossen Menschen
und Musikers. Es ist ein Herzenswunsch
Draesekes, diese Trilogie als Ganzes aufge-
führt zu wissen, aber bis heute ist es nur zu
wenigen Aufführungen einzelner Teile ge-
kommen. Femer ist hier zu nennen das
„Requiem", eine gedankentiefe, kirchliche
Komposition von höchster Bedeutung, und das
„Adventlied". Es steht in seinen grossen
Gegensätzen zu jenem und ist von plastischem
Ausdruck, packendster Stimmung und ganz
hervorragenden Steigerungen erfüllt. Ich er-
innere auch noch an die „Columbus-Kantate"
für Männerstimmen und Orchester und an die
„Osterszene" aus Goethe*s „Faust" für Ba-
ritonsolo, gemischten Chor und Orchester,
Werke, die zu den allerbesten ihrer Art in
der neueren Zeit gehören.
Wie in den vorgenannten Werken, so
konnte Draeseke auch in den drei Symphonien
(G-dur, F-dur und C-moU) u. a. seine unum-
schränkte, ja oft beinahe fabelhafte Kunst im
Kontrapunktieren beweisen. Diese sympho-
nischen Werke, darunter die C-moll-Symphonie
(„Tragica") das bedeutendste, schliessen sich
in formaler Richtung an Beethoven an, stehen
aber nach Seite der Harmonik, Thematik und
Instrumentation auf durchaus modernem Boden.
Sie lassen Draeseke's künstlerisches Wesen
bezüglich des originellen, markigen Aus-
drucks, der Tiefe des Gedankeninhalts und
einer kaum zu leugnenden Herbe, die sich oft
bis zur Schroffheit zu steigern vermag, recht
erkennen. Hingegen ist die überaus fein
orchestrierte D-dur-Serenade auf weit milderen
Ton eingestimmt. Wie meisterhaft Draeseke
zu charakterisieren versteht, geht aus den
„Symphonischen Vorspielen" zu Calderon's
„Das Leben ein Traum" und Kleists „Pen-
thesilea", endlich auch aus der „Jubelouver-
türe" hervor.
Mit fruchtbarstem Eifer baute unser
Meister auch das Feld der Kammermusik an.
Er schenkte der musikalischen Welt drei
Streichquartette, ein Streichquintett, je ein
*) Lauterbach & Kuhn, Leipzig. Die weiter
angeführten oratorischen, symphonischen und
Kammermusikwerke sind sämtlicn bei Fr. Kistner,
Leipzig, erschienen.
— 296 —
Klavierquartett und -Quintett, sowie mehrere
Werke für Hörn, für Klarinette und Klavier.
Den grösseren Formen näherte er sich in dem
ausgezeichnet schönen Es-dur Klavier-Konzert-
op. 36 (Fr. Kistner, Leipzig), in. einem Violin-
und Violoncellokonzert. Nicht vergessen sei
an dieser Stelle auf seine sehr beachtens-
werten, musikalisch ungemein wertvollen
Klavierwerke hinzuweisen. Unter Liszt's Ein-
fluss entstand die grosse Klaviersonate op. 6
(Rözsavölgyi, Budapest), während die „Rück-
blicke", op. 43, und „Was die Schwalbe sang*
op. 21 (Fr. Kistner, Leipzig), durchaus selb-
ständige Phantasiegebilde sind. Ebenso zu
empfehlen sind den Lesern die »Ghaselen"
op. 132, die treffliche Fuge op. 15 (Bote &
Bock, Berlin), und die (vierhändigen) Kanons
zu 6, 7 und 8 Stimmen, op. 37, sowie die
Kanonischen Rätsel op.42 (Fr. Kistner, Leipzig).
Auch der Lyriker Draeseke findet meines
Erachtens bei weitem noch nicht die aus-
reichende, ihm unzweifelhaft zukommende
Würdigimg. In seinen zahlreichen Lieder-
heften hat der Meister einen wahren Schatz
überraschendster Schönheiten geborgen. In
wunderbarer Weise verbinden sich hier fast
stets Wort und Ton miteinander und die
Skala der menschlichen Leidenschaft und
Empfindung steht dem Tonsetzer zur Ver-
fügung, wenn es gilt, dem Dichter zu
folgen und die entsprechende Weise zu finden
für den poetischen Gedanken. Auch hier
müsste von rechts- und geschmackswegen
Wandel geschafft und dem Komponisten durch-
aus mehr Raum in Haus und Konzert gegeben
werden.
Von Draeseke*s schrankenlosem Können,
von seiner Befähigung zum musikalischen
Lehramt und von seiner schriftstellerischen
Begabung legen verschiedene Werke Zeugnis
ab. Das Lehrbuch des Kontrapunktes und
der Fuge*) darf ein Meisterwerk genannt
werden. Von besonderem Werte sind die
kleineren Schriften „Anweisung zum kunst-
gerechten Modulieren" und „Die Beseitigung
des Tritonus*; die den scharfsinnigen Theore-
tiker in hellstem Lichte erscheinen lassen.
Eine sehr liebenswürdige und freundliche
Gabe endlich ist „Die Lehre von der Har-
monia, in lustige Reimlein gebracht", worin
Draeseke's glücklicher Humor und Lust an
witzigen Einfällen überraschend in die Er-
scheinung treten.
Hier wäre in gebotener Kürze Felix
Draeseke's Lebensgang und Lebenswerk dar-
getan. Die Bedeutung des Meisters liegt in
seiner bestimmten, kraftvollen Persönlichkeit,
in seinem unermüdlichen, von allen rein
äusseren Einflüssen streng abgewandten
Schaffen, und in der Strenge und Kontinuität
seiner künstlerischen Anschauungen. Draeseke
ist der grössten deutschen Künstler einer.
Man gebe ihm die Ehre, die ihm gebührt, und
man danke ihm für alles, was er seinem
Volke gegeben hat. Der greise Künstler
empfange sein Geschenk gewissermassen von
der Nation zurück: nämlich durch dauernde
und wiederholte Aufführung seiner Werke.
Dies sei mein herzlicher Wunsch zu
seinem 70. Geburtstage!
*) Die theoretischen Werke sind sämtlich bei
Breitkopf Sc Härtel, Leipzig, erschienen.
2uF l^efoFit) des l^beoFeHscbet) ^tyUrrlchfs auf uoscpei)
ii)usil<aliscbei) ]$zhrat}sfQ\Ht}.
Von
Hans Schanb.
I.
Voransgesetzt, dass man die Konservatorien
als das ansieh t, als was sie sich vorstellen, nämlich
als Akademien nnd damit als AnsgangspuDkte des
musikalischen Lebens nnd Vorwärtsschreitens eines
Volkes, nicht nur aber lediglich als Pflanzstätten
des Virtaosentnms und des höheren Dilettantismus,
dann tritt die Präge an uns heran, ob die diesen
Anstalten vor 40 Jahren vorgeworfene allgemein
zugestandene Erfolg — und Nutzlosigkeit" (Kichard
Wagner: Entwurf zur Errichtung einer Musik-
schule in München) nicht in einer Beziehung
eigentlich noch heute existiert, nämlich in Bezug
auf den — allmählich zum Schmerzeusktnde dieser
Anstalten gewordenen — Theorie- und Kompos i-
tions- Unterricht.
Die Konservatorien, die einen bedeutenden
Paktor unseres geistigen Lebens darstellen, geben
uns in ihren Prospekten und Ankündigungen in
der Hegel die Versicherung, dass sie imstande
— 297 —
sind, allen, die es ernst mit der Musik meinen, die
vielseitige Ausbildong zn geben, die sich privatim
doch nar unter grossen pekuniären Opfern erlangen
lässt. Sie lassen es also sich damit eine Pflicht
sein, ihre Zöglinge zu Musikern zu bilden und
ihnen im schlimmsten Falle das beizubringen,
was sie in den Stand setzt, wenn sie denn nicht
selbst Schöpfer von bedeutenden Werken oder
Reprodozenten derselben geworden sind, doch das
Echte zu erkennen und zu geniessen, indem sie
ihnen die theoretische Bildung zn teil werden
lassen, die unbedingt erforderlich ist, eine fieet-
hoven*Bche Sonate, eine Fuge von Bach, wenn nicht
vollkommen spielen — so doch vollkommen hören
zu können.
Neben einem tüchtigen praktischen Studium
eines Instrumentes sollte ein theoretisches Studium
als völlig gleichberechtigt, d.h. nicht minder
wichtig besteheu , und zwar obligatorisch, damit
es nicht von denen umgangen oder vernachlässigt
werden könnte, die ihr Streben auf Erlangung
leeren Virtuosentums richten.
Dass man sich allgemein dazu entschlösse,
dem theoretischen Unterricht eine seinem Gegen-
stände entsprechende Bedeutung auch praktisch
zuzuerkennen, halte ich für die höchte 2ieit; denn
wenn auch eine erstaunliche, fast möchte ich
sagen erschreckende Zahl von weit das Mittelmass
überschreitenden, mit einer mehr oder minder
fabelhafter Technik ausgerüsteten Künstlern und
Künstlerinnen alljährlich aufs neue die Konzert-
säle überschwemmt, beweist nicht das Geringste
gegen die bestimmte Annahme, dass die allge-
meine und deshalb wichtigste musikalische Bildung
dank der jeglicher Methode entbehrenden lang-
weiligen und schweiiälligen TJnterrichtswelse seit
einem Menschenalter enttehieden zurückge-
gangen ist. Gewiss, wir haben heute in I>eutsch-
land keinen Mangel an bedeutenden reproduzierenden
Künstlern und an guten, ja vorzüglichen Kapell-
meistern; in jedem Provinzstädtchen finden wir
heute sicherlich überall einen tüchtigen Lehrer für
Klavier- oder Gkigenspi^l — wie es aber mit dem
Gros der in das musikalische Leben hinaustretenden
, Kunstbeflissenen** steht — das ist eine andere
Frage. Weit entfernt von der Zeit, in der jeder
Pianist und Organist seinen Generalbass in und
auswendig können musste, erleben wir es heute
kaum noch, dass der durchschnittliche „Musiker^,
der sein Konversatorinm verlässt, die Gegenstände,
die neben seinem Listrumente sein eingehendes
Studium hätten bilden sollen, wie Harmonielehre,
Contrapunkt und * Formenlehre (allgemeine und
angewandte), eigentlich überhaupt nur richtig kennt,
geschweige denn sich etwa in denselben genügend
geübt hätte. Und dann tritt man in die Oeffent-
lichkeit und musiziert drauf los!
Wie schwer sich dieser Missstand rächen wird,
muss man einsehen, wenn man daran denkt, dass
der Fortschritt des musikalischen Lebens nach der
Seite der Aufnahmefähigkeit und der Kritik hin
und damit untrennbar verbunden der gegen-
wärtige Stand der musikalischen Beproduktion da-
von abhängt, wie das Publikum, das vorgibt, die
Literessenten unserer Konzerte, die Lehrer unserer
Jugend, die Diener unserer hehren Kunst zu sein,
den mit diesen Pretensionen verbundenen An-
fordet ungen gerecht wird. Ueber jeden Zweifel
erhaben ist somit, dass nicht nur die „Meister-
schulen" und die internationalen allerersten Kon-
servatorien, sondern alle musikalischen Lehran-
stalten, die ihrem idealen Ziele wirklich dienen und
deren Leiter nicht damit zufrieden sind, dass sich
ihre Anstalten wirtschaftlich rentieren und sie
jährlich das ihrige dazu beitragen, die Welt mit
neuen „Virtuosen^ und .Virtuosinnen" zu be-
glücken — dass diese Akademien der Tonkunst
vor allem ihr Augenmerk darauf richten müssen,
diejenigen Schüler, die ihnen die wichtigsten sein
sollten — ihre Theorieschüler mit .allen Waffen zu
rüsten, statt dieselben auf die fragmentarische all-
gemein übliche Weise zu belehren, — die ab-
stossend und langwellig dann den Effekt hat, der
Rieh. Wagner's Worte rechtfertigt. Li welchen
Punkten wäre also ein theoretischer Unterricht zu
reformieren, wie sollte der Lehrgang geändeit
werden und schliesslich wer soll Theorie treiben?
Theorie soll von jedem angehenden Ton-
künstler erlernt werden, eingehend und gründlich;
denn wenn auch bis zum Können und Beherrschen
nur diejenigen durchdringen, die sich zum Berufe
eines Komponisten für befähigt erachte ü, können
doch auch die anderen, die den Gei&t eines Werkes
nachdichtend wiedergeben sollen, wie dies bei jedem
wirklichen Gesang- und Instrumental - Künstler
der Fall sein muss, es bis zum genauen Kennen
bringen. Wie fängt man es aber heute an, um zu
diesem Ziele zu gelangen?
Es ist an vielen, wohl den meisten unserer
musikalischen Lehranstalten üblich, nach voraus-
gegangener Kenntnisnahme der elementaren Dinge,
wie Noten- und Pausenschrift, Tonleitern und
Intervallenlehre, sofort zum Studium der Harmonie-
lehre überzugehen, statt mindestens ein Jahr für
diese so unendlich wichtigen Theorieelemente
anzuberaumen. Wer diese Zeit für als zu lange
berechnet hält, dem kann ich die tröstliche Ver-
sicherung geben, dass dieselbe meistens sogar,
wenigötens beim Klassenunterricht, nicht ausreicht,
wenn man mit den theoretischen Studien praktische
verbindet, wie sie die Gehör- und Bbythmusübungen
darbieten. Man soll ein Intervall nicht nur an-
geben, nein, man soll es auch genau treffen können.
Derartige Klassen sollen für alle Sänger und
Instrumentalisten obligatorisch sein, praktische
Elemente, wie Tonleiterspiel, Treff- und Griff-
Uebungen sollen aus der theoretischen Unterweisung
direkt hervorgehen. Nur demjenigen, welcher
diese Klasse völlig mit bestem Erfolge absolviert
hat, sei ein weiteres Studium zu gestatten, wenn
— 298 —
nicht der den Konserratorien oft gemachte Vor-
wurf: Brutanstalten des musikalischen Proletariats
zu sein, einen Schein ron Berechtigung erlangen
soll. Schüler, denen das Gtehör oder die Intelligenz
mangelt, sind nicht nur aus den Theorieklassen,
sondern unter allen ümstftnden aus der Anstalt
überhaupt zu verweisen. Als X3ebungsbuch für
diese Klassen möchte ich neben Hugo Biemann's
,, Allgemeiner Musiklehre'* das Torzügliche Werkchen
meines ehemaligen Mitschülers und geschätzten Kol-
legen Bernhard Sekles ^ Musikdiktat'' (B. Schott
Söhne, Mainz) bestens empfehlen, ausserdem halte
ich eine derartige Klasse für die beste Stelle, an
der eine allgemein gehaltene Q-eschichte der
Notenschrift und der Tonsysteme eingehend
abgehandelt werden könnte. Als Nachschlagebuch
sei hier nochmals Biemann (Katechismus der Musik-
geschichte) angeführt. Hier hat denn nun der Lehrer
strenge darauf zu halten, dass jeder, sei es auch
der kleinste Nutzen für die Praxis aus diesem ge-
schichtlichen Vortrage gezogen wird. Vor allem
übe sich der Schüler in den sogenannten „E^rchen-
tonleitem", was ihm um so nützlicher sein wird,
als er dieselben auch in seinem Violin* oder KlaTier-
spiel verwenden kann, in welch letzterem Falle sie
sogar eine prächtige Studie für ihn werden, wenn
er sie mit den 2 Fingersätzen, dem tonleiter-
massigen und dem sogenannten uniformen Finger-
satz (Daumenuntersatz auch auf Obertasten) studiert
Ferner ist es hier am Plafcze, die für das Trans-
ponieren und das spätere Partiturenstudinm so
unendlich wichtigen 8 Gesangschlüssel genau zu
merken und sich im Lesen derselben zu üben, in-
dem man ihre Kenntnis für sein Instrument praktisch
dadurch verwertet, dass man seine Fingerübungen
u. s. w. in diesen 3 OSchlüsseln liest und übt
Sollte nun noch ausserdem am Schlüsse des 2. Se-
mesters etwas Zeit für musikalische Gedächtnis-
übungen und Kenntnisnahme der Veizierungen
(musikalische Ornamentik) übrig geblieben sein,
dann dürfte es nun wohl der Fall sein, dass der
Schüler am £nde seines ersten Studienjahres etwas
Hechtes und Tüchtiges kann.
(Fortsetzung folgt)
IScF a1{as1iscbe Bit)f lass der all^et) at)d b^uMS^O Klariere
aaf die Kott)posiHof)s^ecbl)i^•
Von
Der daraus resultierende
einen gedeihlichen Boden in dem „galanten" und
Virtuosenstil eines Couperin, Scarlatti und Bameau
und in der Erfindung gewisser Manieren der har-
monischen Begleitung, z. B. der Alberti'schen
Bässe. Mit der akustischen Steigerung des Einzel-
tones musste die Willkür im Generalbassspiel und
in der Verzierungsmusik durchaus ein Ende finden.
Aus den Buinen dieser musikalischen Eigenarten
blühte der moderne Klavierstil auf. Drei mächtige
Pioniere ebneten den Weg : Ph. Em. Bach, Haydn
und Mozart. Besonders Mozart wird mit seinem
feinen Gehör alle Klangfinessen des damaligen Pi-
anoforte herausgeholt haben. Das peinliche Ge-
wissen wird allerdings folgende Fragen auf werfen :
Ist das heutige Klavier berechtigt, die ELlavier-
werke der drei genannten Klassiker wiedergeben
zu dürfen? Ans voller üeberzeugung dürfen wir
hier mit „Ja!" antworten. Der Mozart'sche Klavier-
stil zeigt eine peinlich genaue Befolgung der
Rechte und Wirkungen des Einzeltones; die
uns bezaubernden, himmlischen Harmonien und
Melodien offenbaren lediglich eine geheimste
Belanschung akustisch schöner Klangzusammeur
Setzungen. Wieviel mehr darf der heutige Klavier-
ton, der an Grösse und Schönheit seinen einzigen
Verwandten, den alten Hammerklavierton, weit
Lodwii; Bleaiann.
(Fortsetzung.)
Klaviers til fand überholt hat, Anspruch darauf erheben, diesen
Klangzusammensetzungen mit noch schönerer Wir-
kung Leben einzuhauchen! Dsss neben der Klang-
Schönheit das Passagenwesen und die figurierten
Spielarten in der Kompositionstechnik nicht aus-
starben, beweisen die Werke der Zeitgenossen
Mozart's, nämlich Clementi, Gramer, Field, Dussek.
Obgleich wir nun Mozart als den grössten Klavier-
klanginterpreten des 18. Jahrhunderts schätzen
dürfen, war seine Kompositionstechnik doch zn
reflektionslos, zu spontan, um über die Fähigkeiten
des damaligen Klaviertones hinauszugehen. Wir
sehen es ja bei der ihm gleichgültigen Wahl für
Klavecin oder Pianoforte. Erst dem gewaltigen
Genie Beethoven's gelang es, die alten Stilfonnen
zu durchbrechen und dadurch neue Klangkombi-
nationen auch auf dem Klavier zu erfinden, die
den ledernen Klavierklang wahrhaft erschüttert
haben müssen. Der Graf sehe Flügel im Beethoven-
Museum zu Bonn gibt un^ Zeugnis von der
Dürftigkeit des Klaviertones jeuer Zeit. Die In-
strumentenbauer konnten sich anscheinend nicht
von dem ledernen Klavierhammer trennen. So
kamen immer noch eine Reihe von Obertönen znr
Mitwirkung, die die Herrrschaft des Grnndtones
beeinträchtigten. Ich erwähnte früher schon den
hieraus resultierenden Vorteil der Klangschönheit
— 299
der tiefen Akkordkläuge, ähnlich wie beim Cembalo.
Diesen Vorteil nutzte Beethoven redlich bei Akkor-
den und Kantilenen ans. Die tiefen Akkordkl&nge
gereichen unseren Klavieren allerdings wieder zum
Nachteil, denn sie klingen uns heute zu schwer,
zu dick, infolge des massiveren, lauteren Grund-
klanges. Wir können annehmen, dass Beethoven
wahrscheinlich manche markante tiefe Akkord-
stellen, z. B. den Anfang der Waldsteinsonate,
in höherer Lage komponiert, wenn er unsem
heutigen Elttgel unter Händen gehabt hätte. Diese
akustische Feinheit verschlägt aber nichts gegen
die grosse unbezwingUche Sehnsucht Beethoven*s
nach einer grösseren Fülle des Klavierklanges an
sich, wie seine Sonate für das Hammerklavier be-
weist. Mit dem Tode Beethoven*s schwand all-
mählich der Sinn für die subjektive, absolute Musik.
Der musikalische Qeschmack nahm eine reflek-
tierende Form an. Man fing an, die Gefühle zu
malen, statt zu empfinden, wie es in der absoluten
Musik geschieht, kurz gesagt — die Programm-
musik, die bis dahin nur sporadisch in den Klavier-
kompositionen auftrat, ergriff jetzt die völlige
Herrschaft über das Klavier. Wodurch war dieses
möglich? Nur durch die Einführung des „Filz-
bammers!*, der anfsngs der 80 er Jahre seine
Siegeslaufbahn begann. Infolge der Vorliebe der
Deutschen, besonders der Norddeutschen für satte
harmonische Klänge entwickelten sich aus dem
Filzhammeranschlag zwei mächtige Strömungen
des musikalischen Geschmackes: 1) Das Aufblühen
der schwerwiegenden harmoniereichen Kunstmusik
eines Beethoven, Brahms bis zu Komponisten der
Jetztzeit für den ernsten Musikfreund und 2): Die
Entstehung des seichten Salonstiles für den ober-
flächlichen Dilettantismus. Ich bemerke noch, dass
diese beiden Stilgattungen sich geradn in Deutsch-
land sehr scharf gegenüberstehen, viel schärfer als
in Frankreich, Bussland, Italien, weil in diesen
Ländern viel mehr Zugeständnisse an Melodie und
Rhythmus, als au geistlose blosse Harmonie-
bildungen gemacht werden < Femer möchte ich
nebenbei erwähnen, dass suf Grund des ausge-
prägten harmonischen Gefühls der Nord- und
Westdeutschen die Frozentzahl des Klavierver-
triebes in den betreffenden Ländern grösser ist
als in anderen Ländern.
Die erstgenannte Stilgattung der Klaviermusik
begründet sich auf akustische Faktoren : 1) Die
Fähigkeit des Einzelklanges, mit Hilfe seines
Nüancenrelchtums andere gleichzeitig erklingende
Töne zu töten, bezw. unwirksam zu machen, 2) auf
die kunstgerechte Benutzung des rechten Pedals,
die bis dahin gefehlt hatte. Diese beiden Faktoren
stellten die Kompositionstechnik auf eine ganze
neue Basis. Das Hervorkehren einzelner Töne vor
anderen, das Aufsaugen schlechter Töne durch
gute gaben dem Dlssonanzverhältnisse eine ganz
andere Bichtung, eine weit giössere Entfaltung als
früher. So hässlich die Dissonanzen im Fugenspiel
infolge der gleichen Tonstärken klingen, so unauf-
fällig vermögen die Dissonanzen im modernen
Klavierstil aus vorgenanntem Grunde aufzutreten.
DiQ Dissonanz bekommt dadurch die Eigenschaft
des Gewürzigen, des Farbigen, Prächtigen, des
Glanzvollen. Es ist selbstverständlich, dass die
Kompositionstechnik den kolossalen ungeahnten
Beichtum der Dissonanzmöglichkeiten aufgriff und
damit eioe Beihe von gleichwertigen Einzelstil-
gattungen schuf, die sich in den Hauptvertretem
der Klaviertonpoesie wiederspiegeln Es begann
die Blütezeit der Klangfarbe, der Nuance.
Untrennbar verknüpft damit war das rechte Pedal.
Der feinsinnige Tondichter empfand längst die
akustischen Missstände der engen Legen, besonders
in der kleinen und grossen Oktave. Der Pedal«
gebrauch hat uns von dem Bann der engen Akkord-
lagen befreit. Der Komponist blieb nicht mehr
darauf beschränkt, die Intervalle und Akkorde im
Umfange der Hände zu schreiben. Dieses geschah
allerdings allmählich. Als die kühnsten Befreier
nach dieser Bichtung sind Liszt undHenselt zu
bezeichnen. Ein anderer Erfolg lag in den „tönen-
den Pausen^. Unter tönenden Pausen versteht
man die Ausfüllung stark angeschlagener Melodie-
noten durch harmonische Begleitungsformen, z. B.
Arpeggio oder Akkordgriffwerien bei Daumen-
und Kleinfingermelodien. Diese akustische Aus-
nutzung stammt von Thalberg her. Das Arpoggio
ist eine Frucht der weiten Lagen, deren Ausartung
bekannt sein dürfte. Die Beliebtheit des Arpeggio
läset* sich herleiten aus dem Bestreben, die Schwe-
bungen der engen Lagen zu umgehen und aas der
tonpsychologischen Eigenart, Akkordtöne im Nach-
einanderklingen tiefer zu empfinden, als im Gleich-
zeitigerklingen. Ein dritter Erfolg des ernsten
modernen Klavierstiles entwickelte sich aus der
Herrschaft der unteren Akkorde über die oberen
Melodietöne. Dieser akustische Einfluss wird ge-
nährt durch nnser TonalitätsgefÜhl und durch den
anerzogenen Willen, jeder Melodie, auch der fremd-
ländischen, eine harmonische Unterlage zu geben.
Infolge dieser uns Deutschen anhaftenden Sucht,
kann man wohl sagen, erfreute sich der monodi-
sche Klavierstil bei den Komponisten regster Be-
nutzung, zumal unser Klavier in erster Linie für
harmonische Effekte wie geschaffen erscheint. Von
allen Klavierpoeten ragte wohl neben Liszt Chopin
als derjenige hervor, der das Edle, Schöne, die
Fülle des Klanges, das Blühende, die schwelgende
Lust, die der Klavierklang in seinem Schosse
birgt, am meisten herausgeholt hat. Mozart war
der grösste Klavierklanginterpret des 18., und
Liszt und Chopin die grössten Beherrscher des
Klavier k langes im 19. Jahrhundert. Wie ich
schon andeutete, liegen der modernen Satzweise
eine grosse Beihe von Pedaleffekten zu Grunde.
(Scbluss folgt.)
— 300 —
= Kritische Rückschau ==
über Konsert und Oper.
Von
Dr. Karl Utorck,
Die regelmässigen Berichte über Konzert nnd Oper aus der Feder unseres geschätzten Beferenten
beginnen mit der nächsten Nummer. D. B.
Mitteilungen
von Hoohsohulen und KonseryatoriexL
Das Konservatorium des Westens, Char-
lottenburg am Savignypiatz, das bisher unter
der Leitung Konzertmeisters Willy Seibert
stand, ist in die Hände von Direktor Otto
flutschenreu ter, Besitzer des altbekannten
Schwantzer'schen Konservatoriums, überge-
gangen, und wird derselbe beide Institute nach ein-
heitlichen Prinzipien einer völligen Neugestaltung
unterziehen. Direktor Otto Hutschenreuter, der
zum Vorstande des Musikpädagogischen Verbandes
gehört, beabsichtigt die vereinigten Institute ganz
nach den Prinzipien des Verbandes einzurichten
und wird, neben der grtlndlichen Pachbildung,
den Schwerpunkt der Ausbildung auf umfassende
musikwissenschaftliche Kenntnisse der angehenden
Lehrkräfte, ebenso auch der Orchestermasiker ver-
legen. Das Seminar für Ausbildung von Lehr-
kräften wird streng nach den Prinzipien des Ver-
bandes ausgestaltet werden. Mit den Konservatorien
ist eine Opern- und Schauspielschule verbunden.
Die neuen Kurse der Anstalten beginnen am
1. Oktober.
Dem Konservatorium der Musik zu
Krefeld — Direktorium Königl. Musikdirektor
Th. Müller-Beuter und Carl Pieper — ist
nach Mitteilung des Königl. Amtsblattes die staat-
liche Konzession als Unterrichtsanstalt erteilt
worden. Das Listitut besteht seit 9 Jahren and
wird z. Z. von ca. 410 ISchülern besucht.
Professor Arno Kleffel, der bis vor kurzer
Zeit als erster Kapellmeister am Stadttheater und
als Lehrer am Konservatorium der Musik in Köln
gewirkt hat, ist als Lehrer der Komposition and
der Opernschule für das Stern'sche Konserva-
torium gewonnen worden. Gleichzeitig über-
nimmt er die Leitung des gemischten Chors.
Schon vor einer Beihe von Jahren war Arno
Kleffel am Stern'schen Konservatorium (unter
Direktion Jenny Meyer) in hervorragender Stellung
als Lehrer tätig.
Der Direktor der Augsburger Musikschule,
Budolf Artaria, seit 1878 zunächst als Lehrer
der Anstalt tätig, seit dem Tode Dr. Schletterers,
1893, des Begründers der Schule, mit der Direktion
betraut, scheidet aus Gesuodheitsrücksichten aus
seinem Amte. Die Leitung der Anstalt geht in
die Hände der Herren J. Slunicko ab erster
und Herrn Professor Wilhelm Weber als zweiter
Direktor über. Für die Klavierausbildungsklasse
ist Herr Otto Hollenberg aus Stuttgart ge-
wonnen.
Aus dem mannigfaltigen Inhalte der Nr. 82 der
„Mitteilungen' der Musikalienhandlung Breitkopf
& Härtel, Leipzig, ist vor allem das bevorstehende
Erscheinen der vollständigen Partitur zu Wagner's
Tristan in Taschenformat hervorzuheben, dann die
„Meisterwerke deutscher Tonkunst'*, die diesen
Winter erscheinen werden. Sie enthalten zunächst
Werke älterer deutscher Tonsetzer in praktischer
Ausgabe für Kirche, Schule, Konzert und Haus.
Ein besonderer Abschnitt ist dem von Professor
Hugo Biemann herausgegebenen Collegium
musicum gewidmet, einer Sammlung älterer
Kammermusikwerke, die in praktischer Bearbeitung
bereits 45 Trios und Qaartette zählt. Neu sind
2 Kantaten- Torsos von J. S. Bach, rekonstru-
iert von B. Todt. Nach den bisher veranstalteten
Aufführungen versprechen diese Stücke Glanz-
Yermischte Nachrichten.
nummern der Konzertprogramme zu werden. Eben-
so dürfte wohl auch Edgar TineTs, des Kompo-
nisten des Franziskus, „Te Deum**, das, ganz den
von Papst Pius X. in seinem bekannten Motu
proprio an Kirchenmusik gestellten Anforderungen
entsprechend, bei seiner Aufführung gelegentlich
der Jubiläumsfeierlichkeiten in Brüssel einen über-
wältigenden Eindruck auf die Zuhörer machte,
bald in die Programme unserer deutschen Chor-
vereinig^ungen übergehen. Von Weingartner's
einstimmigen Liedern ist eine neue Ausgabe in
8 Bänden angezeigt.
Von der Verlagshandlung F. Pabst in Leipzig
ist soeben eine kleine Broschüre veröffentlicht^
welche ein Verzeichnis von Richard Wagner 's
Werken, Schriften und Dichtungen, deren haupt-
sächlichsten Bearbeitungen, sowie von besonders
301 —
intereesanter Literatur, Abbildangen, Büsten nnd
Kunstblättern, den Meister und seine SchÖpfangen
betreffend, enthält. Das Verzeichnis erhebt nicht
den Ansprach, die so ausserordentlich umfang-
reiche Wagnerliteratur lückenlos aufzuführen. £s
soll vielmehr nur einen üeberblick über diejenigen
Werke u. s. w. geben, an welchen nach den
Erfahrungen des Händlers das Publikum wirklich
Interesse genommen hat. Das Verzeichnis ist nur
direkt von der Verlagshandlung zu beziehen, wird
aber deigenigen unserer Abonnenten, die sich für
Wagnerliteratur interessieren, von der Firma auf
direkte Bestellung hin gratis übersandt.
Prof. Wolfgang Golther, der die Briefe
Wagner's an Mathilde Wesendonck heraus-
gab, bereitet jet'ct auch die Briefe des Meisters
an Otto Wesendonck zur Herausgabe vor.
Eine Heinrich de Ahna- Stiftung hat vor
kurzem die Genehmigung des Staates erhalten und
ist in die Verwaltung des Senats der Akademie der
Künste übergegangen. Die Zinsen der Stiftung
gehen an die Witwe Frau Prof. de Ahna; nach
deren Tode an ihre Tochter, Frl. Leontine de Ahna,
— solange dieselbe unverheiratet — und erst nach
deren Tode an hilfsbedürftige Musiker, in erster
Linie Geiger. Das kleine Kapital der Stiftung be-
trägt zur 2^it 7100 Mark; weitere Beiträge sind
erwünscht und müssen an die Kasse der könig-
lichen Akademie, Berlin W., Potsdamer Strasse 120,
direkt überwiesen werden. Der Witwe Heinrich
de Ahna's ist eine Mappe mit Widmung, Namen
der Stifter und der Stiftungsurkunde überreicht
worden.
Dem Inhaber der Firma „C. F. Kahnt Nach-
folger**, Musikalien Verlag in Leipzig, Herrn Alfred
Hoff mann, wurde von dem Herzoge von An-
halt der Titel eines Hof musikalienhändlers verliehen.
Bichard Strauss, der schon in seiner Sym-
phonia domestica*' die selten gebrauchte Oboe
d'amore anwendet, hat in der Instrumentierung
seiner neuesten Oper „Salome" ein bis jetzt un-
bekanntes Holzblasinstrument, das ,.Heckel-
phon*^ verwendet. Dem von dem Hof-Instru-
mentenmacher Wilhelm Heckel in Biebrich
a. Hh. erfundenen Instrument werden von Richard
Strauss grosse Vorzüge nachgerühmt. Auch Hans
Bichter, Felix Weingartner, Arthur Nlkisch, Fritz
Steinbach und andere hervorragende Dirigenten,
die das „Heckelphon'* gehört haben, erblicken in
dem -neuen Instrument eine wertvolle Bereicherung
der Holzbläsergrnppe. Sein Klangcharakter ist,
bei aller Weichheit und Schönheit, von durch-
dringender Kraft und Fülle; er erscheint ~ in
gleicher Tonlage — saftvoller als das Fagott,
machtvoller als das Englisch-Horn, gesättigter und
dunkler in der Färbung als die Oboe, mit
welchem Instrument es im übrigen dieselbe Griff-
appllkatur teilt. Das Heckelphon wird sicher in
den Partituren unserer modernen Komponisten
weitgehende Bolistische Verwendung finden. Speziell
Richard Strauss erhofft für seine „Salome^^ eigen-
artige, neue Klangwirkungen vom Heckelphon,
dessen Erfindung übrigens schon auf eine An-
regung Bichard Wagner's zurückzuführen ist.
Die Firma „Carl Kühle, Leipzig", Mu-
sikalien-Verlag, feierte am 14. September das Fest
ihres 25jährigen Bestehens. In einer zu diesem
Jubiläum erschienenen Festschrift wird, neben
der Gründung und Entwicklung des Verlages, auch
ein Lebensbild des Begründers, des Senior-Chefs
Carl Buhle, geboten.
Das Herzogliche Hoftheater zu Dessau bringt
auf seiner Bühne in der kommenden Saison an
Opern werken u. a. zur erstmaligen Aufführung:
F. £. Wittgenstein „Antonius und Kleopatra",
Ingeborg von Bronsart „Hjarne^S E. Wolf-
Ferrari „Neugierige Frauen'*, Ivan Knorr
„Dunja^* u. s. w.
Frau Dr. Luise Krause, hier, erhielt von
der Jury der Brüsseler Ausstellung für die Unab-
hängigkeit Belgiens für ihre „Anschauungsmethode''
die goldene Medaille nebst Ehrenkreuz.
Felix vom Bath, einer unserer jüngeren
hervorragenden Komponisten, ist im Alter von
89 Jahren aus dem Leben geschieden. Erschienen
waren von seinen Werken bisher einige Lieder-
hefte, ein Klavierquartett und ein Klavierkonzert
in B-moll.
Bücher und Musikalien.
A. Glaionnow: „Pizzicato" aus dem Ballet „Kay-
monda" und , Serenade" aus der Suite
„Moyen-Age*. Für Fianoforte, über-
tragen von AI. Siloti.
S. Bamötiii, op. 2. Drei Lieder ohne Worte für
Fianoforte.
H. P. Belaleff« Leipsif*
Mit seiner Bearbeitung des „Pizzicato" aus
dem Ballet „Baymonda" und der Serenade aus
der Suite „Moyen-Age" von A. Glazounow bietet
Alexander Siloti zwei ausserordentlich melodiöse
und fein pointierte Salonstücke, die so vorzüglich
gearbeitet und dem Instrumente angepasst sind,
dass sie sich in der Tat wie Original-Kompositionen
ausnehmen und mau gut tun wird, darauf zurück-
zukommen, wenn man um moderne Stücke dieses
Genres einmal verlegen sein sollte. Genaueste Be-
zeichnung des Fingersatzes und des Pedalgebrauchs
wird das Studium dieser keineswegs einfachen
Stücke, deren Wiedergabe viel Geschmack, ja
vielleicht sogar einiges Raffinement erfordert, sehr
wesentlich erleichtem.
Die Lieder ohne Worte des op. 2 von S. Bar-
mötin sind drei, auf gleichmässigen elegischen
302
Ton gestimmte Kiarlerstücke, die ohne Zweifel
viel Talent verraten. Am besten wirken die ersten
beiden; sie sind sehr warm empfunden, zart gefügt
und von nnlengbar tondichterisohem Reize nnd
einem Stimmnngsgehalte, der sich in gleicher
Weite von Unnatur als auch von übertriebener
Sentimentalit&t fernhält.
£• Jaqae»-DaloroBe: Ela Vierkompositionen.
op. 44. Drei Stücke
op. 45. Drei Stücke.
op. 46. Drei Stücke.
op. 47. Polka enharmoniqne.
8adA««lfehar MailkferUv» Stnstlkvrf L B.
E. Jaqnes-Dalcroze bietet vier interessante
Klavierwerke. Sein op. 44 enthält je eine Arabeske
nnd Ilomanze nnd ein Impromptu. Die ersten
beiden Stücke sind mehr elegischer, intimer Natnr,
wo der breite melodische Gesang dominiert; das
letzte eine witzige, leicht bewegliche Caprice, der
Einfall eines schaffensgünstigen Moments. Ausser-
ordentlich schön ausgeführt ist auch der Inhalt
des op. 45. Eglogue und Nocturne sind zart ge-
zeichnete, inhaltlich vielsagende Stimmungsbilder;
sehr unterhaltsam und witzig ist die Humoreske,
volle, überschäumende Straft und Lebenslust ver-
ratend, in jeder Wendang Überraschend und das
Interesse immer wieder aufs neue fesselnd. Der
Ballade des op. 46 liegt ein ideal gesangvolles
Thema zu Grunde, und der erzählende, allmählich
innerlich gesteigerte Ton ist bestens getroffen.
Einen wirksamen Gegensatz hierzu bildet das von
grosser Leidenschaft erfüllte Capriccio. Es kann,
ganz abgesehen von dem anziehenden, rein musi-
kalischen Inhalte zugleich eine treffliche Studie für
Terzen- und Akkordspiel abgeben. Die Axia bietet
eine in schön melodischem Bogen geschwungene
Melodie auf harmonisch interessanter Basis, eine
Studie für vornehme Tongebung und ein wirkungs-
reiches Stück für Vortragszwecke zugleich. Viel
Anklang wird auch E. Jaques-Dalcroze's Polka
enharmoniqne (op. 47) finden; ein vornehm ge-
dachter, durchaus liebenswürdiger musikalischer
Scherz, der des Tonsetzers musikalischen Peinsinn
und künstlerisches Geschick im hellsten Lichte er-
scheinen lässt.
Da?ld Popper, op. 74. Streichquartett (C-moIl).
Frledtiek Hoteelft^ty Lelpil^.
Soviel ich weiss, ist David Popper bisher nur
mit einer Beihe von Solosachen als Komponist an
die Oeffentlichkelt getreten, die bei Violoncello-
spielem wegen gewisser Vorzüge ungemein beliebt
sind. Das oben angezeigte Werk ist dem „Böhmi-
schen Streichquartett'* gewidmet nnd hat Anspruch,
als anständiger Beitrag zur Streich quartettliteratur
zu gelten. Nach rein technischer Seite hin ist
kaum etwas in der Komposition zu bemängeln.
Formal ist alles in bester Ordnung und in klang-
licher Beziehung weist sich der Autor als treff-
licher Kenner der Saiteninstrumente aus. Der
erste Satz (c-moll ^l^\ Allegro moderato ma non
troppo) eröffnet mit Inhalt und Ausdrucksweise,
deren Kürze hier in der Tat die Würze abgibt,
keineswegs neue Perspektiven. Es ist alles hübsch
glatt und fein ordentlich. Sehr unterhaltsam hin-
gegen finde ich das Scherzo (Es-dnr */|), worin es
ungemein lustig zugeht und sich auch im Trio (in
der Haupttonart des Ganzen, C-moll) ein sehr
wirksamer und auch warm empfundener C^ensatz
vorfindet, der die Eigenschaft des ihn umgrenzenden
Hauptsatzes um so schärfer und bestimmter her-
vortreten macht. Das Adagio (As-dur, %) ist nach
meinem G^ühl ein wenig zu kurz gehalten. Es
hat ein wirkungsreiohes, echt gesangliches Thema,
dem ich jedoch eine anhaltendere Weiter- und
Durchführung, sowie auch noch schärfere Kon-
trastierang gewünscht hätte, üeberdies macht sich
der homophone Charakter in diesem Satze ziemlich
aufdringlich bemerkbar. So wie das Adagio be-
schaffen ist, wirkt es mehr als blosse Einleitung
zum Finale. Dieses selbst (C-moll, Allegro vivace)
halte ich für den bestgelungenen Teil des Werkes
überhaupt. Es ist ein prächtig klingendes, frisch
empfundenes und auch in der musikalischen Ver-
arbeitung und Durchführung des thematischen Teiles
anziehendes Stück, das bei gutem und temperament-
vollem Vortrage gewiss von ausgezeichneterWirkung
sein dürfte, und zwar umsomehr, als sich gerade
hier mehr Anläufe zu polyphoner Ausgestaltung
nachweisen lassen.
AvgnstEnna: Drei Klavierstücke. „Auf der Haide.
Ib und Kirstine. Zigeunertanz. ^
Wilhelm HamieM« Kop0mhaf«m mad L^ipatf .
Sicherlich ist es von Interesse, dem bekannten
dänischen dramatischen Tonsetzer auch einmal anf
dem Gebiete der Klaviermusik zu begegnen. Seine
oben genannten drei Stücke sind stimmungsvolle
Tonpoesien von ungemein charakteristischem Aus-
druck und feiner musikalischer Ausarbeitung.
Einigemale empfindet man freilich wohl, dass der
Klaviersatz nicht die eigentliche Domäne des
Autors ist, denn vieles ist orchestral gedacht und
gibt sich in der Darstellung mehr in Form eines
guten Klavieranszugssatzes. An sich sind Enna's
drei Stücke leicht zu spielen und verdienen freund-
liche Beachtung.
Ignai BrttU, op. 93. Berceuse, Impromptu und
Beigen für Pianoforte.
Boiwortli k €o«y Ii«lpiiv.
Drei fein empfundene, geschmackvoll ausge-
führte und klanglich reizvolle Pianofortestficke von
leichterer Ausführbarkeit, die sowohl für Unter-
richt, als auch Vortrag vortreffliche Verwendung
finden können. Sie sind in ihrer freundlich-
anspruchslosen Art und wegen der ansprechenden
Einfachheit in Melodie, Harmonie und Rhythmus
durchaus zu empfehlen.
— 303 —
Morlti Mosikowftki, op. 69. Valse de Concert.
iallu Halaamfr, BrttiM«
M. MoBzkowski's Fdar-Walzer (op. 69) i8t ele-
gant, melodiös und nnterkaltend. Die feine Sohreib-
weiae des bekannten Antors kommt anch hier in
dem ganz trefflichen Klaviersatze za voller Wirkongs-
f&higkeit. Jedenfalls ist das Stück als Beitrag zu
besserer Unterhaltungsmusik zn empfehlen.
Euften SegniU.
Am SeherlBgs „Geschichte des Instmmentalkonzerts^*.
Brellkopf nd Hittel, Lelpils.
Dieses bedeutsame Werk stellt sich uns als
eine Ausgabe der ,,Kleinen Handbücher der Musik-
geschichte, herausgegeben von H. Kretzschmar",
vor. Die „nicht völlig widerspruchsfreie Dar-
legung des feinen musikalischen Eormgewebes"
der Zeit von ca. 1600 bis in die neueste Zeit er-
fährt in dieser von grossem Sammelfleiss zeugenden,
musikwissenschaftlichen Arbeit elue klare, die
Musikgeschichte von bestimmter Seite anschaulich
erhellende G^estaltung. Und das tut not Denn
die summierenden alles umfassenden musikgesrhicht-
liohen Werke genügen angesichts der fort-
währenden erfolgreichen Einzelforschungen und
Ausgrabungen nicht mehr dem ernstdenkenden
Musiker. Verfasser lenkt seine Scheinwerfer auf
die Anfänge des InstrumentalkoDzerts, wobei er
das Eonzertieren alschorisches illustriert. Ferner
auf die Konzertsinfonie, Concerto grosso, Solo-
konzert, die Konzerte der norddeutschen, Mann-
heimer und Wiener Schule, die verschiedenen
Stadien des Klavier-, Violinkonzerts und nebenbei
auf die Violoncell-, Viola- und Bläser-Konzerte.
Fesselnd und mit knappen, treffenden Worten
charakterisiert Verfasser die Vertreter der einzelnen
Bichtungen und die Geburt der einzelnen Formen
aus den vorhergehenden. Er rückt die Beurteilung
der Konzertkompositionen in ein neues, uns unge-
wohntes Licht und erhöht dadurch die Urteilskraft
des Musikstudierenden. Vielleicht hätten die Fäden
der immer kunstvolleren musikalischen Verflech-
tungen aus dem Mangel bezw. den Verbesserungen
der jeweiligen Instrumente (Tasteninstrumente,
Beschränkung der Streichinstrumentenarten im
Bahmen des Konzerts) eine gründlichere Ansein-
snderlegung erfahren können. Auch ist der ge-
schichtlichen Mitwirkung der Orgel im Konzert
zu wenig Baum gegeben. Femer der in der Be-
setzung grossen Kammermusikformen, die vollständig
zu ihrer Zeit das Gepräge eines Instrumental-
konzertes trugen, zu wenig Erwähnung getan.
Denn auch die „konzertaien** Formen gehören mit
in die Geschichte des Instrumentalkonzerts. Eine
Deutung der Schicksale des „Kadenzenwesens'' im
19. Jahrhundert fehlt ganz. Schade, denn das schlecht
auszurottende freie Musizieren und Konzertieren,
das schliesslich in dem Zwang der ausgeschriebenen
Kadenz bis zu unserer Zeit seinen letzten Ausläufer
hatte, war in der ersten 2^it von nicht geringem
Einfluss auf die Entwickelnng des Instrumental-
konzerts. Die praktische Ausnutzung des interessan-
ten Werkes dürfte durch Einschaltung „ vollständiger**
Beispiele und bildnerische Darstellung der Instru-
mente, besonders der früheren Epochen, erhöhten
Wert erfahren. Zu wünschen für eine neue Auf-
lage wäre die HinzufÜgung einer Geschichte des
Orchesterkörpers, der Gestaltungen der verschieden-
artigen Kapellen und Stadtpfeifereien, also der
Organe, die das „Instrumental konzert" zur Aus-
führung brachten. Auch wäre die Einfügung einer
Gtoscbichte des „Konzertes" mit seinen Sälen und
Programmen wohl dem Titel unterzuordnen.
Ludwig Riemann.
Theodor Blumer Jan.» op. 12. Erinnerung, Wiegen-
lied, Humoreske.
B»rlkolf S«mf i; Ii«lf tif .
Das erste Stück „Erinnerung' atmet viel Innig-
keit und kraftvolle Leidenschaft und ist mit
wechselndem Tempo zu spielen. Die Triolenflguren
müssen bei aller Lebendigkeit durchaus gleich-
massig wiedergegeben werden.
Von zarter Empfindung ist das .Wiegenlied*
in Fis-dnr. Der Komponist hat es verstanden, der
etwas abgebrauchten Form einen neuen, originellen
Inhalt zu geben. — Die „Humoreske^ No. 8 ist
von gefälliger Grazie und nicht ohne poetischen
Gehalt, um ihr die erwünschte Leichtigkeit zu
geben, muss sie mit lockerem Anschlag und dis-
kretem Pedalgebrauch gespielt werden.
Alle drei Stücke bieten einem Schüler der
Oberstufe dankbare Aufgaben und sind zum Studien-
gebrauch ZQ empfehlen.
Af . J. Rehberg.
Dresdeser Toiiklliistlerverein.
Der Bericht über das 51. Vereinsjahr des
Dresdener Tonkünstler-Vereins gedenkt zu-
nächst des verstorbenen Königs Georg, der dem
Vereine unausgesetzt ein Gönner und Beschützer
gewesen, und berichtet weiter über eine Audienz
bei dem jetzigen König Friedrich August, die
derselbe einer Deputation mit Hofrat von Schach
an der Spitze gewährt hat. Zum 80. Geburtstage
Vereine.
Prof. Carl Reinecke*s wurde ihm, der Ehren-
mitglied des Vereins ist, eine künstlerisch aus-
geschmückte Adresse durch eine Deputation über-
reicht. Die Mitgliederzahl des Vereins hat sich,
trotzdem duich Tod und Verzug mancher Verlust
eintrat, in erfreulicher Weise vermehrt; der Bestand
der ordentlichen Mitglieder bezifferte sich am
Schlüsse des Vereinsjahres auf 289, der ausser-
ordentlichen auf 430 Mitglieder. Es fanden ausser der
— 304 —
General- Versammlang und den VorstandBsitznngen
12 üebnngs- nnd 4 Aaff ührungsabende statt, auf
denen eine Reihe interessanter älterer wie neuerer
Werke znr erstmaligen Anfführang kamen, unter
den mitwirkenden aasw&rtigen Künstlern sind zn
nennen die Herren Willem Kes-Moskan, Frank
Howgrave-London, Prof. Georg Schumann-
Berlin nnd Dettmar Dressel-London. Der
Verein konnte wieder eine Reihe von Unter-
Stützungen gewähren, nnd zwar 400 Mk. für die
ünterstützungtfkasse des dortigen Musikpädagogi-
schen Vereins, je 300 Mk. zur Gewährung einer
Freistelle dem König! . Konservatorium und der
Dresdener Musikschule, Direktor B. L. Schneider,
100 Mk. der Krankenkasse des Allg. Musiker- Vereins,
500 Mk. als ausserordentliche Zuwendung sor Ja-
biläumsgabe, endlich die Summe von 2B32 Mk. zu
Ehrengaben und Zeitentschädigungen an ordent-
liche Mitglieder. Von Herrn Adolf Renner war
dem Jubiläumsfond, der sich auf 7410 Mk. belauft,
ein Geschenk von 500 Mk. gestiftet worden. Der
Vorstand besteht aus den Herren Prof. Book-
man n L, Prof. Schmole II. Vorsitzender, Musik-
direktor W. Seifhardt Schriftführer und Ludwig
Hoffarth Schatzmeister.
Der Gesamtauflage liegen die Prospekte von Lauterbaoh A Kuhn, Leipzig: „JVr-
lagS' Katalog JQO^^^ und H. R, Kren f z/in, Berlin: ^^ Bewährte^ instruktive Unterrichtswerke
und Vortragsstücke^\ einem Teil der Auflage liegt ein Prospekt der Edition Sieingräher,
Leipzig: ^.Verlagsverseichnis ipoj-igoö*'' bei^ auf die wir unsere Leser besonders auf-
merksam machen. D. E.
Wem an der schnellen Erlangung einer
Mollden KlaTlerteohnik
gelegen ist, der übe die
Tausig- Ehrlich'schen
„Täglichen Studien''
oder die
entsprechenden Vorstudien und Ergänzungen.
Diese geniale Methode ist als klassisches, päda-
gogisches Meisterwerk noch immer unerreicht.
Es giebt keine andere Etüden- Sammlung, die so
schnell die Finger kräftigt und eine so virtuose
und solide Technik verleiht; sie ist deRhaib jedem
strebsamen Laien und Kfinstler noentbebrllch, wird
sie doch selbst von den grössten Klavierkünstlern
täglich zur Erhaltung der Virtuosität zur Hand
genommen.
Chrisander, Nils. 123 teehniache Studien Mk.
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tungen und Ratschläge nebst ge-
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Ehrlich» H. INusikstudium und Klavierspiel.
Betrachtungen über Auffassung,
Khythmik, Vortrag u. Gedächtnis
no. 1.50
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Für die Redaktion Terautwortlich: Anna Morsch, Berlin W., Ansbachorstr. 37.
Expedition nnd Verlag ^^Der Elarler- Lehrer^, M. Wolff, Berlin W., Ansbacherstraase 87.
Druck: J. S. Prenss, Berlin S.W., Kommandantenstr. 14.
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Musik-pädagogische Zeitschrift für alle Qebiete der Tonkunst.
Organ der Deutschen Musiklehrer-Vereine,
der Musik-Sektion des fl. D. L.-V. und der Tonkunstler-Vereine
zu Köln, Dresden, Hamburg, Leipzig und Stuttgart.
Begründet 1878 von Professor Emil Breslaur.
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Berlin, 15. Oktober 1905.
XXVIII. Jahrgang.
Inhalt: J. Vianna da Motta: Mathis Lussy und Hugo Riemaan. Hans Schaub: Zur Reform des theoretischen Unterrichts auf
unseren musilcalischen Lehranstalten. (Fortsetzung.) Dr. Karl Storck: Kritische RQcIcschau über Konzert und Oper. Mitteilungen
von Hochschulen und Konservatorien. Vermischte Nachrichten. Bficher und Musikalien, besprochen von Eugen Segnitz und
M. J. Rehbein. Musikpädagogischer Verband. Anzeigen.
ISiafhls JfUssY ut)d ¥{^§^0 f(hn}at)t).
Von
Jf Tiannn da Motta.
Wer sich in Deutschland für die Lehre
der musikalischen Rhythmik und Phrasierung
interessiert, kennt fast nur den Namen und
die Werke Hugo Riemanns. Aber noch
vor ihm oder zu gleicher Zeit, jedenfalls un-
abhängig von ihm arbeitete der Schweizer
Mathis Lussy auf demselben Gebiet.*)
Diesen beiden Männern sind die heutigen
Ergebnisse dieser jungen Wissenschaft fast
einzig zu verdanken, denn Mitarbeiter hatten
sie wenige und von den Vorgängern haben
sie sich gänzlich abgewendet und gehen
andere Wege. Lussy sagt lakonisch, dass er
die Gelehrten bewundert und sie bei Seite ge-
lassen hat, er wollte im Buch der Natur lesen;
unterrichtend (er war über 30 Jahre in Paris
als Lehrer tätig), die Meister hörend, in
selbständiger Forschung hat er musikalische
Vivisektion getrieben. Und Riemann spricht
es klar aus, dass man vor ihm immer musi-
kalische Rhythmik mit poetischer (Sprach)-
Metrik verwechselt hatte; indem man nur die
*) Traitö de rexpression musicale von Lussy,
I. Auflage, 1873. Musikalische Dynamik und Agogik
von Riemann, 1884. Das sind die beiden Haupt-
werke, in denen die Verfasser zum ersten male
ihre Lehre im Zusammenhang darstellen, denen
aber natürlich Einzelaufsätze vorangingen.
Gesetze dieser auf jene anzuwenden ver-
suchte, kam man zu keiner Klarheit, weil
das Problem von vornherein nicht klar ge-
stellt war. Lussy und Riemann sind also
wahre Entdecker einer neuen Wissenschaft.
Lussy^s „Traite de Texpression musi-
cale" hat bereits über 7 französische Origi-
nalausgaben erlebt und ist in mehrere Sprachen
übersetzt worden*), sein Rhythme musical
erschien 1897 in dritter Auflage, sein letztes
und bedeutendstes Werk, TAnacrouse dans
la musique moderne erschien 1903 (beide
bei Heugel, Paris). Im selben Jahre ver-
öffentlichte Riemann sein System der
musikalischen Rhythmik und Metrik
(bei Breitkopf & Härtel), eine neue Darlegung
seiner Lehre, von der er bescheiden sagt,
dass es eine „Skizze" sei, die aber den
früheren Versuch: „Dynamik und Agogik**
überholt. Es wäre interessant, die Methoden
beider Männer bis in Einzelheiten zu ver-
gleichen. Ich will mich jedoch nur auf
Hauptpunkte beschränken.
Lussy geht mehr empirisch zu Werke.
Er formuliert auch Gesetze, findet treffliche
*) Deutsch bei Leuckart, Leipzig.
— 310 —
Definitionen, aber erhebt sie nicht bis zu
einem allgemeinen System, nach dem er
übrigens auch kein Bedürfnis fühlt. Ist dies
auf einer Seite ein Mangel, so hat es auf der
andern Seite den Vorteil, nie den Zusammen-
hang mit dem Lebendigen der Kunst zu ver-
lieren. Lussy lässt für Ausnahmen den
weitesten Spielraum. — Riemann konnte man
früher den Vorwurf machen, dass er öfter der
Kunst Zwang antat, um sie in ein System zu
bringen. Aber er hat sich geklärt und tritt
jetzt weniger schroff auf, sein System ist
biegsamer geworden. Vor Lussy hat er die
grössere philosophische Bildung voraus.
Sehi interessant ist es, dass jeder von
ihnen den Rhythmus auf ein anderes Ur-
phänomen zurückführt: Riemann auf den
Herzschlag, Lussy auf die Atmung. Rie-
mann nimmt den Pulsschlag als die normale
Messzeit des Rhythmus. Lussy erklärt das
Urmotiv der musikalischen Rhythmik (auch
von Riemann als solches anerkannt) ^||l als
Einatmen (2) und Ausatmen (1). Diese Er-
klärung ist sehr glücklich und wirft viel Licht
auf Auftaktbildungen. Für den Geiger ist es
gleichbedeutend mit dem Auf- und Niederstrich.
Dieser Grundunterschied beider Forscher:
Empirie und System, macht sich überall fühl-
bar. Lussy's Darstellung ist etwas um-
ständlich, wortreich, sprunghaft, unruhig, aber
immer warm. Nur zu oft unterbricht er seine
Erklärungen, um in Begeisterung auszubrechen :
quel genie! qüel chef-d'oeuvre ! oder um
seine Bewunderung für Meister des Klavier-
spiels auszudrücken, namentlich Bülow und
Rubinstein, die er die beiden grössten Klavier-
spieler nennt, die er das Glück hatte zu
hören (Bülow nahm den regsten Anteil an
Lussy's Arbeiten). Oft notiert er ihre Inter-
pretationen und analysiert sie, was von grösstem
Interesse i-t.*J Aber diese Begeisterungsaus-
brüche haben oft nichts mit der Materie zu
tun, die er behandelt, und wenn er neben
Bach, Beethoven auch Schumann und gar
Mendelssohn als Genies in dieselbe Reihe
stellt, so ist eine solche unterschiedlose Be-
wunderung bedenklich und riecht etwas nach
— der Verfasser verzeihe mir das harte
Wort — Dilettantismus. So wäre Lussy's
Ausdruck: vivisection musicale eher auf
Riemann anzuwenden, denn dieser seziert
*) Bei den hübschen Beispielen der Mazurken
Chopins auf S. 40 der »Anacrouse" hat im ersten
Falle Rubinstein, im zweiten Bülow zweifellos
Recht.
mit der grössten Ruhe und Kälte, nur seinen
augenblicklichen Zweck vor Augen. Streng
systematisch geht er vom allgemeinen zum
besonderen, teilt und ordnet alles nach
Gruppen mit Unterabteilungen. Im „Traite
de Texpression musicale" teilt auch Lussy
den Stoff* nach allgemeinen Rubriken ein.
Femer lässt sich oben bezeichneter Unter-
schied in der Terminologie verfolgen. Lussy
hatte mit der französischen Sprache zu
kämpfen, die neue Wortbildungen, wie sie hier
für dieses neu entdeckte Gebiet nötig waren, bei
weitem mehr erschwert als die deutsche. So
ist er gezwungen, oft griechische Ausdrücke
wie „Ictus", „Anacrouse" zu verwenden, oder
den geläufigen wie „rhythme", „mesure",
verschiedene Bedeutungen zu geben, die er
erst durch Definitionen feststellen muss. Das
erschwert aber die Lektüre. Riemann konnte
sich eine eigene, neue Terminologie bilden,
die an Präzision nichts zu wünschen übrig
lässt.
So wie in der Terminologie lässt sich
auch an andern Zügen erkennen, dass Lussy
noctt am bestehenden hält, während Riemann
überall von Grund aus neu bauen will. Dass
Lussy viel aus der Praxis der grossen Musiker
ableitet, erwähnte ich schon. Riemann da-
gegen beschäftigt sich gamicht damit. Er
sucht die Gesetze allein in den Werken und
erwähnt höchstens hie und da die theore-
tische Auffassung Bülow's. Sehr interessant
ist es dann auch, dass Lussy unsere Noten-
schrift vorzüglich findet, von vollendeter
Plastik, während Riemann bekanntlich sie
ganz und gar reformieren will. Hier ist eine
Hauptschwäche Riemanns. Denn wenn seine
komplizierte Art der Notierung für die sub-
tile Analyse gute Dienste leistet, so ist sie
doch für den praktischen Gebrauch, wie sie
in seinen Ausgaben angewendet wird, höchst
verwirrend. Es ist ganz unmöglich, dass der
Spieler im Augenblick des Vortrags sich ge-
naue Rechenschaft gibt von jedem Motiv,
jedem kleinsten Teil des musikalischen Baues.
Das alles muss vielmehr beim Studium, dem
langsamen Analysieren geschehen, dann aber
einzig und allein ins Gefühl übergehen, aber
für das Auge muss das musikalische Bild
notwendig vereinfacht werden. Es genügt
dann, dass die Grundrisslinien klar hervor-
treten. So stimme ich Lussy vollkommen
bei, dass unsere Notenschrift sehr gut ist.
Aber allerdings muss man zugeben, dass die
Komponisten nicht immer genügend sich der
— 3ir —
Mittel bedienen, die sie bietet, um den musi-
kalischen Bau klar darzustellen. Namentlich
die zahlreichen Irrtümer in der Wahl der
Taktarten, von denen sowohl Lussy als Rie-
mann höchst interessante Beispiele geben,
(auch bei den besten, z. B. Chopin sehr häufig)
sind erstaunlich.
Einen unbegreiflichen Fehler, den Lussy
in seinem „Traite de Texpression" und im
„Rhythme musical" beging, hat er glück-
licherweise in seinem letzten Werk beseitigt:
das war die Wahl der Beispiele. Diese
w^aren nämlich zum grössten Teil der aller-
seichtesten Literatur entnommen, man staune :
den Lysberg, Godefroid, Lefebure Wely,
Ravina etc.! Er rechtfertigt es damit, dass
die Gesetze allgemeine Giltigkeit haben und
auch auf die schlechte Musik Anwendung
finden. Aber die schlechte Musik existiert
einfach nicht für den gebildeten Musiker, und
dem, der Bildung sucht, muss man sie nie,
auch nicht in einzelnen Beispielen nahe bringen;
wer aber jene Literatur pflegt, wird sich
wenig um Phrasierung sorgen. Schliesslich
interessiert die Anwendung jener Gesetze ^och
eben nur auf die gute Musik. Wir wollen
lernen, wie man Beethoven's Musik phrasiert,
nicht die Klosterglocken! Hoffentlich reinigt
Lussy noch sein verdienstvolles „Traite" von
jenen Beispielen. Dagegen wäre bei beiden
Verfassern zu wünschen, dass sie mehr Bei-
spiele aus der modernen Musik brächten. Das
ist höchst bedauernswert. Beide hören bei
Chopin auf, schon Liszt ist gar nicht vertreten.
Bei Riemann höchstens Brahms. Warum?
Lassen sich ihre Gesetze auf moderne Musik
nicht anwenden? Bietet nicht gerade diese viele,
zum Teil noch kompliziertere rhythmische
Probleme als die ältere Musik? Beide Ver-
fasser scheinen aber überhaupt der Musik
gegenüber einen konservativen Standpunkt
einzunehmen. Lussy bringt nur Beispiele
aus der Klavier- und (wenige) aus der Ge-
sangsliteratur. Riemann keine aus der Vokal-
musik, aber dafür auch aus Orchester-
Werken.
In einem Hauptpunkt, der früher beide
stark von einander trennte, haben sie sich
genähert. Lussy ging vom Accent aus, Rie-
mann vom Anschwellen und Abnehmen
als Grundlage des musikalischen Ausdrucks
und mass dem Auftakt die grösste Bedeutung
bei; die Entdeckung, dass die meisten musi-
kalischen Bildungen auftaktig sind, ist wohl
Riemann zuzuschreiben. Schon im Rhythme
musical (1882, also allerdings vor Riemann's
„Dynamik und Agogik") hatte Lussy das in-
teressante Kapitel über die Anacrouse ge-
schrieben (alle Auftakte sind Anacrouses, aber
nicht alle Anacrouses sind, was der Deutsche
Auftakte nennt). Von dieser allein handelt
sein letztes Werk, das mir, wie gesagt, sein
tiefstes zu sein scheint.
Ob die Unbildung bei den Musikern in
Bezug auf diese Fragen wirklich so gross ist,
als Lussy oft mit Entrüstung sagt, ist schwer
festzustellen. Eigentümlich ist es jeden-
falls, dass fertige Künstler sich gewissermassen
genieren, darüber zu sprechen. Sind ihnen
diese Fragen so geläufig, dass sie ihnen zu
einfach oder selbstverständlich erscheinen, oder
wissen sie wirklich nicht, wie viele Probleme
hier stecken? Die meisten helfen sich wohl
mit dem bequemen Faustwort: „Gefühl ist
alles." Man wird aber gut tun, Lussy und
Riemann zu studieren. Und zwar beide.
J^w RcfoFif) des l^beopcHscbct) ^tyUwlchfs auf ut)scFet)
tt)usi1<aliscbet) ]$ihvat}sfa\Ut}.
II.
Die eigentliche musikalische Theorie beginnt
Htm im 2. Jahre des Konservatoriumsaufenthaltes
nach einer vorher abzulegenden eingehenden Prü-
fung. Keinesfalls sei es einem musikalisch Schiff-
brüchigen erlaubt, als „blinder Passagier" in der
nun folgenden Klasse „probeweise" weiter mit zu
Von
Hans Schanb.
(Fortsetzung.)
segeln, man drücke ihm getrost ein Ketourbillet
in die Hand, denn damit wird man ihm selbst nur
das Beste tun. Das geschieht nun leider in der
Regel nicht, unser Elementartheoretiker sitzt als-
bald in der „Harmoniestunde" und „setzt Basse"
aus, gewöhnlich nach dem Lehrgang der Harmonie-
lebre von E. Fr. Richter, deren stets neu erfolgende
— .312 —
Auflagen beweisen, wie weit man noch davon ent-
fernt ist einzusehen, was hier not tut und wie
frucht- und anregungslos all die Paragiaphen dieses
musikalischen Strafgesetzbuches für den armen
Schüler sind. Da werden denn „offene" und „ver-
deckte" Quinten und Oktaven vermieden, behäbig
in halben Noten wandelnde Bässe „ins vierstimmige"
übersetzt, jede Rhythmik und Melodik vernach-
lässigt und die jungen Köpfe desorganisiert und
untauglich gemacht, indem man alle Phantasie
und Schaffensfreude systematisch unterdrückt und
ertötet. Jede Gelegenheit, diese wahrhaft „graue**
Theorie mit der Praxis zu verbinden, bleibt unbe-
nutzt, da es der Lehrer in den Gesang- und
Instrumental-Stunden in der Regel unterlägst, in
dieses Wespennest von „Verboten" und „Regeln"
zu stechen, — „er weiss wohl warum", — Und
80 kaun man es denn erleben, das^ nach einiger
Zeit unsere aufgegebenen Patienten aus der Ele-
menrartheorie mit grosser Verve Bässe aussetzen,
während sich die Talentierten im Stillen fragen,
zu was denn um Himmels willen diese ganze
flache Handwerkerarbeit sei. Hier ist also ein
mächtiger Stein des Anstosses vorhanden, der
nicht schnell genug entfe nt werden kann. Man
gebe unseren Schülern, die 'ja nunmehr alle musi-
kalisch und intelligent genug sind, ferner keine
Steine für Brot, sondern lasse sie ruhig rhythmisch
bewegte Melodien mit eigens gewählten Akkorden
versehen, damit sich ihr Geschmack übe und ihr
Empfinden in musikalischer Beziehung zu seinem
Rechte komme. Namentlich das Kapitel von den
harmoniefreien Tönen sei vielfacher aufmerksamster
Durcharbeitung unterworfen; hierzu können i^icht
genug Aufgaben gemacht werden, und die gerade-
zu leichtsinnige Behandlung dieses äusserst wich-
tigen Gegenstandes in dem Richter'schen Lehrbuch,
welches überhaupt zu diesem Abschnitte gar keine
Aufgaben gibt, ist einer der vielen Gründe, die
die Theorielehrer endlich bestimmen sollten, mit
dieser „Methode" endgiltig zu brechen. Auch auf
die , Modulationsieh rc" wird zu wenig Zeit und
Mühe verwandt, der Schüler lerne nicht nur
wie, sondern auch wo und warum er zu modu-
lieren hat, man lasse ihm besonders schöne und
interessante Wagnerische Modulationen dorch den
Quarten- und Quintenzirkel transponieren, öffne
ihm die Augen, warum zum Beispiel die Modulation
am Anfange des Durchführungsteils des ersten
Satzes der g-moll-Siofonie Mozart*8 so unvergleich-
lich schön ist, man zeige ihm allmählich die Meister-
werke selbst und flösse ihm dadurch zugleich mit
der Lehre Begeisterung und Liebe zu seiner Kunst
ein, indem man sein urteil schärft und begründet.
Nie werde ins Blaue hineingearbeitet, stets diene
die Arbeit einem Zweck, eine gründliche Analyse
der Meisterwerke ist hier unerlassllch und ein
solches Studium, getragen von der Freude am
Schönen und an der erwachenden eigenen Kraft,
gestützt auf Beispiele der Meister, muss Früchte
tragen. — „Man lernt nur an Beispielen" sagt
Richard Wagner, — sehen wir uns also mit unseren
Schülern in dem reichen Schatze um, den uns
unsere herrlichen Meister hinterlassen haben, er-
klären wir ihm nötigenfalls warum an dieser und
jener Stelle Bach oder Mozart jene Quinte „gemacht^*
haben, warum in der oben angeführten Sinfonie
die „Querstände" in den Holzbläsern fo entzückend
schön klingen, statt mit scheuem Seitenblick an
diesem „faux pas" vorüber zu gehen, froh ungefragt
zu bleiben. Man belebe diese scheinbar trockene
Materie, man verknüpfe sie, wo nur möglich, mit
der Praxis und es wird auch uns wohler sein, als
es uns früher war, wenn wir an den „Präparaten",
als welche die bezifferten Bässe fungierten, unseren
Schülern zeigten, dass das jetzt ,.Musik" sei.
Ob sich die Harmonielehre selbst mit begabten
und eifrigen Schülern in einem Jahre völlig er-
ledigen lässt, ist eine Frage für sich, die ich ver-
neine, auf alle Fälle aber ist der Schüler am Schlüsse
dieses zweiten Jahres imstande, den „strengenSatz''
in Angriff zu nehmen und neben seinem Harmonie-
unterricht, der nun von wöchentlich 2 Stunden
auf eine reduziert werden kann, auch diese nene
Disziplin, mit welcher die eigentliche Fachbildung
für den Tonsetzer beginnt, wöchentlich einmal zu
treiben. An dieStelle der zweiten Harmoniestunde trete
von nun ab für diejenigen, welche Komposition als
Hauptfach treiben wollen, eine Kompositionsstunde.
(Fortsetzung folgt.)
= Kritische Rückschau =
über Konsert und Oper.
Von
Dr. Karl titarck.
unser öffentliches Musikleben gleicht einer
Sturmflut. Sie bricht fast plötzlich herein. Höch-
stens, wenn man den Anzeigenteil der haupt-
städtischen Blätter oder die Schaukästen jener
Musikalienhandlungen, die den Billetverkauf über-
nommen haben, ansieht, erhält man rechtzeitig
Kunde von dem drohenden Unheil. Aber was
hilft's, wir werden uns ihm nicht entziehen können.
Wir wissen*8 ja nun aus der Erfahrung verschie-
dener Jahre; im nächsten Winter werden wir
600 Konzei-te haben, von denen reichlich 400 völlig
überflüssig sind. Von den übrigen 200 wird viel-
leicht, gut gerechnet, ein Drittel zu jenen gehören,
denen man nicht nur die Vermittlung eines äugen-
— 313 —
blicklichen Kanstgennsses, sondern auch eine tiefere
Einwirkung auf die musikalische Eulturbereiche-
ruDg zusprechen kann. Ich wiederhole das alte
Lied nur deshalb in neuer Strophe, um von vorn-
herein wieder zu bekennen, dass ich gerade gegen-
über diesen Umständen die Aufgabe der Kritik
nicht in der Berichterstattung über alles Geschehene,
sondern in der Auswahl des zu Besprechenden sehe.
Heute, wo noch für einige Tage die Türea der
Konzertsäle verschlossen sind, habe ich über einige
Erscheinungen aus unserem Opernleben zu berichten.
Ueber das meiste kann ich mich kurz fassen und
dadurch Baum gewinnen für die Besprechung eines
neuen Werkes. Die zweite Berliner Oper, die
vor Jahresfrist mit stolzen Ankündigungen am
Weinbergsweg eröffnet wurde, ist glücklich ein-
gegangen. Während sie sich immerhin ein halbes
Jahr lang behauptete, fiel die komische Oper,
die Wolzogen aus dem Boden stampfen zu können
vermeinte, schon nach wenigen Wochen. Das
letztere war vorauszusehen und eigentlich eine
verdiente Strafe. Man darf im Theater gern lustige
Komödien spielen. Ich bin auch nicht griesgrämig
genug, um ein Stück völlig zu verschmähen, das
weiter keine Aufgabe hat, als einen Abend totzu-
schlagen, das Theater an sich aber darf nicht
zur Komödie werden. Wo es so ganz ohne ernste
Auffassung von seiner Aufgabe, ohne innere Stellung
zum Volke erscheint, da ist es ein Glück, wenn es
möglichst bald wieder verschwindet Denn im
günstigsten Falle ist es dann ein Parusit am künst-
lerischen Leben unseres Volkes Ernster stimmt
der Fall des „Nationaltheaters". Dass eine
zweite Oper für Berlin ein dringendes Bedürfnis
ist, aus rein künstlerischen wie aus volkserziehe-
rischen GriSnden, ist unleugbar. Um so schlimmer,
wenn ein mit beträchtlichem Aufwand ins Leben
gerufenes Unternehmen so kurzsichtig geleitet wird,
dass es die klar vorgezeichneten Wege zum Ge-
deihen nicht finden kann. Aus diesem National-
theater, bei dem der Name ,.national** seine schöne
Bedeutung des Volkstümlichen wohl hätte erreichen
können, wird nun ein Vari^t^. Wir müssen in den
Sumpf geraten, wenn wir nicht mit aller Ent-
schlossenheit ausgerüstet sind, langsam. Schritt für
Schritt, auf dem m'üh sei igen Weg zum Hochland
emporzusteigen. Wer auf diesem Wege herum-
hüpfen will, wer heute einen kühnen Hochlauds-
flug untornehmen will, nachdem er gestern si *h
im Sumpf der Operette und der Trikotposse herum-
gewälzt hat, der stürzt. Nun steht in wenigen
Wochen uns die Eröffnung einer neuen komi-
schen Oper bevor. Der ganze Zuschnitt des
Unternehmens ist so, dass es auf Volkstümlichkeit
nicht rechnet. Dass es für unsere Kunst grosse
Aufgaben erfüllen und damit indirekt unsere ganze
musikalische Volkskultur bereichern kann, sei nicht
geleugnet. Wir dürfen also wieder einmal hoffen.
Dass unsere königlichen Bühnen sich die
Gelegenheit entgehen Hessen, diese komische Oper
zu schaffen, ist bezeichnend genug für die geringe
Ausbildung, die an dieser Stelle die Auffassung
von den künstlerisch sozialen Aufgaben eines
so hoch gestellten Instituts erfahren hat. Den
Gedanken, dass unsere königlichen Bühnen einmal
gar die Aufgabe erkennen sollten, dass sie berufen
wären, den sozial weniger gut gestellten Kreisen
des Volks ßute musikdramatische Aufführungen
zugänglich zu machen, also ge Wissermassen ein
Seitenstück zu den Schillertheatern zu schaffen,
wagt man garnicht mehr zu hegen. — So wollen
wir schon dankbar dessen gedenken, dass in diesem
Sommer das Neue Königliche Opernhaus wenigstens
nicht schlechten Zwecken gedient hat. War es in
den letzten Jahren den Sommer hindurch der
Schauplatz sehr massiger Operettendarstellungen,
so wurde in diesem Sommer draussen von einem
Privatdirektor mit einem tüchtigen Ensemble die
einfachere Oper gepflegt. Die Darbietungen be-
wegten sich auf anständiger Höhe; dass man ge-
legentlich auch auf ein so vernachlässigtes Werk
wie Cheru bin i 's „Wasserträger" zurückgriff, war
ein ausgesprochenes Verdienst. Leider kann man
ja nie damit rechnen, dass bei einem solchen, nur
für eine kurze Zeit zugänglichen Ensemble derartige
Aufgaben von weiteren Gesichtspunkten aus gelöst
werden; dass also eine solche ältere Oper für die
Neuauffassnng von den Schlacken gereinigt würde,
die sich um sie gelegt haben. Ohne grosse Schwie-
rigkeiten Hesse sich der Text von Cherubinfs Oper
so bearbeiten, dass er unseie, dank der Wirkung
unserer Grossen gewachsenen Ansprüche befriedigen
könnte. Dumit würde ein edles und musikalisch
reiche* Werk unserem Spielplan dauernd gewonnen
werden.
Dem „Theater des Westens" ist die Arbeit
im letzten Winter durch den Erfolg von Wolf-
Eerrari's „Neugierigen Frauen* leicht geworden.
Wenn ich an den gelegentlichen Besuch anderer
Aufführungen denke, muss ich sagen: zu leicht.
Auch jetzt hat das Theater in der neuen Spielzeit
gleich einen Griff getan, der einen äusseren Erfolg
verbürgt. Heuberger's Operette „Der Opemball**
hat bei der ersten Aufführung einen lauten Erfolg
gehabt und beherrscht jetzt den Spielplan. Ich
gönne dem Theater, das so lange mit flnanziellen
Schwierigkeiten zu kämpfen hatte, von Herzen einen
Erfolg. Im Interesse der künstlerischen musika-
lischen Volkserziehung ist es aber doch recht be-
dauerlich, dasä nun ein Stück mit denkbar seichtem,
stellenweise sogar frivolem Inhalt für so viele Abende
edlere und reifere Werke fernhalten wird. Denn
auch die Musik Heuberger's hat nicht einen
starken Wert aufzuweisen. Sie ist gefällig, auch
geschickt gemacht. Aber jeglichem tieferen Em-
pflnden, jeglichem starken Ton geht sie ängstlich
aus dem Wege.
Das ist nun der Fluch der grossstfidtischen
Theaterverhältnisse. In einer kleineren Stadt reicht
solch ein Erfolg für fünf, sechs Aufführungen
— 314 —
aas. Hier könuens leicht ihrer 50-60 im Winter
werden. Wenn daa mit nnseren Schanfpielbühnen
geschieht, so ist es nicht so schlimm, da ja noch
viele andere Theater daneben stehen, die eine
Bereichernng des Spielplans ganz von selbst herbei-
führen. So aber haben wir für die 2Vi Millionen
Einwohner Berlins und der Vororte zwei Opern-
hänser. Das Königliche ist dnrch den ganzen
äusseren Zuschnitt nur den wohlhabenden Kreisen
zugänglich. Was bleibt nun an musik-dramatischen
Genüssen für diese riesige Menschenmasse übrig,
wenn die Leistungsfähigkeit der zweiten Bühne
zu einem Drittel von einer in höherem künstlerischen
Sinne doch wertlosen, wenn auch unterhaltsamen
Operette ausgefüllt wird?
Die KönigUche Oper rief die Kritik zunächst
zu einigen Gastspielen. Das von Wine Hempel
lehrte uns eine hervorragend begabte Koloratur-
sängerin, die offenbar sehr musikalisch ist, kennen,
scheint aber zu keinem Engagement geführt zu
haben. Dagegen wurde der Bassist Griswoold
verpflichtet, der über schöne Stimmmittel verfügt,
offenbar auch musikalisch ist, dessen Stimme aber
leider keinen Basscharakter trägt. So vermag er
vor allem in den Ensemblesätzen seine Aufgabe
nicht zu erfüllen.
Dann aber brachte die königliche Bühne eine
Erstaufführung. Es war „DasEest auf Solhaug'',
Oper in drei Aufzügen. Dichtung von Henrik
Ibsen. Musik von Wilhelm Stenhammar.
. Ibsen's Dichtung ist 1855 in Bergen entstanden;
es war für die Stiftungsfeier des norwegischen
Nationaltheaters bestimmt. Wenn ich das Wort
„Nationaltheater^* lese, so fallen mir viele deutsche
Versuche ein, in der bösen Zeit äusserer Zerklüf-
tung und kultureller Abhängigkeit von der Fremde
dem eigenen Volkstum im Theater eine Gelegen-
heit darzubieten, sich künstlerisch auszuleben und
durch diese Betätigung sich zu stärken. Herrliche
Namen sind mit diesen Stätten verbunden —
Lessing - Hamburg, Schiller - Mannheim,
Mozart-Wien — ; dennoch hatten sie kein langes
Bestehen. Für das Wortdrama ist das nicht von
so schlimmen Folgen gewesen, wie für die Oper,
Bichard Wagner hat uns das nationale Musik-
drama grossen Stils gegeben ; eine Nationaloper, im
Sinne von Volksoper als gehobenes Singspiel, fehlt
uns noch immer. Dabei sind in musikalischer Hin-
sicht die Vorbilder durch Mo zartes „Entführung"
und „Zauberflöte" in herrlichster Weise gegeben.
Für die Dichtung könnten wir aus diesem
„Fest auf Solhaug*' Ibsen's lernen. Es ist sehr
schade, dass der Dichter nicht von vornherein mit
der Form der Oper gerechnet hat. Der Stoff ist
so mit Musik durchtränkt, dass der Wechsel von
Prosa und Vers allein nicht ausreicht. Das Werk
ist denn auch immer mit Musik gegeben worden;
die Uraufführung soll von einem dänischen Kom-
ponisten Müller hergerührt haben. Aber da der
Dichter nicht von vornherein mit der Musik ge-
rechnet hat, sind die Uebergänge aus dem Prosa-
dialog zu den mehr lyrischen Stellen, die oft ge-
radezu zum Liede werden, schwer zu schaffen.
Der Dichter hat schon mit den stärksten Gegen-
sätzen seiner Kunst gearbeitet; wenn die Masik
nun noch zu der einen Seite hinzutritt, werden
die Gegensätze noch schroffer. Das Prosaisch-
Naturalistische drüben, das Lyrisch-Mystische hier
— die Musik muss hier, wenn sie nur das vom
Dichter bereits musikalisch Erfüllte erfasst, statt za
binden, trennen. Die Einheit des Schauspiels
Ibsens, die wir beim blossen Lesen empflnden,
würde dann unheilbar gebrochen sein.
Stenhammar (geb. 1871) fühlte also ganz
richtig, als er sich entschloss, das ganze Werk ein-
schliesslich des Prosadialogs in Musik zu setzen.
Nur hat er sich die Teztarbeit zu leicht gemacht
und sich im musikalischen Stil völlig vergriffen.
Dadurch, dass man aus einem Drama so und so-
viel wegstreicht, entsteht kein Opembach. Man
schädigt nur die Deutlichkeit der Entwickelong.
Stenhammar ist bei der Kürzung viel geschickter
vorgegangen, als in ähnlichen Fällen Zöllner, —
aber beeinträchtigt ist auch bei ihm Gang und Ver-
ständlichkeit der EntWickelung. Dass dann eine
durchaus naturalistische Prosa gegenüber der Musik
denkbar widerharig ist, läset sich denken. Gerade
der Wagnersche Sprachgesang erheischt eine Sprache,
in der bereits das Singen liegt. Schlinmier ist
das völlige Vergreifen im musikalischen Stil.
Stenhammar hat das Musikdrama Wagner's
vorgeschwebt; er strebt den Sprachgesang Wagners
an. Er übersah, dass Wagner's Sprachgesang in
seiner Sprache wurzelt, bloss die denkbar aus-
drucksvollste Deklamation der Worte ist. Dass
Ibsen's Prosadialog dafür ungünstig ist, wurde be-
reits oben gesagt. Die lyrischen Stellen bei Ibsen
sind aber so ganz aus dem nordischen Volkslied,
der nordischen Ballade heraus empfunden, dass
auch der Komponist hier aus dieser Quelle schöpfen
muss. Nun aber ist naturgemäss dieser aus dem
Volksliede geschöpfte Stil einfacher, leichter und
lichter als der Wagnerische. So ex^ibt sich nun
dass innerhalb des ganzen Werkes die eigentlich
musikalischen Stellen mit schwächeren musika-
lischen Mitteln ausgestattet erscheinen, als die un-
musikalischen.
Hier lag einmal ein Fall vor, wo das Melo-
drama ans innerer Notwendigkeit sich ergeben
konnte. Melodrama etwa in der Art, wie Humper-
dinck in den „Königskindern" es anstrebte, so
dass also auch das bloss Gesprochene bereits in
musikalischen Rhythmus gebracht worden wäre.
Daraus konnte dann bei den lyrischen Stellen die
reichere musikalische Form ohne Zwang bis ztim
ganz geschlossenen liedartigen Gebilde heraus-
wachsen.
Stenhammar hat diesen Weg leider nicht ge-
funden, trotzdem ihn sein künstlerisches Empfinden
deutlich genug darauf hinwies. Denn seine Ver-
— 315
tonnng des Prosadialogs trägt wider seinen Willen
melodramatischen Charakter. Nor dass die auf der
Bühne sich hemühen zn singen, wo die Natnr zn
sprechen gebietet; nar dass das Orchester zu
wQchtig ist. Aber die Masik an sich wird gerade-
zu Illustration der Textworte, illustriert zu-
weilen (z. B. Bengt's Trinken im dritten Akt) mit
geschmackloser Aufdringlichkeit das Selbstver-
ständlichste. Eine Kurzatmigkeit in der thema-
tischen Arbeit und die unbedeutende Verwendung
der an sich prächtigen Leitmotive ist eine weitere
Folge.
Meine Ausführungen betouten bis jetzt so sehr
die grundsätzlichen Bedenken, dass man daraus
eine volle Ablehnung des Stenhammar'schen Werkes
folgern könnte. Doch bin ich davon weit entfernt.
Ich halte das Werk als Ganzes für verfehlt, sagen
wir besser vergriffen. Aber die triumphierende
Kraft echten Volkstums pulsiert in diesem Werke
so stark, dass man über vieles hinwegkommt.
Ueberdies erweist sich Stenhammar, der, solange
er Wagner nachstrebt, nur ein geschickter Musikant
ist, in den rein lyrischen Stellen als so gesunden,
echt volkstümlich empfindenden und erfindungs-
reichen Musiker, dass ich von Herzen in den Bei-
fall einstimme, den das Werk bei der ersten Auf-
führung im Opernhause gefunden hat. Es handelt
sich hier ja Überdies um ein Jngendwerk, das Sten-
hammar als Zweiundzwanzigj ähriger geschrieben
hat. Gerade in seinen ästhetischen Ansichten, in
der Kunsttechnik, stand er also erst im Anfang
der Entwicklung.
An dem Beifall hatte die Aufführung reich-
lichen Anteil. Frau Götzens reife, edle Künstler-
schaft feierte wieder einmal einen vollen Triumph,
den ich keinem Mitglied unserer Oper mehr gönne
als dieser Künstlerin, die mit höchster Veranlagung
eisernen Fleiss, unermüdliches Streben, Pflichteifer
und eine edle Bescheidenheit verbindet Nur in
der Maske war Frau Götze nicht ganz glücklich;
sie hätte statt des schwarzen lieber brandrotes
Haar tragen müssen. Fräulein £ kleblad war die
lichte, reine nordische Jungfrau; etwas Sonniges
liegt in ihrem Wesen und in ihrem Gesaug. Eine
prächtige Charakterfigur — eine schwere Leistung
bei der Unbestimmtheit der Anlage der Gestalt in
der Dichtung — schuf Herr Uoffmann als Beugt.
Die Herren Grüning und Jörn waren gut,
würden aber mit Vorteil ihre Rollen tauschen.
Herr Dr. Muck leitete die Aufführung mit be-
kannter Meisterschaft.
Mitteilungen
von Hoohsohulen und Konseryatorien.
Die Diesterweg-Akademie zu Berlin,
Direktor Moritz Diester weg, feierte am 24. Sep-
tember ihr 10 jähriges Bestehen durch eine Matinee
im Beethovensaal. Ausführende waren die Klavier-
Aus bildungsklasse des Direktors, die Gesang-
lehreriu der Akademie, Frl. Gertrud Bischof,
und die Ensembleklasse. Es kamen ausser
einer "Reihe von »Solo-Klavierstücken Lachner's
„Festmarsch' aus op. 113, Beethoven 's „Egmont.
und Leonoren-Ouvertüren^ auf 4 Flügeln in lobens-
werter Ausführung zu Gehör. Besonderes Interesse
erregten die Kompositionen des Direktors: eine
Reihe von Liedern, durch Frl. Bisch off vorge-
tragen, und eine Ballade und Capriccio für Klavier,
in denen sich eine feine, kunstsinnige Empfindung
aussprach.
Die unter dem Protektorat der Fürstin zu Er-
bach-SchönbergstehendeProf.Ph.Schmitt'sche
Akademie für Tonkunst zu Darmstadt hat
ihren Lehrplan durch einen Kursus für Deklamation,
dramatischen Unterricht, dialektfreie Aussprache,
Mimik etc. erweitert. Als Lehrer für diese Fächer
wurde der Grossh. Hof Schauspieler Willy Loehr
gewonnen. Durch die stets wachsende Frequenz
der Anstalt, sowie durch mehrfache Erweiterungen
des Lebrplanes erwies sich mit der Zeit das alte
Haus als zu klein. Die Direktion sah sich deshalb
veranlasst, für einen Neubau, der allen modernen
Anforderungen entspricht, zu sorgen. Das neue
Haus wird am 1. Juli 1906 bezogen werden.
Der Violin virtuos AlexanderSebald, Königl.
Konzertmeister der Berliner Hofoper, ist als Lehrer
für die Meisterklassen im Violinspiel an das Bran-
denburgische Konservatorium verpfiichtet
worden und begann seine Tätigkeit am 1. Okto-
ber d. J.
Das diesjährige Felix Mendelssohn-
Bartholdy- Staatsstipendium für Kompo-
nisten ist der ehemaligen Schülerin der Köoig-
lichen akademischen Hochschule für Musik in
Berlin, derzeitigen Studierenden der musikalischen
Meisterschule für Komposition des Professors
Dr. Bruch in Berlin, Elisabeth Kuyper, ver-
liehen worden. — Das Stipendium für ausübende
Tonkünstler wurde der ehemaligen Studierenden
der Königlichen akademischen Hochschule für
Berlin, Violinistin Helene Ferchland, zuerkannt.
An den Musikschulen Kaiser in Wien
werden in diesem Schuljahre zwei neue „Meister-
schulen" errichtet und zwar für Gesaug (Oper)
unter Leitung der k. u. k. Kammersängerin Frau
Friedrich-Materna und für Violine unter Leitung
des k. u. k. Kammervirtuosen Franz Ondricek.
Der Unterricht in den Meisterschulen beginnt am
16. Oktober, resp. 1. November und dauert bis
15. Juni resp 1. Juli. Eine weitere Neueinführung
— 316 —
sind die für die Zeit vom 1. Mai bis 15. Jani ge-
planten „Künstlerknrse*, In welchen ansser den
bereits genannten Persönlichkeiten noch andere
hervorragende Künstler ein vorher festgesetztes
Bepertoire (zum Teil mit Orchesterbegleitung) zur
Darchführung bringen werden. Die Teilnehmer
an diesen Kursen teilen sich in aktive und Hospi-
tanten; für erstere bestehen Aufnahmeprüfungen,
deren Terrain demnächst bekannt gegeben wird.
Am Schlüsse der Kurse werden Zeugnisse resp.
Frequentationsbestätigungen ausgestellt. Alles
Nähere ist aus den Prospekten zu ersehen, welche
auf Verlangen durch die Schulkanzlei, Wien,
VlI. Bez., Zieglergasse 29, zugesendet werden.
Das Konservatorium zu Dortmund, Direktoren
die Herren Htittner und Holtschneider, war
im Laufe des Schuljahres 1904,05 von insgesamt
406 Schülern besucht, welche von 24 Lehrern unter-
richtet wurden. Es entfallen auf die Unterklasse
152, Mittelklacse 183 und Ausbildungsklasse G6.
Während des Schuljahres fanden 8 interne und
9 öffentliche Schüleraufführungen statt. Der Chor
des Konservatoriums orachte ausser a cappella* Chören
bei den regelmässig stattfindenden Orgel-Konzerten
die „Schöpfung* von Haydn im Stadt-Theater zar
Aufführung und wirkte beim , Westfälischen Musik-
fest* mit.
Am Sonntag, den 1. Oktober feierten 2 Lehrer
des Königl. Konservatoriums für Musik zu Stutt-
gart — Kammermusiker Karl S'^.hneider und
Kammervirtuos Anton Schoch — das Jubilänm
ihrer 25jährigen Tätigkeit am genannten Knnst-
institut Zu Ehren der Jubilare fand im Saale des
Konservatoriums eine stimmungsvolle Feier statt.
Der Direktor, Prof. S. de Lange, gedachte in
herzlichen Worten der Verdienste der beiden Herren
und übergab Herrn. Kammermus. Schneider das ihm
von S. M. dem König verliehene Hitterkrenz
IL Klasse des Priedrichsordens. Hierauf folgte
eine Ansprache des Ehrenvorstandes Herrn Pro-
fessor EdmundSinger mit anschliessender Ueber-
reichung der Geschenke des K. Konservatoriums.
Vermischte Nachrichten.
Prof. Isidor Seiss, fast ein Mensche aal ter
hindurch der erste Lehrer am Kölner Konser-
vatorium, ist im Alter von 65 Jahren gestorben.
Mit ihm ist einer der hervorragendsten Pädogogen
und Klavierspieler, einer der edelsten Menschen
heimgegangen. Wer auch immer das Glück hatte,
sein Schüler zu sein — und deren sind gar
viele — , wird ihm ein treues Andenken bewahren
und seiner in unabänderlicher Dankbarkeit ge-
denken. — Die Stunden bei ihm waren uns Schülern
stets ein Ereignis, auf das wir uns freuten und vor
dem wir uns, häufig wenigstens, auch — fürchteten.
Denn streng und pflichtgetreu war unser Meister.
Aber da war keiner, welcher ihn nicht liebte und
welcher seinen Sarkasmus, seinen beissenden Witz
und sein oft hartes, stets aber geistreiches Urteil
nicht gern und dankbar hinnahm. Wundervoll
waren seine Erklärungen und Auslegungen der
Meister, und ich erinnere mich kaum, Beethovens
G-dur Konzert, seine Variationen in C-moll oder
Es-dur, Weber'sF-moll Konzertstück, Schumann'sche
Werke schöner gehört zu haben, als wie von Seiss.
Selbst ein Meister der Technik, war er uns ein
leuchtendes Vorbild, und die hohen Anforderungen,
welche er an. sich selbst stellte, machte er auch
an seine Schüler. Wer Schüler Seiss* gewesen,
der hatte etwas gelernt, und so waren auch seine
Schülerklassen diejenigen, welche bei öffentlichen
Aufführungen immer mit Auszeichnung bestanden.
Im Leben war der Verstorbene ein höchst an-
spruchsloser und bescheidener Mensch, sein Heim
war trotz seines B«ichstums — er hatte eine wohl-
habende Gattin heimgeführt — altväterlich und
einfach eingerichtet. Aber, wo es galt, einem
armen Kollegen oder Schüler zu helfen, da gab
Seiss geine, mit vollen Händen — aber stets im
Geheimen, ein edler Wohltäter, den Niemand kennen
noch nennen durfte. So ist der verehrte Meister,
ein Schönheitsapostel der klassischen und roman-
tischen Periode, heimgegangen. Alle, welche ihm
je näher getreten sind, stehen trauernd an seiner
Bahre und werden des edlen Mannes in Liebe, Treue
und Dankbarkeit gedenken. Gustav Lazarus.
Anschliessend an obigen Nachiuf ist zu be-
richten, dass Isidor Seiss zu wohltätigen
Zwecken die Summe von 534000 Mk. ausgesetzt
hat. Wie die „Kölnische Zeitung^^ berichtet, sind
davon 200000 Mk. zum Besten von Kölner Volks-
schullehrern und -lehrerinnen, 200000 Mk. zur Ver-
teilung an die bei seinem Tode am Konservatorium
wirkenden Lehrer alier Fächer und 100000 Mk.
für Kölner Krankenhäuser bestimmt. Femer sollen
20000 Mk. zur gleichmässigen Verteilung an die bei
seinem Tode einer seiner Unterrichtsklasse zuge-
wiesenen Schüler gelangen und 10 000 Mk. der Lehrer-
Pensionskasse des Konservatoriums zugeteilt werden.
Am 23. September verschied zu Eisenach
Professor Hermann Thureau an den Folgen
eines Schlaganfalls. Hermann Thureau war die
Seele des Elsenacher Musiklebens, und die von
ihm alljährlich veranstalteten grossen Konzerte, die
neben Kammermusik vor allen Dingen die Anf-
f Ührung grosser Chor- und Orchesterwerke bildeten,
erfreuten sich des lebhaftesten Besuchs musik-
liebender Kreise aus den verschiedensten Teilen
Thüringens. Obwohl nahezu 70 Jahre alt, wagte
er sich noch bis zuletzt au die grössten und be-
deutendsten Werke der Neuzeit heran. So hat er
soeben mit bewundernswerter Energie, mit seltenem
Geschick und Fleiss das neue Oratorium „Luther'
— 317 —
von Zöllner-Leipzig einstadiert, um es am Ke-
formatlonstage in „Luthers lieber Stadt" in muster-
giltiger Weise zu Gehör zu bringen. Prof. Thnreau
galt als ein geschickter Orchesterleiter. £r ist der
Schöpfer einer Anzahl vielgesangener kirchlicher
Motetten nnd Männerchöre, sowie einiger grösserer
wirkungsvoller Chorwerke mit Orchesterbegleitang.
Als Musiklehrer des Grossh. Lehrerseminars hat er
in reichgesegneter Tätigkeit während der letzten
41 Jahre den Lehrern des Grossherzogtnms die
musikalische Ausbildung gegeben. Prof. Thureau
war am 21. Mai 1836 in der £ergstadt Clausthal
geboren. Als sein Vater, der Bauadministrator war,
frühzeitig starb, musste Thureau wegen Mangels
an Mitteln das Gymnasium in Sekunda verlassen.
Ohne Vermögen konnte er seinen Lieblings wünsch,
sich ganz der Musik zu widmen, nicht verwirk-
lichen, weshalb er in ein Buchbindergeschäft in
Göttingen eintrat. Später wurde er daselbst Klavier-
lehrer. Um seine Studien zu vervollständigen, be-
suchte er nach einigen Jahren das Konserva-
torium in Leipzig und nahm Privat;interricht
bei Dr. Moritz Hauptmann. Dann siedelte er
nach Dresden über, von wo er 1868 als Nachfolger
Müller Hartung's nachEisen&ch ging.
Dem scheidenden Münchener Hoftheater-
iDtendanten Ernst von Possart wude der Titel
eines königlichen Geheimen Rates verliehen.
Am 7. und 8. Oktober veranstaltete die ^Ma-
sikalische Gesellschaft'' zu Essen a. d. Ruhr
im grossen Saal des städtischen Saalbaues zwei
Bach- und Reger-Kouzerte mitgewähltem Pro-
gramm. In dem ersten der beiden Konzerte spielte
der Leipziger St. Thomas-Organist Carl Straube
Orgelwerke von Max Reger: Symphonische Phan-
tasie und Fuge op. 57, Choralp b an ta&ie über
j^ Wachet auf, ruft uns die Stimme'', op. 62 No. 2,
und Seb. Bach: Präludium und Puge in D-dur,
Andante a. d. 4. Orgelsonate, Piäludiam uudFu(;e
in E moll. Am zweiten Abend (Symphonie-Abend)
kamen. unter Generalmusikdirektor Mottl's Leitung
Mozart's Serenade für 4 Orchester und Max
Reger's Sinfonietta op. 90 (Uraufführung) zu Ge-
hör. Zwischen diesen beiden Werken Seb. Bach 's
5. Brandenburgisches Konzert und Reger's>che
Lieder, welche von Fr. Anna Münz aus Barmen
in stilvoller Auffassung vorgetragen wurden.
Der Vortragsabend des Herrn D. Rahter:
Vorführung moderner, instruktiver Literatur, spe-
ziell für die Jugend, welcher am 29. September im
Saale des Stern'schen Konservatoriums statt-
fand, bot viel Anregendes. Professor James
Kwast und die Herren Julius Ruthstroem und
Max Laurischkus waren an der Ausführung mit
bekannter Meisterschaft beteiligt und verliehen
den Kompositionen die beste Beleuchtung. Sehr
feine und zierliche Klavierstücke liefert August
Nölck in seinem op. 70, ähnlich FiniHenriques
in den Stückchen „Blindekuh", „Brummkreisel",
„Der kleine Jockei", unter den Kompositionen
von Max Laurischkus interessierte sein op. 17,
No. 3 „Schäfer und Schäferin" am meisten. Klang-
volle J ngend werke von GenariKarganoff dürften
zur Einfühlung in den Unterrichtsplan ebenfalls zu
empfehlen sein. Unter der Geigenliteratnr wären
Gustav HoUaender's op. 61, No. 6 undRenato
Brogis* „Arietta all' antico" am besten zur Ein-
führung geeignet, den Werken von Petschnikoff
und Seybold mangelte es vielfach an Eigenart.
In einigen musikalischen Kreisen war die Be-
fürchtung laut geworden, dass die Reichmusik-
bibliothek nicht zustande kommen würde, da sich
bisher noch verschiedene Musikalien Verleger, be-
sonders Berliner Firmen, zurückgehalten hätten.
Dem gegenüber kann nunmehr, wie die 2jeitschrift
„Musikhandel und Musikpflege" berichtet, mit Be-
stimmtheit versichert werden, dass die Reichs-
musikbibliothek, für die wahrscheinlich der Name
„Deutsche Musiksammlung" gewählt werden
wird, voraussichtlich schon am 1. April 1906 ins
Leben tritt, da mittlerweile alle die grossen
Firmen, die sich bisher abwartend verhalten haben,
in Erkenntnis der grossen Bedeutung eines solchen
Listituts für die nationale Kunst ihre Beteiligung
zusagten. Mit besonderer Freude muss es auch
begrüsst werden, dass eine ganze Anzahl nicht
reichsdeut scher Firmen, namentlich die ersten
Wiener Verlagshäuser, ferner russische, ungarische
und italiinische Firmen sich gleichfalls beteiligen
nnd dadurch zum Ausdruck bringen, wie eng ihre
Fühlung zu den deutschen Musikkreisen und dem
deutschen Musikleben ist.
Das in der ganzen musikalischen Welt bekannte
musikhistorische Museum Paul de V^lt's in
Leipzig ist an einen Kölner Privatmann verkauft
worden und wird von diesem dem Kölner Kon-
servatorium geschenkt werden. Es enthält
alle Arten von Instrumenten, u. a. Versuche be-
deutender Instrumentenmacher früherer Zeit. Ge-
krönte Häupter brachten der Sammlung grosses
Interesse entgegen, Kaiser Franz Josef verlieh dem
Besitzer die goldene Medaille für Kunst und Wissen-
schaft, König Albert liess sich dort einige Weisen
auf russischen Hifthörnern und Eintonhörnern vor-
spielen. Die Sammlung verschlang, wie die »Leip-
ziger N. N.** erfahren, in letzter Zeit derartige
Summen, dass ein einzelner Privatmann sie nicht
mehr erhalten konnte. So kam es zum Verkauf,
und es ist anzuerkennen, dass Herr de Wit nicht
auf die hohen Angebote amerikanischer Agenten
eingegangen ist. Für Leipzig ist der Verkauf
schon deswegen ein besonderer Verlust, weil das
Museum viele Erinnerungen an Johann Sebastian
Bach birgt, u. a. die Tastatur der alten Orgel aus
der JohHuniskirche, auf der der grosse Thomas-
kantor sehr oft gespielt hat. Der Käufer der Samm-
lung ist, wie nachträglich berichtet wird, einer
der Inhaber der bekannten Papiergrosshandlung
Poensgen & Heger, der Kaufpreis soll über 400000
Mark betragen
— 318 —
Bücher und Musikallen.
HelDrich Casimir. „AbendsHmmang undünrahe der
Nacht." Zwei Klavierstücke.
Fr. Klfteer» Lelpsly.
Verse ans HermanD Conradi'ä „Lieder eines
Sünders*' haben Heinrich Casimir za zwei Elavier-
tonpoesien inspiriert, denen man seine Anerkennung
kaum ZQ versagen vermag. Freilich wird man sicn
mit ihnen ziemlich beschäftigen und gewissermassen
einen Pankt abgewinnen, von dem man einen
tieferen Einblick in des Tonsetzers Wesenseigen-
tümlichkeit ZU tan vermag. Beide Stücke sind
inhaltlich und technisch ziemlich kompliziert,
kommen aber den als seelische Riclitschnur dienen-
den Versen Conradi^s vollkommen nach, geben also
den musikalischen Extrakt oder die Uebertragnng
des Inhaltes in das Idiom des Tonkünstlers. Es
ist reine, unverfälschte Programmmusik, möglicher-
weise nicht gerade für jedermann, aber keinesfalls
genauerer Kenntnisnahme und näherer Bekannt-
schaft unwert.
Eugen Segnitz.
Kor Koller, op. 26. Voor de Jeugd. 6 Klavier-
stakjes, 11. Budel.
▲. ▲. Noske» MIddelbarf.
Das zweite Heft enthält 6 kleine Kompositionen,
Tongeschichtchen von ganz eigenem musikalischen
Keiz. Wenn dieselben für die Jugend erdacht sind,
so ist wohl die reifere Jugend damit gemeint, denn
Kinder dürften den Aufgaben, welche gleich No. 1
yVertellinz^* stellt, nicht gewachsen sein. Der er-
zählende Ton ist darin recht glücklich getroffen.
Das hübsche Thema, das von den verschiedenen
Stimmen aufgenommen und verarbeitet wird, muss
ausdruckvoll hervorgehoben werden. Leichter ist
No. 2 „Schertz". Es verlangt nur eine zierliche
Ausführung mit lockerer Hand, die einfachen kleinen
Achtel motive in der rechten Hand mit leichter
Akkord begleitung links bieten keinerlei Schwierig-
keiten. Auch No.3, Marsch van „Klein maar dapper^
ist mehr in kindlichem Ton gehalten. Burleske
No. 4 verlangt einen zierlichen Anschlag. Das
neckische Hauptthema wird oft von übermütigen
Sprüngen unterbrochen. Die dynamische Ab-
tönung verlangt ein geistiges Erfassen des In-
halts der Komposition. „Treuermarsch voor Fox*
in C-moll und Klavierstnk No. 6 in F-moll sind
einfach getragen und streng legato auszuführen.
Warum bei der Vortragsbezeichnung nicht durch-
weg das Italienische beibehalten wurde, ist nicht
zu verstehen. Bemerkungen wie: iets vengger und
iets terugh nehmen sich dicht neben dem Jedem
verständlichen espressivo und anderen gewohnten
Vortragszeichen merkwürdig genug aus. Auch
wäre neben der holländischen Ueberschrift die
deutsche Uebersetzung am Platze gewesen.
Albert Blehl, op. 166. Drei Salon-Etüden.
Arlhu P. SehBidt, Leipsl^.
Dieselben bieten ein ansprechendes Unterrichts-
material für die Mittelstufe. No. 1 F-dur „Am
Spinnrad'* bringt Sechzehntelüguren für die rechte
Hand mit leichter ein- bis zweistimmiger Begleitung
in der linken. Etwas schwieriger ist No. 2 „An
der Wiege*' in As-dur. Hier fällt die Hauptaufgabe
der linken Hand zu, welche sich vorwiegend aof
Obertasten bewegt und dem zweiten Finger Ge-
legenheic bietet, Gelenkigkeit im Uebersetzen zn
zeigen Die Oktavenstimme rechts muss sehr ge-
bunden gespielt werden. No 3 Ges-dur ,Am fernen
Strande'' ist eine Terzen-Üebung für die rechte
Hand und setzt eine bequeme Oktavenspannuog
in derselben voraus. Die Modulation ist in allen
drei Stücken einfach, die Melodik ansprechend, die
Harmonik leicht verständlich. Die beabsichtigte
Stimmung ist gut getroffen. Als Vortragsetüden
sind die drei Stücke zu empfehlen.
M. J. Behbein.
musikpädagofliicber Uerbanl
IL General -Versammlung.
Die General- Versammlung des Musik- Mit den Berliner direkten Mitgliedern zu-
pädagogischen Verbandes fand am 7. Ok- sammen waren 54 Personen anwesend. — Nach
tob er, Nachmittag 6 Uhr, im Saale des Klind- Eröffnung der Versammlung durch den I. Vor-
worth-Scharwenka-Konservatoriums statt. sitzenden, Prof. Xaver Scharwenka, wurde der
Delegierte hatten entsandr.: Der Verein der Ge- Jahresbericht durch die 1. Schriftführerin, Frl,
sanglehrer der Berliner höheren Schu- Anna Morsch, verlesen. Der Bericht fasste die
len, die Berliner Musikgruppe und die Tätigkeit des Vorstandes im abgelaufenen Jahre in
Stettiner Musik gruppe. Auswärtige direkte kurzen Zügen zusammen. Es fand zunächst, nach
Mitglieder waren erschienen aus Altona, Ham- Vorschlägen der vorigen General- Versammlung die
bürg, Celle, Frankfurt, Halle, Dresden, Wahl des künstlerischen Vorstandes statt. Er
Königsberg, Hirschberg, Hannover, Kiel
und Schulpforta. Der künstlerische Vorstand
war durch Hrn. Heinrich Germer-Dresden
vertreten.
setzt sich jetzt zusammen aus folgenden Herren
und Damen: Hofrat Dr. Kliebert-Würzburpf,
Tonkünstler Heinrich Germer-Dresden, Frl-
Lina Beck-Köln, Prof. Spengel-Hamburg,
— 319 —
HofkapeUmeister Pohlig-Stattgart nnd Prof. Dr.
Carl Fachs-Danzig.
Der vorige Kongrees gab auf Antrag Fil. van
Zanten's Anregang zur Bildani^ einer „Kom-
miasion für wissenschaftliclie nnd prak-
tische Forschungen auf dem Gebiete des
Kunstgesanges". Ihr gehören ausser einer
Keihe hervorragender Gesangs-Pädagogen und Pä-
dagoginnen auch drei Aerzte, Spezialisten auf dem
Gebiete der Stimmhygiene, und z^var Dr. Katzen-
stein, Dr. Gutzmann nnd Dr. Flatan, an. Die
Kommission hält regelmässige monatliche Sitzungen.
Ebenso regten die Verhandlungen des vorjäh-
rigen Kongresses über die Schulgesangsfrage
zur Bildung einer Vereinigung der Schulge-
sangslehrer der Berliner Volksschulen
unter Leitung von Herrn Max Ast an. Dann
schloss sich der schon längere Jabre hier bestehende
yVerein der Gesanglehrer der höheren
Schulen* dem Musik pädagogischen Verbände kor-
porativ an; und die Herren: Prof. Cebrian, Prof.
Alexis Hollaender und Königl. Musikdirektor
Wiedermann traten zur Mitarbeit in die schon be-
stehende .Kommission für Sehniges ang* ein.—
An dem Ausbau der „Seminare zur Aus-
bildung für den Lehrberuf" an den Konser-
vatorien ist unausgesetzt weitergeai beitet worden.
Beratungen über die obligatorischen Disziplinen,
Lehrweise derbelber, Verteilung des Unterrichts-
stoffes auf 3 Seminar jähre, Art der Prüfung, Be-
schaffung von Lehrplänen, Aufstellung von
Stundenplänen, Zeugnisformularen u. s. w. fanden
nach ausgearbeiteten Entwürfen statt und
haben zu manchem erfreulichen Resultat geführt.
Der erste Schritt zur Umsetzung der reformatori-
schen Ideen in die Tat konnte aus dem Vorgehen
der beiden Konservatorien Stern und Klindworth-
Scharwenka berichtet werden, die beide, Oktober
dieses Jahres, Seminare mit dreijähriger
Studienzeit, auf den Grundsätzen der Prüfungs-
ordnung des Musikpädagogischen Verbandes fussend,
eingerichtet haben. Andere hiesige und aus-
wärtige Konservatorien arbeiten nach dem gleichen
Ziele hin.
Der Jahresbericht betonte schliesslich noch,
dass, nach Feststellung der Satzungen, die
Prüfungsordnung noch einmal einer genauen
Hevision unterzogen und zur Beurteilung vorgelegt
werden solle. Ebenso bedürfen die bis jetzt ge-
wählten Prüfungskommissionen noch mannig-
facher Ergänzung und der Vorstand ist gern bereit,
allen dazu ausgesprochenen Wünschen so weit wie
möglich entgegenzukommen.
üeber die Erneuerung des Kartell-Verhält-
nisses mit der Musik-Sektion berichtet der
L Vorsitzende, Prof. Xaver Scharwenka. Auf
eine Aufforderung des Vorstandes an Frl. Henkel-
Frankfurt, 1. Vorsitzende der Musik -Sektion,
das auf der vorigen General - Versammlung
gelöste Kartell wieder zu erneuern, war die
Antwort zurückgekommen, dass die Entscheidung
darüber der General - Versammlung der Musik-
Sektion, Püngsten in Biemen, anheimgestellt
werden solle. Später kam die Nachricht von
Frl. Henkel, dass die General-Versammlung der
Erneuerung des Kartells im Prinzip zugestimmt
habe, sie aber auf Grund einer bestimmten Ge-
schäftsordnung zur E«gelung der Funktionen der
Vorstände wünsche und dass mit der Ausarbeitung
bis nach Erscheinen der neuen Satzungen ge-
wartet werden solle. Wegen der Vorgänge
auf der vorigen General-Versammlung sprach FrL
Henkel in einem Schreiben an Herrn Prof. Schar-
wenka den Wunsch aus, dass die inzwischen ge-
pflogenen Verhandlungen der General-Versammlung
des Musikpädagogischen Verbandes mitgeteilt
würden; ihr Wunsch war durch diese Klar-
legung erfüllt worden.
Zur Schulgesangsfrage und dem Stande
ihrer Arbeiten gaben die Herren ProL Cebrian,^
Lehrer und Organist Max Ast und Musikdirektor
Wiedermann erläuternde Referate; es war aua
ihnen zu entnehmen, dass die Ai bellen bis Ostern
znm Abschluss gebracht sein werden, um dann auf
einem Kongress zur Öffentlichen Klarlegung und
zur spruchreifen Einreichung durch eine Petition
an die Regierung zu kommen.
Beim Eintritt in die Beratung über die Sat-
zungen teilte der I. Vorbitzende mit, dass der Ver-
band sich entschlossen habe, die Rechte einer
juristischen Person zu erwerben und dass die
Satzungen daher durch rechtskundige Hand, und
zwar durch Hrn. Kapellmeister Rösch, der der
Versammlung beiwohnte, den Forderungen des
Bürgerlichen Gesetzbuches gemäss überarbeitet
wären. Die einzelnen Paragraphen wurden darauf
verlesen und beraten, einige riefen lebhafte Dis-
kussion hervor, trotzdem kam der ganze Entwurf,
einige wenige formelle Aenderungen ausgenommen,
zur Annahme und Bestätigung. Das Gesuch um
Eintragung in das Vereinsregister wird demnächst
beim Königlichen Amtsgericht eingereicht.
Die Vorstandswahl erfolgte durch Zuruf, und
zwar wurde der Gesamtvorstand wiedergewählt.
Er besteht aus folgenden Personen: Prof. Xaver
Scharwenka, I Vorsitzender; Prof. Gustav
Hollaender, IL V'orsitzender; Frl. Anna Morsch^
I. Schriftführeiin; Direktor Carl Nürnberg,
II. Schriftführer; Prof. Gustav Kulenkampff,
I. Kassierer; Direktor Gustav Lazarus, IL Kas-
sierer. Btisitzende sind: die Damen Frls. Martha
Remmert, Olga Stieglitz und Coruelie van
Zanten; die Herren Musikdirektor Mengewein,
Prof. Richard Schmidt und Direktor Hut sehen-
reuter.
Der Vorsitzende schloss damit die 2. General-
Versammlung, nachdem er vorher noch neben dem
allgemeinen Dank mit warmen Worten Herrn
Kapellmeister Rösch den Dank des Vorstandes
für seine hingebende und aufopferungsvolle Mit-
320 —
arbeit bei den Satzungen, in welchen die Ver-
sammlang mit lebhaftem Zorof einstimmte, aus-
sprach. — Ein zwangloses geselliges Zusammensein
im NoUendorf-Casino hielt die auswärtigen und
heimischen Mitglieder noch bis spät in die Nacht
hinein znsammen.
Vor El Öffnung der General - Versammlung
machte Herr Prof. Scharwenka auf eine „Pedal -
Fussbank'* aufmerksam, welche Herr Direktor
Petri aus Halle zur Begutachtung eingesandt
hatte. S.e wurde von den Versammelten einer
eingehenden Besichtigung unterzogen.
Dieser Auflage liegen die Prospekte von Gebr, Hug & Co,, Leipzig: „Friedrich
Chopin^s Etüden*^t Akademische Neuausgabe von Heinrich Germer und Carl ßränitiger,
Stuttgart: „IVeue Musik Zeitung^ bei^ auf die wir unsere Leser besonders aufmerksam
machen* D. E.
Anzeigen.
Konservatorium der Musik
in Kassel,
Wilhelmshöher Allee 43.
Gegr. 1895. Direktion: Luise Beyer. Gegr. 1895.
EhrenTOrsltl : Begierangs-Pritoident Graf tob Bermttorff,
Gnf KSal^dorir, Ezoellens Generalin tob Coloab,
Oberbürgermeiiter Mfiller n. A.
Cnratorlam: Pfarrer H«««, Schnldirektor Prof. Dr. ErvM-
maelier, Bankier Plaul, Juttisrath Seheffer u. A.
'Lehrer: Die Damen: Lalte Beyer, lUe Berka, Königl. Sobau-
•plelerin. Biaiil-I'öreler, KöniRl.Operndäugerin.Olrase-
Pabbronl, A. Taadli««. Die Herren: Beas AltaBller,
Prof. Fraasy Mubikdirektor Rallwaeha, Kammervirtaos
▲. Uartdeg«>a» Prot; Dr. Udbel, Kgl. Kammervirtuoi
O. Kalelachy Kgl. Opernsänger K. KleismaaB, Kgl.
Kammermnaiker W. MoabaBpty Kgl. Kammermiuiker
B. 8ebBBrbBack n. A.
Unterrichtfftcher: PlaBoforteapiel. TioltBe, Cello, flarfe
BBd alle Hbrigea Oreheater-InatrBBieBte. Geaang.
UalieBiaeh. Orebeaterspiel. SpreehQbBBgeB. Gehör-
HbBBgeB. MBaikdiktat. flarmoale* aad KompoalttoBt-
lehre; Analyse; Partltarspiel ; Geaehlrhte der Maatk;
Aeatbetlk; Ethik; Phlloauphie; Psjehologle; Phy-
siologie; AkBstik mit AaireBdBBg aller erforderlleheB
Apparate.
Eintellang: Konsertklassen. Seminarklaasen. Ober-, Mlttel-
ond Elementarklasaen.
StalBfteB aind kostenfrei an beliehen duroh die Schriftleitong
des Konservatoriums Kassel, Wilhelmshöher Allee 4&
Tonleiterscliule
für Pianoforte von
Theodor Wlehmayer
Lehrer am Konservatorium zu Leipzig.
Preis JU 5.—.
Der Verfasser gibt in seinem Werke,
von gänzlich neuen Geslchtep unkten aus-
gehend, zum erstenmal eine wirklich metho-
dische Entwicklung des Tonleiteispiels, die
geeigoet erscheint, das ebenso wichtige als
langwierige Studium der Tonleitern nm ein
bet rächt liches zu vereinfachen undabzukUrzen.
Die Touleiterschule enthält in drei Ab-
teilungen und einem Anhang sämtliche Formen
der Tonleitern und Arpeggien und dürfte in
Zukunfc zum eisernen Bestand des Studien-
materials aller derjenigen gehören, die das
Klavierstudium mit Ernst betreiben und be-
strebt sind, auf direktem Wege schnell und
sicher zum Ziel zu gelangen.
Breitltopf ft Härtet, Leipzig.
Verlag: BAABU & 1*1.0TU0W (II. Baabe), Berlin.
Uebungen im Notenlesen
zur sicheren Erlernung der Noten im ^fc und ^i
von M. P. Heller. m Preis: 80 l'feniilg.
Siga Qarsö,
Hofopernsänger a. D. Meister des Kunstgesanges.
AnsbUdang fflr Bflhnei Kouert and Salon.
Speciallehre des losen Tones, infolgedessen Singen ohne jede Anstrengung.
Wiederherstellung verbildeter Stimmen.
Broschüren: „Ein offenes Wort über Kunstgesang.^' — „Wie lernt man singen?"
(Musik Verlag Haake-Bremen.)
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Der Unterriebt wird nach den Grundsätzen des Masikpäda^OKischen Verbandes geleitet. ■ ■ ■ ■ '
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Prof. Jul. Hey'S Cesangschule.
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nehmen wollen, sind f^ebeten, event. vorher schriftliche Klarlegung ihrer stimmlichen
Veranlagung, sowie eines von einem Arzt ausgestellten Berichtes über ihren allge-
meinen Gesundheitszustand einzusenden.
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Administration: Kapelim. Robert Robitsctaek.
Die Schule gliedert sich in folgende Abteilungen.
A. Aasbildung in der ausübenden Kunst: a) Gesang: Hauptlehrer: Frau Matja v. Nissen-Stone,
Frau Prof. M. Blank-Peters, Herr A. Sistennans, Herr E. B rieger, Frau M. Brieger-Palm.
b) Klavier: die Herren Prof. X. Scharwenka, Prof. Ph. Scharwenka, Prof. W. Leipholz,
M. Mayer-Mahr, A. Foerster. c) Violine: die Herren: Kammervirtuos Fl. Zajic, J. Barmas,
J. M, van Veen. d) Violoncello: J. van Lier. e) Orgel: F. Grunicke. f) Harfe: F. Hummel.
g) Flöte: Kgl. Kammermusiker C Eössler. Instrumental-Elenientarklassen für Kinder bis 13 Jahre.
B. Kammermusikklassen: J. van Lier, M. Mayer-Mahr, Kapelim. R. Robitschek.
Orchester- und Chorgesang: Prof. X. Scharwenka, Kapelhn. Eobert Pobitschek.
C. Theorie und Komposition: Prof. Ph. Scharwenka, Kapelim. 11. Pobitsrhek, H. Hermann,
Dr. H. Leichten tritt (englisch), A. Schumann, H. Kann.
D. Opernschule: Leitung Kapelim. R. Robitschek. Deklamation und Mimik sub E.
E. Schauspielschule: Frl. M. Lippert. Deklamation, Mimik, Rollenstudium.
F. Ausbildung zum Kapellmeister: Anleitung zum Dirigieren : Kapelhn. R. Robitschek. Partiturspiel:
Prof. Ph. Scharwenka, R. Robitschek
0. Schule für Musikwissenschaften, insbesondere Musikgeschichte, Formenlehre, BUavier- und
Gesangspädagogik: Docenten: Dr. H. Goldschmidt, Dr. W. Kleefeld, Dr. H. Leichtentritt,
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Stellenvermittlungs-Register-
Offene stellen:
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lebhaften Stadt im S. V. wird eine tüchtige Violin-
lehrerin gesucht. Das Violinfach soll neu ein-
prerichtet werden und wird daher vorläufig kein
Fixum bewilligt.
Gesuehte Stellen:
Eine vorzügliche Gresang^pädagogin, die sich
dorch schriftstellerische Arbeiten auf diesem Ge-
biete einen Namen gemacht hat, sucht Eagage-
ment an einem KoDfervatorium.
Eine tüchtige Klavierspielerin und Lehrerin,
ausgebildet am Münchener Konfiervatoriam, sucht
Stellung an oiner Musikschule.
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Für die Redaktion rerantwortlich: Anna Morsch, Berlin W., Ansbacherstr. 87.
ExpediUon und Verlag „Der KlaTier- Lehrer^, M. Wolff, Berlin W., AnsbachorstraaBe 87.
Druck: J. S. Preuss, Berlin S.W., Kommandantenstr. 14.
Der Klaviep-ItehreF.
. Musik-pädagogische Zeitschrift für alle Qebiete der Tonkunst
Organ der Deutschen Musiklehrer-Vereine«
der Musik -Sektion des fl. D. L-V. und der Tonkunstler-Vereine
zu Köln; Dresden, Hamburg, Leipzig und Stuttgart
Begründet 1878 von Professor Emil Breslaur.
Redaktion: Anna Morscli
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No. 21.
Berlin, 1. November 1905.
XXVIII. Jahrgang.
Inhalt! Gustav Beckmann: Robert Radecke. Ludwig Riemaon: Der akustische £influss der alten und heutigen Klaviere
auf die Kompostionstechnik, (Schluss.) Dr. Karl Storck: Kritische RQckschau über Konzert und Oper. Mitteilungen von
Hochschulen und Konservatorien. Vermischte Nachrichten. Bücher und .Musikalien, besprochen von Eugen Segnitz. Vereine
Anzeigen.
Ein Gedenkblatt zu seinem 75. Geburtstage (31. Oktober)
von
eastaT Becki
,Aus der Jugendzeit,
aus der Jugendzeit
Klingt ein Lied mir
immerdar;
O wie liegt so weit,
o wie liegt so weit,
Was mein einst war!* —
Wem hätten sich
nicht schon diese tief-
empfundenen Worte
Rückert's unwillkür-
lich auf die Lippen ge-
drängt, wenn- in stillen,
dem ruhelosen Treiben
und Hasten unsererTage
abgegeizten Mussestun-
den die Gedanken wie
Glück suchend in das
Paradies der goldenen
Jugendzeit zurückflüch-
teten und den Traum
der Kindheit von neuem
zu träumen sich an-
schickten.
Aber den breiten
Schichten unseres san-
gesfreudigen Volkes ist
dieses Lied doch erst
bekannt geworden,
nachdem ein wahrhaft
fühlendes Künstlerge-
müt zum rechten Wort
auch die rechte Weise
gefunden und damit dem
Liede Schwingen ver-
liehen hat, mit denen
es in die fernsten Gauen
des Vaterlandes, ja weit
über dessen Grenzen
hinausgeflattert ist.
Und hätte Robert
Radecke uns weiter
nichts dargeboten, als
jene schlichte, unver-
welkliche Blüte, sein
Name würde schon'die-
serhalb im weiten deut-
schen Liedergarten un-
vergessen sein.
Am 31. Oktober
1830 zu Dittmannsdorf
in Schlesien geboren,
war er bereits in früher
— 326 —
Jugend von seinem tüchtig musikalisch ge-
schulten Vater im Klavier-, Violin- und Orgel-
splel so weit gefördert, dass er sich in Kon-
zerten der Umgegend hören lassen konnte.
16 Jahr6 alt geworden, besuchte er die oberen
Klassen des Gymnasiums zu Breslau, seine
musikalischen Studien bei Ernst Köhler,
Peter Lüstner und Moritz Brosig fort-
setzend, bis er 1848 Schüler des Leipziger
Konservatoriums wurde. Hier war er nicht
nur unter Seinen Studiengenossen der be-
fähigtste, sondern auch der Lieblingsschüler
von Moscheies, David, Rietz, Haupt-
mann und Becker. Namentlich der letztere
schätzte ihn sehr hoch wegen seines meister-
haften Orgelspiels, mit dem er sich später
solchen Ruf errang, dass ihn Prof. Dr. Riedel
noch nach 30 Jahren als den „Orgelkaiser"
bezeichnete.
Höchst ehrenvoll gestaltete sich für den
damals schon her>^orragenden Künstler der
Abgang vom Konservatorium. Es dürfte sehr
interessant sein, hierüber den nun schon ver-
ewigten Professor Dr. Robert Papperitz,
einen Mitschüler Radecke^s auf dem berühm-
ten Kunstinstitut, zu hören. Ende des Jahres
1899 schrieb derselbe gelegentlich an den
Schreiber dieser Zeilen folgendes: „ . . . .
schon nach Verlauf eines Jahres hatte er sich
zu einer Leistungsfähigkeit emporgeschwungen,
die ihn auf jedem Gebiete den stetig wach-
senden Aufgaben gerecht werden Hess. Mit
meiner nun nahezu 50 jährigen Wirksamkeit
als Lehrer am Leipziger Konservatorium kann
ich nur die Tatsache bestätigen, dass in den
Programmen der alljährlich sich wiederholenden
Prüfungskonzerte wenig Namen zu finden sind,
die mit gleich umfassender Durchbildung an
die Oeffentlichkeit treten konnten, wie sie
Radecke im Jahre 1850 eigen war. „Es-dur-
Konzert** — Beethoven — „Violinkonzert"
Mendelssohn — Orchester-Komposition etc.
Es zeigte das Jahr 1848 eine grössere
Zahl hochbegabter Schüler, deren Namen durch
künstlerische Wirksamkeit noch heute mit
Ehren genannt werden, ich erinnere an
Woldemar Bargielf, Ludwig Normann f,
Heinrich von Sahrf, Engelbert Röntgenf,
Gerhard Nicolai f, Langhans t, Jadas-
sohn f. Auf Anregung Radecke's hatte sich
unter diesen in freundschaftlichem Verkehr
Stehenden ein Verein gebildet, der in wöchent-
lich sich wiederholenden Uebungen neben den
Werken der Klassiker auch die Mendels-
sohn's, Schumann's, Gade's zur Aufführung
brachte und nicht wenig zur Förderung künst-
lerischer Einsicht und praktischer Schlagfertig-
keit beitrug.
Das jugendfrische, begeisterte Streben,
getragen von dem noch in vollem Umfange
wirksamen Mendelssohn-Kultus, zeitigte auf
allen Gebieten die herrlichsten Früchte; — bei
allem Wettkampf erfreute sich doch ein Jeder
der Erfolge des Andern — neidlos.
Dass besonders Radecke's Leistungen die
Teilnahme der Kommilitonen in Anspruch
nahm, wie sie nicht minder vor dem Areopag
berühmter Meister wie Moscheies, Haupt-
mann, Rietz, Robert Schumann, David,
Gade etc. unbeschränkte Anerkennung fanden,
ist mir heute noch in frischester Erinnerung, —
ebensowohl das Bild des jugendlich frischen,
heiteren und liebenswürdigen Künstlers mit
der bei aller Tüchtigkeit bescheidenen Zurück-
haltung, der freundschaftlichen Treue und Hin-
gabe, des allzeit offenen und zuverlässigen
Charakters."
Die erstaunliche musikalische Vielseitig-
keit verschaffte ihm 1852 den zweiten Direktor-
posten der Leipziger Singakademie — neben
Ferdinand David — und ein Jahr darauf
die Kapellmeisterstelle am dortigen Stadttheater.
Ungemein hoch schätzte ihn Robert Schu-
mann, dessen Orgelfuge über B-A-C-H
Radecke zuerst dem Meister vortrug und bei
jedem Besuche Schumann's in Leipzig wieder-
holen musste.
Der Winter 1858/59 findet Radecke in
Berlin, wo er sich als Pianist (er trug die
letzten Sonaten von Beethoven sowie dessen
Klavierkonzerte vor), als Quartettist (er gehörte
als 2. Geiger dem Laub'schen Streich-
quartett an, das den letzten Beethoven und
namentlich Schumann bevorzugte) und als
Gründer und Leiter grosser Abonnements-
konzerte für Orchester, Chorgesang und Solo-
spiel ausserordentlich erfolgreich betätigte und
die Aufmerksamkeit der ersten musikalischen
Kreise Berlin's in solchem Masse auf sich
lenkte, dass er bald als Musikdirektor an der
Königl. Hofoper (neben Taubert und Dom)
und 1871 als „Königl. Kapellmeister auf Lebens-
zeit" angestellt wurde. Einige Jahre darauf
rückte Radecke in die erste Kapellmeisterstelle
ein und errang mit den Erstaufführungen von
Wagner's „Tristan" und „Siegfried" kolossale
Erfolge, wie sie seitdem kaum einem Hof-
kapellmeister auf diesem Gebiete beschieden
gewesen sind. Als er nach Taubert's Rück-
tritt auch die Leitung der berühmten Sinfonie-
— 327
Soireen der Königlichen Kapelle übernahm,
brachte er durch eine seltene Dirigentengabe,
gepaart mit feinem künstlerischem Verständ-
nis, frisches Leben in die bis dahin sterilen
Programme. Er war der erste, der den
Komponisten Wagner in den Königlichen Kon-
zertsaal einführte. An mehr als 2000 Abenden
hat Radecke die verschiedenartigsten Opem-
werke — von Ofifenbach's Operetten bis Wagner's
Tristan! — geleitet. Darunter sind 207 Mozart-,
80 Beethoven- (wenn man die Musik zu Egmont
hinzurechnet), 235 Weber- und 268 Wagner-
abende. Wie vielen später zur Berühmtheit
gelangten Musikern hat Radecke in dieser seiner
Stellung nicht durch Aufführung ihrer Werke
den Weg in die breite Oeffentlichkeit geebnet,
beispielsweise auch Richard Strauss. So
war er durch Jahre hindurch der belebende
Mittelpunkt der Königlichen Hofoper, als diese
in den sechziger und siebziger Jahren unstreitig
ihre höchste Blüte erreicht hatte. Eine Fülle
der hervorragendsten Gesangskräfte, wie Fr.
Harriers- Wippem, Lucca, Desiree Artot-Padilla,
Grossi, Hauck, Brandt, Lehmann, Mallinger,
Niemann, Betz, Wachtel, Gudehus, Fricke u. a.
zierten das grosse und vornehme Kunst-
institut. — Als unser Meister nach dem Wechsel
der Generalintendantur — von Hülsen war
gestorben und Graf Hochberg an seine Stelle
getreten — plötzlich zur Disposition gestellt
wurde, widmete er seine Kräfte, nachdem er
die Kapellmeisterstellen in Hamburg, New- York
und Madrid ausgeschlagen hatte, ausschliesslich
dem Stern'schen Konservatorium der
Musik, dessen Direktorat er schon früher über-
nommen hatte. Das „Hoftheater", so schrieb
Prof. Ludwig Bussler in der „National-
Zeitung", „verliert in ihm einen der her-
vorragendsten deutschen Musiker der Gegen-
wart!" —
Schon früher hatte Radecke eine Menge
Vokalwerke geschaffen, die, einem tief pul-
sierenden Gemütsleben ihre Entstehung ver-
dankend, sich alle in mehr oder minder sinn-
fälligem Klangzauber bewegen und sich durch
edle Melodik und feine Harmonieen aus-
zeichnen. 1 Oper, 2 Sinfonieen, 2 Ouvertüren,
viele Klavierstücke, mehrere Trios für Klavier,
Violine und Cello gesellten sich diesen Werken
zu. Und bei alledem hat er seine eminente
Orgelkunst nicht brach liegen lassen, sondern
nur zu oft mit ersten Künstlern, wie Joachim,
in den Dienst der Wohltätigkeit gestellt. So
konnten ihm, der inzwischen zum Professor
ernannt worden und einige Jahre später zum
Vorsitzenden des Senats der Königl. Akademie
der Künste (Abt. für Musik) gewählt wurde,
die Berufungen als Orgelprofessor an der
Königl. akademischen Hochschule der Musik
und als Direktor des Königl. akademischen
Instituts für Kirchenmusik im Jahre 1892 nur
willkommen sein. Und letzterer Stätte, dessen
hervorragender Reorganisator und Ausbauer
er mit Recht genannt werden darf, wurde am
70. Geburtstag des Meisters Marmorbüste,
welche von Verehrern, Freunden und Schülern
gestiftet, als Ausdruck der Dankbarkeit für
solch reichgesegnete Tätigkeit im Dienste der
Tonkunst überreicht.
So wird Radecke's Wirken nicht nur fort-
leben in den Blättern der Musikgeschichte
einer an Erfolgen und Entwickelung grossen
Zeit, sondern auch sein Bild seinen begeisterten
Schülern voranleuchten und ihnen immerdar
ins Gedächtnis zurückrufen, was der „Orgel-
Kaiser" Robert Radecke war und ist: ein be-
deutendes musikalisches Universaltalent, das
auf allen Gebieten der selbstschafifenden wie
ausübenden Tonkunst, insbesondere auch auf
dem des klassischen Orgelspiels, sich ausser-
ordentlich erfolgreich betätigt hat und dabei
doch seiner Jugend Idealen durch stürmische
Zeitläufte hindurch unentwegt treu geblieben
ist;' ein Lehrer, in des-en Seele der Liebe
göttlicher Funke zu seinen Jüngern glüht und
ihnen durch grosse Gesichtspunkte im Unter-
richte den domigen Pfad zum frohwinkenden
Künstlertum vergessen macht; und endlich
ein Mensch, der nicht nur die eingeborene
vornehme Gesinnung und ein goldenes Gemüt
als köstliche Kleinode aus der Jugend herüber-
gerettet, sondern in dessen Brust sich auch
inmitten des dissonierenden Weltgetriebes eine
wunderbare, abgeklärte Harmonie allmählich
bis ins sUberumwobene biblische Alter auf-
gebaut hat!
^
'S —
328 —
@er a1<astiscbe Bii)f luss der alkt) at)d beuHget) Klariere
auf die Koti)posiMoi)sfecbi)ll<-
Von
Itfudwli: Bleviaim.
(Schloss.)
In dem „Leitfaden des Pedals nachRubinsteln"*)
finden sich 126 Beispiele verschiedenartiger akusti-
scher Effekte, die von der heutigen EompositloDS-
technik sämtlich ausgenutzt werden. £in näheres
Eingehen darauf würde allein einen Vortrag für
sich beanspruchen. Leider wird eine genaue No-
tierung des Pedals immer noch vemachlfissigt.
Wir stossen damit auf eine Eigentümlichkeit der
Komponisten, in der Ausführung nach Phrasierung
und Pedal den Interpreten dieselbe Freiheit zu be-
lassen, wie den Spielern im 18. Jahrhundert. Eine
genaue Aufzeichnung der Beziehungen des toten
Notenbildes zum lebendigen Erlang wird wohl noch
lange an der ängstlich gehüteten Freiheit des
Vortrages scheitern, obgleich die Herrschaft der
Phrasierungsaufzeichnung immer mehr zunimmt.
Der Pedalgebrauch allein ist noch fast ganz vogel-
frei. Es kann uns deshalb nicht wundernehmen,
wenn aus den schwierigen Anforderungen des
ernsten Klavierstiles schon bei Beginn dieser
Periode sich Auswüchse, Verflachxmgen, Ober-
flächlichkeiten zeitigten, der sehr bald zu einer
nenen Stilgattung, dem Salonstil, führten.
Streng bei meinem Thema bleibend finde ich,
daas grade die akustischen Unterlagen des Klavier-
klanges das rapide Wachstum der Salonwasser-
musik begünstigt haben. Ich bin sogar der An-
sicht, dass wir vor Einführung des Pilzhammers
noch nicht von einer Salonmusik im heutigen
Sinne reden können, da die akustischen Effekte,
als Seele dieser Stilgattung, bis dahin fehlten.
Erst als die Blütezeit der Klangfarbe begann, be-
kam zunächst der Virtuosen- und Variationenstil
eine Befruchtung durch die neuen Klangvarianten,
nämlich Hervorkehren einzelner Töne vor anderen,
Aufsaugen schlechter Töne durch gute und wohl-
gefälliges Anbringen des Klavierklanges an sich
mittels Darchläufe und Akkorde. Ich denke
dabei an Komponisten wie Herz, Hunten, Döhler,
deren Werke etwa in der Mitte der Salon- und
Kunstmusik stehen. In der leidenschaftlichen Hin-
gabe an die Klangwirkung vergass man aber sehr
bald den Inhalt. Der Komponist versumpfte in
monotonen, rhythmusloseu Akkordwiederholungen,
die eine flache, nichtssagende Melodie umranken.
Man baute Klaviere, die auf einer Oktavkoppel ein
Glissando und Akkordgänge mit einem Finger er-
möglichten. Ich sah ein solches Instrument in
Berlin (Museum). Alles Baketenmusik, von der
sich selbst ein Idszt nicht ganz hat befreien können !
♦) Edition Bosworth, No. 71.
Die Klangeffekte, die durch den neuen Filz-
hammerton und den Pedalgebrauch sich plötzlich
ungeahnt vermehren konnten, gereichten den ober-
flächlichen Kompositionstechnikem nur zum Ver-
derben. Mühelos und billig konnten sie dem Di-
lettantismus eine Nahrung reichen, die dieser nnr
zu gerne in sich aufnahm,' warum? weil die musi-
kalische Bildung des Norddeutschen bis zum
heutigen Tage nicht gleichen Schritt gehalten hat
mit der durch den Eisenbahnverkehr seit 40-50
Jahren geförderten, raschen Verbreitung des
Klaviers. Denken Sie doch nur an das verhältnis-
mässig grosse Wissen, welches 50 Jahre früher
ein CSembalist in sich tragen musste, um sein In-
strument zu beherrschen. Er musste durchans
theoretisch gebildet, ein geschickter Generalbass-
spieler und Improvisator sein. Die Aosführungen
einer Cembalopartie z. B. in der Matthänspassion,
die früher jeder Cembalist als selbstverständlich
hinnahm, traut man heute nur ersten Mnsik-
icräften zu.
Die in der 1. Hälfte des vorigen Jahrhunderts
fast plötzlich geschehene ümstürzung des „Wissens**
im Klavierspiel zum „Können* musste bei der
raschen Verbreitung des Klavieres notgedrungen
zu einer grenzenlosen Verflachung führen. Viele
Menschen besitzen heute ein Klavier, ohne je das
Wesen der Klavierkunst zu erfassen. Von den
musikalischen Vorbedingungen besitzt die Masse
nur einen Sinn — d. i. der Sinn, die Vorliebe
für das Harmonische, gerade der Sinn, der für die
Salonmusik ausreicht, und so erstrahlt denn im
harmonischen Glänze das „G«bet einer Jungfrau"
im Herzen der hoffnungsvollen Tochter und in
Gegenwart der entzückten danmendrehenden Mama.
Diese Mama und Tochter verkörpern für mich den
Typus der „musikalischen Alkoholiker*. Eine von
der Tonpsychologie noch nicht genügend erforschte
Vorliebe für das «Itauschende', „Lärmende** in
der Musik, die besonders die niedere Bevölkerung
zeigt, erklärt den übermässigen G^ebrauch des
Pedals seitens schlechter Dilettanten und eitler
Virtuosen. Wie der Alkohol im Wein, wirkt der
angemessene Gebrauch des Pedals in der Kunst-
musik. Im Gegensatz hierzu berauscht das nn-
vernünftige Pedalspiel in der Salonmusik den
Menschen in ähnlicher Weise wie der hochpro-
zentige Alkohol im Schnaps. Der einzige Halt,
den die Salonmusik in sich trägt, nämlich die har-
monischen Klangeffekte, bewahrt die Salonmosik
vor der Erniedrigung zum Gassenhauer, denn das
Harmonische an sich wirkt niemals gemein.
— 329 —
Haben non die Komponisten der Knnstmnsik
das Wesen, d\e akustischen Feinheiten des Klavier-
tones vollauf erfasst? Nur bei wenigen lässt sich
dieses im ganzen umfange bejahen, z. £. bei
liiszt, Chopin, Henselt, Theodor Kirchner u. a.,
deren Stil zum nicht geringen Teil auf der scharfen
Beobachtungsgabe der Klangfarben beruht Aber
die in den tiefen Lagen verborgenen Diskordanzen,
überhaupt die, obgleich nicht schwer zu fassenden
Klangfarben werden von vielen Komponisten miss-
achtet, ignoriert. Der Klavierton kann nicht aus
seiner Haut heraas, aber den Titanen genügt nicht
der begrenzte Klangfarbenkreis. Die Feinheiten
der klanglichen Zusammenstellungen scheinen
heute immer mehr zu verblassen« Eine absolute,
gerechtfertigte Hücksichtnahme auf den gleich-
massigen Ablauf der Akkorde gilt bei einem
grossen Teil der Komponisten für ausgeschlossen.
Ich rechne hierzu die nur auf den Effekt hinaus-
laufende Virtuosenmusik, den täppischen Salon-
stil und die, alle Lagen des Klaviertones rück-
sichtslos behandelnde Musik eines Reger, Sinding,
Bubinstein. Selbst Schumann, der Meister musi-
kalischen Kleinkunst, liess die Eigenschaften des
Klavierklangee zuweüen unberücksichtigt, sodass
manches unschön klingt. Zwei akustische Gründe
erklären dieses Manko. Im Zusanmienklang herrscht
oft eine Täuschung, verursacht durch die An-
schlagsnüance und die drei Studien der Klavier-
tondauer. Was nämlich den Einzelklang hebt an
Kraft und Gestaltung, stört in gewissen Lagen
den Zusammenklang. Man vergisst, dass nur die
mittleren Lagen darin auf Tonschönheit Anspruch
machen können, und wütet trotz der knarrenden
Schwebungen in den tiefen Lagen. Wie im
Orchester wird zu gunsten der Tonmalerei die Ton-
schönheit des Instrumentes nicht immer an die
erste Stelle gesetzt. Die zweite Begründung liegt
in der im 19. Jahrhundert sich immer mehr ent-
wickelnden Herrschaft des Massentones. Ich
unterscheide den Einzelton vom Massenton durch
die Höhe des Effektes. Im Einzelton liegt die
Kraft der Selbstwirkung, die durch keinen anderen
Ton ausgefüllt werden kann. Jeder Ton einer
besseren Melodie oder eines melodischen Motivs
kann als Einzelton aufgefasst werden. Der Massen-
ton tritt in der Einzelwirkung zurück und ordnet
sich dem Gesamteindruck der Phrase unter; er
kann, ohne den C^sammteindruck zu verletzen,
durch einen anderen bestimmten Ton ersetzt
werden, oder ganz fehlen. Wir finden den Massen-
ton in den harmonischen Kadenzformen, in der
stereotypen Begleitungsart und in den Ver-
zierungen, ganz abgesehen von der Orchestermusik,
bei welcher der Massenton noch in anderer Gestalt
auftritt. Bei der Vorliebe der deutschen Kunst-
musik für die Harmonie, die bekanntlich bis zur
harmonischen Polyphonie gediehen, musste der
Massenton zu einer leider zu grossen Herrschaft
gelangen. Der übermässige Gebrauch des Massen-
tones ist in einen verderblichen musikalischen Al-
koholismus ausgeartet, dem wir uns nur schwer
entziehen können. Ich habe dieses noch kürzlich
selbst in einem Heger- Konzert empfunden. Trotz
meiner leidenschaftlichen Verehrung für die Einzel-
tonwirkung kam es wie ein Bausch über mich
beim Anhören dieser genialen Beherrschung Beger-
scher Massentöne. Unsere Gehörsempfindungen,
unsere Tonauffassungen haben sich insofern ge-
ändert, als über einer akkordlichen Unterlage voll-
ständig harmoniefremde Töne streckenlang mit
Genuss gehört werden können, während zur Zeit
des Virtuosen- und Variationenstils in der ersten
Hälfte des 19. Jahrhunderts die Massentöne nur
diatonisch oder allenfalls chromatisch auftraten.
Jedenfalls lässt sich eine Missachtung der klang-
schönen Klaviertonzusammensetzungen infolge Zu-
rücksetzung des Einzeltones nicht ableugnen, die
von der kleinen Kompositionswelt gamicht ein-
mal empfunden wird. Da aber der heutige musi-
kalische Geschmack nicht vom Massenton zu
trennen ist, muss die Kompositionstechnik damit
rechnen, d. h. sie sollte bemüht sein, nur seinen
schönsten Vorzug zu gebrauchen, nämlich: die
Kraft zu färben. Gefärbte Melodien sind für
mich solche, denen ein Stimmungsgehalt durch
harmonische Farbentöne untergelegt wird, dasselbe,
was man Motiv und Grundstimmung in der Malerei
nennt. Ich denke dabei z. B. an den .Frühling"
von Grieg, oder an das „Liebeslied* von Henselt,
oder .Trauermarsch' von Chopin. Jeder grössere
Komponist färbt seine melodischen Folgen mit
ganz besonderen, nur ihm eigenen akustischen
Tonfarben, die für uns dasselbe Erkennungszeichen
bedeuten, wie bei einem grossen Maler der Ge-
brauch besonderer, sich immer wiederholender
Farbenmischungen. Es wäre eine interessante Auf-
gabe, einmal die eigenen akustischen Tonfarben
grösserer Komponisten genau festzustellen. Der
Komponist unterscheidet sich allerdings dadurch
vom Maler, dass er in vielen Fällen seine eigenen
akustischen Tonfarben gamicht einmal kennt, bezw.
sich der Tonfarben nur unbewusst bedient. Jeden-
falls ist die dezente Zurückhaltung der harmoni-
scheu Farbentöne in einer Klavierkomposition eine
der vornehmsten Eigenschaften der Kompositions-
technik, Ueberhaupt ist meines Erachtens eine
absolute klangschöne Darstellung und strenge
Berücksichtigung der akustischen Eigentümlich-
keiten des Klavierklanges zu fordern, die in der
„senkrechten" Musik zum Ausdruck kommen.
Unter senkrechter Musik verstehe ich den klang-
lichen Totaleindruck einer harmonischen Folge.
Ich sage Totaleindruck, denn die harmonische
Folge braucht durchaus nicht gleichzeitig zu sein,
sie kann aus rhythmischen Bewegungen oder
mehreren melodischen Folgen zusammengesetzt
werden. Jede senkrechte Stichprobe eines har-
monischen Totaleindruckes muss klangschön wirken.
Mögen wir uns nun noch so sehr an den Massen-
— 330 —
klang gewöhnt haben, es ist nnd bleibt eine Ge-
wöhnung. Die Tiefe unseres musikalischen Ge-
müts wird von dieser einen Wahrheit nicht allein
anggefüllt. Durch uns Alle, Alle die wir unsere
Kunst lieben, ernst nehmen, geht ein grosses, zum
Teil unbewusstes Sehnen nach dem ungewohnten
keuschen Einzelklang, der starken, aus sich
selbst wirkenden Einzelmelodie, gleicbg^iltig, ob in
monodischer oder polyphoner Form. Die Terschie-
densten Blüten hat diese Sehnsucht gezeitigt. In
allen Gauen, wo die deutsche Sprache herrscht,
wird das lauge verschmähte Volkslied wieder zu
Ehren gebracht. Zwar singt der Norddeutsche es
ausserhalb der Schule gern in 4 stimmiger Be-
kleidung. Er glaubt eben die Harmonie nicht ent-
behren zu können. Aber er liebt es dennoch mit
der ganzen Kraft wie der Süddeutsche. Wie er-
klären wir uns ferner den BeifaU, den ein Scho-
lander mit seinem Gesang und der Gultarre in
Norddeutschland und ein Dalcroze in ähnlicher Art
in Süddeutschland gefunden? Woran liegt es, dass
die norwegische Liedersängerin Bokken-Lasson,
die mit ihrer Guitarre von Land zu Land zieht,
solche Erfolge erzielt? Diese Künstler gehen hin
und schmeicheln sich mit ganz einfachen, durch
sich selbst wirkenden Liedchen in die Herzen der
Zuhörer hinein, wodurch ? durch den keuschen Ton
an sich, der mit Buhe und Behagen das gequälte
Ohr erfüllt und darum doppelt auf die Sinne und
das Gemüt wirkt! Wie im Süden die Zither, Gui-
tarre, Mandoline, taucht im Norden Deutschlands
die Guitarre wieder auf als Begleitungsinstrument,
weil man von der aufdringlichen Klavierbegleitung
übersättigt ist. Besonders in Schlaraffen- und
anderen Kunstkreisen, wo die Einzelkunst mit Vor-
liebe gepflegt wird, flndet die Guitarre in dieser
Verwendung mehr Freunde und Beifall, wie das
Klavier.
Jn den Kreisen der Musiker nnd ersten Musik-
freunde gilt bekanntlich das Streichquartett, über-
haupt jedes akustisch gleichgeartete Quartett als
die feinsinnigste Vertretung der Einzelklänge. Aber
dieses darf uns nicht genügen. Die Technik des
Einzelklanges, der melodischen Folgen müsste auch
in der Klavierkomposition als oberstes Gesetz be-
folgt werden. Ich sage mit Breithaupt* j: „Dnserer
Kunst geht's wie der Blume, die zu wenig Sonne
hat. Sie will nicht reifen. Wird die Sehnsacht
stärker sein? Wird sie uns hindrängen zur be-
lebenden Sonne, zu den Lichtklängen himmlischer
Melodien, zu dem weissen Glanz ätherischtar
Grazie, zuiück zu des Gedankens schlichter Grösse
und zu einer einfach natürlichen Sprache? Dies
ist unsere bange Frage.^ — Möchte es bald, recht
bald dahin kommen! Das ist mein Wunsch.
Eine kurze Zusammenfassung meiner Aus-
führungen ergibt folgende Leitsätze:
Die Herrschaft des heutigen Klaviertones über
die altklassische Klavierliteratur ist einzudämmen.
Man verhelfe den früheren Klavierwerken bis zum
letzten Drittel des 18. Jahrhunderts durch Ein-
führung des verbesserten Glavicembalos^ zu ihrer
wahren Gestalt nnd Würdigung.
Die heutige Klavierkompositionstechnik berück-
sichtige bei der „senkrechten** Musik mehr die
Klangschönheit (z. B. weite Lagen). Die tiefen
und hohen Lagen dürfen als Akkordtöne ncr ton-
malerisch verwendet werden.
Die Kompoeitionstechnik befriedige in grösse-
rem Masse die Sehnsucht nach dem Einzelton.
Der übermässige Gebrauch des Massentones ist
heute in einen verderblichen musikalischen Alko-
holismns ausgeartet.
Bei den heutigen Klavierklangeffekten ist eine
genaue Pedalschrift unerlässlich. Die gebräuch-
liche Pedalbezeichnung reicht für diesen Zweck
nicht aus.
Die musikgeschichtlichen Werke haben dem
bis heute unterschätzten Einfluss der Instrumente
anf den Werdegang der musikalischen Kunst eine
viel grössere Aufmerksamkeit zuzuwenden. Die
gleiche Mahnung gilt für die musikgeschichtliche
Lehrtätigkeit.
*) Monatsheft der Zeitschrift „Die Musik', IV,
1. Heft, S. 4.
**) Jbachord« der ilrma IL Ibach Sohn.
Kritische Bficlischau
über Konsert und Oper.
Von
Dr. Karl ütorck.
Nun haben die ersten grossen musikalischen
Konzertveranstaltungen stattgefunden und mögen
auch demjenigen, der durch die Tatsache, dass
vom 22.-29. Oktober 38 Konzerte angekündigt
sind, noch nicht überzeugt wird, das Gefühl bei-
gebracht haben, dass die diesjährige Musiksaison
endgiltig eröffnet ist. Es steht das grösste der
Werke an der Spitze. Die Singakademie brachte
Beethoven's „Missa Solemnis". Wenn ich an
eine Aufführung denke, die ich im letzten Sommer
im Baseler Münster unter Hermann Suter's Leitung
gehört habe, so verblasst der Eindruck, den die
Vorführung in der Singakademie hervorrief. Es
mag daran liegen, dass der Baum für diese ge-
waltigen Chormassen zu klein ist. Ich hatte aber
darüber hinaus das Gefühl, dass Herr Schamann
durch Beschleunigung der Tempi die einheitliche
grosszügige Wirkung zu erreichen strebte, die nur
— 331 —
ans tiefster seelischer Ergriffenheit zu holen ist.
Es ist nicht wahr, dass es in fieethoven's Missa
solemnis tote Stellen gibt, man moss sie nnr zum
Leben wecken können. Das war nicht voll er-,
reicht. — Höher stand in der Hinsicht die Anf-
fiihrnng, die ,,Brnckner's Tedenm" durch den
Philharmonischen Chor erfuhr. Doppelt an-
erkennenswert, insofern auch hier Bruckner's
zum Zerbröseln und Zerbröckeln neigende Natur
sich nicht ganz verleugnet. Allerdings hat er doch
kaum etwas Einheitlicheres geschaffen als diese
Vertonung des ambrosianischen Lobgesangs, dessen
Eingangsworte Ja als Leitmotiv des ganzen
Bruckner'schen Lebensganges wirken. Aber ich
glaube, man wird doch nur in einer katholischen
Gegend so ganz die Gewalt dieser Kunst erfassen.
Ein Pontifikatamt mit der ganzen Pracht, der die
römische Kirche föhig ist, ist vorangegangen. Loa
goldenen Altarraum blitzen die goldenen Gewänder
der Priester, die rotge wandeten Messdiener schwingen
die Rauchfösser, aus denen die Wolken des Weih-
rauchs himmelan steigen, und dahinter die tausend-
köpfige Menge. Droben auf dem Chor dieBiesen-
orgel, an der der Meister sitzt und mit seinen
Händen auf drei Klavieren mit 60 Aegistem die
tausend Stimmen des Rieseninstruments heraus-
holt. Die Orgel ist hier das Orchester. Seltsam
gleichm&BSig wogt es auf und ab, als gelte es, ein
sicheres Fundament festzuhalten, auf dem die
Chormassen sich riesenhaft hinaufwölben. Da-
zwischen dann Stellen von mystischer Versunken-
heit, von seraphischer Stille und engelhafter Ver-
zücktheit. Nach diesem Tonrausch fühlte ich mich
kaum mehr fähig, etwas weiteres aufzunehmen.
Vielleicht war's gut, dass es die klare und sichere
Musik von Brahms war, die mit der bekannten
„Rhapsodie^* folgt. Ein wunderbar sinniges und
sonniges ^Ständchen Franz Schubert's" schloss
den erstan Teil. Der Chor bot wiederum lauter
Musterleistungen. An technischer Schulung ist hier
mit Menschenstimmen Herrliches erreicht. Die
TenÖre nur dürften noch etwas weicher sein. Von
den Solisten verdient Klara Erler zuerstgenannt
zu werden, weil sie für eine erkrankte Kollegin
einsprang und ihre Soli ohne jegliche Vorprobe,
wenn auch etwas unfrei durchführte. Frau Lula
Mysz-G meiner fehlt die innere Tiefe für die
Rhapsodie von Brahms. Es bleibt alles äusserlich.
In Ihrem Element war sie bei Schuberts Ständchen.
Der junge Tenor Paul Reimers sang seine
schönen Solostellen in Bmckner's Tedeum mit wirk-
lich prächtig einschmeichelnder Stimme.
Brückner bildete auch den Schwerpunkt des
Philharmonischen Konzerts. Nlkisch führte
die dritte Symphonie nicht in der hinreissenden
rhythmischen Kraft auf, mit der Richard Strauss
sich in sie versenkt hatte, wohl aber gelang ihm
die farbige Pracht. — Auch die Königlichen
Symphoniekonzerte haben begonnen. Wider
die sonstige Gepflogenheit kam gleich im ersten
Konzert eine Neuheit heraus, aber der Ersten
Symphonie von Georg Schumann fehlt jede
Eigenart und sogar jene Ellangschönheit und
sichere Verarbeitung des thematischen Materials,
die man sonst seinen Arbeiten nachrühmen kann.
— Auch Ferruccio Busoni hat bereite den ersten
seiner neuen Kompositionen gewidmeten Orchester-
abende veranstaltet. Ein Klavierkonzert von Otto
Singer war von erschrecklicher Länge und noch
erschrecklicherer Langeweile. Ich habe noch nie-
mals ein derartig völlig zweck- und zielloses An-
einanderreihen von allerlei Einfällen gehört. EjB
verhalf einem nicht mal auf einen Weg, dass diese
Einfälle immer bereits bekannt waren. Gabriel
Pierne hat ein Orgelwerk von Cäsar Franc k
für Orchester Übertragen und hat dabei erreicht,
dass das Orchester beinah so gut klingt wie eine
Orgel. Warum er also nun wohl bloss dieses Werk
übertragen hat!? Ferruccio Busoni selber führte acht
Stücke aus seiner Musik zu Gk>zzi's Märchendrama
„Turandot^ auf, die ich nicht mehr angehört habe,
denn ich war, nachdem Frau Ida Ekman an
dreien der wunderbar stimmungsvollen „Nuits d*dt6'
ihre Unzulänglichkeit erwiesen hatte, fortgegangen.
Wie mir versichert wurde, zeichnete sich Busouis
Komposition durch Geist und glückliche Orchester-
malerei aus. Das war vorauszusehen. Ebenso,
dass von einer wirklich schöpferischen Kraft nichts
^u spüren ist.
Auch Karl Halir brachte im ersten seiner
grossen Konzerte eine Neuheit von Jean Sibe-
11 US, dem eigenartigen Finnen. Dieses Violin-
konzert in D-moU ist eine symphonische Dichtung
aus dem finnischen Volksleben. Hat man sich erst
etwas hineingehört, so fesselt es durch seine
eigenartige Rhythmik und die merkwürdige Farbe
des Orchesters. Ich musste an die grossen* nor-
dischen Wiutermaler denken, die durch das eigen-
artige Spiel des Weiss in Weiss so seltsame, halb
betäubende, halb aufreizende Wirkungen erzielen.
Auch diesem Werke gegenüber hat man das
Ghefühl eines langen Winterabends, an dem sich
die Dörfler versammelt haben. Alte Sagen, alte
Lieder, alte Tänze bilden die Unterhaltung. Alles
ist alt, ererbtes Gut und gefährdetes Gut, daher
die tiefe Melancholie selbst in der Lust. Der Solo-
geiger wirkt gegenüber dem Orchester wie Vor-
tänzer und Vorsänger. Der Norweger Halfdan
Cleve ist dagegen eine sehr einfache Natur. Das
erinnert schon stark an Mendelssohn, womit ich
nicht unbedingt einen Tadel aussprechen möchte.
Es kann im Gegenteil gamicht schaden, wenn
auch einmal wieder einfache, durchsichtige Musik
geschaffen wird. Die kleineren Klavierstücke
Cleve's werden sich reifere Klavierspieler mit Ge-
winn in ihr häusliches Repertoire aufnehmen. —
Am Sonntag spielten vier Professoren Kammer-
musik: Joseph Joachim, Robert Hausmann,
der grossartige Klarinettist Richard Mühlfeld
imd Robert Kahn. Von letzterem kam dabei
— 332 —
ein neues Trio zu Gehör. Ebenfalls durchsichtige,
klare, vorzüglich gearbeitete Musik. Von Eigenart
der Erfindung freilich auch nicht die Spur. Selbst
der sonst so verpönte Wagner musste mit dem
Nibelungenmotiv herhalten. Von sonstigen
Kammermusikveranstaltungen sind die Konzerte
des Waldemar Meyer-Quartetts und des
Petersburger Streichquartetts zu nennen. —
Ein Konzert mit eigenen Kompositionen ver-
anstaltete auch der oben als Begleiter gerühmte
Eduard Behm. Das Ergebnis war nicht so reich,
wie bei dem letztjährigen Konzertabend. Behm
fällt das Komponieren zu leicht. Er ist ein ge-
bildeter, mit allen Mitteln des Tonsatzes wohl aus-
gerüsteter Mann von leicht erregbarem musi-
kalischem Empfinden. Sobald dieses einen Anstoss
erfährt, ergibt sich die musikalische Sprache. So
fehlt die Verdichtung des Erlebnisses und die Zu-
sammenfassung aller Ejräfte für die gedrängte
Aussprache. Es entsteht immer gebildete und an-
sprechende Musik; aber man empfängt sie eben
auch zu leicht, zu sehr bloss als gebildete Unter-
haltung, nicht als packendes Erlebnis. Herr Behm
hatte berühmte Mitwirkende. Aber weder Frau
Lula Mysz-Omeiner, noch Herr Heinemann ge-
hören zu den tief Erlebenden. Vielleicht steckt in
den von ihnen vorgetragenen Werken viel mehr,
als sie ahnen liessen. Aber Herr Heinemann hat
als einziges Charakterisierungsmittel die Kraft der
Stimme: stark, stärker, noch stärker und Gesäusel.
Damit schafft man keine Balladen. Prau Mysz-
G-meiner, die zu einer ersten Grösse hinaufgelobt
worden Ist, erschöpft eigentlich nur neckische
Sachen. Allem Tieferen bleibt sie alles Wesentliche
schuldig. Wenn sie übrigens das fauchende Atem-
holen nicht ablegt, wird man sich bald auch nicht
mehr über ihre schönen Stimmmittel {reuen
können. — Das Beste am Abend war ein Klavier-
quintett, dessen erster Satz ein gediegenes und
warm empfundenes Musikstück ist. Der Cellist
des Dessau-Quartetts bedarf eines besseren In-
struments; es klaqg wie eine grosse Bratsche.
Für die Solisten bleibt einem nach allem kaum
mehr Zeit übrig. Marcella Sembrich feierte
natürlich Triumphe. — Ein das Höchste ver-
sprechendes Koloraturtalent besitzt DoraMoran,
die Tochter der kürzlich verstorbenen Heroine. —
Boris Hambourg wird mir als vorzüglicher
Cellist gerühmt, Henry Bramsen ist als solcher
bereits bekannt. — Mit ihrer engumschriebenen und
für meinen Geschmack allzu bewussten Kunst
fesselte die Sängerin Susanne Dessoir ein grosses
Publikum. Karl Flesch hat die riesige Auf.
gäbe übernommen, in fünf Konzerten einen ge-
schichtlichen D eberblick über die ganze GMgen-
literatur zu vermitteln. Er ist der Maim dazu,
diese Aufgabe nicht nur geistig zu bemetstern,
sondern auch durch die sinnliche Schönheit seiues
Vortrages Jeglichen lehrhaften Beigeschmacks zu
entkleiden. Bleibt noch die dankbare Huldigung
an Ludwig Wüllner, der seinen 50. Liederabend
mit dem erschütternden Vortrag von Schubert*s
„Winterreise" feierte. Er hat an den 50 Abenden
542 verschiedene Lieder gesungen. Hätten wir
noch zwei Künstler von so ernster programma-
tischer Tätigkeit, es stände um unser C^esangs-
repertoir besser, als es jetzt der Fall ist.
Mitteilungen
von Hochschulen und KonservatoriexL
Der Jahresbericht des Konservatoriums für
Musik Klindworth-Scharwenka widmet dem
aus seinem Amte scheidenden bisherigen Direktor
der Anstalt, Dr. Hugo Goldschmidt, warme
Abschiedsworte. Dr. Goldschmidt's Wunsch, sich
ausschliesslich den musikwissenschaftlichen Arbeiten
widmen zu können, gab die Veranlassung zu
seinem Scheiden aus dem Amte, das er volle 13
Jahre geführt hat. Sein Nachfolger ist Kapell-
meister Robert Robitschek, der bereits seit
mehreren Jahren die Zweiganstalten geleitet hat
und nun in Gemeinschaft mit den Professoren
Xaver und Philipp Scharwenka, in deren
Händen bisher schon die künstlerische Leitung lag,
die Führung des Instituts überninmit. Dem Lehrer-
kollegium neu gewonnen wurden zum 1. Oktober
die Herren Issay Barmas und Joseph M.
van Veen für die Violinklassen, während Prof.
James Kwast ausscheidet. Die Schülerfrequenz
betrug im abgelaufenen Schuljahre 391, von denen
91 auf die Zweiganstalten entfallen. Es fanden
4 grössere öffentliche Veranstaltungen statt, da-
runter ein Lehrer- Vortragsabend und ein Kirchen-
konzert zu wohltätigem Zweck, letzteres unter
Leitung von Prof. Xaver Scharwenka, femer
17 Schülervortragsabende. Die öffentlichen Prü-
fungen fanden vor einer Prüfungs - Kommission
statt. — Mit Beginn des neuen Schuljahres ist die
Umgestaltung des Seminars nach den Grund-
prinzipien des Musikpädagogischen Verban-
des vollzogen worden; dreijährige Studienzeit, mit
Einführung aller vom Verband vorgesehenen musik-
wissenschaftlichen Disziplinen, zum Abschluss eine
Prüfung vor einer Kommission, ist vorgesehen.
Die Satzungen des Seminars sind durch das
Sekretariat der Anstalt, Steglitzerstr. 19, zu be-
ziehen.
Dem Vorgehen des Klindworth - Scharwenka-
Konservatoriums bezüglich des Seminars hat sich
das Stern 'sehe Konservatorium, Direktor Pro-
— 333
fessor Gustav Hollaender, in allen Punkten
angeschlossen. Beide Konservatorien haben sich
solidarisch erklärt, Lehrpl&ne, Bildnngsziele,
Preise n. s. w. sind völlig übereinstimmend.
Am Konservatorium der Musik zu Dort-
mund, Direktion C. Holtschneider und G.
Hüttner, wurde die Konzertsaison mit einem
Klavier- Vortrag mit mündlichen Erläuterungen von
Dr. Neitzel eröffnet Das Programm brachte die
Sonaten von Beethoven, op. 31 No. 2, D-moll,
op. 110 As-dur und op. 81a Es-dur, „Abschieds-
Sonate'«.
An das neugegründete Konservatorium für
Musik in Bonn sind ausser den früher bereits
erwähnten Lehrkräften noch Prl. Plorentine
Hanisch, eine Schülerin von Prof. Willi Hess,
und der Pianist K. Sachsenröder (Klavier) ver-
pflichtet worden. Herr Sachsenröder hat seine
Aasbildung auf dem Kölner Konservatorium
erhalten.
Die Musik-Akademie für Damen von B.
B,ollfuss in Dresden, welche seit dem Heim-
gange ihres Begründers von Direktor Gustav
Schumann geleitet wird, feierte ihr 30jähriges
Bestehen durch eine musikalische Aufführung,
welche zu Ehren Felix Draeseke's, der zu den
Lehrern der Anstalt gehört hat, mit seinem 23. Psalm
eröffnet wurde, dem sich eine Beihe weiterer Vor-
träge von Schülerinnen der Anstalt anschlössen.
Das Schlesische Konservatorium für Musik
zu Breslau feierte am 15. Oktober das Fest seines
25jährigen Bestehens. Durch Prof. Adolf Fischer
1880 gegründet, wurde es 1894 von dem vor
kurzem verstorbenen Direktor Reinhold Starke
übernommen und wird jetzt von dem Sohn des-
selben, Johannes Starke, weiter geführt. Zar
Feier fanden 8 Konzerte statt, und zwar ein Orgel-
konzert in der Elisabethkirche, ein Scliüler- und
ein Lehrer-Konzert, letzteres unter Mitwirkung des
Philharmonischen Orchesters.
Frl. EUy Ney, eine der befähigtsten Schüle-
rinnen des kürzlich verstorbenen Professors Isidor
Seiss, ist als seine Nachfolgerin an das Kölner
Konservatorium berufen worden.
An der Berliner Universität finden in diesem
Winter folgende musikwissensch af tliche Vorlesungen
statt: Prof. Dr. Hermann Kretzschmar „Ein-
führung in das Studium der Musikgeschichte^',
„Geschichte der Oper'S „Masikwlssenschaf tliche
üebungen"; Prof. Oscar Fleischer „Allgemeine
Geschichte der Musik des 18. Jahrhunderts'^ „Ge-
schichte der Klaviermusik", „Musikinstrumenten-
kunde'' mit Demonstrationen in der Königl. Musik-
instrumentensammlung , „Musikwissenschaftliche
Uebuugen"; Prof. Dr. Max Friedländer, „All-
gemeine Geschichte der neueren Musik, 1. Teil:
Von Bach bis Mozart'', „ChorübuDgen für stimm-
begabte Kommilitonen, verbunden mit einem Kollo-
quium über die Elemente der Musiktheorie";
Dr. Johannes Wolf, „Geschichte der Kontra-
punktik des Mittelalters", „Musikwissenschaftliche
Uebungen".
Das von Fräulein Luise Beyer gegründete
und unter ihrer Leitung stehende Konser-
vatorium der Masik zu Kassel konnte am
8. Oktober d. J. auf ein zehnjähriges Bestehen
zurückblickeiL Der Lehrplan der Anstalt, die von
Anfang an vollständig organisierte Seminarklassen
besitzt, ist mit Beginn des neuen ünterrichtsjahres
im Anschluss an den musikpädagogischeu Verband
dahin erweitert worden, dass auch Hospitanten an
den nachstehenden obligatorischen Unterrichts-
fächern teilnehmen können. Dieselben erstrecken
sich auf Philosophie, Psychologie, Aesthetik, Ethik:
Herr Hans Altmüller. Akustik mit Anwendung
der sämtlichen erforderlichen Apparate: Herr Pro-
fessor Franz. Physiologie, Analyse: Herr Musik-
direktor Hallwachs. Partiturspiel, Musikge-
schichte: Herr Professor Dn Hobel. Gehörübungen
und Musikdiktat, Harmonie und Kompositions-
lehre : Herr OttoKaletsch, Königlicher Kammer-
virtuos. SprechübuDgen: Fräulein Berka, König-
liche Schauspielerin. Italienisch: Frau Giesse-
Fabbroni.
Yermischte
An seinem 70. Geburtstage (7. Oktober) sollte
dem Komponisten Hof rat Felix Draeseke in
Dresden, wie das Mus. Wochenblatt schreibt, eine
von Freunden, Kollegen und Schülern aufgebrachte
namhafte Summe (man spricht von 85000 Mk.)
übergeben werden, die unter dem Namen ,Draeseke-
Stiftung" dazu bestimmt ist, dem greisen Ton-
dichter die Herausgabe seiner noch ungedruckten
Werke zu erleichtem.
Dr. W. Altmann, Oberbibliothekar der Ber-
liner Königl. Bibliothek, ist zum Professor ernannt
worden.
Prof. Dr. Hugo Riemann in Leipzig hat
eine ausserordentliche Professur für Geschichte und
Nachrichten.
Aesthetik der Musik an der Universität Leipzig
erhalten.
In Potsdam fand am 14. Oktober im Palast
Barberini ein Gedächtniskoozert für den ver-
storbenen Komponisten Benno Horwitz mit
Kompositionen desselben statt. Zur Aufführung
kamen 4 Frauenchöre, 3 Lieder für Alt, Sonate für
Klavier und Violine und 5 Lieder für Sopran. Mit-
wirkende waren: Fr. Luise Geller - Wolter,
Frl. Susanne Dessoir, Anton Förster, Bern-
hard Gehwald und der Toeppe'sche Frauen-
chor. Die Kritik sprach sich in ungemein sympa-
thischer Weise über die Schöpfungen des so früh
Hingeschiedenen aus. Es wäre ausserordentlich
— 334 —
wünschenswert, wenn die feinsinnigen Werke einem
grösseren Kreise darch Dmcklegung zagängig ge-
macht würden.
Eünf verschollene Kompositionen von
Haydn, Weber, Sir Henry Bishop, Winters
und Cipriani Potter wurden, wie die Londoner
„Citj Press ^ berichtet, von dem Direktor der
Gaildhall-Masikschule, Dr. Cammings, in den
Archiven der Königlichen Musik-Gesellschaft ent-
deckt, die Dr. Cnmmings nach dem Tode des
Archiv- Sekretärs einer genauen Ontersnchnng unter-
warf. Der Entdecker beabsichtigt, eine Aufführung
der wieder aufgefundenen, langverschollenen Musik-
stücke vorzubereiten.
Der Leipziger ^Bach - Verein* wird in
seinem ersten Winterkonzert vier teils selten, teils
hier noch gar nicht aufgeführte Kantaten von
S. Bach zu Gehör bringen. Ln Januar wird er
den ersten Teil des „Weihnachtsoratoriums'' und
die Missa brevis in A-dur seines Namenspatrons
aufführen, und in seinem dritten Konzert (April)
soll dann die überhaupt erste Aufführung von
Händel's „Samson'' in der Chrysander'scheu Be-
arbeitung geboten werden. Den orchestralen Teil
übernimmt in allen drei Konzerten die städtische
Kapelle aus Chemnitz.
Am Hoftheater in Darmstadt sind folgende
Opern in Vorbei'eJtung: „Boheme" von Puccini,
^yFeodora" von Giordano und „Die Abreise" von
d' Albert; in der Operette Herv^s „Mamzelle
Nitouche^. Neu einstudiert werden zunächst
Tristan und Isolde** von Richard Wagner,
„Der Barbier von Bagdad* von Cornelius, sowie
die Mo zart -Opern .Idomeneo**, „Titus** und
„Cosi f an tutte^S die alsdann, mit den anderen Ke-
pertoire-Opem des Meisters vereint^ im Januar, zu
Mozarts 150jährigem Geburtstag, im Zyklus er-
scheinen sollen.
CamilJe Saint-Saens, der kürzlich seinen
70. Geburtstag feierte, Hess vor eiaigen Jahren
eine Anzahl interessanter, im Plauderton gehaltener
Essays unter dem Titel „Melodie und Har-
monie" erscheinen. Das Werk fand in Frankreich
lebhaften Beifall und erlebte rasch hintereinander
sechs Auflagen. Eine deutsche (Jebersetzung mit
Vorwort von Dr. Wilhelm Kleefeld erscheint
in nächster Zeit bei der Verlagsgesellschaft „Har-
monie*^ in Berlin.
Die „Barth'sche Madrigal-Vereinigung"
gibt am 4. November in der Singakademie ihr
Vin. Konzert mit 15 im Urtext und nach den
Originalen gesungenen deutschen, frauzöstschen
und englischen Madrigalen des 16. Jahrhunderts,
komponiert von Demant, Haiden, Hausmann,
Lasso, Sweelinck, Sermisy, Janequin,
Marenzio, Vecchi, Scandellus und Gabrieli.
Prof. Dr. Otto N ei tzel hält in diesem Winter
in Berlin drei Klaviervorträge mit Erläute-
rungen Die Vorträge finden am 22. Oktober
und 19. November als Matineen im Beethovensaal
statt, wobei das eine Mal Beethoven, das andere
Mal die Bomantiker das Vortragsthema ergeben
werden; dann am 19. Februar als Soiree an gleicher
Stelle, und zwar wird Dr. Neitzel dann den
„Humor in der Iflusik^' besprechen.
Die Pariser „Sociöt^ de concerts des
Instruments anciens'% welche mit ausser-
ordentlichem Erfolge beim letzten Beethoven-
fest in Bonn mitwirkte, sowie von ihrer Konzert-
reise durch Deutschland mit Mme. Yvette Gail-
bert in sehr guter Erinnerung steht, wird eine
grosse Tournee durch Holland. Deutschland, Euss-
land, Oesterreich, Italien, Schweiz, und Belgien
unternehmen. Das Ensemble wird sowohl in
grossen Orchesterkonzerten mitwirken, als auch
selbständig konzertieren. Zahlreiche Kunstinstitnte
richten spezielle Kammermusikabende für die
KÜDStlergenossenschaft ein.
Zu Mozart*s 150. Geburtstage gedenkt Herr
Fr. Nicolas Manskopf , Frankfurt a. M., dessen
„Hector Berlioz-Ausstellung'' vor einigen Jahren
80 allgemeines Interesse erregte, in seinem mnsik-
hiBtorischen Museum eine „W. A. Mozart-Aus-
stellung" zu veranstalten, die ein anschauliebes
Bild von dem Lebensgange und Wirken des grossen
Meisters zu bieten verspricht.
Die Hoffnungen, die an die Veröffentlichung
des „Barbier von Bagdad** von Peter Cor-
nelius in der von den späteren Zusätzen und
Aend erungen befreiten Originalgestalt geknüpft
wurden, scheinen sich zu erfüllen. Die erste Anf-
führunginder neuen Fassung fandamlO Juni 1904
bei Gelegenheit des Cornelius-Festes im Hoftheater
zu Weimar mit grossem Erfolge statt. Am Stadt-
theater zu Magdeburg hat sich die neue Fassung
bereits eingebürgert, an den Hof- und Stadttheatem
in Braunschweig, Bremen, Dessau, Düsseldorf,
Elberfeld, Graz, Leipzig, Nürnberg, Prag, Strass-
burg i. E. ist sie angenommen und zum Teil be-
reits erprobt worden.
Bücher und Musikalien.
Emil Sauer X Gros8e Sonate (D-dur) für Pianoforte.
B. Sehotf I Sohae» MtiBS.
Nachdem ich eine Heihe Sauerscher Werke
kennen gelernt hatte, Überraschte mich die Sonate
geradezu. Im hohen Giade hält darin der Komponist
höchst poetische und reizende Stimmungsmomente
fest. Er geht hier viel, viel mehr in die Tiefe als
dies wohl bislang seine Art gewesen ist und schligt
vollkommen neue, hellklingende Töne an, die aas
einer anderen Welt voll echter Empfindung zu
— 335
kommen scheinen. Seine in vier schön abgerundeten
Sätzen dargebotene Tondichtung trägt das Motto
,,I]s marchaient en plein printemps, baignte de
soleib* und bietet in ihrem klaren, gefühlswarmen
tonpoetischen Inhalt vollauf, was jenes dem Hörer
verspricht. Ich vermag die einzelnen Teile nur
als Abschnitte eines grossen Ganzen anzusehen und
keinem unter ihnen den Vorzug zu geben, gewiss
das beste Lob, das erteilt werden kann. £mil Sauer
ist im vorliegenden Falle unter die musikalischen
Dichter gegangen und hat alles und Jedes mehr
oder weniger Virtuosenhafte und rein Aeusserliche
von sich abgestreift. Was er in seinem neuen
Werke zu bieten hat, ist durchweg vornehme und
verinnerlichte, von persönlichem Antriebe einge-
gebene und auch die persönliche Note stark be-
tonende Stimmungsmusik, der ich nur recht viele
gute Spieler und aufmerksame Hörer zu wtlnschen
nötig habe.
Wilhelm Devisch, op. 5.
op. 6.
op. 7.
Zwei Walzer.
Harlekin.
Zwei Stücke.
Am originellsten unter den oben verzeichneten
Klaviersachen von Wilhelm Deutsch finde ich
op. 6, ein ^ Harlekin^* benanntes Charakterstück,
das wirklich Charakter aufweist und aus einer ganz
fest umrlssenen Stinunung heraus entstanden ist,
eine Art von Eamavalsfragment, das den Tonsetzer
als Miniaturmaler von Geist und Geschick erscheinen
lässt. Die beiden kleinen Walzer in A-moll und
G-moll sind hübsch, stehen aber ihrem Wert nach
nicht unwesentlich tiefer bezüglich der Erfindung,
und Chopin hat ihnen unverkennbar seinen
Stempel aufgedrückt. Die zwei Stücke des op. 7
(Trennung und Nachklang) sind rein lyrischer Natur
und in ihxer einfachen Melodik empfindsamen
Gemütern zu empfehlen. Wilhelm Deutsch weiss
für sein Instrument zu schreiben, sein E^laviersatz
ist gut und die Stücke selbeft sind Spielern der
mittleren ünterrichtsstufe ohne besondere Schwierig-
keiten bereits zugänglich.
Ernst TOn Dohninyi, op. 5. Konzert für Pianoforte
und Orchester, £-moll.
op. 11. 4 Rhapsodien für Pianof.
Ladwif DobllBf«r, Wlea.
Vor fünf Jahren spielte Ernst Dohnänyi sein
hier angezeigtes Eüavierkonzert (op. 5, E-moU) in
einem der Philharmonischen Konzerte in Leipzig
und gewann sich damit, sowohl als Pianist wie
als Komponist, reichen Beifall. Ich finde mein
schon damals gefälltes Urteil nunmehr wiederum
bestätigt. Das Werk enthält, im Einzelnen be-
trachtet, eine grosse Anzahl ungemein packender
Stellen, aus allen Ecken und Enden bricht eine
bedeutende ursprüngliche Kraft hervor und aus
dem Ganzen spricht ein grosses und unverkenn-
bares Talent zu dem Hörer. Nirgends nur glattes,
gefälliges Spiel mit der schönen Form oder blosse
Phrasenmacherel. Der Komponist wandelt hier in
den fiahnen Meister Liszt's, und zwar mit ent-
schiedenem Glücke. Sein Klavierkonzert wendet
sich an Spieler, die mit dem vollständigen Büst-
zeug modemer Technik versehen sind, und ist im
besten Sinne konzertant gehalten, sodass der
Spieler in der Lage ist, all sein Können vorzu-
führen. Es hat grosse Schwierigkeiten für die
technische Ausführung, aber sie sind nicht unüber-
windlich ; es verlangt sehr viel, aber es bietet auch in-
haltlich ein entsprechendes geistiges Aequivalent
hierfür. Ein frischer, grosser und unmittelbar
packender Zag geht durch dieses Konzert, von dem
ich, so geschickt und ansprechend auch seine for-
male Gestaltung ist, nur etwas mehr Kürze und
einfachere Fassung des musikalischen Ausdrucks
gewünscht hätte. Manches hätte ganz unfraglich
in enger gezogenen Grenzen die gleiche Wirkung
getan. Ausserordentlich kühn und keck hinge-
worfen finde ich den ersten Satz mit seiner breit
gehaltenen, melodischer Weise höchst wirksamen
Einleitung, anziehend und fesselnd das Finale, wo
ein hübscher Einfall den anderen jagt und so
recht nach Herzenslust musiziert wird. Auch der
langsame Mittelsatz enthält fein ausgeführte, inner-
lich vertiefte Musik. Besonders schön wirkt hier
die in weitem melodischen Bogen aufgebaute
Klavierstimme, die beinahe ausschliesslich die
Führung übeminmit und beibehält, während im
Finale das Soloinstrument mit dem Orchester sehr
eng verbunden ist und in wesentlich engerem
symphonischem Zusammengehen mit jenem sich
zu betätigen Gelegenheit findet. Die Instrumentation
des Ganzen ist von grosser Wirksamkeit und eben-
so geistreich als klangschön. Dohnänyi's E-moU
Klavierkonzert ist keinem Geringeren als Eugen
d* Albert gewidmet; ob es sich einführen und
einen dauernden Platz unter den vielen anderen
behaupten wird, lässt sich nicht vorausahnen noch
sagen, aber ich wünsche es herzlich.
Unter den Rhapsodien des op. 11 haben mich
besonders die beiden mittleren sehr angesprochen.
Ich finde darin gute, intensive melodische Er-
findung und interessanten Gedankeninhalt mit
konzlser Formgebung in anerkennenswertester
Weise eng verknüpft, während besonders die erste
Bhapsodie nur rein äusserlich, die letzte gar nicht
auf mein Mitempfinden belebend einwirkte. Ich
halte dafür, dass der Tonsetzer sich auch in diesem
Falle hätte kürzer fassensollen. Allen vier Stücken
ist ein ganz ausgezeichneter, auf alle Eigentüm-
lichkeiten des Klaviers genau Bedacht nehmen-
der effektvoller Satz zu eigen, sodass sie gewiss
beim öffentlichen wie privaten Vortrag beste Ver-
wendung finden können.
Etigen Segnitz.
— 336 —
Vereine.
Essener Mnslk-Lehrer- und -Lehrerinnen-Tereiiu
Es ist natorgemäss, dass jeder Verein von
seiner Gründangszeit an in den ersten Jahren
mehrere H&ntungsprozesse durchmachen mnss, ehe
er die gewünschte Gestalt angenommen. Das Pro-
tokoUbnch unseres Vereins, der nun seit 8 7^ Jahren
hesteht, weist nach dieser Hirhtnng wechselnde
Ergebnisse auf. Ich gebe die Resultate des letzten
Vereinsjahres, soweit sie die Allgemeinheit inter-
essieren, in Kürze wieder.
£2s kommt ein Schreiben des Oberbürgermeisters
an den Vorsitzenden zur Verlesung, worin mitge-
teilt wird, dass die Regierung infolge mangeln-
der Gesetze nicht in der Lage sei, Gründung
und Leitung von Konservatorien zu untersagen,
unser Verein hatte einen diesbezüglichen Antrag
bei der Behörde eingereicht, nämlich einen Nach-
weis der musik-akademischen Bildung sämtlicher
Lehrkräfte von Konservatorien zu verlangen. Nach
mündlicher Rücksprache waren die Instanzen da-
zu nicht berechtigt, weil jede Handhabe fehlt.
Eine hier „staatlich konzessionierte' MiAikschule
kann darnach ihre Ziele stecken, soweit sie will.
So lesen wir in den Anpreisungen: Opernschule,
Musiklehrerseminar etc. Hoffentlich trägt dieser
„ReinfalP* unseres Vereins dazu bei, mit aller
Kraft im Musikpädagogischen Verbände
gegen diese Willkürlichkeiten anzukämpfen. —
Infolge mehrfacher Anfragen wird der Ver-
einsbezirk auf die Nachbarorte ausgedehnt, sodass
die Mitgliederzahl eine erfreuliche Zunahme auf-
weist. —
Das Vorstandsmitglied Fräulein Elisabetk
Müller feierte ihr 25jähriges Jubiläum als Musik-
lehrerin in Essen. Zur Beglückwünschung über-
reichte der Vorstand unter herzlichen Glück-
wünschen des Vereins eine Beethoven-Büste. Auch,
die sonstigen zahlreichen Glückwünsche, Blnmen-
spenden und Geschenke aus dem Kreise von Kor-
porationen, Freunden, Göonem und Schülern ge-
reichten nicht allein der Jubilarin, sondern auch
dem Verein zur Ehre.
Das Mitglied des Vereins, Herr Ebing, gab
in einem Vortrage ein Lebens- und Schaffensbild
Albert Löschhorn's, des Nestors der Klavier-
pädagogen, besprach seine bedeutendsten Klavier-
werke, von denen er eine grössere Anzahl der Ver-
sammlung vorlegte, und charakterisierte ihn als
den hervorragendsten Meister der Klavieretüde.
Ausserdem standen folgende Vorträge auf der
Tagesordnung: Mitglied B reil über „Die geschicht-
liche EntWickelung der Phrasierung und ihr päda-
gogischer Wert". Mitglied Beckmann: „Die
poetischen Formen und ihre Beziehungen zur
Musik". Mitglied Peters: „Der Wert der uns
zugesandten (ca. 30) Klavierschulen". —
Ausserdem wurden einzelne musikalische
Abende und gemütliche Zusammenkünfte geboten,
die sich eines regen Besuches zu erfreuen
hatten.
Unsere musikalische Bibliothek ist mittler-
weile auf 420 Nammem angewachsen. Die reiche
Zahl, besonders von Klavierstücken, setzt sich zu-
sammen aus Schenkungen von Mitgliedern hiesiger
Musikalienanstalten und vor allem aus den Zuwen-
dungen auswärtiger Mnsikalienverleger.
Dieser erfreuliche Zuwachs erklärt sich aus
einer Anfrage des Vorsitzenden an die Musikalien-
Verleger Deutschlands. Die vielen Tausende von
instruktiven Musikstücken, die in den Lagerräumen
der Verleger der Vergessenheit anheimfallen, be-
kommen durch Zusendungen an die Musiklehrer-
vereine auf jeden Fall erhÖhteN achfrage. Diese
Einsicht veranlasste denn auch die Verleger zu
überraschend grossen Zusendungen an unaem Ver-
ein. — *
Um unsem Honorarbestimmungen eine
rechtliche Unterlage zu geben, wurde der Rechts-
beistand des Vereins, Rechtsanwalt Dr. N i e m e y e r,
beauftragt, die Bestimmungen einer gründlichen
Revision zu unterziehen. Wir haben Abonnements-
und Einzelstunden-Bedingungen.
Wenn auch das Abonnementsverhältnis von
allen Mitgliedern angestrebt wird, so lässt sich
der Einzelunterrichtspreis infolge alter Schüler
und besonders weg*en der Gesangstunden nicht
umgehen. Durch das Prinzip, den Einzelstunden-
preis stets höher zu bewerten, wie den Abonne-
mentspreis, wird jedoch ein gewisser Druck zur
Wahl des Abonnements ausgeübt. Das geringe
Minus wird durch die Berechnung der ausgefallenen
Stunden vollauf aufgehoben. Ein Mitglied hatte
den Mut. seinen sämtlichen Schülern die Einzel-
stundenberechnung aufzukündigen und dafür das
Monats- und Vierteljahrsabonnement einzusetzen.
Die Schüler bezw. Eltern nahmen gerne die Um-
änderung an, da ihnen ein billigerer Preis und
eine oder zwei Stunden mehr vierteljährlich in
Aussicht standen. Das Publikum lernt auf diese
Weise, die Honorierung der Musikstunden in
gleicher Art zu bewerten wie die Schulstunden.
Jedem Kollegen sei es dringend anempfohlen,
wenigstens bei den neuen Schülern das Abonne-
ments Verhältnis einmal versuchsweise einzuführen.
Er wird von dem Segen überrascht sein.
Die Einrichtung, jeden Monat ein Verzeichnis
sämtlicher Mitglieder in den ersten Tageszeitungen
Essens zu veröffentlichen, hat sich ausgezeichnet
bewährt und wird auch für die Zukunft beibe-
halten. Auch die Quittungsformulare zur Aus-
stellung von Stundenrechnungen haben bei allen
Mitgliedern Eingang gefunden.
Es bedurfte doch ca. 8 Jahre, ehe unsere Sta-
tuten für druckreif erklärt werden konnten. Sie
stehen anderen Vereinen gerne zum Vergleich oder
neuen Vereinen bei Gründung zar Verfügung.
— 337 —
MiuIk-SektloB des A. D. L-Y.
Verband der deutschen Mnslklehrerinnen.
Wir teilen unseren Mitg^liedem mit, dass in
Hildesheim eine neue Gruppe gegrtlndet ist, Vor-
sitzende Frl. Eiisabet Frank, Elnamerstr. 11.
I. A.: Sophie Eenkel,
I. Vorsitzenda
Mislkpftdagoglsoher Verband.
Der dritte „Mnsikpädagogische Eongress^^ findet
Ostern 1906 in Berlin an 3 aufeinanderfolgenden
Tagen statt. Die Verhandlungen werden sich in
8 g^sse G-rnppen gliedern, und zwar: 1. „Musik-
pädagogische Fragen^', 2. „Die Musik in ihrer
kulturellen Bedeutung", 3. „Die Beform des Schul-
gesanges". An den Nachmittagen finden Sektions-
sitzungen der verschiedenen Kommissionen statt.
Das Nähere erfolgt in einer der folgenden Nummern.
I. A.
Xaver Scharwenka^
I. Vorsitzender.
Dieser Auflage liegt ein Prospekt von Fr. KUinet^ Leipzig: „Verzeichnis aus-
gewählter zweihändiger Klaviermusik mit Angabe der Schwierigkeitsgrade* bei^ auf den
wir unsere Ltser besonders aufmerksam machen. D. E.
Anzeigen.
Wem an der schnellen Erlangung einer
■oliden KlaTlerteclmlk
gelegen ist, der übe die
Tausig- Ehrlich'schen
,Jäglichen Studien^'
oder die
entsprechenden Vorstudien und Ergänzungen.
Diese geniale Methode ist als klassisches, pftda-
fogisches Meisterwerk noch Immer unerreicht.
!s giebt keine andere Etüden- Sammlung, die so
schnell die Finger kräftigt und eine so virtuose
und solide Technik verleiht; sie ist deshalb jedem
strebsamen Laiea und Kfinstler nnentbebrlich, wird
sie doch selbst von den grössten Klavierkünstlern
täglich zur Erhaltung der Virtuosität zur Hand
genommen.
Chrisander, Nils. 123 teohnisohe Stadien Mk.
als Vorschule tu den Tauslo-Ebrlich-
schen .Täglichen Stndlen^ 4.00
Dechendy Hans. Auswahl aus den «Tlg-
llchen Studien'' ven Tausl|-Ehrlich
zum Seihstunterricht und fOr die
Mittelstufe mit Ergänzungen . . no. 3.00
Tausig-Ehrlich. Tägliche Studien. Heft I 5 00
Heft II und III k 4.00
Dechend» Hans« Ergänzungen zu den Tausig-
Ehrlich'schen ^Tägllchsn Studien" 5.00
Ehrlich, H. Wie Obt man am Klavier 7 Betrach-
tungen und Batschläge nehst ge-
nauer Anweisung für den rich-
tigen Gebrauch der Tausig-Ehr-
lich'schen „Täglichen Studien ** no. 1.50
Ehrlich, H. INusikstudium und Klavierspiel.
Betrachtungen über Auffassung,
Bhythmik, Vortrag u. Gedächtnis
no. 1.50
Ehrlich» H. Der musikalische Anschlag.
Zwölf melodische Studien für
Piano forte und Entwicklung des
Anschlags Jedes einzelnen Fingers 4.50
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wMkty KammerTirtaoe A. HarMefeB. Pro£ Dr. HSbel»
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Itallemleeh. Oreheetenpiel. Spreehtbugem. OehSr^
SbugeK. Haeikdiktot. Harmomie- «md KoMpoeitiOBi-
lehre; Analyae; Partitarsplel: eeaebiekte derMaalk;
Aeetketiki Btktk; PkUoaepkle; Ptyekologle; Pky-
•iologle; Akaatlk ml« AmwemdaBf aller erforderliekem
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.Der Klavier-Lehrer'', Beriln W. 50.
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gtffr, 1879 Directlon! Gustav Lazarus. i^i^. ^»f»
Berlin N.W., Luisen-Str. 36. Berlin W., Bülowstr. 3 (am Noiienaorfpuiti).
SpreohstODden: 6—6, Mitfcwoohs n. SomiAbends 11—1. SpreohitiiDden: 8—10 u. 2-8.
Erste Lehrkräfte. Aufnahm« jedeneit Eiemeiitarfclaseea.
—«-'»«-«» Der Unterricht wird nach den Grondsitzen des Mosilipftdagogischen Verbandes geleitet. ■ ■-■■
Prof. Siegfried Ochs.
Dirigent des .PhilhMrm. Ohores**.
Berlin W., Bendier-Strasse 8.
SpreohBt nur ▼. 11— 12 Uhr Vorm.
Franz Grunicke,
Orgel, Klavier, Harmonielehre.
Berlin W., Stoinmetzatr. 49 ^^
Martha Remmert,
Hofpiaiiiatin, KammervirtaoBiiL
Berlin W.« Tanenzienstr. 6«
JBmina JB^och,
Pianistin.
Berlin W., Neue Winterfeldstr. 15.
Konzert-Vertr.: H. Wolff, Berlin.
Flora Scherres-Friedenthai
Pianistin.
Berlin-CharlottenbaTg,
Kantatr. 160a.
Prof. JUI. Hey'S Cesangschule.
Berlin W.« Elsholzstrasse 50.
am Botanischen Garten.
G^esaAgniiterricht erteilen:
Frau Felix Schmidt-KOhne
ConcertBängerin - Sopran.
Sprechstunde: 3—4.
Prof. Felix Schmidt.
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Berlin W.^ Srhaperatr. 35.
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Berlin, Bayrentlierstr. 27.
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wandten musikalisch - physiologischen
Bewegungslehre von Prof.Stoewe 1886,
2. in der Pedallehre von Stoewe.
Potsdam- CliarloiteBliof,
Alte Luisenstrasse 47 a.
Jluguste B$biiie-K$bler
•rteilt in Lcipxl|r* Liebigstr. 8 1, von Oktober bis einschl. Mai und in Lladliardt-
Naanhof (Bahnlinie L.eipzig-Döbeln-Dresden) von Juni bis einschL September
6e$aiig$uiitenficbt* ««« «^
Herren und Damen vom Lehrfach, sowie ausflbende KQnstler, die Unterricht
nehmen wollen, sind {gebeten, event. vorher schriftliche Klarlegung ihrer stimmlichen
Veranlagung, sowie eines von einem Arzt ausgestellten Berichtes Über ihren allge-
meinen Gesundheitszustand einzusenden.
Prof. Franz Kullak.
Klassen ffir hOberes Klavierspiel.
Berlin W., Habsburger Str. 4
Atemgymnastik - Gesang.
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(Alt- und Mezzo-Sopran).
Berlin W., Bieenacherstrasse iso.
Prof. Ph. Schmitt'sche
Akademie fOp Tonkunst zu Darmotadti
zugleich Besang-Sciiule für Kenzert, Oper und Hans.
Gegründet 1851. Elisabethenstr. 96L
Unter dem Protektorat Ihrer Durchlaucht der Fürstin zu Erbach-Schönberg,
Prinzessin von Battenberg.
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Direktor: Professor Ph. Srhrnltt« Grossh. MosiKdirektor.
Meisterschule
für Knnstgesang,
Tonbiidnns und Gesangstecbnlk
von Kammersänger
E. Robert Weiss,
Berlin W. 80, Bambergerstr. 15.
Frau Dn Luise Krause
Vorsteherin der
Schweriner Musikschule
Schule für höheres Klavierspiel und flusblldung von Lehrkräften nach
dem preisgekrönten Rnschauungsunterricht der Vorsteherin.
Berlin W.»
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Fttr die Redaktion yerantwortlich: Anna Morsch, Berlin W., Ansbaoheretr. 87.
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Druck: J. S. Frenss, Berlin S.W., Kommandantenstr. 14.
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Musik-padagogische Zeitschrift für alle Gebiete der Tonkunst
Ors:an der Deutschen Musiklehrer-Vereine,
der Musik-Sektion des fl. D. L-V. und der Tonkünstler-Vereine
zu Köln, Dresden, Hamburg, Leipzig und Stuttgart.
Begründet 1878 von Professor Emil Breslaur.
Redaktion: Anna Morsch
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No. 22.
Berlin, 15. November 1905.
XXVill. Jahrgang.
lahalt: Eugea Segnitz: Jean Paul und die musikalische Erziehung. K. M. Bässler: Neue Tonschrift-Vorschläge. G. Bieter: Ein
ungedrucktes Schreiben Meyerbeers. J. Vianna da Motta: Johannes Schreyer, Von Bach bis Wagner. Musikberichte. Mit-
teilungen von Hochschulen und Konservatorien. Vermischte Nachrichten. Bücher und Musikalien, besprochen von Arno
KleflTel und Anna Morsch. Anzeigen.
Ueat) f)au1 uod die tt)usi1^a1iscbe Bpziebui)§-
Von
Engen Segnita.
„Hinter uns verfällt, verbleicht das Leben,
und unserer entschwindenden, vertrocknenden
Vergangenheit bleibt nur etwas Unsterbliches
— eine Stimme: die Musik. Dass nun die
Töne, die in einem dunkeln Mondlicht mit
Kräften ohne Körper unser Herz umfliessen,
die unsere Seele so verdoppeln, dass sie sich
selber zuhört, und mit denen unsere tief
heraufgewühlten, unendlichen exaltierten Hoff-
nungen und Erinnerungen gleichsam im Schlafe
reden, dass nun die Töne ihre Allmacht von
dem Sinne des Grenzenlosen überkommen,
das brauche ich nicht weiter zu sagen. Die
Harmonie füllt uns zum Teil durch ihre
arithmetischen Verhältnisse; aber die Melodie,
der Lebensgeist der Musik, erklärt sich aus
nichts als etwa aus der poetischen reinen
Nachahmung der roheren Töne, die unsere
Freuden und unsere Schmerzen von sich
geben. Die äussere Musik erzeugt also im
eigentlichen Sinne innere, daher auch alle
Töne uns einen Reiz zum Singen geben . . .
Die Musik ist romantische Poesie
durch's Ohr. Diese, als das Schöne ohne
Begrenzung, wird weniger von dem Auge
vorgespiegelt, dessen Grenzen sich nicht so
unbestimmbar wie die eines sterbenden Tons
verlieren. Keine Farbe ist so romantisch als
ein Ton, schon weil man nicht beim Sterben
des letzteren nicht der ersteren gegenwärtig
ist, und weil ein Ton nie allein, sondern
immer dreifaltig tönt, gleichsam die Romantik
der Zukunft und der Vergangenheit und der
Gegenwart verschirelzend." —
Wer solches schreiben konnte, dem musste
sich wohl die geheimnissvolle Welt der Kunst
in ihrem innersten Wesen erschlossen haben.
Jean Paul und die Musik waren von jeher
ein Ganzes und Unzertrennliches. Was Jean
Paul da beseelte, war weit mehr als Musik-
schwärmerei oder leidenschaftliche Verehrung
der Tonkunst. Ihr, erzählt der Dichter selbst,
„war meine Seele überall aufgetan, und für sie
hatte ich hundert Argusohren. Wenn der
Schulmeister die Kirchengänger mit Final-
kadenzen heimorgelte, so lachte und hüpfte
mein ganzes, kleines gehobenes Wesen wie
in einen Frühling hinein. Viele Stunden
widmete ich einem alten verstimmten Klavier,
dessen Stimmhammer und Stimm meister nur
das Wetter war." Jean Paul hatte ein treff-
liches Gedächtnis und besass in reichstem
Masse die Gabe des Phantasierens. Er spielte
(nach der Mitteilung eines Zeitgenossen) nie
— 342 —
fremde oder unter irgend eine geregelte Form
gebrachte Musikstücke, sondern nur Phantasien,
wie sie der Augenblick der Begeisterung er-
zeugte und die Lüfte wieder davontrugen, ohne
dass er etwas davon festhielt, als die Gedanken
und Träume, die ihm während dieses musi-
kalischen Schaffens entstanden. Dieses Klavier-
spiel war um so ergreifender, als er eben in
das geheimnisvolle, gewissermassen mit
Ossian' sehen Nebelstreifen zeichnende Reich
der Töne alle Gedanken, Bilder und Träume
seiner Seele ausgiessen konnte, die er in der
Sprache nicht auszudrücken vermochte, weil
die plastische Kraft in ihm so spät geweckt
und so wenig ausgebildet war. Darum wurden
diese musikalischen Phantasien die ersten Er-
güsse, in denen sich die ernst-poetische
Empfindung und die weichen, blühenden und
erhabenen Gattungen seiner Einbildungskraft
vor Zuhörern und in bestimmten Erzeugnissen
ergingen und Luft machten. Jean PauFs
Klavierspiel fand allgemeine Anerkennung, ja
Bewunderung, und viele seiner Freunde und
Verehrer wurden häufig schliesslich unsicher,
ob sie in ihm den Dichter oder den Musiker
in höherem Grade schätzen sollten.
„Eine gute Erziehung greift stark ein ins
Herz der Zeit und über Erziehung schreiben,
heisst beinahe, über alles auf einmal schreiben",
sagt der Dichter gelegentlich. Darum, fährt
er fort, «gibt es über einen so unerschöpflichen
Gegenstand kein Buch zuviel, ausgenommen
das schlechteste." Aber einzelne Regeln ohne
Geist der Erziehung sind für ihn ein Wörter-
buch ohne Sprachlehre und bekannte Er-
ziehungsregeln gewinnen bei ihm nur, wenn
neue Erfahrung sie wieder belebt. Und
immer wieder bekräftigt Jean Paul den Satz,
dass Leben das Leben belebt und Kinder
besser erziehen zu Erziehern als alle Er-
zieher. „Durch Lehren lernen wir" ist auch
für ihn eine unumstössliche, durch Erfahrung
gewonnene Wahrheit. Aber man muss wohl
das Ziel früher kennen, auf das man los-
geht, als die Bahn selbst, im Gegensatz zu
vielen Lehrern, denen statt eines Urbildes
ein ganzes Bilderkabinet von Idealen vor-
schwebt. Und auf's bestimmteste vertritt
darum Jean Paul die Anschauung, alle Er-
ziehung, jeder Unterricht müsse der Indivi-
dualität des Schülers angepasst sein, denn
jedes Ich ist Persönlichkeit, folglich geistige
Individualität, und ist der Mensch einmal
aus seiner Individualität hinausgeworfen in
eine fremde: so ist der zusammenhaltende
Schwerpunkt seiner inneren Welt beweglich
gemacht und irrt darin umher, und eine
Schwankung geht in die andere über. Jean
Paul warnt auch an anderer Stelle nach-
drücklich vor allem schablonenhaften Unter-
richte: „Der Idealmensch ist das harmonische
Maximum aller individuellen Anlagen zu-
sammengenommen, welches ungeachtet aller
Aehnlichkeit des Wohllautes doch bei Einzel-
wesen zu Einzelwesen sich verhält wie Ton-
art zu Tonart. Wer nun ein aus dem musi-
kalischen a b c — d e f g h z. B. ein in a
gesetztes Stück in b übertrüge, nähme dem
Stück viel, aber doch nicht soviel als ein Er-
zieher, der alle verschieden gesetzte Kinder-
naturen in dieselbe Tonart übersetzte." Unser
Meister weist auch darauf hin, wie einseitig
vielfach der Unterricht darauf gerichtet sei,
die Zöglinge nach seinem eigenen Schema
zu modeln, — „wenn überhaupt jeder Mensch
heimlich seine eigene Kopiermaschine ist. die
er an andere ansetzt und wenn er gern alles
in seine geistliche und geistige Verwandtschaft
als Seelenvetter hineinzieht ... so wird der
Erzieher noch mehr streben, in den wehr-
und gestaltlosen weichen Kindergeistem sich
ab- und nachzudrucken und der Vater des
Kindes trachten, auch der Vater des Geistes
zu werden."
Jean Paul nennt die Musik die einzig
schöne Kunst, wo die Menschen und alle
Tierklassen (Spinnen, Mäuse, Elephanten,
Amphibien, Vögel) Gütergemeinschaft haben
und sie ist es, die in das Kind, das Mensch
und Tier vereint, unaufhaltsam eingreifen
muss. Und man sollte sie, nach seiner
Meinung lieber als die Poesie, die fröhliche
Kunst heissen. „Sie teilt den Kindern nichts
als Himmel aus, denn sie haben noch keinen
verloren, und setzen noch keine Erinnerungen
auf die hellen Töne." Und es entspricht
durchaus den Anschauungen heutiger be-
deutender Musikpädagogen, bei Beginn des
Musikunterrichts auch des Gesanges nicht
zu vergessen. „Das Ohr ist der erste Sinn
des Lebenden", sagt Jean Paul. Das Gehör
auszubilden und zu verfeinem, muss unbedingt
eine der vornehmsten Pflichten des Musik-
lehrers darstellen. Denn es dient der Erzieh-
musik unter allen den Instrumenten, die in
Haydn's Kinderkonzert lärmen, das am besten,
welches dem Spieler selbst angeboren wird,
die Stimme. In der Kindheit der Völkei
war das Reden Singen; dies werde für die
Kindheit des Einzelwesen wiederholt. Im
— 343 —
Gesänge fallt der Mensch und Ton und Herz
in Eins zusammen, gleichsam in eine Brust
— indess Instrumente ihm ihre Stimme nur
zu leihen scheinen; — mit welchen Armen
kann er nun die kleinen Wesen näher und
milder an sich ziehen, als mit seinen geistigen,
mit Tönen des eigenen Herzens, mit der-
selben Stimme, die immer zu ihnen spricht,
auf einmal aber sich in der musikalischen
Himmelfahrt verklärt?" —
(SchllLBS folgt.)
SieDentonscbrift? - SwSinonscbrm?
Von
K. n. Bftssler«
I. Siebentonschrift ohne Vorzeichnungen.
In No. 2-8, Jahrgang 19L5, des „Klavier-
Lehrer" ist durch die Tonschrift -Reform
Capellen eine Notenschreibweise vorgeschlagen,
welche sich von der bisherigen dadurch unter-
scheidet, dass Erhöhungen und Erniedrigungen
der Töne teilweise durch ein anderes Zeichen, den
Keil, dargestellt werden. Doppelte Erhöhungen
und Erniedrigungen, auch Zurückversetzungen
kehren nach wie vor wieder, nur dass sich diese
mehr absatzweise vollziehen und daher nicht
besonders auffällig — durch doppelte Versetzungs-
zeichen beziehentlich besondere Auflösungszeichen
— in Erscheinung treten. In dem neuen Vor-
schlage ist nämlich auf den durch die Vorzeich-
nung im voraus festgelegten Erhöhungen und Er-
niedrigungen als auf neu geschaffenen und nach
Capellens Behauptung nur aus Haupttönen (Ton-
leitertönen) bestehenden Grundlagen weiter gebaut.
Bei den Molltonarten ist es indessen nicht zu ver-
meiden, dass infolge der Wirkung der nur den ab-
wärts gehenden Tonleitern der melodischen Moll-
tonart günstigen Vorzeichnungen die zum Vor-
schein kommenden Töne nicht sämtlich Tonleiter-
töne sind. Soweit nun aber dieses der Eall ist,
hat eine Korrektur Platz zu greifen, welche, da
Kreuze und Bee inmitten des Notentextes nicht
zulässig sind, der Keil übernimmt. Somit dient
der Keil nicht allein zur Bezeichnung rein zu-
fälliger Töne, sondern hat auch, entgegen
Capellens Behauptung, die Aufgabe, die infolge
Unzulänglichkeit der Vorzeichnungen bisweilen
nicht (z. B. in E-moll) oder nur ungenügend (z. B.
in Fis-moll) mit getroffenen, bisweilen uner-
wünschterweise mit zur Versetzung gebrachten
Töne einzeln nach, beziehentlich zurück zu ver-
setzen, mithin auch Haupttöne zur Darstellung zu
bringen. In der aufwärts gehenden Tonleiter der
C-moU-Tonart ist es Hauptton im Sinne Capellens,
aber ebenso sind dann in derselben a und h Haupt-
töne, nicht etwa aa und b. Da nun aber durch
die Vorzeichnung 08 und b herauskommen, so
müssen diese Töne durch nach oben und möglichst
rechts gerichtete Keile (im bisherigen System ge-
schieht es durch die Auflösungszeichen) zurück-
versetzt werdtu, um schliesslich als Tonleitertöue,
keineswegs also als Nebentöne zur Greltung zu
kommen. Es handelt sich aber weniger um diese
Feststellung, als vielmehr daram, darzutun, dass
doch mehr Töne, als es für den ersten Augenblick
scheinen möchte, zu versetzen sind, und dass daher
und ferner, weil die Vorzeichnungen nicht fallen
gelassen sind, ein grosser Teil der Hauptschwierig-
keiten der alten Schreibweise fortbestehen bleibt.
Im übrigen sehen die keilbespomten Tief- und
Hoch- beziehentlich — mit Rücksicht auf die
Tastatur — Links- und Rechtsgefühl erregen
sollenden Noten, wenn namentlich für sich be-
trachtet, ganz gut aus, nur entsprechen die oft bis
in die übernächste Stufe hineinragenden dick-
klobigen, beinahe selbst Noten gleichenden Keil-
enden wenig dem Empfinden für eine nur halb-
stufige Versetzung. Kann man daher neben dem
TJeberbordwerfen der Vorzeichnungen auch ohne
die Keile auskommen, um so besser wird es sein.
Ohne in die mit dem bisherigen System ver-
bmndenen Gewohnheiten wesentlich einzugreifen,
aber auch ohne das G-edächtnis mit dem Ballast
der Vorzeichnungen beschweren zu müssen, können
alle Tonleitertöne durch Zuhilfenahme halbge-
füllter Noten — oben gefüllter für erhöhte
und unten geftUlter für erniedrigte Töne —
zur Darstellung gebracht werden, vorausgesetzt,
dass von den drei Molltonarten Gis, Dis und Ais
abgesehen und dafür den enharmonisch verwechsel-
ten Tonarten As-moU, Es-moU und B-moli der
Vorzug gegeben wird, um die doppelt erhöhten
Töne fisis, cisis und gisis, die übrigens in der Ton-
Bchrift-Reform Capellen doppelte Bekeilung
erfahren müssen, hier dagegen nur einfache Ver-
setzung erfordern, nicht mit in den Kauf zu nehmen.
Es erscheinen alsdann nirgends Versetzungszeichen
mehr, wenn nicht gerade rein zufällige Töne
zur Darstellung zu bringen sind, und es kann daher
als Regel gelten: „Töne ohne Versetzungszeichen
sind stets wirkliche Tonleitertöne, mit Ver-
setzungszeichen stets rein zufällige Töne.
Die Tonarten Gis, Dis und Ais scheiden am besten
— 344 —
aus, weil sie wegen fisis, cisis und gisis ohne Ver-
setzangszeichen nicht durchgängig darstellbar, zu-
dem vollkommen entbehrlich sind." Das Versetzen
der im allgemeinen seltener und nur in wenigeren
Kompositionen häufiger auftretenden rein zufälligen
Töne um halbe Stufen erfolgt am besten in der
altgewohnten Weise durch Kreuze und Bee. Gel-
tang haben diese Zeichen nur für diejenigen Noten,
denen sie direkt vorgesetzt sind, während Wider-
rufungszeichen ganz ausfallen. Gregen die Mitver-
Wendung der schreibflüchtigen halbgefüllten Noten
dürfte kaum etwas einzuwenden sein, znmal, ab-
gesehen von der chromatischen Tonleiter und von
G-moU und D-moll, in keiner weiteren Tonart unten
und oben gefüllte Noten zugleich auftreten und
daher von vornherein jede Möglichkeit zu Ver-
wechselungen so gut wie ausgeschlossen ist. Znm
Vergleich dieser Schreibweise mit der von Capellen
und der bisherigen sind in der angefügten Tafel
mehrere Tonleitern, sowie unter Hinweis auf die
Darstellungen in Nr. 2 des ^Klavierlehrer" die dort
benutzten drei Takte aus „Mit Myrten und Rosen^*
von K. Schumann in üebersetzung gebracht. Statt
der Tonschlüssel flnden sich zum Teil Oktaven-
zahlen, mit 1 von der Subkontraoktave an gezählt
und einheitlich auf der zweiten Linie, d. i. auf der
g-Stufe der beiden Notenzeilen placiert, in An-
wendung. Die halben und ganzen Töne können
durch schwarze und halbgefüllte Ellipsen, ge-
stielt für die halben, ungestielt für die ganzen
Töne (die halben Töne eventuell auch durch
liegende Bimenformen), oder auch als Viertelnoten
mit rechtsseitlich angebrachten Zeichen (siehe unter
IL der Tafel), diese mit der Bedeutung der Ver-
doppelung beziehentlich der Vervierfachung
der Tondauer, dargestellt werden, ähnlich wie
Noten durch einen seitlichen Punkt um die Hälfte,
durch einen zweiten Punkt um noch ein Viertel
ihres Wertes erhöht werden.
Das erstrebenswerteste Ziel aber sollte die Ein-
führung einer absoluten Bezeichnung der in
Gebrauch beflndlichen zwölf Töne sein, da meines
Erachtens nur dann erst die rechte Einfachheit
erreicht werden kann. Geleitet von der Ansicht,
dass zu der richtigeren Tonschrift nur auf dem
Wege durch ein reichhaltiges Vorschlags- beziehent-
lich Baumaterial zu gelangen ist, füge ich den
früheren Tonschrift vorschlagen hiermit noch einen
weiteren beachtenswerten Vorschlag hinzu.
IL Zwölfstufen-Tonschrift.
Diese neue Tonschrift besteht aus fünf breiten
oder Doppellinien, deren Breite Vs ^®^ Zwischen-
raumbreite beträgt. Auf jeder Linie und in jedem
Zwischenraum steht eine weisse Note. Ausserdem
stossen an jede Linie zwei schwarze Noten der-
gestalt, dass die Note von oben mit der Unterkante
und die von unten mit der Oberkante derselben in
Berührung tritt, wonach die Linie von der oberen
Note durch deren untersten mid von der untern
Note durch deren obersten Kreisabschnitt gedeckt
wird. Sonach steht in vertikaler Kichtnng jede
Note von der nächsten, von Mittelpunkt zu Mittel-
punkt gerechnet, um eine Linienbreite entfernt.
Anstatt der Tonschlüssel sind Oktaveuzahlen, mit
1 von der Subkontra-Oktave an gezählt, in An-
wendung gebracht. In der angefügten Tafel ist
dieses übersichtliche und schreibflüchtige System
mit dargestellt, dessen Notenfolge das Verhältnis
der Höhenstände aller in Gebrauch beflndlichen
Töne klar und korrekt hervortreten lässt. Mit der
Einführung weisser Noten in die Tonschrift wird
man sich sehr bald befreunden, und einmal an die
zweierlei Noten gewöhnt, wird durch sie ein weit
rascheres und sicheres Lesen des Notentextes,
namentlich auch in den Hilfslinien, ermöglicht als
bisher. Für die halben und ganzen Töne können
gestielte und uugestielte Ellipsen (für die halben
Töne eventuell auch wieder die gestielte Bimen-
form) oder auch ein- beziehentlich zweimalig ver-
doppelte Viertelnoten in Benutzung treten.*) Ob-
gleich in einer Oktave zwölf Noten untergebracht
sind, zudem auch noch alle Sekunden Intervalle -,3
statt, wie bisher, nur '/s des Notendnrchmesseis
Distanz halten und die grosse Terz einen grösseren
Kaum behauptet als die kleine Terz, eine K orrek t-
heit, welche das bisherige System (vergl. z. B,
c . . . e mit a . . c) vermissen lässt, wird doch
nur, auf beiden Seiten gleich grosse Notenköpfe
vorausgesetzt, V7 mehr Höhe bei entsprechend
weniger Breite — es fallen ja alle Vorzeichnungen
und Versetzungszeichen weg! — beansprucht; denn
auf bereits nur vier Linien, welche für sich allein
schon, ohne einen Mehrbedarf von Hilfslinien gegen-
über der heutigen Schreibweise hervorzurufen, eine
Notenzeile bilden könnten, sind alle Töne bis mit
fis der zweigestrichenen Oktave untergebracht ,
während die jetzigen fünf Linien kaum weiter
(bis g) kommen lassen. Die Doppel- oder Breit-
linien (schraffierte oder farbige Doppellinien), deren
Herstellung keineswegs technischen Schwierigkeiten
begegnet, brauchen nicht so grell hervorzutreten,
da der Stand der Note, dank der Verwendung von
zweierlei Farben, nie ein zweifelhafter sein kann.
Auch in der kleineren Druckschrift, obgleich da
die Linien ziemlich schmal werden, bleiben nichts-
destoweniger die Abstufungen gut erkennbar. Für
die Handschrift können vorgedruckte Liniaturen
Verwendung flnden, welche aus dem Liniensystem
und, zur besonderen Erleichterung, aus an dieses
sich anschliessenden punktierten oder in anderer
*) Mit der Viertelstufigen Zwölfton-
schrift lässt sich der Vorschlag des Professors
Hans Wagner, die Tondauer durch angemessene
horizontale Entfernungen von Note zu Taktteil-
strich oder umgekehrt, beziehentlich von Note zu
Note zum Ausdruck zu bringen, gut vereinigen.
Ob indessen diese mehr kurzschriftliche Ton-
dauerbezeichnung für den Allgemeingebrauch prak-
tischer ist als die bisherige, mag dahingestellt
bleiben.
— 345 -♦
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LfPiebentonschrift ohne f^rzeichnunffen.
Chromatische Tonleiter.
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Moll- Tonleitern.
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— 346 —
(hellerer) Farbe dargestellten Hilfslinien bestehen,
doch lassen sich aach die Linienradimente (schwarz),
deren ja nicht mehr viel gebraucht werden, gut
schreiben.
Zar Benennung der weissen und schwarzen
Noten (a-Noten und o-Noten) dürften sich die fol-
genden einsilbigen, leicht merk- und singbaren
und das Abzählen im Gedächtnis gut ermöglichen-
den Zwölfstufen-Tonnamen als:
La, Lo, Ma, Mo, Na, No, Ra, Ro, Sa, So, Wa,
Wo, La ... . vorzüglich eignen, wie es sich auch
weiterhin noch zeigen wird. Auch sei hierbei auf
die „Wiener Tonnamen" verwiesen, welche Hans
Sacher in seiner „Wiener Tonschrift" in Vorschlag
bringt. Diese lauten: Sa, Scho, Bö, Bä, Mi, Fa,
Tu, Go, Nu, La, Be, Wa.
(Schluss folgt.)
Bin ai)§^dpacl<fcs S^br^lbei) ^eyeFbecrs«
Von
e. Bieter.
Erst vor etwa dreizehn Jahren wurde in Paris
der handschriftliche Nachlass des Musikschrift-
stcdlers und Komponisten Joh. Georg Kästner,
gestorben 1866, verkauft. Unter musikalischen Ent-
würfen und Studien fand sich eine ziemliche Zahl von
Briefen Meyerbeer's, mit dem Kastner sichtlich in
enger Beziehung gestanden, die meisten ohne be-
sonderes Interesse. Dahingegen dürfte das nach-
folgende, der Reihe entnommene Schreiben als
Selbstcharakterzeichnung des Verfassers, sowie
insbesondere als Beleuchtung seines künstlerischen
Verhältnisses zu Berlioz Beachtung verdienen. Es
lautet:
Geehrter Herr!
Ich habe Ihr freundliches Schreiben nicht
früher beantwortet, da ich seit zwei Monaten sehr
leidend und zu jeglicher Beschäftigung untauglich
war, auch jetzt mich erst langsam erhole. — Die
Witwe meines verstorbenen Freundes, des treff-
lichen Theoretikers Gottfried Weber, wünscht sehr,
dass in französischen musikalischen Blättern eine
ausführliche kritische Lebensbeschreibung ihres
Gatten erscheinen möchte. Wollen Sie sich dieser
Arbeit für die musikalische Zeitung von Schlesinger*)
unterziehen? Niemand ist dazu tüchtiger und ge-
eigneter als Sie. Die Biographie bietet ausser dem
allgemeinen Interesse auch noch das besondere
dar, dass darin die Streitigkeiten über die Echtheit
des mozartischen Requiems verwebt sind. Nehmen
Sie die Arbeit an, so senden Sie gefälligst in ein
paar Tagen nach Empfang dieses „chez Monsieur
Gonin, Chef de Division k Tadministration de la
grande poste aox lettres Rue J. J. Rousseau.^*
(Sein Bureau ist in demselben Postgebäude) und
ersuchen ihn durch ein paar Zeilen, Ihnen das
Paket zu senden, welches er von G. Meyerbeer
für sie erhalten hat. Sie werden darin die bio-
graphischen Notizen von W. finden und auch einen
Teil der Requiemsstreitigkeiten. Dieser Teil ist
jedoch nicht komplett. Bis Sie indes die Biographie
geschrieben haben, folgt auch das noch Fehlende
über diesen Gegenstand. Benachrichtigen Sie mich
gefälligst durch ein paar Zeilen von .Ihrer An-
nahme, damit ich Schlesinger schreibe, dass er Sie
um die Arbeit ersucht. — Werden Sie denn nichts
über die Schilling'sche Generalbasslehre*) in der
Gazette musicale liefern? Es ist für den Zweck,
wozu es bestinmit ist, ein sehr tüchtiges, brauch-
bares Buch. Wollen Sie, so schicke ich es Ihnen
und schreibe auch Schlesinger darüber. Mit Ver-
gnügen sehe ich aus Ihrem Briefe, dass Sie meinen
Rat hinsichtlich Ihrer deutschen Oper befolgen
und selbst die Proben in Stuttgart und KarLsrnh
leiten werden, denn aus diesem Gesichtspunkte be*
trachte ich Ihre Reise nach Strassburg, von der
Sie mir schrieben. Wenn Sie in Strassburg an-
gekommen sein werden, schreiben Sie es mir ja
gleich. Sobald als es mir dann möglich sein
wird, will ich mit Ihnen nach Karlsruh fahren
und Sie mit dem dortigen Theaterintendanten
(Baron von Gemmingen), dem Kapellmeister Stranss
und den sämtlichen Sängern in freundliche Be-
kanntschaftbringen und Ihnen ausserdem manches
für Sie nötige von der dortigen Lokalität mitteilen.
Karlsruh ist in Beziehung der Sänger eines der
allerersten Üperntheater Deutschlands. — Meine
herzlichsten Grüsse an Herrn Braun und meine
Entschuldigung, dass ich noch keines seiner Lieder
komponiert habe. Aber wie ich Ihnen schon am
Anfang dieses Briefes sagte, ich war so unwohl,
dass ich durchaus keiner Beschäftigung fähig war,
auch in den nächsten paar Wochen nicht sein
werde. Doch soll sein Lied die erste Komposition
sein, welcher ich mich unterziehen werde, sobald
meine Gesundheit es gestattet. Bitten Sie ihn ge-
fälligst, mir zu schreiben, an welche Buchhandlung
er seine Gedichte verkauft hat, so sende ich als-
♦) Damals
Zeitung.
die angesehenste Pariser Musik-
•) Dr. Gustav Schilling, 1830 Direktor einer
Musikschule in Stuttgart, Herausgeber des damals
vollständigsten Musik- Dictionnairs. Begründereiner
deutschen Musikgesellschaft, in der Meyerbeer
neben Spohr etc, Mitglied war. Die Generalbass-
lehre erschien unter dem Titel .Polyphonomos" 1839.
— 347 —
dann direkt an dieselbe mein Lied, sobald es kom-
poniert ist, nm keine Zeit zu verlieren. — Der
Stich und die Korrektor meiner 11 Gresangstücke,
die bei Schlesinger erscheinen sollen, sind fertig,
nnd werden, glaabe ich, bald heranskonmien. Doch
habe ich noch keinen G^amttitel gefunden, der
mir gefällt. Fällt Ihnen einer ein, so teilen Sie
mir ihn mit. Finde ich nichts besseres, so nenne
ich es 11 Morceaux de Chant. Ich werde Schlesinger
schreiben, dass er Ihnen, noch ehe das Werkchen
erschienen ist, ein Exemplar als frenndliches An-
denken vom Komponisten schickt. Ich habe es
übrigens nicht Herrn Schilling dediziert, sondern
diesem tüchtigen Mann etwas Bedeutenderes
bestimmt, welches ebenfalls bald erscheinen wird,
nämlich 4stimmige geistliche Gesänge. Ihre freund-
liche Antwort erwartend, bitte ich mich, Ihrer ver-
ehrten Frau Gemahlin, Schwiegereltern und den
Herren Braun und Diel zu empfehlen
Ihr
ergebenster
Meyerbeer
Berlin, den 19ten Februar 40.
P. S. Je vous en venx de ne m'avoir pas dit
un mot sar M. Berlioz dans votre lettre et je vous
somme de reparer cette faute. Je d^ire vivement
savoir ce qu'il travaille en ce moment, et quels
sont ses plans de voyage. Itappellez moi k son
Souvenir, et priez le de me faire connaitre Tintinö-
raire de son voyage en Allemagne et ä quelle
^poque il partira; car je veux avoir le m^rite pres
de mes amis de leur procurer la connaissance per-
sonelle d*on homme de G^ie, en lui donnant des
lettres. Je n'ai plus revu M. Berlioz depuis la
Symphonie de Rom^o, mais vous savez quelle vive
admiratiou m'lnspire cette grande composition et k
ce sujet j'ai rompu une fameuse lance il y a 4 jours,
avec un partisan de certaine clique dont je vous
parlais un jour k Paris. —
(In üebersetzung: Ich zürne Ihnen, dass Sie
mir in Ihrem Schreiben kein Wort über Berlioz
gesagt haben, und fordere Sie ernstlich auf, dieses
Versehen gut zu machen. Ich wünsche lebhaft zu
wissen, was er im Augenblicke arbeitet und welche
seine Heisepläne sind. Empfehlen Sie mich seiner
Erinnerung und bitten Sie ihn, mir bekanntzngeben,
welche Punkte er auf seiner Heise nach Deutsch-
land zu berühren gedenkt und wann er Paris ver-
lässt; denn ich will das Verdieuät haben, meinen
Freunden die persönliche Bekanntschaft eines
Mannes von G^nie durch briefliche Empfehlungen
zu vermitteln. Ich habe Herrn Berlioz seit Auf-
führung der Homeosymphonie nicht mehr gesehen,
aber Sie wissen, welch lebhafte Bewunderung mir
dieser grosse Komponist einflösst. Noch vor vier
Tagen habe ich zu dessen Gunsten eine schwere
Lanze gebrochen, gegen einen Partisan einer ge-
wissen Clique, von der ich Ihnen seinerzeit in
Paris sprach.)
NB. Die Schnitzer, die M. im Gebrauch des
Französischen macht, Intineraire statt It., personelle
statt pcrsotinelle etc., sind absichtlich belassen —
auch sie sind interessant.
^01) Hacb bis \0a&O<iv:^
Ein Beitrag tut Psycbologle Az% mniikb^rens ooti Jobannei ScDreyer.
Von
Jo»^ Tianna da JHotta.
An dieser vortrefflichen Broschüre ist nur eins
zu bedauern: dass sie nur ein „Beitrag" ist.**)
Wie oft ist gegen die alte Harmonielehre der Vor-
wurf erhoben worden, dass sie durchaus unzuläng-
lich sei, moderne Werke zu erklären. Aber nicht
nur moderne, sondern, wie Schreyer ganz richtig
bemerkt, auch ältere. Selbst Beethoven, Bach
gegenüber versagt sie. Man beachtete nicht, dass
ihre Hegeln fast alle aus der Praxis der Kirchen-
sänger des 15. und 16. Jahrhunderts entstanden
waren und wie künstlich die ausschliessliche Hück-
sichtnahme auf die Singstimme war. So viele Ver-
suche man aber auch machte, der modernen
(modern von Bach an gerechnet) Harmonik gerecht
zu werden, man hing immer noch so ängstlich an
den alten Hegeln, dass man meistens diese nur zu
*) Holze & Pahl (vorm. Pierson), Dresden.
*♦) Es wäre zu wünschen, dass der Autor sein
System ausbaute und ein vollständiges Lehrbuch
schriebe.
erweitern suchte, mühsam „Ausnahmen* kon
struierte, die dann wieder „erlaubt" sein sollten —
so dass der Schüler sich schliesslich vor dem
Dilemma sah: „Dies ist erlaubt, das Gegenteil
aber aach'' — oder er lernte: „Dies sind die ewigen
Naturgesetze der Harmonik, aber die grossen
Meister, ein Bach, ein Wagner, kehren sich nicht
daran.** Zieht er hieraus die Konsequenz, so müsste
er logisch zu einer Verachtung aller Hegeln kommen,
da sie ja nicht für die grossen, also nur für die
kleinen Geister bindend wären. Bei dieser ge-
zwungenen Anwendung alter Hegeln auf etwas,
das von ganz anderen Voraussetzungen ausging,
vergass man Wagner's goldene Weisheit, die sein
Hans Sachs ausspricht:
Wollt ihr nach Hegeln messen,
Was nicht nach eurer Hegeln Lauf,
Der eignen Spur vergessen,
Sucht davon erst die Hegeln auf!
Mancher Theoretiker meint wohl auch, es sei
— 348
eine vorzügliclie Zncht für den Geist, ihn in
„spanische Stiefeln einzuschnüren^^, dass er „nicht
irrlichteriere hin und her**. Das hiesse aber doch,
dem Schüler die moderne Musik, die seinem
Empfinden am nächsten liegt, zu entfremden, um
ihm ein künstliches Verständnis einer Musik auf-
zuzwingen, die ihm doch nie in Fleisch und Blut
übergehen wird.
Zwei Männer aber waren es, die eine wirklich
neue Lehre aufzustellen suchten, die nicht bloss
auf alte oder auch bloss auf moderne Musik an-
wendbar sein sollte: Bernhard Ziehn und
Hugo Biemann. Selbst diese aber behielten noch
so viel Traditionelles, dass ihre Lehre doch noch
auf eine Erweiterung der alten hinausläuft.
Schreyer geht viel weiter als sie. Er lehnt, sich
an Riemann an, aus dessen System er ,nur die
Konsequenzen^^ zieht, aber er steht oft mit diesem
in Widerspruch und bringt viel durchaus Neues.
Höchst fruchtbar ist gleich der Ausgangspunkt:
eine Harmonielehre soll eine Anleitung zum
Geniessen der Kunstwerke sein und muss
von den Erfahrungen des Hörens ausgehen,
nicht von einem System starrer Regeln.
Der letzte Satz scheint mir das Ei des Kolumbus
zu sein. Wie wird jeder Schüler, der mühsam sich
strengen Regeln unterordnet, die er von den Meistern
nicht immer befolgt findet, erlöst aufatmen, wenn
er nun die Meister selbst gleich studiert, um
aus ihren Werken zu begreifen, was recht ist,
nicht aber um zu untersuchen, ob sie auch
den gehörigen Respekt vor der heiligen Tradition
hatten. „Nicht die Liebling des Verstandes, sondern
die subtile Schulung des Harmoniegefühls ist der
Hauptzweck der Harmonielehre.* Schreyer, selbst
mit einem äusserst subtilen Harmoniegefühl begabt,
versteht es, Feinheiten zu erklären, die die Musiker
wohl empfunden haben, aber zu dem „Unaus-
sprechlichen" der Musik lechneten und für „un-
lehrbar*' hielten. Niemand glaubt zwar, dass
alles in der Musik einmal erklärbar sein wird,
nur ein oberfiächlich Empfindender würde das
denken. Aber es gibt eine bequeme Art. jeder
Analyse aus dem Wege zu gehen, mit dem Hin-
weis auf das , Unaussprechliche** der Musik, die
nur die Unklarheit und Unplastizität des Empfindens
fördert. Und diese fühien leicht zu ganz falschen
Urteilen. So ist z. B., was Schreyer über Dissonanz
sagt, geeignet, neue Gesichtspunkte für die Be-
urteilung der modernen Dissonanzen, über die so-
viel konfuses Geschrei herrscht, aufzustellen. Es
ist betrübend, wean man, selbst von Musikern, ein
Werk verdammen hört, weil es mit Dissonanzen
überhäuft sei. Aber mit solchen allgemeinen
Phrasen : „Dissonanzen müssen massvoll angewendet
werden", kommt man doch nicht weit. Ich ge-
stehe, dass ich an gewissen mit Dissonanzen ge-
spickten Stellen moderner Musik ein wahres Ver-
gnügen habe — und so wird es sicherlich vielen
ergehen. „In der Musik entscheidet nicht das Ohr
aliein" (viele Sätze könnte man aus Schreyer 's
kleiner Arbeit als vorzügliche Sentenzen ausziehen).
„Der Prozess des Hörens, der anfangs ein rein
sinnlicher war, hat sich immer mehr Yergeistigt . . .
In Wirklichkeit hören wir sehr viele Dissonanzen
gar nicht als solche.^^ Ich möchte das Er-
staunen einiger Dilettanten sehen, wenn man ihnen
erklärte, wie viele Dissonanzen in dem des „Wohl-
lauts* wegen schwärmerisch verehrten Mozart und
Schubert stecken, von Beethoven oder gar Bach
ganz zu schweigen.
Ich will nicht Schreyer's Methode hier dar-
legen, denn dann müsste ich sein Buch einfach
wiederholen. Nur aufs wärmste will ich es
empfehlen, jeder wird reiche Anregung daraus er-
halten. Die Analysen sind vorzüglich. Ob das
immerbin sehr geistreiche Beziehen auf bestimmte
Tonarten in der Einleitung zur Faust-Sinfonie
Liszt's nicht den Reiz der Tonartlosigkeit, der
darin liegt, aufhebt, möge dahingestellt bleiben.
= Kritische Rückschau =i=
über Konzert und Oper.
Von
Dr. Karl 8torek,
Der Bericht unseres hochgeschätzten Mitarbeiters war leider bis Redaktionsschluss nicht ein-
getroffen.
Die in der Marienkirche allwöchentlich
Mittwochs stattfindenden Orgelkonzerte unter
Leitung des Königl. Musikdirektors Bernhard
Irrgang bieten stets eine Reihe erlesener Genüsse.
Es ist an dieser Stelle des öfteren die verdienst-
volle Tätigkeit und das hervorragende Orgelspiel
Irrgang^s gewertet worden, es erübrigt, demselben
besonders dafür Anerkennung zu zollen, dass er
bei der Auswahl seiner mitwirkenden Kräfte mit
grösster Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit zu Werke
geht. Unter den Mitwirkenden des Konzerts vom
25. Oktober verdient Fräulein Marie Bluhm an
erster Stelle genannt zu werden, die mit edler,
ausdrucksfälliger Stimme ausser A. Becker's „Ich
wollt', dass ich daheime war'" die Bach'sche Arie
„Laudamus te" aus der hohen Messe vollendet
sang. Auch die Violinistin, Frl. Nelia Gnnning,
spielte eine Sonate von Händel mit grossem Ton
— 349 —
und sicherer Technik, ebenso bewies sie mit dem
Vortrage einer Sonate von A. Vivaldi (1680—1743),
dass sie eine Künstlerin ist, die ihr Instrument
meisterlich zu behandeln weiss. Desgleichen ver-
dient die Altistin, Frl. J^va Reinhold, für den
Vortrag einer HändeTschen Arie „Dank sei dir,
Herr^^ und zweier geistlicher Lieder von Frie-
drich Bach and Hugo Wolf schuldige Aner-
kennung. Der Konzertgeber spielte Bach's „C-dur-
Fräludium und Fuge", sowie Mendelssohn's
„F-moU - Sonate" und ein „Cantilene Pastorale"
von A. Guilmant, in musterhafter Weise.
Das 8 Tage später, am gleichen Orte, dem Refor-
mationsfeste angepasste Orgelkonzert brachte durch
Herrn Irrgang die ,,Doppelfage" vod A. Becker
über den Choral „Ein feste Burg", ferner das Post-
ludium über den Choral „Lobe den Herrn" von
Robert Radecke. J. S. Bach's Kantate am
Reformationsfeste nach Luther's Dichtung „Ein
feste Burg ist unser Gott" bildete die Haupt-
nummer. Ausgeführt wurde sie von dem Solo-
quartett: Fr. Martha Dreyer-Wolff (Sopran),
Fr. Martha Sommerfeld-Kröning (Alt), Herr
Ludwig Schubert (Tenor) und Herr Felix
Lederer-Prina (Bass;, Orgel: Herr Irrgang.
Herr Lederer-Prina trug ausserdem HändeTs
Recitativ und Arie aus dem Messias „Blick auf die
Nacht bedecket' vor, die rühmlichst bekannte
Sopranistin Martha Dreyer - Wolff sang
A. Becker*s .Christus der Herr", ein geistliches
Volkslied. Ausserdem spielte Frl. Kato v. d.
Hoeven aus Amsterdam auf dem Violoncello ein
„Adagio" von Bargiel und „Andante" von Gol-
termann in meisterhafter Weise. In gleichem
Masse muss der prächtigen Altstimme der Frau
Sommerfeld - Kröning, sowie des wohlge-
schulten Tenors des Herrn Ludwig Schubert
rühmlich ErwähnuDg getan werden.
Am Donnerstag, den 26. Oktober, veransf altete
Direktor Julius ^aschek, Berlin, den 46. Musik-
abend mit den Lehrern und Schülern seines Kon-
servatoriums. Den ersten Teil des 'gut gewählten
Programms führten Schüler in reiferem Alter, den
zweiten hingegen die Lehrer und Lehrerinnen der
Anstalt aus. Im Schülerteile wurden Kompositionen
von Mendelssohn, Ernst, Verdi, Liszt, Ru-
binstein, Löwe und Böhm zu Gehör gebracht
Den Leistungen wurde von den zahlreich er-
schienenen Hörern wohlverdienter Beifall ge-
spendet. Die Schüler verbauden mit gutem An-
schlage Sicherheit im Vortrage, richtige Phrasie-
rang und Sauberkeit der Technik. Die Vorträge
bekundeten Sorgfalt und tüchtiges Streben der
unterrichtenden Lehrer. C. N^
Mitteilungen
von Hoohschulen und Konservatorien.
Ernst von Dohnunyi, der in Pressburg ge-
borene vortreffliche Pianist und Komponist, ist an
die Königl. Hochschule für Musik in Berlin
zur Errichtung einer Meisterschule für Klavierspiel
berufen worden.
Herr Musikdirektor Hoischen zu Koblenz
hat eine Chorgesangschule ins Leben gerufen,
die den Zweck verfolgt, Damen und Herren durch
methodische Ausbildung und Schulung ihres musi-
kalischen Gehörs und Taktgefühls zu tüchtigen
Chor-Sängern und Sängerinnen heranzubilden, d. h.
sie soweit zu befähigen, dass sie imstande sind,
nicht nur jedes Intervall sicher und rein zu treffen,
sondern auch Melodien und Lieder ohne vorherige
Uebung vom Blatt zu singen.
Der Magistrat in Augsburg hat die Er-
richtung einer städtischen Singschule nach
dem Vorbilde Münchens beschlossen.
Das von Prof. Emil Breslaur begründete
„Berliner Konservatorium für alle Zweige der
Musik", Direktor Gustav Lazarus, hat sein Se-
minar zur Ausbildung von Musik-Lehrern und
-Lehrerinnen (Klavier, Violine, Gesang) jetzt auch
nach den Grundprinzipien des Musikpädagogischen
Verbandes umgestaltet und dreijährige Kurse zur
vollen Lehrerausbildung eingerichtet. Ziele und
Aufnahmebedingungen, Prüfung und Zeugnisse
sind in dem für das Seminar ausgegebenen Statut
genau flxiert, ebenso der Stundenplan fiir die diei
Studienjahre. Das Statut ist durch den Direktor
Herrn Gustav Lazarus, Berlin W., Bülowstr. 2, zu
beziehen.
Die Dresdener Musikschule, Direktor
R. L. Schneider, veranstaltete kürzlich ihre 200.
Musikaufführung, deren Verlauf der im Jahre 1890
gegründeten Anstalt und ihrem Leiter sowohl,
als den an ihr tätigen tüchtigen Lehrkräften ein
durchaus ehrenvolles Zeugnis ausstellte. Zum
Vortrag kamen: Mendelssohn „Klavier- Trio",
D-moll, Meyerbeer „3 Gesänge', Pield „Noc-
turne" in B-dur, Vieutemps „Ballade und Polo-
naise'*, op. 88, Weber „Gesänge aus dem Frei-
schütz" und Beethoven „Klavierkonzert", C-moll.
— 350 —
Yermlschte Nachrichten.
Der Zweite Kongress der Internatio-
nalen MuBik-Gesellscliaft wird Ende Septem-
ber 1906 in Basel abgehalten. Am ersten und
zweiten Tage ünden morgens Hanptsitznngen
mit kritischen Berichten über den derzeitigen Stand
der wichtigsten musikwissenschaftlichen Fächer,
nachmittags Sektionssitznngen statt; der Vor-
mittag des dritten Tages ist für die Generaiver-
samminng bestimmt. Am Abend des dritten
Tages wird der Kongress mit einem historischen
Konzert geschlossen. Vorträge können schon
jetzt beim Schriftführer der Gk^sellschaft, Dr,
Mxa Seiffert, Berlin, Goebenstrasse 28, ange-
meldet werden.
In München wird demnächst die erste „Mu-
sikalische Volksbibliothek' in Deutschland
eröffnet. Ihre Organisation und Verwaltung
übernimmt die „Ortsgruppe München'^ des „AU-
gemeinen Deutschen Musikvereins".
Unter Vorsitz von Rochus v. Lilienkron
tagte kürzlich im Berliner Kultusministerium die
vom Kaiser berufene Kommission zur Herausgabe
einer „Sammlung deutscher Volkslieder für Männer-
chor', an der neben einigen Musikhistorikern Ver-
treter der hervoiragendsten deutschen, österreichi-
schen und Schweizer Gesangvereine teilnahmen.
Das neue Werk soll 1906 erscheinen.
Zur Feier des 75. Geburtstages Bobert Ba-
d ecke's fand am 31. Oktober in der Aula des
Akademischen Instituts für Kirchenmusik
ein Festakt statt, der sich zu einer bedeutungs-
vollen Feier gestaltete. Der sonst nur dem ernsten
Studium geweihte Baum hatte durch Biumenaus-
schmückung, durch die Banner der akademischen
Korporationen und durch die mit ihren Abzeichen
geschmückten Delegierten der verschiedenen Ver-
bind angen ein ungewohnt farbenprächtiges Bild
angenommen. Als Vertreter des Ministeriums
waren Ministerialdirektor Schwartzkopff und
Geheimrat Preische anwesend. Direktor Anton
V. Werner, die Direktoren der königlichen Hoch-
schule fürMosik, Prof. Joachim und Max Bruch,
die Senatsmitglieder, Professoren X. S ch ar w e n k a,
Gernsheim, Büfer, Krebs und manche andere
im Musikleben eine bedeutungsvolle Bolle spie-
lende Künstler wohnten dem Festakte bei. Der
musikalische Teil der Feier brachte ausser Kom-
positionen Badecke's eine Konzertphantasie über
Badecke's bekanntes Lied „Aus der Jugendzeit*^,
welche G. Biemenschneider zum Verfasser hat.
Prof. Thiel feierte den Jubilar in einer Bede,
welche namentlich die Verdienste Badecke's um die
Pflege der alten und neueren Kirchenmusik zum
Vorwurf hatte. Der Präsident des Akademischen
Vereins „Organum" überreichte dem Jubilar den
Ertrag einer Geldspende, deren Zinsen als Unter-
stützung fär die Studierenden am königl. Akade-
mischen Institut für Kiichenmusik verwendet
werden sollen. Die ganze Feier lieferte einen
Beweis für die Bedeutung und die lebenskräftige
Betätigung Bobert Badeckes am heutigen Musik-
leben.
Die an vielen Orten mit stets gleichem durch-
schlagenden Erfolge veranstalteten Aufführungen
der Jacques Dalcroze'schen „Kinder - Tanz-
und Volkfilieder" haben unseren „Erziehern zur
Kunst" vielfach die Augen geöffnet über das, was
den Kindern als „Jugendkonzerte" zu bieten ist;
sie haben aber auch die Aufmerksamkeit auf die
Schätze unserer , deutschen Literatur gelenkt, die
für gleiche Zwecke noch der Hebung harren.
So fand an der städtischen höheren Mädchen-
schule zu Kreuznach eine Aufführung „Deutscher
Kinderlieder und Märchen" unter Leitung des Ge-
sanglehrers Herrn Geysenheyner statt, die
volkstümliche Spielreime und Tunzlieder von
C. Beinecke, B. Kohl, Fr. Zelter, W. Tau-
bert, Jos. Gersbach, B. Seel, E. Frank,
A. Vogt bot, ausserdem 2 Märchen „Mitsommer-
nacht" und „Vom Wolf und den 7 Gaislein". Das
Vorgehen verdient die grösste Anerkennung, viel-
leicht ist es ein weiterer Schritt zur Erkenntnis
der Unnatur unserer heutigen sogenannten „Jugend-
konzerte.**
unter dem Vorsitze des Generalintendanten
von Vignau hat in Weimar die Ausschusssitzung
des Vorstandes der Franz Liszt-Stiftung statt-
gefunden, zu der von auswärts die Herren Gu-
stav Bassow (Bremen) als Bechnungsf ülii er der
Stiftung und Fried r. Bosch (Berlin) erschienen
waren. Verhandelt wurde über die Verwendung
der zur Verfügung stehenden Summe von 3000 M.
die zur Hälfte dem für die in Aussicht genommene
Herausgabe der Werke Franz Liszts beste-
henden Fonds zugeführt, zur anderen Hälfte zur
Unterstützung verdienter Tonkünstler in Form
von Stipendien bestimmt worden ist.
Die von P. de Wit in Leipzig begründete
und bis heute geleitete „Zeitschrift für In-
strumentenbau" vollendete am L Oktober das
25. Jahr ihres Bestehens.
Der Musik - Salon Bertrand Both zu
Dresden eröffnete seine dies winterlichen Auf-
führungen nnit einer Ehrung Felix Draeseke's
durch Wiedergabe einer Zahl seiner Kompositionen.
Prof. Bertrand Both spielte sein op. 6 .Sonata
quasi Fantasia", Frau Erika Wedekind sang 3
seiner Lieder aus op. 17 und op. 26, den Be-
sohl uss machte das „Quintett" op. 48 für Klavier,
Violine, Viola, Violoncell und Hörn, ausgeführt
von den Herren Both, Lange - Frohberg,
Wilhelm, Böckmann und Lindner.
Die bekannte Altistin Frl. Tilly Koenenhat
von der Königin von Holland die Ehrenmedaille
für Kunst und Wissenschaft des Hausordens von
Oranien erhalten.
— 351 —
lieber das Eonzertanfführongsrecbt an Wag-
ner's „Lohengrin'' nnd „Tristan und Isolde' liat
in dem bekannten Rechtsstreit der Genossen-
schaft Dentscher Tonsetzer gegen die Leip-
ziger Verlagsfirma Breitkopf & Härtel das
Oberlandesgericht Dresden am 27. Oktober d. Js.,
in Bestätigung der erstinstanzlichen Entscheidung
des Landgerichts Leipzig, entschieden, dass der
Firma Breitkopf & Härtel kein Aofführongsrecht
an beiden Werken zusteht.
Das von der Konzert- Direktion Leonard in
Berlin veranstaltete Preisausschreiben auf ein
Violinkonzert (Preisrichter: Willy Burmester,
Prof. Friedr. Oernsheim, Prof. Philipp
Scharwenka) ist ohne Resultat geblieben, da
sich zwei der Preisrichter überhaupt gegen die
Verteilung eines Preises aussprachen. Es waren
82 Violinkonzerte eingegangen.
Der internationale Lyceum-Club für
geistig arbeitende Frauen schreibt einen
Wettbewerb ftlr Werke von Komponistinnen
aller Nationen aus. Instrumental- und Vokal-
kompositionen jeder Art, sowohl für Orchester nnd
Chöre, wie für Solo-Instrumente und Einzelstimmen
sind zugelassen, doch dürfen dieselben weder
schon im Druck erschienen, noch öffentlich aufge-
führt worden sein. Die Arbeiten müssen bis
1. Mai 1906 im Bureau des Londoner Klubs,
London W., Piccadilly 128, eingeliefert werden.
Das Preisrichteramt haben übernommen die Herren
Colonne (Paris), Co ward (London), Dracseke
(Dresden), Oedalge (Paris), Goldmark (Wien),
Humperdink (Berlin), Sgambati (Rom). Die
preisgekrönten Werke sollen dann in öffentlichen
Konzerten in London, Berlin and Paris aufgeführt
werden.
Bücher und Masikalien.
Paul Sehelnpflng, op. 6. Fünf Gedichte von Franz
Evers. 1. Wetterboten, 2. Abendlied,
3. Frühling, 4- Märchenland, 5. Liebes-
fahrt. Für 1 Singstimme und Klavier.
HeUrielithofeii's Terlag, Magdebar^.
In Nummer 17 des Kl. L wurde in eingehender
und sachkundiger Weise auf das eigenartige Werk
„Worpswede, Stimmungen aus Niedersachsen" von
Paul Scheinpüug hingewiesen und besonders her-
vorgehoben, mit welch ausserordentlichem Geschick
der Komponist die verschiedenen, vom Dichter ge-
zeichneten Stimmungsphasen des niedersächsischen
Menschen- und Naturlebens musikalisch zu illustrieren
und zu vertiefen wusste. Diese, einem für Natur-
schönheiten empfänglichen Gemüt entspringende
Begabung, sowie eine vornehme, niemals in kon-
ventiellen Grenzen sich bewegende Tonsprache
sind die Vorzüge, die auch diese Lieder auszeichnen,
nur ist das Bestreben des Komponisten, neue
Klangkombinationen zu ersinnen, womöglich etwas
noch nicht Dagewesenes an das Tageslicht zu
fördern, mitunter so auf die Spitze getrieben, dass
können heutenicht annähernd ermessen, nach welcher
Richtung hin die Tonkunst sich ianerrialb der näch-
sten 2() Jahre, geschweige 50, entwickeln wird. Was
noch vor kurzem als Sakrilegium galt, wird heute
nichtnnr stillschweigendgeduldet, sondern oft von der
urteilslosen Menge als orginell und geistreich ge-
priesen. Das Verbot der Quinten- und Oktaven-
fortschreitungen ist längst bei Seite geschoben,
und wir sehen jetzt in neueren Werkeu, wie z. B.
in Puccini's „Boheme*, wie leere Qnintenfort-
schreitungen gleich hüpfenden Sechsfüsslern ganze
Seiten lang ihr spottlustiges Unwesen treiben,
auch die Lehren von der vorzubereitenden und
aufzulösenden Dissonanz haben längst ihre Giltig-
keit verloren, und von den Ultra-Fortschritt lern
wird heutigen Tags der Wert eines neuen Werkes
nur nach der gepfefferten Würze, d. h. nach der
Menge der in ihm enthaltenen Dissonanzen be-
urteilt und eingeschätzt. Nach dieser Art von
Einschätzung lässt P. Scheinpflug in seinem Abend-
lied nichts zu wünschen übrig. Es beginnt folgender-
massen:
f^^p^pt ^^ ^f^t^f^
Klavier
die stimmungsvollen Lieder, besonders das zweite,
durch gewaltsame, förmlich ohrenzerreissende
Härten keinen einheitlichen und ungetrübten Ein-
druck hinterlassen. Wir leben gegenwärtig in einer
Zeit der Gärung, des Suchens und Tastens und
Ich muss gestehen, diese drei Takte gehören
zu dem ungeheuerlichsten und ohrenverletzendsten,
was mir jemals in der Liederliteratur begegnet
ist. Sie macheu den Eindruck, als ob sich der
Komponist einen Spass mit dem Publikum machen
— 352 —
wollte, und erinnern lebhaft an den Elavier-
humoristen Lamborg, der in der einen Hand Eis-,
in der andern C-dar spielt. Die Flöten-Melodie
kann man mbig einen halben Ton höher oder
tiefer, überhaupt von welchem Ton man will»
spielen, sie wird, wenn man sie im vierten Takt
nach Fis-dnr auflöst, genau so gut oder vielmehr
so hässlich klingen. Die Intention des Komponisten
ist ja klar, er wollte die ferne flöte, von der im
Text die Bede ist, dadurch veranschaulichen, dass
er sie in einer möglichst heterogenen Tonart er-
klingen Hess, nur ist dieser Effekt auf ein und
demselben Instrument nicht zu erreichen, und so
werden Missklänge erzeugt, die eher unser Zwerch-
fell als unser Herz berüliren. Man kann mir ent-
gegnen, dass der Fortschritt in der Kunst zu jeder
Zeit auf Widerstand gestossen ist, und dass wir
uns heute an Akkord verbin düngen gewöhnt haben,
die uns früher gesu'^ht und hässlich erschienen.
Darauf ist zu erwidern, dass noch niemals ein
Werk bleibenden Wert erlangt, dessen Schöpfer
sich vermass, die ewig giltigen und durch unsere
grossen Tonmeister geheiligten Oesetze zu korrigieren
oder zu missachten. Extravagante, d. h. sich
ausserhalb der Kunstgesetze stellende Naturen hat
es zu allen Zeiten gegeben, aber ihre Werke wie
ihre Namen sind, nachdem sie anfangs ein gewisses
Aufsehen erregt, schnell wieder verschwunden.
In den andern vier Liedern machen suh diese
gewaltsamen Dissonanzen nicht so fühlbar wie in
in dem zweiten, wenn auch sie von einer gewissen
Tendenz, unter allen Umständen eigenartig und
geistreich erscheinen zu wollen, nicht frei zu
sprechen sind, und das ist schade, denn der
Komponist hat diese Originalitätshascherei gar
nicht nötig, er weisse auch ohne sie Neues und
Interessantes zu bieten. Deshalb wäre es zu be-
dauern, wenn er sich in die vornehme, aber allzu
gekünstelte Satzweise, die sich ,mehr oder weniger
in allen seinen Kompositionen ausspricht, noch
tiefer vergraben und einspinnen würde, eine Satz-
weise, die weder seiner weiteren Entwickelung,
noch der Kunst zum Heile gereichen kann.
Robert Kahn, op. 18. Sieben Klavierstücke.
No. 1. Praeludium, No. 2. Capriccio,
No. 3. Notturno, No. 4. Impromptu,
No. 5. Legende, No. G. Scherzo,
No. 7. Albumblatt.
F. E. €. Lenekart, Leipsif.
Wieder einmal Klavierstücke, an denen der
Musiker seine Freude haben kann. Sie bestechen
zwar nicht durch besonders prägnante Themen
oder durch fortreissende Leidenschaftlichkeit, ge-
winnen aber bei näherer Bekanntschaft unsere
Teilnahme in vollem Masse. Gleich das Präludium
darf als beredter Fürsprecher für das ganze Heft
gelten. In seiner vornehmen Grandezza und seiner
gedrängten, leicht verständlichen Fassung könnte
es jedem Klavierspieler zum Vortrag moderner
Stücke als treffliche Einleitung dienen. Anfangs
störte mich beim zweiten Viertel des 4. Taktes
das frühe Eintreten des Grunddreiklangs, der erst
bei Beginn des 5. Taktes eintreten soll, da ich
aber, ohne den Fluss der Melodie zu stören, keinen
Ausweg fand, so kommt hier die alte Knnstregel
zur Geltung, dass man zur Vermeidung grosser
Fehler ruhig kleine begehen soll. Die zweite
Nummer Capriccio ist in ihrer Dissonanzenanhäufung
Interessant erfunden und ebenso durchgeführt, nur
wirkt die unaufhörliche Sechszelmtelflgur in der
Begleitung allmählich ermüdend und stumpft den
Eindrucksreiz der führenden Melodie empfindlich
ab. Um so geschlossener und stimmungsvoller
wirkt das darauffolgende Notturno, das ich nebst
der Legende (No. 5) für das bedeutendste Stück
der Sammlung halte. Die Art, wie das Haupt-
thema im 5. Takt im Alt und später bei der
Wiederholung im Tenor erscheint, ist bei aller
kontrapunktischen Feinheit von bestrickendstem
Wohllaut und hebt dadurch die gewinnende, ich
möchte sagen schwärmerische Anmut des daraaf-
folgenden zweiten Themas um so deutlicher
hervor. Ein merkwürdiges Stück ist das Scherzo
(No. 6). Auf den ersten Blick erscheint die zwei-
stimmige Polyphonie, die demselben zu Grunde
liegt, ziemlich ungefährlich, und doch birgt sie,
zumal wenn das Thema nach Art des doppelten
Kontrapunkts in der Unterstimme erscheint, so
tückische Fallstricke, dass wohl kaum ein Klavier-
spieler den zweistimmigen Teil des Stückes im
vorgeschriebenen Molto vivace-Tempo fehlerlos
vom Blatt spielen dürfte. In einem gesangreichen,
in laugsam wiegendem Ländl^rtakt gehaltenen Ton-
stück klingt das interessante Werk aus.
Arno Eleffel.
Theodor Kirchner, op. 70. Fünf Sonatinen. Neu
herausgegeben von H. Vetter.
Fried rieh HormeUter, lieipsl^.
Der Verlagshandlung gebührt warmer Dank,
dass sie durch diese Neuausgabe, die ca. V4 ^^
früheren Preises kostet, einem instruktiven Werke
den Weg zu den Pulten unserer studierenden
Jugend erleichtert, wie es fördernder für
das musikalische Empfinden kaum gedacht
werden kann. Diese 5 Sonatinen sind in ihrem
formen klaren Aufbau, ihren reizenden, singenden
und klingenden Motiven wahre kleine Kabinet-
s tückchen und sollten fortan in keinem Lehrgang
mehr fehlen. H. Vetter, der sie^ neu herausgab,
sagt in seinem einleitenden Vorwort, dass seine
bessernde Hand sich nur auf Vervollständigung
des von Kirchner spärlich bedachten Fingersatzes
bezöge, auf Dinzufügung einiger Vortrags- und
Phrasierungszeichen und einer Fedalangabe, wie
sie dem Standpunkt der modernen Pedaltheorie
entspricht. Seine Ergänzungen sind ausgezeichnet,
ebenso ist Ausstattung und Druck dem Inhalt
der feinen Tonsätze würdig angepasst; es er-
— 353 —
übrigt nur, das8 sie von unseren Pädagogen in
weitester Ausdehnang beantzt werden; sie selbst,
aber auch alle ihre einigermassen musikalischen
Schüler werden reiche Freude und G-enuss beim
Studium empfinden.
Ein Wunsch sei ausserdem gleich noch hinzu-
gefügt, dass sich nämlich die Firma entschliessen,
möchte, aus den Schätzen der Kirchner 'sehen Muse,
an denen ihr Verlag so besonder«» reich ist, eine
Auswahl zu treffen und aus den Sammelbänden
einzelne erlesene Stücke in Sonderheften zu bil-
ligen Preisen herauszugeben; es würde ausser-
ordentlich viel dazu beitragen, dass die feinsinnige
Lyrik Gemeingut der klavierspielenden Welt, be-
sonders des H'auses, würde. In dem „Album", op.
26, den „Miniaturen'^ op. 61, dem ,,Skizzenbuche*^,
op. 29, den „Verwehten Blättern", op. 41, den
„Bnnten Blättern**, op. 83, und vielen andern sind
eine Fülle von entzückenden Sätzchen enthalten,
eine Klavierpoesie, wie sie selten wiederzufinden
ist, wer aber kennt und spielt sie heut?
Allgemeiner Deatscher Musiker-Kalender für 1906.
lUftbe ä Plotbow, Beilln.
Der vorliegende 28. Jahrgang des beliebten
Adressen- und Nachschlagebuches erscheint in be-
kannter Fassung und Ausstattung, nur bemüht,
den reichen Stoff durch sorgfältige Bearbeitung
und Ergänzungen aller Art in immer grösserer
Vollständigkeit zu bringen. Von dem in zwei
Bänden ausgegebenen Kalender, bringt der erste
kleinere, ausser dem Kalendarium u. a., den täg-
lichen Notiz- und Stundenkalender, der zweite das
Adressenmaterial mit 876 vertretenen Städten und
als Anhang einen Konzertbericht ans Deutschland,
die aufgeführten Werke nach ihren Komponisten
alphabetisch geordnet. Auch das alphabetische
Verzeichnis sämtlicher im Kalender aufgeführten
deutschen Musiker mit Angabe ihres Wohnortes
ist wieder aufgenommen und dient als wesentliche
Erleichterung zu schneller Orientierung.
Dentscher Mnslker-Kalender 1906
Mtz Heste, Leipilff*
Der Jüngere Kollege des erstangeführten Ka-
lenders, der sich rasch ähnliche Beliebtheit er-
rungen hat, tritt mit dem Jahre 1^06 in seinen
21. Jahrgang. Er ist mit einem wohlgelungenen
Portrait Prof. Dr. Hermann Kretzschmar^s
geschmückt, dem Dr. A. Sch^ering begleitende
Worte widmet. Ausser dem gewohnten Stoff,
Kalendarium, Stundenplänen, Konzertbericht aus
Deutschland, Adressbuch, 412 Städte umfassend,
dem alphabetischen Namens Verzeichnis bringt der
Kalender noch einen Artikel „Exotische Musik*^
aus der Feder Prof. Hugo B.iemann'8.
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waeba, Kammenrirtaoa ▲• Harfedegea. Protl Dr. USbel,
Kgl. Kammerrirtaoi 0. Kaleftieb, Kgl. Opernsänger
E. Eletamaaa« Kcl. Kammermusiker W. Moabaupl^
K^l. Kanmiermosiker H. Sebaurbuscb n. A.
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2. Idylle in Adar, op. 11 Nr. 2: 3. Capriccio in
Ednrp op. U Nr. 5; 4. Notturno in Ciamoll, op. 18
Nr. 3; 5. Legende In AmolL op. 18 Nr. 5; 6. Alle-
gretto in Ddnr, op. 29 Nr. 1; 7. Capriocio in
Hmoll, op. 29 Nr. 4; 8. Abendlied in Edur, op.29
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einer vornehmen and gediegenen Unterhaltungs-
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Offene Stellen:
Für ein gut besuchtes Musikinstitut in einer
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lehrerin gesucht. Das Violinfach' soll neu ein-
gerichtet werden und wird daher vorläufig kein
Fixum bewilligt.
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Eine vorzügliche Gesangspädagogin, die sich
durch schriftstellerische Arbeiten auf diesem Ge-
biete einen Namen gemacht hat, snclit Engage-
ment an einem Konservatorium.
Eine tüchtige Klavierspielerin und Lehrerin^
ausgebildet am Münchener Konservatorium, sucht
Stellung an oiner Musikschule.
Eine in Dresden ausgebildete tüchtige Gesang-
und Klavierlehrerin (für Gesang Konzertbefähigung)
wünscht passendes Engagement.
Meldungen sind zu richten an die Central-
leitung der Stellenvermittlung der Musiksektion.
Adr.: Frau H. Bnrghausea, Berlin W., Luitpelditr. 43.
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Flügel- und Planlno-Fabrikant.
Hoflieferant
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Ihrer Maj. der Kaiserin von Deutschland und Königin von Preussen,
Ihrer Maj. der Kaiserin Friedrich,
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Ihrer Maj. der Königin Regentin von Spanien,
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Für die Redaktion TerantwortUch: Anna Morsch, i3erlin W., Ansbacherstr. 37,
"-nedition und Verla; f^Der Klarier -Lehrer^, M. Wolff, Berlin W., Ansbacherstraase S7.
Druck: J. S. Preuss, Berlin S.W., Kommandantenstr. 14.
Der ^lavieMtehrer.
Musik-padagogische Zeitschrift für alle Qebiete der Tonkunst
Ors:an der Deutschen Musiklehrer-Vereine,
der Musik- Sektion des fl. D. L-V. und der Tonkunstler-Verelne
zu Köln, Dresden, Hamburg, Leipzig und Stuttgart.
Begründet 1878 von Professor Emil Breslaur.
Redaktion: Anna Morsch
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acgengcnommen.
No. 23.
Berlin, 1. Dezember 1905.
XXVIII. Jahrgang.
Inhalt: Eugen Segnitz: Jeaa Paul und die musikalische Erziehung. (Schluss.) Dr. Karl Storck: Die Bedeutung der konischen Oper
K. M. Bässler: Neue Tonschrift- Vorschläge. (Schluss.) Dr. Karl Storck: Kritische RQckschau über Konzert und Oper. Mit-
teilungen von Hochschulen und Konservatorien. Vermischte Nachrichten. BQcher und Musikalien, besprochen von Anna
Morsch, Eugen Segnitz, M. J. Rehbein und Ludwig Riemann. Vereine. Anzeigen.
Heai) ^aal und die tt)asi1<aliscbe BFziebunS*
Von
Bugen SegnItB.
(Schluss.)
Jean Pauls Forderung an die Eltern geht
darauf hinaus, sie sollen ihre Kinder lernen
lassen, was den Menschen ein erhabenes
Herz gibt und ein Auge, das über die Erde
hinausreicht und Flügel, die in die Unendlich-
keit (Unermesslichkeit) heben". Er erblickt
mit den Alten in der Musik eins der vor-
nehmsten und förderlichsten Erziehungsmittel
und er weist mit der ihm eigenen Wärme
(„Kinder lieben ist so leicht, so innig, wie
schlimm muss der's treiben, den sie hassen!*)
darauf hin, wie Kinder von zarten Herzen
und von einer immer durch den Wind auf-
gehobenen Phantasie „am leichtesten zu
wenden und zu drehen" sind, mithin allen
Einflüssen, guten wie schlimmen, offen stehen.
Aber auch ein einziger falscher Riss des
Lenkseils verwirrt und verstockt sie auf
immer!" ruft er warnend aus und so sind
„leider drei Dinge schwer zu finden und zu
geben : einen Charakter haben, einen zeichnen
und einen erraten." Wir können, führt er
weiter aus, gewissermassen der Natur nur
leise und unvermerkt eine Handreichung tun
und nach seiner Meinung „bringt aller Unter-
richt eigentlich nichts in den Menschen,
sondern bezeichnet und ordnet nur das Da-
.gewesene." Deshalb ist Jean Paul auch der
Mann der Praxis und alles blosse Theoreti-
sieren ist ihm im tiefsten Herzen zuwider: „Für
Kinder gibt's keine andere Sittenlehre als Bei-
spiel, erzähltes oder sichtbares." Also alle
Lehre soll nach ihm lebendig werden, gleich
Gestalt annehmen, der Nachahmungstrieb soll
erweckt werden und unablässig neue Nahrung
erhalten und in der Kindesseele sollen Ent-
schluss und Ausführung in unmittelbarsten
Zusammenhang gebracht werden. Denn „der
Entschluss drängt alle Schwierigkeiten und
Entbehrungen vor die Seele. Die Ausführung
aber stellt sie weit auseinander und gibt uns
erst das Interesse daran durch die sonder-
bare Freude, ohne die man bei tausend
Dingen nicht ausdauerte, etwas unter seinen
Händen täglich wachsen zu sehen." Für
Jean Paul ist der Bildungstrieb Massstab und
treibendes Element zugleich. Er, „der höher
als der körperliche, nach und durch den
Willen schafft, nämlich die neue Idee aus
den alten Ideen, ist das Abzeichen des
Menschen." Es gibt nach unserem Gewährs-
manne Menschen, die von Jugend auf ein
— 358 —
gewisses Gefühl von Ehre entweder besitzen
oder entbehren, die eine gewisse Sehnsucht
nach dem Ueberirdischen, nach der Religion,
nach dem Edleren im Menschen empfinden
oder ewig entraten. Also ist es auch eine
der grössten und erhabensten Aufgaben eines
musikalischen Erziehers, dahin zu wirken,
dass dem Schüler die Kunst als eine Offen-
barung höchster und unvergänglicher Schön-
heit, als eins der edelsten Menschheitsgüter
sich erschliesse. Ist der Schüler mit solcher-
lei Kräften an Geist und Gemüt ausgerüstet,
die ihn in den Stand setzen, dem Lehrer auf
seiner nach oben führenden Bahn zu folgen,
so gilt es hinwiederum, diese psychischen
Fähigkeiten zu konzentrieren und ihre ein-
seitige Betätigung zu verhindern. Denn „der
Besitz ungleichartiger Kräfte macht inkonsequent
und widersprechend. Menschen mit einer
vorherrschenden Kraft handeln gleicher nur
nach ihr.** —
Jean Paul's Satz: „Sachen, die man
lange treiben sieht, glaubt man zuletzt selber
treiben zu können" dürfte vielleicht auch als
These gegen das Uebermass von Musizieren
angenommen werden. Ein Kritiker könnte
es in seiner Besprechung eines modernen
Klavierabends gesagt haben! Aber obiges
Wort darf auch als Waffe gelten gegen die
vielen Unberufenen, gegen alle, die sich zu
dem musikalischen Lehramte hindrängen,
ohne im Besitze vollgültiger Kenntnisse und
Erfahrungen zu sein!
Für den praktischen Unterricht finden
sich in Jean Paul's Schriften noch andere
Wahrheiten und Anregungen. Vor allem gilt
ihm, „die Aufmerksamkeit, die Mutter des
Genies*, zu wecken und unausgesetzt nach
jeder Möglichkeit zu steigern. Es gibt nach
ihm zweierlei Arten von Aufmerksamkeit : die
instinktmässige, geniale, ihres Gegenstandes
wartende Aufmerksamkeit und die allgemeine,
menschliche. Die letztere ist weniger zu
w^ecken als vielmehr zu teilen und zu ver-
dichten. Jene dürfte für uns allein in Be-
tracht kommen. Der Lehrer frage daher die
Kinder ewig: „warum?" Das Fragen findet
offenere Ohren als ihre Antworten. Auch
soll nichts unversucht bleiben, Kindern den
Lehrstoff so nahe als möglich zu bringen,
denn „für das Gedächtnis gibt es nur einen
geistigen Talisman, nämlich den Reiz des
Gegenstandes.** Ein anderes Geheimnis des
Lehrerfolgs liegt bekanntlich im langsamen
VooHärtsschreiten und vor allem in der Be-
schränkung. So kommt Jean Paul zu dem
Satze: „Es ist ein Kunstgriff der Gelehrsam-
keit (NB. auch der Kunst!), nur einerlei auf
einmal lange zu treiben. Der Grund liegt
im systematischen Geist der Erinnerung, da
in ihrem Boden natürlich dieselbe Wissen-
schaft sich mit ihren Wurzeln fester verflicht."*
Und darum wird auch mit vollstem Rechte
die Wiederholung die Mutter der Bildung ge-
nannt.
Auch gegen Fehler, ihre Behandlung
und Bekämpfung wendet sich Jean Paul.
Alle ersten Fehler sind die gnissten, sie suche
man auszurotten, und zwar ohne jegliche
Rücksicht, denn „den Kindern fliessen die
Tränen stärker, wenn man ihnen Mitleid be-
zeigt." Aber man hüte sich, dass man nicht
in die Lage komme, vergeblich tadeln zu
müssen, denn es ist schlimmer, als gar nicht
tadeln! — Auch leere Drohungen vermeide
man, denn „auf Kinder wirkt nichts so schwach
als eine Drohung oder Hoffnun^c, die nicht
vor abends in Erfüllung geht". Oft wird es
dem Lehrer möglich sein, seine Forderung in
Form einer Bitte auszusprechen, und es zeigt
Jean Paul's psychologischen Scharfblick, wenn
er sagt, dass der Schüler die Bitte des Lehrers
als ein Geschenk ansehe — ohne Frage eines
der besten und untrüglichsten Mittel, schnell
seinen Zweck zu erreichen und dem Lehrziel
nahe zu kommen!
Hinsichtlich der Auswahl aus dem reichen
Lehrstoffe gibt uns Jean Paul auch manchen
schätzenswerten Fingerzeig. Zuerst warnt er,
den Schüler mittelst leichter Unterhaltungs-
ware zu ködern, ihn gegen höhere Stimmungen
und Eindrücke abzustumpfen und ihn seiner
kostbaren Zeit verlustig gehen zu lassen.
„Wenn man bedenkt," ruft er einmal in ehr-
licher Entrüstung aus, „durch wieviel Kot
unsere Lehrer unseren inneren Menschen wie
einen Missetäter schleifen ...!*' Und eine
Mahnung für uns, deutsche Musik zu pflegen,
deutsche Kunst dem Schüler von allem An-
fang an und vor aller anderen zu bieten,
dünkt mich Jean Paul's Frage und Antwort:
„Welche Dichter soll der Erzieher einführen?
Unsere!" — Andererseits erinnert er wieder
daran, dass man gewisse Werke und Autoren
nicht zu früh gebe, dem Fassungsvermögen
nicht vorgreife und damit zugleich Ueber-
hebungsgelüsten reif sich denkender Schüler
vorbeuge, denn „es ist ein Unglück für das
Schönste, dass dieses Schönste unter den
Händen der Tertianer, Sekundaner und Pri-
— 359 -
maner zerrieben wird", und „nichts ist gefähr-
licher lür Kunst und Herz, Gefühle zu früh
auszudrücken." Ist aber der Zeitpunkt da,
wo Kunst und Empfindungsieben gleicher-
weise entwickelt sind, so führe man den
Schüler ein in die unvergänglichen Werke der
grossen Meister seines Volkes. Denn „die
jetzige Menschheit versänke unergründlich
tief, wenn nicht die Jugend vorher durch den
stillen Tempel der grossen alten Zeiten den
Durchgang zum Jahrmarkte des Lebens
nähme." —
Das Thema ist in den vorstehenden
Zeilen keineswegs erschöpft worden. Es
sollte nur hingewiesen werden auf Jean Paul
als Pädagogen und gezeigt, was an Weis-
heit und Erfahrung in seinen Werken zu
finden und für unseren Beruf nutzbar zu
machen ist. Wohl wallen an der Mensch-
heit immer neue Gedanken vorüber, aber es
scheint mir notwendig, an diese alten, viel-
fach noch ungehobenen Schätze zu erinnern.
Die oben angeführten Sätze sind „der un-
sichtbaren Lo;::e", dem „Quintus Fixlein", der
„Levana" und dem „Hesperus" entnommen;
ihre Zahl könnte mit Leichtigkeit verdreifacht
werden. Solches aber wäre über den ge-
gebenen Raum hinausgegangen, und so bleibe
dies zu Nutz und Erbauung zu tun dem
liebenswürdigen Leser überlassen.
@k )|cdeutai)g der 1<oii)iscbci) ©per.
Von
Dr. Karl Htorck.
1. Ihr Wert als musikalische LebeDS-
äusseruDg.
Für den schwierigsten und wichtigsten Teil
aller Kunstkritik halte ich die Kunstpolitik.
Hier liegt nach meinem Dafürhalten auch das
eigentliche Betätigungsfeld einer wirklich schöpfe-
rischen Kritik. Ei bedarf ja keiner besonderen
Bescheidenheit, sondern nur der ruhigen Betrach-
tung der gesamten Entwicklung der Kunst, des
jeweiligen Verhältnisses zwischen schöpferischer
Kunst und Kritik, um uns klar zu machen, dass
-der wahre Kritiker sich in Demut zu beugen hat
vor der Notwendigkeit im Schaffen des Genies.
Das Genie ist wahrlich jener König, von dem
Schopenhauer spricht, dass man vor ihn hinzutreten
habe und abzuwarten, ob er einen anredet. Grosser
Kunst gegenüber gibt es für die Kritik nur eine
Aufgabe: Streben nach Erkenntnis und so zwingende
starke Mitteilung dieses Verlangens, die grosse
«chöpferische Tat sich nachschaffend zu eigen zu
machen, dass diese Kritik auf andere befruchtend
wirkt, sie zu ähnlichem Streben bewegt.
Aber neben dieser grossen Kunst, neben dieser
Hochlandskunst gibt es eine andere, für das wirk-
liche Leben kaum minder wichtige, die man im
weitesten Sinne des Wortes als Gebrauchskullst
bezeichnen könnte. Das Wort klingt manchen
Ohren vielleicht unangenehm, aber zu Unrecht,
denn es bedeutet ja doch schliesslich auch Kunst,
die wir brauchen, die uns notwendig ist, um über-
haupt unser Leben künstlerisch zu gestalten, so zu
schmücken, dass es von jener Schönheit ist, die
einen der stärksten aller Lebenswerte, eines der
höchsten aller Lebensziele ausmacht.
Das künstlerische Genie gestaltet im Banne
einer inneren Notwendigkeit, die so gross und weit
ist, dass ihre Beziehungen zum gegenwärtigen
Stand der Menschheit oft genug selbst für das Er-
kenntnisvermögen des Genies verschlossen bleibt.
So schafft das künstlerische Genie, vom Standpunkt
der allgemeinen menschlichen Kultur aus gesehen,
eigentlich immer Zukunftswerte, das heisst, die
volle Bedeutung seiner Taten tritt erst in der Zu-
kunft zutage. Das gilt für das künstlerische Genie
fast noch mehr, als für das Tatgenie. Wir brauchen
nur an Goethe zu denken, dessen tiefere Wirkung
auf breitere Mensch hei tssch ich ten heute allmählich
einzusetzen beginnt.
Aber gerade weil so das Schaffen des Genies
über den Alltag und seine Lebensbedingungen
hinausgerückt ist, bedürfen wir auch einer Kunst,
die aus der Erkenntnis der Bedürfnisse dieses Tages
der eigenen Zeit heraus geschaffen wird. Das
braucht keineswegs eine niedere oder auch nur eine
kleine Kunst zu sein. Denn nicht fröhnen soll
diese Kunst den Bedürfnissen, dem Verlangen der
Zeit. Sie soll vielmehr dieses Verlangen erkennen
und indem sie die gesunden und edlen Triebe von
den unreinen Gelüsten scheidet, soll sie jene stärken,
indem nur sie befriedigt werden. Dadurch wird
dann am besten alles Gemeine ertötet. Die Not-
wendigkeit und ünentbehrlichkeit dieser Kunst
leuchtet sofort ein, wenn wir etwa an das Schrift-
tum denken. Dass hier neben den unvergänglichen
Schöpfungen des Genies Werke notwendig sind,
die, abgesehen vom Unterhaltungsbedürfnis der
Stunde, jene Fragen behandeln, die gerade zur Zeit
unsere Herzen und Hirne erregen, wird nur der
360 —
bestreites, der einem ganz ftir sich stehenden
Eünstlertnm huldigt, für den die Kunst nicht eine
Aeassemng der gesamten Lebenskaltnr ist. £s ist
des Ferneren einleuchtend, dass bei dieser Gattung
der Kunst der von geläutertem Geschmack
geleitete Kunstverstand wohl zu erkennen
vermag, was uns in diesem Augenblick nottut, dass
im Anschluss daran auch die Wesens- und Lebens-
bedingungen dieser Kunst zu erkennen sind. Hier
hat also die schöpferische Kritik ein weites Be-
tätigangsfeld.
In einer solchen Lage befinden wir uns auf
dem Gebiete der Oper. Man müsste verstockt sein,
wollte man nicht zugeben, dass nnser heutiges
musikdramatisches Schaffen in einer Sackgasse an-
gelangt ist, aus der wir herauskommen müssen,
aus der das Herausünden aber durchaas nicht
gelingen wilL Alljährlich wird eine grosse Zahl
neuer Opern geschaffen, denen jeder Unvoreinge^
nommene neben vorzüglicher technischer Arbeit ein
reiches Mass echt künstlerischen Könnens, warmes
Empfinden und kräftiges Fühlen nachrühmen mnss.
Nur ein kleiner Bruchteil dieser Werke kommt auf
die Bühne und — kaum ein einziges briogt es zu
einem auch nur kurz dauernden Erfolge. Wie ist
das möglich?
Ich wiederhole: ich spreche hier nicht von
grosser, von genialer Kunst; die steht ausserhalb
aller erkennbaren Vorbedingungen; sie ist, wie
das Genie selber, eine Gabe des Himmels. Ich
rede vielmehr von Gebrauchskunst, feiner
Unterhaltungskunst. Eine solche braucht aber das
Operntheater, wie es sich nun einmal entwickelt
hat, ebensogut wie das sonstige Theater, wie die
Belletristik, wie die bildende Kunst (für Innen-
dekoration, Kunstgewerbe u. dgl.). Nun bringt doch
jedes Jahr eins oder mehrere Theaterstücke, einen
oder mehrere B.omane, denen gegenüber man sofort
fühlt, dass sie keineswegs Dauerkunst sind, denen
man aber trotzdem den Wert feiner und anregender
Unterhaltung and darüber der Fähigkeit zur Aus-
lösung edler und erzieh ungskräftiger Gemüts werte
nicht absprechen kann. Also diese Werke sorgen
nicht nur für eine anständige, erquickende, erholende
Unterhaltung, sondern bewirken bei unzähligen
anspruchsloseren, künstlerisch weniger gebildeten
Gemütern seelische und geistige Veredlung.
Auf dem Gebiete der Oper fehlt dazu die
Parallelerscheinung. Woran liegt das? Ein einziges
Wort ist die Antwort: Wagner. Die ungeheure
Erscheinung Richard Wagner's lastet und erdrückt
unsere Opern komponisten. In dramatischer
(stofflicher) und in musikalischer Hinsicht. Das
Letztere ist das Verhängnisvollste. Dadurch finden
auch jene nicht den Weg zur Selbständigkeit, die
die Notwendigkeit der Loslösuug vom Wagnerischen
Stoffgebiet, weiter gefasst vom Format der drama-
tischen Welt Wagner's erfasst haben. Das Kenn-
zeichen seiner Kunstwelt ist das Riesige aller Mass-
stäbe. Weltgeschicke, die Grundpiobleme des Natur-
lebens im Mythos, die tiefsinnigsten Sagen, die
heiligsten Religionsgefühle, die entscheidenden
Fragen der Kunst bilden Inhalt. GKStter, Halb-
götter und Überlebensgrosse Helden sind seine
Träger und Vollender. In kunstvollstem Einklang
mit diesem Inhalt steht die äussere Einkleidung,
der Bühnen aufwand. Unsere Opernhäuser sind
eigentlich alle viel zu klein; den vollkommensten
Szenerien, der vorzüglichsten Maschinenarbelt gegen-
über haben wir noch immer ein Gefühl des Nicht-
Ausreichens ; die Gestalten der Sänger, ihre Stimmen,
selbst die Gewalt des in ungeahnter Weise ver-
grösserten Orchesters — alles das will noch nicht
reichen. Riesig ist die Aasdehnung dieser Werke;
auch vom Zuhörer verlangen sie, soll er sie voll
geniessen, eine Mitarbeit, zu der er seine ganzen
körperlichen, geistigen und seelischen Kräfte auf-
wenden muss. Riesig ist endlich auch die Musik.
Es war notwendig, dass die Formen gesprengt
wurden; der Inhalt hatte in ihnen keinen Platz.
In wuchtigen, oft mit natürlicher Elementargewalt
gestalteten Motiven sprechen sich die Grund-
gedanken aus; ihre Ausarbeitung verschmäht jede
Verkleinerung, geht immer auf das Volle, Gross-
linige, Farbenstrotzende.
Darin, dass das alles so zusammenstimmt, dass
sich alles zu einem einheitlichen Gesamteindruck
verbindet, liegt das, was Wagner seinen Stil nennt
Es ist das Verhängnis der Nachfolger Richard
Wagner's, dass sie nicht erkennen, dass der Stil
ihres Vorbildes ein geistiger Begriff ist, dass sie
ihn vielmehr in der Form der künstlerischen Aus-
sprache suchen. Da diese Nachfolger in der Regel
nur in musikalischer Hinsicht schöpferisch ver-
anlagt sind, verfallen sie der Mnsiksprache Wagner-s.
Darin, dass sie in dieser Sprache nicht den geisi »gen
Inhalt Wagner's künden, liegt der Grund, der sie
nicht zu Nachfolgern im Geiste, sondern zu un-
fruchtbaren Epigonen macht.
Wenn wir aber uns von einer rein künstle-
rischen Betrachtungsweise der Kunst freimachen,
sie vielmehr als eine Lebenserscheinnng und ein
Lebensbedürfnis ansehen, so kommen wir zur Er-
kenntnis : auch diese geistig gef asste Wagnernach-
folge reicht nicht aus, wenn wir nicht gleich-
zeitig eine Erweiterung des gesamten Gebietes vor-
nehmen, genauer: wenn wir nicht ein Gebiet der
Oper in das musikdramatische Schaffensbereich
aufnehmen, das Richard Wagner nicht betreten
hat. Wagner's ganze Kunst ist Festspielkunst.
Er hat das selber durch die Gründung Bayreuth's^
durch die — natürlich nur als Grundsatz verkün-
dete — Auffassung bestätigt, dass der Stil seiner
Kunst deren Loslösung aus den Bedingungen des
alltäglichen Lebens erheische. Das gebe ich voll-
kommen zu und betone, dass diese Festlichkeit des
Kunstgenusses, die feiertägliche, auch äusserlich
von den Lebensbedingungen des Alltags losgelöste
Darbietungsweise des Kunstwerks für mein Gefühl
nicht nur die höchste, sondern letzterdings d»eein-
— 361
zige vollauf genügende Anfführnngsart grosser
Eonst ist. Das kttostlerische Hochland ist eben
so steil nnd schwer zugänglich, ist ebensowenig
ständige Anfenthaltsstätte wie das irdisch-mate-
rielle, wie die Alpenwelt. Gut denn; aber wir
verlangen und brauchen die Kunst auch
in unserem Alltagsleben. Wir brauchen sie
nicht nur als stärkste« Erleben, sondern auch als
Schmuck, als tröstende und erklärende Schönheit
unseres übrigen Lebens. Um mich greifbarer
und unserem Grebiet entsprechend auszudrücken:
wir brauchen nicht nur das Festspieltheater im
Stile Bayreuth^s; wir brauchen auch Unterhaltungs-
theater. Pie Griechen in ihrer Blütezeit kamen
mit dem Festspieltheater aus; aber in ihrem Leben
hatten die bildenden Künste eine Bedeutung, die
sie für uns niemals gewinnen können, weil wir
von der Kunst weniger Ergötznng der Sinne ver-
langen, als die Griechen, dafür aber unendlich mehr
Labung der Seele. Poesie und Musik sind uns
darum unentbehrlicher; für Plastik und Architektur,
die den Griechen die tägliche Kunst nahrung gaben,
sind wir nicht so empfänglich.
Auf dem Gebiete der Oper bietet diese er-
quickende Unterhaltung am besten die komische
Oper. Und zwar sind hier alle Formen in künstle-
rischem Charakter möglich, von der derbkräftigen
Burleske über die behagliche Schilderung der Klein-
welt des Volkslebens, zur fein gearbeiteten, den
Feinschmecker ergötzenden Kleinarbeit des zier-
lichen Musikspiels bis hinauf in die sonnige Welt
eines tiefgründigen, die Widersprüche des Lebens
lächelnd lösenden Humors. Nur dieses letztere
Gebiet hat Wagner in sein Schaffen einbezogen,
in den „Meistersingern". Wir sehen also, dass
auch hier dieser Weg. wie jeder einer wahrhaften
Kunstübung, wenn er vom Grenie der Grösse be-
gangen wird, wieder in die erhabenste Kunsthöhe
mündet. Aber auch in den „Meistersingern" hat
Wagner eine Ewigkeitsfrage des Kunstlebens in
den Mittelpunkt gerückt, der die Schicksale des
bürgerlichen Stoffes zurückdrängt: den Kampf
zwischen Natur- und Schulkimst. So kann man
also auch die .Meistersinger' nicht eigentlich in's
Gebiet der komischen Oper einbeziehen.
Aber nicht nur Wagner hat die komische
Oper vernachlässigt, sondern die deutsche Kunst
überhaupt. Und wenn wir einzelne Meister der
komischen Oper besitzen, so hat diese doch weder
für die Schaffenden, noch für das empfangende
Volk jemals die Bedeutung erlangt, die sie In Frank-
reich oder Italien gefunden hat, wo sie die schönsten
Früchte des nationalen Kunstschaffens gezeitigt
hat Dass dieser Baum im Garten der deutschen
Kunst nicht zu gedeihen vermochte, so humorbegabt
das deutsche Volk an sich ist, wird uns nicht
wundern, wenn wir bedenken, wie für uns Deutsche
die Kunst seit dem Jammer des Dreissigj ährigen
Krieges nicht leichter Schmuck des Lebens sein
konnte, vielmehr uns die höchsten Werte geistigen
und seelischen Lebens gewinnen musste. Das
Dichter wort: „Ernst ist das Leben, heiter ist die
Kunst* muss für uns Deutsche erst noch die Er-
füllung finden. Bislang war unsere Kunst, weil
sie Leben war, ebenso ernst wie dies Leben selbst.
Nan aber ist in den letzten Jahrzehnten dieses
Leben leichter, reicher, genussfähiger geworden.
Aus den lange dauernden Zeiten der Sehnsucht
sind wir in eine Zieit der Erfüllung gelangt. Das
Haus unseres Lebens ist jetzt gebaut; wir dürfen
und müssen nunmehr daran denken, dieses Haus
zu schmücken. Ein solcher Schmuck im musika-
lischem Sinne ist die komische Oper.
Das Verlangen des Volkps nach dieser komischen
Oper gibt sich in deatlichen Zeichen kund. Es
hat dahin geführt, dass, weil dieses Verlangen nicht
durch edle Kunstdarbietuugen befriedigt wurde,
die gemeine und niederträchtige Operette einen
schrecklich breiten Baum in unserem Theaterleben
einnimmt. Ein erfreulicheres 2jeichen ist die breite
und ausgiebigere Pfiege Lortzing's. Aber auch die
schaffenden Künstler erkennen dieses Bedürfnis.
Die Versuche, es zu befriedigen, mehren sich; be-
deutende Musiker sind daran beteiligt. Dass auch
der Geschäftssinn diesen Gang der Entwicklung
wittert, beweist die Tatsache, dass in Berlin ein
besonderes Theater für die komische Oper eröffnet
worden ist. Noch haben unsere Künstler die Lösung
der erkannten Aufgabe nicht gefunden. Wie sie
zu finden ist, zeigt uns die Erkenntnis der geistigen
Vorbedingungen, das Erfassen des Stiles der
komischen Oper. Dazu gelangen wir durch die
Erforschung ihres geschichtlichen Entwicklungs-
ganges. Die erwähnte theatralische Neugründung
kann leicht dazu verhelfen, dass die theoretischen
Erkenntnisse nunmehr praktisch erprobt werden
können. Darin liegt die grosse Bedeutung dieses
neuen Theaters.
SiebentonscDrift? — ZwSinotscDritt?
Von
K. JH. Bftssler. (Schluss.)
Die Varianten, nach welchen die Tonleiter- oder auch nur der C- du r -Tonleiter stets weiss
töne der jeweilig in Frage kommenden Tonarten und die anderen Töne stets schwarz oder umge-
— 362 —
kehrt dargestellt werden können, oder in welchen
überhaupt alle Töne schwarz sind, erreichen
nicht die Deutlichkeit der Hauptdarstellnng und
können daher weniger in Betracht kommen, zumal
es nicht von Bedeutung ist, ob die Quinte, nach
der Oktave das konsonierendste Intervall, mit
gleich- oder ungleichfarbigen Noten auftritt; in
dem bisherigen System ist ja nicht einmal die
Oktave symmetrisch gelagert. Auch die Variante,
in welcher sich die Noten auf den Linien und in
den Zwischenräumen schwarz (statt weiss) und
die anderen Noten weiss darstellen, tritt gegen
die Hauptdarstellung zurQck.
No. 1 bringt von der Durtonart und von den
beiden Molltonarten je zwei Tonleitern, und zwar
die La- (C-) und die So- (A-) Tonleiter, zur Ansicht,
um den Vergleich einerseits zwischen Tonarten mit
beginnender weisser (a-) und schwarzer (o-)
Note, andererseits zwischen Dur und Moll zu er-
möglichen. Der Vorteil der regelmässigen Ver-
wendung weisser (a-) und schwarzer (o-) Noten
und der damit zugleich parallel gehenden a- und o-
EnduDgen der Namen fällt hier recht deutlich ins
Auge. Treten die Sekunden bei ununterbrochener
Reihenfolge immer nur in der einen Farbe und
der einen Namensendung auf, so setzen die-
selben nach Unterbrechung durch ein einstufiges
oder ein dreistufiges Intervall in der entgegen-
gesetzten Parbo beziehentlich Namensendnng fort.
Die Darstellungen in No. 2 geben Gelegenheit,
Gruppen transponierter Akkorde und die in den-
selben auftretenden Intervalle gegeneinander ver-
gleichen zu können. Während alle gradstufigen
Intervalle, darunter die Prime (0-), die Sekunde (2-\
die grosse Terz (4-), die Oktave (12stufig) gleich-
farbige, also entweder nur weisse (a-) oder nur
schwarze (0-) Noten aufweisen, kennzeichnen sich
die ungeradstufigen Intervalle, unter diesen die
kleine Terz (3-), die Quarte (5-), die Quinte (7-),
die Sexte (9-), die Septime (llstufig), durch un-
gleichfarbige Noten. Die gleichfarbigen Noten
der Sekunde stehen um zwei Linienbreiten ver-
schoben neben- und die ungleichfarbigen, aber
sich immer noch berührenden Noten der kleinen
Terz übereinander, wogegen die gleichfarbigen
Noten der grossen Terz zwischen sich einen Baum
von Linienbreite lassen.
Da es in dem bisherigen System, wie schon
gesagt, Terzstufen gibt, z. B. c . . . e und e • . g
oder a . . c, die äusserlich zwar gleich, nach ihrem
Fassungsvermögen jedoch verschieden sind, nicht
selten aber in die Terzstufen mit grossem Fassungs-
vermögen kleine Terzen und in die mit kleinem
Fassungsvermögen grosse Terzen unterzubringen
sind — ähnlich wie beim Ausrenker Prokrustes die
kleinen Menschen in das grosse Bett und die
grossen in das kleine Bett gebracht wurden, ledig-
lich, um sie auszurenken, beziehentlich zu ver-
stümmeln — , so müssen sich hieraus ganz unnatür-
liche, karrikaturähnliche Bezeichnungen, wie Xf
oder i?ba statt g, l^g oder j]t^a statt gis — as
u. s. w. ergeben. Wenn Capellen in der ,Nenen
Musikalischen Presse" schreibt, die Zwölftonschrift
berühre einen feinfühligen Musiker ähnlich dem
Kritzeln auf einer Schiefertafel in der Eleinkinder-
schule, so muss man sich unwillkürlich fragen,
welches Empfinden derselbe feinfühlige Musiker
wohl haben mag, wenn er sich z. B. in H-dur statt
des um einen halben Ton erhöhten a gerade den
von den Chromatikern notierten ais-hes (b) Ton ins
Ohr senden lassen muss. Was speziell den b-Ton
betrifft, den Capellen der Siebenzahl zulieb von
den „Naturtönen** ausschliesst und als „abgeleiteten**
— indessen gelegentlich auch wieder als „im Natur-
gesetz offenbarten" — Ton bezeichnet, so erweist
sich dieser der Enharmonik gegenüber als ein recht
ungebärdiger Geselle, denn zufolge seines ihm „Sitz
und Stimme" in der Obertonreibe sichernden
Schwingungen Verhältnisses unterschreitet er bei
Erniedrigung der Töne den hes-Ton und entfernt
sich zufolgedessen weiter noch als dieser von dem
höherstehenden ais-Ton. Aber trotz alledem ver-
mag der in den Bee- und Kreuztonarten erklingende
gleiche Ton auch das Ohr des feinfühligen £n-
harmonikers zu entzücken. Sollte es da nun nicht
richtiger sein, stets den einen gleichen Ton zu
notieren? Welchen Ton übrigens stellt in diesem
Falle die enharmonische Schreibweise neben dem
ais-Ton dar, den eigentlichen hes- oder den t>-Ton?
Um Töne um ein halbes Intervall erhöhen oder er-
niedrigen zu können, bedarf es eines Massstabes.
Als solcher dient das als halber Ton bezeichnete Inter-
vall e-f oder h-c. Da bei der steigenden Ton reihe in
jedem der Ganztöne, auch der grösseren, der Halb-
ton e-f nur kn app (bei der fallenden Tonreihe reich-
lich) zweimal aufgeht, teilt sich der zu halbierende
Ton in zwei ungleiche Hälften, in die abzu-
messende grössere und in die restliche
kleinere Hälfte. Falsch ist es dabei, die erstere
Hälfte, z. B. a-ais, als den kleinen halben Ton
und die letztere, z. B. a-hes, als den grossen
halben Ton zu bezeichnen, da allein die Grösse
des Intervalls für die Bezeichnung massgebend sein
sollte, wonach es aber nur umgekehrt richtig wäre.
Nachdem man nun bei der Bildung von Tonleitern
mit Qu inten Sprüngen und unter Zuhilfenahme
des bezeichneten Massstabes bis zu sechs oder
sieben Kreuzen gekommen ist, sucht man den
weiter anstürmenden Schwärmen von Kreuzen
durch Quartensprünge zu entgehen, aber auch
nur, um mit Mühe und Not, verfolgt von ganzen
Scharen von Been und unter Darangabe des Bestes
der schon in den Kreuztonarten z. Tl. verloren
gegebenen Konsequenzen das Ziel zu erreichen.
Während man nämlich bei Abmessung der einzeluen
Tonleiterintervalle peinlich jede der untereinander
verschiedenen, nur für die ursprünglichen sieben
Töne zugeschnittenen sieben Stufen zu besetzen
suchen und deshalb zu den mannigfaltigsten Be-
zeichnungen für ein und denselben Ton greifen
— 363 —
mu68, soll andererseits nichts weiter dabei sein,
dass — selbstverständlich immer vom Grandton
aas — der das Intervall beginnende oder schliessende
Ton, in dem Falle, dass er ein sogenannter abge-
leiteter Ton, eine Tonhälfte ist, sehr oft statt einer
Genaastellang eine Verkürzung des Intervalls
zur Folge ha^ Letzteres ist aber der Fall, sobald
die das Intervall ergänzende Tonhälfte, die hier der
Enharmonik geradeza ins Gesicht schlägt, eine
restliche ist. Was kommt denn nun daraaf an,
wenn sich die Intervalle, z. B. c-cis and des-d,
räumlich glelchmässig in die Stufe c-d teilen,
wenn also für eis und des nur ein Ton, der tem-
perierte Ton cis-des, geschrieben und diesem einen
Tone nur ein Name gegeben wird. Hör-,
Schreib- und Ben ennuugs weise decken sich
dann und die gleichnamigen Intervalle der je zwölf
Dur- oder M o 1 1 -Tonarten gehen besser parallel
als jetzt, wo, wie die Sache bezüglich der Hest-
tonhälften nun einmal liegt, die F- und Fis-dur-
und die F- und Fls-m oll -Quarten in Widers'pruch
mit der C-dar-Quarte stehen und ferner die Moll-
Terzen C, Cis, F, Fis, G, Gis sich nicht mit der
A-moll-Terz decken, von den aus gleichem Grunde
verzerrten Zwischenintervallen noch ganz abgesehen,
auch davon abgesehen, dass die Verschiedenheit
der Ganztöoe selbst die Grösse der Kesthälften der
Intervalle um ein Geringes beeinilusst.
Also um soviel genauer die enharmonische
Schreibweise viele Intervalle angeblich darstelle,
gerade um soviel ungenauer erscheinen sie gegen-
über der Zwölftonschrift, wobei aber letztere den
Vorzug hat, die Töne dem Auge so vorzustellen,
wie sie dem Ohre geboten werden, während die
bisherige Schreibweise und alle darauf basierenden
Reform vorschlage in Widerspruch damit stehen.
Eigentümlich muss es daher berühren, wenn an-
gesichts dieser Tatsachen von der enharmonischen
Schreibweise als von einer tonlichen Feinheit
gesprochen wird. Kann man aber mit der Er-
höhung und Erniedrigung der Töne nicht durch-
gehends die Vorstellung verbinden, dass wenigstens
in theoretischer Hinsicht die gleichnamigen Inter-
valle genau parallel gehen, so hat die Enharmonik
nicht nur keinen Zweck, es wird sogar die Ein-
führung der Zwölftonschrift zur Notwendigkeit.
Diese Notwendigkeit erkennt auch Capellen an,
jedoch nur für den Fall, „dass kein besserer Ersatz
zur Stelle wäre." In Gestalt der Tonschrift-
reform Capellen soll nun dieser bessere Ersatz
vorliegen. Uebrigens treffender als an den durch
Gegenüberstellung der Fis- und Ges-dur Skalen
nach der Zwölf tonschrift, eingezwängt in die Formen
der enharmonischen Schreibweise, hervortretenden
Sprüngen und Leittonmissverhältnissen hätte
Capellen nicht nachweisen können, dass gerade in
der letzteren Schreibweise etwas nicht ganz richtig
ist, nämlich die unregelmässige Verwendung
eines regelmässig gestuften Liniensystems.
Es kann deshalb auch gar nicht wundernehmen, dass,
wenn das Capellen^sche Experiment umgekehrt
gemacht wird, wenn also die beiden Tonleitern nach
der Siebentonschrift in die Zwölfstufenteilung ein-
gebracht werden, die gleichen ausschliesslich
der Enharmonik zuzuschreibenden Missstände zu
Tage treten. Die Vorzeichnungen und die sonstigen
Versetzungszeichen, die Keile nicht ausgeschlossen,
beweisen denn auch die ausserordentlich schwierige,
mühsame Verschiebung der Tonleitern und Ton-
stücke auf dem bisherigen Liniensystem. Es ist,
als wenn jemand auf der Leiter auf- und nieder-
steigen wollte, in welcher eine Anzahl Sprossen
fehlen. Der gute Wille, alle Intervalle recht genau
zu bezeichnen, ist beim enharmonischen Prinzip
unverkennbar vorhanden, dieses aber zu vermögen,
dazu mangeln ihm leider die Fähigkeiten — schon
von Geburt an. Daher empfiehlt es sich, gleich-
massig (chromatisch) vorwärts zu schreiten, anstatt
bald Doppel schritte, bald einfache Schritte zu gehen
und hierauf noch Extraschritte, diese des Öfteren
sogar wieder zurück, dozu za machen. Dann ist
jedenfalls auch der Rückweg ein geebneterer.
In No. 3 sind die schon einmal verwendeten
drei Takte aus „Mit Myrten und Rosen" von
R. Schumann dargestellt. Man mag dieses Noten-
bild mit dem gleichen nach der „Sieben tonschrift
ohne Vorzeichnung" oder der , Tonschriftreform
Capellen" oder der „bisherigen Schreibweise" (siehe
Klavierlehrer No. 2) vergleichen, immer wird man
den Eindruck grosser Vereinfachung haben. Wie
einfach lassen sich namentlich auch die Trans-
positionen im Geiste vorstellen, die entweder genau
wie das Original oder nur insoweit verändert er-
scheinen, als die Farben gewechselt haben, während
bei Transpositionen desselben Tonbrnchstückes in
der bisherigen Schreibweise über gar zu viele
0 Steine des Anstosses" (die Original takte ent-
halten 32, die Transpositionen sogar bis etwa
50 Versetzungszeichen) hinweggeholpert werden
muss.
In No. 4 sind Klaviaturen dargestellt. Ver-
gegenwärtigt man sich und hält man fest, dass
die Noten: La, Ma, Na, Ra, Sa, Wa als a-Noten
den Tasten: c, d, e, üs, gis, ais als a-Tasten und
die Noten: Lo, Mo, No, Ro, So, Wo als o-Noten
den Tasten: cis, dis, f, g, a h also-Tasten
entsprechen, so dürtten die teilweise sich wider-
sprechenden Farben zwischen Noten und Tasten
(Klaviatur A) kaum zu Irrungen Anlass geben.
In zwei anderen Klaviaturen (B u. C) ist die Farben-
kennzeichnung der Tasten mit derjenigen der Noten
übereinstimmend dargestellt. Die Vincent- und
die Janko -Klaviatur entsprechen am natürlichsten
der Zwölfstufen-Tonschrift.
Wenn einmal — früher oder später wird es
doch geschehen müssen — die Frage wegen Ein-
führung einer einfacheren Tonschrift ernstlich zu
erwägen sein wird, so möge man nicht verfehlen,
ganze Arbeit zu verrichten, da nach einer die
Anschlussfähigkeit an die bisherige Schreibweise
— 364 —
im Uebermass berücksichtigenden, weniger durch-
greifenden Verbesserung der Ruf nach weiterer
Beform sehr bald wieder ertönen würde. Sollen
die Werke unserer grossen Komponisten neben den-
jenigen unserer grossen Dichter Platz finden, so ist
es vor allem notwendig, dass sie nicht wie ein
.Buch mit sieben Siegeln** erscheinen, sondern in
einer Schrift geschrieben sind, die von jedermann,
nicht bloss von einigen Auserwählten, leicht erlernt
und verstanden werden kann.
= Kritische Bückschau :
über Konzert und Oper.
Von
Dr. Karl Htorck«
Das wichtigste Ereignis des Musiklebens —
nicht nur des Berliner, sondern des deutschen über-
haupt — ist die Eröffnung der Komischen
Oper. Die Gründe, die mir diese Lieberzeugung
geben, habe ich in einem besonderen Aufsatze dar-
getan, auf den ich die Leser verweisen muss. Hier
habe ich also nur des Tagesereignisses zu gedenken.
Schon die Eröffnung einer zweiten Opernbühne an
sich ist für Berlin von höchster Bedeutung. Das
königliche Opernhaus allein reicht weder für die
praktischen, noch für die künstlerischen Bedürf-
nisse aus. Hier ist endlich ein Privatunternehmen
entstanden, in dem man die Erfüllung der Aufgabe
einer zweiten Oper wenigstens bis auf einen aller-
dings sehr wichtigen Funkt erwarten darf. Dieser
ist eine Volksoper im ganz gewöhnlichen Sinne
einer billigen Oper. Darauf verzichtet das neue
Unternehmen von vornherein: ein Parkettplatz
kostet 7 Mark, also nur eine Mark weniger, als in
der königlichen. Das heisst, man munkelt, dass
hier der Preis des Parkettplatzes vom Januar ab
auf 10 Mark erhöht werden soll, wodurch dann
wenigstens der Charakter der Oper für das Berliner
Börsianerviertel einheitlicher getroffen sein wird. Ich
glaube, wir werden die Frage der Volksoper für's erste
am besten so gelöst erhalten, dass die beiden vor-
handenen Privatopem (die komische und das Theater
des Westens) an einzelnen Wochentagen in den
Schillertheatem ein Gastspiel veranstalten. Es
werden dabei freilich nur jene Werke in Betracht
kommen, die weniger szenischen Aufwand verlangen.
Die Komische Oper ist also ein Luzustheater
mehr. Betrachten wir sie demnach nicht vom
Kultur- sondern vom rein künstlerischen Stand-
punkte aus. Der Bau ist architektonisch miss-
lungen. Dieses Barock leidet an völliger Knochen-
erweichung ; die Steinmassen sind vom Architekten
wie dickflüssiger Brei behandelt und stehen nun
in Erstarrung da. Bedeutend ist dagegen die
Arbeitsleistung hinsichtlich der Zweckerfüllung.
Auf einem äusserst günstig in der besten Theater-
gegend gelegenen Platze, der halb so gross ist, wie
der des Lessingtheaters, sind ebensoviele Plätze ge-
wonnen. Soweit ich mich überzeugen konnte, ist
von allen Plätzen gut zu seheu. Die Akustik ist
vorzüglich und durchaus vornehm. Dass die Bühne
mit allen Erfindungen der Neuzeit ausgestattet ist,
bedarf nicht der besonderen Erwähnung; hervor-
ragend ist die Beleuchtung.
Es sind bis zum nächsten Bericht einige Neu-
einstudierungen zu erwarten; über die Leistungen
der Künstler will ich erst danach urteilen. Heute
nur so viel, dass die Eröffnimgsvorstellung, zu der
man seltsamerweise Offenbach^s komische Oper
,die Erzählungen Hoff manns*^ gewählt hatte, einen
sehr guten Eindruck hinterliess. Orchester und
Chor sind leistungsfähig; die Kegie verriet die
Meisterhand von Morris, die Ausstattung war
nicht bloss reich, sondern zeugte auch von Greschmack.
Also alles Aeussere ist soweit günstig, und da auch
der Direktor HansGregor schon in seinem früheren
Wirkungskreise (Elberfeld) Unternehmungsgeist und
Selbständigkeit bewiesen hat, dürfen wir Gutes
erwarten. —
Die Königliche Oper brachte ausser einer
Neueinstudierung des Nibelungringes, die leider zu
besonderen Ausführungen keinen Anlass gibt, da
fast nichts neu war, dieses Wenige aber keine
Besserung bedeutete, die erste Aufführung vod
Beethoven's ,Leonore".
Es handelte sich in der Tat um die Erstauf-
führung eines Werkes, dessen Uraufführung genau
vor 100 Jahren, am 20. November 1805, im Theater
an der Wien stattfand. Ausser den damaligen
drei Aufführungen ist Beethoven^s einzige Oper
nie wieder in dieser Gestalt gegeben worden. Da-
mals vermochte man nicht einmal von einem
Achtungserfolg zu berichten. IlVeilich trugen
äussere Umstände daran zum guten Teil die Schuld.
Wien war acht Tage zuvor den Franzosen in die
Hände gefallen, und die französischen Offiziere,
die das Parkett füllten, waren die letzten, die sich
für dieses hohe Lied der Gattenliebe begeistern
mochten. — Immerhin, man muss gerecht sein,
so wenig die Ablehnung berechtigt war, die laue
Aufnahme ist erklärlich. Blind muss man sein,
um nicht immer wieder die Biesentatze des
gewaltigen Löwen zu sehen, der Löwe selber aber
verkriecht sich hinter die Wände des Theaterkäfigs.
Beethoven war eine ungemein dramatische Natur;
von Theaterblut aber hatte er keinen Tropfen
in den Adern. Was den Meister auch in der
— 365
schwerfälligen Bearbeitung, die Sonnleithner dem
nach einem fait historiqne vom „poete larmdyal^
J. N. Boailly gearbeiteten Opern texte „Leonore»
on l'amonr conjngal" angezogen hat, war das
gewaltige seelische Erlebnis der beiden Gatten, war
das Heldentum des Weibes und die dämonische
Bachgier Pizzarro*6. Er hat es selbst gesagt, dass
er Die die Opern texte Mozart's hätte komponieren
können, dass er sich für seine Stoffe begeistern
können masste. Aber dieser echt dramatische, den
Meister in seinem Innersten aufwühlende Stoff
war eingepackt ia die Hüllen eines in hergebrach-
tester Form hergerichteten Singspiels. Die wenigen
echt empfundenen Menschen bewegten sich zwischen
einer Beihe von Gestalten, die in- ihrem seit lange
geübten Theaterberuf zu Puppen erstarrt waren.
Dass Beethoven trotz allem von der Aufgabe
gefesselt war, geht daraus hervor, dass er sich von
ihrer Vollendung nicht abhalten Hess, trotzdem der
Italiener Fernando Paer aus seiner Opernfabrik
eine „Leonora ossia Tamore conjugale" viel früher
an die Bühne brachte. Andrerseits ging dem In-
stramentalkomponisten Beethoven, der sich bislang
mit dramatischer Komposition noch garnicht, ja
nur wenig mit vokaler beschäftigt hatte, die Arbeit
nur langsam von der Hand. Der Meister mubs
übrigens selbst das Gefühl gehabt haben, dass sein
Werk noch nicht das sei, was er selbst erstrebte.
Er, der später (19. n. 1813) schrieb: „Ich bin nicht
gewohnt, meine Kompositionen zu überarbeiten.
Ich habe das nie getan, da ich von der Wahrheit
durchdrungen bin, dass jede teilweise Aenderung
den Charakter der ganzen Komposition verändert,*^
war jetzt leicht für eine Neubearbeitung zu
gewinnen.
Es waren nicht nur thea^ererfahrene, sondern
auch künstlerisch fein emp£ndende Freunde, die
gemeinsam mit dem Meister sich über diese Um-
arbeitung berieten. Der dabei befolgte Grandsatz
war nicht Erhöhung der theatralischen Wirk-
samkeit, sondern der dramatischen Wahr-
haftigkeit. Vor allem ging der Komponist von
diesem Gesichtspunkte aus. Er hatte eingesehen,
dass für die dramatische Komposition andere Grand-
sätze massgebend seien, als für die rein instrumentale,
dass hier nicht aus masikalii>chen Formen abge-
leitete Gesetze zu befolgen seien, sondern nur das
eine grosse Gesetz der dramatischen Wahrheit der
Situation und der Charaktere. Eine starke Zu-
sammenziehung des musikalischen and Erhöhung
des charakteristischen Ausdrucks im Gesang
zeichnete bereits die am 26. März 1806 aufgeführte
Neubearbeitung aus. Der Erfolg war denn auch
jetzt besser, immerbin nicht so, dass «ich das Werk
auf der Bühne zu behaupten vermocht hätte.
Das gelang erst mit der dritten noch viel
sorgfältigeren Durcharbeitang, die der inzwischen
gewaltig herangereifte Künstler 1814 vornahm. Die
am 23. Mai 1814 zur Aufführung gelangte dritte
Bearbeitung ist der „Fidelio**, den wir als eines
der gewaltigsten und tiefdringendsten aller musik-
dramatischen Werke seit lange verehren und
lieben. —
(Schluss folgt)
Mitteilungen
▼ on Hoohsohulen und Konservatorien.
Professor Dr. Otto Kl au well, das lang-
jährige verdienstvolle Mitglied des Lehrerkollegiums
des Konservatoriums für Musik in Köln,
wurde vom Vorstand des Instituts zum stell-
vertretenden Direktorder Anstalt gewählt.
Egon Petri, Sohn des bekannten Dresdener
Professors Petri, ist an die Boy al College of Music
in Manchester als Nachfolger von Wilhelm Back-
haus berufen worden.
Die Hochschul e für Musik in Mannheim
plant für Januar eine Feier zur Wiederkehr des
150. Geburtstages Mozart's, zu der Max Oeser
den Festvortrag übernommen hat. Mozart's
Erden leben ist bekanntlich in vieler Beziehung mit
Mannheim verknüpft.
Dr. Friedrich Ludwig, der neue Privat-
dozent der Musikgeschichte an der Universität
<Stra6sburg, hat sich mit einer öffentlichen An-
trittsvorlesung über das Thema ;,Die Aufgaben der
Forschung auf dem Gebiete der mittelalterlichen
Musikgeschichte" eingeführt. Dr. Ludwig ist
der Nachfolger von Professor Jacobsthal, der
wegen Krankheit von seiner Professur zurücktreten
masste.
Das Erich Wegm an u'scheKonservatorium
der Musik zu Braunschweig eröffnete die
Wintersaison mit einem Konzert, dessen interessant
zusammengestelltes Programm 2^ugnis von fleissiger
Arbeit und einer Zahl vorgeschrittener, der
Konzertreife zustrebender Schüler ablegt. Aus-
geführt wurden für Klavier Werke von Bach-
Tausig, Mozart, Brahms, Grieg, Chopin und
Liszt, ein Konzert für Violoncello von H.
Schroeder und eine Beihe von Liedern und Arien
von Gluck, Schubert, Henschel und Kann.
Das Königl. Konservatorium für Musik
zu Dresden hat zwei seiner letzten öffentlichen
Aufführungen Felix Draeseke, durch Wiedergabe
seiner Werke, gewidmet. Die erste, zum Besten
der Unter8tützungs-(Pension8-) Kasse der Lehr-
anstalt, brachte nebst einem Prolog von Adolf
Stern die ^Sonata quasi Fantasia'^, op. 6, „Lieder
für Bariton" aus op. 20 u. 24, ein ^Quintett'* in
A-dar, das noch Manuskript ist. Das zweite Kon-
— 366 —
zert, znm Besten der Freistellen-Gewähi-ung,
enthielt das Vorspiel zur Oper „Bertran de Born",
die Baliade, «Pausanias*', op. 34, einen sechsstimmigen
gemischten Chor za dem Drama „Meleager*', op. 47
„Sonntags am Rhein" für vierstimmigen Franen-
chor, op. 41 „Die Heinzelmännchen", op. 16 ^Ans
den Weihestünden' ^ Lieder für Bariton nnd op. 36
„Klavierkonzert", Es- dar von Fr. Rappoldi-
Eahrer gespielt.
Vermischte Nachrichten.
Josä Vianna da Motta wnrde nach dem
letzten Symphoniekonzert der Herzoglichen Hof-
kapelle in Coburg vom Herzog zum Hofpianisten
ernannt.
Frl. Olga Stieglitz bestand in Bern das
Examen als Dr. phil. mit der Note „samma cum
lande". Das Thema ihrer Dissertation ist dem
Gebiet der Musikästhetik entnommen und lautet :
,Die sprachlichen Hilfsmittel für Verständnis und
Wiedergabe von Tonwerken."
In Salzburg werden eifrig Vorarbeiten für
die grosse Mozart-Gedenkfeier getroffen, die
Mitte Augast 19()6 stattfinden soll. Zur Auffüh-
rung sind „Don Juan" und „Figaros Hochzeit" in
Aussicht genommen, und zwar unter Mitwirkung
von 11 Solisten, 30 Orchester- und 24 Chormit-
gliedern des Wiener Hofoperntheaters. Für „Fi-
garos Hochzeit" wird die Drehbühne zur Verwen-
dung gelangen. — Die Zentralleitung der Mozart-
Gemeinde hat es mit Erfolg unter nommen, eine
Anzahl von reichsdeutsrhen und österreichischen
Opernbühnen dem Projekt des Baues eines Mozart-
Hauses insofern dienstbar zu machen, dass im
kommenden Jahre Mozart-Opern aufgeführt werden,
deren Reinerträgnis dem Mozart-Hausbaufonds zu-
fiiessen soll.
In Paris soll im nächsten Sommer das seit
langem geplante Beethoven -Denkmal von
Jose deCharmoy tatsächlich errichtet werden,
und zwar in Kanalaph, neben dem Park de la
Muette. Der Entwurf zeigt an den vier Ecken
des rechtwinkligen Sockels je eine Engelfigur mit
ausgebreiteten Flügeln, deren Spitzen zusammen-
laufen und das gewölbte Dach tragen, unter dem
Ludwig van Beethoven als nackte Gottheit ruht.
„Der verlorene Groschen", das neue, „Tanz-
märchen benannte" Ballet von Johannes Doeb-
ber, Hofkapellmeister in Hannover, wird dem-
nächst in glänzender Ausstattung am Stadttheater
in Frankfurt a. M. zur Aufführung kommen. Wei-
tere bedeutende Bühnen sind behnfa Erwerbung
dieses eigenartigen und interessanten Werkes mit
dem Autor in Verbindung getreten.
Mit der Frage, ob der Firma Breitkopf &
Härtel in Leipzig das Konzert-Aufführungt-recht
einzelner Stücke aus Richard Wagner 's Lohen-
grin und Tristan bestritten werden kann, wird sich
nunmehr auch das Beichsgericht zu beschäftiji^en
haben. Ein endgiltiges Urteil in dem Bechtsstreit
der Genossenschaft deutscher Tonsetzer (Anstalt
für musikalisches Aufführungsrecht) in Berlin
gegen die Firma Breitkopf & Härtel ist also noch
nicht ergangen.
In dem Kunstverlage von F. A. Ackermann,
München, sind zwei Künstlersteinzeichnungen
von Karl Bauer: „Beethoven und Wagner" er-
schienen, Brustbilder in Lebensgrösse zum Preise
von je 4 Mk. Beethoven ist in dämmeriger Be-
leuchtung dargestellt, die Züge von körperlichen
und seelischen Leiden stark durchfurcht. Wagners
Antlitz zeigt eine gewisse Buhe, nur die sinnend
in die Ferne schweifenden Andren verraten die ihn
beschäftigenden neuen Phantasiegestalten. Die
Kunstblätter dürften sich trefflich zu Weihnachts-
geschenken eignen.
Eugen d'Albert'sneue Oper „Flauto solo*
hatte bei ihrer Uraufführung im Neuen Deut-
schen Theater zu Prag am 12. November einen
durchgreifenden Erfolg und dürfte mit ihrem reiz-
vollen Zeitkolorit ein würdiges Seitenstück zu des
Komponisten anmutiger „Abreise" werden.
In Nummer 20 des „Klavier- Lehrer" befand
sich ein Aufsatz des Herrn Vianna da Motta
über Mattis Lussy und Hugo Riemann*,
welcher einer berichtigenden Ergänzung bedarf.
Herr Vianna da Motta meint, Lussy und Riemann
seien die einzigen Männer, denen die Rhythmik
ihre jetzigen Resultate verdankt, sie seien wahre
Entdecker einer neuen Wissenschaft. Diese An-
sicht entspricht nicht mehr dem Standpunkt der
modernen Forschung. Im ersten Januarhefte 1905
der Zeitschrift „Die Musik" hat Riemann erst-
malig auf den eigentlichen Begründer der Phra-
sierungslehre hingewiesen. Es ist der Franzose
Jörome Joseph de Momigny (1702—18^38), der
in seinem „Cours complet d'harmonie et de com-
position" (1806) und namentlich in dem von ihm
bearbeiteten 2. Bande (1818) des Musikfeils der
Encyclop^die methodique die gesamte Phra-
sierungslehre in ihren Kernpunkten niedergelegt
hat. Als Biemann die Ausführungen Momigny's
las, erschrak er, denn sein leibhaftiger Doppel-
gänger stand vor ihm. Momigny hat Riemann
den Gedanken von der prinzipiellen Auftaktbe-
deutung der leichten Weite und den von der
prinzipiellen Gleichheit des geraden und ungeraden
Taktes vorweggenommen. Ja, er unterscheidet
auch männliche und weibliche Endungen. Bisher
glaubten wir, geistvolle Terminologien wie „ter-
minaison feminine" und „raesure ä cheval** fceien
— 367 —
Lussy^s geistiges Eigen tarn, sie stehen aber,
prägnant nnd teilweise witzig deüniert, schon bei
Momigny. Kiemann schreibt in seinem Lexikon
(Art. Momigny): ,Lussy, Westphal, Kiemann haben
nichts neaes gesagt, sondern nnr wiederholt, was
Momigny lange vor ihnen behanptete*. Wer sich
in dieser Angelegenheit orientieren will, lese Hie-
mann*s Bericht über seine Wiederentdecknng
Momigny's, der oben erwähnt wnrde.
Dr. Carl Mennicke.
Bücher und Musikalien.
Wilhelm Kienzl, op. 30. ^Kinderliebe und Leben''.
12 kleine Klavierstiicke.
JohamMes Platt, Berlls.
Dieses allerliebste, für die Jngend geschriebene
"Werk liegt in neaer 4. Auflage in einem billigen
Sammelbande nnd in 12 Einzelheften vor. In der
ursprünglichen Fassung war es als Bilderbuch ge-
dacht und mit reizenden Bildern begleitet. Die
Bilder sind jetzt apart durch den Verlag zu be-
ziehen. Die Stückchen sind kindlich, anmutig,
melodiös und gehöien zu dem Besten, was in der
neueren instruktiven Jugendliteratur geschaffen
ist. Die neue Auflage ist daher mit Freuden zu
begrüssen und sei hiermit aufs wärmste empfohlen.
J. 0. Armandy op. 20. „Zehn Phantasiestücke''
von mittlerer Schwierigkeit ohne
Oktavspannung für Klavier zu
4 Händen. 2 Hefte.
Breltkopf k Uirtel, Lelpii«.
Die kleinen reizvollen Stücke erfordern, wenn
sie anscheinend auch gar keine technischen
Schwierigkeiten enthalten, dennoch ein liebevolles
Versenken, um dem feinen, geheimen Stimmungs-
gehalte zur rechten Geltung zu verhelfen. Es
sind lose aneinandergereihte Bilder verschiedener
Färbung und Charakteristik, ernst und heiter, hier
geheimnisvoll, dort voll neckischer Laune, immer
fesselnd und anregend. Die kleinen Phantasien
werden auch vorgeschrittenen Spielern eine ange-
nehme Unterhaltung bieten.
Anna Morsch,
Conrad Ansorge^ op. 1. Sonate (F-moil) für Klavier.
Neue Ausgabe.
Fr. KUliier, Lelpiiir*
Ein op. 1, das unbedingten Respekt fordert!
Eine ausgesprochene Persönlichkeit spricht daraus;
kraftvolle Männlichkeit, starke Energie und ge-
waltiges Ringen sind ihre Kennzeichen. Der erste
Satz gibt dem Ganzen die Signatur, er ist inhalt-
lich der bedeutendste unter dreien, ich möchte
sagen der individuell am nachdrücklichsten auf-
tretende. Sein Grundton ist auf düstere Leiden-
schaft gestimmt, sein Wesen herbe und trotzig,
nur an einzelnen wenigen Stellen tritt eine ge-
wisse wärmere und leichtere Stimmung in ihre
Hechte Ich habe, im Gegensatz zu vorliegender
Nenausgabe, die ältere Fassung des Werks leider
nie kennen gelernt. So wie mir Ansorge's Sonate
entgegentritt, ist sie ausserordentlich kurz, knapp
gefasst, ohne alle Umschweife, aber alles steht fest
darin und wohl an seinem Platze, nirgends ein
zu viel oder zu wenig, eine bei neueren Sonaten-
komponisten nicht immer anzutreffende künstleri-
sche Oekonomie. Das Adagio steht in As-dnr und
gibt einen, besonders auch in rein melodischer
Hinsicht, sehr schönen Ruhepunkt. Wohl herrschen
auch hier Leidenschaftlichkeit und heisses Be-
gehren, aber beide mehr zurückgehalten und ge-
bändigt mittels einer tiefen und reinen seelischen
Stimmung. Das Finale beginnt in stark kontra-
punktierender Form, um dann alsbald in cykli-
scher Weise wiederum in den Hauptgedanken des
ersten Satzes einzumünden nnd selbigen auch in
sehr interessanter, rhythmisch wechselnder Art
auf^s Neue zu beleuchten und der General idee
nutzbar zu machen. Der Schluss des Satzes und
somit zugleich des Werkes überhaupt bringt es
noch zu einer zündenden Steigerung, ein chromati-
scher Basso ostinato verschärft den Ausdruck der
trotzigen, von Anbeginn zur Aussprache gelangten
Stimmung um vieles und betont die Einheitlich-
keit der in diese Tondichtung niedergelegten
Ideen. Ansorge's instrumentale Einkleidung und
Klaviersatz sind vorzüglich und von denklich
grösster Wirkung; seine Anforderungen an den
Spieler gewiss nicht gering, aber auch nicht un-
mögliche. Das hier charakterisierte Werk verdient
viel Beachtung und erweckt den Wunsch, neuen
Aeusserungen des hoch talentierten Künstlers
baldigst zu begegnen.
Eugen Segnitz
G^za HorTäthy op. 48. 3 Morceaux pour Piano k
4 mains.
A. P. SehMldt, Lelpsif.
Anständige und allgemein ansprechende Musik
ohne besondere Originalität. Die 3 Stücke werden
Lehrer und Schüler zum prima vista-Spiel eine
angenehme Stunde gewähren. Auch füi 2 Schüler
der unteien Mittelstufe geeignet. No. 1, „Valse
parisienne^^ As-dur klingt ganz niedlich und kapri-
ziös. Die sämtlichen Vorschläge in der Primo-
Partie müssen kurz abgerissen gespielt werden,
der Anschlag ist durchweg ganz leggiero zu
nehmen. No. 2. „Tarantelle Mignonne" würde leer
klingen, wenn man das Tempo nicht nach Mög-
lichkeit beschleunigt. Die Arpeggien in der Se-
condo- Partie sind recht voll anzuschlagen. ,^arche-
— 368
hoDgroise" D-moll (No. 3) verlangt Kraft und
Temperament. Pas trotzige Haaptmotiv ist ener-
gisch wiederzugeben. Das Charakteristisclie ist in
allen 3 Stacken gut getroffen, der Satz beqaem
spielbar and recht geschickt. Als Erholung von
ernsterem Studium sind die Sachen gut zu ge-
brauchen. -^ , -r» ir •
M. J, Behbetn.
Dr. F. A. Stelnhansen : „Die physiologischen Fehler
und die Umgestaltung der Ela-
viertechnik."
Breilkopff * Hirtel, Leipzig.
Die Versuche von D<?ppe, Caland, Söchting,
Breithaupt, Jaell, Germer etc. etc., eine sogenannte
„natürliche" Klaviertechnik herbeizuführen, be-
wegen sich ausschliesslich auf musikalischem
Boden. Verfasser, ein hoch angesehener Mediziner,
hat sich nun der mühevollen Arbeit unterzogen,
die Anschlagsbewegungen von der rein phy-
siologischen Seite aus zu betrachten und dem Laien
in allgemein verständlicher Form klar zu legen.
Zum erstenmal stellt sich damit den gelegentlichen
schriftlichen Aeussernngen von Musikern über die
Physiologie des Klavieranschlags eine systema-
tische physiologische Darcharbeitung des ganzen
Stoffes gegenüber. Verfasser hat durchaus Recht,
wenn er behauptet:
„Den Musikern (besonders den Musiklehrenden)
fehlt es bisher gänzlich an der durchaus nötigen
Verurteilung der Gymnastik, an dem Verständnis
für das psychische Wesen der wahren Technik, an
dem Verständnis der zwei für das Klavierspiel
grundlegenden physiologischen Erscheinungen, der
Unterarmrollung und der Schwungbewe-
gunß.'* Mit klaren, schlagenden Beweisen geissei t
Verfasser die grossen Fehler der Fingertechnik and
ihre bedenklichen Konsequenzen, führt uns die
vielen Widersprüche zwischen künstlerischem Spiel
UDd Schulmethode vor Augen. Andererseits ver-
sucht er neue Grundformen der physiologischen
Anschlagsbewegung, vor allem die Gesetze über
die schwingende Bewegangsform des Armes auf-
zustellen, die er aber nur als „vorbereitende
Arbeit" für Fachmnsiker charakterisiert. Des Ver-
fassers tiefe fachmännische Bildung als Physiologe
enthebt uns Musiker des Urteils über die Richtigkeit
seiner Deduktionen. An uns liegt es, den gänz-
lich neu geordneten Stoff für die Praxis päda-
gogisch zu verarbeiten.
I/udwig Riemann.
Vereine.
Mnsik-Sektioii des A. D. L.-Y.
Verband der deutschen Musiklehrerinnen.
In der Musikgruppe Leipzig hi3lt am 11. No-
vember Herr Dr. A. Schering einen Vortrag über
„Moderne Musik*.
In der Einleitung führte der geschätzte Redner
aus, dass der „Fortschritt^ in der Musik nicht so
sehr in der Komplikation der Ausdracksmittel liege,
wie man gewöhulich annehme. Diese seien nur
etwas äasserliches und die Meister früherer Kunst-
epochen haben mit den ihnen za Gebote stehenden
Ausdrucksmitteln ihr Innenleben ebensogut in
Tönen erklingen lassen können. Der Fortschritt
hestehe vielmehr in der feinen Differenziertheit des
Empfindungsgehaltes unserer modernen Ton-
schöpfungen und in der Fähigkeit des reprodu-
zierenden Künstlers sowohl, wie des Hörers, diesem
Empündungsgehalte gerecht zu werden. Die Auf •
fabe des Letzteren bestehe darin, das in dem
lunstwerk niedergelegte Innenleben des Ton-
dichters gleichsam für sich zurückzugewinnen, in-
dem er den einzelnen Motiven und ihrer stets
wechselnden Verbinduni? nachgehe und sich über
die verschiedenartige Wirkung jener motivischen
Verbindungen klar werde.
Mit Recht betonte Herr Dr. Schering, dass
es einer besonderen, fachlichen Schulung bedürfe,
um zu solchem verstehenden Hören und damit
erst zum vollen Genuss eines modernen Kunst-
werkes zu gelangen.
Die Ausdrucksmittel unserer Klassiker sind
uns schon von früher Jugend an durch Schul- und
Kirchengesang vertraut geworden, sodass nicht nur
jeder Berufsmusiker, sondern auch jeder gute
Dilettant schon während seines Studienganges den
geistigen Gehalt einer klassischen Sonate oder
Symphonie zu erfassen vermag. Um bei einem
modernen Werke dahin zu gelangen, müssen wir
uns zuerst mit der Klangwirkung neuer Akkord-
verbindungen und auf solchen basierender Modu-
lationen vertraut machen.
Wie man sich das Verständnis unserer moder-
nen Tousprache aneignen kann, zeigte Dr. Schering
an den 6 Orchestergesängen und 5 Kindertoten-
liedern von Gustav Mahler, die er in feinsinnigster
Weise zu kommentieren verstand. Dass man der-
artigen Stimmungsgemälden nicht mit dem Sezier-
messer der Analyse zu Leibe rücken darf, leuchtet
ohne weiteres ein. Aber nachdem er zunächst den
Text der Lieder rezitierte, zeichnete er den musi-
kalischen Grundriss derselben iti plastischer Deut-
lichkeit. Obgleich ihm anstatt des zart instrumen-
tierten Mahler'schen Orchesters nur ein „Bechstein'*
zur Verfügung stand, dürfte doch jede Zuhörerin
das Bewusstsein gewonnen haben, dass sie jetzt
imstande sei, diese Gesänge „mitzuerleben*^
A. H.
Berliner GymnaBlallehrer-Yereüi.
In der Vereinssitzung des Berliner Gvm-
nasiall ehrer-Vereins am 16. November i J.
hielt Herr Professor und Musikdirektor Cebrian
einen Vortrag über Joh. Seb. Bach 's Verhältnis
zur Schule und führte ungefähr folgendes aus:
Joh. Seb. Bach's Chorwerke gehören zu dem
Besten, was die musikalische Literatur aufza-
weisen hat, werden aber leider gänzlich fern von
der Schule gehalten. Zunächst sind die Ansprüche,
welche Bach au den Umfang der Stimmen stellt,
für einen Schulchor, namentlich einen aus Knaben
und ganz jugendlichen Mtinnern bestehenden, za
gross, was um so auffallender ist, als Bach ein
Meister auf allen Gebieten der Tonkunst, obendreia
— 369 —
selbst OesaDglehrer an der Thomasschnle zu Leipzig
und bei seinen aUsonntäglichenKirchenanfführuDgen
auf Knaben nnd Jünglinge angewiesen war. Man
möchte daher annehmen, dass zn Bach*s Zeiten der
Kammerton nicht 435 Schwingungen in der Se-
kunde gemacht hat, wie heate, sondern tiefer ge-
wesen ist. Wer bei der heutigen Stimmung
Bach's Chöre vom Schulchor höherer Lehranstalten
singen lassen will, mnss die Partitur um einen bis
anderthalb Töne abwärts transponieren, was recht
schwierig und umständlich ist. Eine weitere
Schwierigkeit bereitet Bach dem Schulchor durch
f rosse Anforderungen an die Treffsicherheit der
änger und durch eine freie und kühne Ausdrucks-
weise, zu der ihn eine Jahrhunderte lange £nt-
wickelung der musikalischen Kunst hingedrängt
hatte. Ein Vergleich mit Händel ergibt, dass
dieser bereits heimisch in der Schule geworden ist
und man es daher mit Recht bedauert, wenn
unsere Jugend, namentlich die einer höheren
Bildung zustrebende, nicht auch in den Greist eines
gottbegnadeten Künstlers und kerndeutschen
Mannes wie Bach eindringt. Das ist aber sehr
erschwert, so lange es keine guten Schulausgaben,
wenn auch nicht der grössten Werke, so doch
einiger Bach'scher Kantaten, gibt, deren jede eine
Perle ersten Banges ist. Um diesem gänzlichen
Mangel abzuhelfen, veröffentlichte soeben eine auf
dem Gebiete des Schulgesanges hoch an gesehene
Firma (Chr. Friedr. Vieweg) mehrere Bach'sche
Kantaten in der Bearbeitung des Vortragenden.
Schliesslich wies der Kedner auf Bach's Choral-
bearbeitungen« und zwar nicht auf die grossen Formen
derselben, sondern auf die ganz einfach für vier-
stimmig gemischten Chor gesetzten Choräle hin,
wie sie in seinen Oratorien und Kantaten zu hun-
derten vorkommen. Auch diese müssen, um für
die Schule brauchbar zu sein, meist tiefer gesungen
werden, als sie notiert sind, bieten aber dann dem
Schulcbor so gut wie gar keine Schwierigkeiten.
Da es im Schulleben Gelegenheiten genug gibt,
bei denen ein gut gesetzter vierstimmiger Choral
am Platze ist, und da man so häuüg über Mangel
daran klagen hört, dürfte es manchem angenehm
sein, hier einen reichen Schatz zu finden, der mit
Leichtigkeit zn heben ist.
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Für die Redalition yerantwortlich: Anna Morsch, Berlin W., Ansbacherstr. 87.
Expedition und Verlag ,^er Klarier -Lehrer^, M. Wolff, Berlin W., Ansbacherstraase 37.
Druck: J. S. Preuss, Berlin S.W., Kommandantenstr. 14.
Der KlaVleF-ItehreF.
Musik-padagogische Zeitschrift fOr alle Qebiete der Tonkunst
Organ der Deutschen Musiklehrer-Vereine,
der Musik -Sektion des fl. D. L-V. und der Tonkünstler-Vereine
zu Köln^ Dresden^ Hamburg^ Leipzig und Stuttgart.
Begründet 1878 von Professor Emil Breslaur.
,c-sS:Ärirrbr.^^^^^^^^ Redaktion: Anna Morsch
Dvsiluiliciibandlunacn, Fotl • ünilaltcn _^ .. .__
unter Do. 4170) 1,50 IDk., bd dirfkfcr . Berlin W.,
littcndung unter Krciuband prinu«
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No. 24.
Berlin, 15. Dezember 1905.
XXVIII. Jahrgang.
Inhalt: Dr. Max Arend: Gluck-Cyklui unier Arthur Nikiach im Leipziger Neuea Theater. J. Vianna da Motta.* Neues über Beethoven.
Dr. Karl Storck: Kritische RDckschau über Konzert und Oper. Wilhelm Rischbieter: Vereinzeita Gedanken eines alten Musikers.
Vermischte Nachrichten. Bücher und Musikalien, besprochen von Anna Morsch, Hans F. Schaub, Dagobert Löwenthai,
Eugen Segnitz und Arno Kleffel. Empfehlenswerte BQcher für den Weihnachtstisch. Vereine. Anzeigen.
G^ep Kla^lep-bebpep
beginnt am 1. Januar seinen 29. Jahrgang nnd wird, getrea seinem Programm, auch im neuen Jahre
an den bisher befolgten Tendenzen festhalten und unentwegt an der Förderung und Hebung des Musik-
lehrerstandes weiterarbeiten. — Neben seinen eigenen Bestrebungen steht ihm als Vereinsorgan
und der
des ointi$ikpid4gogi$cben Uerbandes''
olDMiik-Sektion" de$ H. D/C-U« de$ Uerbandes der deiitscben mfnitklebreriiiNeii,
deren Tendenzen sich obigen Aufgaben anschliessen, nämlich die
Bildmigsxiele des IDasiklebrerstanaes
beständig zu erweitem, ein weites Arbeitsfeld offen; er wird unablässig an den Arbeiten teilnehmen,
welche die Lehrenden zu der Macht der Erkenntnis führen, dass das Wissen sie über die Schranken
ihres beengten Kreises hinausträgt, sie die Kunst und ihre Lehre in ihrem ganzen Umfange erfassen
lässt, ihr Streben auf das Wahrhafte in der Kunst richtet und sie fest und auch gewillt macht, das
Erkannte treu zu vertreten.
Ueber die auf dem Ostern 1906 hier stattfindenden
III. mNSikpadagogiscben H^sgress
zar Verhandlung kommenden hochwichtigen Fragen aus den Gebieten der Musikwissenschaften, des
Kunstgesanges und des Schulgesanges wird der „Klavier-Lehrer" eingehende Berichte bringen, ebenso den
Keformen auf dem Sebiete des ScbNigesanges
auch im kommenden Jahre sein besonderes Augenmerk zuwenden. Der „Klavier-Lehrer* hat die
bisherigen Arbeiten durch fortlaufende Artikel, speziell aber durch die Herausgabe der als Beilage
dienenden Hefte
— 374 —
oinu$ikpäaagefii$cl)e Refornen''
CebrylXae — Cebrxiele
von denen bereits 26 Hefte erschienen sind, kräftig unterstützt und wird in diesen Bemühungen stetig
fortfahren. Der Veröffentlichung harren noch Lehrpläne über Musikpädagogik, Musikgeschichte, Pormen-
lehre, Methodik u. a.
Die Biographien berühmter Musiker, die Gredenktage verstorbener Künstler, die aktuellen Fragen
und Portschritte der Gegenwart, die wissenschaftlichen, musikgeschichilichen und ästhetischen Ab-
handlungen erfahren dadurch keine Einschränkung, sie erfolgen wie gewohnt an erster Stelle als Leitartikel.
Die Redaktion.
!ti) beJpzigeF JSt^a^t) Theater.
Von
Dr. nax Arend.
Das Leipziger „Neue Theater", dessen
Opemdirektor seit dem 1. April dieses Jahres
Arthur Nikisch ist, kündigt für die kommende
Spielzeit einen Gluck-Cyklus an. Diese
beinahe unerhörte Ankündigung wird weithin
berechtigtes Aufsehen erregen, und die Durch-
tührung des Cyklus wird eine weithin schallende
Ruhmestat Nikisch's, mit Mahler zu reden,
eine „Kulturtat* ersten Ranges sein. Denn
nicht nur werden wir endlich wieder den
hoheits- und machtvollen Tönen des Gluck-
schen Genius, die vergessen zu haben für
unsere Generation eine unvergessliche Schmach
bedeutet, die vor kurzem Paris wieder in eine
tiefgreifende Aufregung versetzten, an der
Stelle lauschen können, wo allein sie ihre
volle und richtige Wirkung tun können: beim
leiblichen Schauen der Tragödie, sondern die
Art der Veranstaltung lässt auch eine stilreine
und liebevolle Einstudierung und Wiedergabe
erhoffen. Gerade darauf aber kommt es bei
Gluck ganz besonders und in einem gewissen
Sinne noch viel mehr als zum Beispiel bei
Wagner an.
Es ist eine nicht zu bezweifelnde und be-
merkenswerte Tatsache, dass Wagner, ab-
gesehen von den Mysterien seines letzten
Stiles, stets die Massen hinter sich gehabt
hat, und dass man bei der Auffiihrung eines
Wagnerischen Werkes häufig genug be-
obachten kann, dass die obern Theater-Ränge
von einem Sonntagspublikum — freilich natür-
lich nicht nur von ihm — gestürmt werden.
Daraus folgt für den Einsichtigen zweierlei:
einmal, dass die durchschlagenden Kassen-
erfolge, von denen man doch sagen muss,
dass sie letzten Endes Wagner seine domi-
nierende Stellung auf der Opernbühne ver-
schafft haben, zu einem grossen Teile von
jenem Sonntagspublikum abhängen, zweitens
aber, dass nicht der wahre, für dieses Publi-
kum nur durchschimmernde Gehalt der Wagner-
schen Kunst, sondern das, was jenes Publi-
kum dafür hielt und hält, ihr den ver-
hältnismässig schnellen und vollkommenen
Sieg errungen haben. Nämlich: der üppige
Reichtum, den das Füllhorn der Wagnerischen
Muse verschwenderisch über den Theater-
besucher ausschüttet, nicht um ihm zu ge-
fallen — wie Meyerbeer — , aber doch ihm
gefallen. Der Gedanke, dass dieser Reich-
tum als solcher und an sich noch nicht Kunst,
sondern erst die Voraussetzung der Kunst
darstellt, ist nur Wenigen zugänglich. Darum
kann Wagner, in einem gewissen rohen Sinne,
auch eine minderwertige Aufführung „ver-
tragen". Eben darum auch bestimmte der
Meister, von Ekel gegen diese Theaterwirt-
schaft erfüllt, dass wenigstens sein „Parsifal"
nicht, sprechen wir das harte Wort aus,
prostituiert werde.
Anders Gluck. Seine hehre Erhabenheit
und eifrige Strenge des Ausdrucks macht ihn
unnahbar für eine aus blosser Vergnügungs-
sucht zufällig zusammengelaufene Menge, wie
sie doch ein Theaterpublikum fast notwendig
— 375 —
zum Teil wenigstens ist. Gluck's Werke
tragen an der Stirn ein weithin sichtbares:
Odi profanum volgus et arces. Die
Quittung des profanum volgus besteht in
einem leeren Hause bei einer GiuckaufFührung
innerhalb des gewöhnlichen Spielplanes —
naturgemäss, denn die unvorbereitete Menge
hat nicht nur, wie bei Wagner, nicht die
Wirkung des wahren Kunstgehaltes, sondern,
abweichend von Wagner, überhaupt nichts.
So hat sich Gluck die Stellung, die Wagner's
Wille seinem „Parsifal* in Bayreuth schuf,
durch die seinen erhabenen Werken inne-
wohnende Natur selbst für diese errungen:
sie stehen ausserhalb des gewöhnlichen
Spielplanes, weil über ihm. Sie können
nur bei vorzüglicher Darstellung, unter be-
sonders günstigen Umständen und auf ein
kunstverständiges, wohl vorbereitetes und
kunstbegeistertes Publikum ihre volle gewaltige
und erhabene, an Bayreuth und an die antike
Tragödie gemahnende Wirkung tun, in alledem
vergleichbar Wagner's Parsifal. Ihre gute
Aufführung ist ein Fest — dem leider das
Festspielhaus fehlt. Ein Fest, das triumphierend
den Sieg des Genius über das Gewöhnliche
verkündet, wie das rote Haus auf dem Fest-
spielhügel bei Bayreuth. Ein Fest, das einen
zwar nicht geräuschvollen, aber desto ge-
wichtigeren Protest bedeutet gegen die An-
massung des Theaterpublikums, dessen Ab-
sicht nicht über ein mehr oder weniger leichtes
Amüsement hinausreicht — ich wähle ab-
sichtlich den französischen Ausdruck, denn
er trifft die Sache besser als ein deutscher — ,
durch seinen Besuch des Theaters oder sein
Fernbleiben ein Vorurteil zu fällen, das
irgendwie beachtlich wäre. Ein Fest freilich
nur für die Auserlesenen, die es feiern können!
Möge der Leipziger Cyklus zeigen, dass es
dieser Auserlesenen genug in deutschen Landen
gibt, und mögen diese hinweisenden Worte
dazu beitragen, sie aufmerksam zu machen
und zu sammeln!
Es verlautet noch nichts über die einzelnen
Gluck'schen Werke, die in dem Cyklus er-
scheinen sollen. Hoffen wir, dass er dem
bisher ohne Nachfolge gebliebenen Prager
Cyklus von 1901 unter Angelo Neumann, der
die 6 Tragödien: Orpheus, Alceste (die in
deutscher Sprache überhaupt zuletzt 1901,
nämlich je einmal in Prag und Karlsruhe,
aufgeführt worden ist), Paris und Helena,
Armida und die beiden Iphigenien, sowie gleich-
sam als Satyrspiele den „betrogenen Kadi"
und die nur von Gluck bearbeitete, nicht
komponierte »Maienkönigin" umfasste, in
Bezug auf die Zahl der Werke nicht nach-
stehe!
j^eues über )$eetbo^ei).
Bespr echangen
von
J. Vianna da JHotta.
Unter obigem Titel gibt Hans Volkmann
(Hermann Seemann, Berlin n. Leipzig) eine
kleine interessante Broschüre heraus. Sie beginnt mit
Auszügen ans den Konversationsheften Beethoven's.
Diese 136 Hefte mit etwa 11000 Seiten sollen von
der Beethovenforschnng noch nicht vollständig
ausgenutzt worden sein, so dass man Volkmann
dankbar sein muss für diese neuen Proben. Zu-
nächst bringt er manches, was das Bild des Neffen
Karl etwas freundlicher gestaltet, dann charakte-
ristische, intime Züge aus Beethoven*s Lebensweise.
Volkmann hat mit sichtlicher Liebe die Hefte
studiert und erwähnt selbst scheinbare Kleinig-
keiten, wie Beethoven's Stiefel wichse verbrauch oder
seine Liebe zur Tabakspfeife. Aber sind das bei
einem so rätselhaften Menschen wie Beethoven
„Kleinigkeiten" ? Es sind zwar genug Geschichten
bekannt von Beethoven's „Zerstreutheit", seiner be-
ständigen Weltentrücktheit. Aber was Volkmann
erzählt, geht doch tiefer und lässt uus Einblicke
in das Wesen dieses einzigartigen Menschen tun,
der so ganz aus einer anderen Welt zu stammen
schien, jedenfalls darin lebte. In ihm hat die
Musik körperliche Gestalt angenommen, dieser
wunderbare Mensch war ganz Musik, er konnte sich
nicht anders aussprechen, als in Tönen. Da ist es
von höherem Literesse als bei „normalen" Künstlern,
dass diese Konversationshefte uns Szenen der
grössten Litimität belauschen lassen. Rührend
sind Notizen, die blch der grosse Mann zur Er-
weiterung seiner Kenntnissemachte, der nie Lernens-
müde. Ein Gespräch mit dem Erfinder einer Ver-
besserung am Fagott bietet interessante Bilder
aus dem damaligen Masikieben. Ferner teilt Volk-
mann ausführlich den bisher unbekannten Entwurf
einer OperndichtuDg mit, die Sporschil für Beet-
— 376 —
hoven schrieb, bei der die Musik der «Hainen von
Athen" verwendet werden sollte, und einen wert-
vollen Nekrolog SporschiFs für Beethoven. Das
kleine Bach bietet wichtige Beiträge zur Biographie
Beethoven*8.
Eine Biographie Beethoven 's, die alles vor-
handene Material neu verarbeitete, zugleich aber
dem Künstler Beethoven ästhetisch gerecht würde,
steht noch zu erwarten nud ist ein Bedürfnis.
Deiters versucht Thayer's älteres, unvollendetes
Werk auf die Höbe der heutigen Forschung zu
heben. Aber Thayer's Behandlung der gewaltigen
Aufgabe ist von vornherein so verfehlt, dass man
keine Umarbeitung, sondern eine ganz neue Arbeit
braucht. Thayer hat viel Tatsachenmaterial ge-
sammelt, aber der kühle, nüchterne Mann bringt
für Beethoven's Persönlichkeit gar kein Verständnis
mit, weder künstlerisch noch menschlich. Um so
freudiger müssen wir es begrüssen, dass ein Schrift-
steller, der dieser grossen Aufgabe gewachsen zu
sein scheint, der in beiner Musikgeschichte ein Bei-
spiel seiner umfassenden Bildung wie seines leben-
digen Verhältnisses zur Musik gegeben hat und
die nötige Wärme für den Meister mitbringt,
uns eine neue Biographie Beethoven's verspricht:
Karl Storck. £r hat eine höchst fesselnde Aus-
wahl der Briefe Beethoven* s herausgegeben in
der unter dem bombastischen Titel: Bücher der
Weisheit und Schönheit im Verlag von Grei-
ner & Pfeifer (Stuttgart; erscheinenden Sammlung,
die nns den Menschen Beethoven in seinen Aeusse-
rungen nahe bringt. Die vortreffliche Arbeit ver-
dient wärmste Beachtung. Beethoven's Briefe waren
bisher in zerstreuten Sammlungen oder vereinzelt
(Schluss
erschienen. Kalischer hat sich besonders grosse
Verdienste um die Publikation einer prrossen An-
zahl erworben. Zu einem vollständigen Abdruck
eignen sie ekh. aber nicht, da viele nur biographi-
sche^ Interesse haben. Storck hat die beste Aus-
wahl getroffen. Nicht chronologisch, sondern nach
dem Inhalt ordnet er sie, sodass wir einen klaren
U eberblick über Beethoven^s Beziehungen zn „Ju-
gendfreunden'S zu „Ghönnem^, zu „Frauen" u s. w.
gewinnen, sein Wesen nach allen Seiten kennen
lernen, die rauhe Schale (Volkmann sagt unzu-
treffend: «schlichte Hülle^), den köstlichen Kern,
seine rührende Unbeholfenheit in praktischen Din-
gen, sein Liebesbedürf nis, seinen das Groteske nicht
scheuenden Humor und seine ergreifende Unfähig-
keit, Empfindungen und Gedanken in klare Worte
zu kleiden. Sehr schön hebt Storck hervor, wie
Beethoven sein Leben und Erleben für das künst-
lerische Schaffen erhöhte, es in's Typisch-Dauernde
hebend. Kurze, aber eingehende Einleitungen zu
jedem Abschnitt bringen alles zum Verständnis der
Ereignisse nötige. Im Vorwort charakterisiere
Storck vorzüglich die Art dieser Briefe, weicht
aber — leider! — der Versuchung einer Charakter-
schilderung Beethoven's aus.
Durch dieses bedeutende Werk ist ein anderes,
das gleichen Zwecken dient, vollständig überholt,
das kleine, bei Schuster <& Löffler erschienene
Beethovenbrevier. Wenn es auch einzelne
Aeusserungen aus den Tagebüchern enthält, die
nicht in den «Briefen" stehen, so ist doch die ganze
Anlage als kurze Aphorismen unzureichend für ein
klares Bild der komplizierten Erscheinung Beet-
hoven's.
folgt.)
= Kritische Bückscliau =
über Konsert und Oper.
Von
Dr. Karl filtorck.
(Schluss.)
Es. ist nicht nur vom musikgeschichtlichen
Standpunkte aus herzlich zu begrüssen, dass uns
die erste Fassung dieses Meisterwerkes bekannt ge-
geben wurde. Auch für die Erkenntnis Beethoven's,
dieses stets in der Entwicklung begriffenen Künst-
lers, ist es sehr wichtig. So gebührt also Dr. Erich
Prieger, der mit zäher Forschergeduld und glück-
lichem Spürsinn in 25 jähriger Arbeit aus allerlei
Abschriften und Autographen die ursprüngliche
Partitur wiederherstellte (bis auf zwei Stücke)
aller Musikfreunde aufrichtiger Dank.
Ob es dagegen angebracht war, das Werk in
dieser ursprünglichen Gestalt vor der Oeffentlich-
keit aufzuführen, ist eine ganz andere Frage. Ich
kann sie mit dem besten Willen nicht bejahen oder
doch günstigenfalls als Gelegenheit«darbietung zur
100. Wiederkehr der Erstaufführung gelten lassen.
Aber lohnt sich für einen derartigen Zweck
diese riesige Arbeit? Nein, wo unsere Opern-
bühne so viele Verpflichtungen gegenüber anderen
Werken der dramatischen Literatur einzulösen hat.
Man ftlhrt doch auch Goethe's „Iphigenie* nicht iu
der Prosaform auf; einfach, weil die Gestaltung in
Versen die wertvollere und vom Dichter endgültig
gewollte ist. Auch für diese Vorstufen zu Beet-
hoven's „Fidelio" reichte der Druck des Klavier-
auszuges und allenfalls gelegentliche Konzertauf-
führungen völlig aus.
Trotz dieser grundsätzlichen Gegnerschaft will
ich nicht verkennen, welch' reiche Arbeit auf die
377
Aufführang verwendet worden ist. Die Herren
Hoffmann, Euüpferf Kraus und Jörn, die
Damen Herzog nndPlaichinger setzten ihre ge-
samten Kräfte ein. Herrlich war das Orchester.
Die Bühneneinrichtang leidet immer daran, dass
stets der volle Bahmen des riesigen Bühnenraomes
benutzt wird. So wird Rocco's Wohnstube ein
Saal und das Gefängnis ein gewaltiges G^ewölbe,
aber nicht ein düsteres Loch. Wenn man wenig-
stens den Eingang zum Kerker nicht als so grossen
Bogen gestaltet hätte.
DasTheater des Westens weckte mit einem
Gastspiel von Gemma Bellincioni die meiste
Teilnahme. Es umfasste „Traviata^, ,,Feodora^
und die Bosetta in ,,A. Santa Lacia"* von Ta&ca.
— Mit Pierantonio Tasca's zweiaktigem Melodrama
^A Santa Lucia" feierte Frau Gemma Bellincioni
vor etwa zehn Jahren zum erstenmal in Berlin
Triumphe. Damals stand der italienische Natura-
lismus auf dem Opernmarkt in höchstem Preise
und man war zum wenigsten ein rückständiger
Mensch, wenn man sich Bedenken gegen diese
ganze Gattung erlaubte. Heute bedarf es eines so
gewaltigen darstellerischen Talentes wie der Bellin-
cioni, um dieses Werk erträglich zu machen. Von
dramatischer Entwicklung ist in dem Melodram
keine Spur. Schon Cognetti hatte nur neapolitani-
sche Yolksszenen geschrieben. Aus diesen griff
der Textbearbeiter wieder ziemlich willkürlich
einige Stücke heraus. Noch unorganischer als der
Text ist die Musik. Das ist ein Mosaik, das nicht
zum Bilde wird, willkürlich zusammengesetzt aus
dem kleinen Gestein von Volksmelodien — die
Schifferrufe zu Beginn des zweiten Aktes sind von
eigenartiger herber Schönheit und können einem
alten Südlandfahrer wohl Heimweh wecken — ,
von sehr zahlreichen Entlehnungen aus den gang-
barsten Opern werken der letzten Jahrzehnte, endlich
aus den dürftigen eigenen Zutaten des Bürger-
meisterleins von Noto bei Syrakus, Herrn Tasca.
Irgendwelche künstlerische Verarbeitung wird gar-
nicht vorsucht. Die naive Brutalität, mit der die
alte italienische Oper einzig mit der schönen Sinn-
lichkeit der Melodie gerechnet hatte, zeigt sich hier
in wahllosem Drauflosschlagen mit dramatisch
wuchtigen Accenten. Der ganze Naturalismus ist
dabei denkbar äusserliche Aufmachung; ja das
ästhetische System hält nicht einmal für dieses
Aeusserliche vor. Und so wird ein aufgeregter
Volkschor, der das tollste Wirrwar von Stimmen-
führung erheischt, um einigermassen die Wirklich-
keit vortäuschen zu können, im schönsten homo-
phonen Satz vorgeführt.
Aber das ist ja alles gleichgiltig. Die Oper
„ A Santa Lucia^^ wird niemand mehr zum Leben zu
erwecken versuchen, ausser wenn eben Gemma
Bellincioni zugegen ist, um die Bosetta zu spielen.
Diese Leistung gehört zum Genialsten, was ich bis
jetzt auf der Opernbühne an dramatischen Leistun-
gen gesehen habe. Man überschätzt ja gerade sehr
leicht das darstellerische Vermögen der Opernsänger
bei solchen naturalistischen Opern. Man konnte
sich auch diesmal wieder davon überzeugen, dass
unsere deutschen Darsteller, die z.B. bei der fran-
zösischen Spieloper so unerträglich steif dazustehen
pflegen, die unseren eigenen grossen Opernwerken
gegenüber fast niemals das rechte Mass künstlet i-
scher Bewegung flnden, ausserordentlich frei spielten.
Es ist eben viel leichler in wilden, aufgeregten
Bewegungen herumzutoben, als in einer fein humo-
ristischen oder tief ernsten Bolle einen gehobenen
Bewegungsstil zu finden. Aber gerade weil sie
fast alle so tüchtig „italienerten*', konnte man die
grosszügige Kunst der Bellincioni um 60 heller
leuchten sehen. Wie wird bei ihr die Bewegung
gehoben durch die Momente einer wunderbar
sprechenden Buhe. Dann erst das Spiel dieser
Augen. Wenn sie sich den untreu gewordenen
Geliebten zurückerobert, wenn sie in stet« flackern-
dem Zorn nach dem Messer greift, um die Neben-
buhlerin niederzustechen, wenn sie diese, im Vor-
gefühl des sicheren Triumphes, verhöhnt, wenn sie
endlich verzweifelt umsonst nach einem Ausweg
sucht bei der wüsten Beschuldigung des Geliebten,
dass sie seines Vaters G^eliebte inzwischen geworden
sei, so stehen wir den Ausbrüchen von Natur-
gewalten gegenüber. Man merkte deshalb gar
nicht mehr, dass die stinmüichen Mittel der
Künstlerin in dieser Oper noch mehr ihre Ab-
nutzung verrieten, als jüngst in der „Traviata".
Das kann ja freilich auch an diesen bösen November-
tagen gelegen haben. Aber es stört eben nicht,
weil alles Wahrheit ist, weil ferner der Künstlerin
das ganze Begister des Ausdrucks im Gesang zur
Verfügung steht. Ich bin im allgemeinen gegen
solche Gastspiele. Erst recht, wenn sie Gemischt-
sprachigkeit bedingen und ein schnelles Einstudieren
von Opemwerken herbeiführen, bei denen der Gast
stets in den Mittelpunkt gestellt wird. Aber dieses
Gastspiel einer so hervorragenden Ausdrucks-
künstlerin müsste eigentlich nur nützen. Auf die
Mitglieder des Theaters des Westens schien in
Tasca's Werk ihr Beispiel anfeuernd zu wirken.
Die ganze Aufführung war von einer Belebtheit,
die ich hier bis jetzt kaum gefunden habe. Herr
Christian Hansen überwand, vor allem im 2.
Akte, als er so recht ins Schreien kommen durfte,
sogar die bei ihm reichlich ausgebildete Bequem-
lichkeit des lyrischen Tenors und bot, alles in allem,
eine sehr achtenswerte Leistung. Den neuen Bari-
tonisten Hans von Bessert sollte sich Herr
Prasch sofort sichern. Der Mann kann singen und
besitzt im Spiel jene Sicherheit der Gesamt auf-
fassung, die den berufenen Schauspieler ankündigt.
Becht brav bewältigte ihre undankbare Bolle auch
Florence Wickham, die allerdings mehr wie
eine Mexikanerin, denn wie eine Südländerin aus-
sah. Ueberhaupt hatte man die braune Schminke
nicht gespart, und die echte Italienerin war zweifel-
los die am wenigsten sonnverbrannte auf der
— 378 —
Bühne, im übrigen war die Inszenierung aner-
kennenswert und man durfte auch in der Hinsicht
einen Teil des stürmischen Beifalls, der der Gastin
geboten wurde, auf die CTmgebung übertragen.
Das am Busstag in der Zionskirche stattge-
fundene, von Organist Arnold Dreyer geleitete
Konzert brachte ein sehr interessantes Programm,
Orgelwerke von Bach, Reger und Mendelssohn,
femer ein Konzert für 2 Violinen und Orgel von
Bach, Andante für Violine, Viola und Orgel von
Mozart, Gresänge von Schubert, Arnold Dreyer,
Bernhard Irrgang und Albert Becker und
zwei achtstinmiige Chöre von Th. Krause und
Mendelssohn. Mitwirkende waren, ausser dem
Leiter, der Zionskirchenchor, Frau Martha Wolff-
Dreyer und die Herren Reske und Sager. Es
waren durchweg fein abgetönte, von künstlerischem
G^ist getragene Leistungen, die geboten wurden.
Vereinzelte @edai)Hei) eines alten ^ustl^ers.
Von
WUhelm BIsekbleter.
(Fortsetzung.)
Von denjenigen, welche Harmonie studieren
besteht der grösste Teil aus solchen, denen es
^ar nicht darum zu tun ist, die absolute Gresetz-
mässigkeit in der musikalischen Theorie kennen
zu lernen; und zwar ist dies heutzutage, wo jeder,
der als „Vollschüler" ein Konservatorium besucht,
verpflichtet ist, am Harmonieunterricht teilzu-
nehmen, noch mehr der Fall, als in früheren
2ieiten, wo es nur sehr vereinzelt Hochschulen für
Musik gab. Dass viele Schüler das theoretische
Studium ziemlich oberflächlich betreiben, ist eigent-
lich auch ganz erklärlich, denn der angehende
Musiker ist mit praktischen Studien vollauf be-
schäftigt, und kann daher nicht viel Zeit auf das
theoretische Studium verwenden. Auch unter den-
jenigen Schülern, welche die Absicht haben, später
am Kompositionsunterricht teilzunehmen, befinden
sich nur sehr wenige, denen es darum zu tun ist,
sich auch die wissenschaftlich theoretische Er-
kenntnis der Sache anzueignen. Li den meisten
Fällen hat das auch weiter keine nachteiligen
Folgen, denn es kann jemand ein bedeutender
Komponist sein, ohne zu wissen, warum zum
Beispiel der Unterdominant Dreiklang der C-dur-
Tonart (F a C) wohl in F as C, aber dieser letztere
Akkord in der C-moll-Tonart keineswegs in F a C
umgewandelt werden kann. Sollte aber ein Kom-
positionsschtiler die Absicht haben, später Unter-
richt in der musikalischen Theorie zu erteilen, so
kann man mit Fug und Recht von ihm verlangen,
dass er nicht nur gründliche Kenntnisse in der
praktischen, sondern auch in der wissen-
schaftlichen Harmonielehre besitzt; imisomehr,
da schon seit vielen Jahren ein Werk existiert,
das hinsichtlich der musikalischen Theorie als
bahnbrechend bezeichnet worden ist: nämlich
M. Hauptmann's „Natur der Harmonik"; denn
wenn ich auch in meinem Buche: „Die Gesetz-
mässigkeit in der Harmonik" (Regensburg, Alfred
Koppenrath) nachzuweisen versucht habe, dass
Hauptmann sich hier imd da geiiTt, so bleibt das
Hauptmann'sche Werk selbst in dem Falle, dass
ich mit meinen Angriffen recht habe, in seinen
Grundvesten unerschüttert.
Hauptmann's Werk hat, wie schon der als
Musikforscher berühmte Dr. Ambro s gesagt, die
Harmonielehre von Zufälligkeiten befreit, und des-
halb müsste es sich jeder Theorielehrer zur Pflicht
machen, dasselbe zu studieren, damit er seinen
Schülern nichts Falsches lehrt. Falsches wird
aber gelehrt, wenn dem Schüler Akkorde aufge-
tischt werden, wie zum Beispiel folgende: dis fis
as c und d f ais. Hoffentlich kommt es in allen
musikalischen Hochschulen bald dahin, dass die
nachfolgenden Worte, welche Hauptmann vor
vielen Jahren an Professor Louis Köhler sclixieb.
sich nicht mehr bewahrheiten: „Eigentlich sollten
Lehrer einige !Notiz von meinem Buche nehmen:
die aber bekümmern sich am allerwenigsten darum.
Wo dürfte denn in unserer wissenschaftlichen Zeit
auf irgend einem Gebiete etwas so unbegründet
gelehrt werden, wie es in der Musik geschieht.**
Die meisten Musikfreunde halten das Ernste
(und einige auch wohl das Sentimentale) in der
Musik für bedeutender, tiefer als das Heitere.
Sonnige. Die das tun, haben das Wesen der
Musik nicht in seiner Totalität aufgefasst, sondern
nur einen einseitigen Begriff von der Bedeutung
derselben. Der dramatische Dichter kann seine
Grösse allerdings nur in einem Schau- oder Tiauer-
spiele voll und ganz zeigen; denn nur hier kaim
er die auftretenden Personen grosse, erhabene Ge-
danken aussprechen lassen. Mit der Musik ver-
hält es sich aber anders; denn bei dieser Kunst,
die, nebenbei bemerkt, Schopenhauer für die
mächtigste aller Künste hält, handelt es sich
in erster Linie um schöne, seelenvolle Ge-
danken, und diese können ebensogut heiter, als
ernst sein; denn die Musik bleibt, wie Schopen-
hauer sagt, auch dann, wenn sie sogar die lächer-
lichsten Possen der komischen Oper begleitet, in
— 379 —
ihrer wesentlichen Schönheit und Reinheit; und
ihre Verschmelzung mit jenen Vorgängen vermag
nicht, sie von ihrer Höhe herabzuziehen.
Gibt es etwas Schöneres, als die Musik zu
Mozart's Jß'igsxo^s Hochzeit*? Für mich ist diese
Oper eines der schönsten Kunstwerke, welches wir
besitzen. — Wer da glaubt, dass das Ernste,
Pathetische in der Musik absolut höher steht als
das Heitere, Anmutsvalle, der frage einmal einen
begabten Komponisten, der das Technische voll-
kommen in seiner Gewalt hat, was ihm leichter
£ele: jeden beliebigen Augenblick einen kleinen,
ernsten Klaviersatz, oder eine anmutsvolle Melodie
zu komponieren, welche den Hörer in Entzücken
versetzt. Sätze, wie zum Beispiel das Allegretto
in der achten Sinfonie von Beethoven, können nur
in Momenten der höchsten Inspiration geschaffen
werden; während viele wertvolle Sätze anderen
Charakters von tüchtigen Komponisten auch ohne
grosse Inspiration geschaffen werden können. So
zum Beispiel hat Spohr mehrere Jahre hindurch
jeden Morgen einige Stunden komponiert; ob er
hierbei inmier in der richtigen Stimmung war, ist
sehr fraglich. Spohr*s Melodien sind bekanntlich
überwiegend elegischer Art.
*
Wenn von jedem unserer grossen Komponisten
ein Werk aufgeführt werden sollte, in welchem
die Individualität xmd natürliche Begabung des
betreffenden Komponisten am deutlichsten zutage
tritt, so würde die Wahl des Werkes bei Mozart
wolil am schwierigsten und bei Karl Maria
V. Weber am leichtesten sein; denn bei diesem
letzteren Komponisten könnte dieselbe nur auf
.,Preciosa" oder auf den „Freischütz'* fallen. In
jedem dieser beiden Werke tritt die Eigenart des
Schöpfers derselben zweifellos am deutlichsten zu-
tage. In der nach dem „Freischütz" komponierten
Oper „Euryanthe" ist Weber seiner Natur nicht
treu geblieben. Diese Oper ist nicht sozusagen
aus dem „Freischütz" herausgewachsen (wie zum
Beispiel der „Lohengrin" aus „Tannhäuser" und
die „Meistersinger" aus „Lohengrin"), sondern
Weber hat beim Komponieren der „Euryanthe"
gewissermassen sich selbst verleugnet und wollte
es erzwingen, etwas Grösseres und Besseres zu
schaffen, als den „Freischütz"; und das ist ihm
nicht gelungen xmd konnte ihm auch nicht ge-
lingen, denn sein Genie beherrschte kein grosses
Feld, wie dies auch bei einigen der romantischen
Schule angehörenden Dichtern der Fall ist. Der-
artige Talente sind selten sehr entwickelungsfähig ;
ihre* ganze Grösse und Begabung tritt in der
Regel nur dann zutage, wenn sie das ihrer
Natur entsprechende Grebiet nicht verlassen. Das
von Weber beherrschte Gebiet ist der Wald mit
seinen Jägern, Zigeunern und märchenhaften Ge-
stalten; hier zeigt er sich, in seiner ganzen Grösse
und Innigkeit. Sind doch die Namen „Karl Maria
V. Weber" und „Freischütz" für uns Deutsche
gewissermassen unzertrennlich. Ich für meine
Person halte „Preciosa" für sein bestes, reifstes
Werk; denn wenn es auch an Beichhaltigkeit vom
„Freischütz" übertroffen wird, so ist es doch —
vom künstlerischen Standpunkte aus betrachtet —
vollendeter als der „Freischütz".
*
Wie bekannt, wurde „Euryanthe" in Wien,
wo diese Oper im Jahre 1823 zum erstenmale auf-
geführt wurde, sehr kühl aufgenommen. GriU-
parzer sprach sich über dieselbe sehr schroff, ja
man könnte sagen gehässig aus: „Die Musik zu
„Euryanthe", schrieb Grillparzer, „ist schensslich,
polizeiwidrig. Diese Oper kann nur Blödsinnigen
oder Gelehrten gefallen, oder Strassenräubem und
Meuchelmördern." — Wenn man in Betracht zieht,
dass Grillparzer ein grosser Verehrer von Mozart,
Beethoven und Franz Schubert war und noch
mehrere andere Komponisten hochschätzte, so kann
man kaum begreifen, wie Grillparzer dazu ge-
kommen ist, sich über „Euryanthe" so zu äussern;
denn mag man sich zu dieser Oper stellen wie
man wiU, so muss man doch anerkennen, dass
dieselbe auch viel Schönes enthält. — Aber nicht
nur Grillparzer, der zwar ein grosser Dichter, aber
in der Musik doch mehr oder weniger ein Laie
war, hat diese Weber'sche Oper verworfen, sondern
auch ein hocbbeg abter Musiker: Franz Schubert.
Dieser gottbegnadete Komponist nannte die Musik
zu „Euryanthe" kalt, herzlos. Weber rächte sich
für diese Kritik dadurch an Schubert, dass er ihn
einen „dummen Jungen" nannte, der erst „etwas
lernen* sollte. Jedenfalls hatte Schubert nur
seiner innersten Ueberzeugung Ausdruck gegeben
und kann von Neid hierbei nicht die Itede sein;
denn Schubert zwar zweifellos ein viel begabterer
Komponist als Weber.
(Fortsetzung folgt.)
y. ermischte Xachrichten.
In der letzten Nummer dieser Zeitschrift machte
Herr Dr.Mennicke darauf aufmerksam, dass vor
Lussy und Biemann schon Momigny ähnliche
Grundsätze der Phrasierungslehre ausgesprochen
habe. Da jene beiden jedoch Momigny nicht kann-
ten, denn Biemann entdeckte ihn, nachdem er seine
eigene Lehre schon aufgestellt hatte, so konnte ich
mit Hecht sagen, dass Lussy und Hiemann die
Entdecker dieser Wissenschaft gewesen sind,
denn sie haben selbständig, ohne Vorgänger ge-
arbeitet.
J. Vianna da Motta.
— 380 —
Am 28. nud 29. Dezember findet za Duisburg
der VI. Rheinisch-WeBtf&liBche Organisten-
tag statt. Er wird durch eine ,,Gei8tliche Musik-
aufföhrung" in der Salvatorkircbe eingeleitet, bei
welcher Werke von Pachelbel, Buxtehude,
Bach und Heger zu Gehör kommen. An diese
schliesst sich eine ,Oeff entliche Gemeinde-Versamm-
lung^, die durch den Vorsitzenden, Gustav Beck-
mann-Essen, eröffnet wird und auf welcher
Pfarrer J. Schober-Hamminkeln die Festrede
über das Thema ,,Das Choral verspiel' hält. Am
zweiten Tage findet die General- Versammlung statt,
zu der nur die Mitglieder Zutritt haben. .
Auszug aus den soeben erschienenen „Mit-
teilungen" No.83 von Breitkopf & Härtel, Leip-
zig. Im Hinblick auf W. A. Mozart's 150. Geburts-
tag am 27. Januar 1906 gewinnt die soeben er-
schienene 2. Auflage von KöcheKs weltbekanntem
chronologisch - thematischen Verzeichnisse sämt-
licher Ton werke Mozarts und die 4. Auflage Teil I
von Otto Jahn's klassischem, biographisch-kriti-
schem V^erke „W. A. Mozart" besondere Bedeu-
tung. Die von Bitter von Köchel geförderte Ge-
samtausgabe von Mozart 8 Werken ist schon vor
einer Reihe von Jahren fertiggestellt, sie wird aber
ergänzt durch Supplemente, die bisher verschollene
oder als echt nicht verbürgte Werke enthalten.
Gerade jetzt werden „6 Divertimenti" für zwei
Klarinetten und Pagott wieder ans Tageslicht ge-
bracht. Die Mozart- Ausgabe nmfasst 8L Bände,
bildet aber nur einen bescheidenen Teil der von
Breitkopf & Härtel seit Jahrzehnten veranstalteten,
für die Musikforschung und heutige praktische
Musikpflege wichtigen Gesamtausgaben, deren Ent-
wicklung in den Mitteilungen ausführlich dar-
gelegt wird. Wenn mit einer gewissen Vorliebe
die Werke alter Meister berücksichtigt werden, so
wird doch auch den zeitgenössischen, lebenden
Komponisten ein breites Feld eingeräumt. Davon
zeugen u. a. die Werke des auch in Deutschland
gut eingeführten finnischen Komponisten Jean
Sibelius, die zum grössten Teil von genannter
Firma zum alleinigen Verlage erworben wurden.
Unter den angekündigten musikgeschichtlichen
Werken befindet sich als besonders interessant eine
Sammlung altarabischer und maurischer Musik.
Theaterfreunden wird eine Statistik willkommen
sein, die auf Grund des deutschen Bühnenspiel-
planes die vom September 1904 bis August 1905
am meisten aufgeführten Opern, Operetten, Sing-
spiele und Ballette verzeichnet. Wagner-Freunde
werden gern vernehmen, dass die längst gewünschte
Taschen-Ausgabe der Partitur von „Tristan und
Isolde" noch in diesem Monate erscheint. Auf die
numerieite Prachtausgabe sei dabei besonders hin-
gewiesen.
Ferruccio Busoni's Musik zu Gozzi's Mär-
chendrama ,Turandot" ist von Breitkopf & Härtel
in Leipzig erworben worden. Die erste Theaterauf-
führung wird an einem grossen Theater erfolgen,
an die glänzend aufgenommenen Konzertauffüh-
rungen in Berlin und Amsterdam schliessen sich in
nächster Zeit Altona, Charlottenburg, Warschau
und Bologna an.
Eine sehr interessante Arbeit über die russi-
schen Volkslieder ist kürzlich von der Akademie
der Wissenschaften in St. Petersburg ver-
öffentlicht : Eine Auswahl der Lieder, die E u g e n i e
Linew mit Hilfe des Phonographen gesammelt
hat. Es ist ein umfangreicher Band, der ausser
der sorgfältigen Notierung der gesammelten Lie-
der sehr genaue Angaben enthält. Der Gedanke,
die Volkslieder zu sammeln, wurde in der Ver-
fasserin durch eine Reihe von Vortragen ange-
regt, die sie in New- York, Boston, Chicago und
anderen amerikanischen Städten hielt und die
sie durch Liedervorträge erläuterte. Dabei wurde
mehrmals die Frage an sie gestellt: «Singen Sie
echte Volkslieder?^* Wenn sie dann bejahend ant-
wortete, fühlte sie sich beunruhigt und fragte sich,
ob sie wirklich das Becht zu solcher Antwort hätte.
Was sie bis dahin gesungen, stammte aus den
besten Publikationen, aber ihr war noch nie der
GManke gekommen, selbst bis zu den Quellen vor-
zudringen. Nach sechs Jahren unermüdlicher Ar-
beit hat nun Eugenie Linew dem Publikum eine
Sammlung von Originalliederu vorgelegt, die allen
Wünschen, die man daran stellen kann, entpricht.
— Alle russischen Komponisten schöpfen aua der
Quelle des Volksliedes, besonders Glinka, der
Schöpfer der russischen Nationaloper, und seine
Nachfolger. Spuren des Volksliedes findet man in
den Kompositionen von Vertowsky, Serow, Blarem-
berg. Selbst die Musik Tschaikowskys ist voller
Anklänge an die Volkslieder, obgleich der Künstler
einmal erklärte, dass er diese Lieder sehr wenig
gekannt habe. Harmonisch fügen sich diese russi-
schen Volkslieder sehr schwer denBegeln der mo-
dernen Musik. Viele werden im Chor gesungen.
Am 22. Oktober fand in Kassel eine Aufführung
der „Kinder-Tanz und Spiellieder'', sowie der „Ge-
berdenlieder* von J. Dalcroze unter des Kompo-
nisten eigener Leitung statt, veranstaltet von der
Musik gruppe Kassel. Der Erfolg war ein so
durchschlagender, dass auf vielseitiges Verlangen
8 Tage später eine 2. Aufführung stattfand. Jedes-
mal war der Saal ausverkauft. Ein hübscher Rein-
ertrag konnte dadurch der Pensionskasse der Kasse-
ler Musikgruppe überwiesen werden.
In München hat sich eine „Deutsche Ver-
einigung für alte Musik*' gebildet, die nach
dem Vorbilde der Pariser Societe de conceii» d'in-
sii-aments anciens Werke früherer Epochen der
deutschen Tonkunst originalgetreu im Stile ihrer
Zeit auf alten Instrumenten zur Aufführung za
bringen beabsichtigt. Diese Vereinigung, der die
Damen Johanna Bodenstein (Sopran), Marie
V. Stubenrauch (Violine), Emilie Frey (Kiel-
flügel und Fortepiano) und die Herren Ludwig
Meister (Violine, Viola, Viola d'amour), Christian
— 381 —
Döbereiner (Viola da gamba und Violoocello)
angehören, werden am 18. ds. Mts. mit ihrem
ersten Konzert vor die Oeffentlichkeit treten. Das
Programm nmfasst etwa ein Jahrhundert deutscher
Musik (vom letzten Drittel des 17. bis zum gleichen
Zeitraum des 18. Jahrhunderts). Bei seiner Zu-
sammenstellung waren zwei Gesichtspunkte haupt-
sächlich massgebend: einmal unbekanntere, aber
für ihre Zeit charakteristische Meister vorzuführen,
zweitens aber an einzelnen bekannten Stücken be-
rühmter Meister zu zeigen, wie sie im originalen
Kahmen ihrer Zeit wirken. Die zur Verwendung
kommende Viola da gamba ist von dem besten
deutschen Oambenbauer, Joachim Tielke in
Hamburg (1641->1719) gebaut, und der Klelflügel
(Clavicembalo) entstammt der Firma Fleyel, Wolf,
Lyon & Cie. in Paris. Es ist ein nach altem Mo-
dell neugebautes Instrument von grösster tech-
nischer Vollendung, wie es schon Frau Lau dowska
und die genannte Pariser Gesellschaft in Deutsch-
land bekannt gemacht haben.
Im Verein für innere Medizin führte Professor
J. Zabludowski vor kurzem ein neues Klavier,
ein „Prophylaktikum gegen Klavierspiel-
erkrankung Jugendlicher Individuen'* vor.
Herr Professor J. Zabludowski führte im wesent-
lichen aus:
„. . . Bei den Jugendlichen Klavierspielern
konnte ich mich leicht überzeugen, dass das
äusserst häufig auftretende „ü eher spielen der
Hände** einzig und allein auf das Miss Verhältnis
zwischen den Händen des Spielenden und
seinem Instrumente zurückzuführen ist.
Ich habe die Wahrnehmung gemacht, dass bei
Geigern viel schneller als bei Klavierspielern eine
Anpassung der Hände an das Instrument sich ein-
stellt. Bei den Geigern, wenn sie nur früh genug
mit dem Spielen anfangen, stellt sich die ihnen so
besonders zu Gute kommende Verlängerung des
Zeige- und des Mittelfingers der linken Hand um
1 bis 2 Zentimeter ein. Ich schlug daher vor fünf
Jahren vor, ähnliche Verhältnisse, wie für das
Geigenspiel, für das Klavierspiel zu schaffen.
Dem Jugendlichen Geiger mit kleinen Händen steht,
wie bekannt, eine kleinere Geige zur Verfügung:
Va ^U ^^^ vollen. Die Klaviere aber, wie wir sie
jetzt in Gebrauch haben, sind sämtlich mit Kla-
viaturen von nahezu gleichen Mensuren versehen.
Ich gab an, Jugendklaviere zu konstruieren,
welche sich durch nichts weiter von den üblichen
unterscheiden sollen, als durch eine etwas kleinere
Klaviatur. Es reichte für den gewünschten Zweck
eine Herabsetzung der ganzen Oktave mit den
Zwischenräumen von 19 Zentimeter der üblichen
Klaviatur auf nngefähr 17 Zentimeter aus. Ich
hatte darauf hingewiesen, dass man an einem und
demselben Klaviere nur die Klaviaturen zu wechseln
brauche, somit nicht vor die Notwendigkeit gestellt
wird, im Hause zwei Klaviere zu haben: eines für
Erwachsene und eins für Kinder. Meiner An-
regung kamen bald an verschiedenen Orten Plano-
foitefabrikanten nach. Man musste sich sagen,
dass solche Klaviere sich leicht einführen würden
bei den Musikpädagogen, weil sie gar keine
Aenderungen in der Technik des Klavlerspielens
herausfordern Ich habe bei meinem Klavier ver-
mieden, was mein Vorgänger auf dem Grebiete der
Klaviaturänderung, Jankö, getan hat. Er hat
seiner Klaviatur eine von den üblichen vollständig
abweichende Form gegeben und somit die Er-
lernung einer ganz neuen Technik nötig
gemacht. Ich stelle Ihnen ein Klavier meines
Systems vor, vom hiesigen Pianofortefabrikanten
Wilhelm Menzel gebaut. Es bietet den grossen
Vorzug, wie wir hier sehen, dass der Wechsel dei
beiden Klaviaturen sich mit Leichtigkeit vollziehen
kann. In einem Bahmen sind zwei Klaviaturen,
es ist im gewissen Sinne ein Universalklavier.
Durch die Umdrehung des Klavierrahmens tritt
die übliche Klaviatur oder die verkleinerte in die
Spielfläche. Vater und Kind können auf demselben
Instrumente hintereinander spielen. Auf diesem
Piano können Kinder viel früher mit dem Klavier-
üben beginnen. Bei der geringereu Mensur fällt
die starke Spreizung der Finger weg.
Bücher und Musikallen.
Kmrl Storck: „Geschichte der Musik'' in. Abteil.
Hmtk'ielie TerUgaliMdluff, Stvttgftn.
Die m. Abteilung der Storck*schen Musik-
geschichte liegt in einem stattlichen Bande von
270 Seiten, fast der doppelten Zahl der bisher er-
schienenen beiden ersten Bände, vor. Sie schliesst
zunächst das 6. Buch „Die Zeit der Renaissance**
ab, und zwar: die italienische Oper bis Pa'isiello
und Cimarosa,dien ationalen Sonder beetrebungen
in der Oper in Deutschland „Hamburgische
Oper", femer England's und Frankreich's Be-
mühungen auf diesem Gebiet. Anschliessend daran
werden in besonderen Kapiteln „Kunstgesang und
Gesangskunst** und „Die Instrumentalmusik" be-
handelt. Die II. Abteilung des 2^ita1ters der Be-
naissance fühlt uns in die „Kirchliche und geist-
liche Musik*' mit den Unterabteilungen „Oratorium,
geistliche Oper und Passion**. Mit dem 7. Buche
tritt der Wendepunkt in der Entwicklungsgeschichte
der Musik ein, der Auior fasst sie unter dem Ge-
sichtspunkte „Umgestaltung und Erneuerung
der Musik aus deutschem Geiste** zusammen;
jetzt tritt die Persönlichkeit in den Vordergrund
und Händel, Bach und Gluck sind die nächsten
— 382 —
BepräBentanten, die in diesem Bande nocli zur
Besprechung kommen.
Auch dieser Band erfüllt in höchstem Masse
die Erwartungen, die wir gleich bei Erscheinen
des ersten Bandes aussprachen, — in einer unge-
mein klaren, licht- und geistvollen Darstellung tritt
uns unsere Kunst in ihrer Entwicklung entgegen,
überall erblicken wir sie im Lichte ihrer Zeit, ihrer
Umgebxmg, innerhalb der Welt- und Kunstge-
schichte, und in jeder ihrer Phasen weiss der Autor
uns den leitenden Pfad zu zeigen, der Vergangen-
heit und Gegenwart verbindet, die Notwendigkeit
der verschiedenen, aus dem Greiste der 2jeit ge-
botenen Entwicklungsstufen zu schildern. Es sei
besonders auf die einleitenden Betrachtungen zu
den einzelnen Kapiteln aufmerksam gemacht, ich
führe hier nur an: „Vom Greist des Oratoriums'S
„Die evangelische und die katholische Kirchenmusik",
die Einleitung zu dem Abschnitt „Umgestaltung
und Erneuerung der Musik aus deutschem Geiste".
Ganz besonders mag noch auf die kleine, der Ent-
wicklung des „Kunstgesangs" sich anschliessende
Abhandlung „Die Gesangskunst" hingewiesen
werden. — Wir sehen dem mit der 4 Abteilung zu
erwartenden Abschluss des Werkes mit vollstem
Interesse entgegen."')
Oeorg Eggellng: op. 90. „18 melodische Oktaven-
Etüden*'.
Arttiwr P. SehHid«. Leipiig.
Wir besitzen eineg^osse Zahl trefflicher Oktaven-
studien, Original- und Sammelwerke, die dem Be-
dürfnis anscheinend voll Grenüge leisten. Dennoch
möchten wir dem vorliegenden Spezial werke durch
ein empfehlenswertes Wort gern den Weg in die
weite Praxis bahnen. Der Verfasser hat es für
eine bestimmte Stufe der Technik — obere Mittel-
stufe — berechnet, ein Stadium im Verlaufe der
Ausbildung, in der sich oft bei der studierenden
Jugend die Entscheidung vorbereitet, ob das fort-
gesetzte Arbeiten sich höheren Zielen zuwendet,
oder im Bahmen des häuslichen Musizierens ver-
bleibt. Auf dieser Stufe werden die Eggeling-
schen Studien treffliche Dienste leisten. Sie ver-
einen mit dem SpezialStudium, dem Oktavenspiel,
melodischen Beiz, Wechsel im Bhythmus und
prog^ssives Portschreiten vom Leichteren zum
Schwereren, ohne Ermüdung, sie bahnen den Weg
zum virtuosen Spiel. In diesem Sinne seien sie
eingehender Beachtung warm empfohlen.
Anna Morsch.
Jotaaimes Sehreyer: „Harmonielehre".
HoIB** imd Pilily Dr«tdmi.
Mit inniger Preude lege ich ein Buch aus der
Hand, welches unstreitig mit zum Allerbesten ge-
♦) Während der Drucklegung des oben Ge-
sagten ist die IV. Abteilung erschienen, sodass
das Werk jetzt abgeschlossen vor uns liegt, eine
Zierde für den Weihnachtstisch jedes Musikfreundes.
hört, was uns das letzte Decennium an Hannonie-
lehrbüchern bescherte. Weniger ein Lehrbuch, als
ein Buch voll feiner, neuer und fruchtbarer Ge-
danken, hat dieses Buch eine Zukunft, Indem es
eine tiefgehende Anregung für alle Theoretiker,
die auf der Höhe der Zeit stehen, sein muss.
Der grösste Pehler aller Harmonielehrsysteme
ist ohne Zweifel der umstand, dass sie den Vokal-
satz, der allerdings immer der Ausgangepunkt ihrer
Begeln sein und bleiben muss, zum alleinigen
Fundament ihrer Untersuchungen machen, statt
nach Grundlegung ihrer elementaren Begeln die
Instrumentalmusik mit ihren „durchgängig feineren
und geistigeren Massen" als Objekt zu nehmen.
Nach den Begeln, die aus der Praxis der Kirchen-
musik hervorg^ingen, dürfen wir nicht versuchen,
einen Wagner und Strauss zu beurteilen.
Methodische Anleitung zum Musik-hören, Ausbil-
dung der Phantasie und Analyse der Meisterwerke,
— das sind die Ziele, die Schreyer anstrebt und
seinen Schülern zur Aufgabe macht.
Entgegengesetzt den Lehrbüchern, die immer
wieder auf den choralartigen Satz, also den Stil
einer vergangenen 2jeit zurückkommen, hat sich
der Verfasser den Wahlspruch erwählt: „Weil jede
echte Kunst Ausdruck ihrer Zeit ist, sind die Ge-
setze der Kunst wandelbar wie die Menschenpsyche,
die sie abspiegeln. Deshalb muss die Kompositions-
lehre im Zusammenhange mit der Kunst ihrer
Zeit bleiben, ja von ihr ausgehen." Ein trefflicher
Spruch und ein treffliches Buch. Den 12. Abschnitt
(über Zulässigkeit oder ünzulässigkeit von Quinten-
parallelen) muss jeder für Musiktheorie Inter-
essierte gelesen haben. Möge ^ das Buch finden,
was es verdient.
Han» F- Schaub.
SiU: „Suite", Präludium, Menuett, Arioso,
Intermezzo, Introduktion, Gavotte
für Violine mit Pianoforte-Begleitung.
Bmt ■«Itabarf, L«lpilff.
Eine Suite hat nun einmal die Erlaubnis, in
ihren Sätzen nicht gleichwertig sein zu dürfen,
weil nur lose, einzelne Stücke aneinander g^ereiht
sind. Man erwartet da nicht einen inhaltreicheren
Zusammenhang aller Sätze wie in einem Kammer-
musikstücke; es gibt z. B. eine Suite von Bach,
die ausser der viel gespielten berühmten Ghaconne
fast gamicht bekannt ist. Auch von den bestens
bekannten modernen Suiten von Bies hört man
meistens nur einzelne sehr beliebte Sätze: „Bomanze",
„Gondoliera", , Gavotte* etc. — No. 1 Präludium ist,
nach dem Beispiel der alten Meister, sehr solide
gehalten; No. 2 liebenswürdig und dankbar. No. 3
steht leider nicht auf derselben Höhe. No. 4 kann
von einem Geiger, der ein elegantes Staccato hat»
zu einem hübschen Effektstückchen herausgearbeitet
werden. No. 5 erscheint uns als die schwächste
Nummer in der Suite. Eine elegante und doch
inhaltreiche Gavotte zu schreiben ist kein leichtes
— 383 —
Sttick Arbeit; an süsslicheD, niedlich instrumexitierten
Wiener Gavotten für Grartenkonzerte haben wir
keinen Mangel. — Als tüchtiger, bekannter Geigen-
pädagoge und genauer Kenner seines Instruments
schreibt Sitt immer dankbar und effektvoll.
Dagobert LöwenthaL
Henryk Melcer: Klavier-Konzert (Ko. 1 £-mo11) für
Plan of orte und Orchester.
Lsdwtg DobllBffer, WIem.
Henryk Melcer's Klavier-Konzert (No. 1, E-moll)
ist eine Arbeit, die von starkem Talente Kunde
gibt und von einem grossen Zuge belebt ist. Der
Komponist ist allem Anscheine zugleich ein treff-
licher Pianist; sein Klaviersatz ist vorzüglich und
ausserordentlich wirkungsvoll. Die drei Sätze des
in Bede stehenden Konzertes stehen ihrem musi-
kalischen Gehalte nach meist auf gleicher Höhe.
Der erste Satz (V4 E-moll Maestoso) hebt kraftvoll
und energisch an, das Pianoforte setzt ohne weiteres
mit dem nicht unbedeutenden Thema ein, aber
allmählich beginnt die Paraphrase das üeberge-
wicht zu beanspruchen, Arabeskenwerk über-
wuchert beinahe alles und der Solist gibt sich
einer Spielfreudigkeit hin, welche alle Rücksicht
auf tatsächlich interessante Thematisierung und
Durchführung ausser Acht lässt. Der zweite Satz
(C, B-dur, Andante) darf wohl nur als Einleitung
zum Einale gelten, denn er ist in melodischer Be-
ziehung ziemlich unselbständig, ja belanglos. In
beiden Sätzen findet sich mancher Zug, der im
guten Sinne an Anton Bubinstein erinnert, freilich
begegnet man darin auch dieses Meisters Schreib-
seligkeit und seinem Vergnügen an mehr äusser-
licher, voUgesättigter Klangwirkung. Wären alle
drei Sätze des Melcer'schen Konzertes in Bezug
auf Erfindungs- und Darstellungskraft so trefflich
geraten wie das Finale (74t E-dur, Vivace ma non
troppo, e poi molto accellerando), so würden wir
um ein ausgezeichnetes Klavierkonzert reicher sein.
Melcer ist hiermit ein trefflicher Wurf gelungen.
Das Haupt thema ist sehr originell und von heiter-
liebenswürdigem Charakter, ein Seitenthema von
wirkungsreicher Gegensätzlichkeit und die Wechsel-
wirkung zwischen Soloinstrument und Orchester
aufs Peinste und Künstlerischste verteilt und ab-
gewogen. Hierzu kommt noch der virtuose Schliff
und der wirklich vornehme Effekt, den Melcer's
sachkundige Behandlung jederzeit hervorzurufen
imstande ist. Befriedigt das Klavierkonzert haupt-
sächlich auch nur im letzten Satze vollkommen,
so ist es doch auf jeden Fall darnach angetan,
den Spieler auf das weitere Kunstschaffen des
jedenfalls noch in jugendlicherem Alter stehenden
Komponisten aufmerksam zu machen.
Hngo Kann: op. 56. Drei Stücke für das Piano-
forte (Humoreske, Präludium und
Nocturne).
ۥ F. Kfthmfy Naehfolyery Leipsiy.
Hugo Kaun's Op. 56 ist eine wertvolle Gabe
für alle technisch gut vorgebildeten Pianisten.
Neben eigenartig melodischen Beizen bieten die
drei Stücke, besonders die Humoreske, rhythmische
Feinheiten, die das Interesse des Spielers beleben
und das Darstellungsvermögen unzweifelhaft be-
reichern werden. Aus Kann's Klaviermusik spricht
überhaupt viel innerliches Leben und eine echte
künstlerische Betätigung, die sich weit ab hält von
aller Aeusserlichkeit und Effekthascherei, die nur
mitteilt, was wirklich gesagt werden muss und
der Aussprache tatsächlich wert ist. Es sei darum
nachdrücklich auf diese ganz trefflichen Klavier-
sachen hingewiesen.
Eugm Segnitz*
Felix Tom Bath: Im Mai. Lied für eine Sing-
stimme mit Klavierbegleitung. Aus-
gabe für eine tiefe Stimme.
J. Sckaberth k C0.9 Lelpiig.
Felix vom Bath, ans den Bheinlanden gebürtig,
ist vor einigen Monaten in der Blüte der Jahre
dahingerafft worden. In der MtLnchener Schule
gebildet, hat er sich durch feinsinnige Lieder und
Klavierstücke, besonders in neuerer Zeit durch ein
an bedeutenden Zügen reiches Klavierkonzert in
weiteren Kreisen einen Namen gemacht. Heute
li^t uns nur dies eine, von der Verlagshandlung
für eine tiefe Stimme herausgegebene Lied als
Neuheit vor. Hätte F. vom Bath auch weiter nichts
geschrieben als dies eine Lied ,Jm Mai'S so würde
der feurige Schwung, der uns aus diesem Lied
entgegenweht und die kühne, fesselnde Harmonik,
die demselben zu Grunde liegt, allein schon genügen,
in dem frühen Hingang des Komponisten den Ver-
lust eines reichbegabten und entwickelungsfähigen
Kunstjüngers tief zu beklagen.
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B« Lonls: „Anton Brückner".
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blätter an Mathilde Wesendonk'^
Max Hesses Verlag, Lelpilg:
Hngo Blemann: „Musik-Lexikon". 6. Auflage.
VerUgagesellscluift ^HarmonieS Berlin:
Karl Karla Klob: „Beiträge zur Geschichte
der deutschen komischen Oper.
— 384
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Karl Storck: „Geschichte der Masik". 4 Ab-
teilangen. Mit Blldschmack von
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Karl Storck: „Beethoven-Briefe in AnswahR
Aus der Sammlung: Bücher der Weis-
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Heinrlcli Hacke: ,,Lerne singen^^! In 2 Pracht-
bänden mit 764 Abbildungen und
über 900 Notenbeispielen.
Terlag toii Leonhard Simion Nf«, Berlin:
Leopold Schmidt: „Die moderne Musik''.
Verlag von Holie & Pahl, Dresde?:
Johannes Schreyer: „Von Bach bis Wagner".
Ein Beitrag zur Psychologie
des Musikhörens.
Terlag von J. 6. Cotta, Stnttgart ond Berlin:
Otto üeilzel: „Richard Wagner 's Opern'^ in
Text, Musik und Szene. 3. Auflage.
6« J. Göschen'sohe Verlagsh&ndlnng, Leipzig:
Ednard Möricke: Gesammelte Schriften.
Vier Bände. Volksausgabe.
Terlag Ton Breitkopf & Ui&rtel, Leipilg:
Hugo Riemann: ^.Handbuch der Musik-
geschichte". I. Bd., 1. u. 2. Abt.
Berthold Lltunann: ,,Klara Schumann". 2. Bd.
Ehejahre 1846—1856.
La Mara: „Aus der Glanzzeit der Weimarer
Altenbarg*.
Engen Gnra: „Erinnerungen aus meinem
Leben".
Marie T.Bttlow: „Hans v. Bfilow, Briefe und
Schriften". 6. Band, .
Feter Cornelias: Erste Gesamtausgabe seiner lite-
rarischen Werke. Band II : ,, Au 8 -
gewählte Briefe". Herausge-
geben von Carl Maria Cor-
nelius. Bd. IV: „Gedichte-.
Herausgegeb. von Adolf Stern.
Hector Berlioz: Gesamtausgabe seiner literarischen
Werke. Band II: „Memoiren^'.
Band X: „Grosse Instrumen-
tationslehre".
W. J« T. WaMelewskfl: „Die Violine und ihre
Meistor". 4. vermehrte
und verbesserte Auflage.
Otto Jahn: „W. A. Mozart". 4. Auflage. Be-
arbeitet von Hermann Deiters.
Vereine.
Mnsikp&dagogischer Verband«
Der dritte ^Musikpädagogische Eongress"
findet 1906 in der Osterwoche an den Tagen des
9., 10. und II. April hier in Berlin statt und
können wir unseren Mitgliedern die freudige Mit-
teilung machen, dass uns wieder dasReichstags-
gebäude dazu bewilligt ist.
Die vorläuflge Tagesordnung ist:
^ 1. Tag. Vorträge über „Musikpädagoglsche Fra-
gen^* mit anschliessender Diskussion.
2. Tag. Zwei Vorträge über das Thema:
„Die Musik in ihrer kulturellen
Bedeutung.''
a. In der Geschichte.
b. In der Gegenwart.
3. Tag. Die Reform des Schulgesanges.
An den Nachmittagen flnden Sektionssitzun-
gen der verschiedenen Kommissionen statt.
Anmeldungen zu Vorträgen, aber nur noch für
den 1. Tag, sind bis zum 1. Januar dem [Jnter-
zeichneten einzureichen. Den Themen sind Leit-
sätze hinzuzufügen, üeber die Annahme ent-
scheidet eine dazu eingesetzte Kommission.
I. A.
Xaver Scharwenka,
I. Vorsitzender,
W. Blumenthalstr. 17.
Mngik-Sektion des A. D. L.-V.
Verband der deutschen Mnslklehrerinnen.
Musikgruppe Breslau. Am 5. November
fand hier die Einweihung des Musiklehrerinnen-
Altersheims statt. Nach dem einleitenden Choral
.Lobe den Herrn' wurde von den Gesanglehrerinnen
der Musikgruppe das Terzett: „Hebe deine Augen
auf^* gesungen, worauf Herr Ober-Konsistorialrat
Professor D. von Hase eine Ansprache hielt und
vor allem hervorhob, wie sehr der frühere Stadt-
kämmerer Körte, Jetziger Oberbürgermeister in
Königsberg, sich um die schnelle Errichtung des
Heims verdient gemacht. Als Vorsitzender des
Vereins sagte er ferner allen Mitgliedern und Gön-
nern des Vereins Dank für ihre Mitarbeit. Der
Choral : „N un danket alle Gott" beschloss die Feier,
nachdem die erste Insassin des Heims ihren Dank
gegen Gott und alle die, welche das Heim bauen
halfen, ausgesprochen. Die Gäste traten darauf
einen Rundgang durch das schöne helle Haus an.
Es enthält 11 Wohnungen, bestehend ans je 2
Zimmern,, mit Kochgelegenheit in einem derselben,
sodann einen gemeinsamen Aufenthaltsraum und
ein mit schönen grossen Eichenschränken ver-
sehenes Bibliothekzimmer. Berechtigt zur Auf-
nahme in das Stift sind alle Musiklehrerinnen, in
Schlesien und Posen geboren oder wirkend, ohne
— 385 —
Unterschied der Eonfession, sofern sie Mitglieder
der Mnsikgruppe des Pro vinzial-Lehrerinnen- Ver-
eins für Schlesien und Posen sind. Nähere Aus-
kunft erteilt die stellvertretende Vorsitzende des
Musiklehrerinnen- Altersheim 8. Vorsitzende der Mu-
sikgruppe, Fräulein Elisabeth Simon, Breslau,
Teichstrasse 6, I.
Anzeigen.
Konservatorium der Musik
in Kassel,
Wilhelmshöher Allee 43.
Gegr. 1895. Direktion: Luise Beyer. Gegr. i896,
EhrenTOniti : Begieninn-PriUident 6nf rom Benutorff;
Gnf KSnlgMorfr, Exoellens GeDeralin TOa ColOMb,
Oberbürgermeister HOUer n. A.
Curatorlmn: Pfarrer Haas, Sohuldirektor Prof. Dr. Kraai-
BMCher» Bankier Plaaty Jnsüarath Scheffer o. A.
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Für die Redaktion rerantwortlich: Anna Morsch, Berlin W., Ansbacherstr. 87.
Expedition und Verlag »»Der Klarier -Lehrer^, M. Wolff, Berlin W., Ansbacherstraflse S7.
Dmck: J. S. Preuss, Berlin S.ViT., Kommandanteustr. 14.
1878
1905
Dr. Max Arend: Gluck-Cyklus unter Arthur Nikisch
im Leipziger Neuen Theater.
J. Vianna da Motta; Neues über Beethoven.
Dr. Karl Storck: Kritische Rückschau über Konzert
und Oper.
Wilhelm Rischbieter: Vereinzelte Gedanken eines
alten Musikers.
Bücher und Musikalien u. s. w.
15. Dezember 1905*
mnsik-Sektion des K D. C-U.
Uerbana der deutscben musiklebrerlnnen,
;ri. l$. Stinper,
die sich im Jahre 1897 zu Leipzig konstituierte und die Förderung der geistigen und materiellen
Interessen der Mnsiklehrerinnen erstrebt, zählt Jetzt über 1000 Mitglieder und ist in folgenden 48 Städten
durch Ortsgruppen Vortreten:
Berlin, Vonitsende Frl. Dr. O. Stteflltz, W^ An8bMbeTBtr.2n.
Bonn, n ^1* Hnlda Schnitze, Hofgarten«tr. 1/2.
Brannschwelg. Frl. Bertha Bastian, Gampestr. 88.
Bremen, « FrL Gertrud Höpken, Stein-SLrexiB 1
Breslau, » FrL Bllsabeth Simon, Teiohstr. 6.
Brombergy ^ FrL Rosa Passarge, Binkanentr. 29.
Cassel, • FrL Luise Soest, Hohensollemstr. 41.
Chemnlto ^ Fr. Prof. Dr. Prohberger, Kassbergstr. 18.
Danzlg, „ FrL M. Dlller, Breitegasse 19/20.
Darmstadt, „ Fr. Dr. J. Walther, Neokarstr. 28. '
Dessau, « FrL Anna Brinner, Agnesstr. 26.
Dresden, , FrL Sophie Hoffmann. Blamenstr. 0.
DBsseldorf, . FrL Helene Lücker, BUlerstr. 27.
Fr. A. Briegleb, Klosterstr. IL
FrL M. Krüger, HeiUge Oeiststr. 40.
FrL Anna Hesse. Sohillerstr. 27.
Prankfurt a. M., , FrL Sophie Henköl, Homboldtatr. 10.
Hagen L W., „ FrL Comelle Plues, Kömerstr. 80.
HaUe, , Fr. Prof. S. Bernstein, MOblweg 6.
Hamburg. „ Fr. B. Orumbach, Kottwitsttr. 20.
Hannover» , FrL A. Hnndoegger. Blamenbagenstr. 1.
Hlldeshelm, , FrL Elisabeth Prank, Elnomerstr. 11.
Blblng,
Iserlohn, Vorsitzende
Königsberg, „
Koslln,
Krenznachf ,
Landau (Pfalz), ,
Leipzig,
Lfibeck,
Magdeburg, «
Mainz, n
Mannhelm, ^
Nordhausen, „
Osnabrück, ,
Potsdam, n
Plauen,
Rostock, «
Schwerin, «
Siegen,
Stettin, „
Stuttgart,
Wiesbaden. ,
Zittau,
Frl. Hedwig Bemmer, Weststr. 3.
Fr. L. Dehmlow, Steindamm 168.
FrL Anny Kuhn, Am Holsmarkf 2.
FrL Henny Plcard, Philippstr. 6.
FrL Elise Jung, Königstr. 70.
Fr. Elise SchlcmüUer, Alexandersir. 14.
Frl. J. Oustivel, Weberstr. 16.
Frl. Marta Sobllk, Kaiserstr. 20.
FrL Catarlne Haass, Schnlstr. iO.
FrL Elise Keller, D. 7. 18.
Frl. Helene Martens, Bahnhofstr. 11.
FrL Bllsabeth Kollmeyer, Krahnstr. 21.
Fr. Dr. C. Rahn, Ebraerstr. la
Frl. Marie Hunger, Marienstr. 1&
FrL R. M. Mac-Lean, Nene Wallstr. 9.
FrL M. Pelten, Apotbekerstr. 26.
FrL Agnes Ax. GOlnerstr. 00.
Frl. Ida Ulrich, Falkenwalderstr. 119.
Frl. L. Prtedel, Priedrichstr. 80.
FrL Helene Henzeroth. Gkiethestr. 1.
Frl. Joh. Oebauer. Neustadt 82.
Satzungen, Eintrittsbedingungen, sowie jede nähere Auskunft
durch die 1. Vorsitzende Frl. Sophie Henkel, Frankfurt a« M., Humboldtstr. 19.
i^usikpädagogischer )^erband.
I. Vorsitzender: Xaver Scbarwenka« Königl. Professor.
Berlin W., Blumenthalstr. 17.
Der „Musikpädagogische Verband" erstrebt eine Besserung auf dem Gebiete des
gesamten Unterrichtswesens und eine dadurch bedingte Hebung des Musiklehrerstandes.
Seine nächsten Ziele sind:
1. Gründliche Ausbildung und vertieftes Wissen der Unterrichtenden, Umgestaltung
der Seminare an den Konservatorien, Einführung von Prüfungen und Erteilung
von Zeugnissen.
2. Hebung der sozialen und materiellen Stellung der Musik-Lehrer und -Lehrerinnen.
3. Prüfimg und Sichtimg aller in das Gebiet der Musikpädagogik eingreifenden Er-
scheinungen, um dieselbe stets im Einklang mit dem Kulturfortschritt zu halten.
4. Reformen auf dem Gebiete des Schulgesanges.
Meldungen zum Eintritt in den „Musikpädagogischen Verband" sind an den 1. Vor-
sitzenden, Prof. Xaver Scharwenka, unter Beifügung von Zeugnissen, Prospekten u. s. w.
zu richten; die Satzungen und Prüfungsordnung sind kostenfrei durch die Oeschiftsstelle:
Verlag ,,Der Klavier-Lelirer'', Berlin W. 50, zu beziehen.
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Pensionskasse
der IHusik-Sekflon des HHg. D. b. V.
Gruppe D vom Allg. Wohlfahrtsverband deutscher Lehrer und Lehrerinnen
(angesclilossen 71 Vereine mit über 32000 Mitgliedern).
Versicherung von Pensionen oiine oder mit ROcIcgewfllip
bei der
Aligeni einen deutschen Pensionsanstalt
fflr Leliperinnen und Erzielierinnen
Berlin W. 64, Behrenstr. 72.
Nähere Auskunft erteilt bis auf weiteres Frl. Anna Morsch, Berlin W., Ansbacherstr. 37.
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= ^eflniBT TTOTo. Arthur P. Schuildt ^=
Boston Leipzig New York.
Spezial'Etuden mr Pianoforte.
L
emtn für die linke Dana allein«
Faote^ Arthur^ JL
Op. 6 No. 4. Petitc Valse .... —.50
Ouriiii^ Comeiius.
Op. 185 'No. 4. Impromptu . . . 1.—
Woiff, Bernhard.
Op. 243 No. 2. AHemaode.
Oktaven-Etude —.80
Op. 257. 4 knne Etndea .... 1.20
Fooief Arthur,
Op. 37 No. 1. Pr^lode -.80
No. 2. Polka —.50
No. 8. Romanze .... —.80
OKta«en-€tnaen*
EggMngj Georg.
Op. 90. 18 melodische Oktaven-Etoden
fär die obere Mittelstufe.
Komplett netto 3. —
In 3 Heften je 2.—
Es^ff, Siepän.
ABgeoelime ErinnernngeD. Oktaven
und Terzen — .80
Fariaw, Edmund.
Op.91No.4. Ein kleiner Reitersmann —.80
Sh'eiezhif Anton*
Cavalcade —.80
Woiff, Bernhard»
Op. 243 No. 1. Elfentanz. Oktaven-
etnde für die rechte Hand . . — .80
- - No. 2. Allemande. Oktavenetude
für die linke Hand —.80
JIrpegflio-Etnaen.
Esipofff Siepän.
Oebet im Sturme —80
Franke^ Max.
Op. 59 No. 8. Am Springqoell . . —80
FarioWj Edmund.
Op. 91 No. 2. Ballspiel —.80
I^U
Cenen-EtnAen.
EHpoff, Stspdn.
Angenehme Erinnerangen. Oktaven
und Terzen —.80
Neckerei —.80
Fi'ahke^ Max.
Op. 51 No. 5. Bolero —.80
FarloWf Bidmund.
Op. 91 No. 8.
Wolff^ Bernhard.
Op. 242. Tanzlied
Matrosentanz
-.80
1.20
Staccato-Etnaen*
E9^ff^ Stepdn.
PIfltscbernde Regentropfen .... —.80
Franke^ Max»
Op. 59 No. 2. Ueber Stock und Stein -.80
ParioWf Edmund.
Op. 91 No. 6. Spottdrossel . . . —.80
Uerscbieaene Etnden«
Esipoffn Siepän,
Flflsternde Lftfte. Gebrochene Akkorde
-.80
Franke^ Max.
Op. 59 No. 1. Morgengrnss. Melo-
dische Studie —.80
— No. 4. Trinme der Vergangenheit
Der Doppelvorschlag .... —.80
— No. 6. Frilhiings-Sehnsncht.
Der Triller -.80
— No. 7. Zigennerwelsen.
Die Synkope —.80
ParioWf JSdmurad.
Op. 91 No. 1. Ein kleines Lied.
Legato-Etude —.80
— No. 5. Die Libelle. Triller-Etude —.80
Wolfff Bernhard.
Op. 250. Türkischer Marsch.
Sexten-Etude —.80
Verlag von N. Simrock, G. m. b. H. in Berlin, Leipzigs» Köln.
Neue Elementar - Klavierschule von Eccarius- Sieber
zum speciellen G«brancli an Lehrerseminaren und Mnsiksehulen«
Preis nk. 4,50 netto; auch in 8 AUheilungen k Hk. 1,50«
Anna Morsch schreibt über diese Schule im .Klavier-Lehrer":
„Wenn ich am Anfang meiner Besprechung an das Erscheinen der Schale die Er-
wartung aussprach, dass sie berufen schiene, eine Besserang im Elementar-Unterricht herbeizuführen,
so gehört zur Erfüllung dieser Hoffnung allerdings noch ein zweiter Faktor, n&mlich, dass die Scholc
benatzt und elngefttbrt wird« Vielleicht regen meine Worte dazu an. Ich kann nur den guten Rat
hinzufiigen, selbst zu prüfen. Ein sicherer, nnirflglicher Führer ist von nneDdllchem Werte, und
den findet man zweifellos in Eccarlns-Sieber's Schule.* —
Die Schule ist inzwischen in ganz Dentscbland eingeführt; ihre Verbreitung nimmt von
Semester zu Semester zu. — Wir senden auf Wunsch gern zur Ansicht.
/^
Conservatorium der Musik und Opernschule
Klindworth-Scharwenka
=\
BERLIN W., Steglitzerstraeee 19, nahe der Potsdameretrasse (Gartenhaus).
Direktion: Prof. Xaver Scbarwenka. Prof. Philipp Scharwenka. Kapellmeister Robert Robitschek.
Zweiganstalten: N.W. Lessingstr. 31, Uliiandstr. 53.
Hauptlehrer: Gelang: Frls. E. Arnold, M. Berg, Fr. Prof. Blanck-Peters, Frau M. Brieger-Palm,
Frls. T. Kunz, A. Salomon, Herren E. Brieger, Dr. H. Goldschmidt, A. Sistermans. Klavier: Herren
R. Ebel, A. Foerster, K. Kessler, Dr. W. Kleefeld, Prof. J. Kwast, Prof. W. Leipholz, M. Mayer-
Mahr, P. Oehlschläger, Prof. X. Scharwenka, Prof. Ph. Scharwenka, A. Schumann, H. Torshof,
Frls. E. Eckhardt, M. Haase, D. Heyden, E. Hirsch, E. Kollberg, C. Krause, C. Kuske, M. Pick,
F. Prietzel, M. Siebold, H. Stubenrauch. Violine: Frls. J. v. Brennerberg, G. Steiner, Herren
R. Broemel, M. Grünberg, J. Huff, Kammervirtuos Fl. Zajic, G. Zimmermann. Cello: J. van Lier.
Orgel: F. Grunicke. Composilion: H. Herrraann, Dr. H. Leichtentritt, Prüf. Ph. Scharwenka. Schao-
spielpchnle: M. Lippert. Abteflnng für Musik Wissenschaften: Herren Dr. H. Goldscbmidt, Dr. W.
Kleefeld, Dr. H. Lcichtentriti, O. Lessmann. Seminar: Prof. X. bcharwenka, Prof. W. Leipholz.
V
Prospekte gratis durch das Sekretariat. Sprechstunden 4—6.
J
Professor Xawer Scharwenka gewidmet
Znschneid Klavierschule
Ein systematischer Lehrgang des Klavierspiels mit metho-
dischem Leitfaden für den Elementar -Klavierunterricht.
Teil I brosch. . . . M. 3. — , in Leinen gebunden . M. 3.75
Teil II „ . . . M. 5.-, „ „ „ . M. 5.75
Beide Teile in einem Bande, gebunden . . . . M. 8.50
Methodischer Leitfaden, gebunden . . . M. 1.20
progressiv geordnet und herausgegeben
j von Karl Zuschneid. Vier Hefte, je M. 1.60.
Chr. Friedrich Vieweg, Berlin - Gross Lichterfelde W.
Druck von J. S. Preasa. Berlin SW.. Kommandantenstrasae 14.